Das Recht der Ehevoraussetzungen in den Leges der Goten, Burgunder und Franken unter besonderer Berücksichtigung des römischen Vulgarrechts [1 ed.] 9783428545537, 9783428145539

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, über eine Darstellung des Rechts der Ehevoraussetzungen in den $aLeges$z des 4.

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Das Recht der Ehevoraussetzungen in den Leges der Goten, Burgunder und Franken unter besonderer Berücksichtigung des römischen Vulgarrechts [1 ed.]
 9783428545537, 9783428145539

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 172

Das Recht der Ehevoraussetzungen in den Leges der Goten, Burgunder und Franken unter besonderer Berücksichtigung des römischen Vulgarrechts

Von

Christoph Dominik Müller

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOPH DOMINIK MÜLLER

Das Recht der Ehevoraussetzungen in den Leges der Goten, Burgunder und Franken unter besonderer Berücksichtigung des römischen Vulgarrechts

Schriften zur Rechtsgeschichte

Band 172

Das Recht der Ehevoraussetzungen in den Leges der Goten, Burgunder und Franken unter besonderer Berücksichtigung des römischen Vulgarrechts

Von

Christoph Dominik Müller

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D21 Alle Rechte vorbehalten © 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-14553-9 (Print) ISBN 978-3-428-54553-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84553-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Mit der Veröffentlichung dieses Buches gelangt nun ein Vorhaben zum glücklichen Abschluss, das im Jahre 2007 mit der Wahl des Themas und der ersten gedanklichen Beschäftigung mit dem spätantiken römischen Eherecht seinen Anfang nahm. Die Erforschung des Rechts der Ehevoraussetzungen der spätantiken Umbruchszeit hat auf mich einen besonderen Reiz ausgeübt, weil durch die Entstehung germanischer Reiche auf dem Gebiet des Weströmischen Reiches vielfältige Einflüsse auf die Gesellschafts- und Rechtsordnungen wirkten, deren Ergründung das Verständnis für die europäische Rechtsentwicklung vertieft. Gerade in der heutigen Zeit, in der sich das „alte Europa“ zum wiederholten Male mannigfachen Herausforderungen und Umbrüchen stellen muss, halte ich die Beschäftigung mit den historischen Grundlagen Europas – zu dessen wichtigsten Errungenschaften zweifelsohne das römische Recht zählt – für weiterführend. Mit der Drucklegung ist es angebracht, vielfach Dank zu sagen: Ein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Schiemann, für die hervorragende Betreuung, durch die er mich stets in meinem wissenschaftlichen Vorhaben bestärkte und gleichzeitig die Sicherheit vermittelt hat, einen richtigen Pfad zu beschreiten. Herrn Professor Forster danke ich für die zügige Zweitkorrektur, der Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung Tuttlingen für den freigebigen Druckkostenzuschuss und dem Verlag Duncker & Humblot für die freundliche und unkomplizierte Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Schriften zur Rechtsgeschichte“. In Dankbarkeit verbunden bin ich auch meinem Freund Reinhard Mast und meiner Schwester Anja, die durch geistreiche Hinweise meine Gedanken weitergebracht haben. Der größte Dank gebührt meiner Anke, die mich seit dem Moment, in dem sie in mein Leben trat, in immerwährender Liebe mit Rat und Tat unterstützt. Ohne ihren segensreichen Zuspruch hätte die Fertigstellung der Arbeit sicherlich noch einige Zeit länger in Anspruch genommen. Gewidmet ist dieses Buch meiner geliebten Mutter, der es nicht vergönnt war, den erfolgreichen Abschluss meines Vorhabens mitzuerleben. Landau in der Pfalz, im Oktober 2015

Christoph Dominik Müller

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Kreis der Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leges bzw. Leges Romanae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Westgotisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ostgotisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Burgundisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Salfränkisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Codex Theodosianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Vulgarrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vulgarrechtsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ausformung des Vulgarrechtsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Merkmale des Vulgarrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Herkunft vulgarrechtlicher Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung zu weiteren Einflüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Entwicklungen der Vulgarrechtsforschung . . . . . . . . . . . . . . 2. Die quellenbezogene Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Recht der Ehevoraussetzungen nach dem römischen Recht . . . . . . . . . 1. Ältere und klassische Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlöbnis (sponsalia) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ehemündigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Consensus/Zustimmung des Gewalthabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbot der Mehrehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand . . . . . . . . . . . . . . . aa) Conubium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Ehegesetzgebung des Augustus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verbote der Ehe mit Verwandten/Verschwägerten . . . . . . . . . . . dd) Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die nachklassische Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlöbnis (sponsalia) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ehemündigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Consensus/Zustimmung des Gewalthabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbot der Mehrehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16 16 16 17 17 19 21 23 25 26 26 26 28 29 30 31 33 36 37 37 38 39 40 41 41 42 43 43 44 44 45 46 47

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Inhaltsverzeichnis e) Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand . . . . . . . . . . . . . . . aa) Conubium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Ehegesetze des Augustus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verbote aufgrund bestimmter Funktionen des Mannes . . . . . . . . dd) Inzestverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Religiös beeinflusste Eheverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlöbnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ehemündigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Publizitätsakte und Erleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwesenheit des Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ehe zwischen Personen gleichen Standes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entführung der Braut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verbot der Mehrehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ehebeendigung durch Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkubinat/contubernium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stammesverschiedene Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inzestverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Grad der Verwandtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite des Inzestverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eheverbote aufgrund personenrechtlichen Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Standesunterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Religiös beeinflusste Eheverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemischtreligiöse Ehen zwischen Juden und Christen . . . . . . . . . . . b) Verbote für eine Ehe mit Angehörigen des geistlichen Standes . . . . VI. Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nach Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiederverheiratung der Witwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 55 55 55 56 57 57 58 60 61 64 66 66 67 67 68 71 71 74 77 77 80 81 81 83 86

C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Politik und Gesetzgebungstätigkeit Theoderichs des Großen . . . . . . . . . . . . II. Verlöbnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ehemündigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entführung der Braut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verbot der Mehrehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichweite des Titels Edictum Theoderici c. 36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stammesverschiedene Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inzestverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eheverbote aufgrund personenrechtlichen Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Standesunterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Religiös beeinflusste Eheverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ehen zwischen Arianern und Katholiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemischtreligiöse Ehen zwischen Juden und Christen . . . . . . . . . . . VII. Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wiederverheiratung nach Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiederverheiratung der Witwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlöbnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ehemündigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlung des Brautpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entführung der Braut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verbot der Mehrehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorherige Ehebeendigung durch Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außereheliche Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stammesverschiedene Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inzestverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eheverbote aufgrund personenrechtlichen Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Standesunterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Religiös beeinflusste Eheverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbot gemischtreligiöser Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot der Ehe mit Angehörigen des geistlichen Standes . . . . . . . . . VI. Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nach Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiederverheiratung der Witwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlöbnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ehemündigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlung des Brautpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entführung der Braut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Polygyne Verbindungen und Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mehrehen der fränkischen Könige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Außereheliche Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stammesverschiedene Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inzestverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eheverbote aufgrund personenrechtlichen Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Standesunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Religiös beeinflusste Eheverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wiederverheiratung nach Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wiederverheiratung der Witwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 149 152 153 153 153 156 159 159 160 162 164 164 165 168 168 170 172 173 173 174 175

F. Vulgarrecht in den Leges? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einflüsse außerhalb des Vulgarrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Germanische Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wergeldsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlöbnis und Brautpreiszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Crimen raptus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbindung zwischen Sklave und freier Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ehescheidung und Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Christliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inzestgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Scheidung und Wiederverheiratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eheverbote zwischen Juden und Christen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eheverbote mit Angehörigen des geistlichen Standes . . . . . . . . . . . . 3. Rechtspolitische Motive der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaftspolitische Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Propagandistische Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vulgarrechtliche Merkmale der Leges? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffliche Unschärfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 177 177 177 178 179 180 180 181 181 183 185 185 186 186 189 191 191

Inhaltsverzeichnis

III.

IV.

a) Coniugium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Coloni originarii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pretium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Volkssprachliche Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige vulgarrechtliche Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Westgotisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ostgotisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Burgundisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Salfränkisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materiellrechtliche Veränderungen durch Vulgarrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inzestverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Publizitäts- und Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wartefrist bei der Wiederheirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Reipus-Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vulgarrecht in den Leges und die Berechtigung des Vulgarrechtsbegriffes

11 191 192 193 194 195 196 197 198 201 203 204 204 207 207 208 209 209

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Personen-, Orts- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Einleitung Die Zeit der Spätantike ist eine Zeit großer Veränderungen und Umbrüche. Im römischen Westreich trafen die römische Kultur und die Kultur der germanischen Eroberer aufeinander. Zunächst versuchten die römischen Kaiser, der Einfälle germanischer Völker dadurch Herr zu werden, dass sie den Germanen Reichsgebiet als Siedlungsraum gegen Anerkennung der römischen Oberhoheit und Kriegsdienstleistung überließen.1 Durch die wachsende Anzahl von Germanen insbesondere im römischen Westreich kam es zu massiven sozialen Problemen,2 die letztendlich in der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers im Jahre 476 und dem Entstehen mehrerer germanischer Reiche auf dem Gebiet des ehemaligen Westreichs gipfelten.3 Zur gleichen Zeit wuchs der Einfluss des Christentums und damit die Macht der Kirche im römischen Reich.4 Diese gravierenden Veränderungen fanden ihren Niederschlag auch im Recht. Im Bereich des Privatrechts waren insbesondere das Personen-, Ehe- und Familiengüterrecht reger Gesetzgebungstätigkeit unterworfen.5 Die germanischen Könige fanden auf dem Gebiet des ehemaligen Weströmischen Reiches das dort überlieferte römische Recht vor, entfalteten aber selbst umfangreiche Tätigkeit bei der Ausarbeitung eigener Kodifikationen, den Leges. Damit stellt sich die Frage, in welcher Gestalt das römische Recht Eingang in die Kodifikationen der germanischen Eroberer, insbesondere der Goten, Burgunder und Franken, fand. Daneben ist fraglich, auf welche Weise sich spezifisch germanische Rechtsvorstellungen und Gewohnheitsrecht der Eroberer in den Leges niederschlugen.6 Mit beiden Gesichtspunkten hängt die Frage nach vulgarrechtlichen Elementen in den germanischen Leges eng zusammen. Unter Vulgarrecht versteht die rechtshistorische Forschung „ein (spätantikes) simplifiziertes römisches Recht im Gegensatz zu einem „Hochrecht“ oder „Kunstrecht“ der klassischen römischen“ Jurisprudenz.7 Der vulgarrechtliche Vgl. Demandt2, 380 ff. s. Demandt2, 383. 3 Vgl. Bleckmann, 268 ff.; Giese, 41 ff.; 74 ff.; Kaiser, Burgunder, 26 ff.; Nonn, 91 ff.; Ewig, Merowinger6, 18 ff. 4 Vgl. zum Aufstieg der Kirche im spätantiken römischen Reich z. B. Demandt2, 525 ff.; Wieacker, RR II, § 58 II; § 63 IV. 5 Vgl. Wieacker, RR II, § 66 I; Kaser, RP II2, § 192 II 3. 6 s. Wieacker, RR II, § 70 IV 1. 7 Kaiser, in: DNP 8, 350. 1 2

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Einleitung

Charakter einer Rechtsnorm wird dabei anhand mehrerer Kennzeichen beurteilt, die als Stilmittel des sog. Vulgarismus gelten, wobei der „Schwund der Begrifflichkeit gegenüber den Schriften der klassischen römischen Juristen, die Verwendung rhetorischer Stilmittel sowie das Abstellen auf Billigkeitsgesichtspunkte“ als wichtigste Merkmale des Vulgarrechts angeführt werden.8 Vulgarrechtlich beeinflusste Rechtsinstitute sollen sich dadurch auszeichnen, dass „die Konturen der klassischen Rechtsinstitute verwischt bzw. diese ganz aufgehoben werden.“ 9 Den Erkenntnissen Levys ist es zu verdanken, dass die in den germanischen Nachfolgereichen entstandenen Leges auf ihre römischrechtliche Prägung hin untersucht wurden. Levy lenkte den Blick auf die römischrechtlichen Elemente der germanischen Leges. Er gelangte zu der Auffassung, dass die germanischen Leges römisches Recht in vulgarisierter Form aufnahmen und damit Rechtsquellen römischen Vulgarrechts sind.10 Nehlsen zufolge war eine Vulgarisierung des römischen Rechts auch notwendig gewesen, um ein Fortleben des römischen Rechts in den germanischen Nachfolgestaaten zu ermöglichen, da es in klassischer Form „bei den germanischen Gesetzgebern vermutlich wenig Verständnis gefunden [. . .] [hätte] und [. . .] für eine Verschmelzung mit germanischen Rechtsvorstellungen weitgehend ungeeignet gewesen“ wäre.11 Probleme bereitet allerdings die Unterscheidung der verschiedenen in den germanischen Leges rezipierten Einflüsse: Nicht immer lassen sich germanischer, christlicher und römischrechtlicher Einfluss klar voneinander trennen und eindeutig zuordnen.12 Auch sind Parallelentwicklungen denkbar,13 so dass in ähnlicher Form auftretende Charakteristika verschiedene Ursprünge haben können, die eine Unterscheidung erschweren. Personen-, Ehe- und Familienrecht werden wesentlich deutlicher noch als Schuld- und Sachenrecht von gesellschaftlichen Umbrüchen berührt. Daher bietet es sich für eine Arbeit, die sich mit der Rezeptionsgeschichte des römischen Rechts befasst, an, einen Bereich der erstgenannten Gebiete zu untersuchen. Da das Eherecht stets auch Spiegelbild der herrschenden gesellschaftlichen, religiösen und moralischen Vorstellungen ist, sind in den eherechtlichen Normen der germanischen Leges – insbesondere in denen des Rechts der Ehevoraussetzungen – Auswirkungen aller Faktoren zu vermuten, welche die Rechtsentwicklung der jeweiligen germanischen Reiche beeinflussten. Die Ehevoraussetzungen zeigen 8

Kaiser, in: DNP 8, 350. Kaiser, in: DNP 8, 350; eine ausführliche Erläuterung des Vulgarrechts und des Meinungsstandes der Vulgarrechtsdiskussion wird in Kapitel A. II. gegeben. 10 Levy, Vulgar Law, 14 ff.; ders., Vulgarrecht, 11 ff.; s. Nehlsen, Sklavenrecht, 46. 11 Nehlsen, Sklavenrecht, 46. 12 s. Nehlsen, Sklavenrecht, 48; vgl. Wieacker, RR II, § 70 IV 3; Kaser, RP II2, § 193 III 2 b). 13 Nehlsen, Sklavenrecht, 48. 9

Einleitung

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die Heiratsmöglichkeiten und Ehehindernisse, welche in einer Gesellschaft bestanden. Sie sind daher eng mit den sozialen Gegebenheiten und herrschenden Wertvorstellungen verbunden. Vor dem Hintergrund der Annahme Levys, die frühgermanischen Gesetzgebungen eröffneten „einen bedeutungsvollen Einblick in das Vulgarrecht“,14 ist das Recht der Ehevoraussetzungen der Leges geeignet, um zu überprüfen, ob sich in den germanischen Kodifikationen eine Vulgarisierung des römischen Rechts vollzogen hat. Zu diesem Zweck müssen die verschiedenen Entwicklungsfaktoren des Eherechts beleuchtet und – soweit möglich – voneinander geschieden werden, um dann feststellen zu können, ob eine Norm vulgarrechtlichen Charakter hat. Die zum Eherecht der Leges erschienenen Publikationen behandeln zumeist Teilbereiche desselben. Leonhardt beschäftigte sich mit dem Recht der Eheschließung sowie dem Ehegüterrecht im Burgunderreich.15 Die Rezeption des römischen Rechts im Westreich untersuchte Johlen anhand der vermögensrechtlichen Stellung der Frau.16 Für den Bereich des Inzestverbots ist die Monographie von Ubl besonders hervorzuheben.17 Umfassend untersuchte Saar das Ehe- und Scheidungsrecht des 6.–10. Jahrhunderts vom germanistischen Ansatz aus.18 Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, über eine Darstellung des Rechts der Ehevoraussetzungen in den germanischen Leges des 4.–6. Jahrhunderts herauszuarbeiten, in welcher Gestalt das römische Recht im ehemaligen Westreich fortgalt. Hierfür sollen die Kodifikationen der Goten, der Burgunder und der Salfranken untersucht werden, weil es sich hierbei um diejenigen germanischen Völker handelt, die auf dem Boden des ehemaligen Westreiches unmittelbar mit dem dort überlieferten römischen Recht in Berührung kamen. Ein besonderes Augenmerk gilt nicht nur dem materiellrechtlichen Inhalt der jeweiligen Kodifikationen. In einem weiteren Schritt soll auch untersucht werden, ob sich im Recht der Ehevoraussetzungen in den untersuchten Kodifikationen vulgarrechtliche Bestandteile belegen lassen, d. h. ob sich die untersuchten Leges tatsächlich als Zeugnis des Vulgarrechts im ehemaligen Westreich eignen.

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Levy, Vulgarrecht, 12. Leonhardt, Eheschließung. 16 Johlen, Die vermögensrechtliche Stellung der weströmischen Frau in der Spätantike. 17 Ubl, Inzestverbot und Gesetzgebung; vgl. aber auch Mikat, Inzestgesetzgebung. 18 Saar, Ehe – Scheidung – Wiederheirat; einen kurzen Überblick liefert Kottje in seinem Aufsatz Eherechtliche Bestimmungen der germanischen Volksrechte, in: Affeldt, 211–220. 15

A. Grundlagen I. Der Kreis der Quellen 1. Leges bzw. Leges Romanae In der Literatur finden sich unterschiedliche Termini für die Bezeichnung der Kodifikationen, die auf dem Gebiet des ehemaligen römischen Westreichs durch Rechtsetzungsakte germanischer Herrscher entstanden:1 Auf Brunner geht die Bezeichnung ,Volksrechte‘ zurück.2 Weil dieser Terminus den Anschein erweckt, als sei die Entstehung der jeweiligen Kodifikationen „allein dem Konsens des Volkes zu verdanken“ 3, entwickelte Buchner den Begriff ,Stammesrechte‘ als Bezeichnung, die eine Zuordnung der Quellen zu germanischer Gesetzgebungstätigkeit ermöglichte.4 Da jedoch nicht alle germanischen Kodifikationen nur gegenüber der germanischen Bevölkerung Gültigkeit entfalteten, sondern auch an den romanischen Bevölkerungsteil adressiert waren, wies Nehlsen mit Recht darauf hin, dass auch diese Bezeichnung missverständlich und die lateinische Bezeichnung ,Lex‘ quellengemäß sei.5 Die mit Leges6 somit am treffendsten bezeichneten Rechtsquellen germanischen Ursprungs teilen sich in Quellen, die ausschließlich an den romanischen Bevölkerungsteil adressiert waren, und in solche, die entweder nur an die germanischen Untertanen oder an beide Bevölkerungsgruppen gerichtet waren. Diejeni1 Einen Überblick hierzu liefern Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 29 ff. und Nehlsen, Sklavenrecht, 37 Fn. 1. 2 Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 417. 3 Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 31; gleichwohl sah Brunner das vom König gesetzte Recht vom Begriff des „Volksrechts“ umfasst – Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 420. 4 s. Buchner, 4. 5 Nehlsen, Sklavenrecht, 37 Fn. 1, der die Auffassung vertritt, die seit dem 18. Jahrhundert hauptsächlich in romanischen Ländern verwendete Bezeichnung ,leges barbarorum‘ sei nicht mehr abwertend zu verstehen; a. A. Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 31. 6 Die Bezeichnung „Lex“ ist insoweit untechnisch zu verstehen und nicht als Gegenbegriff zum „Ius“; bei den hier maßgeblichen Leges handelt es sich um vom Herrscher veranlasste Rechtsetzungsakte, die, soweit sie römisches Recht enthalten, sowohl aus den römischen Leges (= vom römischen Kaiser veranlasste Gesetzgebung) als auch aus dem römischen ius (= Schriften der römischen Juristen; vgl. Cels. D. 1, 1, 1) schöpfen. Zu diesen aus der Zeit der Spätantike stammenden Begriffen vgl. z. B. Wenger, § 77; Wieacker, RR II, § 65 II.

I. Der Kreis der Quellen

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gen Leges, welche der Regelung der Rechtsverhältnisse der romanischen Bevölkerungsteile dienten, werden ,Leges Romanae‘ genannt. Der Terminus ,Leges‘ dient in vorliegender Arbeit somit als Oberbegriff für alle behandelten Kodifikationen germanischen Ursprungs.7 2. Die einzelnen Rechtsquellen Da die vorliegende Arbeit zum Ziel hat, das Recht der Ehevoraussetzungen im ehemaligen Westreich im Hinblick auf spätantikes römisches Recht zu untersuchen, ist der Kreis der Quellen auf solche Rechtsquellen beschränken, bei denen unmittelbare Berührung des römischen Rechts mit weiteren spätantiken Elementen stattgefunden und so möglicherweise vulgarisiertes römisches Recht hervorgebracht hat. Unmittelbare Berührung germanischer Völkerschaften mit dem römischen Recht kommt einerseits durch Ansiedlung als foederati auf römischem Reichsboden in Betracht, andererseits aber auch durch gewaltsame Eroberung von Reichsgebieten durch germanische Völker.8 Mit Nehlsen ist zwar anzunehmen, dass sich bei keiner der germanischen Leges eine Beeinflussung durch römisches Recht von vornherein ausschließen lässt.9 Als maßgebliche Leges sollen jedoch nur diejenigen herangezogen werden, die auf ehemals römisch beherrschtem Boden des Westreichs in der Zeit des 4. bis 6. Jahrhunderts entstanden sind, weil die germanischen Reiche dieser Zeit in der unmittelbaren Nachfolge der römischen Herrschaft standen. Diese ältesten germanischen Kodifikationen geben deshalb Aufschluss über das spätantike Recht in den germanischen Nachfolgestaaten des Westreichs und sind zugleich Zeugnis der Rezeption des römischen Rechts. Den größten Niederschlag fand das rezipierte römische Recht in den Kodifikationen der West- und Ostgoten, der Burgunder, aber auch der Franken.10 a) Westgotisches Recht Die umfangreichsten Rechtsaufzeichnungen wurden im Westgotenreich vorgenommen. Zugleich sind die Westgoten das germanische Volk, welches als erstes Gesetzgebungstätigkeit entfaltete und schriftliche Rechtsaufzeichnungen niederlegte.11

7 Die Bezeichnung Leges wird u. a. auch von Siems und Schott verwendet, s. Siems, z. B. 11 ff.; Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 29 ff. 8 Schlosser10, 14; Hattenhauer4, III Rn. 328 ff. 9 Nehlsen, Sklavenrecht, 48 ff. 10 s. Levy, Vulgar Law, 15; ders., Vulgarrecht, 12; soweit Levy dort zusätzlich noch die Kodifikationen der Langobarden oder Baiern anführt, werden diese für die hiesige Untersuchung nicht einbezogen, weil die anzunehmende Beeinflussung durch römisches Recht nicht mehr so unmittelbar sein dürfte wie im Falle der übrigen genannten Völker. 11 Vgl. Buchner, 7; Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 32.

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A. Grundlagen

Das erste bruchstückhaft erhaltene Zeugnis westgotischer Gesetzgebung ist der Codex Euricianus,12 bei dem es sich um ein Gesetzbuch handelt, das um das Jahr 475 n. Chr. im tolosanischen Westgotenreich erlassen wurde und auf Gesetzgebungstätigkeit Eurichs zurückgeht.13 Anlass für umfangreichere gesetzgeberische Tätigkeit des westgotischen Herrschers waren Fragen und Konflikte, die das Zusammenleben von Westgoten und Romanen mit sich brachte.14 Daraus ergibt sich zudem, dass der Codex Euricianus sich zumindest teilweise sowohl an die gotische als auch an die römische Bevölkerung richtete. Aufgrund seiner lediglich fragmentarischen Überlieferung bietet der Codex Euricianus nur wenig Aufschluss über das westgotische Eherecht. Die umfangreichste und dadurch auch ergiebigste westgotische Rechtsquelle ist die Lex Romana Visigothorum, die auch Breviarium Alaricianum genannt wird.15 Die Lex Romana Visigothorum wurde von Alarich II. im Jahre 506 im tolosanischen Westgotenreich erlassen und sollte die Rechtsverhältnisse der unter gotischer Herrschaft lebenden romanischen Bevölkerung abschließend und bezogen auf sämtliche Lebensbereiche regeln.16 Das westgotische Breviar schöpfte aus den Rechtstexten, die im ehemaligen Westreich bekannt waren und exzerpierte aus dem spätantiken römischen Recht. Dabei wurden der Codex Theodosianus mit Novellen, Epitome Gai, die Pauli Sententiae sowie die Codices Gregorianus und Hermogenianus herangezogen. Bei der Bearbeitung wurde die systematische Reihenfolge zumeist beibehalten und wörtlich übernommene Normen in der vorgefundenen Reihenfolge aneinandergereiht.17 Die Normen des Codex Theodosianus waren zudem mit erläuternden Interpretationen versehen worden, die durch die Lex Romana Visigothorum Gesetzeskraft erlangten.18 Im Unterschied zum Codex Euricianus war die Lex Romana Visigothorum an die roma-

12 Zur wahrscheinlichen Bezeichnung als Edictum (Eurici) Regis vgl. Liebs, Römische Jurisprudenz, 158; d’Ors, 6 ff.; die Bezeichnung Codex Euricianus geht auf Zeumer zurück – vgl. Zeumer, Gesetzgebung I, in: NA 23, 421 ff., insbes. 440; vgl. zum Codex Euricianus auch Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 482 ff. 13 s. Schröder/von Künßberg7, 252; Liebs, Römische Jurisprudenz, 158 m.w. N.; Nehlsen, Sklavenrecht, 154 f. mit Darstellung des Meinungsstandes insbesondere in Fn. 16–18; d’Ors, 4, 17, dort mit Ablehnung einer Urheberschaft Reccareds; Siems, 113; für Alarich II. als Urheber vgl. u. a. Hattenhauer4, III Rn. 339; kritisch auch Nehlsen, Codex Euricianus, in: RGA 5, 45; offen gelassen bei Wolfram, Goten5, 199 und Giese, 53. 14 Vgl. Stüven, 105 ff.; Liebs, Römische Jurisprudenz, 157 f.; Kampers, 142; Giese, 53 f.; Wolfram, Goten5, 199. 15 Die maßgebliche Ausgabe lieferte Hänel 1887; eine deutsche Übersetzung und systematische Bearbeitung lieferte Conrat 1903, Breviarium Alaricianum. Römisches Recht im fränkischen Reich in systematischer Darstellung. 16 s. Liebs, Römische Jurisprudenz, 166 m.w. N., 175; vgl. Wenger, 55 ff.; Matthews, 35 ff.; Siems, 192; vgl. weiter Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 511 ff. 17 s. Siems, 207. 18 s. Liebs, Römische Jurisprudenz, 173; Siems, 192, 207.

I. Der Kreis der Quellen

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nische Bevölkerung adressiert und ersetzte die übrigen überlieferten römischen Rechtstexte als ausschließliche Rechtsquelle.19 Die Benutzung anderer Rechtsquellen wurde durch Alarich II. mit Kapitalstrafe oder Vermögenskonfiskation sanktioniert.20 Nach dem Zusammenbruch des tolosanischen Westgotenreichs infolge der militärischen Expansion der Franken im Jahr 507 galt die Lex Romana Visigothorum im toledanischen Westgotenreich zunächst fort. Sie wurde jedoch im 7. Jahrhundert durch die Lex Visigothorum abgelöst. Hierbei handelte es sich um eine teilweise römischrechtlich geprägte Kodifikation, die umfangreiche Gesetzgebungstätigkeit der Könige Leovigild, Reccesvinth und Chindasvinth belegt.21 Die Lex Visigothorum beanspruchte ausschließliche Geltung – trat also vollständig an die Stelle des Breviars – und war an alle Bevölkerungsteile adressiert.22 b) Ostgotisches Recht Die wichtigste Quelle des ostgotischen Rechtes ist das Edictum Theoderici.23 Der Entstehungszeitpunkt des Edikts ist ebenso umstritten wie die Zuordnung der Kodifikation zu Theoderich dem Großen. Das Edictum Theoderici wird entweder auf die Zeit um 46024 oder auf die um das Jahr 493 datiert.25 Die zeitliche Einordnung des Edikts hängt davon ab, wer als dessen Urheber angesehen wird. Die überwiegende Auffassung nimmt eine Urheberschaft des Ostgoten Theoderichs des Großen und damit einen italischen Ursprung des Edikts an.26 Andere s. Liebs, Römische Jurisprudenz, 174; vgl. auch Schröder/von Künßberg7, 252 f.; eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand zur Frage der territorialen oder personalen Geltung des Breviars liefert Schmidt, Geltungsumfang, in: Gesammelte Aufsätze 29, 1 ff. m.w. N. 20 LRV, Auctoritas Alarici; s. Siems, 173. 21 s. Giese, 148; Buchner, 8; Siems, 113 m.w. N.; Schröder/von Künßberg7, 253 f.; zur Entstehungsgeschichte der Lex Visigothorum ausführlich auch Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 489 ff. 22 s. LV 2, 1, 8–9 (Reccesvinth); LV 2 ,1, 11 (Chindasvinth); Liebs, Römische Jurisprudenz, 175 m.w. N.; vgl. Nehlsen, Sklavenrecht, 156 ff.; Alonso-Núñez, Leges Visigothorum, in: RGA 18, 216; Ausgabe der Lex Visigothorum von Zeumer, MGH LL nat. Germ. 1/1, 1902, Faksimile-Ausgabe 1973; Ausgabe mit dt. Übersetzung Wohlhaupter, Germanenrechte, 1936. 23 Ausgabe nach Bluhme, MGH LL 5; eine englische Übersetzung des Edictum Theoderici legte jüngst Lafferty in Law and Society in the Age of Theoderic the Great vor, dort 243 ff. 24 So z. B. Vismara, Edictum Theoderici, in: Scritti di storia giuridica 1, 20 ff.; ders., Edictum Theoderici, in: IRMAE I.2 b aa a, 21 ff.; Schlosser10, 11; Becker, in: HRG 1, 801 ff. 25 So Buchner, 14; Liebs, Jurisprudenz, 191; Nehlsen, Sklavenrecht, 120; vgl. auch Wenger, § 77 VI 3. 26 Schröder/von Künßberg7, 255; Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 526; Buchner, 14; Wolfram, Theoderich der Große, in: RGA 30, 418; Wenger, § 77 VI 3; Nehlsen, 19

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A. Grundlagen

schreiben das Edictum Theoderici dem Westgotenherrscher Theoderich II. zu.27 Da das Edikt stilistische Nähe zu den Varien des ostgotischen Beamten Cassiodor aufweist28 und bei einer Entstehung im Westgotenreich nicht plausibel zu erklären ist, weshalb die Stadt Rom im Edikt Erwähnung findet,29 kann im Anschluss an die überwiegende Ansicht von einer Urheberschaft des Ostgoten Theoderichs des Großen ausgegangen werden. Das Edictum Theoderici ist sowohl an den römischen als auch an den gotischen Bevölkerungsteil adressiert, wodurch das Edictum Theoderici im gesamten italischen Ostgotenreich Geltung hatte.30 Theoderich verfolgte mit dem Edikt das Ziel, das geltende römische Kaiserrecht den veränderten Umständen anzupassen und damit Rechtseinheit zwischen Goten und Romanen zu schaffen, ohne formal in das Vorrecht der kaiserlichen Gesetzgebungskompetenz einzugreifen.31 Der Form nach handelte es sich beim Edictum Theoderici nicht um ein Gesetz – lex –, wie es der Rechtsetzungskompetenz des römischen Kaisers entsprach, sondern um ein Edikt, das auf der Inanspruchnahme des ius edicendi durch den ostgotischen Herrscher beruhte, der sich als römischer Magistrat verstand und sich in den hergebrachten römischen Staatsapparat einfügen wollte.32 Vordringliches Ziel der ostgotischen Gesetzgebungstätigkeit war die Schaffung von Rechtsfrieden und sozialem Frieden im Ostgotenreich, was durch die sog. Politik der civilitas verfolgt wurde.33 Das Edikt weist keinen durchgehenden systematischen Aufbau auf, sondern besteht aus aneinandergereihten Titeln, insgesamt 155 capita.34 Zwar zitiert das Sklavenrecht, 120 ff.; Liebs, Jurisprudenz, 191; ders., Edictum Theoderici, in: HRG I2, 1184 f.; Paradisi, in: BIDR 68, 1–47; Astuti, in: St. Volterra V, 647–686; Hattenhauer4, III Rn. 333; Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 22 ff. m.w. N. 27 Becker, in: HRG 1, 802; Schlosser10, 11; Vismara, Edictum Theoderici, in: IRMAE I.2 b aa a, 11 ff., 177 ff., ders., Edictum Theoderici, in: Scritti di storia giuridica 1, 10 ff., 295 ff.; ders., Edictum Theoderici, in: LexMA 3, 1573 f.; Drew, Salian Franks, 22; einen Überblick über den Meinungsstand mit weiteren Mindermeinungen gibt Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 34 m.w. N.; s. auch Siems, 168 f., 277 ff. m.w. N. 28 Liebs, Jurisprudenz, 191. 29 Nehlsen, Sklavenrecht, 122, der dort auch ausführt, dass sich das Wort capillati im Edikt als Bezeichnung für die Goten findet; diese Bezeichnung sei nur in ostgotischen Quellen bekannt – z. B. in Cassiodor, Variae IV, 49 [Anm. d. Verf.]; vgl. zu den capillati auch Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 35 ff. 30 Vgl. Wenger, § 77 VI 3; Liebs, Jurisprudenz, 191 u. 194. 31 s. Wolfram, Goten5, 288; ders., Theoderich der Große, in: RGA 30, 418; Liebs, Jurisprudenz, 191; vgl. auch Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 48. 32 s. Buchner, 13; vgl. Wolfram, Goten5, 287 ff.; ders., Theoderich der Große, in: RGA 30, 418; Hattenhauer4, III Rn. 333; s. auch Cassiodor, Variae I, 1 (MGH AA 12, 10); zum magistratischen ius edicendi vgl. Kipp, in: RE V.2, 1940 ff. 33 s. Giese, 90; ausführlich zur civilitas vgl. Stüven. 34 Entsprechend der maßgeblichen Ausgabe Bluhmes, MGH LL 5.

I. Der Kreis der Quellen

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Edictum Theoderici nicht ausdrücklich die Rechtsquellen, welche die einzelnen Titel als Vorbild haben. Jedoch können aufgrund großer Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen die meisten herangezogenen Rechtsquellen nachvollzogen werden. Im theoderizianischen Edikt werden fast ausschließlich der Codex Theodosianus, die Novellen zum Codex Theodosianus und die Pauli Sententiae verwertet.35 Aufgrund seines beschränkten Umfanges ließ das Edictum Theoderici im Gegensatz zur Lex Romana Visigothorum noch Raum für eine Fortgeltung des im Westreich überlieferten römischen Rechts.36 c) Burgundisches Recht Die maßgeblichen Kodifikationen für das burgundische Recht sind die Lex Burgundionum und die Lex Romana Burgundionum. Die Lex Burgundionum ist die ältere der beiden burgundischen Leges. Sie wird zumeist auf das Jahr 517 datiert und Sigismund zugeschrieben, der allerdings auf früherer Gesetzgebungstätigkeit seines Vorgängers Gundobad aufbaute.37 Das Werk ist nicht systematisch gegliedert; seine Vorschriften sind in „tumultuarischer Aneinanderreihung“ angeordnet.38 Die 105 Titel der Lex Burgundionum regelten die Rechtsverhältnisse der Burgunder untereinander, die Lex enthielt aber auch einzelne Bestimmungen, die für Burgunder und Romanen gleichermaßen galten.39 Die Lex Burgundionum sollte im Gegensatz zum westgotischen Breviar keine abschließende Darstellung des Rechts liefern, sondern lediglich virulente Rechtsprobleme einer Lösung zuführen und dadurch Rechtsfrieden schaffen und dadurch das Recht den aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen anpassen.40 Die Lex Burgundionum ist in sprachlich knappem provinzialrömischem Amtsstil abgefasst und inhaltlich deutlich vom römischen Recht beeinflusst. Überwiegend diente das Recht des Codex Theodosianus nebst westgotischer Interpretation dem burgundischen Gesetzgeber als Vorbild. Aber auch 35 Buchner, 14; zudem wurden offenbar Teile der Codices Gregorianus und Hermogenianus sowie der Responsen des Paulus verarbeitet; hierzu Liebs, Jurisprudenz, 191 f. 36 Liebs, Jurisprudenz, 194; ob dies auch für das ostgotische Gewohnheitsrecht – belagines – galt, ist unklar; vgl. Wolfram, Goten5, 289. 37 s. Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 35; Kaiser, Burgunder, 127; vgl. auch Nehlsen, Lex Burgundionum, in: HRG 2, 1901 ff.; Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 497 ff. schreibt die Lex Burgundionum hingegen Gundobad zu. 38 Nehlsen, Lex Burgundionum, in: HRG 2, 1912; maßgebliche Ausgabe: Ludwig Rudolf von Salis, MGH LL nat. Germ. 2/1, 1892. 39 s. Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 35; Buchner, 12; Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 504; s. ferner Liebs, Römische Jurisprudenz, 163 f.; die Überlieferungsgeschichte ist im Einzelnen strittig, s. z. B. Nehlsen, Lex Burgundionum, in: HRG 2, 1902 ff.; Liebs, Römische Jurisprudenz, 163, jeweils m.w. N.; vgl. auch Kaiser, Burgunder, 127 ff. 40 s. Kaiser, Burgunder, 130 f.; Liebs, Römische Jurisprudenz, 166; Nehlsen, Lex Burgundionum, in: HRG 2, 1909.

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A. Grundlagen

die Pauli Sententiae und die Institutionen des Gaius wurden wohl herangezogen.41 Die Lex Romana Burgundionum ist das an die romanische Bevölkerung adressierte Pendant zur Lex Burgundionum.42 In deren prima constitutio § 8 kündigte der burgundische König den Erlass eines eigenen Gesetzbuches für den romanischen Bevölkerungsteil an.43 Aufgrund der Ankündigung in der prima constitutio der Lex Burgundionum kann mit hinreichender Sicherheit darauf geschlossen werden, dass das burgundische Römerrecht jüngeren Datums als die Lex Burgundionum ist.44 Die Lex Romana Burgundionum weist 47 Titel auf. Sie ähnelt systematisch dem Aufbau der ersten burgundischen Kodifikation und schöpft aus römischen Rechtsquellen: Die Kodifikation exzerpiert aus den Codices Gregorianus und Hermogenianus, dem Codex Theodosianus und den posttheodosianischen Novellen, den Paulussentenzen sowie den Institutionen des Gaius.45 Damit wurden dieselben Rechtsquellen herangezogen wie bei der Abfassung des Breviars.46 Die 47 Titel umfassende Lex Romana Burgundionum „bemüht sich um eine systematische Anordnung des Stoffes und löst sich, anders als das Breviar, von der Textfolge ihrer Vorlagen.“ 47 Ebenso wie das burgundische Vorgängergesetz sollte die Lex Romana Burgundionum keine abschließende Regelung des gültigen Rechts geben, sondern den praktischen Bedürfnissen entsprechende Rechtssicherheit schaffen, ohne den Rückgriff auf das im Westreich überlieferte römische Recht zu verhindern.48 Nicht zuletzt diente der Erlass der beiden burgundischen Kodifikationen aber auch der Stärkung der Herrschaft des burgundischen Königs, die dadurch nach außen hin deutlich sichtbar wurde.49 41 Vgl. Liebs, Römische Jurisprudenz, 164 f.; s. Kaiser, Burgunder, 128; eingehend zum römischen Einfluss in der Lex Burgundionum Rüegger, Einflüsse des römischen Rechts in der Lex Burgundionum. 42 Ausgaben: Ludwig Rudolf von Salis, MGH LL nat. Germ. 2/1 (1892); mit deutscher Übersetzung: Beyerle, Germanenrechte X (1936). 43 LB prima constituio § 8; dies spricht gegen die Annahme Roels’, bei der Lex Romana Burgundionum habe es sich um eine Privatarbeit gehandelt – vgl. hierzu Roels, Onderzoek (1958); s. auch Schröder/von Künßberg7, 257. 44 s. Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 36; Nehlsen, Lex Romana Burgundionum, in: HRG 2, 1931; Liebs, Römische Jurisprudenz, 163 ff.; 176; Wenger, § 77 VI 2; Stimmen, die bereits die Lex Burgundionum Gundobad zuschreiben, datieren die Lex Romana Burgundionum um das Jahr 500 – vgl. Buchner, 13; Kaiser, Burgunder, 129. 45 s. Liebs, Römische Jurisprudenz, 176; Wenger, § 77 VI 2; Kaiser, Burgunder, 128 f. 46 Siems, 270. 47 Siems, 270. 48 s. Liebs, Römische Jurisprudenz, 176; Kaiser, Burgunder, 131; Wenger, § 77 VI 2; Siems zufolge ist die Lex Romana Burgundionum „kein kleineres, schlechter geratenes Breviar“ – Siems, 276. 49 Kaiser, Burgunder, 130.

I. Der Kreis der Quellen

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d) Salfränkisches Recht Die Lex der merowingischen Franken, die Lex Salica,50 ist sowohl hinsichtlich der Datierung als auch der Überlieferung problematisch. Überwiegend wird die Entstehungszeit der Lex Salica auf die Zeit zwischen 507 und 511, d. h. in die Regierungszeit Chlodwigs, datiert.51 Die Lex Salica ist in verschiedenen Handschriften und Textklassen überliefert, welche teilweise stark differieren.52 Maßgeblich geprägt wurde die Diskussion über die Überlieferung der Lex Salica durch Eckhardt, der zugleich die beiden bis heute führenden Editionen lieferte. Eckhardt zufolge ist die 65 Titel zählende Fassung der Lex Salica die älteste Fassung der Lex Salica und ist in verschiedenen Textklassen überliefert.53 Die 65Titel-Fassung wird in der Edition Eckhardts ,Pactus Legis Salicae‘ genannt.54 Die Textklassen, die einen 100 Titel umfassenden Text aufweisen, sind nach Eckhardt eine Überarbeitung des Pactus Legis Salicae aus karolingischer Zeit.55 Die 100-Titel-Fassung wird in der Edition Eckhardts als ,Lex Salica‘ bezeichnet.56 Die begriffliche Differenzierung erweckt allerdings den Anschein, als handele es sich um zwei eigenständige Werke fränkischer Gesetzgebung, wohingegen es sich tatsächlich lediglich um verschiedene Bearbeitungsstufen derselben Kodifikation handelt, so dass bezüglich der Bezeichnung ,Pactus Legis Salicae‘ Zurückhaltung geboten ist.57 Zutreffend ist einheitlich von ,Lex Salica‘ zu sprechen.58

50 Ausgaben: Pactus Legis Salicae, Ed. Karl August Eckhardt, MGH LL nat. Germ. 4/1 (1962); mit deutscher Übersetzung, Eckhardt, Germanenrechte, Text und Übersetzungen I 1 u. II 1(1955) und (1953); ders., Germanenrechte, neue Folge I 1 u. 2 und II 1 u. 2 (1954–1957); mit englischer Übersetzung Drew, Salian Franks. 51 Vgl. Liebs, Römische Jurisprudenz, 182; Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 13, 433 ff.; Drew, Salian Franks, 28; Schmidt-Wiegand, Die Malbergischen Glossen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 81; Siems, 17; kritisch zur Datierung Nehlsen, Sklavenrecht, 256; s. auch Schott, Leges-Forschung, in: FmSt 13, 37. 52 Ausführlich zur Überlieferungsgeschichte vgl. Nehlsen, Sklavenrecht, 251 ff.; ders., Aktualität und Effektivität, in: Classen, 452–455; Schmidt-Wiegand, Lex Salica, in: RGA 18, 326–332; Buchner, 15 ff.; s. auch Drew, Salian Franks, 52. 53 Textklassen A–C; vgl. Eckhardt, PLS I, 96 ff.; 177 ff.; 216 ff.; s. hierzu Nehlsen, Sklavenrecht, 253 f. 54 Ausgabe: Pactus Legis Salicae, Ed. Karl August Eckhardt, MGH LL nat. Germ. 4/ 1 (1962). 55 Textklassen D und E; vgl. Eckhardt, Lex Salica 42 ff.; s. hierzu Nehlsen, Sklavenrecht, 254. 56 Ausgabe: Lex Salica, Ed. Karl August Eckhardt, MGH LL nat. Germ. 4/2 (1969). 57 Gegen diese Differenzierung zu Recht auch Nehlsen, Sklavenrecht, 257; ders., Pactus Legis Salicae, in: LexMA 6, 1612 f.; ders., Aktualität und Effektivität, in: Classen, 454; Schmidt-Wiegand, Lex Salica, in: RGA 18, 326 f., die die Unterscheidung auf die unklare Überlieferung der Handschriften zurückführt. 58 Aufgrund der Vorgaben durch die Editionen Eckhardts werden die Normen der Lex Salica im Folgenden je nach Edition als PLS bzw. LS zitiert; ein guter Überblick

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A. Grundlagen

Eine Besonderheit der Überlieferung der Lex Salica sind die sog. Malbergischen Glossen. Hierbei handelt es sich um nachträglich eingefügte Glossen, die den gerichtlichen Sprachgebrauch im Frankenreich erläutern.59 Sie sind schriftliches Zeugnis der damals gültigen fränkischen Gerichtssprache, deren ursprünglich mündliche Überlieferung dem lateinischen Text der Lex Salica nachträglich hinzugefügt und über die Handschriften überliefert wurde. Sie sollten die praktische Rechtsanwendung erleichtern, indem sie „die Verbindung zwischen dem Rechtstext und der Rede vor Gericht her[stellten]“.60 Bei den Malbergischen Glossen „handelt es sich also um ein Stück funktionaler Literatur oder – anders ausgedrückt – um ein Zeugnis pragmatischer Schriftlichkeit“, gehalten in „funktionalem Stil“.61 Da es sich aber um nachträgliche Ergänzungen handelt, die nicht Bestandteil des eigentlichen lateinischen Gesetzestextes sind, haben die Malbergischen Glossen für die vorliegende Arbeit außer Betracht zu bleiben. Die Lex Salica ist diejenige der behandelten Leges, die am wenigsten vom römischen Recht beeinflusst ist. Somit ist sie ein in großen Teilen recht ursprünglich germanisches Gesetzeswerk. Gleichwohl haben sich in der salfränkischen Gesetzgebung aber auch provinzialrömischer und kirchlicher Einfluss niedergeschlagen.62 Mit dem Erlass der Lex Salica sollte einerseits für Rechtssicherheit im Frankenreich gesorgt werden, indem verbindliche Regelungen geschaffen und dem verbreiteten Fehdewesen Einhalt geboten werden sollte.63 Dafür spricht auch der überwiegend pönale Charakter der Normen. Zudem waren alle Untertanen des fränkischen Reiches, d. h. auch die romanische Bevölkerung, dem Recht der Lex Salica unterworfen.64 Andererseits diente die salfränkische Kodifikation auch zur nach außen hin sichtbaren Stärkung der Legitimation des Königs und seiner Inszenierung als tatkräftiger Herrscher, der sich in die Nachfolge der römischen Kaiser stellte.65 Nicht von der Hand zu weisen ist ferner auch die Ansicht Hans über die Diskussion zur Überlieferung und der Datierung der Lex Salica findet sich auch bei Ubl, 176 ff. m.w. N. 59 s. Nehlsen, Aktualität und Effektivität, in: Classen, 454; vgl. hierzu weiter v. a. Schmidt-Wiegand, Die Malbergischen Glossen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 78 ff.; dies., Die Malbergischen Glossen der Lex Salica als Denkmal des Westfränkischen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 51 ff.; dies., Zur Geschichte der Malbergischen Glosse, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth SchmidtWiegand, 39 ff.; dies., Malbergische Glossen, in: HRG 3, 211 ff. 60 Schmidt-Wiegand, Die Malbergischen Glossen der Lex Salica als Denkmal des Westfränkischen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 51. 61 Schmidt-Wiegand, Die Malbergischen Glossen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 83. 62 Vgl. Nehlsen, Sklavenrecht, 290 ff. 63 Dieses Ziel ergibt sich aus § 1 des Prologes zum Pactus Legis Salicae. 64 Schmidt-Wiegand, Lex Salica, in: RGA 18, 327; z. B. PLS 41, 6–8; 32, 3, 4; 42, 5. 65 Vgl. Drew, Salian Franks, 21, 29; Ubl, 181.

I. Der Kreis der Quellen

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Hattenhauers, der einen Zusammenhang zwischen der fränkischen Gesetzgebungsaktivität und dem sich ausbreitenden katholischen Glauben sieht, der den König zu bekräftigenden weltlichen Rechtsetzungsakten veranlasste.66 e) Der Codex Theodosianus Der Codex Theodosianus ist die wichtigste römische Rechtsquelle, aus der die eben vorgestellten Kodifikationen germanischer Herrscher schöpften,67 weshalb er für die hiesige Untersuchung von großer Bedeutung ist. Dem Codex Theodosianus waren bereits legislative Bestrebungen römischer Kaiser vorausgegangen, die angesichts des unübersichtlich gewordenen Rechtsstoffes zu einer verstärkten Ordnung des Rechts bzw. einer einheitlichen Rechtsanwendung führen sollten. Hier sind insbesondere die Codices Gregorianus und Hermogenianus, aber auch das Zitiergesetz Valentinians III. von 426 zu nennen.68 Im Jahre 429 gab dann Theodosius II. die Redaktion des Codex Theodosianus in Auftrag,69 um durch eine amtliche Konstitutionensammlung den vorhandenen Rechtsstoff zu ordnen, zu kürzen und zu ergänzen, so dass die praktische Anwendung erleichtert und dadurch mehr Rechtssicherheit erreicht würde.70 Zudem sollte durch ein einheitliches Recht die Einheit zwischen Ost- und Westreich bewahrt bzw. gestärkt werden.71 Im Codex Theodosianus sind römische Kaisergesetze gesammelt, wobei in die Kodifikation nur Kaisergesetze aus der Zeit des Kaisers Konstantin und seiner Nachfolger aufgenommen wurden.72 Der Codex Theodosianus wurde am 15. Februar des Jahres 438 im Ostreich verkündet Hattenhauer4, III Rn. 372; IV Rn. 457. Ausgabe Mommsen/Meyer, Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis, Vol. I pars prior, Prolegomena, Berlin 1905; Vol. I pars posterior, textus cum apparatu, Berlin 1905; engl. Übersetzung Pharr, The Theodosian Code (1952). 68 Vgl. zu den zwischen 291 und 295 entstandenen Codices Gregorianus et Hermogenianus z. B. Wieacker, RR II, § 60 III 2, 3; Sirks, The Theodosian Code, 4 ff. jeweils m.w. N.; zum Zitiergesetz von 426 vgl. Wieacker, RR II, § 65 II 3, Sirks, The Theodosian Code, 17 ff. 69 Dies ist dokumentiert in CTh 1, 1, 5 (429); die Konstitution Theodosius’ II. von 429 gibt in weiten Teilen bereits den Aufbau und Ziele des Kodifkationswerks vor; ausführlich hierzu und zur Entstehungsgeschichte des Codex Theodosianus Sirks, The Theodosian Code, 54 ff., 109 ff.; vgl. auch Wieling, in: Schermaier, FS für Theo MayerMaly, 866 ff. 70 CTh 1, 1 (435), 6; vgl. Wieacker, RR II, § 64 III 1, 2; Sirks, The Theodosian Code, 36 ff., der ausführlich den Meinungsstand zu den Motiven hinter der theodosianischen Kodifikation referiert; zu den herangezogenen Materialien s. Sirks, The Theodosian Code, 54 ff.; 109 ff.; ders., The sources of the Code, in: Harries/Wood, 45–68; Matthews, 280–294; vgl. auch Honoré, in: SZ (RA) 103, 133 ff.; Harries, in: Harries/Wood, 1 ff. 71 Vgl. Ostrogorsky2, 31. 72 Dies ist vermutlich damit zu erklären, dass Konstantin als erster christliche Kaiser für den sehr christlich denkenden Theodosius II. eine besondere Bedeutung hatte, vgl. Sirks, The Theodosian Code, 36 f., auch 198 ff. 66 67

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A. Grundlagen

und trat zum Beginn des Jahres 439 in Kraft.73 Im Westreich wurde der Codex Theodosianus feierlich im römischen Senat beraten und verkündet und dadurch im Westreich ebenfalls in Kraft gesetzt.74 Der Codex Theodosianus ist mit insgesamt 16 Büchern in weiten Teilen, jedoch nicht vollständig überliefert.75 Er ist inhaltlich geprägt durch „die publizistischen Schwerpunkte der Gesetzgebung des frühen Dominats mit Einschluß ihrer Rückwirkung auf private Rechtsverhältnisse.“ 76 Für das Privatrecht relevant sind von den 16 erhaltenen Büchern des Codex Theodosianus vor allem die Bücher 2–6; das Familien- und Eherecht findet sich vorwiegend in Buch 3. Auch die verstärkt aufkommende kirchenrechtlich beeinflusste Gesetzgebung, die im 16. Buch des Codex Theodosianus festgehalten ist, wirkte sich auf das Familienund Eherecht aus.77

II. Das Vulgarrecht Das Vulgarrecht ist seit vielen Jahrzehnten Gegenstand lebhafter wissenschaftlicher Kontroversen.78 Da mithilfe der Erkenntnisse der Vulgarrechtsforschung die „Abhängigkeit der leges barbarorum vom römischen Recht nachgewiesen und letztlich die Brücke vom antiken zum mittelalterlichen Recht geschlagen werden konnte“,79 ist die Beschäftigung mit dem Vulgarrecht erforderlich und daher zunächst eine zusammenfassende Darstellung der zum Vulgarrecht entwickelten Grundsätze zu geben. 1. Die Vulgarrechtsdiskussion a) Die Ausformung des Vulgarrechtsbegriffs Der Begriff des Vulgarrechts geht auf Brunner zurück, der unter diesem das in der spätantiken Zeit praktisch angewandte Recht der römischen Provinzialen verstand. Brunner zufolge handelt es sich beim Vulgarrecht um eine durch Degeneration beeinflusste Weiterbildung des römischen Rechts entgegen den geschriebe73 Wieacker, RR II, § 64 III 2; vgl. Ostrogorsky2, 31; ausführlich zur Einführung des Codex Theodosianus im Ostreich Sirks, The Theodosian Code, 188 ff. 74 s. Liebs, Jurisprudenz, 366 Fn. 5; vgl. Wieling, in: Schermaier, FS für Theo Mayer-Maly, 870 ff.; vgl. ferner Sirks, The Theodosian Code, 198 ff. 75 Zur im Einzelnen strittigen Text- und Überlieferungsgeschichte: Wieacker, RR II, § 64 III 5; IV; Matthews, 55–85 m.w. N. 76 Wieacker, RR II, § 64 III 4. 77 Zur Struktur des Codex Theodosianus: Sirks, The Theodosian Code, 79–85 m.w. N. 78 Einen ausführlichen Überblick über den Meinungsstand liefern jeweils z. B. Kaser, RP II2, § 193 4 ff.; älter ders., Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1283 ff.; Nehlsen, Sklavenrecht, 44 ff.; Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 1 ff.; Vandendriessche, 13 ff. 79 Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 2.

II. Das Vulgarrecht

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nen Quellen.80 Diese Auffassung geht davon aus, dass es Vulgarrecht im Sinne einer degenerierenden Rechtsentwicklung erst in den germanischen Nachfolgestaaten des römischen Westreiches gegeben habe.81 Mitteis übernahm den Begriff des Vulgarrechts und stellte ihn dem von ihm behandelten „Volksrecht“ gegenüber.82 Er ging ebenfalls davon aus, dass es sich bei römischem Vulgarrecht um degeneriertes römisches Recht handelte, das im römischen Reich laienhaft praktiziert wurde, sich aber vom sog. Volksrecht, d. h. dem genuinen Recht der Provinzialen unterschied.83 Seine die Forschung prägende Ausformung erfuhr der Begriff des Vulgarrechts durch Levy,84 Wieacker und Kaser. Levy zufolge bezeichnet der Begriff „Vulgarrecht“ praktisch geübtes, nicht jedoch offiziell gesetztes Recht in der Zeit von der Abdankung Diokletians im Jahre 305 n. Chr. bis zur justinianischen Kodifikation.85 Levy geht davon aus, dass sich Vulgarrecht durch eine Abweichung vom klassischen römischen Recht auszeichnet, die auf einem „Niedergang des römischen Wesens und Reiches“ beruhte86 und von einer „Gleichgültigkeit oder geradezu Abneigung gegen präzise, eindeutig bestimmbare Rechtsbegriffe“ 87 geprägt war. Levy bestimmt das Verhältnis des Vulgarrechts zum Kaiserrecht so, dass die Kaisergesetze an sich nicht zum Vulgarrecht zu zählen sind, jedoch dem Vulgarrecht „einen so breiten Spielraum [. . .] ließen, daß sie zu seinen wichtigsten Erkenntnisquellen gerechnet werden dürfen.“ 88 Etwas weiter als Levy fassen Wieacker, Kaser und Stühff den Vulgarrechtsbegriff und beziehen auch kaiserlich gesetztes Recht in das Vulgarrecht mit ein, wenn es von vulgarer Stilhaltung ist.89 80 Brunner, Urkunde, 113, 139; Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1284; ders., RP II2, § 193 II 5 a) Fn. 56; vgl. hierzu auch Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 35 ff. 81 Brunner, Urkunde, 113 f., 139 ff.; s. Voß, 82. 82 Mitteis, 3 ff.; Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1284. 83 Mitteis, 3 ff.; vgl. Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 38 f. 84 Vgl. insbesondere Levy, Vulgar Law; ders., Vulgarrecht; vgl. weiter Levy, Westen und Osten, in: SZ (RA) 49, 230 ff., wo eingehend die unterschiedliche Entwicklung des Rechts in den beiden Reichsteilen dargelegt wird. 85 s. Levy, Vulgar Law, 1, 2 ff., ders., Vulgarrecht, 2; Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 4; Nehlsen, Sklavenrecht, 44. 86 Levy, Vulgarrecht, 4. 87 Levy, Vulgarrecht, 5. 88 Levy, Vulgarrecht, 5; s. auch Levy, Römisches Vulgarrecht, in: Ius et Lex. FG Gutzwiller, 70, der dort das Kaiserrecht als gesetztes dem Vulgarrecht als ungesetztes Recht gegenüberstellt, aber darauf hinweist, dass ungesetztes Vulgarrecht, welches durch ein Kaisergesetz bestätigt worden sei, nicht dadurch seinen vulgaren Gehalt verloren habe und dadurch seinen Vulgarrechtsbegriff etwas erweitert. 89 Stühff, 21 ff.; Wieacker, Vulgarismus, 15 f.; Kaser, RP II2, § 193 III 1, 5 b); ders., Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1289; Volksrecht bezieht Levy hingegen in das Vulgarrecht

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A. Grundlagen

Entgegen Levy ist das Vulgarrecht Wieacker und Kaser zufolge aber nicht als eigenständiger „Komplex [. . .] von Normen“ 90 wie das ius civile oder das ius gentium bzw. das ius honorarium anzusehen, da es sich hierbei nicht um einen rechtsdogmatisch-systematischen Begriff handelt.91 Vielmehr ist der Terminus des Vulgarrechts ein rechtskultureller, d. h. zum Vulgarrecht sind diejenigen Rechtsnormen zu zählen, die vom allgemeinen kulturellen Stilmerkmal geprägt sind, das als Vulgarismus bezeichnet wird.92 aa) Merkmale des Vulgarrechts Das vom Vulgarismus geprägte Recht wird Wieacker zufolge „bestimmt durch die Abwesenheit der stilbildenden Merkmale einer differenzierten Spezialkultur“,93 was gleichzeitig ein älteres, stilistisch höherstehendes Recht voraussetzt, das klassische römische Recht.94 Die vulgarrechtlichen Normen zeichnen sich dabei durch grundlegende Charakteristika aus: Zunächst ist hier das „Bedürfnis nach sinnfälliger Anschaulichkeit“ zu nennen, was mit einer „degenerativen Primitivität“ einhergeht.95 Dies bedeutet, dass im Laufe des Vulgarisierungsprozesses der hohe Abstraktionsgrad des Rechts nicht mehr durchdrungen werden konnte und deshalb verloren ging. Als augenfälligstes Beispiel des Bedürfnisses nach Anschaulichkeit im Recht wird von Levy, Wieacker und Kaser der Verlust der Differenzierung zwischen possessio und dominium angeführt, die sich im Vulgarrecht weitgehend vollzogen habe,96 oder das Zusammenwachsen von Kauf und Übereignung zu einem Simultanakt.97 Sodann wird als weiteres Merkmal angesehen, dass das juristische Denken der vulgarrechtlichen Epoche deutlich vom Prinzip der Billigkeit bestimmt war, so dass die Lösung von Rechtsfragen nicht länger von sachlogischen Prinzipien,

mit ein – Levy, Vulgarrecht 6 f.; s. auch Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 4 f. 90 Levy, Vulgarrecht, 9. 91 Kaser, RP II2, § 193 III 3 a); ders., Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1290; vgl. eingehend Stühff, 26 ff. 92 Vgl. Wieacker, Vulgarismus, 7 ff., 12 ff.; Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1285 (hierzu sogleich). 93 Wieacker, Vulgarismus, 20. 94 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1285; Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 7. 95 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1286; vgl. Kaser, RP II2, § 193 III 2 a). 96 s. Levy, Vulgar Law, 19 ff.; Wieacker, Vulgarismus, 31; Kaser, RP II2, § 193 III 2 a); ders., Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1286; zu weiteren Beispielen, insbesondere im Hinblick auf unverständlich gewordene Formalakte s. Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1286; Wieacker, Vulgarismus, 23; Levy, Vulgarrecht, 34 ff. 97 Levy, Vulgarrecht, 208; Kaser, RP II2, § 242 III 1 a); § 264 I.

II. Das Vulgarrecht

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sondern von affektiven Vorstellungen, namentlich moralischen Erwägungen abhing98 und dadurch Emotionalität mit in die Argumentation einfließen ließ.99 Als drittes auffälligstes Charakteristikum vulgarrechtlicher Normen wird ein zielstrebiges Denken angeführt, mit dessen Hilfe die überlieferten Rechtsnormen veränderten Rechtsbedürfnissen, namentlich aufgrund gewandelter wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse, angepasst werden sollten.100 Kaser zufolge herrscht im Vulgarrecht eine „zuweilen naive Zielstrebigkeit“, welche die Systematik der juristischen Klassik „einem primitiven und unsystematischen Zweckstreben“ opfert.101 bb) Herkunft vulgarrechtlicher Charakteristika Die Herkunft vulgarer Entwicklungen des römischen Rechts wird zum einen laienhaften Rechtsvorstellungen des juristisch nicht gebildeten Volkes – des vulgus – zugeordnet, die über die Rechtsanwendung ihren Niederschlag im Recht fanden.102 Zum anderen wird als Ursache einer Vulgarisierung auch der Niedergang der nachklassischen Jurisprudenz angesehen und das Vulgarrecht als „degeneratives Juristenrecht“ bezeichnet,103 weil aufgrund des abfallenden Niveaus der römischen Jurisprudenz systematische Begriffe des klassischen Rechts verlorengingen und dadurch „dieses entstellte Juristenrecht mit der allgemeinen Laienüberzeugung den Kulturabfall gemeinsam hat“.104 Kaser führt aus, dass in jedem Falle Vulgarrecht vom Gewohnheitsrecht herrührt und voraussetzt, dass die herrschende Gewalt vulgare Rechtsentwicklungen toleriert oder gar fördert. Auf diese Weise konnte vulgarem Gewohnheitsrecht unter Umständen durch die

98 Kaser, RP II2, § 193 III 2 a); ders., Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1286; als wichtiges Beispiel wird die Ersetzung des dolus durch die fraus im Schuldrecht angeführt, Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1286; hierzu Levy, Vulgarrecht, 102 ff.; s. auch Nehlsen, Sklavenrecht, 45. 99 s. Kaser, RP II2, § 193 III 2 a). 100 s. Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1287; Kaser, RP II2, § 193 III 2 a). 101 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1287; als Beispiel wird erneut die nivellierte Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz bzw. die mangelnde Differenzierung zwischen Eigentum und Besitz angeführt; vgl. auch Nehlsen, Sklavenrecht, 44 f.; zu weiterem s. Levy, Vulgar Law, 34 ff., 219 ff. 102 s. Wieacker, Vulgarismus, 13, 18 f.; Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1287 f.; ders., RP II2, § 193 III 1. 103 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1288; nach Wieacker und Stühff ist Vulgarismus „insofern eine Aussage über den Zustand juristischer Bildung“, Stühff, 8 unter Bezugnahme auf Wieacker, Vulgarismus, 13. 104 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1288 ff.; zum Verlust des Verständnisses klassischer juristischer Termini s. Levy, Vulgarrecht, z. B., 99 ff. zum Verwischen der verschiedenen Verschuldensformen, 163 ff. zur Leihe, 173 ff. zur Verwahrung, 251 ff. zur Miete und Pacht, 287 ff. zum Auftrag.

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A. Grundlagen

Übernahme in die kaiserliche Rechtsetzung offizielle Anerkennung zuteil und das kaiserlich gesetzte Recht in diesen Punkten zum Vulgarrecht werden.105 cc) Abgrenzung zu weiteren Einflüssen Problematisch ist die Abgrenzung des römischen Vulgarrechts zu anderen auf die Rechtsentwicklung wirkenden Einflüssen, da solche Einflüsse, die nicht dem Vulgarismus entspringen, Merkmale aufweisen können, die mit Charakteristika vergleichbar sind, die einem Vulgarismus zugerechnet werden könnten. In der Zeit nach dem Ende der Herrschaft Diokletians wirkten vielfältige Einflüsse auf die Rechtsentwicklung, die als solche nicht vulgaren Charakter haben, aber mitunter zum Vulgarismus hinzutraten und sich oftmals seiner Mittel bedienten:106 Vom Vulgarrecht werden auf vordringenden christlichen Einfluss zurückzuführende Rechtsgedanken ebenso ausgenommen wie aus der Rhetorik stammende Einflüsse, die sich im sprachlichen Stil der Rechtsnormen niederschlugen107 und sich „affektiver und moralisierender Argumente bedient[en]“,108 was zum Verlust der Präzision bei Verwendung der rechtstechnischen Begriffe führte.109 Ebenso werden diejenigen Normen nicht zum Vulgarrecht gerechnet, denen bestimmte rechtspolitische Erwägungen der nachklassischen Herrscher zugrunde lagen.110 In solch rechtspolitische Zielsetzungen der spätantiken Kaiser fanden auch christliche Rechtsgedanken Eingang und schlugen sich in zahlreichen Vorschriften nieder, insbesondere im Familien- und Erbrecht. Als wichtiges Beispiel der Verknüpfung christlichen Einflusses mit rechtspolitischen Zielsetzungen der Kaiser, die nicht dem Vulgarrecht zuzurechnen sein sollen, werden die gravierenden Veränderungen der Gesetzgebung zur Ehescheidung und Wiederverheiratung genannt.111 Weiter werden Rechtsetzungsakte nicht als Vulgarrecht angesehen, die durch gesetzgeberische Reform eine sich bereits in der klassischen Zeit abzeichnende organische Weiterentwicklung vollendeten.112

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Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1289. s. Kaser, RP II2, § 193 III 2 b); Wieacker, Vulgarismus, 46 f.; Levy, Vulgar Law, 2. 107 Vgl. Kaser, RP II2, § 192 II 2 b), 3, jeweils m.w. N.; § 193 III 2 b); Wieacker, Vulgarismus, 45 f.; mit rhetorischem Einfluss befasst sich eingehend – mit anderem Ergebnis – auch Voß, hierzu noch sogleich; vgl. auch Stühff, 109 ff. 108 Kaser, RP II2, § 193 III 3 a). 109 s. Stühff, 109. 110 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 291. 111 s. Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1291; ders., RP II2, § 192 II 3; Wieacker, Vulgarismus, 46 f.; ders., RR II, § 66 II 4. 112 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1291 f. mit Beispielen; Wieacker, Vulgarismus, 40 f. 106

II. Das Vulgarrecht

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Schließlich werden nichtrömische Rechtsgedanken aus dem Vulgarrecht ausgenommen, wobei es sich vornehmlich um Rechtsgedanken aus den „Volksrechten“ handeln soll, die „als gewohnheitsrechtliche Bildungen in das römische Recht eingedrungen sind und schließlich von der Kaisergesetzgebung als bereits geltendes Recht vorausgesetzt wurden.“ 113 Insbesondere Wieacker führt aus, dass für die genaue Bestimmung des Vulgarrechts erforderlich ist, den römisch-vulgaren Charakter von den volksrechtlichen Einflüssen zu trennen, da diese von Stilelementen geprägt sind, die vulgaristischen Merkmalen gleichen.114 Bezüglich der im Gebiet des Weströmischen Reiches entstandenen Rechtsquellen, die „in räumlicher und zeitlicher Nachbarschaft germanischen Volks- und Rechtslebens entstanden sind“,115 führt Wieacker aus, dass eine Unterscheidung germanischer von echt vulgaristischen Einflüssen und germanischen Rechtsvorstellungen schwierig sei, weil im Weströmischen Reich „degenerativer“ und „archaischer“ Naturalismus „eigentümlich aufeinander . . .“ träfen, und vielfach zusammengewachsen seien.116 b) Weitere Entwicklungen der Vulgarrechtsforschung Nachdem die Ergebnisse der Vulgarrechtsforschung vornehmlich von italienischen Forschern abgelehnt worden waren,117 unternahm es sodann Wieacker selbst, seine Position zu Vulgarrecht und Vulgarismus zu modifizieren und zu relativieren: In Abkehr zu seiner zunächst vorgebrachten Auffassung,118 stellte Wieacker nun die Berechtigung des Begriffs „Vulgarrecht“ in Frage. Er hob zwar hervor, dass er im Recht durchaus Vulgarismen im Sinne eines „schichtenspezifischen sozio-kulturellen Stil[s]“ ausmache, dessen „Stilzüge der vulgaren Rechtsvorstellung, wie Anschauungsgebundenheit, Emotionalität und soziale[m] Realismus“ einem allgemeinen kulturellen Phänomen des Vulgarismus entsprächen, der sich unter anderem auch in der Sprache niederschlage.119 Da aber der Vulgarismus 113

Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1292; Wieacker, Vulgarismus, 27 f., 35 f. Wieacker, Vulgarismus, 27 f.; s. aber auch z. B. Levy, Vulgar Law, 12. 115 Wieacker, Vulgarismus, 33; diese sieht Wieacker als „wichtigste Erkenntnisquellen des Vulgärrechts“ an. 116 Wieacker, Vulgarismus, 33, s. auch 32. 117 Hierzu Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 11–15 unter Bezugnahme auf Guarino, „Vulgarismus“, in: Labeo 6, 97 ff.; Archi, in: Labeo 7, 210 ff.; Pugliese, (Rez.) Levy, Weströmisches Vulgarrecht, in: AG 152, 150 ff.; vgl. ferner ders., (Rez.) Levy, West Roman Vulgar Law, in: AG 141, 119 ff., s. auch Kaser, RP II2, § 193 III 5 b) u. Fn. 60. 118 Insbesondere Wieacker, Vulgarismus, 33; Wieacker, ,Vulgarrecht‘ und ,Vulgarismus‘, in: St. Biscardi, 33 Fn. 1 m.w. N. 119 Wieacker, ,Vulgarrecht und Vulgarismus‘, in: St. Biscardi, 40; Wieacker, RR II, § 66 III 3. 114

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A. Grundlagen

ein „soziokultureller Befund“ sei, handele es sich dabei um „ein faktisches Phänomen“.120 Deshalb könne die „vulgare Rechtsvorstellung als solche . . . einer Rechtsnorm selbst keinen besonderen Inhalt geben“.121 Damit zog Wieacker also in Zweifel, ob die Feststellung eines vulgaren Stilmerkmals es rechtfertigt, den Vulgarismus als Element der spätantiken Rechtsordnung aufzufassen, und ob eine Vulgarisierung sich materiell in den Rechtsnormen niederschlägt. Dagegen wandte er sich nun insoweit, als er ausführte, „Recht“ sei „eine von einer staatlichen Autorität erlassene und notfalls erzwungene Gebotsordnung“.122 So lange diese bis zum Niedergang der Reichsgewalt im Westen auf kaiserlichem Willensentschluss beruhte, könne trotz stilistischer Veränderungen nicht von einem römischen Vulgarrecht im Sinne des Eindringens von Rechtsvorstellungen des vulgus in das Recht gesprochen werden.123 In der Zeit, in der das Weströmische Reich durch das Entstehen germanischer Herrschaftsgebiete zerfiel, macht Wieacker dann keine funktionierende römische Rechtsordnung mehr aus. Da keine positive römische Rechtsordnung mehr festgestellt werden könne, seien Vulgarismen keine Frage des materiellen Rechts, sondern eine tatsächliche Frage der Rechtsanwendung, diese könne durchaus vulgar sein.124 Wieacker führt aus, dass für ihn ein Vulgarrecht mit dem Entstehen der germanischen Nachfolgereiche auf weströmischem Boden denkbar sei. Die Rechtsetzungsakte der Germanenherrscher kodifizierten eine Rechtsordnung, die vulgare Stilzüge aufweise; sie zeigten also, wie „vulgare Rechtsvorstellungen gerade erst durch das Ende der Reichsgewalt zu positivem Vulgarrecht erstarkten.“ 125 Diese modifizierte Auffassung Wieackers zeigt eine weitgehende Ablehnung eines römischen Vulgarrechts. Vulgarrecht im Sinne eines Aufgreifens vulgarer Rechtsvorstellungen und Stilzüge sowie deren Kodifizierung durch germanische Herrscher hält er als „Vulgarrecht römischer Provenienz“ indes für möglich.126 Einen weiteren Ansatz zur Relativierung des überkommenen Vulgarrechtsbegriffes liefert Kop, der behauptet, dass die Bezeichnung „Vulgarrecht“ ein Konstrukt eines Denkens sei, welches dem Rechtspositivismus des 19. Jahrhunderts verhaftet sei.127 Kop versucht mithin, die Entstehung der Vulgarrechtsdiskussion

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Wieacker, ,Vulgarrecht‘ und ,Vulgarismus‘, in: St. Biscardi, 41. Wieacker, ,Vulgarrecht‘ und ,Vulgarismus‘, in: St. Biscardi, 41. 122 Wieacker, ,Vulgarrecht‘ und ,Vulgarismus‘, in: St. Biscardi, 42. 123 Wieacker, ,Vulgarrecht‘ und ,Vulgarismus‘, in: St. Biscardi, 44 ff.; Wieacker, RR II, § 66 III 3, 4. 124 Wieacker, ,Vulgarrecht‘ und ,Vulgarismus‘, in: St. Biscardi, 42 ff.; insoweit zustimmend Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 46. 125 Wieacker, ,Vulgarrecht‘ und ,Vulgarismus‘, in: St. Biscardi, 46 f.; ders., RR II, § 66 5; diesen modifizierten Ansatz Wieackers lehnt z. B. Schmidt ab: vgl. Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 16 ff. 126 Wieacker, RR II, § 66 III 6. 121

II. Das Vulgarrecht

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anhand einer wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchung nachzuvollziehen. Dieser Ansatz bietet allerdings für eine Überprüfung der Berechtigung des Vulgarrechtsbegriffes keine neuen Erkenntnisse.128 2. Die quellenbezogene Kritik Die jüngere und die aktuelle Forschung stellen die Ergebnisse der oben in Bezug genommenen Arbeiten und die so gefundenen Ausprägungen des Vulgarrechtsbegriffes unter Hinweis auf die Quellenlage in Frage. Dies geht so weit, dass die Existenz eines Vulgarrechts insgesamt bestritten wird. Zuerst wies Pringsheim darauf hin, dass vor der Annahme vulgarrechtlicher Charakteristika der Blick direkt auf die maßgeblichen Quellen zu lenken ist, da dies eine übereilte Einstufung von Rechtsinstituten als vulgarrechtlich verhindert: Ausgehend von Levys Abhandlungen zur Entwicklung der stipulatio in der spätantiken Zeit129 stellte Pringsheim zunächst fest, die Darstellung Levys stehe „auf festem, größtenteils von ihrem Verfasser selbst geschaffenem Boden.“ 130 Pringsheim machte dann jedoch deutlich, dass die von Levy vorgenommene Abstraktion und Systematisierung des Vulgarrechts jedenfalls bezogen auf die stipulatio zu weit geht und der Blick auf die Quellen zu abweichenden Schlüssen veranlassen kann,131 mithin eine Relativierung des Vulgarrechtsbegriffes durchaus zulässig ist. Voß geht über eine Relativierung des Vulgarrechtsbegriffes hinaus und zweifelt die Existenz eines Vulgarrechts im Hinblick auf die Quellenlage insgesamt an: Voß stellt sich Levys und Kasers Auffassung entgegen, dass im nachklassischen Kaufrecht der Kauf durch vulgarrechtlichen Einfluss zu einem Simultanakt umgestaltet worden sei.132 Nach Voß hat die dogmatische Struktur des klassischen Kaufrechts in den nachklassischen Kaisergesetzen nahezu unverändert fortgegolten.133 Voß hebt hervor, dass in den von ihm behandelten spätantiken Quellen eine – zwar mitunter festzustellende – systematisch inkorrekte Verwendung juristischer Termini auf den Einfluss der Rhetorisierung des Rechts zurückzuführen sei. Mit der zunehmenden Verwendung rhetorischer Stilmittel in der Gesetzgebung habe Propaganda des absolutistisch herrschenden Kaisers betrieben werden 127 Vgl. Kop, insbes. 219 ff.; gegen diesen Ansatz zu Recht mit Bedenken Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 15 f. 128 Vgl. Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 15 f.; Vandendriessche, 13 ff. 129 Levy, Vulgarrecht, 34–59. 130 Pringsheim, in: Gesammelte Abhandlungen II, 194. 131 Pringsheim, in: Gesammelte Abhandlungen II, 196, 199. 132 Voß, 81 ff. m.w. N., zusammenfassend 198 f.; zu diesem Problem auch ausführlich Siems, 222 ff. m.w. N., 335. 133 Voß, 198 ff., 247.

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A. Grundlagen

sollen, die bisweilen den sachlichen Regelungsgehalt des jeweiligen Gesetzes nur schwer erkennen lasse.134 Eine inkorrekte Verwendung der juristischen Termini sei daher nicht auf fehlerhaftes oder degeneriertes Fachwissen der spätantiken Juristen zurückzuführen, sondern vielmehr nur dann festzustellen, wenn es dem Normzweck nach nicht auf die Korrektheit der Verwendung des Begriffes angekommen sei.135 Eine materielle Veränderung der Rechtsinstitute ist Voß zufolge zwar teilweise durchaus deutlich festzustellen, aber nicht auf die als vulgarrechtlich angesehenen Einflüsse zurückzuführen. Die Veränderung hob – bezogen auf den Kauf – die aus dem klassischen Recht bekannte dogmatische Differenzierung jedenfalls nicht auf:136 Veränderungen des nachklassischen materiellen Kaufrechts führt Voß vielmehr auf bewusste Eingriffe des absolutistisch herrschenden Kaisers zurück, die zumeist ihre Ursache in öffentlich-rechtlichen – oft fiskalischen – Interessen und dem Bedürfnis des Kaisers nach autoritärer Kontrolle hatten.137 Zwar habe „der bürokratische Zwangsstaat der Spätantike . . . dem Kauf unverkennbar seinen Stempel aufgedrückt; nur [sei] es eben kein vulgares Kaufrecht, das so entstand, sondern ein Teil einer Rechtsordnung, die durch die Bedürfnisse des absolutistischen Zwangsstaates diktiert waren.“ 138 Auch Liebs lehnt den Vulgarrechtsbegriff weitgehend ab, indem er ausführt, die „Kennzeichnung . . . der ,nachklassischen‘ Periode . . . als ,vulgarrechtlich‘ bzw. ,klassizistisch‘“ sei ein „erster Versuch“ gewesen, „der mißlang“, weil er auf übertriebener und allzu verallgemeinernder Darstellung beruhe.139 Liebs betont, es müsse die Zwecksetzung jeder Rechtsquelle hinreichend berücksichtigt werden, insbesondere müsse auch Beachtung finden, dass ein großer Teil der zur Ausformung des Vulgarrechtsbegriffes herangezogenen römischen juristischen Literatur ursprünglich nicht dazu konzipiert war, Gesetzeskraft zu erlangen, sondern dazu, dem Rechtsunterricht zu dienen oder private Rechtsverhältnisse zu regeln.140 Zudem müsse insbesondere auch das staatlich gesetzte Recht in Betracht gezogen und auf Vulgarisierungen untersucht werden, um tatsächlich tragfähig einen Vulgarrechtsbegriff bestimmen zu können, was von der überkommenen Forschung nicht hinreichend berücksichtigt worden sei.141 Liebs führt aus, es gebe in den Rechtsquellen zwar vereinzelt Merkmale, die als Vulgarismen be134 Voß, 72 ff., 173; hierzu Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 45 ff.; vgl. auch Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 19. 135 Voß, 80 f., 114 f., 248 ff.; Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 19. 136 Vgl. Voß, 173 ff.; ähnlich Kreuter, 156. 137 Voß, 131 ff., 173 ff., 198 f., 200 ff., 247. 138 Voß, 250; im Anschluss an Voß legt Kreuter bezogen auf ihren Untersuchungsgegenstand dar, dass entgegen Levy und Kaser ein Zusammenfallen von Kaufvertrag und traditio nicht festgestellt werden kann – Kreuter, 86. 139 Liebs, Jurisprudenz, 283; vgl. Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 49–53. 140 Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 47. 141 Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 46 f.

II. Das Vulgarrecht

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zeichnet werden könnten, es sei aber kein einziger Fall feststellbar, über den gesagt werden könne, dass das Recht seinem materiellen Gehalt nach tatsächlich eine Vulgarisierung durchlaufen habe.142 Siems stellt ebenfalls den Vulgarrechtsbegriff in Frage, wobei er sich vorwiegend mit den von Levy und Kaser gefundenen Erkenntnissen auseinandersetzt. Er kritisiert, dass der überkommene Vulgarrechtsbegriff der Vielfalt der spätantiken bzw. frühmittelalterlichen Rechtsquellen nicht in ausreichendem Maße Rechnung trägt. Der Ansatz, Vulgarrecht durch Beschreibung der Institutionen darzustellen – wie beim klassischen römischen Recht üblich –, sei mit dieser Bestimmtheit nicht möglich.143 Jedoch ist Siems zufolge der Ansatz nicht verfehlt, die spätantike-frühmittelalterliche Entwicklung einzelner Rechtsinstitute herauszuarbeiten.144 Zudem sind seiner Ansicht nach in der Rechtsentwicklung dieser Periode Tendenzen wie das Streben nach Vereinfachung oder Verkürzung der Rechtstexte zu verzeichnen,145 ohne dass dies einer Vulgarisierung des spätantiken römischen Rechts zuzuordnen sei. Betont wird die Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit der spätantik-frühmittelalterlichen Rechtsquellen, die dazu führe, dass „kaum von dem römischen Recht des frühen Mittelalters . . . im Sinne einer einheitlichen Größe, die durch signifikante Merkmale abzuheben wäre“, gesprochen werden könne.146 Sämtliche Rechtsquellen sind nach Siems „jeweils für sich in ihrem Umfeld zu würdigen“,147 so dass die Ergebnisse der maßgeblich auf Levy und Kaser [und Wieacker] zurückgehenden Forschung als zu verallgemeinernd angesehen und weitere Forschung unter Berücksichtigung der frühmittelalterlichen Quellenvielfalt für notwendig erachtet wird,148 um tragfähige Ergebnisse im Hinblick auf den Vulgarrechtsbegriff finden zu können. Weitere Autoren der aktuellen Forschung kommen bezogen auf die jeweils untersuchten Quellen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass von einer Vulgarisierung des Rechts in der Spätantike nicht gesprochen werden kann und – im Anschluss an Voß – die Resultate der überkommenen Vulgarrechtsforschung nicht haltbar sind.149 Die Untersuchungen bestätigen keine der von den Protagonisten der Vul142

Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 49, 52. Siems, 335. 144 Siems, 335 f. 145 Siems, 341. 146 Siems, 339. 147 Siems, 339. 148 Siems, 340. 149 Kreuter, 155 f.; Bauer-Gerland, 193 ff.; Weßel, 280 ff., der anmerkt, dass seiner Ansicht nach die Argumente der Begründer des Vulgarrechtsbegriffes darauf hinauslaufen, „daß jegliche Rechtsvorstellung, die sich nicht in den klassischen Juristenschriften findet, als Vulgarrecht angesehen werden müßte“ – 280; vgl. ferner Vandendriessche, 285 ff.; offen gelassen von Schmidt, Vulgarrechtsdiskussion, in: Kroeschell/Cordes, 21 f. 143

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A. Grundlagen

garrechtsforschung als typisch vulgarrechtlich bezeichneten Charakteristika, wie beispielsweise die Umgestaltung des Kaufs zum Simultanakt oder die Nivellierung der Unterscheidung zwischen possessio und dominium,150 so dass nach dieser Auffassung entgegen Levy von einem „Riß, der juristisch das vulgare Recht vom klassischen trennte“ nicht gesprochen werden kann.151 Soweit in der spätantiken Zeit Veränderungen festgestellt werden können, wird dies nicht auf einen Vulgarisierungsprozess zurückgeführt, sondern auf andere Einflüsse, die auf die Rechtsentwicklung wirkten, so beispielsweise. bewusste gesetzgeberische Eingriffe der germanischen Herrscher.152 Die obige Darstellung der Vulgarrechtsdiskussion zeigt, dass es unerlässlich ist, eine genaue Interpretation der zu untersuchenden Quellen vorzunehmen, um einen Vergleich der spätantiken Regelungen mit denen des klassischen Rechts durchführen und die – insbesondere materielle – Entwicklung und die hierauf wirkenden Einflüsse aufzeigen zu können. Auf diese Weise ist dann zu klären, ob im Hinblick auf das Recht der Ehevoraussetzungen von einer Vulgarisierung des Rechts gesprochen werden kann.

III. Das Recht der Ehevoraussetzungen nach dem römischen Recht Das römische Recht ist maßgebliches Vorbild vieler Normen, die sich in den germanischen Kodifikationen finden. Damit die Rechtslage bezüglich des Rechts der Ehevoraussetzungen in diesen dargestellt und interpretiert werden kann, ist zunächst auf das Recht der Ehevoraussetzungen nach dem römischen Recht einzugehen. Das Eherecht ist stets einer Entwicklung unterworfen, die auf Wandel und Veränderungen der sozialen Wirklichkeit und damit einhergehend auch dem Wandel der Anschauung der Ehe in Gesellschaft und Rechtssystem beruht. Die Ehe war nach älterem und klassischem römischen Recht kein Rechtsverhältnis, sondern soziale Verbindung, die allein durch ihr tatsächliches Bestehen Auswirkungen hatte, die sich im Laufe der Zeit Rechtsfolgen annäherten.153 Die römische Ehe war lebenslängliche, auf Monogamie angelegte und in häuslicher Gemeinschaft verwirklichte Lebensgemeinschaft, die auf das Hervorbringen legitimer Nachkommen gerichtet war.154 Die Wirksamkeit einer ehelichen Verbindung – iustum 150

Kreuter, 156; Vandendriessche, 285 ff. Levy, Vulgarrecht, 78; s. auch Kreuter, 155. 152 s. Kreuter, 156. 153 Vgl. Kaser, RP I2, § 17 I 1–3; § 73 I; Evans Grubbs, 55, 142; Honsell, Römisches Recht7, § 63 I; entgegen der weit überwiegenden Auffassung Eisenring, 339, die die Auffassung vertritt, dass die römische Ehe echtes Rechtsverhältnis war, das durch den Austausch der gegenseitigen Ehewillen begründet wird. 154 Mod. D. 23, 2, 1; Treggiari, 9–11. 151

III. Recht der Ehevoraussetzungen nach dem römischen Recht

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matrimonium – wurde sowohl in älterer als auch in klassischer Zeit anhand sittlicher Maßstäbe beurteilt.155 Erst durch den zunehmenden christlichen Einfluss seit der spätantiken Zeit, der sich insbesondere auch auf den Bereich des Eheund Familienrechts auswirkte, näherte sich die Ehe einem Rechtsverhältnis an und wurde schließlich als solches angesehen.156 In der älteren Zeit und bis noch in die klassische Zeit hinein war die sog. manus-Ehe vorherrschend. Darunter ist eine Ehe zu verstehen, bei der die Frau in die Hausgewalt – patria potestas – des Ehemannes oder seines Gewalthabers eintrat und so zur uxor in manu wurde.157 Die Eheschließung und der Übertritt der Frau in die Hausgewalt – conventio in manum – fielen zumeist zusammen.158 Die Möglichkeit einer manus-freien Ehe bestand aber bereits seit der Zeit des XIITafel-Gesetzes. Die manus-Ehe war aber bis gegen Ende der Republik die Regel.159 Im Prinzipat verdrängte die gewaltfreie Ehe dann die manus-Ehe und wurde zu der am meisten verbreiteten Eheform.160 1. Ältere und klassische Zeit Für die Anerkennung einer Ehe als iustum matrimonium waren eine Reihe bestimmter Ehevoraussetzungen erforderlich: a) Verlöbnis (sponsalia) Das Verlöbnis war in der älteren Zeit ein Rechtsgeschäft, das in Form der stipulatio zwischen dem Gewalthaber der Braut und dem Bräutigam geschlossen wurde und auf Eheschließung mit der Braut gerichtet war.161 Im Gegensatz zur Ehe selbst, die als soziale Tatsache anzusehen war, handelte es sich beim Verlöbnis in der älteren Zeit um ein Rechtsgeschäft – allerdings um einen Vertrag über die Frau zwischen Gewalthaber und Bräutigam – das einen klagbaren Anspruch begründete, der ersatzweise auch auf eine Geldsumme gerichtet werden konnte.162 Inst. 1, 2 pr.; vgl. Kaser, RP I2, § 17 I 1; § 73 I; Krause, 118; Treggiari, 49 ff. Vgl. Kaser, RP II2, § 215 II m.w. N. 157 Kaser, RP I2, § 17 I 1; vgl. Treggiari, 28 ff.; der Übertritt der Braut in die Hausgewalt konnte sich durch coemptio, usus oder confarreatio vollziehen; vgl. Kaser, RP I2, § 17 I 1; Treggiari, 16 ff.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 142. 158 Kaser, RP I2, § 17 II. 159 Kaser, RP I2, § 18; § 73 III. 160 Vgl. Kaser, RP I2, § 76 II; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht4, § 143 I; Treggiari, 32 ff.; sollte der Übergang in die manus vermieden werden, musste die Frau drei Nächte im Jahr außerhalb des Hauses ihres Ehemannes verbringen. 161 Ulp. D. 23, 1, 4; Flor. D. 23, 11; Kaser, RP I2, § 17 IV. Gardner, Frauen, 52 f.; Kupiszewski, Studien zum Verlöbnis, in: SZ 84, 77 ff. 162 Vgl. Kaser, RP I2, § 17 IV m.w. N.; Kupiszewski, Das Verlöbnis im altrömischen Recht, in: SZ (RA) 77, 125 ff.; ders., Studien zum Verlöbnis, in: SZ (RA) 84, 70 ff. 155 156

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A. Grundlagen

In der jüngeren Republik verlor das Verlöbnis die Stipulationsform und seine Klagbarkeit. Dennoch stellte das Verlöbnis nicht lediglich eine sittlich gebotene Pflicht zur Eheschließung da, sondern bewirkte eine beschränkte Gebundenheit der Beteiligten an das Versprechen zur Eheschließung, sofern für den Fall des Bruchs des Verlöbnisses Straffolgen vereinbart waren.163 Dem Verlöbnis ging ein von sozialen Anschauungen bestimmtes Auswahlverfahren voran, in dem zumeist die Familien der Frau einen sozial adäquaten Partner auswählten.164 Das Verlöbnis war selbst keine Voraussetzung für eine wirksame Eheschließung, jedoch ging es ihr zumeist voraus.165 Es begründete eine Art Schwägerschaft – quasiadfinitas – und bildete dadurch ein Hindernis für eine anderweitige Eheschließung.166 Damit war das Verlöbnis in klassischer Zeit sowohl negative Ehevoraussetzung als auch ein Vorvertrag mit sittlicher Bindung.167 b) Ehemündigkeit Voraussetzung für die Anerkennung einer römischen Ehe war die Ehemündigkeit beider Ehepartner. Dies bedeutet, dass die Anvertrauten ein Mindestalter einhalten mussten, um sich zu gültiger Ehe verbinden zu können.168 Die Frage der Ehemündigkeit beurteilte sich sowohl nach älterem als auch nach klassischem Recht anhand des Eintritts der pubertas bzw. im Falle junger Mädchen nach dem Vorliegen der viripotentia.169 Auskunft über den Zeitpunkt, der den Eintritt der pubertas bzw. viripotentia markiert, gibt für Mädchen Pomp. D. 23, 2, 4, der als Untergrenze der viripotentia ein Lebensalter von 12 Jahren anführt.170 Dennoch war ein Verlöbnis mit einem Mädchen möglich, welches jünger als 12 Jahre war. Eine Ehe, die mit einem Mädchen unter 12 Jahren geschlossen wurde, galt als Verlöbnis, das mit dem Erreichen der genannten Altersgrenze zur vollgültigen Ehe erstarkte.171 Die Ver-

Kaser, RP I2, § 17 IV; § 74 I 2; Gardner, Frauen, 53. Insoweit spiegelt es sich bereits im Vorfeld der Ehe wider, dass die Ehe als soziale Tatsache angesehen wird; Treggiari, 83–124 m.w. N.; zu den verschiedenen Beteiligten, die das Verlöbnis der Frau ohne ihre Mitwirkung vereinbarten, vgl. Karl, 21 ff. 165 Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 141 I. 166 s. Gai. D. 22, 5, 5; Ulp. D. 38, 10, 6, 1; vgl. Kaser, RP I2, § 74 I 3; Treggiari, 159; Gardner, Frauen, 54; Kupiszewski, Studien zum Verlöbnis, in: SZ (RA) 84, 82 ff. 167 s. auch Mette-Dittmann, 133; Kupiszewski, Studien zum Verlöbnis, in: SZ (RA) 84, 74. 168 UE 5, 2; Inst. 1, 10 pr.; vgl. Kaser, RP I2, § 74 II 1. 169 Kaser, RP I2, § 17 III 1, § 21 II; neben Kindern waren Geisteskranke nicht ehemündig, s. Inst. 1, 10 pr.; Ulp. D. 1, 6, 8 pr. 170 Pomp. D. 23, 2, 4; vgl. auch Ulp. D. 48, 5, 4; Ner. D. 12, 4, 8; ein Bericht über das weibliche Ehefähigkeitsalter in augusteischer Zeit von zwölf Jahren findet sich bei Cassius Dio – Cass. Dio 54, 16, 17. 163 164

III. Recht der Ehevoraussetzungen nach dem römischen Recht

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heiratung von Mädchen im Kindesalter war insbesondere in aristokratischen Kreisen verbreitet.172 c) Consensus/Zustimmung des Gewalthabers Eine wirksame Ehe setzte sowohl in älterer als auch in klassischer Zeit einen gemeinschaftlichen Ehewillen – affectio maritalis – voraus.173 Da vor allem in der älteren Zeit regelmäßig sowohl Braut als auch Bräutigam der Gewalt eines paterfamilias unterworfen waren, hatte dies Auswirkungen auf die Erklärung des gemeinsamen Ehekonsensus. Eine wirksam geschlossene Ehe verlangte den übereinstimmend geäußerten Ehewillen, insbesondere auch deshalb, weil es sich bei der Ehe lediglich um eine sozial anerkannte Verbindung, nicht um ein echtes Rechtsverhältnis handelte. Es genügte hierbei, dass der Konsens sich nach außen hin objektiv manifestierte.174 Dies geschah in erster Linie durch die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft, namentlich die Heimführung der Frau – domum deductio –, die als Zeitpunkt des Ehebeginns galt.175 Die Form der Eheschließung folgte aus der Sitte und dem Brauchtum.176 Weiteres Kennzeichen für eine legitime Ehe – und somit Abgrenzung zum Konkubinat – war die dos. Diese wurde im Zuge der Eheschließung an den Ehemann geleistet und sollte dazu dienen, das Vermögen des Ehemannes zu mehren, um diesem zu erleichtern, die Frau zu versorgen.177 Die dos wurde in der Regel durch den Gewalthaber der Braut bestellt, wenn diese sui iuris war, mussten sie selbst oder ein Dritter hierfür aufkommen.178 „Eine Pflicht zur Dotierung bestand in klassischer Zeit für den Gewalthaber der Frau, für sie selbst und wohl auch für ihre sonstigen Angehörigen offenbar nur als eine starke sittliche Bindung, aber nicht eine rechtliche.“ 179 171 Ulp. D. 23, 1, 9; Lab. D. 24, 1, 65; ferner auch Inst. 1, 10 pr.; Mod. D. 23, 1, 14; Pomp. D. 23, 2, 4; Kaser, RP I2, § 74 II 2; Treggiari, 39 ff.; Mette-Dittmann, 57 f.; s. weiter den Überblick bei Gardner, Frauen, 44–48. 172 Vgl. mit sozialgeschichtlichem Schwerpunkt: Hopkins, in: Population Studies vol. 18 no. 3, 313 m.w. N.; zur Kindesheirat in aristokratischem Kreise Shaw, in: JRS 77, 33. 173 Vgl. Kaser, RP I2, § 17 I 3; Gardner, Frauen, 55. 174 Vgl. Kaser, RP I2, § 17 II m.w. N. in Fn. 17, § 76 I 1. 175 Gardner, Frauen, 55; Kaser, RP I2, § 76 I 1 m.w. N.; Kaiser, Eheeinwilligung, 58; Karl, 66, 331, nach der auch Schweigen der Frau als Zustimmung galt. 176 Kaser, RP I2, § 76 I 1; der nach außen hin geäußerte Ehewille begründete bereits in der Zeit der XII-Tafeln wirksam die Ehe; vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 142 II 3, auch zu den römischen Hochzeitsbräuchen m.w. N.; Gardner, Frauen, 51 f. 177 Kaser, RP I2, § 80 I 1; zu den Eigentumsverhältnissen an der dos dort § 80 I 2 m.w. N.; zu den Auswirkungen der Ehebeendigung auf die dos § 81. 178 Vgl. Kaser, RP I2, § 80 II; zur Form des Rechtsgeschäfts bei der Dosbestellung s. dort § 80 IV 1. m.w. N. 179 Kaser, RP I2, § 80 II.

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War – wie in der Regel – der jeweilige Nupturient gewaltunterworfen, bedurfte es der Zustimmung des jeweiligen Gewalthabers. Dabei schloss der Bräutigam die Ehe in der Regel iussu patris, wenigstens aber mit Duldung seines Gewalthabers; für die Braut als Gewaltunterworfene schloss ihr paterfamilias die Ehe.180 Ohne entsprechende Zustimmung war die Ehe nichtig.181 Wenn die Braut entführt wurde und selbst willens war, den Mann zu ehelichen, schützte der Straftatbestand des crimen raptus das väterliche Zustimmungsrecht, indem durch die Pönalisierung ein Ehehindernis begründet wurde. Zudem wurde der Frauenraub kapital bestraft.182 Die Braut durfte offenbar seit der Prinzipatszeit gegen die Eheschließung durch ihren paterfamilias protestieren, wenn es sich bei dem Bräutigam um eine moralisch und gesellschaftlich zweifelhafte Person handelte.183 Im Laufe der Zeit setzte sich das Erfordernis eines beidseitigen Konsensus für beide Nupturienten durch.184 d) Verbot der Mehrehe Schon im älteren Recht war negative Ehevoraussetzung, dass nicht bereits ein eheliches Verhältnis bestand, weil die Ehe eine auf Monogamie angelegte Lebensverbindung war.185 Das Eingehen einer zweiten Ehe wirkte sich in älterer sowie in klassischer Zeit zunächst auf den Bestand des Ehekonsensus aus. Dies bedeutet zwar nicht, dass es nicht möglich war, als bereits Verheirateter eine wirksame zweite Ehe zu schließen. Die Konsequenz war allerdings, dass neben der zweiten geschlossenen Ehe die erste eheliche Verbindung keinen Bestand mehr hatte, da der Ehekonsens nach außen hin sichtbar aufgekündigt wurde.186 Kaser, RP I2, § 74 II 2; Gardner, Frauen, 48. Pap. D. 23, 2, 35; Paul. D. 23, 2, 2; Kaiser, Eheeinwilligung, 59 f.; durch die Lex Iulia de maritandis ordinibus konnte seit der augusteischen Zeit ein grundlos widerstrebender Gewalthaber zur Zustimmung gezwungen werden; vgl. Marc. D. 23, 2, 19; Kaser, RP I2, § 74 II 2 Fn. 33 m.w. N.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 139 II 2. 182 Dies wurde eingeführt durch die Leges Iuliae de vi publica et privata; vgl. Kaiser, Eheeinwilligung, 60 m.w. N.; vgl. auch Arjava, Women and Law, 37 ff.; geschützt wurde nicht die Frau, sondern die Hausgewalt des paterfamilias, s. Brundage, Rape and Seduction, in: Bullough/Brundage, 141 f. 183 Ulp. D. 23, 1, 12, 1. 184 Paul. D. 23, 2, 2; vgl. Kaiser, Eheeinwilligung, 58; einschränkend Eisenring, 80 f., die ausführt, der Gewalthaber könne das Hauskind auch gegen dessen Willen in die Ehe zwingen; dies ist auch nach Kaser, RP I2, § 74 II 2 „mit dem Erfordernis des Ehewillens . . . vereinbar.“ 185 s. oben Kapitel A. III. vor 1. 186 s. Treggiari, 447, 456, 457; Kaser, RP I2, § 74 II 3; dies deckt sich mit dem Grundsatz, dass eine Scheidung formlos möglich war; hierdurch wurde allerdings im Falle einer manus-Ehe nicht automatisch das über die Frau bestehende Gewaltverhältnis aufgelöst; hierfür bedurfte es noch der remancipatio; vgl. Gai. 1, 137 a; Honsell/MayerMaly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 144 IV. 180 181

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Die zweite eingegangene Ehe dagegen war an sich wirksam, jedoch wurde der Betreffende ehrlos.187 Sollte also eine zulässige zweite Ehe geschlossen werden, musste die erste Ehe zuvor wirksam beendet worden sein. Wichtigste Beendigungstatbestände waren der Tod eines Ehepartners und die Scheidung.188 Da die römische Ehe von dem Bestehen des gemeinschaftlichen Ehewillens abhing, war die Ehe durch Scheidung, mithin durch Aufkündigung des Ehekonsensus lösbar.189 Hierbei kamen sowohl die einseitige Scheidung, die sowohl vom Mann als auch der Frau betrieben werden konnte, als auch die einverständliche Scheidung in Betracht. Eines bestimmten Scheidungsgrundes bedurfte es nicht.190 Jedoch wurde einer willkürlich betriebenen Scheidung durch sittliche Schranken vorgebeugt.191 e) Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand Diese Eheverbote kamen insbesondere zum Tragen, wenn aus römischer Sicht im Hinblick auf den Ehepartner Rechtsungleichheit herrschte, es mithin am conubium fehlte. Dies war gleichbedeutend mit dem Fehlen der Fähigkeit, eine wirksame Ehe im Sinne eines iustum matrimonium zu schließen.192 Insbesondere konnte keine gültige Ehe zwischen Sklaven und Freien geschlossen werden; eheähnliche Verbindungen unter Sklaven wurden als contubernium bezeichnet und waren durchaus häufig, setzten aber die Zustimmung des Herrn voraus.193 Zwischen Personen ungleichen Standes konnte eine legitime Ehe ebenfalls untersagt sein, jedoch war in einem solchen Fall eine Konkubinatsverbindung zulässig.194 aa) Conubium Das conubium fehlte in älterer Zeit – vor dem Bundesgenossenkrieg (91–88 v. Chr.) – den Peregrinen, zu denen damals noch die Latiner zählten, sofern es Gai. Inst. 1, 63; Inst. 1, 10, 67; Kaser, RP I2, § 74 II 3. Paul. D. 24, 2, 1; darüber hinaus kommt auch der Verlust der Ehefähigkeit durch Freiheitsverlust und Verlust des Bürgerrechts in Betracht; Kaser, RP I2, § 77 I, II m.w. N. 189 Kaser, RP I2, § 77 III 2. 190 Gai. D. 24, 2, 2; C. 5, 17; vgl. Kaser, RP I2, § 77 III 1, 2 m.w. N.; Levy, Ehescheidung, 77 ff.; auf eine Abhängigkeit der gewaltunterworfenen Frau von ihrem paterfamilias bei von ihr betriebener einseitiger Scheidung weist Karl hin: Karl, 256 ff. m.w. N. 191 Kaser, RP I2, § 77 III 1; zu Scheidungsbeschränkungen durch die augusteische Ehegesetzgebung vgl. Kaser, RP I2, § 75 IV m.w. N. 192 UE 5, 3; vgl. Kaser, RP I2, § 74 I 4; Treggiari, 43 ff.; Gardner, Frauen, 36. 193 UE 5, 5; PS 2, 19, 6; Paul. D. 16, 3, 27; Kaser, RP I2, § 74 II 4; Treggiari, 53; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 138 Fn. 19 m.w. N.; anders bei ehelichen Verbindungen zwischen Freigeborenen und Freigelassenen, dies stellte im Rechtssinne eine Ehe unter Freien dar, auch wenn eine solche Verbindung auch sittlicher Missbilligung unterworfen war – s. Gardner, Frauen, 41. 194 Vgl. Esmyol, 38 f. 187 188

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nicht besonders verliehen wurde.195 Mit der Ausbreitung der Zulässigkeit ehelicher Verbindungen zwischen Römern und Peregrinen196 sowie der Verleihung des römischen Bürgerrechts an alle Einwohner des Römischen Reiches durch die Constitutio Antoniniana im Jahre 212 n. Chr. verlor das Erfordernis des conubium zunehmend an Bedeutung.197 Dies bedeutet aber lediglich, dass die Beschränkungen der Ehefähigkeit im Hinblick auf das Bürgerrecht zurückgingen, weil der Kreis der Personen mit Bürgerrecht mit der Zeit um ein Vielfaches wuchs.198 Trotzdem konnte das conubium aus anderen Gründen fehlen und daher einem iustum matrimonium entgegenstehen. bb) Die Ehegesetzgebung des Augustus Durch die Ehegesetze des Augustus wurden besondere Eheverbote aufgestellt.199 Die augusteischen Ehegesetze – die Lex Iulia de maritandis ordinibus, die Lex Papia Poppaea und die Lex Iulia de adulteriis coercendis – wurden aus bevölkerungspolitischen Motiven erlassen und hatten zum Ziel, das römische Volkstum zu stärken und durch standesgemäße Verheiratung und legitimen Nachwuchs das römische Volk vor dem Verfall zu bewahren.200 Nach den Vorgaben der Lex Iulia de maritandis ordinibus und der Lex Papia Poppaea bestand Ehepflicht für Männer zwischen 25–60 Jahren und für Frauen im Alter von 20–50 Jahren.201 In der Lex Iulia de maritandis ordinibus wurden besondere Eheverbote aufgestellt; so wurde freigeborenen römischen Bürgern die Ehe mit Frauen untersagt, die gesellschaftlich schlecht angesehen waren. Dies betraf insbesondere eheliche Verbindungen mit Dirnen, Kupplerinnen oder beim Ehebruch Ertappten sowie Schauspielerinnen.202 Im Fall von Senatoren waren die Verbote noch strenger gefasst.203 Daran lässt sich der besondere Zweck der augusteischen Ehegesetzge195

s. Gardner, Frauen, 37. Gai. Inst. 1, 57. 197 Vgl. Kaser, RP II2, § 217 II 4 a); zur Constitutio Antoniniana s. Cass. Dio 78, 9, 5. 198 Wieacker, RR II, § 59 II; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht 4, § 139 I. 199 Zum Wirkbereich der verschiedenen augusteischen Ehegesetze und deren Wechselwirkungen untereinander vgl. insbes. Mette-Dittmann, 76 ff., 131, 167 ff. 200 Kaser, RP I2, § 75 I m.w. N.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 140. 201 Vgl. Kaser, RP I2, § 75 II m.w. N.; s. den Überblick über die Ehepflicht unter Augustus und ihre Entwicklung bei Karl, 296 ff. m.w. N. 202 Kaser, RP I2, § 75 II, dort in Fn. 10 auch zu den drohenden Sanktionen; MayerMaly, impedimentum criminis, in: SZ (KA) 73, 382 ff.; Ulp. D. 23, 2, 43; Mette-Dittmann, 39. 203 Z. B. Paul. D. 23, 2, 44 pr.; Kaser, RP I2, § 75 II; zu den sonstigen Geboten und Sanktionen der augusteischen Ehegesetze, insbesondere im Hinblick auf Ehepflicht und Kinderlosigkeit vgl. Kaser, RP I2, § 75 III, IV m.w. N. 196

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bung nachvollziehen, das römische Bürgertum von standesungleichen Verbindungen reinzuhalten.204 cc) Verbote der Ehe mit Verwandten/Verschwägerten Aus dem sakralen Inzestverbot folgte das Verbot der Ehe zwischen Verwandten. Es fehlte im Falle eines Eheschlusses aufgrund der Verwandtschaft am erforderlichen conubium. Eine trotzdem geschlossene Ehe war also nichtig.205 Das ältere römische Recht kannte sechs Verwandtschaftsgrade, die auch sämtlich vom Inzestverbot umfasst waren.206 Auch in klassischer Zeit bestand Inzestverbot als Ehehindernis fort, insbesondere in Bezug auf in gerader Linie Verwandte. Abschwächungen traten im Fall der Verwandtschaft in der Seitenlinie auf.207 Sowohl in älterer als auch in klassischer Zeit hatte die adoptio die gleiche Verbotswirkung wie Blutsverwandtschaft.208 Deshalb konnte eine Adoption auch eine bereits bestehende Ehe auflösen, weil dann durch den Rechtsakt der Adoption eine inzestuöse und somit verbotene Verbindung entstand.209 Bestehende Schwägerschaft (adfinitas) stellte lediglich in aufsteigender Linie ein Ehehindernis dar.210 Da das Verlöbnis eine Art Schwägerschaft begründete folgte hieraus ein Eheverbot bei bereits bestehendem Verlöbnis.211 dd) Wiederverheiratung War eine Frau verwitwet, so hatte sie die sittliche Pflicht, eine Trauerzeit von zehn Monaten einzuhalten, bevor sie eine neue Ehe einging.212 Auf diese Weise wurde die Geburt illegitimer Nachkommen ausgeschlossen; zusätzlich entsprach die Einhaltung einer Trauerzeit dem Pietätsgebot gegenüber dem verstorbenen Ehegatten.213 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 140 III. Gai. Inst. 1, 59, 64; vgl. Kaser, RP I2, § 17 III 3; § 74 II 5 jeweils m.w. N. 206 Gai. Inst. 1, 59, 64; Gai. D. 23, 2, 55 pr; Ulp. D. 3, 2, 13, 4; dabei folgte das Inzestverbot ursprünglich aus den mores und stellten einen Verstoß gegen sakrale Gebote – nefas – dar. Hierzu s. Paul. D. 23, 2, 39, 1; zu den Verwandtschaftsgraden Inst. I, 10, 1; I, 10, 2; vgl. Kaser, RP I2, § 17 III 3. 207 Gai. Inst. 1, 59; UE 5, 6; vgl. auch Paul. D. 23, 2, 68; zu den Abschwächungen in Bezug auf Seitenverwandte vgl. z. B. Inst. 1, 10, 3; Paul. D. 23, 2, 39 pr; Kunkel, in: RE XIV.2, 2266 m.w. N.; ein Überblick über die betroffenen Verwandtschaftsgrade findet sich bei Gardner, Frauen, 40 ff. 208 Kaser, RP I2, § 74 II 5. 209 Inst. 1, 10, 2; Tryph. D. 23, 2, 67, 3; Kaser, RP I2, § 74 II 5. 210 Gai. Inst. 1, 63; Paul. D. 23, 2, 14, 4; Pap. D. 12, 7, 5, 1; Kaser, RP I2, § 74 II 5; vgl. auch Guarino, adfinitas, 28 ff. 211 Kaser, RP I2, § 74 I 3; Mette-Dittmann, 133. 212 Kaser, RP I2, § 17 III 6; § 74 III. 213 Krause, 106 m.w. N.; Kaser, RP I2, § 74 III; Gardner, Frauen, 59. 204 205

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Allerdings war die unter Verstoß gegen das Gebot, die zehnmonatige Trauerzeit einzuhalten, geschlossene Ehe gültig. Die Witwe musste den Verstoß gegen diese Pflicht sühnen; es konnte in vorklassischer Zeit ein Sühneopfer in Form der Opferung einer trächtigen Kuh gebracht werden.214 Die augusteische Lex Papia Poppaea schrieb vor, dass Witwen nach zwei Jahren wieder heiraten mussten. Geschiedene Frauen waren verpflichtet, spätestens nach 18 Monaten wieder eine neue Ehe schließen.215 Unproblematisch möglich war die erneute Verheiratung von Witwern, da diese nach dem Tode ihrer Ehefrau keine Pflicht zur Einhaltung einer Trauerzeit hatten.216 Nach den Vorgaben der augusteischen Gesetzgebung waren Witwer aber auch verpflichtet, eine neue Ehe einzugehen.217 Für die geschiedene Frau gab es keine Wartefrist.218 2. Die nachklassische Zeit In der nachklassischen Zeit erfuhr das römische Eherecht, mithin auch das Recht der Ehevoraussetzungen, starke Veränderungen. Diese waren vor allem auf den gewachsenen Einfluss des Christentums zurückzuführen, der Auswirkungen auf Recht und Gesellschaft hatte. Gravierende Veränderungen des römischen Rechts wurden auch durch die Krise und den Niedergang des Imperiums und die Turbulenzen der Umbruchszeit hervorgerufen.219 Durch den Einfluss der christlichen Lehre näherte sich die Ehe – bei der es sich in der nachklassischen Zeit um die manus-freie Ehe handelte – von einer sozialen Tatsache verstärkt einem Rechtsverhältnis an.220 a) Verlöbnis (sponsalia) Beim Verlöbnis ergaben sich deutliche Veränderungen zur älteren und klassischen Zeit, indem das Verlöbnis verstärkt den Charakter eines Rechtsgeschäfts erhielt, welchem durch das Auftreten der arra sponsalicia die freie Lösbarkeit genommen wurde.221 „Die arra sponsalicia ist ein erstarrter Überrest des Braut214 Plutarch, Numa 12; Kaser, RP I2, § 17 III 6; § 74 III; vgl. ferner Mayer-Maly, Vidua, in: RE VIII A.2, 2099 f; ein Überblick über die Entwicklung der Trauerzeit findet sich bei Gardner, Frauen, 59 ff. 215 UE 14; s. Kaser, RP I2, § 75 III 1; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 140 II; Mette-Dittmann, 132; Karl, 297. 216 Krause, 58 ff.; Gardner, Frauen, 59. 217 Vgl. Kaser, RP I2, § 75 III 1. 218 Kaser, RP I2, § 74 III. 219 Vgl. hierzu z. B. Kaser, RP II2, § 192; Evans Grubbs, 8 ff.; Hattenhauer4, III 259. 220 Kaser, RP II2, § 215 II, III. 221 Kaser, RP II2, § 216 I m.w. N.; vgl. auch Koschaker, in: SZ (RA) 33, 383 ff.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 141 II m.w. N.

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preises beim semitischen Brautkauf und damit ein vereinzelter Einbruch orientalischen Rechtsdenkens in die römische Ordnung“, „vermittelt durch die Kirche.“ 222 Es handelte sich um eine „Gabe des Bräutigams an die Braut, um den Abschluss des Verlöbnisses zu bekräftigen.“ 223 Die Bindung an ein solches Verlöbnis war auf eine Dauer von zwei Jahren beschränkt.224 Die Wirkungen der sponsalia wurden stärker den Ehewirkungen angenähert.225 Schließlich bildete das Verlöbnis wie in klassischer Zeit ein der Schwägerschaft gleichkommendes Verhältnis – quasiadfinitas. Dadurch bewirkte es ein Eheverbot mit einem durch Verlöbnis quasi Verschwägerten.226 b) Ehemündigkeit Die Ehemündigkeit war in nachklassischer Zeit ohne wesentliche Veränderungen zur klassischen Rechtslage ausgestaltet.227 Noch im Jahre 529 bestätigte Justinian, dass Mädchen im Alter von 12 Jahren als heiratsfähig – „viripotens“ – anzusehen sind.228 Das Mindestalter junger Männer für die Ehe betrug spätestens seit der justinianischen Regelung aus dem Jahre 529 14 Jahre.229 Über die Frage des Mindestalters hatte es zwischen den Rechtsschulen der Proculianer und Sabinianer eine Kontroverse gegeben. Die Sabinianer gingen davon aus, die Mündigkeit sei von der faktischen Geschlechtsreife abhängig zu machen, wohingegen die Proculianer von einer festen Altersgrenze ausgingen und die Vollendung des 14. Lebensjahres als maßgeblich ansahen.230 Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten einer festen Altersgrenze von 14 Jahren ohne Rücksicht auf die tatsächliche körperliche Entwicklung waren wohl die mangelnde Praktikabilität eines solchen Vorgehens sowie sittliche Bedenken, da zur Feststellung der körperlichen Reife

Kaser, RP II2, § 216 I. Kaser, RP II2, § 216 I; Kaser führt ebd. in Fn. 4 unter Hinweis auf Flor. D. 23, 1, 1, 1 und Ulp. D. 23, 1, 4 pr. an, dass die arra zwar üblich und weit verbreitet, aber für die Wirksamkeit eines Verlöbnisses nicht zwingend war. 224 Diese Befristung erfolgte schon durch die augusteische Ehegesetzgebung: vgl. Sueton, Aug. 34; Cass. Dio 54, 16, 7; die zweijährige Bindung an das Verlöbnis findet sich in CTh 3, 5, 4 (332); Mette-Dittmann, 132 f.; s. auch Kaser, RP II2, § 216 I; m.w. N., dort auch zu den weiteren Änderungen des Verlöbnisses in nachklassischer Zeit. 225 Kaser, RP II2, § 216 II m.w. N. 226 Vgl. Evans Grubbs, 140 ff., 147 ff., 172 ff. 227 Vgl. Kaser, RP II2, § 217 II 1. 228 C. 5, 60, 3. 229 C. 5, 60, 3. 230 Eingehend hierzu Schwarz, in: SZ (RA) 69, 344 ff. 222 223

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im konkreten Falle eine eingehende körperliche Untersuchung notwendig wurde.231 Ebenso wie bei Mädchen wich bei jungen Männern in der Praxis das tatsächliche Heiratsalter von der rechtlich vorgesehenen Untergrenze ab und lag im Durchschnitt wohl deutlich über dem rechtlich vorgegebenen Mindestalter.232 c) Consensus/Zustimmung des Gewalthabers Auch in der nachklassischen Zeit war das Vorliegen des übereinstimmenden Ehewillens für den Eheschluss und den Bestand der Ehe maßgeblich. Es war also weiterhin erforderlich, dass der gemeinschaftliche Ehewille – affectio maritalis – zum Ausdruck kam. Um eine deutliche Abgrenzung der Ehe zum Konkubinat zu gewährleisten, wurde in nachklassischer Zeit verstärkt Wert auf Publizitätsakte wie die Heimführung der Braut gelegt. Einer der wichtigsten Publizitätsakte war die Beurkundung der Bestellung der dos mittels einer Dotalurkunde. Die Dosbestellung wurde in der Spätantike zu einer Voraussetzung, von der die Wirksamkeit der Ehe abhing. Zudem unterlag der Akt der Bestellung einem Formerfordernis.233 Weiterhin musste der Gewalthaber der Ehe zustimmen, sofern ein Nupturient noch unter Hausgewalt stand, wobei das Fehlen dieser Zustimmung der Gültigkeit der Ehe nicht entgegenstand.234 Eine Braut unter 25 Jahren bedurfte stets der Zustimmung des Vaters oder ihrer Verwandter.235 Unter christlichem Einfluss allerdings wurde das Zustimmungserfordernis auch damit begründet, dass die Kinder ihrem Vater Ehrfurcht schulden.236 Die Strafen für die Brautentführung – crimen raptus – wurden in nachklassischer Zeit verschärft. Nach CTh 9, 24, 1 (320/326) war als Sanktion festgelegt, dass den Beteiligten geschmolzenes Blei in den Rachen gegossen wurde, mithin das crimen raptus kapital bestraft wurde.237 Spätestens seit Justinian konnte durch einen Frauenraub keine wirksame Ehe zustande kommen, auch dann nicht, wenn zwischen Braut und Entführer ein Konsens über eine Eheschließung zustande gekommen war.238

231 Feste Altersgrenze in: Gai. Inst., 1, 196; Inst. 1, 22, pr; Einzelfallentscheidung: Pap. D. 23, 1, 9; vgl. auch Arjava, Women and Law, 28–37. 232 Hierzu Saller, in: ClPh 82, 21 ff. 233 Kaser, RP II2, § 218 I 2; Nov. Mai 6, 9; Sev. I pr; vgl. auch Gardner, Frauen, 42. 234 Kaser, RP II2, § 217 II 2; C. 5, 4, 20 pr.; Nov. 22, 19; PS 2, 19, 2 mit IP (in LRV PS 2, 20, 2). 235 Kaser, RP II2, § 217 II 2; vgl. CTh 3, 7, 1 (371); Arjava, Women and Law, 35 f. 236 Kaiser, Eheeinwilligung, 60. 237 Kaser, RP II2, § 217 II 9 m.w. N.; CTh 9, 24, 1 (320/326); s. Brundage, Rape and Seduction, 142.

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d) Verbot der Mehrehe Durch christlichen Einfluss wurde das Verbot der Mehrehe verschärft. Zur klassischen Zeit ergab sich der Unterschied, dass ein zweiter Eheschluss nunmehr einen Nichtigkeitsgrund für die zweite Ehe darstellte und nicht mehr die Wirksamkeit der ersten Ehe entfallen ließ, indem der Ehekonsens aufgekündigt wurde. Der Grund hierfür ist die erschwerte Lösbarkeit der Ehe.239 Zudem wurde an das Eingehen einer zweiten Ehe bei bereits bestehender Ehe die Strafe der Infamie geknüpft.240 Eine bestehende Ehe musste deshalb vor einer zweiten Heirat wirksam beendet worden sein, wobei in der nachklassischen Zeit neben dem Tod des Ehepartners sowie des endgültigen Verlusts der Freiheit als Beendigungsgrund die Scheidung – repudium – in Betracht kam.241 Unter dem vordringenden christlichen Einfluss wurde die Möglichkeit der Scheidung deutlich eingeschränkt und lediglich bestimmte Scheidungsgründe akzeptiert.242 Die wichtigsten Regelungen zur den Gründen, unter denen eine einseitige Scheidung zulässig war, finden sich für den Mann in CTh 3, 16, 1 (331) und für die Frau in CTh 3, 16, 2 (421).243 Geringfügige Verfehlungen oder bloße Abneigung gegenüber dem Ehepartner waren hiernach als Scheidungsgrund ausgeschlossen.244 Betrieb dennoch ein Ehepartner ohne das Vorliegen eines anerkannten Grundes die Scheidung, so beendete die Scheidung zwar wirksam die Ehe, jedoch wurde der sich Scheidende von empfindlichen vermögensrechtlichen Sanktionen betroffen und durfte sich nicht wiederverheiraten.245

238 Kaser, RP II2, § 217 II 9; C. 9, 13, 1, 2; Nov. 143, 150; s. Kaiser, Eheeinwilligung, 60 f., der Seneca d. Ä., Controv. Lib. 1, controv. 5 anführt, um darzulegen, dass vor der Neuregelung Justinians eine Einwilligung der Eltern in die Ehe mit dem Entführer möglich gewesen ist, es bestand danach eine Wahlmöglichkeit zwischen der Hochzeit mit dem Frauenräuber und der Kapitalstrafe; diese Auffassung findet in den juristischen Quellen aber keinen Beleg; vgl. ferner Evans Grubbs, 180 ff.; Arjava, Women and Law, 37 ff. 239 Kaser, RP II2, § 217 II 3. 240 C. 5, 5, 2; Kaser, RP II2, § 217 II 3. 241 Vgl. Kaser, RP II2, § 219 I, II. 242 Kaser, RP II2, § 219 II m.w. N. 243 Gründe für die Scheidung durch den Mann waren nach CTh 3, 16, 1 (331) Ehebruch, Giftmischerei, Kuppelei der Frau, Leichtfertigkeit der Sitten; Gründe für die Scheidung durch die Frau waren nach CTh 3, 16, 2 (421) Mord, Giftmischerei oder Grabschändung; zu den Scheidungsgründen des nachklassischen römischen Rechts vgl. auch Memmer, in: Schermaier, FS für Theo Mayer-Maly, 491 ff. 244 Einen ausführlichen Überblick über die Scheidungsgesetzgebung der nachklassischen Kaiserzeit gibt Kaser, RP II2, § 219 II 1 m.w. N. 245 Kaser, RP II2, § 219 II 1 m.w. N.

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A. Grundlagen

Obwohl die christliche Dogmatik von der Unauflösbarkeit der Ehe ausging, war die einverständliche Scheidung nach römischem Recht bis ins 6. Jahrhundert zulässig.246 Die Scheidung war durch den Scheidebrief – libellus repudii – zu erklären, einem Formerfordernis, das sich in der nachklassischen Zeit herausgebildet hatte.247 Für das Westreich ist bezeugt, dass die Übergabe des Scheidebriefes in Anwesenheit von Zeugen vorgenommen werden konnte. Dies diente wohl der leichteren Beweisbarkeit des Übergabeakts.248 e) Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand aa) Conubium Mit der verstärkten Ausbreitung des römischen Bürgerrechts – spätestens seit der Constitutio Antoniniana 212 n. Chr. – verlor das conubium als Ehevoraussetzung an Bedeutung, soweit es ein Hindernis wegen unterschiedlichen Bürgerrechts der Nupturienten darstellte.249 Eheverbote, welche aber sinngemäß an das alte Erfordernis des conubium anknüpften, sind die Verbote der Ehe zwischen Römern und Barbaren, die neu geschaffen wurden und eine solche eheliche Verbindung bei Kapitalstrafe untersagten.250 Wie noch zu zeigen sein wird, existierten im Westreich auch in den germanisch veranlassten Gesetzeswerken derartige Verbote, die eheliche Verbindungen zwischen germanischer und romanischer Bevölkerung untersagen, hier allerdings unter gerade umgekehrten Vorzeichen. Auch hier ist eine Strukturgleichheit zum alten Erfordernis des conubium feststellbar. Die Eheverbote, welche sich aus unterschiedlicher Standeszugehörigkeit ergaben, bestanden fort. Die Ehe zwischen Freien und Sklaven blieb stets verboten.251 246 Einschränkungen wurden erst durch Nov. 117, 10 (542) und Nov. 134, 11 (556) vorgenommen, die dann aber durch Iustin II. in Nov. 140 (566) wieder aufgehoben wurden; Kaser, RP II2, § 219 II 3; ob die einverständliche Scheidung in spätantiker Zeit noch möglich war, wird uneinheitlich beurteilt, dafür: Dixon, 81; Kaser, RP II2, § 219 II 3, Biondi, DRC 3, 173; Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 8 und 12 f.; dagegen: Yaron, in: Tijdschrift 32, 542–554; Johlen, 125. 247 Pap. D. 24, 2, 7; C. 5, 17, 6; Levy, Ehescheidung, 104 ff.; 125 f.; vgl. Kaser, RP II2, § 219 II 2, der darin den „Einfluß vulgarer Rechtsanschauungen“ erkennt; der Begriff des repudium wurde in nachklassischer Zeit mit dem Scheidebrief gleichgesetzt. 248 s. Levy, Ehescheidung, 134, der die Zeugenform gleichzeitig aber als „wirklichkeitsfremde Schöpfung Tribonians“ bezeichnet. 249 Vgl. Kaser, RP II2, § 217 II 4 a). 250 Kaser, RP II2, § 217 II 4; CTh 3, 14, 1 (368) mit IT; zu den Auswirkungen der Constitutio Antoniniana vgl. z. B. Wieacker, RR II, § 59; Hattenhauer4, III Rn. 259. 251 PS 2, 19, 6; Kaser, RP II2, § 217 II 4 b) m.w. N.

III. Recht der Ehevoraussetzungen nach dem römischen Recht

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bb) Die Ehegesetze des Augustus Die Vorgaben der augusteischen Ehegesetzgebung wurden „schon im 4. Jahrhundert aufgehoben“ oder gerieten „außer Übung.“ 252 Die aus den Gedanken der augusteischen Ehegesetze ursprünglich für Senatoren folgenden Eheverbote wurden zu Eheverboten für Ehen zwischen Würdenträgern und Frauen niederen Standes oder sittlich missbilligter Lebensstellung fortentwickelt.253 cc) Verbote aufgrund bestimmter Funktionen des Mannes Bestimmte Funktionen oder Ämter des Mannes konnten einer Ehe entgegenstehen. Wichtig waren das Verbote einer Ehe zwischen Vormund und Mündel, das Eheverbot für den Tutor oder Kurator254 oder das Verbot der Ehe zwischen Provinzialbeamten und Provinzialen.255 Gleichzeitig wurde unter christlichem Einfluss die Möglichkeit des Konkubinats als „institutionalisierter Verbindungsform“ stark zurückgedrängt.256 dd) Inzestverbot Das Inzestverbot wurde in nachklassischer Zeit verschärft, d. h. nun wie in älterer Zeit wieder auf alle Verwandtschaftsgrade erstreckt.257 Dies wurde durch den erstarkenden christlichen Glauben gefördert, welcher der „Blutschande“ besonders ablehnend gegenüberstand. Der Verschärfung des Inzestverbots lagen aber auch rechtspolitische Zielsetzungen zugrunde: So sollte beispielsweise die unliebsame und in manchen Provinzen gängige Praxis, Verwandtenehen einzugehen, beseitigt werden.258 Derartige inzestuöse Verbindungen waren mit der Kapitalstrafe bedroht; gegen Ende des 4. Jahrhunderts wurde die Kapitalstrafe durch erhebliche Vermögensstrafen ersetzt.259 Kaser, RP II2, § 217 II 4 c); CTh 8, 16, 1 (320); CTh 8, 17, 2 (410). Kaser, RP II2, § 217 II 4 c) m.w. N.; C. 6, 51, 1; CTh 4, 6, 3 (336). 254 Kaser, RP II2, § 217 II 7 m.w. N.; C. 5, 6, 1 mit Nichtigkeitsfolge. 255 Kaser, RP II2, § 217 II 7 m.w. N.; CTh 3, 11, 1 (380); es wird dabei von einer Anfechtbarkeit einer solchen Ehe ausgegangen; vgl. Levy, in integrum restitutio, in: SZ (RA) 68, 401 f.; in der justinianischen Zeit wurde eine solche Ehe dann ausdrücklich für nichtig erklärt – C. 5, 7, 1 pr. 256 Esmyol, 40; vgl. auch Friedl, 33 f. 257 CTh 3, 12, 1 (342); ein Verstoß war mit Kapitalstrafe bedroht; Inst. 1, 10, 3; zu den verschärften Eheverboten für die Schwägerschaft s. CTh 3, 12, 2 (355) mit IT; CTh 3, 12, 3, 4 (396); C. 5, 5, 5; Kaser, RP II2, § 217 II 5. 258 Coll. 6, 4; Kaser, RP II2, § 217 II 5; s. auch Gardner, Frauen, 42. 259 Kaser, RP II2, § 217 II 5; CTh 3, 12, 1 (342) – Kapitalstrafe; CTh 3, 12, 3 (396) – als Sanktion drohte Vermögenskonfiskation. 252 253

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A. Grundlagen

ee) Wiederverheiratung Die Witwe war in nachklassischer Zeit von einer Wartefrist betroffen, bevor sie erneut heiraten durfte. Diese Frist wurde im Vergleich zum klassischen Recht von 10 Monaten auf ein Jahr verlängert. Ein Verstoß gegen die Wartefrist hatte die Infamie und den vollständigen Vermögensverlust zur Folge.260 Für eine Wartefrist vor einer Wiederheirat des Mannes finden sich auch in der Nachklassik keine Belege. Die Kaisergesetzgebung führte für die geschiedene Frau Wartefristen ein, die denen der verwitweten Frau ähnelten. Nachdem zunächst abgestufte Fristen festgelegt worden waren,261 galt seit 449 für die sich berechtigt scheidende Frau eine Wartefrist von einem Jahr.262 Die gleiche Frist war im Falle der einverständlichen Scheidung einzuhalten.263 Eine unberechtigt geschiedene Frau musste eine Wartefrist von fünf Jahren einhalten, bevor sie wieder heiraten durfte.264 ff) Religiös beeinflusste Eheverbote In der Nachklassik hatte der neue christliche Glauben einen starken Einfluss auf die Rechtsentwicklung und schlug sich insbesondere im Bereich des Eherechts nieder. Dieser prägende Einfluss führte zu neuen Eheverboten: Ehen zwischen Juden und Christen wurden mit der Kapitalstrafe belegt.265 Eheverbote bestanden ebenso für Angehörige des geistlichen Standes. So war Personen, die einem Keuschheitsgelübde unterlagen, die Ehe bei Kapitalstrafe verwehrt.266 Unter Justinian wurde geweihten Priestern, Diakonen und Subdiakonen die Ehe verboten. Ein Verstoß gegen das Eheverbot führte zum Verlust der geistlichen Ämter.267 Bischof konnte nur werden, wer unverheiratet war und keine Kinder hatte.268 In der vorchristlichen Zeit gab es zwar das Eheverbot für die zur unbedingten Keuschheit verpflichteten Priesterinnen der Vesta, ebenso wie Sanktionen für die

CTh 3, 8, 1 (381) = C. 5, 9, 2; Kaser, RP II2, § 217 II 6. Kaser, RP II2, § 217 II 6; CTh 3, 16, 2 (421). 262 C. 5, 17, 8, 4 (449); Nov. J. 22, 16 pr. (536); Kaser, RP II2, § 217 II 6. 263 C. 5, 17, 9 (497); Kaser, RP II2, § 217 II 6. 264 C. 5, 17, 8, 4 (497); Kaser, RP II2, § 217 II 6. 265 CTh 16, 8, 6 (339); CTh 3, 7, 2 (388); Kaser, RP II2, § 217 II 8. 266 Vgl. Kaser, RP II2, § 217 II 8; CTh 9, 25, 2 (364); teilweise lediglich Vermögenskonfiskation Nov. Mai. 6, 2 f. (458). 267 Kaser, RP II2, § 217 II 8; z. B. C. 1, 3, 44 (530); eine bereits vor der Weihe geschlossene Ehe wurde aber durch die Weihe nicht ungültig. 268 Kaser, RP II2, § 217 II 8; C. 1, 3, 47 (530); Nov. 6, 1, 3 (535); auch den eigenen Taufpaten durfte man nicht ehelichen – Kaser, RP II2, § 217 II 8; C. 5, 4, 26, 2 (530). 260 261

III. Recht der Ehevoraussetzungen nach dem römischen Recht

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Verletzung dieses Gebotes.269 Da es in Rom allerdings lediglich sechs Vestalinnen gab, hat dies für die Rechts- und Sozialpraxis keine wirkliche Rolle gespielt, so dass erst in christlicher Zeit mit zunehmender Anzahl der gottgeweihten Frauen oder Witwen ein erhöhter Regelungsbedarf mit tatsächlicher Relevanz anzunehmen ist. Mit dem Verbot aller nichtchristlichen Kulte mit Ausnahme des Judentums270 wurde das Eheverbot für Vestalinnen ohnehin obsolet.

269 Zur Vestalin und deren Rechtsstellung (sui iuris) s. z. B. Karl, 316 ff.; Johlen, 89; Koch, in: RE VIII A.2, 1732–1753; Staples, 131–154; Beard, in: JRS 70, 13–27. 270 s. Demandt2, 514.

B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht I. Verlöbnis Das Recht der Lex Romana Visigothorum setzte wie das nachklassische römische Recht im Zusammenhang mit einer Verlobung eine vermögenswirksame Leistung voraus: Im Unterschied zum klassischen römischen Recht, das der Verlobung lediglich eine beschränkte Bindungswirkung zumaß1 – und mithin auch Verlobungszuwendungen dem Brauchtum zuordnete – näherte sich das Rechtsinstitut des Verlöbnisses in der Lex Romana Visigothorum einem Rechtsverhältnis an.2 Dabei war zur Bekräftigung und Absicherung des Verlöbnisses eine Leistung seitens des Mannes an die Frau bzw. deren Angehörigen zu erbringen, die arra, ein Rechtsinstitut, das im nachklassischen Recht aus dem orientalischen Rechtskreis Eingang in das römische Recht fand.3 Die arra wird im Breviarium Alaricianum synonym auch als sponsalitia largitas bzw. donatio nuptialis oder donatio ante nuptias bezeichnet.4 Bei dem Begriff der sponsalitia largitas handelt es sich um eine Bezeichnung, die im römischen Recht ursprünglich eine sozialübliche Verlobungsschenkung bezeichnete, im westgotischen Recht nun aber als mit der arra identisch angesehen wurde.5 Trat die Frau von der so eingegangenen Verlobung zurück, verwirkte sie eine vermögensrechtliche Sanktion, nach der die erhaltene arra vierfach zurückzuerstatten war.6 Sagte sich hingegen der Bräutigam von dem Verlöbnis los, verblieb Vgl. Kaser, RP I2, § 74 I 1, 3; Treggiari, 125 ff.; Johlen, 54 m.w. N. in Fn. 152; vgl. Kapitel A. III. 1. a). 2 Kaser, RP II2, § 216 I u. Fn. 3. 3 LRV CTh 3, 5, 6; dies entspricht CTh 3, 5, 11 (380); CTh 3, 5, 4 (332); insbesondere auch LRV CTh 3, 10, 1 Johlen, 57; Mitteis, 266; Kaser, RP II2, § 216 I. 4 LRV CTh 3, 5, 1 und 2 mit IT; LRV CTh 9, 32, 3; zur Terminologie Johlen, 56 ff.; die dos, d. h. die Leistung i. d. R. des Gewalthabers der Frau an den Mann wurde nach westgotischem Recht im ursprünglich römischen Sinne verstanden; s. LRV CTh 3, 2, 8; LRV CTh 3, 6, 1, 2; LRV CTh 4, 5, 2; Brunner, Fränkisch-romanische Dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte 2, 80; Johlen, 106. 5 Johlen, 57; s. Iul. D. 39, 5, 1, 1; Ulp. D. 24, 1, 32, 22; Kaser, RP II2, § 224 I m.w. N. 6 LRV CTh 3, 5, 6 mit IT; vgl. Johlen, 59; die Pflicht zur vierfachen Rückerstattung entspricht der spätantiken römischen Rechtslage, CTh 3, 5, 11 (380); vgl. Kaser, RP II2, § 216 I mit Fn. 8; s. auch die Entsprechung im burgundischen Recht in LRB 27, §§ 1– 2. 1

I. Verlöbnis

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die im Zuge der Verlobung geleistete sponsalitia largitas im Eigentum der Braut.7 Das Erfordernis, eine arra beim Verlöbnis zu leisten, war auch in der für die westgotische Bevölkerung gültigen Lex Visigothorum enthalten.8 Da hier die Gabe aber in Form eines Ringes geleistet wurde, zeigt sich, dass es sich hierbei im Gegensatz zu römischen Rechtsvorstellungen um eine lediglich symbolische Gabe gehandelt haben dürfte, die aus dem westgotischen Gewohnheitsrecht stammen könnte.9 Die Fähigkeit, ein wirksames Verlöbnis einzugehen, kam nach der Lex Romana Visigothorum auch Unmündigen zu.10 Dabei wird der Begriff der pubertas, die den Zeitpunkt der Ehemündigkeit bestimmte und deshalb Voraussetzung für die Heiratsfähigkeit war, in LRV PS 2, 1 ebenso verstanden wie im hergebrachten römischen Recht. Wirksam verlobt werden konnten also auch unter 14-jährige Jungen bzw. unter 12-jährige Mädchen.11 Wie die Lex Visigothorum zeigt, war im westgotischen Rechts aber darauf zu achten, dass kein zu großes Altersgefälle zwischen den Verlobten bestand.12 Dies erklärt sich damit, dass auch nach gotischem Rechtsverständnis die Ehe darauf ausgerichtet war, gesunde Nachkommen hervorzubringen. Nach LV 3, 1, 4 war deshalb bei zu großem Altersunterschied der Verlobten der jüngere Part zur einseitigen Lösung des Verlöbnisses berechtigt.13 Bei der Auswahl des Ehepartners übte der Gewalthaber die bestimmende Funktion aus; die Auswahl des Gewalthabers hatte für den Betroffenen bzw. die Betroffene bindende Wirkung, wenn zwischen den Gewalthabern der Nupturienten Einigkeit erzielt worden war.14 Selbst für den Fall, dass der Gewalthaber der Braut verstarb, war die minderjährige Braut auch nach dessen Tod noch wirksam

7 LRV CTh 3, 5, 2 mit IT; Johlen, 58; dies., 60 auch zum Schicksal der sponsalitia largitas für den Fall des Todes eines Verlobten. 8 LV 3, 1, 3 (Chindasvinth). 9 Johlen, 57. 10 LRV PS 2, 20, 1; dabei ist die Minderjährigkeit nicht mit der Unmündigkeit bzw. die Volljährigkeit nicht mit der Mündigkeit gleichzusetzen; Minderjährige waren alle bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres; vgl. LRV G. 8. 11 LRV CTh 3, 5, 6; vgl. zu Unmündigen LRV G. 4, 182. 12 LV 3, 1, 4 (Reccesvinth) – um der laut LV 3, 1, 4 verbreiteten Unsitte zu begegnen, dass wesentlich ältere Frauen Partner ehelichten, die gerade erst dem Kindesalter entwachsen waren, wurde festgelegt, dass der männliche Partner stets älter als die Frau sein musste. Eine Verbindung mit großem Altersunterschied zwischen Mann und Frau, welche die Gefahr mit sich brachte, erbkranken Nachwuchs hervorzubringen, wurde als den Gesetzen der Natur widersprechend angesehen. 13 Krause, 116; Saar, Ehe, 113. 14 LRV CTh 3, 5, 7 mit IT; LRV CTh 3, 10, 1 mit IT; s. auch LV 3, 6, 3 (Reccesvinth).

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

zur Eheschließung verpflichtet.15 Dies war im Codex Euricianus noch anders gehandhabt worden. Dort wurde die Tochter dem Gefolgsmann – buccellarius – des verstorbenen Gewalthabers in die Bestimmungsgewalt gegeben, damit dieser einen ebenbürtigen und angemessenen Gatten auswählen konnte.16 Im später aufgezeichneten westgotischen Recht der Lex Visigothorum konnte das Recht zur Arrangierung eines Verlöbnisses auch der Mutter zustehen.17 Ein wirksam eingegangenes Verlöbnis verpflichtete dazu, innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren zu heiraten.18 Dieser Zeitraum wurde erstmals durch die augusteischen Ehegesetze eingeführt, um Scheinverlöbnissen vorzubeugen.19 Diese Bestimmung der ansonsten im Laufe der Zeit weitgehend außer Kraft gesetzten augusteischen Ehegesetze wurde in der römischen Tradition beibehalten und durch Kaiser Konstantin 332 n. Chr. nochmals bestätigt.20 In Übernahme der römischen Tradition hielt die Zweijahresfrist schließlich auch Einzug in das für die Romanen bestimmte westgotische Recht. Da sich die Zweijahresfrist darüber hinaus in weiteren Leges findet, kann angenommen werden, dass sich dieser Zeitraum als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Westreich etabliert hatte.21 Das westgotische Römerrecht entspricht insgesamt dem im Codex Theodosianus überlieferten Recht der Verlobung.22 15 LRV CTh 3, 5, 8 mit IT; LRV CTh 3, 10, 1, wobei bei dieser Quelle von der Zustimmung beider Eltern gesprochen wird. 16 So Codex Euricianus, c. 310; Saar, Ehe, 102 Fn. 1; bei den buccellarii (von buccella = Bissen) handelte es sich um privilegierte westgotische Gefolgsmänner, deren Bezeichnung sich ursprünglich damit erklärt, dass sie eine Tischgemeinschaft (deshalb buccella) mit ihrem Herren hatten; auch belegt in LV 5, 3, 1 (Antiqua); zum germanischen Gefolgsmann allgemein (comitatus) vgl. Kroeschell, in: HRG 12, 1991–1994; Claude, Untersuchungen zum frühfränkischen Comitat, in: SZ (GA) 81, 1–79; zum buccellarius speziell: Schumann, in: HRG 12, 698 und Wolfram, Goten5, 242 f.; das germanische Gefolgschaftswesen wird bereits bezeugt bei Caesar, de bello Gallico, VI, 23 und Tacitus, Germania, c. 13 ff. 17 LV 3, 1, 7 (Antiqua); s. Schultze, Über westgotisch-spanisches Eherecht, 16 f., 29 ff., 64; Drew, The Family, in: Law and Society, VII 5, 6; Saar, Ehe, 102 m.w. N. 18 LRV CTh 3, 5, 4 mit IT; vgl. auch LV 3, 1, 4 (Ervig). 19 s. Mette-Dittmann, 132 f.; zusätzlich bedeutet die Anwendung dieser Vorschrift auch, dass auf mittelbarem Wege eine Untergrenze für die Zulässigkeit von Verlöbnissen eingeführt wurde. Da die Nupturienten mindestens zwölf bzw. 14 Jahre alt sein mussten und ein Verlöbnis innerhalb von zwei Jahren zur Heirat verpflichtete konnte ein wirksames Verlöbnis nur mit wenigstens Zehn- bzw. Zwölfjährigen eingegangen werden. 20 CTh 3, 5, 4 (332) und 5 (332) mit IT; wobei dies ohne Begründung oder Bezugnahme auf die augusteischen Gesetze erfolgt. Es lässt sich aber feststellen, dass dieser von Augustus eingeführte Zeitraum die gesamte spätantike Zeit konsequent beibehalten wurde, vgl. auch C. 5, 1, 2. 21 Vgl. im burgundischen Recht: LRB 17, 1–3; im langobardischen Recht: Edictum Rothari, c. 178; Saar, Ehe, 101 f.; s. auch LV 3, 1, 3 (Chindasvinth). 22 Zu den vermögensrechtlichen Konsequenzen durch Austausch von Verlobungsgeschenken und für den Fall des Scheiterns des Verlöbnisses vgl. Johlen, 56 ff. m.w. N.

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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II. Ehemündigkeit Wie bereits ausgeführt, enthält die Lex Romana Visigothorum Vorschriften darüber, dass Unmündige bereits wirksam verlobt werden konnten.23 Zusätzlich mussten die Nupturienten jeweils ehemündig sein.24 Allerdings findet sich im Codex Euricianus ein Beleg dafür, dass im westgotischen Reich als ideales Heiratsalter das Alter von 20 Jahren angesehen wurde.25 Dies deutet darauf hin, dass zwar die Altersuntergrenzen für eine legitime Ehe aus dem römischen Recht übernommen wurden, die soziale Wirklichkeit unter den Westgoten tatsächlich aber anders aussah. Im Übrigen kann auch für die römische Bevölkerung vermutet werden, dass in der sozialen Wirklichkeit das durchschnittliche Heiratsalter deutlich über den rechtlich anerkannten Untergrenzen lag.26 Wie bereits im klassischen römischen Recht fehlte die Ehemündigkeit bei Geisteskranken, da für die Eheschließung Entschlussfähigkeit vorausgesetzt ist.27 Trat die Geisteskrankheit erst nach Eheschluss auf, hob die nachträglich auftretende Geisteskrankheit eine bereits bestehende und wirksam geschlossene Ehe aber nicht auf.28

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers 1. Allgemeines Das Eherecht des Breviarium Alaricianum ist vom römischen Eheverständnis geprägt, in dem die Ehe nicht als echtes Rechtsverhältnis, sondern als soziales Faktum angesehen wurde. Die Ehe wurde begründet durch die Willensübereinstimmung – consensus – der Nupturienten29 bzw. bei Erforderlichkeit durch die (vorherige) Zustimmung des Gewalthabers. Das Zustimmungserfordernis bei bestehender Hausgewalt war zwingend.30 Lediglich Volljährige, d. h. über 25-Jäh-

23

Vgl. auch Johlen, 59 f. D. h. in Übereinstimmung mit dem überlieferten römischen Recht das Lebensalter von zwölf bzw. 14 Jahren erreicht haben. 25 Codex Euricianus, c. 321; LV 3, 1, 4 (Reccesvinth). 26 Vgl. hierzu bereits Kapitel A. III. 1. b). 27 LRV PS 4, 11, 7; Kaser, RP I2, § 74 II 1. 28 LRV PS 2, 20, 4; vgl. Huber, 40 ff., laut dem die Ehe nach römischem Recht bei Erkrankung des Wahnsinnigen vom gesunden Teil geschieden werden konnte; auf 42 f. wird die Lösbarkeit der Ehe auch auf den Fall erstreckt, dass beide Ehegatten vom Wahnsinn befallen werden. 29 LRV G. 4 pr. 30 LRV CTh 3, 5, 7; s. zur Bindungswirkung über den Tod des Gewalthabers hinaus bereits unter I. 24

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

rige, die sui iuris waren, also nicht unter Hausgewalt standen, konnten den Ehekonsens selbst ohne Zustimmung eines Gewalthabers erklären.31 Es war ausgeschlossen, die Zustimmung des Gewalthabers zu umgehen.32 Selbst die Appellation an den Kaiser mit der Bitte um Konsenserteilung konnte keinen wirksam erklärten consensus begründen. Ein derartiges Vorgehen war schlicht unzulässig.33 Die Appellation an den Kaiser wurde als Missachtung eines konträren Willens des Gewalthabers aufgefasst und galt diesem gegenüber als betrügerisch. Deshalb war das Richten einer Bittschrift an den Kaiser Sanktionen unterworfen.34 Insgesamt folgt daraus, dass die Zustimmung des Gewalthabers zur Erteilung eines wirksamen Ehekonsensus einem Bestimmungsrecht mit Bindungswirkung gleichkommt. Wurde die Zustimmung erteilt, war gleichzeitig mit absoluter Bindungswirkung über die Verbindung mit dem avisierten Ehepartner entschieden. Daran lässt sich die römische Rechtstradition erkennen. Denn im westgotischen Rechtskreis war es möglich, sich vom Zustimmungserfordernis des Gewalthabers bei der Gattenwahl nach dessen Tod zu lösen.35 2. Publizitätsakte und Erleichterungen Das Vorliegen des consensus war unabdingbar. Es war vorausgesetzt, dass sich der übereinstimmende Willensentschluss hinsichtlich der Eheverbindung in einem Publizitätsakt äußerte; dies auch deshalb, um die eheliche Gesinnung – affectio maritalis – von außerehelichen Verbindungen wie dem Konkubinat abgrenzen zu können. Der verlangte Publizitätsakt war daher einem Formerfordernis angenähert. Er bestand aus einer bestimmten Art der Hochzeitsfeierlichkeiten (pompa);36 es musste die Heimführung der Frau stattgefunden haben, zudem sollte die donatio ante nuptias durch den Mann gewährt sowie die Dosbestellung durch den Gewalthaber der Frau vorgenommen worden sein.37 Die Bestellung der

31 LRV G. 2, 3, 3; dies galt auch für die volljährige emanzipierte Witwe, vgl. LRV CTh 3, 7, 1 mit IT; Johlen, 138. 32 Anders in der Lex Visigothorum: heiratete ein Mädchen ohne Zustimmung des Gewalthabers (sponte), war die Ehe in Abweichung vom römischen Recht nicht ungültig, sondern die Frau erlitt lediglich den Verlust ihres Erbrechts, s. LV 3, 2, 8 (Antiqua); Kottje, in: Affeldt, 217. 33 LRV CTh 3, 10, 1 mit IT. 34 Diese waren Vermögensverfall, Deportation, Verlust des eigenen Rechts zur Heirat, keine rechtmäßigen Nachkommen; s. LRV CTh 3, 10, 1 mit IT. 35 Codex Euricianus, c. 310. 36 Vgl. hierzu Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Privatrecht4, § 142 II 3 m.w. N.; Gardner, Women, 44. 37 LRV CTh, 3, 7, 3 mit IT = CTh 3, 7, 3 (428); Kaser, RP II2, § 218 I 2. m.w. N.

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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dos war geeignet, eine wirksame Eheschließung nachzuweisen und die Ehe vom Konkubinat abzugrenzen.38 Die Dosbestellung wurde hierbei regelmäßig in Form einer Dotalurkunde vorgenommen und erhielt dadurch eine Art Schriftformerfordernis zur Erhöhung der Publizität der Eheschließung.39 Im Breviarium Alaricianum war die Bestellung der dos jedoch in Übereinstimmung mit dem römischen Recht keine Rechts-, sondern eine Anstandspflicht.40 a) Abwesenheit des Mannes Eine Ehe konnte nach dem westgotischen Römerrecht bei vorliegendem consensus auch dann geschlossen werden, wenn der Mann nicht am Ort der Hochzeit anwesend war. Die Frau hingegen musste vor Ort sein; zudem erfolgte als Publizitätsakt zur Bekräftigung des Ehekonsensus die Heimführung der Frau in den Haushalt des Mannes durch Freunde oder dessen Eltern.41 Dies entspricht den aus dem Codex Theodosianus bekannten nachklassischen Regeln.42 b) Ehe zwischen Personen gleichen Standes Bei einer Heirat zwischen Personen gleichen Standes – d. h. gleicher Dignität – konnte das Vorliegen des consensus auch ohne die verlangten Publizitätsakte – in domum deductio, pompa – bejaht werden.43 Es bedurfte dann nicht der besonderen Betonung, dass eine zulässige und wirksame eheliche Verbindung eingegangen wurde. Ganz auf Publizität wurde aber auch in einem solchen Fall nicht verzichtet, da zumindest vorausgesetzt war, dass die Freunde des Brautpaares von der neuen ehelichen Verbindung Kenntnis hatten und der Übertritt der Frau in die Hausgemeinschaft des Mannes stattfand.44 Voraussetzung war allerdings weiter, dass keine Ehehindernisse vorlagen, so dass die Ehe wirksam zustande gekommen wäre, wenn man das Vorhandensein der Formalien und Bräuche unterstellt.45

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Johlen, 106 Fn. 59; s. auch Treggiari, 323. Zwar war die Beurkundung der Dotierung bereits im klassischen Recht bekannt, verstärkte sich aber durch kirchlich beeinflusste Gesetzgebung im Osten und wurde einem Formerfordernis angenähert; vgl. Kaser, RP I2, § 76 I 1 Fn. 6 m.w. N.; Kaser, RP II2, § 218 I 2. 40 Johlen, 106; vgl. Kaser, RP I2, § 80 II. 41 LRV PS 2, 20, 5 mit IT. 42 Kaser, RP II2, § 218; s. CTh 3, 7, 3 (428). 43 LRV CTh 3, 7, 3 mit IT. 44 LRV CTh 3, 7, 3 mit IT. 45 LRV CTh 3, 7, 3 mit IT; Wolff, in: SZ (RA) 67, 290 f. 39

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

3. Entführung der Braut Lag der Tatbestand der Brautentführung vor, wurde die Verbindung nach der Lex Romana Visigothorum nicht als wirksame Ehe anerkannt.46 Zu beachten ist die begriffliche Unschärfe bei der Umschreibung des Tatbestandes. Es wird zwar sprachlich eine Unterscheidung zwischen raptus – Entführung gegen den Willen der Frau – und volens abducere – einverständliche Entführung – vorgenommen. Allerdings wird nicht differenziert, ob unter den Begriff raptus nur die Entführung wider Willen oder auch die Vergewaltigung der Frau zu fassen ist. Der Vergleich mit anderen Quellen zeigt aber, dass die Vergewaltigung der Frau mit dem Begriff vis (publica) im Zusammenhang mit dem stuprum oder mit per vim corrumpere bezeichnet wird.47 In weiteren germanischen Leges ist das crimen raptus entweder als Raub oder als Entführung aufzufassen, wobei Raub gegen den Willen, Entführung hingegen mit Einverständnis der Frau erfolgte. Eine begriffliche Differenzierung erfolgte hierbei in den Leges nicht.48 Im Falle eines – auch nachträglich noch erklärbaren – Einverständnisses der Frau konnte aus der Raubehe eine anerkannte Ehe entstehen.49 Im Übrigen kam in germanisch geprägten Leges eine nachträgliche Anerkennung der Ehe durch Übereinkunft mit der Brautfamilie in Betracht.50 Die Entführung der Frau – sei es mit oder gegen deren Willen – wurde auch als Angriff auf die Familie der Braut bzw. den Gewalthaber und auf deren Ehre angesehen und der Willen der Frau mit dem der parentes identifiziert.51 Daher schränkt die Lex Romana Visigothorum die Möglichkeiten stark ein, nachträglich durch Vereinbarung mit der Familie der entführten Frau eine wirksame eheliche 46

LRV CTh 9, 19, 2. ET c. 59, ET c. 60, ET c. 63; Ulp. D. 48, 5, 30, 9; Marc. D. 48, 6, 3, 4. 48 Saar, Ehe, 252. 49 Dies wertet den Konsenswillen der Frau auf, allerdings ist nicht zu klären, ob dies als „urgermanisch“ zu gelten hat oder auf christlichem Einfluss beruht – Saar, Ehe, 251; nach der älteren Literatur wurde eine solche Verbindung, gegründet auf schlichten Konsens, Brautlauf und Beilager, als Friedelehe bezeichnet. Sie wurde vor allem bei Standesungleichheit und nach Entführung der Braut begründet; sie soll auch als „Nebenehe“ bei polygyner Verbindung des Mannes möglich gewesen sein; s. Schott, Ehe, in: LexMA 3, 1629; vgl. zur Friedelehe insbes. Meyer, Friedelehe und Mutterrecht, in: SZ (GA) 47, 1, 198 ff.; Köstler, in: SZ (GA) 63, 92 ff., insbes. 98, 128 ff.; vgl. ferner Buchholz, in: HRG 12, 1193; nachdem Mikat, Dotierte Ehe, 49 ff. und Saar, Ehe, 207 ff. die Friedelehe kritischer betrachtet hatte, lehnen Esmyol, 13 ff., 25 ff. (mit ausführlichem Überblick über den Forschungsstand) und Karras, in: EME 14, 119–151 mit Recht das Institut der Friedelehe als Konstrukt ab. 50 LV 3, 3, 7 (Antiqua); LB 12 § 1; PLS 13 §§ 1, 4 setzte lediglich die Zahlung eines erhöhten Brautpreises zum nachträglichen Munterwerb voraus; vgl. Esmyol, 112. 51 Esmyol, 112; die Gleichstellung des Willens der Frau mit dem der parentes findet sich ausdrücklich in Lex Baiwariorum 8, 6: „Si quis virginem rapuerit contra ipsius voluntatem et parentum eius, cum XL solidis conponat, et alios XL cogatur in fisco“ (MGH LL nat. Germ. 5/2, 356). 47

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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Verbindung herbeizuführen, und bewehrt den Tatbestand der Brautentführung mit schweren Strafen. Das Recht der Familie der Frau bzw. des paterfamilias sollte nicht durch solch eine nachträgliche Vereinbarung umgangen werden, um eine Verbindung herbeizuführen, welche die Familie der Braut als ungeeignet ansah.52 Es drohten sowohl dem Entführer als auch der Frau empfindliche Sanktionen, im Fall der Frau abgestuft danach, ob diese zugestimmt hatte oder gegen ihren Willen entführt worden war. Dies ging so weit, dass von der geschändeten Frau verlangt wurde, dass sie laut um Hilfe schrie, anderenfalls unterlag auch sie einer Strafe. Der raptor wurde verbrannt, die einverständlich Entführte erlitt das gleiche Schicksal; die gegen ihren Willen geraubte Frau verlor ihr Erbrecht.53 Gegen die aus einem Raub oder einer Entführung hervorgegangene Verbindung stand der Weg des iudicium publicum54 offen. Wurde allerdings nicht innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach der Brautentführung Klage geführt, galt die Verbindung als legitime und mit Konsens geschlossene Ehe. Dabei bezog sich die Legitimität auch auf die gemeinsame Nachkommenschaft.55 Die Vorschriften des Breviars über das crimen raptus zeigen römische Rechtstradition.56 In der Lex Visigothorum findet sich hingegen ebenso wie in anderen germanischen Leges eine weit liberalere Einstellung zur nachträglichen Legalisierung der ehelichen Verbindung nach vorangegangener Entführung der Braut.57 Es zeigt sich, dass im germanischen Kulturkreis der Frauenraub eine größere Rolle gespielt haben und weitaus verbreiteter gewesen sein muss als im römischen. Dies führte offenkundig zu einer größeren Sozialadäquanz von Verbindungen, die auf diese Weise zustande gekommen waren, so dass eine nachträgliche Legalisierung leichter möglich war.

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Saar, Ehe, 252. LRV CTh 9, 14, 1, 1–5; s. Brundage, Rape and Seduction, in: Bullough/Brundage, 142; Reynolds, 102; Saar, Ehe, 252 m.w. N. u. Fn. 4. 54 Durch die Lex Iulia iudiciorum publicorum neu geordnetes Kriminalverfahren der römischen Rechtstradition, das durch Anklage eines Privatmannes als Prozess vor einem magistratischen Kollegialgericht in Gang gesetzt wurde; s. Clem. D. 37, 14, 10; zum iudicium publicum weiterführend Mommsen, 180, 186 ff.; s. hierzu auch Kaser/ Hackl2, § 66 VI. 55 LRV CTh 9, 19, 2; zur Entführung gottgeweihter Frauen vgl. LRV CTh 9, 20, 2; hierzu sogleich; unter Justinian wurde der Tatbestand des crimen raptus noch schärfer geahndet; auch wurde die fünfjährige Verjährungsfrist abgeschafft; C. 9, 13, 1, 2 (533); Nov. 143 (563) und 150 (563); vgl. Kaser, RP II2, § 217 II 9 m.w. N. 56 Bereits bei Livius wird die Entführung der Braut als Verstoß gegen die göttliche Ordnung betrachtet: Livius 1.9.10–14 (zum Raub der Sabinerinnen); die Überlieferung ist wohl im Zusammenhang damit zu sehen, eheliche Verbindungen zwischen Römern und Angehörigen anderer latinischer Völker zu rechtfertigen; vgl. hierzu auch Kaser, RP I2, § 18 I. 57 So in LV 3, 3, 7 (Antiqua); LV 3, 4, 7 (Antiqua); im burgundischen Recht LB 12 § 1; im langobardischen Recht: Edictum Rothari, c. 191; Liutprandi leges (723), c. 31; weiterführend Saar, Ehe, 259 m.w. N. 53

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

Es ist zwar anzunehmen, dass entgegen der völkisch beeinflussten romantisierenden Auffassung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts58 der Raub bzw. die Entführung der Frau als ehebegründender Tatbestand ausscheidet.59 Auch hat sich die Ehe bei den germanischen Völkern nicht aus der sog. Raubehe entwickelt, da der „Begriff des Frauenraubes . . . die Vertragsehe“ – d. h. die in Übereinkunft mit der Brautfamilie geschlossene Ehe – „als die von ihr [– der Raubehe –] verletzte Regelerscheinung“ voraussetzt.60 Dennoch ist es nicht gerechtfertigt, in diesem Zusammenhang von einem „in erster Linie . . . forschungsgeschichtlichen Topos“ 61 zu sprechen, da die Auffassung zur Einstufung des crimen raptus als Eheschließungsform auch in jüngerer Zeit noch vertreten wurde62 und sich ferner auf diese Weise nicht der große Bestand an Normen erklären lässt, die sich mit dem crimen raptus und dessen nachträglicher Legalisierung befassen. Bemerkenswert bleibt die Tatsache, dass in germanischen Leges die Möglichkeiten einer nachträglichen Legalisierung der Verbindung durch Übereinkunft mit der Brautsippe durchaus weit verbreitet sind, während bei den in strenger römischer Tradition stehenden Gesetzen, namentlich in der Lex Romana Visigothorum, diese Möglichkeiten entsprechend der weiteren römisch-rechtlichen Entwicklung sehr stark eingeschränkt sind. Dies ist lediglich damit zu erklären, dass der Frauenraub bei den germanischen Stämmen eine wichtige Rolle gespielt haben muss, um zumindest mittelbar eine eheliche Verbindung zu erreichen, wenn eine vorherige Übereinkunft mit der Sippe der Frau nicht möglich gewesen war.

IV. Verbot der Mehrehe Die Lex Romana Visigothorum ging wie das hergebrachte römische Eherecht von einer monogamen Ehe aus. Die einschlägigen Vorschriften bringen dies eher indirekt zum Ausdruck,63 doch besteht keine Unklarheit darüber, dass eine be58 Vgl. Dargun, 78–140, insbes. 111 ff.; Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I3, 94 f.; von Schwerin, 126; vgl. auch Meyer, Ehe und Eheauffassung, 21 ff., der den Raub als ehebegründenden Tatbestand ausschließt, die Entführungsehe hingegen für zulässig hält; Köstler, in: SZ (GA) 63, 92–136; Schultze, Über westgotisch-spanisches Eherecht, 87 ff.; auch Brundage nimmt im Anschluss an die ältere Literatur unkritisch den Raub als ehebegründenden Tatbestand an, ebenso die Kaufehe und die Friedelehe, s. Brundage, Law, Sex and Christian Society, 128. 59 Lück, in: HRG 12, 1709–1731 m.w. N.; vgl. auch Esmyol, 111 ff. 60 Ennen6, 35, die aber die „Entführungsehe“, d. h. die Entführung der Frau mit deren Willen zur Eheschließung als eigenen ehebegründenden Tatbestand auffasst; Ennen6, 37. 61 Lück, in: HRG 12, 1710; bei gleichzeitiger Zuordnung des Tatbestandes zum Bereich der Vermögensdelikte; s. auch Schmidt-Wiegand, Hochzeit, in: RGA 15, 18–22; Ebner, in: DNP 10, 774; Saar, Raub- und Entführungsehe, in: RGA 24, 161–166. 62 Kottje, in: Affeldt, 218. 63 So LRV CTh 3, 12, 2 mit IT – Verbot, die Ehegattin des Bruders zu heiraten; LRV CTh 6, 4, 7; LRV CTh 3, 12, 4; in allen Vorschriften besteht Übereinstimmung darüber, dass ein zweiter Partner neben dem Ehepartner nicht geduldet wird.

IV. Verbot der Mehrehe

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reits bestehende Ehe ein Ehehindernis für eine neu zu begründende eheliche Verbindung darstellte bzw. eine erneute Eheschließung voraussetzte, dass eine zuvor bestehende eheliche Verbindung wirksam gelöst worden war.64 Als Gründe für die Lösung der Ehe kamen der Tod des Ehegatten oder eine Scheidung in Betracht, die beiden Ehegatten als Möglichkeit offen stand. Weitere Auflösungsgründe konnten entsprechend dem römischen Eherecht der endgültige Verlust der Freiheit, ferner Kriegsgefangenschaft und Verschollenheit sein.65 Dass im Breviarium Alaricianum auch durch capitis deminutio – Freiheitsverlust –66 die Ehe beendet wurde, lässt sich aus LRV PS 3, 6, 1 (Verlust der Testierfähigkeit durch Freiheitsverlust) in Verbindung mit LRV PS 2, 20, 3 entnehmen. Da die Ehe zwischen Freien und Sklaven untersagt war,67 muss der Freiheitsverlust eines Ehepartners die Ehe gelöst haben.68 Für den Fall der unberechtigten Scheidung durch den Ehemann wird eine Gleichstellung der zu Unrecht verstoßenen Frau mit der verwitweten Frau angenommen.69 Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Beendigung der Ehe durch capitis deminutio des Mannes aufgrund der vergleichbaren Situation eine entsprechende Behandlung der Frau rechtfertigt, so dass auch in dieser Hinsicht von einer Wartezeit von einem Jahr auszugehen sein dürfte. Zu beachten ist allerdings das ius postliminii, das nach Ende der Gefangenschaft dem Betroffenen das Recht auf Wiedereinsetzung in seinen früheren Vermögensstand ebenso einräumt, wie er die Hausgewalt über seine Kinder zurück erhielt.70 Es kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass gleichzeitig die Ehe wieder auflebte,71 jedenfalls aber war nach Wiedererlangung der Freiheit eine Neubegründung der ehelichen Verbindung möglich.72 1. Ehebeendigung durch Scheidung Für eine wirksame Scheidungserklärung (repudium),73 die als Publizitätsakt mittels Scheidebrief abgegeben werden musste, waren Scheidungsgründe nachzu64 Nach römischem Recht wurde infam, wer eine Mehrehe einging; s. Kaser, RP I2, § 64 III 2 und oben in Kapitel A. III. 1. d); auch die Vorschriften der Lex Visigothorum untersagen die Mehrehe – s. LV 3, 4, 9 (Antiqua); LV 6, 2 (Chindasvinth). 65 Kaser, RP II2, § 219; Huber, 81 ff., 96 ff. 66 Zur capitis deminutio s. Inst. I, 16 pr.; Leonhard, in: RE III.2, 1523 ff. 67 LRV PS 2, 20, 3. 68 LRV PS 3, 6, 1; LRV G. 2, 3, 5; ausdrücklich bestätigt hat dies Justinian in Nov. 22, 8 (535); s. Mommsen, 948. 69 Yaron, in: Tijdschrift 32, 546; Johlen, 130 f. 70 LRV PS 1, 7, 2; LRV CTh 5, 5, 2, 2; LRV PS 2, 26, 1; LRV G. 6, 2; Demandt2, 343 f. 71 Kaser, RP II2, § 219 I 1. 72 Dies zeigt, dass das römische Eherecht vom Grundsatz des Initialkonsenses und nicht des Kontinuativkonsenses geprägt war – vgl. Huber, 87 ff. 73 Zum repudium s. Klingmüller, in: RE I A.1, 614 ff.

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

weisen.74 Dieses Schriftformerfordernis, welches dem nachklassischen römischen Recht entsprach, hatte auch im westgotischen Römerrecht Geltung.75 Die Scheidungsgründe waren nachzuweisen, um Scheidungen unter einem Vorwand vorzubeugen. Die Scheidungserklärung mittels libellus repudii hatte sich im römischen Reich in nachklassischer Zeit als echtes Schriftformerfordernis herausgebildet.76 Zusätzlich scheint Paul. D. 24, 2, 9 davon auszugehen, dass eine Scheidung als Alternative zum repudium auch vor (sieben) Zeugen möglich war.77 Allerdings ist nicht nachweisbar, dass es sich bei dem Zeugenerfordernis um eine echte und aus dem klassischen Recht überlieferte Scheidungsmöglichkeit handelt, oder dass an anderer Stelle dieses Erfordernis Bestätigung, geschweige denn Aufnahme in die Rechtspraxis gefunden hat.78 So ist auch in den Scheidungsvorschriften der Lex Romana Visigothorum nicht von der Möglichkeit einer Scheidung vor Zeugen die Rede. Zwar existieren tatsächlich in der Lex Visigothorum Vorschriften, die bezüglich einer Scheidung zwar von Zeugen handeln,79 aber offenkundig nicht von der Möglichkeit einer Scheidung vor Zeugen als eigenständiger Scheidungsmöglichkeit ausgehen.80 So kann mit Levy angenommen werden, dass das Hinzuziehen von Zeugen bei der Übergabe des Scheidebriefes allenfalls aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten erfolgte.81 Die Scheidung mittels Brief und ggf. unter Hinzuziehung von Zeugen zeigt indes ein erhöhtes Bedürfnis nach Publizität des Scheidungsaktes, welches mit einem gesteigerten Rechtsformalismus einhergeht.82 Die Ehe sollte bei Nichtvorliegen eines Scheidungstatbestandes auch nicht lösbar sein, selbst wenn dies dem Willen des Gewalthabers entsprach.83 Da allerdings durch die Scheidungserklärung der consensus aufgekündigt wurde, war jede Scheidung wirksam, auch die unberechtigte. Unberechtigt bzw. illegitim war 74 LRV CTh 3, 16, 2 pr. u. 1 mit IT; LRV CTh 3, 16, 1 mit IT – der Mann muss die Frau des Ehebruchs überführen; weiterführend: Levy, Ehescheidung, 86 ff., zu den Scheidungsgründen sogleich. 75 LRV CTh 3, 16, 1 entspricht CTh 3, 16, 1 (331), Johlen, 126; Levy, Ehescheidung, 134; LV 3, 6, 2 (Chindasvinth) setzt ebenfalls die Scheidung mittels Brief voraus. 76 Z. B. Pap. D. 24, 2, 7; Nov. Th. 12 pr. (439); Kaser, RP II2, § 219 II 2 m.w. N.; Levy, Ehescheidung, 104 ff., 125 f. m.w. N. 77 Von drei Zeugen sprechen z. B. C. 4, 2, 17; C. 4, 21, 20, 1; von fünf z. B. C. 4, 20, 18 pr.; C. 6, 23, 28, 6. 78 Levy, Ehescheidung, 134. 79 So LV 3, 6, 1 (Antiqua); LV 3, 6, 2 (Chindasvinth); die Zeugen werden dem Wortlaut nach als alternativ zum Scheidebrief aufgeführt; auch Isid. Etym. 9, 7, 24 spricht von Zeugen im Zusammenhang mit dem repudium. 80 LRB 21, §§ 2, 3 und ET c. 54 handeln nur vom repudium. 81 Levy, Ehescheidung, 134, der gleichzeitig die Zeugenform als „wirklichkeitsfremde Schöpfung Tribonians“ bezeichnet – a. a. O. 82 Zudem sollte durch die Schriftform wohl übereilten Entschlüssen vorgebeugt werden – Levy, Ehescheidung, 126. 83 LRV PS 5, 7, 13; LRV PS 2, 20, 2.

IV. Verbot der Mehrehe

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eine Scheidung, wenn der Nachweis nicht gelang, dass der Ehepartner sich eines zur Scheidung berechtigenden Vergehens schuldig gemacht hatte. Die Scheidung konnte sowohl vom Mann als auch von der Frau betrieben werden.84 Als ausreichende Scheidungstatbestände galten dabei lediglich schwerwiegende Verfehlungen des Ehepartners (bei Scheidung durch den Mann: Ehebruch, Giftmischerei, Kuppelei der Frau, Leichtfertigkeit der Sitten;85 bei Scheidung durch die Frau: Mord, Giftmischerei oder Grabschändung durch den Mann86). Als nicht ausreichend wurden hingegen geringfügige Verfehlungen, bloße Abneigung bzw. Meinungsverschiedenheiten oder eine nach Eheschluss auftretende Geisteskrankheit des Ehepartners erachtet.87 Für eine unberechtigt betriebene Scheidung drohten empfindliche Strafen. Die Strafen fielen für die sich unberechtigt scheidende Frau gravierender aus als für den Mann. Die unberechtigte Scheidung der Frau war mit Deportation ohne Rückkehrecht und dem Verlust der vom Manne erhaltenen Vermögensleistungen, der sponsalitia largitas und der dos, verbunden. Zudem durfte sie nicht erneut heiraten.88 Wollte sich die Frau aus Gründen scheiden, welche nach der interpretatio zu LRV CTh 3, 16, 2 als minder schwer angesehenen wurden, blieb es bei den genannten vermögensrechtlichen Folgen; jedoch entfiel die Deportationsstrafe.89 Dem sich unberechtigt scheidenden Mann drohte der endgültige Verlust der geleisteten dos sowie der donatio nuptialis. Außerdem durfte der Mann nicht erneut heiraten.90 Chindasvinth regelte unter christlichem Einfluss die Scheidungsgründe neu. Dem Mann sollte die Scheidung nur erlaubt sein, wenn er die Frau des Ehebruchs überführte.91 Zudem führte er in LV 3, 6, 2 neue Scheidungsgründe für 84

Die Grundnorm zur Scheidung für das Breviar findet sich in LRV CTh 3, 16, 1. LRV CTh 3, 16, 1; mit unterschiedlichen Rechtsfolgen in Bezug auf Sponsalien und dos – LRV CTh 3, 16, 1; Johlen, 129; die rechtlichen Voraussetzungen des Ehebruchs seit Konstantin behandelt Evans Grubbs, 205 ff. 86 LRV CTh 3, 16, 1; Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 13; LRV CTh 3, 16, 1 pr. differenziert ebenso wie die Vorbildnorm CTh 3, 16, 1 (331) nicht zwischen verschiedenen Arten der Grabschändung. 87 So galt es im Falle des Mannes als nicht ausreichend, dass dieser übermäßig trank oder sich übermäßig seiner Libido anheim gab. – LRV CTh 3, 16, 1 mit IT = CTh 3, 16, 1 (331); CTh 3, 16, 2 (421); vgl. Saar, Ehe, 304 f.; zu den Scheidungsgründen des nachklassischen römischen Rechts vgl. auch Memmer, in: Schermaier, FS für Theo MayerMaly, 491 ff. 88 LRV CTh 3, 16, 1, 2 mit IT; Saar, Ehe, 305; Johlen, 126 f. 89 Johlen, 127; 126 ff. auch zu den vermögensrechtlichen Folgen der berechtigten Scheidung. 90 LRV CTh 3, 16, 2 mit IT; Johlen, 130 f.; Saar, Ehe, 305; Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 13. 91 LV 3, 6, 2 (Chindasvinth); s. Drew, The Family, in: Law and Family, VII 9. 85

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

die Frau ein. So sollte der Frau die Scheidung möglich sein, wenn der Mann eine homosexuelle Verbindung unterhielt,92 oder wenn er versuchte, die Frau gegen ihren Willen zu verkuppeln.93 Im Vergleich zum klassischen römischen Recht, in dem eine einvernehmliche Scheidung unproblematisch möglich war,94 war dies im westgotischen Römerrecht eingeschränkt der Fall.95 Die Regelungen zu diesem Punkt wurden aus dem Codex Theodosianus übernommen.96 Offenbar wurde bewusst von einer Übernahme von Nov. Th. 12 (439) – einer Regelung über die Zulässigkeit der Scheidung durch Konsens – abgesehen, was dem christlichen Einfluss zuzuordnen sein dürfte, welcher seit Konstantin zu einer restriktiveren Handhabung der Möglichkeit, sich aus der Ehe zu lösen, geführt hatte.97 In der Lex Visigothorum ist die Scheidung durch die Neuregelung des Königs Chindasvinth ausdrücklich für unerwünscht erklärt worden.98 Gleichzeitig zeigt das Recht der Lex Visigothorum dadurch aber auch, dass die einverständliche Scheidung nach wie vor möglich war.99 2. Konkubinat/contubernium Parallel zu einer bestehenden Ehe war nach dem Breviarium Alaricianum weder ein Konkubinat noch ein contubernium möglich, damit der Mann sich nicht von seiner Ehefrau entfernen solle.100 Auch in der römisch-rechtlichen Tradition stellt sich der Konkubinat nicht als eine parallel zu einer Ehe bestehenden Verbindung zwischen Mann und Frau dar, sondern ist eher als soziale Reaktion auf die strikte augusteische Ehegesetzgebung zu verstehen. Da diese stark von ständischer Denkweise geprägt war, wonach sich Partner mit gleicher gesellschaftlicher Stellung und Würde zusammenfinden sollten, war die Zahl der potentiellen anerkannten Ehepartner durch die Lex Iulia de maritandis ordinibus stark eingeschränkt. Als Konkubine wurde daher oftmals eine Frau ausgewählt, die diesen Anforderungen nicht zu genügen vermochte. Eine weit verbreitete Praxis 92 LV 3, 5, 4 (Chindasvinth); s. Drew, The Family, in: Law and Family, VII 9; neben der Scheidung war Kastration die Straffolge; vgl. Saar, Ehe, 305 mit Fn. 6; Wilda, 858. 93 LV 3, 6, 2 (Chindasvinth); Saar, Ehe, 305 mit Fn. 7; Drew, The Family, in: Law and Family, VII 9. 94 Ulp. D. 24, 1, 32, 10; Ulp. D. 40, 9, 14, 4; Kaser, RP I2, § 77 III 2. 95 LRV Nov. Val. 12, 1, 11 unter Bezugnahme auf das Gesetz Konstantins aus CTh 3, 16, 2 (321); s. Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 14; Johlen, 125 f.; s. ferner oben Kapitel A. Fn. 261. 96 CTh 3, 16, 1 (331); vgl. Memmer, in: Schermaier, FS für Theo Mayer-Maly, 492 f. 97 Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 14. 98 LV 3, 6, 2 (Chindasvinth). 99 LV 3, 1, 3 (Chindasvinth); LV 3, 1, 4 (Reccesvinth); LV 3, 6, 3 (Reccesvinth); s. Saar, Ehe, 363 m.w. N. in Fn. 4. 100 LRV PS 2, 21, 1; LRV PS 2, 20; 3; dies entspricht bereits der Auffassung in Ulp. D. 24, 2, 11, 2 und C. 5, 26, (326); C. 7, 15, 3, 2.

IV. Verbot der Mehrehe

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war auch, nach dem Tod der ersten Gattin anstelle einer neuen Ehe eine Konkubinatsverbindung einzugehen. Dies wurde insbesondere dann praktiziert, wenn bereits Kinder vorhanden waren, um deren vermögensrechtliche Interessen zu schützen.101 Der Konkubinat stellte sich daher als Ehe minderen Rechts dar, d. h. eine dauerhaft und monogam angelegte Verbindung, der aber die gesellschaftliche Anerkennung als Ehe versagt blieb, was freilich nicht mit sozialer Ächtung gleichzusetzen ist.102 Dennoch waren die aus einer Konkubinatsverbindung hervorgehenden Nachkommen illegitim und wurden auch als liberi naturales bezeichnet.103 Da einer Konkubinatsverbindung außer dem vollen gesellschaftlichen Ansehen die affectio maritalis fehlte,104 war es auch möglich, zwischen Personen, die zum vollgültigen Eheschluss in der Lage waren, zunächst eine Konkubinatsverbindung zu begründen und diese später dann durch entsprechende Willensänderung hin zu einem gemeinsamen Ehewillen in eine rechtmäßige Ehe – matrimonium legitimum – umzuwandeln. Seit Konstantin herrschte in der kaiserlichen Gesetzgebung das Bestreben vor, den Konkubinat zugunsten der Ehe zu verdrängen, jedenfalls aber stark zurückzudrängen, ohne dass Konkubinatsverbindungen generell untersagt worden wären.105 In spätantiken Kaiserkonstitutionen findet sich oftmals eine untechnische Gleichsetzung des contubernium mit dem concubinatus;106 außerdem wird auch die Bezeichnung consortium für eine Konkubinatsverbindung verwendet.107 Aber unabhängig von der gewählten Bezeichnung war auch das contubernium nicht neben einer bestehenden Ehe möglich, da diese rein monogam angelegt war. Die frühe Kirche bestätigte dies im ersten Konzil von Toledo (400) und drohte einem verheirateten Mann, der eine Konkubinatsverbindung unterhielt, mit Ex-

101

Krause, 63 f. Die Konkubine konnte nicht den als Ausdruck gesellschaftlicher Achtung zu verstehenden Ehrentitel materfamilias führen, vgl. Marc. D. 23, 2, 41; Meyer, Der römische Konkubinat, 24 ff.; Kaser, RP I2, § 78; die Konkubine musste aber ebenso wie die Ehefrau mindestens zwölf Jahre alt sein, vgl. Ulp. D. 25, 7, 1, 4. 103 Vgl. LRV CTh 4, 6, 1 u 2. mit IT, zu den weiteren Konsequenzen in vermögensund erbrechtlicher Hinsicht vgl. Johlen, 78 f. 104 Vgl. Kaser, RP I2, § 78. 105 Kaser, RP II2, § 221; zur Einstellung der christlichen Kaiser zum Konkubinat und zu den damit verbundenen Auswirkungen auf die christlich beeinflusste spätantike Kaisergesetzgebung Meyer, Der römische Konkubinat, 125 ff., 134 ff. 106 CTh 4, 6, 4 (371); Meyer, Der römische Konkubinat, 127; contubernium bezeichnet rechtstechnisch die Verbindung zwischen zwei Sklaven oder einer freigeborenen Person und einem Sklaven – s. PS 2, 19, 7, 9; Meyer, Der römische Konkubinat, 32; zum Begriff des contubernium vgl. Fiebiger, in: RE IV.1, 1164 f. 107 CTh 4, 6, 7 (426–427); diese Bezeichnung findet sich aber auch in der ins Breviar übernommenen Bestimmung LRV CTh 4, 6, 1 und 2 mit IT; Meyer, Der römische Konkubinat, 127. 102

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

kommunikation, wohingegen der Konkubinat geduldet wurde, wenn die Konkubine die einzige Frau an der Seite des Mannes war.108 Es ist davon auszugehen, dass in das Breviarium Alaricianum in erster Linie Rechtssätze aus dem römischen Recht für diejenigen Sachverhalte übernommen wurden, für die noch Regelungsbedarf bestand. Insofern bedarf die Übernahme der Konkubinatsvorschrift in LRV PS 2, 21 besonderer Würdigung. LRV PS 2, 21 deutet darauf hin, dass für den westgotischen Gesetzgeber Alarich II. die Frage des Nebeneinanders von Ehe und Konkubinat und damit die Frage der Zulässigkeit polygyner Verbindungen als eigens regelungsbedürftig angesehen wurde.109 Bestätigung findet diese Annahme durch einen Blick auf die Tradition des germanischen Rechts- und Kulturkreises: Schon die antiken Quellen weisen darauf hin, dass die germanische Tradition polygyne Verbindungen insbesondere in der Führungsschicht kannte.110 Unabhängig von der Einordnung als „Friedelehe“ oder Kebsverbindung111 lässt sich festhalten, dass es eine entsprechende Tradition auch in der westgotischen Kultur und im westgotischen Recht gab. Somit setzte der westgotische Gesetzgeber bei der Abfassung seines „Römerrechts“ das Verbot des Nebeneinanders von Ehe und Konkubinat nicht als aus dem sonstigen geltenden Recht bekannt voraus.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand 1. Stammesverschiedene Ehen Römische Tradition zeigt sich in der Lex Romana Visigothorum auch darin, dass eine wirksame eheliche Verbindung das conubium voraussetzte, d. h. dass nicht jede beliebige Person geehelicht werden konnte. Auch nach dem Breviarium Alaricianum mussten die Ehepartner römische Bürger sein.112 Durch die Übernahme des Mischehenverbots Valentinians I. von 373 n. Chr. (CTh 3, 14, 1) in die Lex Romana Visigothorum war der Verstoß gegen dieses Eheverbot mit der Kapitalstrafe bedroht.113 108 Conc. Toletanum I (400), c. 17 (Concilios Visigóticos, 24); Esmyol, 84 u. 84 Fn. 45 m.w. N. 109 Saar, Ehe, 223. 110 So Caesar, de bello Gallico I, 53; Tacitus, Germania, c. 18; Saar, Ehe, 218. 111 Die Kebs-Ehe ist dem römisch-rechtlichen contubernium vergleichbar und bezeichnet die Verbindung eines freien Mannes mit einer unfreien Frau durch einseitige Bestimmung; die Kebsverbindung war auch als Nebenverbindung parallel zur Ehe möglich; s. Schott, Ehe, in: LexMA 3, 1630; vgl. ferner Esmyol, 9 ff. m.w. N., die u. a. auf Schwierigkeiten bei der Frage hinweist, ob die Kebsverbindung als Eheform oder als Form eines Konkubinats einzuordnen ist, s. 11; zur Friedelehe s. bereits oben Kapitel B. III. 3. Fn. 49. 112 LRV G. 4 pr. u. 1; LRV CTh 3, 14, 1 mit IT. 113 LRV CTh 3, 14, 1; hierzu Liebs, Verbot von Mischehen, in: Atti dell’Accademia Romanistica Constantiniana (2010), 622 f.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Dieses Verbot von „Mischehen“ zwischen Goten und Romanen wurde dann durch Leovigild aufgehoben, wobei betont wurde, dass das Verbot der stammesverschiedenen Ehe überkommen war und zum Wohle des Volkes der Abschaffung bedurfte.114 Trotz der Legalisierung der stammesverschiedenen Ehe bedurfte eine solche zusätzlich der Zustimmung der Familie.115 Bei gemischten Ehen folgte das anzuwendende Eherecht wohl aus der Volkszugehörigkeit des Mannes.116 Dies deckt sich mit Bestimmungen des burgundischen Rechts, das Ehen zwischen den verschiedenen Volksgruppen ausdrücklich anerkannte.117 2. Inzestverbot Die Grundnorm der Inzestgesetzgebung im Rahmen der Lex Romana Visigothorum war LRV G. 4, 8, nach der die blutschänderische Ehe verboten war. Eine dennoch geschlossene Ehe war nichtig, worin das Fehlen des conubium zum Ausdruck kam.118 Das Inzestverbot des Breviars ist sehr differenziert gestaltet. Eine Vielzahl der geltenden römisch-rechtlichen Grundsätze wurde in die Lex Romana Visigothorum übernommen. a) Der Grad der Verwandtschaft Um die Inzestgesetzgebung des Breviars nachvollziehen zu können, bedarf es zunächst einer Bestimmung der Zählweise der Verwandtschaftsgrade. Die Zählweise der Verwandtschaftsgrade im Breviarium Alaricianum entspricht der römischen Zählweise. Bei der römischen Zählweise werden die Grade der Blutsverwandtschaft – cognatio – nach der Anzahl der sie vermittelnden Zeugungen ermittelt. Diese Zählweise wurde ursprünglich im Erbrecht verwendet, dann aber durch Kaiser Honorius (408) auch auf das Eherecht übertragen.119 Im Gegensatz zur römischen Zählweise stehen die kanonische (seit dem 11. Jahrhundert, zurückgehend auf eine Dekretale Papst Alexanders II.) und die sog. 114 LV 3, I, 1 (Antiqua); s. Grahn-Hoek, in: SZ (RA) 121, 103 m.w. N. in Fn. 18; dennoch ging z. B. Isidor von Sevilla vom Fortbestehen des Verbots stammesverschiedener Ehen aus – s. Isidor von Sevilla, Etym. 5, 6; hierzu Liebs, Verbot von Mischehen, in: Atti dell’Accademia Romanistica Constantiniana (2010), 623 f. 115 Und des Grafen – comes civitatis, Saar, Ehe, 131 Fn. 1; in römischer Zeit war der comes zunächst ein Amtsinhaber der Zivil- und Militärverwaltung gewesen; in den germanischen, insbesondere gotischen Reichen war der comes civitatis mit einer Vielzahl von Aufgaben betraut, u. a. mit Richteraufgaben, Vollstreckungsaufgaben oder auch dem Schutz von Witwen und Waisen; vgl. zum Grafen in spätantiker und frühmittelalterlicher Zeit Hechberger, in: HRG 22, 509 ff. 116 So Johlen, 99, 101 f. 117 LB 12, § 5, LB 100; auch das Recht der Lex Salica geht von der Zulässigkeit stammesverschiedener Ehen aus; einschränkend Liebs, Verbot von Mischehen, in: Atti dell’Accademia Romanistica Constantiniana (2010), 625. 118 LRV G. 4, 8; Gai. Inst. I, 59; Kaser, RP I2, § 74 II 5. 119 CTh 3, 10, 1 (409); s. Ubl, 16.

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

germanische Zählweise, bei der die Zählung anhand von „Knien“ vorgenommen wird.120 Ubl weist allerdings nach, dass die römische Zählweise der Verwandtschaftsgrade die einzig haltbare ist und es sich bei der „germanischen“ Zählweise um ein Forschungskonstrukt handelt, das aus der zeitgenössischen Denkweise der historischen Rechtsschule des 19. Jahrhunderts herrührt.121 Da in der Tat nicht angenommen werden kann, dass angesichts der Vielfalt der germanischen Völkerschaften „wesentlich gleichartige . . . Rechtseinrichtungen“ 122 existierten, ist es plausibel anzunehmen, dass den germanischen Völkern eine differenzierte Bestimmung der Verwandtschaftsgrade fremd war.123 In LRV PS 4, 1–8 (mit IT) sind die Verwandtschaftsgrade aufgeführt: Danach gibt es in der Aszendentenlinie sechs noch zu bezeichnende Verwandtschaftsgrade; in der Seitenlinie sind es sogar sieben, da die Kinder des Cousins zweiten Grades noch zur Verwandtschaft gezählt werden.124 Demgegenüber kennen die Institutionen Justinians lediglich sechs Verwandtschaftsgrade, sowohl in der aufsteigenden Linie als auch in der Seitenlinie.125 Auch bei Isidor von Sevilla126 zeigt sich, dass die römische Zählweise herangezogen wurde, wobei Isidor allerdings sowohl in aufsteigender Linie als auch in der Seitenlinie von sieben Verwandtschaftsgraden ausgeht.127 Die im Breviarium Alaricianum verwendete Zählweise entspricht daher derjenigen, die im sonstigen römischen Recht der Spätantike bekannt war. Diese Zählweise zur Bestimmung der Blutsverwandtschaft hat auch in den übrigen Leges Aufnahme gefunden.128 b) Reichweite des Inzestverbots Das incestum wurde im römischen Recht als Verstoß gegen die göttliche Ordnung – nefas – angesehen und deshalb mit Strafen belegt.129 120

s. Ubl, 16. s. Ubl, 19 ff. m.w. N. 122 Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I3, 1; ebenso wenig kann mit Brunner/von Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte II2, 1 von einem „gemeinsamen Staatsrecht“ der germanischen Völker gesprochen werden. 123 Vgl. Ubl, 21 ff. m.w. N.; so auch Saar, Ehe, 135. 124 LRV PS 4, 10, 7 u. 8; Kaser, RP I2, § 13 (14) I 2 Fn. 3; § 17 III 3; § 74 II 5; Kaser, RP II2, § 287 IV, 6, 7. 125 Inst. 3, 6 pr.-9; eine graphische Darstellung der römischen Verwandtschaftsgrade findet sich in der Institutionen – Ausgabe von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, 155. 126 Vgl. zu Isidor von Sevilla und seinem Werk Manitius, 52 ff., 60 ff. zu den Etymologiae. 127 s. Ubl, 23; Isid. Etym. 9, 6, 28; in der Handschrift der Stiftsbibliothek von St. Gallen von Isidors Etymologiae ist auch eine bildliche Darstellung eines Stammbaumes überliefert, der auf dieser Zählung beruht – eine Abbildung findet sich bei Ubl, 17. 128 s. Ubl, 22 und 79–84 m.w. N.; wörtlich übernommen in der Lex Visigothorum, LV 4, 1, 1 ff. (Antiqua). 129 Kaser, RP I2, § 74 II 5. 121

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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In der Lex Romana Visigothorum sind die vom Inzestverbot betroffenen Verwandten abschließend aufgezählt: Es waren Ehen untersagt zwischen Verwandten in der Aszendentenlinie bis zum vierten Verwandtschaftsgrad; Adoptivverwandte waren gleichgestellt.130 Aus dem Codex Theodosianus übernommen wurde die Regelung, die bei einer Verwandtschaft im vierten Grad (Cousinenehe) die Möglichkeit einräumte, durch Bittschrift an den Kaiser einen Dispens vom Inzestverbot zu erhalten.131 Weiter war es verboten, die Tochter des Bruders und der Schwester (Nichte, dritter Grad)132 oder die Tante zu heiraten.133 Ferner durften Schwiegereltern und Schwiegerkinder nicht geehelicht werden. Darin liegt eine Gleichstellung der Schwägerschaft mit der Blutsverwandtschaft. In LRV G. 4, 3–7 wird auch die Ehe mit der Cousine (vierter Grad) untersagt. Auf den ersten Blick scheint dies in Widerspruch zur Dispensierungsmöglichkeit durch Supplik an den Kaiser zu stehen.134 Jedoch lässt sich durch Betrachtung der westgotischen interpretatio nachvollziehen, dass die Ehe mit der Cousine, die ohnehin unter Dispensierungsvorbehalt steht, vom Gesetzgeber als tadelnswert eingestuft wurde.135 Ebenfalls enthalten im Breviar ist ein Verbot des sog. Sororats, d. h. es ist untersagt, nach dem Tod der Ehefrau mit deren Schwester eine Ehe einzugehen.136 Ursprünglich geht das Verbot des Sororats auf ein alttestamentarisches Gebot zurück, das die Mehrehe mit zwei Schwestern verbot.137 Später wurde das Verbot auf dem Konzil von Neocaesarea (315/316 n. Chr.) bestätigt und ausgeweitet.138 Insgesamt lässt sich feststellen, dass in das Breviar der Großteil der Inzestverbote aus dem Codex Theodosianus übernommen wurde, die ihre Gestalt überwiegend durch die Gesetzgebung der christlichen Kaiser des 4. Jahrhunderts erhielten.139 Dennoch konnte sich Alarich II. als Anhänger des arianischen Bekenntnisses auch vor der Konversion der Westgoten zum Katholizismus (seit dem 3. Konzil von Toledo 598 n. Chr.) ohne Bedenken an der überlieferten kaiserlichen Inzestgesetzgebung orientieren, da die Inzestgesetzgebung zwar christlich beeinflusst und von katholischen Kaisern erlassen worden war, aber nicht den Primat der römischen Kirche voraussetzte.140 130

LRV G. 4 pr.; LRV G. 4, 1. LRV CTh 3, 10, 1 mit IT; s. CTh 3, 10, 1 (409). 132 LRV CTh 3, 12, 3; LRV G. 4, 3. 133 LRV CTh 3, 12, 3. 134 LRV CTh 3, 10, 1. 135 LRV G. 4, 3–7 mit IT; s. Ubl, 198. 136 LRV G. 4, 7; LRV CTh 3, 12, 2; LRV CTh 3, 12, 4. 137 Leviticus 18, 18. 138 Ubl, 51 ff. 139 s. Ubl, 46 ff.; Saar, Ehe, 134 f., jeweils m.w. N. 140 s. zur Auseinandersetzung zwischen Arianismus und Katholizismus z. B. Demandt2, 560 m.w. N. 131

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

Die Rechtsfolgen der inzestuösen Verbindung erfuhren durch den westgotischen Gesetzgeber eine Modifizierung und Vereinheitlichung, bevor dann im 7. Jahrhundert in der Lex Visigothorum eine deutliche Verschärfung zu verzeichnen ist: Zunächst wurde durch den westgotischen Gesetzgeber die Infamiefolge bei Verstoß gegen das Inzestverbot verhängt, was eine Erweiterung der nach dem Recht des Codex Theodosianus vorgesehenen Rechtsfolgen darstellt.141 Auffällig ist aber, dass die Vorschriften, die als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Inzestverbot die Todesstrafe vorsahen,142 nicht in das Breviarium Alaricianum übernommen wurden. Das Recht des Breviars beließ es zusätzlich zur Infamiefolge dabei, die inzestuöse Ehe für ungültig zu erklären, und die Kinder aus dieser Verbindung als illegitim und nicht erbfähig anzusehen; diese konnten auch keine Adressaten einer Schenkung sein.143 Der westgotische Gesetzgeber übernahm weitgehend unverändert die Vorschriften, die er überliefert durch den Codex Theodosianus vorgefunden hatte, nahm allerdings Modifikationen bei den Strafsanktionen und Abschaffung der in CTh 3, 12, 1 (342) und Coll. 6, 3, 3; Coll. 6, 4, 8 vorgesehenen Kapitalstrafe vor, um so für eine Vereinheitlichung der Rechtsfolgen zu sorgen.144 Allerdings wurde aufgrund eines Missverständnisses des westgotischen Interpretators durch die interpretatio zu LRV CTh 3, 12, 2 die Infamiefolge auf die Kinder erstreckt, die der inzestuöser Verbindung entstammten, so dass entgegen der römischen Vorbildnorm CTh 3, 12, 3 (396) der Kreis der vom Inzestverbot betroffenen Personen erweitert wurde.145 Nachdem die katholische Kirche im Westgotenreich erstmals auf dem 2. Konzil von Toledo um 530 eine Erweiterung des Inzestverbots auf alle Verwandtschaftsgrade propagiert hatte,146 übernahm König Reccared diese Fassung des Inzestverbots und fügte den Sanktionen des Inzests die Exilierung hinzu.147 Chindasvinth fügte der westgotischen Inzestgesetzgebung eine erneute Erweiterung hinzu, indem er „alle Fälle der Schwägerschaft und der inzestuösen Verbin-

141

s. Ubl, 196; s. Kaser, Infamia und ignominia, in: SZ (RA) 73, 277 Fn. 277, vgl. dort 220–278 zur Entwicklung der infamia; vgl. ferner Kaser/Hackl2, § 28 III 3. 142 CTh 3, 12, 1 (342); Coll. 6, 3, 3; Coll. 6, 4, 8 für die Ehe mit der Nichte. 143 LRV CTh 3, 12, 1 = CTh 3, 12, 2 (355); LRV CTh 3, 12, 2 = CTh 3, 12, 3 (396); LRV CTh 3, 12, 4 = CTh 3, 12, 3 (415); s. Ubl, 196. 144 Ubl, 199. 145 LRV CTh 3, 12, 2 mit IT; vgl. Zeumer, Gesetzgebung III, in: NA 24, 614 ff.; zu kurz insoweit Ubl, 180 Fn. 292 der CTh 3, 12, 3 (396) nicht ausdrücklich einführt. 146 Conc. Toletanum II (527), c. 5 (Concilios Visigóticos, 44 ff.); Ubl, 200 f.; s. dort auch 201 ff. m.w. N. zur Wechselwirkung zwischen fränkischen Konzilsbeschlüssen und denen der Kirche im Westgotenreich. 147 LV 3, 5, 2 (Reccared); Ubl, 207 f.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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dung durch eheliche Unzucht“ 148 unter das Inzestverbot fasste und so aus eigener Initiative kirchlichen Forderungen an die Gesetzgebung entsprach.149 3. Eheverbote aufgrund personenrechtlichen Status Die Lex Romana Visigothorum übernahm aus dem römischen Eherecht bekannte Verbote, die die Ehe aufgrund von Unterschieden im persönlichen Status bzw. im Freiheitsstatus untersagten. Ehen zwischen Personen unterschiedlichen Personenstandes waren nur sehr eingeschränkt zulässig. a) Sklaven Sklaven150 waren nicht ehefähig, d. h. eine wirksame Ehe war zwischen Freien und Sklaven bzw. Freien und Kolonen151 nicht möglich; ebenso wie zwischen zwei Personen von sklavenrechtlichem Personenstatus war lediglich das contubernium möglich.152 Die freigeborene Frau, die sich mit dem eigenen Sklaven verband, wurde kapital bestraft,153 der Eingriff in fremdes Herrenrecht durch eine ungenehmigte Verbindung der freien Frau mit einem fremden Sklaven zog den Freiheitsverlust der Frau nach sich.154 Die Behandlung der Verbindungen zwischen Freien und Unfreien im Breviarium Alaricianum steht in der Tradition der Behandlung solcher Verbindungen im römischen Recht. Es war seit jeher unbestritten, dass Freien und Unfreien das conubium fehlte155 und deshalb die Nachkommenschaft dem personenrechtlichen

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Ubl, 209. LV 3, 5, 1 (Chindasvinth); Ubl, 209 ff. m.w. N. 150 Zur spätrömischen Sklaverei allgemein: Westermann, in: RE S VI, 994–1063; zur Rechtsstellung der Sklaven in der Spätantike eingehend Nehlsen, Sklavenrecht. 151 Zum Begriff des Kolonats vgl. Seeck, in: RE IV.1, 483 ff.; Demandt2, 398; der colonus ist vom possessor – Freibauern – zu unterscheiden, die rechtliche und soziale Stellung der des Sklaven sehr angenähert, s. Demandt2, 398; auffällig ist, dass die Lex Visigothorum zwar die Institution des Kolonats und die sklavenähnliche Stellung der Kolonen kennt, nicht aber den Begriff des colonus, sondern Umschreibungen verwendet – s. LV 10, 1, 11 (Antiqua); LV 10, 1, 15 (Antiqua); hierzu und zur rechtlichen und sozialen Stellung der Kolonen im westgotischen Recht s. Nehlsen, Sklavenrecht, 166 ff.; vgl. auch Kaser, RP II2, § 213 m.w. N.; vgl. de Neeve, 119 ff. zu Gründen der Entstehung und Entwicklung des Kolonats. 152 LRV PS 2, 20, 3. 153 LRV CTh 9, 6, 1; entlehnt aus CTh 9, 9, 1 (326); sinngemäß übernommen in LV 3 2, 2 (Antiqua), allerdings dort mit Kapitalstrafe in Form des Flammentodes belegt – vgl. CTh 9, 24, 2 (349), wo diese Form der Kapitalstrafe enthalten ist; s. weiter ET c. 61; s. Nehlsen, Sklavenrecht, 241; vgl. auch Nov. Anth. 1 (468). 154 Nehlsen, Sklavenrecht, 243, 310. 155 UE 5, 5; PS 2, 19, 6 = LRV PS 2, 20, 3; vgl. Kaser, RP I2, § 74 II 4; ders., RP II2, § 217 II 4 b), jeweils m.w. N. 149

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

Status der Frau folgte.156 Ebenfalls bekannt aus dem überlieferten römischen Recht ist eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen in diesem Zusammenhang. So wurde durch das Senatusconsultum Claudianum (52 n. Chr.)157 bestimmt, dass eine Frau, die sich mit einem fremden Sklaven verband, selbst Sklavin wurde, es sei denn, der Herr des Sklaven stimmte dem contubernium zu. In diesem Falle wurde die Frau zwar nicht Sklavin, sondern erhielt den Rechtsstatus einer Freigelassenen, sank aber dennoch ihrem gesellschaftlichen Rang nach ab.158 Grund dieses Mitspracherechts des Herrn war die Tatsache, dass die Kinder dem personenrechtlichen Status der Frau folgten und ihm daher die Nachkommenschaft seines Sklaven entgehen konnte. Da diese Regelung durch die Gesetzgebung Konstantins aus dem Jahre 314 n. Chr. bestätigt wurde,159 hatte sie auch in der Spätantike noch Geltung.160 Anders stellte sich dies im westgotischen Recht ausweislich LRV CTh 4, 8, 3 dar, wenn sich eine Freigelassene mit einem Sklaven geschlechtlich verband. In diesem Fall wird lediglich bestimmt, dass die Nachkommenschaft dem Status des Sklaven folgen soll.161 Mildere Rechtsfolgen zog auch das contubernium einer freien Frau mit einem Kolonen nach sich. Hierfür wird lediglich festgeschrieben, dass die Nachkommen den niederen Freiheitsstatus erhalten und dem Herrn des Kolonen zugehörig sein sollen.162 Damit wich LRV Nov. Val. 3, 9, 1, 6 zwar von der nachklassischen römischen Rechtslage ab, nach der eheliche Verbindungen unter Freien und coloni noch nicht untersagt waren.163 Jedoch ist die wortgleiche Aufnahme einer Novelle Valentinians III. aus dem Jahre 451 in das Breviar eine vollständige Übernahme der Rechtslage, die zum Kodifikationszeitpunkt im römischen Reich galt.164 Aus dem Schweigen des Breviars hinsichtlich einer Sanktion für den Mann, der sich mit einer Sklavin einlässt und der Existenz des beschränkten Erlaubnissatzes aus LRV PS 2, 20, 3 kann geschlossen werden, dass dem freien Herrn die Verbindung mit der eigenen Sklavin – wenn auch nicht als Ehe – erlaubt und 156

Gai. Inst. I, 82; Gai. Inst. I, 89. Aufgehoben durch Justinian in C. 7, 24, 1; Nehlsen, Sklavenrecht, 244. 158 Tacitus, Annales XII, c. 53. 159 CTh 4, 12, 1, 1 (314). 160 LRV CTh 9, 6, 1; vgl. auch Nov. Anth. 1 (468), nicht ins Breviar übernommen; s. Nehlsen, Sklavenrecht, 241. 161 LRV CTh 4, 8, 3; die lateinische Bezeichnung der Kolonen ist colonus oder wie in anderen römischen Normen colonus originalis oder colonus originarius; s. LRV 5, 10, 1 = CTh 5, 18, 1 (419); C. 11, 48, 4 (366); C. 11, 48, 11; s. Nehlsen, Sklavenrecht, 129. 162 LRV Nov. Val. 3, 9, 1, 6. 163 CTh 12, 19, 1 (400); Kaser, RP II2, § 213 II 3; zum personenrechtlichen Status der Kinder s. Kaser, RP II2, § 213 II 4 a). 164 Nov. Val. 31, 6 (451). 157

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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sanktionslos war, wenn sie nicht parallel zu einer Ehe bestand. Bestätigen lässt sich dies durch die Konstitutionen, die über den personenrechtlichen Status der Kinder aus einer Verbindung zwischen Sklavin oder Kolonin mit ihrem Herrn Auskunft geben: In diesen Fällen war es so, dass die Kinder dem Status der Mutter nachfolgten und dem Herrn der Sklavin oder Kolonin gehörten.165 Weiter bestätigt auch eine Konstitution Kaiser Konstantins aus dem Jahre 318 n. Chr. diese Auffassung. In CTh 12, 1, 6 (318) wird durch den Kaiser ausdrücklich klargestellt, dass eine Verbindung zwischen einem Freien und einer Sklavin mangels conubium zwar keine gültige Ehe begründen kann, aber auch nicht verboten ist.166 Die aus einer solchen Verbindung hervorgehenden Nachkommen wurden in die Unfreiheit hinein geboren.167 Es ist im westgotischen Recht hinsichtlich der Strafen eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau festzustellen, da dem Mann nur dann Sanktionen (Freiheitsverlust) drohten, wenn er sich mit einer fremden Sklavin verband, wohingegen der freien Frau Kapitalstrafe, Freiheitsverlust, Deportation oder Vermögenskonfiskation oder öffentliche Züchtigung drohten, wenn sie sich mit einem Sklaven verband.168 Die aus dem Codex Theodosianus bekannte Strafe für einen Mann, der sich ohne Wissen und Wollen der Herrschaft mit einer fremden Sklavin einließ169, war die Deportationsstrafe und Vermögenskonfiskation, wohingegen die Sklavin zu Zwangsarbeit im Bergwerk verurteilt wurde.170 Dass die Bergwerksstrafe auch im westgotischen Reich bekannt und in Anwendung war, lässt sich aus LRV PS 2, 20, 6 schließen, wonach ein Freigelassener, der sich mit seiner Patronin oder deren Tochter verband, die Bergwerksstrafe auferlegt bekam.171 Da sich die angeführte Quelle auch auf eine geächtete Verbindung aufgrund unterschiedlichen personenrechtlichen Status bezieht, kann vermutet werden, dass bei einer Verbindung eines freien Mannes mit einer fremden Sklavin die Strafe aus CTh 12, 1, 6 (318) weiterhin in Anwendung blieb, bis der westgotische Gesetzgeber in der Lex Visigothorum detaillierte Neuerungen im Sklavenrecht vornahm. LRV CTh 4, 8, 3 mit IT; LRV CTh 5, 10, 1, 3 u. 4 mit IT; s. auch Wemple4, 36. CTh 12, 1, 5, 1 (218); gleichwohl wird es aber als in sozialer Hinsicht tadelnswert angesehen; in CTh 4, 8, 7, 28 (331) ist bestimmt, dass die Nachkommenschaft ebenfalls in den Sklavenstatus geboren wird und dem Status der Mutter folgt. 167 Saar, Ehe, 237, nach Saar waren solche Verbindungen für die Folgegenerationen eine „Quelle von Unfreiheit“. 168 LV 3, 2, 2 (Antiqua); LV 3, 2, 3 (Antiqua); Saar, Ehe, 237 u. Fn. 6; Wemple4, 36; Nehlsen, Sklavenrecht, 241; der westgotische Gesetzgeber wollte aber die Strenge der Sanktion wohl mildern, indem er die Möglichkeit der Zuflucht ins Kirchenasyl einräumte. 169 Im konkreten Fall ein Kuriale; s. CTh 12, 1, 6 (318). 170 CTh 12, 1, 6 (318). 171 Dies bedeutete ein Absinken in den Sklavenstatus. 165 166

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

Aus der Lex Visigothorum ist bekannt, dass derartig geächtete Verbindungen getrennt wurden, bevor eine öffentliche Bestrafung in Form von 100 Peitschenhieben für die Frau und den Sklaven erfolgte.172 Auch das Recht der Lex Visigothorum kennt aber das contubernium, d. h. die Verbindung zweier Unfreier. Diese ist von einer Übereinkunft des jeweiligen Herrn abhängig. Eine Trennung konnte aber nur innerhalb eines Jahres erfolgen.173 Die westgotische Gesetzgebungstätigkeit geht hinsichtlich der Ehefähigkeit der Sklaven über die reine Übernahme und Redaktion römischer Rechtssätze hinaus. Insbesondere im Hinblick auf die Sanktionen bei Gesetzesübertretung weichen die in die Lex Visigothorum aufgenommenen Vorschriften von ihren römischen Vorbildern ab. Nach Nehlsen ist unsicher, ob die öffentliche Strafe nach richterlichem Trennungsbefehl, die kein Vorbild in den römischen Quellen hat, geübter römischer Praxis entsprach oder westgotischen Ursprungs ist.174 Ohne römisches Vorbild ist jedenfalls die Übergabe der Frau in die Gewalt ihrer Angehörigen.175 Dies diente offenbar dazu, es der Entscheidung der Angehörigen der Frau zu überlassen, ob sie ihre Freiheit tatsächlich verlieren sollte.176 Schließlich drohte auch dem freien Mann, der sich mit einer fremden Sklavin verband, bei Zuwiderhandlung nach vorangehender dreimaliger richterlicher Ermahnung der Verlust der Freiheit. Dies stellte die ständische Ordnung wieder her.177 Da die Sklaverei in der westgotischen Gesellschaft eine immense Rolle spielte, wurden die Rechtsverhältnisse der Sklaven sehr detailliert und in zahlreichen Vorschriften geregelt.178 Dies schlägt sich auch im Eherecht nieder. Die Vorschriften zeigen, dass der westgotische Gesetzgeber aufgrund der Vielzahl von Sklaven ein erhöhtes Bedürfnis sah, die Sklaven von der freien Gesellschaft klar zu trennen. b) Standesunterschied Das Recht der Lex Romana Visigothorum steht in Übereinstimmung mit dem römischen Recht der Spätantike nach dem die Ehegesetze des Augustus entweder

172

LV 3, 2, 2 (Antiqua); LV 3, 2, 3 (Antiqua); Nehlsen, Sklavenrecht, 172; Saar, Ehe,

237. 173 Diese Schutzvorschrift hinsichtlich des Bestandes des contubernium wurde unter Chindasvinth erlassen. 174 s. Nehlsen, Sklavenrecht, 244 mit Fn. 430. 175 Nehlsen, Sklavenrecht, 243; Nehlsen führt ebd. m.w. N. aus, dass die Übergabe der Frau in die Gewalt ihrer Familie allerdings nicht mit einem Recht der Angehörigen zur Tötung der Frau einhergeht. 176 LV 3, 2, 3 (Antiqua); Nehlsen, Sklavenrecht, 243; Saar, Ehe, 238. 177 LV 3, 2, 3 (Antiqua); s. Saar, Ehe, 239; Nehlsen, Sklavenrecht, 245, 311; Wemple4, 36 mit Fn. 54. 178 Vgl. Nehlsen, Sklavenrecht, 160 ff., 165; Saar, 238.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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aufgehoben wurden oder außer Übung gerieten.179 Allerdings wurden in das Breviar Vorschriften über die Verbote bestimmter Ehen für Senatoren180 mit standesniederen Frauen aus der augusteischen Lex Iulia de maritandis ordinibus181 übernommen: So durften Senatoren und andere Würdenträger lediglich eingeschränkt unter Frauen niederen Standes ihre Partnerin wählen. Als standesniedere bzw. infame Frauen, mit denen ein römischer Bürger keine wirksame Ehe eingehen konnte, galten Freigelassene, Schauspielerinnen, Wirtinnen (tabernariae) und deren Töchter sowie Töchter eines Kupplers, Gladiators und schließlich Dirnen.182 Der Unterschied der in das Breviarium Alaricianum aufgenommenen Eheverbote zu diesen aus der augusteischen Ehegesetzgebung stammenden Verbotsvorschriften bestand darin, dass mit der Ausnahme von Senatoren den übrigen Freien das Eingehen von Verbindungen gestattet war, die nach der Gesetzgebung des Augustus aufgrund des Standesunterschiedes als unzulässig erachtet worden waren.183 In der spätantiken Zeit wurde durch ein Gesetz Konstantins von 336, das in CTh 4, 6, 3 (336) enthalten ist, der Anwendungsbereich der Eheverbote nach der Lex Iulia de maritandis ordinibus von Senatoren auf Würdenträger allgemein ausgeweitet.184 Es zeigt sich ein Bestreben der konstantinischen Gesetzgebung, die verschiedenen Bevölkerungsschichten deutlicher voneinander abzugrenzen und dies auch durch restriktive Gesetzgebung hinsichtlich der Verbindung von Personen unterschiedlichen sozialen Standes zu verfestigen.185 Auf diesen bis in die spätantike Zeit hinein gültigen, durch Kaisergesetzgebung bestätigten und ausgeweiteten Teilbereich der augusteischen Eheverbote wird im Breviar unter LRV Nov. Marc. 4, 1–5 ausdrücklich Bezug genommen. Die Übernahme dieser Novelle Marcians186 zeigt ein Bestreben der westgotischen Herrscher, die höheren von den standesniederen Klassen abzugrenzen und die im Entstehen begriffene ständische Gesellschaftsordnung nach unten hin abzuriegeln.187 In diesem Kontext ist auch die Übernahme des oben genannten VerVgl. Kaser, RP II2, § 217 II 4 c) m.w. N. Nach Demandt spielte der senatorische Adel in den Westprovinzen auch unter germanischer Herrschaft eine Rolle und verkörperte insbesondere in Spanien und Gallien die romanitas – s. Demandt2, 342 m.w. N. 181 Überliefert in Paul. D. 23, 2, 44 pr.; s. Mette-Dittmann, 131 ff. 182 LRV Nov. Marc. 4, 1, 2 u. 3; s. Kaser, RP I2, § 75 II; für den Fall einer Ehe mit einer Freigelassenen mit seiner Patronin oder deren Tochter wurde die Bergwerksstrafe angeordnet – LRV PS 2, 20, 6 mit IT. 183 s. Mette-Dittmann, 145 und 201. 184 CTh 4, 6, 3 (336) = C. 5, 27, 1; CTh 8, 16, 1 (320); Kaser, RP II2, § 217 II 4 c); s. Evans Grubbs, 283; CTh 12, 1, 6 (318) spricht von curiae, senatores und perfectissimi; vgl. zur Rolle und Rechtsstellung der Kurialen Schubert, Die rechtliche Sonderstellung der Dekurionen, in: SZ (RA) 86, 312 ff. 185 Zum tatsächlich hiervon betroffenen Personenkreis s. Evans Grubbs, 287. 186 Nov. Marc. 4, 1–5 (454). 187 s. Saar, Ehe, 236 f. 179 180

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

bots der Ehe eines Freigelassenen mit seiner Patronin oder deren Tochter in die Lex Romana Visigothorum zu sehen.188 Nicht nur innerhalb der romanischen Bevölkerung des westgotischen Reiches, sondern auch im gotischen Bevölkerungsteil selbst findet sich eine soziale Gliederung innerhalb der Freien. Die soziale Wertigkeit eines gotischen Freien war eng verknüpft mit der Anzahl seiner Gefolgsleute und seinem Grundeigentum.189 Der sich aus höheren Militärrängen herausbildende frühe gotische Adel bekam im Zuge der gotischen Ansiedlung im Gebiet des tolosanischen Reichs Land zugewiesen, was zur Festigung der gehobenen Stellung führte.190 Ebenso wie das römische Militär das Entstehen sozialer Klassen förderte, traf dies auch auf das gotische zu. Das gotische Heer war wichtiger Ausganspunkt für das Gefolgschaftswesen der Goten. Zwar sind hierüber wenig Anhaltspunkte in den westgotischen Gesetzen zu finden, bekannt sind aber zwei verschiedene Arten von Gefolgsleuten, die einem gotischen Edlen, der gleichzeitig Grundeigentum hatte, zugeordnet waren: Die buccellarii191 und die saiones.192 Beide Arten von Gefolgsleuten waren personenrechtlich Freie, jedoch gegenüber ihrem Gefolgsherrn von verminderter Rechtsstellung. Beide konnten ihrem Herrn die Gefolgschaft aufsagen und sich einem neuen patronus anschließen, ebenso konnten beide kein Grundeigentum erwerben.193 Die buccellarii wurden aber von ihrem Gefolgsherrn mit Teilen aus dessen Grundeigentum ausgestattet und hatten deshalb gegenüber den saiones aufgrund eines eigenen Hausstandes einen sozial höheren Rang inne.194 Ob Ehen zwischen diesen unterschiedlichen Klassen der Freien verboten waren, lässt sich anhand der westgotischen Rechtsquellen nicht beantworten. Es kann aber vermutet werden, dass Ehen zwischen Angehörigen der buccellarii und der saiones unproblematisch möglich waren, ebenso, dass Angehörige der beiden Gefolgsleute einen Adligen heiraten konnten, wohingegen eine vollgültig anerkannte Ehe zwischen einem Gefolgsherrn und einer weiblichen Angehörigen seiner Gefolgsleute nicht möglich war.195 188 LRV PS 2, 20, 6; auch nach der Lex Visigothorum wurden die Freigelassenen und ihre Nachkommen dem Patronat ihres Freilassers unterstellt, was mit entsprechenden Eheverboten einherging; LV 5, 7, 17 (Reccesvinth); s. Claude, Westgoten, 110. 189 Claude, Westgoten, 106 f. 190 Giese, 56. 191 s. hierzu bereits oben unter Kapitel B. I. Fn. 16. 192 Codex Euricianus, c. 323; die saiones waren beispielsweise als Richter und Provinzgouverneure tätig; Wolfram, Goten5, 227, 241 ff. 193 Giese, 57. 194 Giese, 57. 195 Die Situation ist insoweit vergleichbar mit derjenigen nach der römischen Rechtslage hinsichtlich ehelicher Verbindungen zwischen Freien und Kolonen bzw. Freigelassenen mit Freien – eheliche Verbindungen waren als Ehen unter Freien anerkannt, wenn

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Im toledanischen Westgotenreich des 7. Jahrhunderts verschärften sich die sozialen Gegensätze in der westgotischen Gesellschaft noch. Der Hofadel erhielt Landvergaben vom König, bei denen es sich um eine Vorform des mittelalterlichen Lehnswesens handelte.196 Neben dem Hofadel, der im Gefolge des Königs stand, differenzierten sich die Freien im toledanischen Westgotenreich je nach Umfang des Vermögens und der eigenen Gefolgschaft weiter aus in eine Oberschicht aus honestiores bzw. potentes oder nobiles,197 eine Mittelschicht (mediocres)198 sowie einfache Freie ohne nennenswerten Grundbesitz (viliores bzw. inferiores oder humiliores).199 Der Versuch germanischer Herrscher, sog. Missheiraten200 zu unterbinden, findet sich auch in Gesetzen anderer germanischer Völker. Zwar steht auch dort wie im römischen Recht zumeist eine Sanktionierung von Ehen zwischen Freien und Unfreien im Vordergrund,201 es sind aber auch Heiratsschranken erkennbar, die auf eine Abgrenzung von freien Personen verschiedenen Standes hinweisen. So wurde z. B. die Möglichkeit einer Ehe zwischen sog. Halbfreien und Unfreien eingeschränkt.202 4. Religiös beeinflusste Eheverbote a) Gemischtreligiöse Ehen zwischen Juden und Christen Eine Ehe zwischen Christen und Juden wurde als verwerflich angesehen, so dass die Ehepartner im Rahmen eines iudicium publicum angeklagt werden konnnicht eine Ehe mit dem eigenen patronus eingegangen werden sollte; vgl. hierzu Kaser, RP II2, § 213 II 3; § 217 II 4 b). 196 Giese, 167. 197 s. z. B. LV 2, 4, 3 (Chindasvinth); LV 7, 3, 2 (Chindasvinth); LV 8, 1, 10 (Antiqua); LV 2, 5, 2 (Antiqua); LV 9, 2, 8 (Wamba). 198 Z. B. LV 9, 2, 8 (Wamba). 199 Z. B. LV 9, 2, 8 (Wamba); LV 6, I, 2 (Chindasvinth); LV 2, 1, 9 (Reccesvinth); zu dieser ständischen Gliederung im toledanischen Reich s. Giese, 167 f.; Claude, Westgoten, 106–108; die ständische Gliederung innerhalb der westgotischen Gesellschaft des frühen 7. Jahrhunderts entsprach damit derjenigen des burgundischen Reichs; auch im restlichen Weströmischen Reich war eine Unterscheidung zwischen höheren (honestiores) und niederen Freien (humiliores) bekannt – vgl. Demandt2, 325. 200 Zum Begriff vgl. Schwab, in: HRG 3, 603. 201 So z. B. LS, c. 13 § 8; LS, c. 25 § 4; Edictum Rothari, c. 221; solche Verbindungen konnten u. U. als Kebsverbindung zulässig sein – vgl. Edictum Rothari, c. 222. 202 Z. B. Edictum Rothari, c. 216, c. 217; die im Deutschen als „Halbfreie“ bezeichneten „Aldien“ des langobardischen Rechts standen personenrechtlich über dem Sklaven, waren aber den Freien nicht gleichgestellt. Aus Edictum Rothari, c. 224, 4 lässt sich dies erkennen, wonach ein Sklave zum aldius erhoben werden kann – Nehlsen, Sklavenrecht, 373 ff. m.w. N.; ein Aldie durfte mit Zustimmung des Herrn eine Ehe mit einer freien Frau eingehen (Edictum Rothari, c. 216); die aldia konnte sich um den Preis ihres minderen Freiheitsstatus mit einem Sklaven verbinden (Edictum Rothari, c. 217); s. Nehlsen, Sklavenrecht, 375.

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

ten.203 Dabei war diese Ehe dem adulterium gleichgestellt und mit der Kapitalstrafe bedroht. Aufgrund des auch im Breviar gültigen Konsensprinzips war eine entgegen diesem Verbot geschlossene Ehe zwar nicht nichtig, aber eben strafbewehrt. Dieses christlich beeinflusste konfessionelle Eheverbot geht auf CTh 9, 7, 5 (388) zurück.204 393 wurden die Juden offiziell dem römischen Eherecht unterworfen.205 Das Eheverbot wurde bis in die justinianische Zeit aufrechterhalten.206 Die Trennung zwischen den Rechtsverhältnissen von Juden und Andersgläubigen war allerdings bereits in der vorchristlichen Zeit im römischen Machtbereich vollzogen worden. So erkannte Caesar der jüdischen Bevölkerung zu, nach ihren eigenen Sitten und Gebräuchen zu leben.207 Diese Berechtigung wurde unter Augustus nochmals erneuert und bis in die christliche Zeit beibehalten.208 Kaiser Theodosius bestätigte im Jahre 393 nochmals ausdrücklich, dass das Judentum als einzige aller nichtchristlichen Religionen im Reich nicht verboten war.209 Zusätzlich waren die Rechtsverhältnisse der Juden im Reich auch in sonstiger Hinsicht von denen der römischen Bürger streng getrennt; beispielsweise waren die Juden von der Bekleidung öffentlicher Ämter ausgeschlossen.210 Offensichtlich stand bereits zur Zeit der untergehenden Republik und der frühen Prinzipatszeit hinter der strikten Trennung der jüdischen von der übrigen Bevölkerung das gesellschaftspolitische Ziel, den jüdischen Einfluss vom eigenen Volk fernzuhalten, da der Monotheismus des Judentums auf die pantheistischen Römer eine so große Anziehungskraft ausgeübt hatte, dass die Angst vor Überfremdung und einem Verfall der mores entstehen konnte.211 Allerdings beruhte die deutliche Trennung der jüdischen Rechts- und Sozialverhältnisse von denen der übrigen Bevölkerung nicht nur darauf, dass die Juden eine diskriminierte

203 LRV CTh 9, 4, 4 mit IT; LRV CTh 3, 7, 2 mit IT; zum Begriff des iudicium publicum s. oben Kapitel B. III. 3. Fn. 54. 204 CTh 9, 7, 5 (388); s. aber auch CTh 3, 7, 2 (326), wobei zuvor das conubium im Hinblick auf das Bürgerrecht, d. h. unabhängig von der verschiedenen Religionszugehörigkeit gegeben sein musste; s. auch Demandt2, 522. 205 C. 1, 9, 7; dies hatte zur Folge, dass die nach mosaischem Recht gestattete Polygamie auch für die Juden nunmehr verboten war; Demandt hält dieses Gesetz für lediglich schikanös, da die nach dem mosaischen Gesetz erlaubte Polygamie ohnehin obsolet gewesen sei; Demandt2, 522. 206 C. 1, 9, 6 entspricht exakt CTh 9, 7, 5 (388). 207 Josephus, Ant. 14, 143, 190–216; Mayer, 28; deshalb trauerten viele Juden nach der Ermordung Caesars – Sueton, Divus Iulius, 84, 5. 208 Philon, Legatio ad Gaium, 156–158; Mayer, 28; allerdings war es den Juden nicht gestattet, neue Synagogen zu errichten – s. CTh 16, 8, 25 (423) und Demandt2, 518. 209 CTh 16, 8, 9 (393); Demandt2, 514. 210 CTh 16, 8, 16 (404); Nov. Th. 3, 2 (438). 211 Dies führte z. B. im Jahre 139 v. Chr. zur Verweisung der Juden aus Rom durch den praetor peregrinus, Mayer, 27.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Minderheit gewesen wären. Vielmehr hatten sich auch die Juden selbst innerhalb des römischen Reiches durch ihre von der mosaischen Rechtsordnung geprägte Lebensweise von der übrigen Bevölkerung separiert. So waren auch im Eherecht aus jüdischer Sicht gemischtreligiöse Ehen nicht anerkannt.212 Dies ist bei Betrachtung derjenigen Vorschriften des Breviars im Blick zu behalten, die sich auf die Zulässigkeit einer Ehe zwischen Juden und Nichtjuden auswirken, da nicht davon auszugehen ist, dass sich im Geltungsbereich des westgotisch überarbeiteten Römerrechts an dieser jüdischen Sichtweise etwas geändert hätte. Dennoch ist gerade aus der Übernahme der betreffenden Verbotsnorm in die Lex Romana Visigothorum zu schließen, dass dieser Punkt unter Alarich II. als regelungsbedürftig erachtet wurde; derartige Verbindungen werden also in der sozialen Wirklichkeit durchaus vorgekommen sein. Auffällig ist in LRV CTh 9, 4, 4 die Tatsache, dass ausdrücklich die Bezeichnung Christianus/Christiana verwendet wird, um den Gegensatz zum Judentum hervorzuheben. Dies ist damit zu erklären, dass ohne das Eheverbot aufgrund unterschiedlicher Religionszugehörigkeit das klassische conubium zwischen den Personen römischen Bürgerrechts bestanden hätte, da auch die jüdische Bevölkerung im römischen Reich seit der Constitutio Antoniniana von 212 n. Chr. dieses Bürgerrecht innehatte.213 Die Vorschriften über die Rechtsverhältnisse der Juden im westgotischen Reich wurden von Alarich II. weitgehend unverändert, soweit sie das Eherecht betreffen tatsächlich unverändert in die Lex Romana Visigothorum übernommen.214 Die späteren Entwicklungen der Judengesetzgebung im spanischen Westgotenreich nehmen eine im Vergleich zur Regelung des Breviars deutlich stärker antijüdisch ausgeprägte Wendung. Gemäß LV 12, 2, 3 (Reccesvinth) sollten die nach dem Breviar gültigen Vorschriften über die Rechtsverhältnisse der Juden fortgelten, wurden aber noch deutlich verschärft.215 Zudem, wurden die für die nichtjüdischen Reichsbewohner geltenden Inzestvorschriften auch auf die jüdische Bevölkerung ausgeweitet.216 Hierfür galten drakonische Strafen wie Erdrosseln, Steinigen oder Verbrennen.217

212

Mayer, 53 m.w. N. s. Demandt2, 46. 214 s. Stüven, 162 f.; Wolfram, Goten5, 237. 215 Dies führte dazu, dass den Juden in LV 12, 2, 4–7 (Reccesvinth) der jüdische Ritus vollständig verboten wurde und gipfelte schließlich in der Zwangstaufe aller Juden im westgotischen Reich unter Sisebut (621 n. Chr.); vgl. Bronisch, 34 ff.; vgl. auch Isid. Etym. V, 42. 216 LV 12, 2, 6 (Reccesvinth). 217 LV 12, 2, 11 (Reccesvinth); LV 12, 3, 8 (Ervig); Ubl, 210. 213

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

b) Verbote für eine Ehe mit Angehörigen des geistlichen Standes Mit zunehmender Verbreitung des Christentums im römischen Reich der Spätantike verbreiteten sich auch gottgeweihte Frauen – sanctimoniales. Deren Existenz ist anhand der Novelle Maiorians aus dem Jahre 458 zu belegen.218 Für die Ehe mit einer gottgeweihten Frau bestand ein Verbot, das in Übereinstimmung mit dem Recht des Codex Theodosianus mit der Kapitalstrafe sanktioniert wurde.219 Das Eheverbot erstreckte sich auch darauf, dass die Ehe auch dann nicht zulässig war, wenn nach erfolgter Entführung die gottgeweihte Frau den Konsens bezüglich der nach Entführung folgenden Eheschließung geäußert hatte.220 Dies stellt einen Spezialfall des crimen raptus dar. Das Verbot der Entführung der Frau, die ein kirchliches Gelübde abgelegt hat, geht auf ein Gesetz des Kaisers Constantius II. aus dem Jahre 354 n. Chr. zurück und wurde in die Lex Romana Visigothorum aus dem Codex Theodosianus ebenso unverändert übernommen wie LRV CTh 9, 20, 2.221 Bei dem Gesetz aus dem Jahre 354 n. Chr. handelt es sich um das älteste bekannte Gesetz, welches die Entführung einer Nonne behandelt.222 Frauen, die über sechzig Jahre alt waren und Kinder hatten, konnten sich ebenfalls durch Gelübde dem Dienst in der Kirche verschreiben und Diakonisse werden, was mit einem Eheverbot einherging.223 Offenkundig war diese Praxis im westgotischen Reich aber nicht verbreitet, da Alarich II. keine Vorschrift über die Rechtsverhältnisse der Diakonissen übernommen hat und somit kein Regelungsbedarf dieser Frage gesehen wurde. Ferner bestanden Verbote für Kleriker, fremde, d. h. nicht blutsverwandte Frauen in die Hausgemeinschaft aufzunehmen.224 Dies ist gleichbedeutend damit, dass solch eine fremde Frau nicht geheiratet werden durfte. Ehen, die vor Aufnahme des Mannes in den geistlichen Stand geschlossen worden waren, blieben indessen gültig.225 218

Nov. Mai. 6 (458); zur Rechtsstellung der Nonne Johlen, 90 ff. Die gottgeweihten Frauen lebten in spätantiker Zeit ganz überwiegend noch nicht in Klöstern; Hinweise auf Klöster sind im Codex Theodosianus nur spärlich vorhanden: CTh 5, 3, 1 (434); Frank, in: DNP 8, 325 f.; Johlen, 90. 220 LRV CTh 9, 20, 2; die Kapitalstrafe ergibt sich auch aus der Vorbildnorm CTh 9, 25, 2 (364); wohingegen in Nov. Mai. 6, 2 f. (458) lediglich die Konfiskation eines Vermögensdrittels vorgesehen war (nicht ins Breviar aufgenommen); s. hierzu Kaser, RP II2, § 217 II 8 Fn. 57. 221 Dies entspricht CTh 9, 25, 1 (354) und 2 (364); ebenso ist untersagt, die Nonne zur Eheschließung zu überreden – CTh 9, 25, 2 (364). 222 Mommsen, 702 Fn. 4. 223 CTh 16, 2, 27 (390); die Diakonissen wirkten ursprünglich v. a. bei der Frauentaufe mit – vgl. Kalsbach, in: RAC III, 917 ff.; Demandt2, 535; Johlen, 93. 224 LRV CTh 16, 1, 6. 225 LRV CTh 16, 1, 6; in der spätantiken Zeit bestand allerdings noch keine einheitliche Pflicht, zölibatär zu leben – s. Demandt2, 534 f. m.w. N. 219

VI. Wiederverheiratung

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Um die Mitte des 7. Jahrhunderts verfestigte sich der Einfluss der Kirche im westgotischen Reich. Dies führte zum Erlass von Eheverboten durch den westgotischen König für Kleriker (Priester, Diakone und Subdiakone) sowie zum generellen Verbot geschlechtlichen Umgangs derselben mit Frauen.226 Ziel dieser Gesetzgebung war es, die „Reinheit“ des geistlichen Standes zu fördern. Damit kam der westgotische Herrscher kirchlichen Forderungen nach; die kirchlichen canones werden in LV 3, 4, 18 ausdrücklich in Bezug genommen.227 Deutlicher und ausführlicher noch ist das Eheverbot für Männer und Frauen des geistlichen Standes in einem Gesetz König Reccareds normiert: Die Ehe und der geschlechtliche Umgang – sei es freiwillig oder mit Gewalt erzwungen – wird gottgeweihten Männern und Frauen verboten und unter Bezugnahme auf kirchenrechtliche Vorschriften betont, dass eine solche Verbindung ein Verstoß gegen die Sitten und den wahren (katholischen) Glauben ist, der mit infamia, der Trennung der Verbindung und der Relegationsstrafe sanktioniert wurde. Zugleich wurde eine solche Verbindung der Frevelhaftigkeit einer inzestuösen Verbindung gleichgesetzt.228 Insgesamt zeugen die Regelungen der Lex Visigothorum zum Eheverbot für gottgeweihte Personen deutlich davon, dass der Einfluss der katholischen Kirche im Westgotenreich des 7. Jahrhunderts stark zugenommen hatte und erhebliche Wirkungen auf die weltliche Gesetzgebung zeitigte.229

VI. Wiederverheiratung Damit eine Wiederheirat zulässig war, musste zunächst einmal eine wirksame Beendigung der zuvor bestehenden Ehe gegeben sein, sei es durch Tod oder Scheidung. Eine Auflösung der wirksam geschlossenen Ehe aufgrund von Geisteskrankheit kam wie erwähnt nicht in Betracht.230 1. Nach Scheidung Für die berechtigte Scheidung mussten die scheidungsbegründenden Tatbestände nachgewiesen werden, da ansonsten beim Eingehen einer neuen Ehe ein Verstoß gegen das Verbot der Doppel- oder Vielehe gegeben war.231 Betrieb die 226 LV 3, 4, 18 (Reccesvinth); verbotswidrig eingegangene Verbindungen waren unverzüglich zu trennen. 227 Reccesvinth bezieht sich auf das 8. Konzil von Toledo (653), Conc. Toletanum VIII, c. 5 (Concilios Visigóticos, 278 f.). 228 LV 3, 5, 2 (Reccared); einschlägige canones sind z. B. Conc. Toletanum I (397– 400), c. 16 (Concilios Visigóticos, 24 f.); Conc. Toletanum III (589), c. 10 (Concilios Visigóticos, 128). 229 s. auch LV 3, 5, 3 (Chindasvinth). 230 LRV PS 2, 20, 4. 231 LRV CTh 3, 16, 1 mit IT; LRV CTh 3, 16, 2 mit IT.

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

Frau eine grundlose Scheidung, war diese zwar wirksam, der Frau drohten aber Strafen. So durfte ihr vormaliger Mann unmittelbar wieder heiraten, ihr selbst aber blieb eine zweite Ehe versagt.232 Ferner war die grundlose Scheidung für die Frau mit der Deportationsstrafe bedroht.233 Ging die Frau eine neue Ehe ein, war diese neue Ehe nichtig. Zudem konnte die Frau von ihrem vormaligen Ehemann auch nach der Scheidung wegen adulterium belangt werden, so dass ihr die Kapitalstrafe drohte.234 Wurde hingegen von Seiten des Mannes unter einem Vorwand die Scheidung betrieben oder konnte der Mann keinen scheidungsbegründenden Tatbestand nachweisen, durfte die Frau nach Ablauf eines Jahres wieder heiraten,235 wohingegen dem Ehemann fortan lebenslange Einsamkeit beschieden war.236 Gelang dem Mann der Nachweis eines scheidungsbegründenden Tatbestandes, war die Scheidung zu Recht betrieben worden und die alte Ehe wirksam gelöst. Der Mann durfte in diesem Falle unmittelbar im Anschluss eine neue eheliche Verbindung eingehen.237 Die Frau hingegen, die eine rechtmäßige Scheidung betrieben und ihren Mann der entsprechenden Verletzungstatbestände überführt hatte, durfte nach Ablauf von fünf Jahren wieder heiraten.238 Dieser Zeitraum wurde bestimmt, um sicherzugehen, dass die Frau tatsächlich ausschließlich aufgrund des nachgewiesenen Grundes die Scheidung betrieben hatte und nicht etwa aus Abscheu vor ihrem Mann, oder dass sie nicht wegen eines anderen Mannes die Trennung hatte herbeiführen wollen.239 Bei dieser Wartefrist von fünf Jahren zeigt sich eine Abweichung zum klassischen römischen Recht. Die geschiedene Frau war dort gerade nicht durch eine Verpflichtung zum Einhalten einer Wartefrist der Witwe angenähert. Vielmehr durfte die Frau nach wirksamer Scheidung unmittelbar wieder heiraten.240 Die

232

Wolff, in: SZ (RA) 67, 269; Johlen, 126 Fn. 41. LRV CTh 3, 16, 2 mit IT; dies entspricht CTh 3, 16, 2 (421); Wolff, in: SZ (RA) 67, 269. 234 LRV CTh 3, 16, 2 mit IT. 235 LRV CTh 3, 16, 2 mit IT; dies ist mit Johlen, 136 als Vorschrift zum Schutz der Legitimität der Kinder aufzufassen; so auch Memmer, in: Schermaier, FS für Theo Mayer-Maly, 497; die zu Unrecht verstoßene Ehefrau ist nach den Rechtsfolgen der Witwe gleichgestellt; vgl. auch Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 20; die Wartefrist von einem Jahr bei Wiederverheiratung nach Scheidung findet sich auch in LRB 16 §§ 1, 2; vgl. CTh 3, 16, 2 (421). 236 LRV CTh 3, 16, 2 mit IT. 237 LRV CTh 3, 16, 2 mit IT. 238 LRV CTh 3, 16, 2 mit IT. 239 LRV CTh 3, 16, 2 pr. 240 Ulp. D. 25, 3, 1–3; Ulp. D. 25, 4, 1; s. hierzu Arjava, Women and Law, 168. 233

VI. Wiederverheiratung

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Konstitution des Kaisers Honorius aus dem Jahre 421 wich hiervon ab und führte einen Fünfjahreszeitraum ein. Dies hatte durch den Erlass des Codex Theodosianus auch für das Westreich bereits Geltung, als das Breviar entstand, und wurde in dieses übernommen.241 Die Erschwerung der Wiederheirat der Geschiedenen dürfte auf die vordringende christliche Lehre von der Unauflösbarkeit der Ehe zurückzuführen sein, die einen gewissen Niederschlag in der kaiserlichen Gesetzgebung verlangte.242 Die Vorschriften über die Zulässigkeit der Wiederverheiratung nach Scheidung wurden ohne Veränderung aus dem Codex Theodosianus in die Lex Romana Visigothorum übernommen. Sie entsprechen daher den allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Wiederverheiratung nach einer Scheidung. Diese waren im Vergleich zum klassischen Recht sehr stark eingeschränkt worden. Im klassischen Recht war der Bestand der Ehe auch in Bezug auf die Lösbarkeit der ehelichen Verbindung viel stärker am consensus orientiert. Deshalb wurde im klassischen römischen Recht durch das Eingehen einer neuen Ehe der bis dahin herrschende Ehekonsens aufgekündigt; zudem war die neu eingegangene Ehe „schlicht wirksam“.243 2. Wiederverheiratung der Witwe Die Witwe musste nach der Lex Romana Visigothorum die einjährige Trauerzeit einhalten, die auf das legendäre Gesetz des Königs Numa zurückgeführt wurde.244 Eine Heirat innerhalb des Einjahreszeitraumes hatte die Infamie zur Folge und brachte zusätzlich den Verlust dessen mit sich, was die Witwe vom ersten Mann erhalten hatte.245 Die Strafbestimmung für eine Heirat innerhalb der einjährigen Wartefrist wurde in der Lex Visigothorum ebenfalls übernommen.246 241 Im Unterschied zu einer späteren Konstitution galt der Fünfjahreszeitraum in Übereinstimmung mit CTh 3, 16, 2 (421) für den Fall, dass die Frau sich berechtigt geschieden hatte; eine Konstitution Theodosius II. und Valentinians III. erstreckte diesen Zeitraum auf den Fall der sich grundlos Scheidenden – C. 5, 17, 8, 4 (449); s. Kaser, RP II2, § 217 II 6. 242 s. Kaser, RP II2, § 219 II m.w. N. 243 Johlen, 136. 244 LRV CTh 3, 8, 1 mit IT; LRV CTh 3, 8, mit IT; LRV CTh 3, 8, 3 mit IT; zum Ursprung der Wartefrist s. Plutarch, Numa 12; Ulp. D. 3, 2, 1 und bereits oben Kapitel A. III. 1. dd) mit Fn. 214. 245 LRV CTh 3, 8, 1 mit IT; Saar, Ehe, 349. 246 LV 3, 2, 1 (Antiqua); s. z. B. Schultze, Über westgotisch-spanisches Eherecht, 68; King, 235, 238; Drew, The Family, in: Law and Society, VII 6; Saar, Ehe, 348; nach LV 3, 2, 1 (Antiqua) erhielten die Kinder der Frau bei Wiederheirat vor Ablauf des Trauerjahres die Hälfte des Vermögens; für den Fall, dass die Ehe kinderlos geblieben war, entfiel dieser Anteil auf die die Erben des Verstorbenen.

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

War die Frau noch nicht volljährig (d. h. über 25), mussten ihre Eltern oder sonstigen Verwandten der neuen Ehe zustimmen, anderenfalls durfte sie ihre Wiederheirat selbständig betreiben.247 Auch dies wurde sinngemäß in die Lex Visigothorum übernommen.248 Zudem waren der Witwe während der Trauerzeit verschiedene Verhaltenspflichten auferlegt – so durfte sie nicht an Gastmählern teilnehmen und durfte keinen Zierrat oder Purpur sowie weiße Kleidung tragen.249 Unter Abkehr von der augusteischen Ehegesetzgebung (Leges Iulia de maritandis ordinibus et Papia Poppaea250) bestand aber seit Konstantin keine Pflicht für die Witwe, sich wieder zu verheiraten.251 Gleichwohl wurde von der noch kinderlosen Witwe wohl erwartet, dass sie sich erneut verheiratete, um ihre gesellschaftliche Rolle als Mutter auszufüllen.252 In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass durch eine Konstitution aus dem Jahre 458 für kurze Zeit eine Wiederverheiratungspflicht der Witwe innerhalb von fünf Jahren wieder eingeführt wurde,253 die aber bereits 463 wieder abgeschafft wurde.254 Die Lex Romana Visigothorum schweigt jedoch zu dieser Frage, so dass kein sichere Aussage über eine Fortgeltung dieser Regelung im Westreich getroffen werden kann. Der verwitwete Mann konnte sich nach dem westgotischen Römerrecht neu verheiraten, ohne hierbei Wartefristen o. ä. beachten zu müssen. Dies lässt sich aus der Tatsache folgern, dass die Lex Romana Visigothorum recht detaillierte Regelungen aufweist, die die Folgen einer Wiederheirat eines Mannes in vermögensrechtlicher Hinsicht betreffen, nicht aber eine Regelung enthält, die dem Mann bestimmte Verhaltenspflichten wie die Einhaltung der Trauerzeit auferlegen.255 Nach dem überlieferten römischen Recht war nicht vorgesehen, dass der Mann offiziell um seine verstorbene Ehefrau trauern musste.256 247 LRV CTh 3, 7, 1 mit IT; s. Saar, Ehe, 348 f.; gab es mehrere Bewerber wurde ein Richter herangezogen, um den Willen der Witwe durchzusetzen – s. LRV CTh 3, 7, 1 mit IT und Saar, Ehe, 348 f.; vgl. auch bereits Codex Euricianus, c. 319. 248 LV 3, 4, 7 (Antiqua); Saar, Ehe, 348. 249 LRV PS 1, 21, 3; zur Herkunft dieser Verhaltenspflichten aus mores und fas vgl. Kübler, in: RE XIII.2, 16997 ff.; Treggiari, 493 ff. 250 Mette-Dittmann, 132. 251 CTh 8, 16, 2 (410); zu den vermögensrechtlichen Folgen einer Wiederheirat Johlen, 160 ff. und Krause, 173 ff. 252 Vgl. Krause, 178 f.; Arjava, Women and Law, 169 f.; und C. 6, 40, 2; Nov. 2, 3. 253 Nov. Mai. 6, 5 (458). 254 Nov. Sev. 1 (463); s. Arjava, Women and Law, 170. 255 So LRV CTh 3, 13, 3, 1 mit IT; LRV Nov. Th. 7, 1, 1–3 mit IT; LRV Nov. Th. 7, I, 4 und 5; LRV CTh 8, 9, 6 pr. 1 mit IT; LRV CTh 3, 8, 2, 3 mit IT; LRV Nov. Th. 7, I, 6 und 7. 256 Paul. D. 3, 2, 9; die Frau musste aber auch nicht um ihren Verlobten trauern; s. Gardner, Women, 51.

VI. Wiederverheiratung

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In Übereinstimmung mit dem römischen spätantiken Recht war eine Wiederverheiratung des verwitweten Ehepartners zu allen Zeiten zulässig.257 Für den Fall der Wiederverheiratung der Witwe drohten zwar vermögensrechtliche Nachteile im Hinblick auf das vom Ehepartner erhaltenen Vermögen und im Hinblick auf eine Mitgift für die zweite Ehe. Diese das Vermögensrecht betreffenden Gesetze dienten aber eher dem Schutz des finanziellen Auskommens der Kinder – insbesondere im Hinblick auf die den Kindern zufallende Erbmasse – als dem Schutz und dem Ansehen der ersten Ehe.258 Die spätantike Kaisergesetzgebung zeichnet sich in dieser Hinsicht dadurch aus, dass die Vermögensmassen von Mann und Frau getrennt gehalten werden sollten, damit das Vermögen der Frau in gerader Linie an die Kinder vererbt werden konnte.259 Grund für diese Regelung war, dass die Frau selbst keine vermögensrechtliche Versorgung mehr benötigte, die Kinder hingegen schon.260 Der Vermögensübergang direkt auf die Kinder zur Sicherung von deren finanzieller Situation wurde auch auf sich wieder verheiratende Männer erstreckt.261 Bestätigen lässt sich diese Zwecksetzung durch einen Blick auf korrespondierende Regelungen der Lex Visigothorum, die den Übergang des vom ersten Ehepartner Erhaltenen auf die Kinder auf Witwen und Witwer erstreckt, die nicht mehr heirateten.262 Die Verhinderung einer zweiten Ehe kann deshalb nicht das Ziel des westgotischen Gesetzgebers gewesen sein. Allerdings findet sich im Hinblick auf die oben beschriebene potentielle Rolle der bislang kinderlosen Witwe als Mutter in einer zweiten Ehe eine abweichende Behandlung. Die kinderlose Witwe konnte sich wieder verheiraten, ohne in vermögensrechtlicher Hinsicht Nachteile zu erleiden.263 Es kann deshalb festgehalten werden, dass die Regelungen über die Zulässigkeit der Wiederheirat denen entsprechen, die aus der spätantiken Gesetzgebung, namentlich aus dem Codex Theodosianus bekannt sind. Dabei zeigt sich, dass die vermögensrechtlichen Regelungen nicht einer Zulässigkeit der Wiederheirat entgegenstehen. Diese spätantiken Vorschriften können deshalb nicht auf vordringenden christlichen Einfluss zurückgeführt werden,264 denn obwohl die Kirche der Wiederverheiratung skeptisch gegenüberstand, setzte sich deren Ansicht in 257 258 259 260 261

Krause, 157. Krause, 176 f. Krause, 176 f. Arjava, Women and Law, 174 f. LRV CTh 3, 8 = CTh 3, 8, 2 (382); LRV CTh 3, 9; s. Arjava, Women and Law,

175. 262 LV 4, 2, 14 (Antiqua); LV 4, 5, 2; LV 5, 2, 4 (Antiqua); s. Arjava, Women and Law, 175. 263 CTh 3, 8, 2, 2 (382) = LRV CTh 3, 8, 2, 2; Arjava, Women and Law, 175. 264 So aber z. B. Humbert, 387–394, 415–417, 427–429, 453–458; Kaser, RP II2, § 220 I.

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B. Ehevoraussetzungen nach dem westgotischen Recht

der spätantiken Gesetzgebung zur Wiederheirat nicht durch. Im Übrigen behandelt auch Isidor von Sevilla die Wiederheirat als zulässig und äußert diesbezüglich keinen Tadel.265 Mit Krause und Arjava kann deutlicher christlicher Einfluss deshalb ausgeschlossen werden, weil die genannten Vorschriften eine andere Zweckrichtung haben als die Zulässigkeit der Wiederheirat einzuschränken oder gar zu untersagen.266

VII. Zusammenfassung Das Recht der Ehevoraussetzungen in der Lex Romana Visigothorum ist nahezu vollständig auf römisches Recht zurückzuführen. Es wurde in der Form rezipiert, die es in der Spätantike namentlich durch die Konstitutionen des Codex Theodosianus erfahren hatte. Abweichungen vom Eherecht spezifisch römischer Prägung finden sich überwiegend in der Lex Visigothorum, die einige wichtige Änderungen gegenüber dem Breviar mit sich brachte, obwohl auch in die Lex Visigothorum zahlreiche Vorschriften aus dem Breviar übernommen wurden und auf diese Weise römisches Recht rezipiert wurde. Neuerungen eigener Art waren die auch schon im spätantiken römischen Recht festzustellenden, religiös beeinflussten Vorschriften im Eherecht. Diese übernahm der Gesetzgeber des tolosanischen Westgotenreichs vor der Konversion der Goten zum Katholizismus, soweit sie christlichen Inhalts waren, aber nicht den Primat der römischen Kirche voraussetzten. Deutlich strenger im Vergleich zum Breviarium Alaricianum fiel die Judengesetzgebung in der Zeit des toledanischen Reiches in der Lex Visigothorum aus. Unverändert aus dem römischen Recht übernommen wurden z. B. die Vorschriften über die Verwandtschaftsgrade und das Inzestverbot. Diese fanden sogar wörtlich in der Lex Visigothorum Aufnahme. Die wichtigste Abweichung vom Eherecht des Breviarium Alaricianum ist die Abschaffung des Verbots stammesverschiedener Ehen.267 Dies war ein wichtiger Schritt hin zur territorialen Geltung des von den westgotischen Herrschern gesetzten Rechts. Eine bedeutende Rolle spielen in der Lex Visigothorum auch die Vorschriften über die Zulässigkeit ehelicher Verbindungen mit Unfreien oder standesniederen Personen. Soweit es die Verbote für Ehen mit Sklaven betrifft, weisen diese klar erkennbar römischrechtliche Prägung auf, weichen aber in Bezug auf die drohenden Strafen ab. Ebenfalls römischrechtlich geprägt sind sowohl im Breviar als auch in der Lex Visigothorum die Vorschriften über die Verbote

265

Isid. Etym. IX, 7; Saar, Ehe, 348 Fn. 1. Sie dienen nämlich dem Schutz der materiellen Interessen der Kinder aus erster Ehe, s. Krause, 176; Arjava, Women and Law, 175. 267 LV 3, 1, 1 (Antiqua). 266

VII. Zusammenfassung

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ehelicher Verbindungen mit standesniederen freien Personen. Hier ist sogar ein Fortwirken der in der spätantiken römischen Gesetzgebung von Senatoren auf Würdenträger allgemein erstreckten augusteischen Ehegesetze in das westgotische Recht feststellbar. Dieser durchaus eigenständigen Gesetzgebung der westgotischen Herrscher liegt eine gesellschaftspolitische Konzeption zugrunde, die zu einer schärferen Herausbildung einer feudalen Gesellschaftsordnung im frühen Mittelalter führte.

C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht Die Ehevoraussetzungen im ostgotischen Recht sind in erster Linie anhand der Vorschriften des Edictum Theoderici zu bestimmen. Da das Edictum Theoderici aber keine vollumfassende Regelung der Ehevoraussetzungen enthält, sind für die Bestimmung und Interpretation der Ehevoraussetzungen des ostgotischen Rechts stets auch die allgemeinen Zielsetzungen des ostgotischen Gesetzgebers, d. h. des ostgotischen Königs, zu beachten. Hierzu bedarf es des Rückgriffs auf erzählende und historiographische Quellen sowie einiger einleitender Ausführungen.

I. Politik und Gesetzgebungstätigkeit Theoderichs des Großen Eng im Zusammenhang mit dem Erlass des Edictum Theoderici steht die sog. Politik der civilitas, d. h. das Bestreben des ostgotischen Königs Theoderichs des Großen,1 für Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zu sorgen.2 Unter civilitas ist dabei die „Wahrung und Einhaltung der bestehenden Gesetze“ 3 zu verstehen, „um friedliche Beziehungen zwischen Goten und Römern zu gewährleisten“.4 Dieses Bedürfnis entstand, nachdem der Ostgotenherrscher nach dem Sieg über Odovacar dem Abkommen mit Kaiser Zenon von 488 gemäß die Aufgabe übertragen bekommen hatte, die Präfektur Italia mit Hilfe des Exercitus Gothorum5 zu schützen.6 Zudem war es zu Übergriffen der Angehörigen des gotischen Heeres auf Angehörige der romanischen Bevölkerung gekommen, denen Theoderich Einhalt gebieten wollte.7 1 Vgl. zur Titulatur „Flavius Theodericus rex“ u. a. Wolfram, Goten5, 286 ff.; Ensslin2, 159; Moorhead, 39 f. m.w. N.; Stüven, 4; Giese, 74–78. 2 Vgl. Giese, 90; Kakridi, 339 ff.; Moorhead, 79 m.w. N. 3 Stüven, 6; s. Cassiodor, Variae IV, 33, 1 (MGH AA 12, 128), („custodia legum civilitatis est indicium“). 4 Stüven, 6. 5 Zum Exercitus Gothorum vgl. Wolfram, Goten5, 290–306. 6 Anonymus Valesianus II, 49; Cassiodor, Variae VII, 4, 3 (MGH AA 12, 203 f.); Cassiodor, Variae XII, 5, 4 (MGH AA 12, 364); Lafferty, Law and Society in Ostrogothic Italy, in: JLA, Vol. 3 Nr. 2, 337 f.; Wolfram, Goten5, 278 ff. m.w. N.; ders., Gotische Studien, 143, 165 ff.; Ensslin2, 84; zum Bestreben Theoderichs, in Italien für Ordnung zu sorgen s. Prokop, De bello gothico I, 1, 27 f.; s. ferner Wolfram, Goten5, 286– 288; Ubl, 105; Ensslin2, 214–243; Moorhead, 75 ff.; Stüven, 24 f.; hinter der Aufforderung Zenons dürfte indes auch das nicht uneigennützige Bestreben des Kaisers zu vermuten sein, die Ostgoten in Italien zu binden und so vom oströmischen Reich fernzuhalten.

I. Politik und Gesetzgebungstätigkeit Theoderichs des Großen

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Durch seine Gesetzgebungstätigkeit wollte Theoderich in Italien eine rechtssichere Grundlage für ein gedeihliches Zusammenleben von Romanen und Goten schaffen und sich hierbei der Mittel des bereits etablierten römischen Rechts bedienen. Der ostgotische König sah seine Herrschaft gleichsam als Imitation der kaiserlichen Herrschaft,8 wenngleich er formell lediglich das magistratische ius edicendi für sich in Anspruch nahm. Dies zeigt sich bereits in der Bezeichnung seines Gesetzgebungswerkes als Edictum Theoderici. Tatsächlich aber übte er seine Gesetzgebungstätigkeit mit umfassendem Anspruch aus und regelte alle Fragen, d. h. auch solche, für die formell keine magistratische Kompetenz bestanden hätte.9 Theoderich sah sich selbst aber auch in der unmittelbaren Nachfolge der römischen Herrscher seit Augustus.10 Infolgedessen ging sein politisches Bestreben über die bloße imitatio hinaus und verfolgte ebenso ein politisches Programm zur Wiederherstellung der Zustände unter dem Prinzipat – reparatio imperii. So galt Theoderich in den Augen spätantiker Autoren sogar als Wiederbegründer der pax Romana.11 Durch die Geltung des römischen Rechts auch für den gotischen Bevölkerungsteil sollte mittels des Edictum Theoderici eine einheitliche Rechtsordnung geschaffen werden.12 Zwar stehen z. B. von Halban, Liebs, Meyer-Flügel und Stüven auf dem Standpunkt, dass für Rechtsstreitigkeiten zwischen Goten gotisches Recht gegolten habe.13 Dies soll vor allem mit der Existenz des Amtes des gotischen Stadtgrafen, des comes Gothorum,14 zu begründen sein sowie mit der Tatsache, dass im

7

Cassiodor, Variae X, 14 (MGH AA 12, 304); Moorhead, 78 m.w. N. Cassiodor Variae I, 1, 3 (MGH AA 12, 10); s. Brennecke, in: ZAC 4, 138. 9 s. Buchner, 14; Wolfram, Goten5, 288; da aber die römischen Kaiser auch das magistratische ius edicendi ausübten, zeigt sich auch in dieser Hinsicht die Imitation der kaiserlichen Herrschaft durch Theoderich, zum ius edicendi der römischen Kaiser vgl. Kipp, in: RE V.2, 1947 f. 10 Giese, 75 f. 11 Anonymus Valesianus II, 72 f.; s. auch Cassiodor, Variae III, 17, 1 („libertas antiqua“) (MGH AA 12, 88); vgl. Brennecke, in: ZAC 4, 140, 146; Kakridi, 232 f. 12 Cassiodor, Variae III, 43 (MGH AA 12, 100); Cassiodor, Variae VIII, 3, 4 (MGH AA 12, 234); s. z. B. Ubl, 105; vgl. Moorhead, 76 f.; s. auch Anonymus Valesianus II, 60 („. . . edictum suum, qui ius constituit . . .“). 13 s. von Halban, 124 f.; Liebs, Jurisprudenz, 194; Meyer-Flügel, 132 ff.; Stüven, 22; offen gelassen bei Wolfram, Goten5, 289, der auf die fehlende Überlieferung zu dieser Frage verweist. 14 Der comes Gothorum war für die Rechtsstreitigkeiten der Goten untereinander zuständig; vgl. zu dieser im Zuge der Vereinigung gotischen Heerkönigtums mit der römisch-imperialen Tradition in das Rechtssystem aufgenommenen gentilen Komponente Wolfram, Goten5, 290. 8

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

Falle gemischtnationaler Streitigkeiten zwischen Goten und Römern ein assessor hinzugezogen wurde.15 Als weiteres Argument wird der Titel ET c. 143 angeführt, nach dem den Juden gestattet worden ist, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben.16 Hätten sogar die Juden die Berechtigung erhalten, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben, könne für die Goten untereinander nichts anderes gegolten haben.17 Das nach dieser Auffassung in innergotischen Streitigkeiten anzuwendende gotische Recht – belagines18 – kann allerdings aufgrund fehlender Quellen nicht weiter spezifiziert werden. Bereits darin zeigt sich, dass ein solcher Ansatz spekulativ bleiben muss und die angeführten Belege recht schwach sind.19 Angesichts der Zielsetzung des ostgotischen Gesetzgebers sowie der Appelle an Goten und Romanen, die Gesetze zu achten und den Strafdrohungen für Nichtbeachtung, welche in Prolog und Epilog des Edictum Theoderici an den gotischen und romanischen Bevölkerungsteil gerichtet sind,20 ist die Geltung römischen Rechts auch für die innergotischen Streitigkeiten vorauszusetzen.21 Gestützt wird diese Auffassung auch durch in den Cassiodors Variae überlieferte Worte Theoderichs, die die Goten dazu anhalten, nach den Gesetzen der Römer zu leben sowie diese Gesetze und die Römer zu verteidigen, da nur so der barbarische Aufruhr beseitigt werden könne.22 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Theoderich die Ostgoten in Gegensatz zu anderen Barbaren setzt, die er mit dem Sieg über Odovacar „verjagt“ hatte.23 Mit der Zielsetzung Theoderichs des Großen, im ostgotisch beherrschten Italien für eine ununterbrochene Fortgeltung des römischen Rechts zu sorgen ist der knappe, fragmentarisch anmutende Charakter des Edikts zu erklären, der den

15 Cassiodor, Variae VII, 3, 1 (MGH AA 12, 202 f.); Cassiodor, Variae IX, 14, 7 f. (MGH AA 12, 279); s. Liebs, Jurisprudenz, 194; Stüven, 22; von Halban, 120. 16 Stüven, 22; zu ET c. 143 und den Privilegien der Juden noch sogleich. 17 Stüven, 22. 18 Iordanes, Getica, 69 (MGH AA 5.1, 74); zum Begriff belagines s. Nehlsen, Belagines, in: RGA 2, 206 f.; Wolfram, Goten5, 289; die bei Iordanes erwähnten belagines sind wohl als Gewohnheitsrecht zu verstehen – vgl. Löwe, in: Herbers u. a., FS Harald Zimmermann, 24 ff. 19 So auch Lafferty, Law and Society in Ostrogothic Italy, in: JLA, Vol. 3 Nr. 2, 343; ders., Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 30. 20 ET prol.; ET epil., im Epilog wird als Strafe für die Missachtung der Gebote des Edikts die Ächtung und Verbannung ins Exil festgelegt („. . . quod si in aliquo haec edicta fuerint violata, se proscriptionis deportationisque poena merito esse feriendos.“). 21 Nach Ubl, 108 zwingt Theoderich der gotischen Bevölkerung ausschließlich römisches Recht auf. 22 Cassiodor, Variae III, 43 (MGH AA 12, 100); Cassiodor, Variae XII, 5 (MGH AA 12, 364), („dum belligerat Gothorum exercitus, sit in pace Romanus“); es dürfte sich also entgegen Liebs, Jurisprudenz, 194 nicht lediglich um „das von Theoderich seinen Goten verordnete Minimum römischer Rechtskultur“ gehandelt haben. 23 Cassiodor, Variae III, 43 (MGH AA 12, 100).

II. Verlöbnis

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Rückgriff auf außerhalb des Edikts liegende Quellen, namentlich den Codex Theodosianus und die Variae Cassiodors erforderlich werden lässt.24

II. Verlöbnis Über das Verlöbnis finden sich im Edictum Theoderici keine detaillierten Regelungen. Nach der unter Kapitel 3 I. vertretenen Auffassung ist aber von der Fortgeltung der römischen Grundsätze über das Verlöbnis auszugehen, so dass nach ostgotischem Recht im Zuge des Verlöbnisses die arra zu leisten war,25 innerhalb von zwei Jahren nach dem Verlöbnis eine Ehe geschlossen werden musste; ferner konnten Unmündige unter 12–14 Jahren wirksam verlobt werden.26 Ein Doppelverlöbnis war nicht zulässig und machte infam.27 Bemerkenswert ist ET c. 92, wonach an der (wirksam) Verlobten durch ihren zukünftigen Ehemann kein crimen raptus begangen werden konnte.28 Die Entführung der verlobten Frau – mit deren Einverständnis – ist bei dieser Sichtweise die Vorwegnahme der domum deductio.29 Durch Bestrafung des crimen raptus sollte dem Schutz der Interessen der Brautfamilie, durch Ausübung der Munt die Hochzeit der Tochter selbst zu arrangieren, Rechnung getragen werden.30 Diese Interessen waren im Fall der Entführung einer Verlobten nicht beeinträchtigt, da der Gewalthaber die Verbindung bei der Verlobung bereits akzeptiert hatte. Die knappe Regelung aus ET c. 92 lehnt sich inhaltlich an CTh 9, 24, 1 pr. (320) an und ist eine komprimierte gegenteilige Formulierung des Inhalts aus CTh 9, 24, 1 pr. (320).31 Aufgrund der gewählten Formulierung stellt ET c. 92 auf der Rechtsfolgenseite lediglich klar, dass bei vorangegangenem wirksamem Verlöbnis keine Strafe droht. In der Vorbildnorm des CTh 9, 24, 1 pr. (320), werden hingegen ausführlich die Konstellationen aufgeführt, in denen ein Mann, der

24 Zu Cassiodor vgl. z. B. Eder, in: DNP 2, 1004–1007; Manitius, 36–39; auf 40 f. zu Cassiodors Variae; s. ferner Kakridi, Cassiodors Variae. 25 s. Kaser, RP II2, § 216 I. 26 CTh 3, 5, 4 (332) = C. 5, 1, 2; CTh 3, 5, 5 (332); vgl. Kaser, RP II2, § 216 I, II m.w. N.; s. auch oben Kapitel A. III. 1. a) und 2. a). 27 Vgl. Kaser, RP I2, § 65 III 2. 28 ET c. 92; CTh 9, 24, 1 pr. (326). 29 Zur Entführungsehe: Lieberwirth, in: HRG 12, 1350 ff. 30 s. Esmyol, 110 f.; bei der germanischen Munt handelte es sich um eine umfassende personenrechtliche Herrschaftsgewalt, ähnlich der römischrechtlichen patria potestas; wichtigste Fälle der Munt sind die sog. Vatermunt und die Munt des Mannes über seine Ehefrau, zur Munt vgl. Ogris, in: HRG 3,750 ff. 31 ET c. 92: („Si sponsa persuasa a sponso ad eius domum non tradita venerit, sponsus raptoris crimine non teneatur“); CTh 9, 14, 1 pr. (374): („Si quis nihil cum parentibus puellae ante depectus invitam eam rapuerit vel volentem abduxerit, . . .“) entspricht LRV CTh 9; 19, 1 pr. mit IT.

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

mit den Eltern der Frau noch keine Übereinkunft über ein Verlöbnis getroffen hatte, an der betroffenen Frau das crimen raptus begehen konnte. Zudem drohte raptor und Entführter die gleiche Strafe.32 Die gewählte Formulierung des Titels ET c. 92, die das contrarium zu CTh 9, 24, 1 pr. (320) darstellt, sollte offenbar für eine Vereinfachung der umständlich abgefassten Vorbildnorm sorgen. Jedoch hat ET c. 92 lediglich deklaratorische Bedeutung, da die Rezeption des theodosianischen Titels CTh 9, 24 pr.-4 im Edikt an sich bereits an anderer Stelle – nämlich bei den Vorschriften über das crimen raptus – erfolgte.33

III. Ehemündigkeit Das Edictum Theoderici behandelt das Eherecht nicht abschließend. Es enthält keinen Titel, der die Fragen der Ehemündigkeit betrifft. Es ist deshalb auf die bekannten römischen Rechtsgrundsätze zu rekurrieren, auf deren Fortgeltung Theoderich abstellte, und welche den Zeitpunkt der Ehemündigkeit mit dem Erreichen des Lebensalters von zwölf Jahren bei Mädchen bzw. 14 Jahren bei Jungen ansetzten.34

IV. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers 1. Allgemeines Gegen den Willen des Gewalthabers war auch im Recht des ostgotischen Edikts keine wirksame Eheschließung möglich.35 Diese Vorschrift scheint lediglich deklaratorischen Charakter zu haben, da die Zustimmung des Gewalthabers als Konsequenz der patria potestas nach römischem Recht eine Selbstverständlichkeit darstellt. Möglicherweise wollte Theoderich der Große dies gegenüber den gotischen Untertanen nochmals klarstellen, obwohl auch nach gotischem Recht eine Verheiratung ohne Zustimmung des Gewalthabers, d. h. des Muntwalts der Frau wohl nicht möglich gewesen wäre.36 ET c. 93 hat seinem Inhalt 32 CTh 9, 24, 1 pr. (326), so auch in LRV CTh 9, 19, 1 pr. mit IT; die Strafe wird indes nicht ausdrücklich genannt. Aus ET c. 17 ergibt sich jedoch, dass es sich um die Kapitalstrafe handelt. 33 ET c. 17–20; hierzu noch sogleich. 34 ET prologus; Cassiodor, Variae III, 43 (MGH AA 12, 100); hierzu oben vor I; vgl. Kaser, RP I2, § 74 II 1; Kaser, RP II2, § 207 I 2; § 217 II 1. 35 ET c. 93, wo behandelt wird, dass ein Vater seine Tochter nicht gegen seinen Willen verheiraten muss; Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 193 folgert daraus, dass der Wille des nicht volljährigen Kindes für die Eheschließung letztendlich keine Rolle gespielt habe; angesichts der Tatsache, dass nach römischem Recht eine willkürliche Verheiratung des Kindes untersagt war, ist dies m. E. zu weitgehend. 36 s. z. B. Mikat, Ehe, in: HRG 1, 810 f.; Müller-Lindenlauf, 31 m. Fn. 98; Ennen6, 35; Schott, Ehe, in: LexMA 3, 1629; Schulze, Eherecht, in: RGA 6, 483 f.; Kottje, in: Affeldt, 213 f.; Saar, Ehe, 102 m.w. N.

IV. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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nach offenbar ein Vorbild in CTh 3, 11, 1, 1 (380).37 Dort geht es darum, dass der Gewalthaber vor geheimen Absprachen geschützt wurde, mithilfe derer ein Richterspruch erwirkt werden sollte, um eine Eheverpflichtung unter Umgehung der elterlichen Zustimmung herbeizuführen.38 Dem aus der Hausgewalt folgenden Erfordernis der Zustimmung des paterfamilias trägt schließlich auch ET c. 92 Rechnung.39 2. Entführung der Braut Das crimen raptus ist angesichts des nur begrenzten Umfangs des Edictum Theoderici auffallend detailliert geregelt, was auf erhebliche tatsächliche Relevanz hinweist. Dabei ist sowohl einvernehmliches Handeln als auch die Vergewaltigung der Frau von den Vorschriften umfasst. Der Tatbestand war mit der Kapitalstrafe inkriminiert. Der Raub einer freien Frau gegen deren Willen zog den Tod des Frauenräubers und seiner Gehilfen nach sich.40 Bestand dagegen ein übereinstimmender Wille zwischen Entführer und Entführter, so wurden beide mit dem Tode bestraft.41 Hatte noch kein Verlöbnis stattgefunden, änderte auch eine Übereinkunft zwischen Entführer und Eltern oder Vormund der Frau nichts daran, dass die Tat der Kapitalstrafe unterworfen war.42 Zusätzlich wurden die Eltern der Frau oder deren Vormund mit der Deportationsstrafe für den Fall belegt, dass sie eine nachträgliche Übereinkunft schlossen.43 Die Sanktionen des Frauenraubes im Edictum Theoderici zeigen daher deutlich ihre Herkunft aus dem römischen

37 CTh 3, 11, 1, 1 (380) hat seine Entsprechung im westgotischen Römerrecht in LRV CTh 3, 11, 1, 1 mit IT. 38 CTh 3, 11, 1 pr., 1 (380) behandelt zwar den Fall des Amtsmissbrauchs durch einen Magistrat, in dem dieser sich kraft seiner Autorität die Frau selbst zusprach, allerdings ist die Annahme, dass ein Gewalthaber generell, d. h. auch nicht durch Richterspruch gezwungen werden soll, seine Tochter gegen seinen Willen zu verheiraten, verallgemeinerungsfähig, wie sich in ET c. 93 zeigt. 39 Vgl. CTh 9, 24, 1 (320/326). 40 ET c. 17; dieser Titel ist angelehnt an CTh 9, 24, 1, 1 u. 5 (320/326); die Kapitalstrafe als Sanktion ist hingegen ausdrücklich erst in CTh 9, 24, 2 (349) enthalten. 41 ET c. 17. 42 Zur Entführung bei wirksamem Verlöbnis und Entführung s. ET c. 92 und oben. 43 ET c. 18; die Vorbildnorm ist CTh 9, 24, 1, 4 (320/326); zeigte ein Sklave ein solches Vorkommnis an, sollte er freigelassen werden – ET c. 19 – (aus CTh 9, 24, 1, 4 [320]), allerdings spricht ET c. 19 nicht wie das Vorbild aus dem Codex Theodosianus von der Erhebung des Sklaven aus dem Sklavenstatus in die Latinität, sondern von Freilassung allgemein, da die Latinität mit dem territorialen Geltungsbereich des Edikts obsolet ist; die Möglichkeit nachträglicher Legalisierung der Verbindung räumen z. B. LV 3, 3, 7 (Antiqua); LV 3, 4, 7 (Antiqua); Edictum Rothari, c. 191; Liutprandi leges (723), c. 31 und LB 12 § 1 ein; im salfränkischen Recht galt die Zahlung eines erhöhten Brautpreises als nachträglicher Munterwerb – s. PLS 13 § 1; Esmyol, 112.

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

Recht. Die Notzucht an einer freien Witwe wurde als stuprum eingestuft und mit der Rechtsfolge des adulterium, der Kapitalstrafe, belegt.44 Eine Besonderheit findet sich in ET c. 59. Dieser Fall betrifft die Vergewaltigung einer freigeborenen Jungfrau. War ihr Vergewaltiger vornehmer Herkunft, so traf ihn als Folge seines Tuns die Verpflichtung, sein Opfer zu heiraten und für ihr Auskommen zu sorgen, indem er ihr 1/5 seines Vermögens als Brautgabe – sponsalitia largitas – leistete.45 Wenn der Mann bereits verheiratet war, musste er der Frau 1/3 seines gesamten Vermögens leisten.46 War er dagegen nicht begütert und vermochte deshalb nicht für die Versorgung der Frau zu sorgen, wurde die Tat mit der regulären Strafe aus ET c. 38 wegen adulterium geahndet und durch Hinrichtung des Täters gesühnt.47 Soweit ersichtlich handelt es sich bei ET c. 59 um eine neu geschaffene Regelung ohne direktes römisches Vorbild. Nicht mit Sicherheit zu klären ist, ob und in welchem Verhältnis in dieser Vorschrift germanische oder christliche Rechtsvorstellungen einfließen: Die Pflicht, eine Frau, die nicht verlobt war, nach dem Beischlaf zu heiraten war im mosaischen Recht bekannt,48 wohingegen nach dem römischen Recht der Raub einer freien Frau mit der Kapitalstrafe belegt war.49 Aufgrund des Wortlauts und Inhalts der Vorschrift 4, 1, 2 aus der Collatio legum Mosaicarum et Romanarum möchte Dahn darauf schließen, dass der ostgotische Gesetzgeber direkt auf die biblische Überlieferung ohne den „Umweg“ über Coll. 4, 1, 2 zurückgegriffen habe,50 da in der Bibelstelle im Gegensatz zu Coll. 4, 1, 2, nicht von Verführung gesprochen werde, die Einverständnis der Frau voraussetze.51 Auch Nehlsen geht von einer direkten Abhängigkeit des Titels ET

44 ET c. 60; auch wenn der Wortlaut dies nicht ausdrücklich aussagt, lässt sich doch aus dem Kontext mit ET c. 63, wo lediglich die Vergewaltigung durch einen Sklaven geregelt wird, schließen, dass ET c. 60 nur die Vergewaltigung durch einen Freien behandelt wie Dahn, 73 plausibel darlegt. Die Kapitalstrafe folgt aus ET c. 38 und CTh 9, 40, 1 (313/314); s. auch Mommsen, 699. 45 ET c. 59; die sponsalitia largitas im Edikt entsprach der römischen donatio nuptialis; s. ET c. 54; Johlen, 180. 46 ET c. 59. 47 ET c. 59; die Kapitalstrafe lässt sich auch aus ET c. 63 folgern. 48 Überliefert ist dies auch in Coll. 4, 1, 2. 49 Coll. 4, 1, 2 („Quod si aliqui seduxerit virginem non desponsatam et stupraverit eam, dotabit eam sibi in uxorem“); Deuteronomium 22, 28–29; vgl. auch CTh 11, 36, 1 (314), 4 (339) (C. 1, 30, 1); ein Anwendungsfall unter Totila ist überliefert bei Prokop, De bello Gothico III, 8.; eine Verpflichtung zur Heirat zusätzlich zur Leistung einer Geldbuße findet sich auch im langobardischen Recht; s. Edictum Rothari, c. 187. („. . . et postea mundium eius faciat . . .“); zur Kapitalstrafe nach römischem Recht s. PS 2, 26, 12; PS 5, 4, 4; Mommsen, 665. 50 Dahn, 72. 51 Deuteronomium 22, 28–29; Dahn, 72; der Wortlaut in Coll. 4, 1, 2 („. . . seduxerit . . .“) weist auf ein Einverständnis der Frau hin.

IV. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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c. 59 vom biblischen Vorbild aus, ohne diese Ansicht zu begründen.52 Zudem steht Dahn zufolge eine Differenzierung zwischen Freien nach sozialem Status in „schroffem Gegensatz zur germanischen Verfassung.“ 53 Die Auffassung Dahns erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als nicht zwingend: Nicht nur der Wortlaut der Collatio („Quod si aliqui seduxerit virginem non desponsatam . . .“) weist auf ein Einverständnis der Frau hin. Auch der Wortlaut der in Bezug genommenen Bibelstelle in Deuteronomium 22, 28–29 könnte auf einverständliches Handeln zwischen raptor und der Frau hindeuten („. . . apprehendens concubuerit cum ea“ [Deut. 22, 28]; „. . . qui dormivit cum ea“ [Deut. 22, 29]).54 Demgegenüber scheint der Wortlaut der überlieferten Reste der lateinischen Bibel („Vetus Latina“) nach der Edition Pierre Sabatiers die Auffassung zu stützen, dass Deut. 22, 28 von erzwungenem Beischlaf ausgeht.55 Ob aus dem Vergleich des Wortlauts in Coll. 4, 1, 2 mit Deut. 22, 28–29 hinreichend sichere Rückschlüsse auf die Frage des Einverständnisses der Frau gezogen werden können, ist deshalb fraglich. Nicht absolut zwingend ist darum auch die Ansicht, vom biblischen Vorbild sei auf eine direkte Abhängigkeit des Titels ET c. 59 zu schließen. Zusätzlich liefert eine Vorschrift aus dem langobardischen Recht einen Beleg dafür, dass unter germanischen Völkern die Verpflichtung des raptor bekannt war, die geraubte Frau zu ehelichen und in die Munt zu nehmen.56 Dies lässt eine Herkunft aus germanischen Rechtsvorstellungen wenigstens ebenso plausibel erscheinen. So wenig sicher die Annahme ist, aufgrund des Wortlautes in Coll. 4, 1, 2 sei auf eine direkte Verwendung des biblischen Vorbilds zu schließen, so wenig kann abschließend gesagt werden, ob ET c. 59 ausschließlich auf germanischer Rechtsvorstellung beruht oder jedenfalls auch christliches bzw. mosaisches Denken mit eingeflossen ist. Die Existenz einer vergleichbaren Norm im stark von germanischen Rechtsvorstellungen geprägten langobardischen Recht (Edictum Rothari, c. 187) legt aber nahe, dass es sich bei ET c. 59 um einen germanischen Rechtssatz handelt, der im Edictum Theoderici eine Vorschrift ohne römisches Vorbild ist. Da in Edictum Rothari, c. 187 von einer Notzucht an der freien Frau und anschließen52

Nehlsen, Einfluss, in: Dilcher/Distler, 209. Dahn, 72. 54 Wortlaut nach Nova Vulgata, Bibliorum sacrorum Editio (1998); dieser entspricht auch dem der Vulgata-Ausgabe der württembergischen Bibelanstalt (1969); „apprehendere“ kann m. E. in diesem Zusammenhang sowohl „anfassen“ (kein erzwungener Beischlaf) als auch „ergreifen“ (erzwungener Beischlaf) bedeuten. 55 „Si autem invenerit aliquis puellam virginem, quae sponsata non est, et vim faciens ei dormierit cum ea, . . .“ – S. 369 der Ausgabe Sabatiers („Vetus italica“), Band 1 von 1751. 56 Edictum Rothari, c. 187; dafür, dass es sich hierbei um einen allgemeines Gebot des germanischen Rechts gehandelt habe Wilda, 844. 53

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

der Heiratsverpflichtung des Täters ausgegangen wird, was sich inhaltlich mit der Regelung in ET c. 59 deckt,57 widerspricht dies der These Dahns und Nehlsens. Schließlich ist die Behauptung Dahns, eine ungleiche Behandlung innerhalb der Freien sei den germanischen Stammesrechten fremd und im schroffen Gegensatz zu germanischen Rechtsvorstellungen stehend, ohne jede Grundlage. Als Beleg gegen diese Auffassung dienen alleine schon die nach verschiedenen Ständen der Freien ausdifferenzierten Bußvorschriften der Lex Burgundionum mit den dort enthaltenen unterschiedlichen Wergeldsätzen.58 Dies folgt auch weiter aus der ständischen Gliederung der Gesellschaft im ostgotisch beherrschten Italien, worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird. Einen entscheidenden Beleg für eine Differenzierung innerhalb der Schicht der Freien im ostgotischen Recht liefert aber letztlich ET c. 59 selbst: Denn wie Nehlsen zutreffend ausführt, ergibt sich aus ET c. 59 gerade eine Differenzierung, die ihm Hinblick auf den sozialen Status des betroffenen Freien vorgenommen wird. Dem vornehmen Freien soll die Todesstrafe erspart bleiben, so dass der vornehme Freie die Todesstrafe abwenden konnte, indem er die Frau unabhängig von ihrem sozialen Status ehelichte.59 Gegen eine durch crimen raptus begründete Verbindung stand der Weg des iudicium publicum offen.60 Wurde eine solche Klage allerdings nicht innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren erhoben, so wurde die Legitimität der Verbindung sowie der aus dieser Verbindung hervorgegangenen Nachkommenschaft fingiert.61

V. Verbot der Mehrehe Das ostgotische Recht ging wie das westgotische und das römische Recht von einer monogamen Ehe aus.62 Neben der bestehenden legitimen Ehe war deshalb

57 Wenngleich Nehlsen die Auffassung vertritt, es sei bereits bei sämtlichen germanischen Leges davon auszugehen, dass deren Verfasser bibelkundig waren und die gemeinhin als germanischer Herkunft eingestuften archaischen Bestandteile auf alttestamentarische Vorbilder zurückzuführen seien, s. Nehlsen, Einfluss, in: Dilcher/Distler, 218. 58 Die Freien unterteilen sich im burgundischen Recht nach Hochfreien – obtimates (nobiles); Mittelfreie – mediocres und Gemeinfreie minores personae, inferiores; vgl. zur ständischen Differenzierung z. B. LB 2, 2; LB 26, 1–3; LB 101, 1, 2; die Differenzierung findet sich vorwiegend in der Höhe der Bußen, die als Wergeld zu leisten sind und den Wert eines Getöteten widerspiegeln; vgl. Roth, in: LexMA 8, 2199 ff.; zur ständischen Gliederung der ostgotischen Gesellschaft noch im Folgenden. 59 Nehlsen, Einfluss, in: Dilcher/Distler, 209 ohne weitere Quellenangaben; vgl. ET c. 75; ET c. 91; ET c. 104; ET c. 108. 60 Hierzu Kaser/Hackl2, § 66 VI; Mommsen, 180 ff., 186. 61 ET c. 20; römische Vorbildnorm ist CTh 9, 24, 3 (374); LRV CTh 9, 19, 2. 62 Dies lässt sich beispielsweise aus einer Gesamtschau von ET c. 59 (2. Satz) und Cassiodor, Variae IX, 18, 6 – Edictum Athalarici 6 (MGH AA 12, 284) schließen; ist

V. Verbot der Mehrehe

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weder eine Konkubinatsverbindung noch ein contubernium noch eine zweite Ehe möglich.63 Vor einer zweiten Heirat musste eine zuvor bestehende Ehe wirksam beendet worden sein. Die Ehe konnte durch die aus dem römischen Recht bekannten Beendigungstatbestände, namentlich durch Freiheitsverlust64, Tod des Ehepartners oder Scheidung beendet werden.65 Bestand eine legitime Ehe und ließ sich ein Ehepartner auf eine Verbindung mit einem anderen ein, so war der Betreffende – unabhängig davon, ob die neue Verbindung sich lediglich als außereheliche geschlechtliche Verbindung oder Zweitehe darstellte – wegen adulterium strafbar.66 Die Kapitalstrafe auf Ehebruch war von Konstantin67 eingeführt worden und hatte die frühere Strafe der Vermögenskonfiskation und Verbannung68 verschärft.69 Diese Verschärfung behielt Theoderich der Große ganz in Übereinstimmung mit seiner sonstigen gesetzgeberischen Tendenz zur Verhängung drakonischer Strafen in ET c. 38 bei, die sich offenkundig an der aus dem Codex Theodosianus bekannten Vorschrift orientiert.70 Von der Kapitalstrafe betroffen waren auch Mitwisser oder Gehilfen;71 so auch diejenigen Gehilfen, die dem ehebrecherischen Paar das eigene Haus zur Verfügung gestellt hatten.72 Im Recht des Edictum Theoderici wurde die durch die spätantike Kaisergesetzgebung ausgestaltete, eingeschränkte Möglichkeit der Scheidung aufgegriffen: In das Edikt wurden diejenigen Tatbestände aufgenommen, die nach den Kaiserkonstitutionen zur Lösung der Ehe berechtigten, d. h. Mord, Giftmischerei oder Grabschändung im Falle des Mannes, Ehebruch,73 Giftmischerei sowie Kup-

aufgrund der Fortgeltung des römischen Rechts aber auch selbstverständlich; vgl. hierzu auch Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 179. 63 Vgl. Kaser, RP II2, § 217 II 3. 64 Der Freiheitsstatus konnte durch Richterspruch verändert werden. In ET c. 2 droht einem Richter Strafe, der nach erfolgter Bestechung einen Freien willkürlich zum Sklaven erklärt; vgl. zudem Kaser, RP II2, § 219 I 1 und oben Kapitel B. IV. 65 Vgl. Kaser, RP II2, § 219 I, II und oben Kapitel B. IV. 66 ET c. 38. – Kapitalstrafe; Mommsen, 699; Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 187. 67 CTh 9, 40, 1, 1 (314/315) = LRV CTh 9, 30, 1. 68 PS 2, 26, 14. 69 Mommsen, 698 f. 70 CTh 9, 40, 1 (314/315). 71 ET c. 38; vgl. Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 187. 72 ET c. 39; als römisches Vorbild findet sich Marcian, D. 48, 9 pr.; hieran lehnt sich ET c. 39 schon vom Wortlaut her eng an. 73 Im Falle des Ehebruchs wird die Tötung des Ehebrechers durch den Ehemann als entschuldigt angesehen – Johlen, 181; s. Cassiodor, Variae II, 11, 1 (MGH AA 12, 51 f.); Cassiodor, Variae I, 37 (MGH AA 12, 35); vgl. Meyer-Flügel, 494 ff.

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

pelei im Falle der Frau.74 Als römische Vorbilder sind hierbei CTh 3, 16, 1 (331) und CTh 3, 16, 2 pr. (421) erkennbar.75 Der volkssprachliche Begriff „aggagula“ in ET c. 54 ist eine sprachliche Besonderheit des Edikts. Hierbei dürfte es sich um die Kupplerin – conciliatrix – aus CTh 3, 16, 1 (331) handeln.76 ET c. 54 ordnet den Begriff „aggagula“ dem Dialekt des Volkes zu, deshalb ist ein gotischer Ursprung wahrscheinlich. Ein auffälliger Unterschied des ET c. 54 zum theodosianischen Vorbild ist die Tatsache, dass der Titel des Edikts zwar die Scheidungsgründe und das Erfordernis eines positiv vor Gericht erbrachten Nachweises übernimmt, im Übrigen aber lediglich die vermögensrechtlichen Folgen sowohl hinsichtlich einer berechtigt als auch einer unberechtigt betriebenen Scheidung regelt, wohingegen im Codex Theodosianus weitere Folgen der unberechtigten Scheidung genannt sind.77 Der Mann, der unberechtigt die Scheidung betrieb, verlor das Eigentum an der dos an die Frau und das Eigentum an der donatio nuptialis78 an die Kinder, die Frau erhielt den Nießbrauch – ususfructus – daran.79 Außerdem stand es der zu Unrecht verstoßenen Frau frei, sich einen neuen Gatten zu wählen.80 Betrieb die Frau grundlos die Scheidung, erhielt der Mann den Nießbrauch an der dos und der donatio, wobei das Eigentum auf die Kinder entfiel.81 Von der Aufnahme weiterer Sanktionen in das Edikt sah Theoderich in Abweichung zu CTh 3, 16, 1 (331) ab. Dort war für den sich unberechtigt Scheidenden über die vermögensrechtlichen Folgen hinaus das Verbot einer weiteren Ehe ausgesprochen; die sich unberechtigt scheidende Frau wurde mit Deportationsstrafe und Vermögenskonfiskation belegt.82 Eine solche Strafandrohung findet sich in ET c. 54 nicht.83 Die gesetzgeberische Entscheidung, die Strafen des theodosianischen Vorbilds nicht in das Edikt aufzunehmen, dürfte mit dem Bestreben Theoderichs nach

74 ET c. 54; vgl. Kaser, RP II2, § 219 II 1; in ET c. 108 wird die Kapitalstrafe für Zauberei oder Giftmischerei aus dem römischen Recht übernommen; vgl. Mommsen, 643 u. 643 Fn. 4. 75 Dies entspricht LRV CTh 3, 16, 1 und LRV CTh 3, 16, 2 pr. (so.); s. Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 14. 76 s. Johlen, 181; ET c. 54 entspricht daher inhaltlich LRV CTh 3, 16, 1, 1. 77 CTh 3, 16, 1 (331); die Frau wurde zusätzlich zum Vermögensverlust der Relegationsstrafe unterworfen; der sich unberechtigt scheidenden Mann durfte nicht mehr heiraten. 78 Im Edikt Theoderichs wird anstelle des Begriffs donatio die Bezeichnung sponsalitia largitas verwendet – Johlen, 180. 79 ET c. 54. 80 ET c. 54. 81 ET c. 54. 82 CTh 3, 16, 1 (331); übernommen in LRV CTh 3, 16, 1 mit IT. 83 Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 15.

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Wiederherstellung der Rechtskontinuität nach dem Vorbild der Gesetzgebung der Prinzipatszeit zu erklären sein.84 Theoderich setzte sich auf der Rechtsfolgenseite von der seit Konstantin verschärften Scheidungsgesetzgebung ab; in der Prinzipatszeit war die Ehe abgesehen von vermögensrechtlichen Nachteilen frei scheidbar gewesen.85 In dieser Tradition stand auch die Novelle des Kaisers Theodosius II. Nov. Th. 12 von 439, die sich ausdrücklich von den im Falle unberechtigter Scheidung drohenden Sanktionen distanzierte und die entsprechende Gesetzgebung außer Kraft setzen wollte.86 Die Novelle könnte Theoderich für die Rechtsfolgenseite als Vorbild gedient haben. Das Edictum Theoderici geht wie die nachklassische römische Rechtslage davon aus, dass die Scheidung formgebunden war und schriftlich, d. h. mittels libellus repudii zu erfolgen hatte. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut von ET c. 54, der den Begriff des repudium enthält, der in der nachklassischen Zeit mit dem Scheidebrief selbst gleichgesetzt wurde.87 Zum anderen weist hierauf auch die wahrscheinliche Benutzung von Nov. Th. 12 als Vorbild, da dort der Scheidebrief als Formerfordernis der Scheidung genannt wird.88

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand 1. Reichweite des Titels Edictum Theoderici c. 36 Nach ET c. 36 sollte keine legitimen Nachkommen hervorbringen können, wer eine nicht als legitim anerkannte Ehe einging. Eine solch illegitime Verbindung sollte nach den geltenden Gesetzen missbilligt sein.89 Infolgedessen bedarf die Bestimmung der Rechtsfolge dieser allgemein gehaltenen Norm der weiteren Auslegung durch Quellen außerhalb des Edikts. Sie wurde aufgrund ihrer weiten Formulierung bei von Halban als „Rahmengesetz“ bezeichnet.90 Nach den Grundsätzen des römischen Rechts kommen als illegitime Ehen namentlich stammesverschiedene Ehen in Betracht, ferner inzestuöse oder polygyne Verbindungen sowie Ehen zwischen Freien und Unfreien oder Standesniederen. Der Wortlaut des ET c. 36 lässt die Auslegung zu, dass sämtliche aus dem römischen Recht bekannten illegitimen Verbindungen unter ET c. 36 zu fassen sind. 84

Brennecke, in: ZAC 4, 146; Kakridi, 232 f. C. 8, 38, 2 (223); vgl. Kaser, RP I2, § 77 III 1; Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 15. 86 Nov. Th. 12 (439); die offenbar durch bewusste Entscheidung des westgotischen Gesetzgebers keine Aufnahme in das Breviar gefunden hat (s. oben). 87 Hierzu Levy, Ehescheidung, 125 ff.; s. auch 132 Fn. 2. 88 Nov. Th. 12 (439). 89 ET c. 36; Vorbilder finden sich in C. 5, 5, 6 (396); Gai. Inst. 1, 64; s. auch Gai. Inst. 1, 58; weit gefasste Formulierung in ET c. 36 unter Verweis auf „allgemeine Gesetze“ – in CTh 3, 12, 1 pr. (342) ist die Kapitalstrafe bezogen auf das incestum. 90 von Halban, 147. 85

100

C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

Ubl sieht die Vorschrift aufgrund der zu bemerkenden Anlehnung von ET c. 36 an eine Vorschrift aus dem Codex Theodosianus, CTh 3, 12, 1 (342) u. 3 (396), die eine Übereinstimmung in Gaius, Institutiones I, 64 findet, als speziell auf das Inzestverbot ausgerichtet an.91 Die gegenteilige Auslegung ist jedoch überzeugender. Im römischen Recht wurde der Rechtsbegriff des iustum matrimonium oder matrimonium legitimum92 unterschiedlichen Tatbeständen zugeordnet und nicht nur darauf beschränkt, darzulegen, dass eine inzestuöse Verbindung ein iniustum matrimonium war. Der Begriff nuptias (non) legitimas wird in ET c. 36 ebenso ausdrücklich verwendet wie der Begriff des iustum matrimonium. Beide Begriffe sind wie die gesamte Norm weit und nicht nur auf das Inzestverbot beschränkt zu verstehen. Es spricht nichts dagegen, zu vermuten, dass ET c. 36 des theoderizianischen Edikts CTh 3, 12, 3 (396) und Gai. Inst. I, 64 zum Vorbild hat,93 jedoch spricht ebenso wenig dagegen, den Inhalt weiter zu verstehen und auf sämtliche nach römischem Recht bekannten Ehehindernisse zu beziehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Begriff des incestum aus als Vorbild dienenden römischen Rechtsquellen in das Edictum Theoderici übernommen worden oder wenigstens eine Umschreibung der Reichweite der Inzesttatbestände erfolgt wäre, wenn sich ET c. 36 nur auf das incestum hätte beschränken sollen.94 Die in ET c. 36 in Bezug genommene Rechtsfolge muss deshalb aus den allgemeinen Gesetzen und den dort für das jeweilige Eheverbot angeordneten Rechtsfolgen zu entnehmen sein und z. B. im Falle des incestum in der Kapitalstrafe bestanden haben.95

91 Ubl, 108; in Gai. Inst. I, 64 wird eine inzestuöse Verbindung explizit als Verstoß gegen das göttliche Recht – nefas – eingeordnet. 92 s. UE 5, 2 (iustum matrimonium); oder Gai. Inst. I, 55 (iustis nuptiis); Pomp. D. 23, 2, 4 (uxor legitima); Cels. D. 1, 5, 19 (legitimae nuptiae); Ulp. D. 1, 5, 24 (matrimonium legitimum); C. 5, 27, 5 (iustum matrimonium; coniugium legitimum); s. ferner Inst. 10 pr; die römische Ordnung kannte nur noch einen Typus der gültigen Ehe, das matrimonium iustum oder legitimum – Kaser, RP II2, § 216 III. 93 Als mögliches Vorbild kommt auch eine Konstitution der Kaiser Arcadius und Honorius von 396 in Betracht, die in C. 5, 5, 6 überliefert ist, s. oben Kapitel C. VI. 1. Fn. 89. 94 Deshalb ist die schlichte Behauptung Ubls, die verkürzte Formulierung sei in erster Linie auf den Charakter des Edikts als Kurzfassung des römischen Rechts zurückzuführen, nicht überzeugend; s. Ubl, 108; dass in ET c. 36 nach Kompilation jeglicher Hinweis auf das incestum fehlt, stellt auch Lafferty, Law and Society in Ostrogothic Italy, in: JLA, Vol. 3 Nr. 2, 256 sowie Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 179 ff. fest; Lafferty interpretiert aber ET c. 36 so, dass im ostgotischen Reich eine liberalere Einstellung zum Inzesttatbestand geherrscht habe, weil offenbar nur eine begrenzte Anzahl an potentiellen Ehepartnern vorhanden waren – Lafferty, Law and Society in Ostrogothic Italy, in: JLA, Vol. 3 Nr. 2, 257; ders., Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 181; diese Annahme ist spekulativ. 95 CTh 3, 12, 1 (342).

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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2. Stammesverschiedene Ehen Anders als im westgotischen Recht beanspruchte die Gesetzgebungstätigkeit des ostgotischen Herrschers Theoderich von Beginn an sowohl für den römischen als auch für den gotischen Bevölkerungsanteil Geltung.96 Dennoch ist aus dem Edictum Theoderici nicht klar zu erkennen, ob eine Mischehe zwischen Angehörigen der gotischen und der römischen Bevölkerung als iustum matrimonium Anerkennung finden konnte, weil das Edikt hierzu eine klarstellende Regelung vermissen lässt. Zur Beantwortung dieser Frage ist von der Zielrichtung des Edikts auszugehen, durch Rechtsvereinheitlichung Rechtsfrieden im ostgotischen Reich unter Fortgeltung der überlieferten Grundsätze des römischen Rechts zu schaffen. Das Recht des Codex Theodosianus war weiterhin in Kraft. Dies gilt auch für die Vorschrift aus CTh 3, 14, 1 (373), welche die Legitimität einer Ehe an das römische Bürgerrecht knüpfte und eine Ehe mit Barbaren mit dem Tode bestrafte.97 Es besteht allerdings eine Diskrepanz zwischen dieser Konstitution, wenn man deren fortdauernde Geltung im ostgotischen Reich annimmt, und der Zielrichtung der Herrschaft Theoderichs des Großen, für ein gedeihliches Zusammenleben beider Volksgruppen im nun ostgotisch beherrschten Italien zu sorgen und Goten und Romanen einander anzunähern. Jedoch deutet die Tatsache, dass auch im Edictum Theoderici eine begriffliche Unterscheidung zwischen Romani und Barbari vorgenommen wird,98 darauf hin, dass trotz der Annäherungstendenz weiterhin eine Trennung zwischen Goten und Römern vorgenommen wurde, die einer Anerkennung der stammesverschiedenen Ehe entgegen gestanden haben könnte. Das Edictum Theoderici steht bei dieser begrifflichen Unterscheidung in der römischen Rechtstradition. Gleichwohl ist in der historiographischen Überlieferung die Zuordnung der Ostgoten zu den barbari nicht einheitlich: Sowohl Cassiodor als auch Iordanes99 gehen davon aus, dass die Goten keine Barbaren sind. Dies lässt sich insbesondere dadurch aufzeigen, dass sie den Goten die Franken als Barbaren gegenüberstellen.100 Demgegenüber lassen andere Autoren keinen Zweifel daran, dass die Goten als Barba-

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ET prol. CTh 3, 14, 1 (370/373); auch übernommen in LRV CTh 3, 14, 1, s. oben; vgl. Blockley, in: Florilegium 4, 63–79; der CTh 3, 14, 1 (368) als Vorschrift mit Ausnahmecharakter eingeordnet wissen möchte, vgl. ders., Florilegium 4, 63 ff. 98 ET prol.; ET epil.; ET c. 32; ET c. 34; ET c. 43; ET c. 44 nehmen diese Unterscheidung vor; zur Verbindung mit den konfessionellen Gegensätzen zwischen Arianismus und Katholizismus sogleich. 99 Vgl. zu Iordanes und der Getica Manitius, 210 ff. 100 Cassiodor, Variae III, 17, 1 (MGH AA 12, 88); Cassiodor, Variae II, 5, 2 (MGH AA 12, 50); Cassiodor, Variae IX, 21, 4 (MGH AA 12, 286); Iordanes, Getica, 176 (MGH AA 5.1, 104); vgl. Meyer-Flügel, 54–65 m.w. N. 97

102

C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

ren anzusehen sind.101 Dieser römischen Sicht könnten an sich auch die Formulierungen des Edikts entsprechen. Es sprechen jedoch gute Gründe dafür, ET c. 36 in dem Sinne auszulegen, dass ein iustum matrimonium im ostgotischen Herrschaftsbereich nicht vom römischen Bürgerrecht abhängig war und Mischehen zugelassen wurden, weil die Ostgoten nicht als barbari galten. Durch Quellen lässt sich belegen, dass Ehen zwischen Goten und Romanen im ostgotischen Reich verbreitet waren und der sozialen Realität entsprachen. Oftmals wird von exogamen Ehen in den herrschenden Familien berichtet. Dem lag zumeist das Bestreben zugrunde, sich durch sog. Ansippung Macht und Einfluss in der römischen Oberschicht, namentlich auch der kaiserlichen Familie selbst zu sichern.102 So hatte bereits 414 der (west-)gotische Heerkönig Athaulf die Kaisertochter Galla Placidia geheiratet.103 Ein weibliches Mitglied der ostgotischen Königsfamilie heiratete 535 mit Flavius Maximus ein Mitglied der kaiserlichen Familie; ferner ehelichte die Enkelin Theoderichs, Matasuntha, nach dem Tode ihres ersten Mannes Vitigis (ostgotischer König 536–540)104 mit Germanus einen Neffen des Kaisers Iustins I.105 Mag sich dies im Falle der Angehörigen der herrschenden Familien neben der politischen Opportunität noch damit erklären lassen, dass die führenden gotischen Familien durch Dienst im römischen Heer das römische Bürgerrecht erworben hatten,106 deuten entsprechende Namen (Brandila/Procula bzw. Patza/ Regina) darauf hin, dass auch für niederstehendere Schichten Mischehen anerkannt waren.107 Bestätigung findet dieser Standpunkt in einer weiteren Passage der Variae des Cassiodor, in der ein Rechtsstreit über die Wiederheirat der Römerin Aetheria, die nach dem Tod des gotischen Ehemannes einen Römer heiratete, behandelt wird.108 Dies lässt sich nur so verstehen, dass unter dem Geltungs-

101 So z. B. Ennodius, Vita Epiphanii 97, 100 (MGH AA 7, 96); Vita Epiphanii 64 (MGH AA 7, 92); Gelasius, Ep. 6.1 (MGH AA 12, 391); vgl. zur Einstufung als Barbar auch Opelt/Speyer, in: Jahrbuch für Antike und Christentum 10, 250–290, insbes. 281; Ensslin2, 194 u. 377 Fn. 8; vgl. auch Moorhead, 81 ff. 102 Zur Ansippung vgl. Wolfram, Gotisches Königtum und römisches Kaisertum, in: FmSt 13, 10 f. m.w. N.; diese Politik war im Ergebnis wohl wenig erfolgreich; s. auch Goltz, 498 f. m.w. N. 103 s. Wolfram, Gotisches Königtum und römisches Kaisertum, in: FmSt 13, 10. 104 s. Wolfram, Goten5, 343. 105 Cassiodor, Variae X, 11, 3 (MGH AA 12, 304 f.); Cassiodor, Variae X, 12, 2 u. 3 (MGH AA 12, 305), (Flavius Maximus); Prokop, De bello Gothico III, 39; Iordanes, Getica 81, 251, 314 (MGH AA 5.1, 77, 122, 138) (Malaswintha); s. Moorhead, 84 f.; Blockley, in: Florilegium 4, 71. 106 Moorhead, 84 m.w. N. 107 Cassiodor, Variae V, 32 (MGH AA 12, 160 f.); Cassiodor, Variae V, 33 (MGH AA 12, 161); s. Moorhead, 85; eine umfangreiche Auflistung weiterer Beispiele findet sich bei Blockley, in: Florilegium 4, 66–70; vgl. ferner Wolfram, Goten5, 300, 320. 108 Cassiodor, Variae IV, 12 (MGH AA 12, 119 f.).

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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bereich des Edictum Theoderici Mischehen zwischen Romanen und Goten unter Abkehr von CTh 3, 14, 1 (368) als iustum matrimonium anerkannt waren und ET c. 36 in diesem Sinne auszulegen ist.109 In diese Richtung gehen auch die Formulierungen, in denen ein Abkömmling aus einer Verbindung mit Angehörigen eines anderen germanischen Stammes als semibarbarus bezeichnet wird.110 Außerdem ist von Gewicht, dass Theoderich der Große selbst die Ostgoten aus dem Kreis der Barbaren ausnahm, als er von der Niederschlagung des barbarischen Aufruhrs berichtet.111 Schließlich ist von Bedeutung, dass jedenfalls für die Kirche Stammesverschiedenheit nicht als Ehehindernis galt.112 Darin zeigt sich, dass die Ostgoten nicht als Barbaren einzustufen sind und Ehen zwischen Romanen und Goten zulässig gewesen sein müssen.113 Die begriffliche Unterscheidung im Text des Edikts dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Capita des Edictum Theoderici sowohl dem Inhalt als auch der Wortwahl nach aus den als Vorbild herangezogenen römischen Quellen schöpften;114 ebenso kann die Differenzierung zwischen Romani und Barbari darauf zurückzuführen sein, dass sich im Gefolge der Goten noch andere barbarische Volksstämme in Italien angesiedelt hatten, welche ihre ethnische Eigenständigkeit beibehielten und sich von den übrigen Bevölkerungsteilen abgrenzten.115 3. Inzestverbot Unter Verstoß gegen das Inzestverbot konnte keine legitime Ehe geschlossen werden.116 Infolgedessen war auch die Nachkommenschaft aus einer solchen Verbindung nicht legitim.117 In Fortgeltung des römischen Rechts in Bezug auf Zählung der Verwandtschaftsgrade und der Tatbestände des Inzestverbots geht das Edictum Theoderici von einem Verbot der Ehe mit Verwandten bis zum vier-

109 s. Johlen, 182; Moorhead, 85, der in Fn. 85 weiter auf inschriftliche Belege verweist; eine ebensolche Abkehr von CTh 3, 14, 1 (368) wurde wie oben aufgezeigt im westgotischen Recht durch LV 3, 1, 1 (Antiqua) vorgenommen; s. auch Saar, Ehe, 130 f. 110 So z. B. Iordanes, Getica, 83 f. (MGH AA 5.1, 78) bezogen auf Kaiser Maximinus, dessen Vater Gote und dessen Mutter Alanin gewesen sein soll; Hieronymus, Ep. 123, 16 bezogen auf Stilicho (römische Mutter, vandalischer Vater); Moorhead, 83. 111 Cassiodor, Variae III, 43 (MGH AA 12, 100). 112 Saar, Ehe, 130 m.w. N. in Fn. 5. 113 A. A., aber ohne Begründung und Quellenangaben Giese, 83. 114 So auch Lafferty, Law and Society in Ostrogothic Italy, in: JLA, Vol. 3 Nr. 2, 344. 115 Es handelt sich um Angehörige der Volksgruppen der Rugier, Eruler, Skiren, Turkilingen, Sueben, Sarmaten und Taifalen; s. Giese, 83. 116 ET c. 36. 117 ET c. 36 ist unter Hinblick auf die römischen Vorbilder in C. 5, 5, 6; Gai. Inst. 1, 64 in diesem Sinne zu interpretieren; s. auch Cassiodor, Variae VI, 8 (MGH AA 12, 181 f.).

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

ten Grad aus.118 In Übereinstimmung mit der römischen Tradition wird der Verstoß gegen das Inzestverbot in den Varien Cassiodors als Frevel wider die Natur und die göttlichen Gebote angesehen119 und deshalb mit dem Tode bestraft.120 Das ostgotische Recht kannte ebenso wie das westgotische und das römische Recht den Dispensierungsvorbehalt des Herrschers, mit dem eine Legitimation der Ehe mit einem Verwandten im 4. Grad (Cousin/Cousine 1. Grades) erreicht werden konnte.121 Dies ist bei Cassiodor in Variae VII, 46 überliefert.122 Ein materieller Unterschied des theoderizianischen Inzestverbots zum überlieferten römischen Recht ist nicht festzustellen. 4. Eheverbote aufgrund personenrechtlichen Status In der ostgotischen Gesetzgebung lässt sich ebenfalls das im westgotischen Recht beobachtete Phänomen feststellen, dass die verschiedenen Gesellschaftsschichten von oben nach unten voneinander abgegrenzt werden. Die ostgotische Gesellschaft nahm ebenso wie die westgotische Gesellschaft eine strenge Trennung zwischen Freien und Unfreien vor, was sich in Heiratsverboten niederschlug. Zudem finden sich im ostgotischen Recht Anhaltspunkte dafür, dass auch innerhalb der Schicht der Freien nach gesellschaftlichem Status Differenzierungen vorgenommen wurden, deren Auswirkungen auf die Ehevoraussetzungen der Betrachtung bedürfen. a) Sklaven Das Edikt Theoderichs des Großen weist einen Schwerpunkt in der Sklavengesetzgebung und infolgedessen detaillierte Regelungen über die Rechtsverhältnisse der Unfreien auf, welche überwiegend auf römisches Vorbild zurückzuführen, mitunter aber auch offenkundig eigenständig formuliert worden sind.123 118 s. hierzu LRV CTh 3, 12, 1–5; vgl. die Verwandtschaftsgrade nach römischem Recht in LRV PS 4, 10, 7 u. 8 und oben Kapitel B. V. 2. a). 119 Cassiodor, Variae VI, 8 (MGH AA 12, 181 f.); so schon bereits Diokletian im Jahre 295, überliefert in Coll. 6, 4, 8 (159); s. Ubl, 106; zur Collatio legum Mosaicarum et Romanarum vgl. Liebs, Jurisprudenz, 162–174. 120 Das folgt aus der Verweisung in ET c. 36 auf die allgemeinen Gesetze; die einschlägige Rechtsfolge ergibt sich aus CTh 3, 12, 1 (342); s. Mommsen, 688. 121 CTh 3, 10, 1 (409); LRV CTh 3, 10, 1. 122 Ubl weist darauf hin, dass in Cassiodor, Variae VII, 46 (MGH AA 12, 225 f.) sich zwar in der Argumentationslinie christlicher Einfluss niederschlägt, sich dieser aber im Ergebnis nicht auswirkt, da es bei den Vorgaben des römischen Rechts blieb, die strenger gefasst sind als die Inzestvorschriften aus dem mosaischen Recht, Ubl, 206 f.; die Dispensierung durch den Herrscher änderte nichts an der sozialen Missbilligung einer solchen Ehe. 123 Insgesamt handeln mehr als 40 capita von Unfreien – s. Nehlsen, Sklavenrecht, 120; zur Bedeutung der Sklaverei im Ostgotenreich vgl. dort 123 ff. m.w. N.

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Ehen zwischen Freien und Sklaven waren nach dem Edictum Theoderici nicht zulässig.124 Auffallend ist die große Anzahl an Regelungen, die Gewalt- bzw. Geschlechtsverbrechen von Sklaven betreffen. Das Edictum Theoderici kannte zwei Gruppen von Unfreien: Die Sklaven – servi, mancipii – und die Kolonen. Für diese an ihre Scholle gebundenen Unfreien wurden im Edikt die Bezeichnungen originarii oder coloni verwendet.125 Entgegen älterer Auffassung stellen die originarii und coloni des theoderizianischen Edikts keine verschiedenen Gruppen Unfreier dar.126 Nehlsen zeigt auf, dass es sich um im Edictum Theoderici in willkürlichem Wechsel synonym verwendete Begriffe handelt und die coloni bzw. originarii des theoderizianischen Edikts den aus dem römischen Recht bekannten coloni originarii entsprechen.127 Die Bezeichnung originarii für Kolonen rührt von der Bindung an ihre origo her.128 Der Begriff coloni originarii des römischen Rechts129 wurde bei Abfassung des Edictum Theoderici auseinandergerissen und die beiden Bestandteile dieses Rechtsterminus vollständig synonym verwendet.130 Weiter waren die Kolonen als zweite Gruppe von Unfreien neben den Sklaven diesen im ostgotischen Reich der Rechtsstellung nach nahezu vollständig gleichgestellt. Dies lässt sich beispielhaft anhand einer Gegenüberstellung von ET c. 84 und C. 6, 1, 4 pr., 1 u. 4 nachvollziehen. Es ist deutlich zu erkennen, dass sich ET c. 84 eng an der Konstitution Kaiser Konstantins von 317 anlehnt, aber entgegen der auf den servus beschränkten Formulierung in der konstantinischen Konstitution den servus verbunden durch sive dem colonus als gleichwertig gegenüber stellt.131 Die Rechtsstellung der Kolonen nach dem Edictum Theoderici ist derjenigen der Sklaven in einem so starken Maße angeglichen, dass sie vorbehaltlos zu den Unfreien gezählt werden dürfen.132 Da Unfreie im ostgotischen wie im römischen Recht nicht ehefähig waren, konnten Verbindungen zwischen Freien und Sklaven bzw. Unfreien untereinander 124

Z. B. ET c. 61. s. ET c. 21; ET c. 48; ET c. 56; ET c. 63–68; ET c. 84. 126 So aber z. B. Dahn, 35. 127 Nehlsen, Sklavenrecht, 129 f.; vgl. Kaser, RP II2, § 213 I, II; ders., RP I2, § 71 I Fn. 2; de Neeve, 119 ff. zu Gründen und Entwicklung des Kolonats; vgl. ferner Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 96 ff. insbesondere zu ET c. 64. 128 Z. B. CTh 10, 20, 10, 1 (380); CTh 5, 18, 1 pr. (419); Nov. Val. 27, 4 (449); Nov. Mai. 7, 5 (458); Kaser, RP II2, § 213 II 2 d). 129 So z. B. in C. 11, 48, 11 (366) überliefert. 130 Nehlsen, Sklavenrecht, 129. 131 ET c. 84; C. 6, 1, 4 pr., 1 u. 4; s. Nehlsen, Sklavenrecht, 130; eine Besserstellung des ostgotischen Kolonen gegenüber dem servus findet sich lediglich in ET c. 146 (entlehnt aus PS 2, 31, 30), dort wird dem colonus bei Streitigkeiten um Früchte Prozessfähigkeit zugestanden; Nehlsen, Sklavenrecht, 131 Fn. 55. 132 Nehlsen, Sklavenrecht, 131; s. auch Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 167 m.w. N. in Fn. 41. 125

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

nur als contubernium bestehen. Es bestand Regelungsbedarf darüber, wem die Nachkommen aus einer solchen Liaison zustanden. Brachte eine ancilla Kinder zur Welt, folgten diese stets dem Freiheitsstatus ihrer Mutter, unabhängig davon, ob ihr Vater Freier oder selbst Sklave war. Die Nachkommenschaft stand folglich immer dem Herrn der Sklavin zu.133 Diese Regelung entspringt einem römischen Rechtssatz, der z. B. in Celsus, D. 1, 5, 19 und Gai. Inst. I, 80 überliefert ist und darauf beruht, dass die Nachfolge der Kinder in den Rechtsstatus der Mutter das einzig sichere Kriterium zur Bestimmung der Herkunft der Kinder ist, da sich ein Vater oftmals nicht sicher ermitteln lässt.134 Bei Verbindung einer Grundhörigen mit einem Sklaven oder einem Freien standen die Kinder aus dieser Verbindung dem Herrn der originaria zu.135 Wenn sich aber zwei originarii miteinander verbanden, standen von der Anzahl der Kinder zwei Drittel dem Herrn des originarius zu, ein Drittel dem Herrn der originaria. So sollte ein gerechter Ausgleich der herrschaftlichen Interessen erzielt werden.136 Aus den spätantiken Quellen sind vereinzelte Verbotsnormen bekannt, die eine solche Trennung von Eltern und Kindern bzw. die Trennung der Partner mit unterschiedlichem Freiheitsstatus verbieten.137 Da der ostgotische Gesetzgeber sich aber in besonderem Maße der Materie des Sklavenrechts angenommen und hierzu vielfältige Regelungen getroffen hat, kann nicht angenommen werden, dass dieses Verbot weiterhin Geltung beanspruchte. Dieses findet sich im Edictum Theoderici nicht,138 so dass sich schlussfolgern lässt, dass aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung der Unfreien im italischen Ostgotenreich die Wahrung der Interessen des Herrn am Erhalt der unfreien Nachkommenschaft weit vorrangig war. Gleichzeitig bestätigt dieser Punkt auch die schwache rechtliche Stellung der Sklaven unter ostgotischer Herrschaft, welche sich im Vergleich zur spätrömischen Zeit noch verschlechtert hatte.139

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ET c. 65. Cels. D. 1, 5, 19; Gai. Inst. 80. 135 ET c. 66. 136 ET c. 67; diese Norm ist angelehnt an CTh 5, 18, 1, 3 (419); dort wird der Verbleib der Nachkommenschaft im Zusammenhang mit einer Flucht der Grundhörigen von ihrer Scholle behandelt; s. auch Nov. Val. 35, 19; s. Kaser, RP II2, § 213 II 4 a) mit Fn. 58; dass dem Herrn der originaria lediglich ein Drittel der Kinder zustand, hängt wohl damit zusammen, dass der Wert einer gebärfähigen originaria höher gelegen haben dürfte als der eines männlichen Unfreien. 137 CTh 2, 25, 1 (325/334) = LRV CTh 2, 25, 1 mit IT; vgl. Kaser, RP II2, § 209 II 3 u. Fn. 22. 138 Nehlsen, Sklavenrecht, 128. 139 Nehlsen, Sklavenrecht, 129; ein weiterer Punkt, an dem sich die verschlechterte Rechtsstellung der Sklaven zeigt, ist die Tatsache, dass das Verbot aus CTh 9, 12, 2 (326/329), den eigenen Sklaven grundlos zu töten, keine Aufnahme in das ostgotische Edikt gefunden hat – Nehlsen, ebd. 134

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Wenn ein Freier den Fortbestand seiner Verbindung mit einer Unfreien erreichen wollte, konnte er öffentlich zu Protokoll sein Einverständnis zum Freiheitsverlust und zum Übertritt in die Gewalt ihres Herrn erklären und die Verbindung fortan als contubernium unterhalten.140 Voraussetzung war allerdings die Zustimmung des Herrn der Unfreien. Wurde diese nicht erteilt, schuldete der Betreffende dem Herrn der Sklavin als Kompensation zwei Sklaven.141 Bemerkenswert ist, dass dem Freien bei Verbindung mit einer Sklavin oder Kolonin der Verlust der Freizügigkeit drohte, indem ihm untersagt wurde, die unfreie Partnerin zu verlassen.142 Verging sich ein fremder Sklave oder Kolone an einer freien Jungfrau oder Witwe, wurde er dafür mit dem Tode bestraft.143 Bei Einverständnis zwischen einer freien Witwe und einem Sklaven wurden beide Parteien mit dem Flammentod bestraft.144 ET c. 61 ist aufgrund des vorausgesetzten Einverständnisses zwischen Sklave und Witwe nicht als Vorschrift über Geschlechtsverbrechen einzustufen, sondern stellt ein besonderes Eheverbot einer Ehe zwischen Freien und Sklaven dar. Der Titel ET c. 61 orientiert sich an den theodosianischen Vorbildnormen CTh 9, 24, 2 (349) und CTh 9, 25, 1 (354).145 In ET c. 61 sind beide aus dem Codex Theodosianus entlehnten Vorschriften sehr verknappt zu einem Titel mit dem oben genannten Inhalt zusammengefasst.146 Obwohl ET c. 61 ein sehr kurz gehaltener Titel ist, enthält er eine gesetzgeberische Wertung, die in den römischen Vorbildnormen so nicht enthalten ist, indem das Verhalten der Witwe, die sich einverständlich auf eine Verbindung mit einem Sklaven eingelassen hat, als besonders verwerflich eingestuft wird.147 140

ET c. 64. ET c. 64; konnte der Verführer der Sklavin die Kompensation nicht leisten, wurde er zunächst einer Prügelstrafe unterzogen und sodann verbannt. 142 ET c. 64; Nehlsen, Sklavenrecht, 245 Fn. 432; im Recht der Lex Visigothorum findet sich in LV 3, 2, 3 (Antiqua) der Freiheitsverlust für den freien Mann, der sich mit einer Sklavin verband; vgl. auch Nov. Val. 31, 5 (451), die diese Entwicklung einleitet und als Vorbildnorm gedient haben könnte; hierin liegt ein Unterschied zur nachklassischen römischen Rechtslage, nach der eine eheliche Verbindung zwischen Freien und Kolonen noch möglich war – s. CTh 12, 19, 1 (400), Nov. Val. 31, 5 f. (451); Kaser, RP II2, § 213 II 3. 143 ET c. 63. 144 ET c. 61; sie werden den „rächenden Flammen“ übergeben („Si quis vero servus, etiamsi cum volente et adquiescente vidua hoc crimen admiserit, flammis ultricibus exuratur: . . .“). 145 CTh 9, 24, 2 (349) ordnet den Flammentod für den Sklaven an, der Notzucht an einer freien Frau begeht; CTh 9, 25, 1 (354) legt fest, dass derjenige, der sich an einer gottgeweihten Frau oder einer Witwe vergeht, unabhängig davon streng bestraft werden soll, ob mit der betroffenen Frau ein Einverständnis über eine Verbindung erzielt wurde; die konkrete Rechtsfolge wird in CTh 9, 25, 1 (354) aber nicht genannt. 146 Die gottgeweihte Frau wird in ET c. 61 im Gegensatz zu CTh 9, 25, 1 (354) allerdings nicht behandelt. 147 ET c. 61 („. . . illa quoque adulterii poena damnanda, quae non erubuit servili subiacere libidini.“). 141

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

b) Standesunterschied Im ostgotischen Recht des Edictum Theoderici findet sich eine Differenzierung verschiedener Schichten innerhalb der Bevölkerungsgruppe der Freien; auf dieser Grundlage ist die Zulässigkeit einer geschlechtlichen bzw. ehelichen Verbindung zu beurteilen. Wie bei anderen germanischen Völkern bildete sich im Zuge der Ansiedlung im ehemals römischen Gebiet in Italien in der ostgotischen Gesellschaft nicht nur die klare Zweiteilung in Freie und Unfreie, sondern auch eine stärker werdende Aufteilung der Freien in verschiedene Schichten heraus.148 Zwar gilt die ständische Gliederung der sozialen Ordnung für das Westgotenreich als besser dokumentiert,149 jedoch lässt sich anhand der Vorschriften des Edictum Theoderici Auskunft über die Gliederung der Freien im Ostgotenreich erlangen: Das Edikt differenziert bei Freien zwischen honestes/honestiores und humiliores bzw. viliores.150 Die Aufteilung in eine Oberschicht und in niedere Freie entspricht im Wesentlichen dem, was sich in den anderen germanischen Rechten der Lex Visigothorum und des Burgunderreiches findet und übernimmt die grundlegende soziale Gliederung der spätantiken römischen Gesellschaft in honestiores und humiliores.151 Über diese Angehörigen der freien Gesellschaft hinaus war im ostgotischen Italien offenbar ebenso wie im burgundischen und im westgotischen Reich eine „schwierig zu bestimmende Mittelschicht“,152 die mediocres, vorhanden. Die Bezeichnung dieser Schicht als mediocres lässt sich allerdings im Edictum Theoderici nicht wiederfinden.153 Nach Meyer-Flügel bestanden die mediocres aus den possessores,154 den defensores155 und curatores156 sowie den curiales.157 Im 148 s. Moorhead, 100; zu Unrecht grenzt Meyer-Flügel, 217 ff. die Sklaven nicht klar von den humiles ab und möchte das Bild einer einheitlichen Unterschicht im ostgotischen Reich zeichnen. Die humiles/humiliores sind aber ausschließlich Freie; vgl. zu den Landzuweisungen an Goten Goffart, 58 ff. 149 Moorhead, 100 Fn. 164 m.w. N. 150 Die Freien im spätantiken Imperium Romanum unterteilen sich nach den römischen Quellen in die Klassen der honestiores und der humiliores, s. Demandt2, 325; s. ET c. 13; ET c. 59; ET c. 75; ET c. 83; ET c. 89; ET c. 91; ET c. 108; ET c. 145; vgl. ferner Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 156. 151 CTh 7, 18, 1 (365); die Zugehörigkeit zu den honestiores brachte höhere Sätze bei Geldstrafen, aber insbesondere auch Befreiung von Folter und der verschärften Todesstrafe mit sich, vgl. Demandt2, 325; Mommsen, 1035; zu den einzelnen Angehörigen der beiden Schichten vgl. Demandt2, 326 f. 152 So für das burgundische Reich Kaiser, Burgunder, 136. 153 Mediocres werden z. B. erwähnt in Cassiodor, Variae VIII, 31, 5 (MGH AA 12, 260); s. Meyer-Flügel, 303. 154 „. . . eine Schicht von freien, mehr oder weniger reichen Grundbesitzern, . . . die nicht hohe, über die regionalen Verhältnisse hinausgehende Staatsämter bekleidet haben.“ – Meyer-Flügel, 303; 303 ff. mit weiterer Beschreibung der gesellschaftlichen Funktion.

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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theoderizianischen Edikt finden sich allerdings nur Vorschriften über die possessores.158 Es kann angenommen werden, dass ebenso wie im burgundischen Reich die mediocres zusammen mit den nobiles oder potentes, den Adligen,159 die gesellschaftlich über den humiliores stehende Oberschicht der honestiores bildeten.160 Abzulehnen ist die von Meyer-Flügel weiter getroffene Differenzierung der ständischen Ordnung im ostgotischen Reich. Danach sollen Goten und Romanen eine jeweils eigene ständische Gliederung ihrer Gesellschaft aufgewiesen haben. Die eben beschriebene ständische Gliederung soll deshalb diejenige des romanischen Bevölkerungsanteils darstellen.161 Zwar sind durchaus Besonderheiten innerhalb der gotischen Bevölkerung überliefert, die zumeist aus besonderen militärischen Rängen gotischen Ursprungs oder der Gefolgschaft zum König herrührten.162 Nach der hier vertretenen Auffassung galt aber für alle Bewohner des italischen Ostgotenreiches römisches Recht, namentlich in Gestalt des Edictum Theoderici. Deshalb, und durch Ansiedlung und Landzuweisungen an Goten163 sowie fortschreitender Integration der Goten in die Reichsstruktur, kann nicht angenommen werden, dass spezifisch gotische Besonderheiten eine eigene ständische Ordnung der Ostgoten begründet 155 „. . . Lokale Vertrauensbeamte“, die „Vertreter einer ganzen Stadt waren“ – Meyer-Flügel, 308 mit Beschreibung des Aufgabenbereichs; zum defensor civitatis s. auch Lafferty, Law and Society in Ostrogothic Italy, in: JLA, Vol. 3 Nr. 2, 352 f.; ders., Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 111 ff. 156 Amtsträger, zu deren Aufgaben die Leitung der curia sowie die Überwachung der Preise gehörte – Meyer-Flügel, 309. 157 Die curiales bildeten das lokale Gremium mit senatsähnlicher Funktion – MeyerFlügel, 310 ff. m.w. N.; zur Zusammensetzung der Mittelschicht auch Goffart, 97 ff., der nur die possessores aufführt. 158 ET c. 10; Cassiodor, Variae IX, 18, 1 – Edictum Athalarici 1 (MGH AA 12, 283); ET c. 11; ET c. 12; vgl. Stüven, 89 ff. 159 ET c. 13; ET c. 43; ET c. 44; ET c. 59; vgl. Meyer-Flügel, 319 ff. m.w. N. 160 Für das burgundische Reich s. Kaiser, Burgunder, 136. 161 Vgl. Meyer-Flügel, 546 ff.; auch Goffart, v. a. 99 ff. grenzt die Romanen diesbezüglich von den Goten ab. 162 So z. B. die spatharii, königliche Schwertträger oder die ostgotischen saiones, die zwar den Namen mit den westgotischen saiones teilen, aber offenbar eine Botenfunktion als Überbringer königlicher Befehle inne hatten; s. Wolfram, Goten5, 292 u. 294 m.w. N.; Giese, 86; überliefert sind auch die Goten, die als Kennzeichen ihrer Freiheit und als Ehrbezeichnung als capillati (Langhaarige) bezeichnet wurden – s. ET c. 145; Giese, 84; Lafferty, Law and Society in Ostrogothic Italy, in: JLA, Vol. 3 Nr. 2, 343; ders., Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 35 ff. 163 Hierzu macht Meyer-Flügel, 120 ff. selbst Ausführungen; Ablauf sowie Art und Weise der Ansiedlung gotischer Föderaten sind umstritten – zum Meinungsspektrum s. Stüven, 83 ff. m.w. N.; vgl. zur gotischen Landnahme beispielsweise auch von Halban, 112 ff.; Claude, Zur Ansiedlung barbarischer Föderaten, in: Wolfram/Schwarcz, 13 ff.; a. A. v. a. Goffart, 111 m.w. N., 40 ff., 76 f., 91; Wolfram, Goten5, 225 ff., 296 ff., die jeweils Landzuteilungen an die Goten in Abrede stellen.

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

hätten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese gotischen Freien aufgrund ihrer besonderen Stellung im Militärgefüge oder im Gefolge des Königs zur oberen Gesellschaftsschicht der honestiores zählten, die im theoderizianischen Edikt behandelt werden. Auffallend ist, dass Theoderich der Große in den Vorschriften seines Edikts offenkundig den vornehmen Freien so weit wie möglich die Todesstrafe ersparen wollte und deshalb die Todesstrafe lediglich auf niedere Freie sowie Unfreie erstreckte und den vornehmen Freien andere Möglichkeiten der Wiedergutmachung einräumte, die zumeist in einer vermögenswirksamen Bußleistung bestanden.164 In diesem Kontext ist auch ET c. 59 zu lesen: Wie ausgeführt wird in ET c. 59 den Fall der Notzucht an einer freigeborenen Frau durch einen Freien behandelt. Aus dieser Regelung lässt sich nicht nur ablesen, dass der Vergewaltiger die Frau anschließend zu versorgen hatte. Gleichzeitig bestätigt sich die soziale Differenzierung innerhalb der freien Bevölkerung durch die Möglichkeit der edlen und vermögenden Männer – nobiles –, sich durch vermögenswirksame Leistung zugunsten der Frau und Heirat derselben von der Kapitalstrafe freizukaufen und belegt damit die eben aufgezeigte Absicht des ostgotischen Königs. Zudem lässt sich anhand von ET c. 59 nachweisen, dass trotz der ständischen Gliederung der Gesellschaft Ehen zwischen freigeborenen Angehörigen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten zulässig waren. Das Edictum Theoderici bietet somit keinen Anhaltspunkt dafür, dass im ostgotischen Recht die Friedelehe zur Legitimation standesungleicher Verbindungen bekannt war und praktiziert wurde, setzt man die Existenz dieser Eheform generell voraus.165 Die Differenzierung innerhalb der freien Gesellschaft zeigt sich noch in weiteren Vorschriften des Edictum Theoderici und führte teilweise zu Eheverboten: Wenn es sich um eine Verbindung zwischen einem Freien und einer gesellschaftlich geächteten Frau – mulier vulgaris – handelte, so war die außereheliche Verbindung nicht als stuprum einzustufen.166 ET c. 62 ist unter Berücksichtigung von Pauli Sententiae 2, 26, 11 und C. 9, 9, 22 (einer Konstitution Diokletians und Maximians von 290) auszulegen, wo die Rechtsfolgen von Verbindungen mit Frauen in sozial geächteter Stellung geregelt werden.167 Als mulier vulgaris im 164 Im Ergebnis ebenso, aber ohne nähere Quellenangaben Nehlsen, Einfluss, in: Dilcher/Distler, 209; s. aber die Differenzierung bei den Rechtsfolgen z. B. insbesondere in ET c. 75; ET c. 91; ET c. 104; ET c. 108; auch die öffentliche Prügelstrafe blieb den honestiores erspart – z. B. ET c. 64; ET c. 75; ET c. 83; ET c. 89; ET c. 97; ET c. 111; vgl. Lafferty, Law and Society in Ostrogothic Italy, in: JLA, Vol. 3 Nr. 2, 350. 165 s. hierzu bereits oben Kapitel B. III. 3. Fn. 49. 166 ET c. 62; die Überschrift passt nicht, weil dort von einer Verführung der ehrbaren und freien Witwe durch einen Sklaven ausgegangen wird, wohingegen diese Konstellation nicht in ET c. 62, sondern in ET c. 61 regelt ist. 167 PS 2, 26, 11; C. 9, 9, 22 (290); s. auch Ulp. D. 23, 2, 43 pr. u. 1. und CTh 4, 6, 3 (336).

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Sinne von ET c. 62 galt dabei in Übereinstimmung mit den römischen Vorbildern die Wirtin und die Prostituierte oder eine Frau, die aus sonstigen Gründen sozialer Ächtung unterlag.168 Ließ sich ein Freier mit einer solch sozial geächteten Frau ein, erfüllte dies zwar nicht den Tatbestand des adulterium oder stuprum, gleichwohl stand aber das im Edictum Theoderici nicht ausdrücklich geregelte Eheverbot mit einer sozial niederstehenden Frau der Anerkennung als iustum matrimonium entgegen.169 5. Religiös beeinflusste Eheverbote Die Frage religiös beeinflusster Eheverbote ist ein weiterer Punkt, der im Hinblick auf die Politik der civilitas Theoderichs des Großen zu betrachten ist: Konfessionelle Gegensätze sollten überparteilich und von insgesamt toleranter Haltung geprägt zum Ausgleich geführt werden.170 Dies bezog sich sowohl auf die konfessionellen Unterschiede zwischen arianischen Goten und katholischen Romanen sowie auf diejenigen zwischen Christen und Juden.171 a) Ehen zwischen Arianern und Katholiken Nach dem Recht des Edictum Theoderici wurden die beiden im Ostgotenreich vorhandenen Konfessionen des Arianismus und des Katholizismus als gleichberechtigt angesehen. Dies folgt aus den sprachlichen Besonderheiten der entsprechenden Vorschriften, die in Abweichung zu den römischen Vorbildern von der Existenz zweier rechtgläubiger Konfessionen ausgingen: Es wird bewusst auf die Nennung der Glaubensrichtungen verzichtet und allgemein formuliert,172 wohingegen in den römischen Quellen aufgrund der dort gewählten Begriffe und For168 s. z. B. in Ulp. D. 23, 2, 43 pr. („. . . quae in lupanario se prostituit, verum etiam si qua (ut adsolet) in taberna cauponia vel qua alia pudori suo non parcit.“); CTh 4, 6, 3 (336). 169 CTh 4, 6, 3 (336); Rechtsfolge war die Infamie, vgl. Kaser, RP II2, § 217 II 4 m.w. N. 170 s. Stüven, 118, 125; Ensslin2, 93; Wolfram, Das Reich und die Germanen, 292. 171 Das Heidentum spielte im ostgotisch regierten Italien keine nennenswerte Rolle mehr und wurde offenbar lediglich teilweise noch von der romanischen Landbevölkerung praktiziert – s. Stüven, 136–145; gemäß ET c. 108 war das Praktizieren heidnischer Kulte unter Anlehnung an CTh 16, 10, 6 (356) und CTh 16, 10, 23 (423) verboten und wurde mit dem Tode bestraft. 172 ET c. 125 (aus C. 1, 12, 6): „Si quis de ecclesiis, id est locis religiosis, homines traxerit, vel aliquid violenter crediderit auferendum, capite puniatur.“ ET c. 26 (abweichend zu CTh 5, 3, 1 (434)): „Clericos religiosasque personas intestatas deficientes, quotiens defuerit qui iure succedat, locum ecclesiae suae secundum leges facere debere praecipimus.“ ET c. 70, 71 (aus CTh 9, 45, 1 (392), 3 (398), 5 (432)): ET c. 70: „Si servus cuiuslibet nationis ad quamlibet ecclesiam confugerit . . .“; ET c. 71: „Si quis in causa publici debiti ad ecclesiam quamlibet convolaverit . . .“; s. Stüven, 124.

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

mulierungen (z. B. Bezeichnung der Kirchen als sacrosanctae ecclesiae orthodoxae fidei in C. 1, 12, 6) klar ist, dass vom katholischen Bekenntnis als einzig anerkanntem ausgegangen wird. Deutlicher noch als im Edictum Theoderici zeigt sich der Umstand der Gleichstellung der beiden christlichen Glaubensrichtungen in den literarischen Quellen: In einem Schreiben an den comes von Sizilien äußerte Theoderich ausdrücklich seinen Willen, katholische Geistliche ebenso wie arianische Geistliche zu behandeln.173 Auch in der Quelle des Anonymus Valesianus finden sich Belege für die von Theoderich durchgesetzte friedliche Koexistenz zwischen Arianismus und Katholizismus.174 Weiter zeigt sich dieser Umstand auch in der Person des Autors Cassiodor selbst, da sich dieser – als führender Magistrat des arianischen Ostgotenkönigs – als frommer und papsttreuer Katholik zeigen konnte, was nicht denkbar gewesen wäre, wenn Arianismus und Katholizismus im ostgotischen Reich nicht gleichberechtigt gewesen wären.175 Der konfessionelle Gegensatz zwischen Arianismus und Katholizismus schlägt sich in der ostgotischen Gesetzgebung nieder, in der westgotischen hingegen nicht. Grund hierfür ist zum einen, dass die ältere Lex Romana Visigothorum ausschließlich für den romanischen Bevölkerungsteil konzipiert war und dieser ohnehin katholischen Glaubens war. Zum anderen spielte die Glaubensfrage in der Lex Visigothorum des toledanischen Westgotenreiches keine Rolle mehr, weil die Westgoten im Jahre 589 zum katholischen Glauben konvertiert waren.176 Im Ostgotenreich dagegen entsprang die tolerante und Gleichwertigkeit herstellende Religionspolitik schlicht einem praktischen Bedürfnis: Der dem arianischen Bekenntnis anhängende herrschende ostgotische Bevölkerungsteil befand sich gegenüber dem römisch-katholischen Bevölkerungsteil deutlich in der Minderheit, so dass der arianische Herrscher in besonderem Maße gehalten war, einen gedeihlichen Ausgleich zwischen beiden Konfessionen herbeizuführen.177 Ob eine Gleichstellung des arianischen und des katholischen Bekenntnisses die Legitimität einer solchen konfessionsverschiedenen Ehe als iustum matrimonium, bewirkte, ist nicht ausdrücklich im Edikt Theoderichs geregelt und keiner vollständig abschließenden Klärung zugänglich.

173 Cassiodor, Variae II, 29 (MGH AA 12, 63); Anordnungen hinsichtlich der Rückgabe katholischer Besitztümer finden sich in Cassiodor, Variae IV, 17, 2 (MGH AA 12, 122). 174 Anonymus Valesianus II, 60; vgl. auch Prokop, De bello Gothico II, 6; Kakridi, 208 ff. 175 Cassiodor, Variae X, 26 (MGH AA 12, 313 f.); Cassiodor, Variae XI, 2 (MGH AA 12, 331 f.); verzerrend wird Theoderich als Katholikenfeind dargestellt bei Anonymus Valesianus II, 80, 83, 94, 95; hierzu Stüven, 122 f. 176 s. Wolfram, Goten5, 247. 177 s. Wolfram, Das Reich und die Germanen, 292; Stüven, 125 f.

VI. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Berichte über die Herkunft des Herrschers selbst deuten auf eine fehlende Legitimität bikonfessioneller Verbindungen hin: Bei Iordanes sowie bei Anonymus Valesianus wird die Mutter Theoderichs des Großen, die den katholischen Namen Eusebia (= Ereriliva) trug, als concubina bezeichnet.178 Da Theoderichs Vater, der Amaler Thiudimir arianischen Bekenntnisses war,179 ließe sich hieraus schließen, dass im ostgotischen Reich konfessionsverschiedene Ehen nicht als vollgültige Ehe, sondern lediglich als Konkubinatsverbindung anerkannt waren. Auch Theoderich selbst lehnte eine „Mischehe“ mit einer Tochter des weströmischen Kaisers Olybrius, Anicia Juniana, ab, als diese ihm im Jahre 478 als Gattin angeboten wurde, obwohl es sich bei der gens Anicia um eine alte und hoch angesehene Familie der römischen Aristokratie handelte.180 Die besseren Argumente streiten indes für die Annahme, dass konfessionsverschiedene Ehen zwischen Arianern und Katholiken Anerkennung fanden: In erster Linie bietet die rechtliche Gleichstellung des Arianismus mit dem Katholizismus einen Anhaltspunkt dafür, dass auch Ehen zwischen Angehörigen der beiden Volksgruppen als legitim angesehen wurden. In engem Zusammenhang damit steht die Zulässigkeit stammesverschiedener Ehen. Die Zuordnung zu den Angehörigen der gotischen oder der romanischen Volksgruppe war bis auf kleinere katholische Minderheiten durch konvertierte Goten181 deckungsgleich mit der Zuordnung zur arianischen bzw. katholischen Konfession, so dass sich Religionspolitik und sonstige Politik insoweit entsprachen.182 Wären Mischehen zwischen Arianern und Katholiken untersagt gewesen, stünde dies in unlösbarem Widerspruch zur Politik der civilitas, die den Ausgleich und die Angleichung der Volksgruppen suchte. Weiteres Indiz sind ferner die in Quellen bezeugten Eheschließungen zwischen Ostgoten und Römern oder anderen Barbarenherrschern.183 Gleichzeitig lässt sich daraus folgern, dass für die Kirche Konfessionsverschiedenheit kein Ehehindernis war.184 Sieht man außerdem die Angehörigkeit zu den beiden christlichen Konfessionen mit der Zuordnung zur gotischen bzw. romanischen Volksgruppe als nahezu deckungsgleich an, folgt die Zulässigkeit solch konfessionsverschiedener Ehen zusätzlich auch aus dem Umstand, dass Ehen zwischen Angehörigen beider Bevölkerungsteile anerkannt waren.185 Schließlich ist die Bezeichnung der Mutter Theoderichs als concubina durch Ior178 Iordanes, Getica, 269 (MGH AA 5.1, 127 f.); Anonymus Valesianus II, 58; s. Ensslin2, 12; Wolfram, Goten5, 262, 327; Goltz, 498; Stüven, 116. 179 Anonymus Valesianus II, 58; s. Ensslin2, 12. 180 Vgl. Ruggini, in: Mélanges 100, 83 f. 181 s. Moorhead, 96. 182 s. Wolfram, Goten5, 327; Stüven, 116. 183 Iordanes, Getica, 296–299 (MGH AA 5.1, 134 f.); Anonymus Valesianus II, 63, 68 u. 70; Cassiodor, Variae V 43, 1 (MGH AA 12, 170); Wolfram, Goten5, 306 m.w. N. 184 s. Saar, Ehe, 130 m.w. N. in Fn. 5. 185 So auch Saar, Ehe, 130.

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C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

danes und den Anonymus Valesianus eher als abwertende Bezeichnung durch Gegner des arianischen Bekenntnisses aufzufassen, für die die Ehe einer Katholikin mit einem Arianer nicht als vollgültig erscheinen durfte.186 Es kann kaum angenommen werden, dass Theoderich als legitimier Erbe seines Vaters Thiudimir die Herrschaft hätte erlangen können, wenn er tatsächlich einem Konkubinatsverhältnis entstammt hätte. b) Gemischtreligiöse Ehen zwischen Juden und Christen Bezüglich der Rechtsverhältnisse der Juden bestimmt das Edictum Theoderici ausdrücklich, dass die bislang gültigen Regelungen und Privilegien der Angehörigen der jüdischen Religion auch unter ostgotischer Herrschaft in Kraft bleiben sollten.187 Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei den in Bezug genommenen Gesetzen namentlich um die des Codex Theodosianus handelte.188 Die Bestätigung der geltenden Gesetze durch Theoderich den Großen ergibt sich auch aus Cassiodors Variae, die zusätzlich zeigen, dass auch aktiver Schutz der jüdischen Bevölkerung durch den Herrscher stattfand.189 Das Recht der Juden, nach ihrem eigenen Recht zu leben, frei ihren Kultus zu praktizieren sowie Synagogen zu unterhalten bestand folglich im ostgotischen Reich fort.190 Gleichzeitig geht damit einher, dass die Rechtsverhältnisse der Juden und der nichtjüdischen Bevölkerung im ostgotischen Reich weiterhin getrennt waren, obwohl die Juden im Imperium Romanum seit der Constitutio Antoniniana von 212 n. Chr. sämtlich römische Bürger waren.191 Die deutliche Trennung der jüdischen von der nichtjüdischen Bevölkerung im ostgotischen Reich lässt sich auch aus Cassiodor, Variae V, 37 ersehen, wonach Juden und Christen wie beim religiösen Kultus auch im alltäglichen Leben und Handeln getrennt sein sollen. Der ostgotische Herrscher machte dabei aus seiner Distanz zum Judentum, das er als Irrlehre ansah, keinen Hehl.192 186 Iordanes, Getica, 269 (MGH AA 5.1, 127); Anonymus Valesianus II, 58; Ensslin2, 13. 187 ET c. 143; vgl. auch CTh 16, 8, 13 (397). 188 Vgl. CTh 16, 8, 9 (393); CTh 16, 8, 12 (397); CTh 16, 8, 20 (421); CTh 16, 8, 21 (412/418/420); CTh 16, 8, 25 (423); CTh 16, 8, 26 (423); CTh 16, 8, 27 (423); Brennecke, in: ZAC 4, 145; vgl. Moorhead, 97 ff. m.w. N.; Goltz, 502 ff.; dieser insbesondere im Hinblick auf Anonymus Valesianus II, 82 u. 83. 189 Cassiodor, Variae IV, 43 (MGH AA 12, 133 f.); Cassiodor, Variae V, 37 (MGH AA 12, 163 f.); Cassiodor, Variae IV, 33 (MGH AA 12, 128 f.); Cassiodor, Variae II, 27 (MGH AA 12, 61 f.). 190 Brennecke, in: ZAC 4, 147 weist darauf hin, dass die Bewahrung der Rechtskontinuität, welche sich auch in der Judengesetzgebung zeigt, Ausdruck der civilitas ist; vgl. Cassiodor, Variae IV, 33 (1) (MGH AA 12, 128); Kakridi, 339; Goltz, 505. 191 Cass. Dio 78, 9, 5; s. Demandt2, 46, 325; Stüven, 153. 192 Cassiodor, Variae V, 37 (MGH AA 12, 163 f.); s. Noethlichs, 39.

VII. Wiederverheiratung

115

Dies bedeutet, dass Ehen zwischen Juden und Andersgläubigen, d. h. gotischen oder romanischen Untertanen unzulässig waren. Es ist ebenso davon auszugehen, dass gegen derartige Verbindungen der Weg des iudicium publicum offen stand.193

VII. Wiederverheiratung 1. Wiederverheiratung nach Scheidung Es wurden nur die im Zuge der konstantinischen Gesetzgebung geschaffenen Scheidungsmöglichkeiten zugelassen.194 Hinsichtlich der Wiederverheiratung nach berechtigt betriebener Scheidung ist von der Fortgeltung des römischen Rechts auszugehen.195 Die Frau musste deshalb wohl eine einjährige Wartefrist einhalten, der Mann hingegen gar keine Wartefrist.196 2. Wiederverheiratung der Witwe Gemäß ET c. 62 war eine übereinstimmende außereheliche Verbindung einer vornehmen Witwe – matrona vidua – mit einem Freien als Unzucht – stuprum – zu bestrafen. Andererseits war eine Heirat der vornehmen Witwe mit dem Freien möglich.197 Das Edictum Theoderici nahm die einjährige Trauerzeit auf, die aus dem römischen Recht stammt, und erstreckte sie auch auf den gotischen Bevölkerungsteil.198 Eine Heirat der Witwe vor Ablauf der zwölfmonatigen Trauerzeit wurde als stuprum – Unzucht – eingestuft und mit der damit verbundenen Strafe geahndet, weil dies einen Versuch der Umgehung der vorgeschriebenen Trauerzeit darstellte.199 Den Klageweg gegen die neuerliche Verbindung der Witwe konnten ihre Kinder aus erster Ehe sowie die Angehörigen des verstorbenen Mannes be193

Vgl. oben Kapitel B. V. 3. a). ET c. 54. 195 Vgl. hierzu bereits unter Kapitel C. IV. und Johlen, 181 m.w. N. 196 Vgl. C. 5, 17, 8, 4 (449) – Wiederheirat der aus anerkanntem Grund Geschiedenen – sowie C. 5, 17, 9 (497) – Wiederheirat nach einverständlicher Scheidung – als mögliche römische Vorbildvorschriften, wo jeweils von der einjährigen Wartefrist ausgegangen wird; vgl. auch Kaser, RP II2, § 217 II 6; s. auch CTh 3, 8, 1 (381) = C. 5, 9, 2 (380); die sich grundlos Scheidende Frau durfte fünf Jahre lang nicht heiraten – s. C. 5, 17, 8, 4 (449). 197 Das folgt schon aus ET c. 59. 198 ET c. 37; vgl. zur Herkunft der einjährigen Trauerzeit bereits unter Kapitel B. VI. 2.; vgl. Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 188 f. 199 ET c. 37; in diesem Kontext ist auch das Verbot der außerehelichen Verbindung zwischen der ehrbaren Witwe und einem Freien aus ET c. 62 zu sehen. Zum stuprum und den Strafen s. Pfaff, in: RE IV A.1, 423 f.; in der Kaiserzeit war die Strafe kapital (CTh 9, 7, 1, 3 (326); C. 9, 9; Inst. IV, 18, 1, 4; Nov. 141, 77); Mommsen, 694, 699; s. Johlen, 182 f. 194

116

C. Ehevoraussetzungen nach dem ostgotischen Recht

schreiten.200 Als römisches Vorbild kann CTh 3, 8, 1 (381) ausgemacht werden.201

VIII. Zusammenfassung Das Eherecht des Edictum Theoderici zeichnet sich maßgeblich dadurch aus, dass es fast ausschließlich aus dem bekannten römischen Recht schöpfte und die Anwendung desselben an die Erfordernisse anpassen sollte, die sich durch die Neuerungen der ostgotischen Herrschaft über Italien ergaben. Da die capita des Edikts sprachlich knapp gefasst sind und im Gegensatz zum Breviarium Alaricianum das Edictum Theoderici keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern im Gegenteil von der Fortgeltung des überlieferten römischen Rechts ausging, ist eine Auslegung nur unter Berücksichtigung der Politik der civilitas im Ostgotenreich möglich, über die vornehmlich auch historiographische Quellen Aufschluss zu geben vermögen. Die augenfälligsten Abweichungen der ostgotischen Rechtslage vom römischen Recht lassen sich überwiegend mit der civilitas erklären: Im Zuge der Rechtsvereinheitlichung wurde für beide in Italien ansässigen Bevölkerungsteile das römische Recht in Geltung gesetzt; im Falle der gotischen Bevölkerung wurde deren Eigenarten durch die Schaffung zusätzlicher Ämter wie des comes Gothorum und des assessor für den Fall einer Streitigkeit zwischen Römern und Goten Rechnung getragen. Abgesehen von sprachlichen Abweichungen von den römisch-rechtlichen Vorbildern, welche das Edikt teilweise aufweist, sind die meisten Veränderungen zumeist auf einen bewussten Eingriff des politisch motiviert handelnden ostgotischen Gesetzgebers zurückzuführen. So ist z. B. in der Abschaffung des Eheverbots nach unberechtigt betriebener Scheidung in ET c. 54 eine politische Motivation Theoderichs auszumachen, die sich mit einer Hinwendung zu den Idealen der Prinzipatszeit erklären lässt. Eine der wichtigsten Änderungen des Eherechts brachte das Edikt Theoderichs des Großen durch die Überwindung des Verbots stammesverschiedener Ehen in ET c. 36. Diese Abweichung vom römischen Recht spiegelt das Bestreben Theoderichs wider, einen Ausgleich zwischen der neu herrschenden ostgotischen Klasse und den Romanen zu schaffen. Da die Ostgoten selbst nach Auffassung Theoderichs das Barbarentum überwunden hatten und seit der Eroberung Italiens 488 auf einer Stufe mit den Römern standen, war es naheliegend, auch stammesverschiedene Ehen zwischen Goten und Römern zuzulassen. Mit der Überwindung des Verbots stammesverschiedener Ehen einher ging auch die Gestattung bikonfessioneller Ehen durch Gleichstellung und gleichberechtigte Akzeptanz der gotisch-arianischen und der römisch-katholischen Konfession. Das Edikt sah

200 201

ET c. 37; s. Dahn, 39; römisches Vorbild z. B. in CTh 3, 8, 1 (381). CTh 3, 8, 1 (381); übernommen in LRV CTh 3, 8, 1 mit IT.

VIII. Zusammenfassung

117

ebenso wie die ostgotische Herrschaftspolitik die Angehörigen beider Konfessionen als gleichwertige Bürger an, so dass es keinen Grund gab, eine bikonfessionelle Ehe zu untersagen. Wichtiges Beispiel einer vom ostgotischen Gesetzgeber ohne ersichtliches römisches Vorbild abgefassten Norm ist ET c. 59 über die Pflicht des Vergewaltigers, die geschändete Frau zu ehelichen. In diesem Zusammenhang lässt sich eine allgemeine Intention des gotischen Königs feststellen, die ständische Gliederung der Gesellschaft zu fördern und zu verstärken, indem er die Edlen seiner Gesellschaft im Hinblick auf die im Übrigen durchaus drakonischen Strafen bevorzugte und ihnen Möglichkeiten einräumte, sich von diesen „freizukaufen“. Das ostgotische Recht weist ebenso wie das westgotische und das burgundische Recht präfeudale Struktur auf, was allerdings offenbar nicht zu Eheverboten zwischen Angehörigen der verschiedenen Klassen der freien Bevölkerung führte. Es zeigt sich, dass der ostgotische Gesetzgeber einen guten Überblick über das geltende römische Recht hatte und verstand, durch bewusste Aufnahme von Abweichungen in das Edikt auch im Bereich der Gesetzgebung seine politischen Ziele durchzusetzen.

D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht Ein Bild der Rechtsverhältnisse im burgundischen Eherecht lässt sich nur anhand einer Zusammenschau der Lex Burgundionum und des westgotischen Römerrechts – der Lex Romana Burgundionum – gewinnen, deren Erlass gemäß LB prima constitutio § 8 durch den burgundischen König angekündigt worden war.1 Die Lex Burgundionum folgte weder strikt dem Territorialitätsprinzip noch dem Personalitätsprinzip. Sie enthält Normen, welche sowohl für die romanische als auch die burgundische Bevölkerungsgruppe Anwendung fanden, während andere Normen ausschließlich für einen Bevölkerungsteil galten.2 Für die Auslegung der einschlägigen Vorschriften muss die Absicht der burgundischen Herrscher berücksichtigt werden, durch Neuregelungen eine Anpassung des geltenden Rechts an die veränderten sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse zu erreichen. Damit einher ging die Zielsetzung, dass neu erlassene Normen ältere Normen verdrängen sollten.3 Auch sollten Regelungslücken geschlossen werden, die nach Auffassung der burgundischen Herrscher bestanden.4 Gleichzeitig legt LB prima constitutio 6, 7 fest, dass im Übrigen das überlieferte römische Recht fortgelten sollte.5 Für Rechtsfälle, in denen sich aber herausstellte, dass weder das überlieferte noch das neu kodifizierte Recht eine befriedigende Lösung ermöglichte, behielt sich der burgundische König die Gewalt der letzten Entscheidung vor.6 Die burgundische Ehe war im Unterschied zur römisch-rechtlichen klassischen und spätantiken Ehe sine manu eine Muntehe, so dass die Frau durch die Eheschließung in die Hausgewalt ihres Ehemannes übertrat.7 Dies galt sowohl für Ehen unter Burgundern als auch für stammesverschiedene Ehen.8 Eine Ehe zwischen Römern war demgegenüber im Burgunderreich der spätantiken römischen Tradition gemäß ein matrimonium sine manu, d. h. die Frau verblieb in der Hausgewalt ihrer Familie, sofern sie nicht bereits sui iuris war.9 1 Mit Siems kann angenommen werden, dass die angekündigte Aufzeichnung der Lex Romana Burgundionum die Funktion hatte, Klarheit und Übersicht über den überkommenen römischen Rechtsstoff zu schaffen – Siems, 159. 2 Vgl. Nehlsen, Lex Burgundionum, in: HRG 2, 1901–1915, 1908; Ubl, 129 m.w. N. 3 Dies erwähnt z. B. LB 42; vgl. auch LB prima const. § 1. 4 Vgl. LB 48; s. auch LB 52 pr. 5 LB pr. §§ 6, 7. 6 LB pr. § 8. 7 Wenngleich das burgundische Recht den Begriff mundium nicht verwendete; s. Drew, The Germanic Family, in: Law and Society, V 7, 14. 8 LB 100, auch das Vermögen der Frau ging in die Gewalt des Mannes über; s. Johlen, 101; Wemple4, 31; zur manus-freien Ehe vgl. Kaser, RP I2, § 76 II.

I. Verlöbnis

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I. Verlöbnis Das Verlöbnis stellte im burgundischen Recht einen für beide Nupturienten bzw. deren Gewalthaber bindenden Vertrag dar, der durch Hingabe der arra des Bräutigams an die Braut und wohl den Austausch von Verlobungsringen geschlossen wurde.10 Die arra hatte im burgundischen Recht ihre ursprüngliche, aus dem orientalischen Rechtskreis stammende Bedeutung als Verlobungspfand, das zur Einhaltung des eingegangenen Verlöbnisses anhalten sollte und war zugleich Vorleistung eines Teils des Brautpreises ähnlich einer Anzahlung.11 Im burgundischen Recht war – germanischen Rechtsvorstellungen folgend – zur Ablösung der Hausgewalt über die Braut an die Brautfamilie ein Brautpreis – pretium – zu leisten.12 Das Verlöbnis verpflichtete zur Heirat innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren. Wurde das Verlöbnis dadurch gebrochen, dass der Gewalthaber seine Tochter mit einem anderen verheiratete, so musste die arra vierfach zurückerstattet werden.13 Trat der Mann nach oder innerhalb des Ablaufes von zwei Jahren vom Verlöbnis zurück, durfte die Brautfamilie das geleistete Verlobungspfand behalten.14 Die Rechtsfolge der vierfach zurückzuerstattenden arra ist der römischen Vorlage aus CTh 3, 5, 11 (380) entlehnt, ohne aber deren Differenzierung in der Rechtsfolge nach Lebensalter des Mädchens zu übernehmen. Der vereinheitlichten Rechtsfolge liegt offenbar ein bewusster Entschluss des burgundischen Gesetzgebers zugrunde, der zutreffend erkannt hatte, dass die Rechtsfolge in CTh 3, 5, 11 (380) im Ergebnis bei jeder in der Konstitution genannten Altersstufe gleich war und deshalb diese Differenzierung obsolet war.15 Das Verlöbnis verpflichtete die burgundische Frau schon vor Eheschluss zur Treue gegenüber ihrem Verlobten.16 Dies ist damit zu erklären, dass das burgundische Verlöbnis im Unterschied zum römischen einen vorgezogenen Teilakt der Eheschließung darstellte. 9 LRB 22 § 2, der auf CTh 8, 19, 1 (426) verweist, setzt voraus, dass die Frau in der patria potestas verbleibt; s. Johlen, 102; vgl. Leonhardt, Eheschließung, 26 ff. 10 LRB 27 §§ 1, 2; vgl. Wemple4, 32 f.; s. Drew, The Germanic Family, in: Law and Society, V 8. 11 LRB 27 §§ 1, 2; s. Johlen, 61; Leonhardt, Eheschließung, 28; Ennen6, 34; zur arra sponsalicia s. ferner Kaser, RP II2, § 216 I m.w. N.; vgl. auch Ennen6, 35. 12 Hierzu noch sogleich. 13 LRB 27, §§ 1–2; Johlen, 61. 14 LRB 27 § 1; Johlen, 61. 15 CTh 3, 5, 11 (380); LRB 27 §§ 1, 2. 16 LB 52 § 1; vgl. Leonhardt, Eheschließung, 17 f.; s. Ennen6, 35; Drew, The Germanic Family, in: Law and Society, V 8.

120

D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

In LB 52 findet sich eine detaillierte Regelung, die den Verlöbnisbruch einer mündigen (verwitweten) Frau regelt, aber grundlegende Aussagen über die Rechtswirkungen des Verlöbnisses ermöglicht. Der außer-/voreheliche Umgang der Frau mit einem anderen Mann stellte einen Verlöbnisbruch dar, der todeswürdig war.17 LB 52 liegt ein konkreter Fall zugrunde (die außereheliche Verbindung der Witwe Aunegild mit Baldamod, obwohl sie sich bereits Fridegisal, einem Schwertträger – spatharius – des Königs Sigismund, versprochen hatte).18 Nur im Hinblick auf die Ehrfurcht vor dem zum Zeitpunkt der königlichen Entscheidung anstehenden Osterfest wurde die Todesstrafe durch königliche Anordnung in eine Geldbuße in Höhe von 300 solidi umgewandelt, welche an den betrogenen Verlobten der Frau zu leisten war.19 Gleichwohl ist in LB 52 § 3 unmissverständlich dargestellt, dass der konkrete Fall als Anordnung eines generellen Verbots des Verlöbnisbruchs diente, der mit der Kapitalstrafe geahndet wurde. Bei genereller Anwendung der in LB 52 § 3 vermittelten Grundsätze bestand aber kein Raum für eine Umwandlung der Todesstrafe in eine Bußleistung.20 Die Abfassung des Titels im Weistumsstil anhand eines konkreten Falles ist damit zu erklären, dass der „Aunegild-Skandal“ dem burgundischen König Sigismund den Anlass bot, „Gundobads Gesetzeswerk wieder in Erinnerung zu rufen und dessen Beachtung neu einzuschärfen“ und „sich vor allen Augen als tatkräftiger und energischer Richter und Gesetzgeber zu präsentieren.“ 21

II. Ehemündigkeit Die Nupturienten mussten beide ehemündig sein. Die allgemeine Mündigkeitsgrenze lässt sich für das burgundische Recht aus LB 87 entnehmen. Dort wird im Zusammenhang mit Vertragsschlüssen durch Minderjährige von einer Altersgrenze von 15 Jahren berichtet.22 Auch LRB 36 § 1 handelt vom Lebensalter 15 als Grenze der Volljährigkeit, da ab diesem Alter die Tutel über Minderjährige übernommen werden konnte.23 Allerdings ist damit nicht gleichzeitig gesagt, dass dies auch die untere Altersgrenze für die Eingehung einer wirksamen Ehe darstellt. Die Lex Burgundionum sagt nichts über die Schwelle zur Ehemündigkeit aus. Wichtige Anhaltspunkte liefert die Lex Romana Burgundionum, in der

17 LB 52 § 1, § 3; damit wurde der Verlöbnisbruch dem Ehebruch gleichgestellt – LB 58. 18 Vgl. Kaiser, Burgunder, 135 f.; Schott, Aunegild-Skandal, in: Höfinghoff u. a., FS für Ruth Schmidt-Wiegand, 25–36. 19 LB 52 § 1. 20 LB 52 § 3; s. Wemple4, 33. 21 Schott, Aunegild-Skandal, in: Höfinghoff u. a., FS für Ruth Schmidt-Wiegand, 33; s. auch Kaiser, Burgunder, 136. 22 LB 87 § 1. 23 LRB 36 § 1.

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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sich die aus dem römischen Recht bekannten Altersgrenzen für die Mündigkeit von zwölf Jahren bei Mädchen und 14 Jahren bei Jungen wiederfinden.24 Es ist deshalb davon auszugehen, dass im burgundischen Recht die römischen Altersstufen für die Mündigkeit übernommen wurden; wahrscheinlich ist dies auch für den Geltungsbereich der Lex Burgundionum, obwohl sich aus dieser eine Übernahme der römischen Mündigkeitsgrenzen nicht explizit entnehmen lässt.25

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers 1. Grundsatz Der Eheschluss nach burgundischem Recht setzte zusätzlich zum consensus der Brautleute die Zustimmung des Gewalthabers voraus, wenn der zur Ehe Schreitende nicht sui iuris war. Allerdings fällt auf, dass die Nupturienten durchaus weitgehend ihren eigenen Willen zur Heirat durchsetzen konnten. Dass für das Eherecht der Lex Burgundionum die Zustimmung des Gewalthabers eine Selbstverständlichkeit war,26 zeigt sich in besonderem Maße in LB 100 und LB 101 § 1. Daraus folgt für sämtliche Einwohner, dass die Zustimmung des Gewalthabers jedenfalls der Frau einzuholen war. Dennoch führte eine „ohne Vaterwort“ 27 geschlossene Ehe nicht zu deren Ungültigkeit, sondern brachte lediglich güter- und vermögensrechtliche Konsequenzen mit sich.28 Bereits aus obigen Quellen ist ersichtlich, dass der von den Brautleuten selbst geäußerte consensus von zentraler Bedeutung für den wirksamen Eheschluss war. Erst recht konnte daher eine volljährige Frau sui iuris sich eigenständig verloben und verheiraten.29 Eine lediglich vermögensrechtliche Konsequenz drohte auch dann, wenn eine Frau sich willentlich dem außerehelichen Umgang mit einem Mann hingab; in diesem Falle zeigt sich, dass derart willentliches Handeln der Frau jedenfalls keine persönlichen und körperlichen Sanktionen nach sich zog. 24 LRB 36 § 3 im Zusammenhang mit der Aufforderung, dass minores sich bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres (Volljährigkeit) einen curator bestellen lassen sollen; vgl. hierzu Kaser, RP I2, § 90 II; Gai. Inst. 1, 196; Inst. 1, 22 pr.; Johlen, 71. 25 Die Übernahme der römischen Mündigkeitsgrenzen ist mit der Fortgeltung des hergebrachten Rechts zu begründen vgl. LB prima const. §§ 6, 7. 26 Vgl. Leonhardt, Eheschließung, 26 ff.; zum matrimonium sine manu vgl. Kaser, RP I2, § 76 II, Kaser, RP II2, § 215 III. 27 „. . . sine ordinatione patris . . .“; dt. Übersetzung nach Beyerle, Gesetze der Burgunden (1936), LB 101 § 1. 28 Sämtliches Vermögen der Frau fiel an ihren Ehemann – LB 100; der Mann, der sich ohne Zustimmung eine Frau nahm, musste an deren Vater den dreifachen Brautpreis, d. h. 150 solidi zahlen und zusätzlich eine Buße in Höhe von 36 solidi leisten – LB 101 § 1; die Höhe der Geldleistungen sind nach Stand differenziert und im Falle eines Gemeinfreien geringer; vgl. LB 101 § 2; zu den verschiedenen Ständen noch sogleich. 29 So belegt in LB 52 § 1.

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

Der betreffende Mann musste allerdings den dreifachen Brautpreis (pretium/wittimon) an ihre Eltern auszahlen. Danach war er in der Wahl der Gattin frei und konnte auf diese Weise eine andere Frau wählen.30 Eine Sondervorschrift findet sich in LB 12 § 5, wonach eine romanische Frau, die sich ohne Zustimmung ihrer Eltern mit einem burgundischen Mann ehelich verband, von der Erbfolge ausgeschlossen sein sollte.31 Es reichte allein das Vorliegen der Willensübereinstimmung zwischen den Nupturienten aus, um eine wirksame Ehe zu begründen. Der Verlust des Erbrechts als Sanktion für die römische Frau sicherte den selbständig geäußerten Konsens der Frau ab, weil zusätzlich keine Sanktion, insbesondere keine Möglichkeit für den Gewalthaber, die so begründete Ehe anzufechten, gegeben war.32 LB 12 § 5 ist eine vom burgundischen Gesetzgeber geschaffene Vorschrift ohne römisches Vorbild.33 Diese Norm muss in Zusammenhang mit dem vom burgundischen König verfolgten Ziel der Annäherung der Volksgruppen des Reichs gesehen werden. LB 12 § 5 ist nämlich eine Vorschrift, die die Zulässigkeit stammesverschiedener Ehen belegt.34 2. Zahlung des Brautpreises Im Unterschied zum römischen Recht bedurfte die wirksame Eingehung einer burgundischen Ehe nach der Lex Burgundionum der Leistung eines Brautpreises – pretium.35 Als Bezeichnung des Brautpreises findet sich zudem in der Titelüberschrift zu LB 101 die latinisierte volkssprachliche Bezeichnung „witimon“.36 Die Leistung des Brautpreises war Voraussetzung für die Eingehung einer wirksamen Ehe zwischen Burgundern untereinander oder Burgundern und Romanen.37 Allerdings ist entgegen der vornehmlich älteren Forschung nicht davon auszugehen, dass die Frau zum Objekt eines echten Kaufvertrages gemacht LB 12 § 4; s. Wemple4, 34. LB 12 § 5; s. Johlen, 101 Fn. 36; Kottje, in: Affeldt, 217; Leonhardt, Eheschließung, 24. 32 Von der Verpflichtung zur Zahlung des dreifachen Brautpreises aus LB 12 § 4 entband dies den burgundischen Mann allerdings nicht. 33 Nach dem römischen Recht war die Ehe zwischen Römern und Barbaren verboten; Kaser, RP II2, § 217 II 4 a). 34 Hierzu noch sogleich. 35 Vgl. LB 66 § 1 u. § 2; LB 69 § 1, § 2; LB 86 § 2; LB 101; LB 12 § 4 und LB 52 § 3 (jeweils nutpiale pretium); LB 12 § 1, § 2 (pretium puellae); LB 14 § 3 und LB 34 § 2 (jeweils pretium uxoris); vgl. auch LB 42 § 2; s. Leonhardt, Eheschließung, 17; Drew, The Germanic Family, in: Law and Society, V 8; im Recht der Lex Visigothorum bezeichnet pretium offenbar die dos – s. LV 3, 4, 2 (Chindasvinth). 36 LB 101 „De witimon“; s. von Olberg, 25. 37 s. Leonhardt, Eheschließung, 27; a. A. Wemple4, 36, die die Leistung des Brautpreises lediglich als Voraussetzung der Legitimität der Nachkommen verstanden wissen möchte. 30 31

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wurde,38 sondern diese vermögenswirksame Leistung eher als bekräftigender Akt der Übereinkunft mit der Familie der Braut aufzufassen ist, der das mundium der Brautfamilie über die Braut ablöste und den Übergang der Braut in die Hausgewalt des Bräutigams ermöglichte.39 Da das pretium schon bei der Verlobung teilweise zu leisten war, war der Eheschließungsakt zweigeteilt in Verlobung mit Leistung des Brautpreises und die eigentliche Eheschließung.40 Die Regelungen der Lex Romana Burgundionum setzen als Erfordernis einer wirksamen Ehe unter Romanen die Leistung der donatio nuptialis durch den Mann an die Frau voraus.41 Die donatio nuptialis der Lex Romana Burgundionum42 entsprach der donatio ante nuptias nach dem römischen Recht, und stellte eine Leistung des Mannes an die Frau im Zuge der Eheschließung dar.43 Gleichzeitig wird in der Lex Romana Burgundionum für die vermögenswerte Leistung des Mannes an die Frau die Bezeichnung dos verwendet.44 Mit dos ist indes nach römischer Rechtstradition eine Leistung an den Mann gemeint, welche in der Regel vom Gewalthaber der Frau erbracht wurde, und die der Frau nach beendeter Ehe als Versorgungsgrundlage zu diente.45 Die dos wurde nach burgundischem Recht also mit der donatio ante nuptias mitunter gleichgesetzt und die Differenzierung zwischen beiden Instituten ging weitgehend verloren.46 Dass nach der Lex Romana Burgundionum für die Anerkennung als wirksame Ehe die Leistung der donatio nuptialis durch den Mann erforderlich war, folgt 38 V. a. die ältere Forschung sprach von „Kaufehe“, so z. B. Leonhardt, Eheschließung, 17 und 27; Beyerle, Gesetze der Burgunden (1936), 169; ähnlich Boyson, in: NottMedSt 32, 101; auch Brundage geht im Anschluss an die ältere Literatur von einer Kaufehe aus, Brundage, Law, Sex and Christian Society, 128 dort m.w. N. in Fn. 9. 39 Vgl. Kottje, in: Affeldt, 214 f. m.w. N.; Schulze, Eherecht, in: RGA 6, 482–487; Ennen6, 35; treffender als „Kaufehe“ ist deshalb die Bezeichnung als „Sippenvertragsehe“ – Mikat, Ehe, in: HRG 1, 810 f. 40 Von Leonhardt, Eheschließung, 17 als „Trauung“ bezeichnet; s. auch Ennen6, 35; Boyson, in: NottMedSt 32, 101 bezieht ebenso wie Drew, The Germanic Family, in: Law and Society, V 8 f. noch die dos und die Morgengabe (morginegiva – LB 42 § 2) in die Wirksamkeitserfordernisse mit ein; diese dienen aber eher der güterrechtlichen Versorgung der Frau und machen die Wirksamkeit der Ehe nicht von ihrer Leistung abhängig. 41 LRB 37 §§ 1, 2; s. Johlen, 61; a. A. Wemple4, 36. 42 In LRB 37 § 1. 43 s. Brunner, Fränkisch-romanische dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 78, 80; Johlen, 61; Leonhardt, Eheschließung, 17. 44 LRB 21 § 3. 45 Z. B. Nov. Mai. 6 (458); D. 23, 3; vgl. Kaser, RP I2, § 80 I 1; Kaser, RP II2, § 222 I; Brunner, Fränkisch-romanische dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 84, 91. 46 Wenngleich sich ausweislich LRB 21 § 3 und LRB 22 § 2 Hinweise darauf finden, dass die römischrechtliche Unterscheidung von dos und donatio ante nuptias den Rechtskundigen des burgundischen Reiches nicht vollkommen unbekannt war – s. Johlen, 111.

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aus der klaren Formulierung in LRB 37 § 1 sowie der Tatsache, dass nur dann die Nachkommen als legitim galten.47 Als Vorbild aus dem römischen Recht lässt sich eine Novelle Maiorians aus dem Jahr 458 ausmachen.48 Zwar war diese Novelle bereits im Jahr 463 vom weströmischen Kaiser Flavius Libius Severus wieder außer Kraft gesetzt worden,49 jedoch legt die Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in das burgundische Römerrecht die Benutzung des römischen Vorbilds nahe. Gründe für den Rückgriff auf die außer Kraft gesetzte Norm dürften sowohl in burgundischer Rechtstradition als auch in christlichem Einfluss zu sehen sein. Die Lex Burgundionum zeigt, dass nach dem burgundischen Rechtsverständnis eine Vermögensleistung an die Brautfamilie für eine wirksame Ehe erforderlich war.50 Gleichzeitig wurde die Novelle Maiorians von 458 von der Kirche aufgegriffen und in einem Papstbrief Leos des Großen die öffentliche Vermögensleistung als Publizitätserfordernis für eine wirksame Ehe etabliert, um dadurch die Ehe vom Konkubinat abzugrenzen.51 Der starke Einfluss der Kirche im burgundischen Reich, namentlich durch das Wirken des Bischofs Avitus von Vienne, lässt den Rückgriff auf die im Westreich 463 außer Kraft gesetzte Norm nachvollziehbar erscheinen. Lex Burgundionum und Lex Romana Burgundionum sind einander so weit angenähert, dass die Eheschließung eine vermögensrechtliche Leistung des Mannes voraussetzt, mit dem Unterschied allerdings, dass nach der Lex Romana Burgundionum diese an die Frau selbst zu erbringen war und zusätzlich deren wirtschaftlicher Absicherung dienen sollte. 3. Entführung der Braut Ebenso wie in den gotischen Leges spielen Vorschriften über die Entführung von Frauen und Notzuchtsverbrechen im burgundischen Recht eine erhebliche Rolle. Das crimen raptus war zwar auch im burgundischen Recht nicht ehebegründend, muss doch aber aufgrund der recht detaillierten Regelungen von nicht geringer sozialer Relevanz gewesen sein.52 Das crimen raptus wurde nach dem Recht der Lex Burgundionum so aufgefasst, dass der Mann die Frau ohne bzw. gegen den Willen ihres Gewalthabers heimführte, um sie zu ehelichen.53 Dabei 47

LRB 37 § 2. Nov. Mai. 6, 9 (458); allerdings wird im Unterschied zu LRB 37 § 1 anstelle der donatio nuptialis die römischrechtliche dos genannt; vgl. Brunner, Fränkisch-romanische dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 90 f. 49 Nov. Sev. 1 (463); Außerkraftsetzung als „iniusta lex“; Brunner, Fränkisch-romanische dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 88. 50 Vgl. LV 3, 2, 8 (Antiqua). 51 Vgl. Brunner, Fränkisch-romanische Dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 88 f.; Mikat, Dotierte Ehe, 34 f. 52 Vgl. Leonhardt, Eheschließung, 19, 29. 53 LB 12 § 1; der Ehewille folgt aus der Passage über die Zahlung des Brautpreises – „. . . quod pro puella daturus erat, . . .“. 48

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konnte dies entweder gegen den Willen der Frau oder in Übereinkunft mit dieser erfolgen.54 Im Ehewillen des Frauenräubers lag der Unterschied zu den bloßen Notzuchtsverbrechen, bei denen ein solcher Wille fehlte und der Mann lediglich seine Befriedigung suchte.55 Der Frauenräuber musste der Familie der Frau das neunfache pretium puellae zahlen sowie zusätzlich eine Strafe von zwölf solidi. Die Zahlung des – wenn auch wegen des Raubes der Frau deutlich erhöhten – Brautpreises begründete nachträglich wirksam die Ehe.56 Mit Leonhardt lässt sich die im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Wirksamkeit der Ehe nach Zahlung des erhöhten Brautpreises aus der Tatsache folgern, dass die Norm keine Verpflichtung des Räubers zur Rückgabe der geraubten Frau enthält.57 Konnte der raptor das erhöhte pretium nicht leisten, wurde er der Familie der Entführten ausgeliefert, die mit ihm gemäß LB 12 § 3 nach Belieben verfahren konnte, ihn also auch töten durfte. Nicht in jedem Fall aber musste trotz bestehender Verpflichtung zur Zahlung eines erhöhten pretium puellae eine Ehe zustande kommen: Für den Fall, dass die entführte Frau unbescholten – incorrupta –58 zu ihrer Familie zurückkehrte, musste der Entführer den sechsfachen Brautpreis zahlen; eine Ehe wurde dadurch dann aber nicht begründet, sondern lediglich die Verletzung der fremden Hausgewalt abgegolten.59 Direkt aus dem Recht des Codex Theodosianus entlehnt ist der Titel, der den Frauenraub in der Lex Romana Burgundionum regelt. Der raptor wurde mit dem Tode bestraft, ebenso die Frau, wenn sie mit ihrer Entführung einverstanden war.60 Jedoch enthält LRB 9 § 1 ebenso wie das unmittelbare theodosianische Vorbild CTh 9, 24, 1 (320/326) nicht direkt die Festsetzung der Kapitalstrafe. Dass diese die drohende Sanktion war, lässt sich aber aus CTh 9, 24, 2 (349) folgern. In dieser Konstitution des Kaisers Constantius II. wird bezugnehmend auf die ältere Konstitution CTh 9, 24, 1 (320/326) die Kapitalstrafe für das crimen raptus festgesetzt.61 Im Gegensatz zu den Regelungen der Lex Burgundionum war nach der Lex Romana Burgundionum eine nachträgliche Legalisierung der Entführung durch 54

Hiervon berichtet LB 12 § 4. Leonhardt, Eheschließung, 19; vgl. LB 30 §§ 1, 2 (Notzucht an einer Sklavin); LB 35 § 1 (Vergewaltigung einer Freien durch einen Sklaven); ein Rechtssatz über Geschlechtsverbrechen, verübt von einem Freien an einer freien Frau, ist in der Lex Burgundionum nicht überliefert. 56 LB 12 § 1; vgl. Esmyol, 112. 57 s. Leonhardt, Eheschließung, 20. 58 Von Beyerle, Gesetze der Burgunden (1936), 27 übersetzt mit „unbeschlafen“. 59 LB 12 § 2; s. Leonhardt, Eheschließung, 20. 60 LRB 9 § 1; unverkennbar ist CTh 9, 24, 1 (326) das Vorbild; s. Leonhardt, Eheschließung, 29. 61 CTh 9, 24, 1 (326); CTh 9, 24, 2 (349). 55

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

Übereinkunft mit der Familie der Frau bzw. durch Leistung eines erhöhten pretium (vgl. LB 12 § 1) untersagt.62 Zudem wurde in LRB 9 § 3 die aus dem Codex Theodosianus bekannte Vorschrift über die fünfjährige Verjährungsfrist übernommen, nach deren Ablauf die Rechtmäßigkeit der Ehe fingiert wurde und die aus dieser Verbindung hervorgegangenen Kinder nicht mehr als liberi naturales, sondern als legitime Nachkommen galten.63 Auf die römische Vorbildnorm CTh 9, 24, 3 (374) wird im burgundischen Gesetzestext direkt verwiesen.64 Ebenfalls an die Vorschriften des Codex Theodosianus eng angelehnt ist die Regelung der Vergewaltigung einer freien Frau, die mit dem Tode bestraft wird.65 Die knappe und präzise Formulierung aus LRB 19 § 1 legt eine Exzerpierung aus CTh 9, 24, 1 (320/326) und 3 (374) nahe.66 Im burgundischen Recht zeigt sich wie in anderen germanischen Leges die Auffälligkeit, dass im für germanische Völker geltenden Recht die Entführung der Braut nachträglich durch Übereinkunft mit der Familie als anerkannte Ehe legalisiert werden konnte.67 Die römischrechtlich geprägte Regelung (LRB 9) sah hingegen diesen Weg nicht vor68 und beschränkte sich auf die Legalitätsfiktion nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist. Darüber hinaus wurde das crimen raptus mit der Kapitalstrafe wesentlich schärfer geahndet.

IV. Verbot der Mehrehe Das Eherecht der Lex Burgundionum zeichnet sich durch eine überschießende Verpflichtung der Frau zur ehelichen Treue aus, was als Ausfluss der eheherrlichen Munt zu deuten ist.69 Die eherechtlichen Vorschriften der Lex Burgundionum gehen aufgrund der Verpflichtung zur Dotierung der Ehe sowie der gegenüber dem Mann deutlich schwächeren Rechtsstellung der Frau von der Muntehe aus.70 Regelungen über eine andere Eheform – setzt man beispielsweise die Exis62 LRB 9 § 2; entsprechend CTh 9, 24, 1 (326) (mit IT) werden die Eltern, die einer so begründeten Verbindung nachträglich absegnen mit der Relegationsstrafe belegt; inhaltlich ebenso ET c. 18. 63 LRV 9 § 3 ist aus CTh 9, 24, 3 (374) entlehnt; s. Leonhardt, Eheschließung, 29; vgl. oben Kapitel B. III. 3., Kapitel C. IV. 2. 64 LRB 9 § 3. 65 LRB 19 § 1; LRB 19 § 2 regelt das Geschlechtsverbrechen an einer Unfreien, LRB 19 § 3 die Begehung desselben durch einen Sklaven. 66 CTh 9, 24 (326) diente auch als Vorbild für ET c. 18; s. oben. 67 s. LV 3, 3, 7 (Antiqua); LV 3, 4, 7 (Antiqua); Edictum Rothari, c. 191; Liutprandi leges (723), c. 31. 68 Ebenso ET c. 18. 69 s. Kottje, in: Affeldt, 213 u. 217 f.; dies zeigt sich z. B. darin, dass die Frau nach Verlobung schon zur Treue verpflichtet war – LB 52; außerdem durfte sich die Frau nicht einseitig scheiden lassen – LB 35 § 1. 70 s. Johlen, 102.

IV. Verbot der Mehrehe

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tenz der Friedelehe voraus – finden sich in der Lex Burgundionum nicht.71 Die Frage, ob das burgundische Recht neben der Muntehe andere Verbindungen zuließ, die statt der Muntehe oder parallel zu ihr bestehen konnten, ist angesichts des Schweigens der Lex Burgundionum nicht eindeutig zu beantworten.72 Jedenfalls ist aber davon auszugehen, dass eine weitere Muntehe neben einer schon bestehenden nicht möglich war.73 Eine Muntehe nach der Lex Burgundionum setzte also voraus, dass eine zuvor geschlossene andere Ehe wirksam ihre Beendigung gefunden hatte. Die für die romanische Bevölkerung gültige Lex Romana Burgundionum ging von der spätantiken römischen Ehe sine manu aus, die ohnehin eine weitere Verbindung, sei es Ehe oder Konkubinat, neben sich ausschloss und deshalb ebenfalls der vorherigen wirksamen Beendigung bedurfte. Als Beendigungstatbestände kamen die Scheidung, der Tod eines Ehegatten sowie die Beendigung der Ehe durch Freiheitsverlust eines Ehegatten in Betracht.74 Da das burgundische Recht keine Zulässigkeit der Ehe zwischen Freien und Sklaven oder Kolonen kannte, muss davon ausgegangen werden, dass für den Fall des Freiheitsverlustes eine bestehende Ehe gelöst wurde und der freie Ehegatte wieder heiraten durfte.75 Der Freiheitsverlust wird sowohl in der Lex Burgundionum als auch im burgundischen Römerrecht behandelt.76 1. Vorherige Ehebeendigung durch Scheidung Es bestehen erkennbare Unterschiede zwischen den Scheidungsvoraussetzungen der Lex Burgundionum und denen der Lex Romana Burgundionum, zugleich 71 Leonhardt, Eheschließung, 22 möchte in LB 12 § 4 aufgrund der Übereinkunft der Partner einen Hinweis auf die Friedelehe erkennen; dagegen spricht alleine schon die Tatsache, dass die Verbindung gemäß LB 12 § 4 nachträglich zu dotieren ist und ausdrücklich von pretium gesprochen wird; beides sind deutliche Merkmale einer Muntehe; zur Diskussion über die Existenz der Friedelehe s. oben Kapitel B. III. 3. Fn. 49. 72 So berichten schon Caesar und Tacitus über polygynes Leben in germanischen Führungsschichten – Caesar, de bello Gallico I, 53 bzgl. Ariovist; Tacitus, Germania c. 18; s. Saar, Ehe, 218. 73 s. z. B. Meyer, Ehe und Eheauffassung, 36; Müller-Lindenlauf, 54, 114 f.; Mikat, Ehe in: HRG 1, 815; ders., Polygamie, in: HRG 3, 1816; Kottje, in: Affeldt, 213, 218; Saar, Ehe, 218. 74 Dies entspricht der römischen Rechtslage, Kaser, RP II2, § 219 und o. Kapitel B. IV. 75 Für die Frau ist davon auszugehen, dass sie erst nach Ablauf eines Jahres wieder heiraten durfte; hierzu noch sofort. 76 Verlust der Testierfähigkeit in LRB 31 § 1; vgl. hierzu Bauer-Gerland, 81 ff.; LB 35 § 2; LB 40 § 1 (Verlust des Freigelassenenstatus), zur Wiedererlangung der Freiheitsrechte nach Rückkehr eines Freigeborenen aus Sklaverei und Kriegsgefangenschaft LRB 41; der Ehekonsens lebte dann aber nicht automatisch wieder auf – vgl. Huber, 87 ff.; s. auch LRV PS 1, 7, 2; LRV CTh 5, 5, 2, 2; LRV PS 2, 26, 1; LRV G. VI, 2 für das westgotische Recht und Demandt2, 343 f.

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aber auch deutliche Gemeinsamkeiten, die belegen, dass in beiden Fällen die Scheidungsvorschrift aus CTh 3, 16, 1 (331) als Vorbild gedient und Modifizierungen durch den burgundischen Gesetzgeber erfahren hat. Die Lex Burgundionum sah eine von der Frau einseitig betriebene Scheidung nicht vor. Zwar konnte die Frau nach dem burgundischen Recht nicht gegen ihren Willen verheiratet werden, nach Begründung der burgundischen Muntehe erschöpfte sich dann aber das einseitige Entscheidungsrecht der Frau. Trennte sich die Frau von ihrem Mann, stand hierauf unabhängig vom Beweggrund der Frau die Todesstrafe durch Ertränken im Sumpf.77 Einen Schutz der bestehenden Ehe vor ehebrecherischem Verhalten des Mannes bot allein LB 68, nach dem bei auf frischer Tat aufgedecktem Ehebruch sowohl Mann als auch Frau zu töten waren78 oder nach freiem Ermessen des Betrogenen nur einer der Beteiligten getötet wurde und dann das Wergeld hierfür zu leisten war.79 Entgegen der Vermutung Leonhardts80 sollte der Mann seine Ehefrau dennoch nicht willkürlich verstoßen können, obwohl die einseitige Aufkündigung des Ehekonsensus auch dann wirksam war, wenn ein benannter Scheidungsgrund nicht vorlag.81 Angelehnt an die korrespondierende Vorschrift des Codex Theodosianus wurde eine begrenzte Anzahl von Scheidungsgründen – Ehebruch, Hexerei und Grabschändung – in LB 34 § 3 aufgenommen, die vor Gericht nachzuweisen waren und damit römischem Vorbild nachempfunden waren.82 77 LB 34 § 1; s. Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 15; Leonhardt, Eheschließung, 57; Kottje, in: Affeldt, 217; Johlen, 135 möchte die Todesstrafe lediglich auf den Fall einer unberechtigten Scheidung durch die Frau beziehen; dies ist mit dem deutlichen Wortlaut in LB 34 § 1 („Si qua mulier maritum suum, cui legitime est iuncta, dimiserit, necetur in luto.“) aber nicht vereinbar; nach Rüegger, 175 handelt es sich bei der Strafe durch Ertränken um „ohne Zweifel ältestes germanisches Sakralrecht“. 78 LB 68 § 1. 79 LB 68 § 2; LB 68 schützt die bestehende Ehe vor dem Eindringen eines anderen Mannes und verpflichtet die Frau zur ehelichen Treue; andererseits ist die Norm auch so zu verstehen, dass auch der verheiratete Mann sich jedenfalls nicht mit einer anderen verheirateten Frau einlassen durfte; die Norm ist ohne römisches Vorbild – vgl. Rüegger, 176–184. 80 Vgl. Leonhardt, Eheschließung, 57 f. 81 Deshalb spricht Rüegger, 174 von einer auf römischen Einfluss zurückgehenden „lex imperfecta“; s. auch Saar, Ehe, 304. 82 LB 34 § 3 nach dem Vorbild CTh 3, 16, 1 (331); s. auch Ganshof, in: La Femme II, 32; allerdings handelt es sich bei den in der Lex Burgundionum übernommenen Scheidungsgründen um eine verkürzende Kombination der Scheidungsgründe für den Mann und für die Frau, nach denen der Codex Theodosianus unterscheidet; s. die Aufstellung bei Rüegger, 173; der Ehebruch ist in LRB 25 mit gleichem Inhalt geregelt wie in LB 68 (Tötungsrecht des betrogenen Ehegatten!); es wird zwar auf eine Novelle Maiorians (Nov. Mai. 9 [459]) verwiesen, dies beruht aber auf einem Missverständnis, tatsächlich sind in LRB 25 offenbar alte burgundische Rechtsvorstellungen eingeflossen – hierzu Rüegger, 178 ff.

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In Widerspruch stehen die §§ 2 und 4 des Titels LB 34: In beiden Untertiteln ist eine vermögensrechtliche Sanktion festgelegt, wobei in LB 34 § 2 lediglich das pretium zuzüglich einer Buße in Höhe von zwölf solidi nochmals zu zahlen ist, in LB 34 § 4 aber der sich grundlos Scheidende sein gesamtes Hab und Gut an die verstoßene Frau und ihre Kinder verliert. Es ist davon auszugehen, dass LB 34 § 4 nachträglich dem Titel hinzugefügt wurde, um durch eine schärfere Sanktion für den Mann grundlosen Scheidungen vorzubeugen.83 Denn obwohl die Scheidung aufgrund des durch den Mann aufgekündigten Ehekonsensus auch ohne Vorliegen eines Scheidungsgrundes nach Maßgabe des LB 34 § 3 wirksam war, so war dem Mann doch faktisch der Weg in eine neue Ehe durch den Vermögensverlust wesentlich erschwert, weil ein verarmter Mann kein attraktiver Ehepartner war.84 Das Recht zur Ehescheidung findet sich für den römischen Bevölkerungsteil in der Lex Romana Burgundionum im Titel LRB 21. Dabei sind die Scheidungsgründe für den Mann (LRB 21 § 2) ebenso wie die Scheidungsgründe für die Frau (LRB 21 § 3) deckungsgleich mit der im Codex Theodosianus überlieferten Konstitution,85 auf die in LRB 21 § 3 am Ende verwiesen wird.86 Bei unberechtigt betriebener Scheidung ging jeweils die dos verlustig, für die Frau zusätzlich auch die donatio nuptialis.87 In Übereinstimmung mit der klassischen römischen Rechtslage war nach der Lex Romana Burgundionum eine Scheidung durch Übereinkunft zulässig.88 Es ist wahrscheinlich, dass auch für Ehen unter Burgundern bzw. zwischen Burgundern und Römern die einverständliche Scheidung entsprechend LRB 21 § 1 zulässig war, weil ansonsten eine abweichende bzw. verbietende Regelung der einverständlichen Scheidung in der Lex Burgundionum zu erwarten gewesen wäre. 83 In diesem Sinne auch Saar, Ehe, 304 u. Fn. 3 m.w. N.; Rüegger, 175 f.; römischrechtlicher Einfluss ist wahrscheinlich – s. IT zu CTh 3, 16, 1 (331); Leonhardt, Eheschließung, 58 u. Fn. 5. 84 Saar, Ehe, 311, 358; Leonhardt, Eheschließung, 58 schreibt die Erschwerung der Scheidung durch LB 34 § 4 römischem und kirchlichem Einfluss zu und verweist auf IT zu CTh 3, 16, 1 (331); die teilweise Zusammenfassung der aus CTh 3, 16, 1 (331) bekannten Scheidungsgründe möchte Rüegger, 173 f. – allzu spekulativ – auf ein Redaktionsversehen zurückführen, das aufgrund des ähnlichen Schriftbildes sowie zu hastiges Lesen entstanden sei. 85 CTh 3, 16, 1 (331). 86 Die Scheidungsvoraussetzungen sind daher aus dem römischen Recht zu entnehmen, s. hierzu Levy, Ehescheidung, 76, 132. 87 LRB 21 § 2, § 3; s. Leonhardt, Eheschließung, 64; Johlen, 134 f.; Kottje, in: Affeldt, 217. 88 LRB 21 § 1; Vorbild ist Nov. Th. 12 (439); die uneingeschränkte Möglichkeit der einvernehmlichen Scheidung, die LRB 21 § 1 vorsieht, entspricht materiell der klassischen römischen Rechtslage, vgl. Ulp. D. 24, 1, 32, 10; Ulp. D. 40, 9, 14, 4; Kaser, RP I2, § 77 III 2; s. weiter Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 15; Johlen, 134; zur spätantiken Rechtslage vgl. Kaser, RP II2, § 219 I 3 m.w. N. und oben Kapitel A. III. 2. d).

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

Gleichwohl schweigt die Lex Burgundionum zu dieser Frage, so dass ein sicherer Nachweis nicht gelingt.89 Dennoch ist aus dem Schweigen der Lex Burgundionum nicht auf ein Verbot der einverständlichen Scheidung zu schließen.90 Die Scheidung musste nach dem Recht der Lex Romana Burgundionum wie die Scheidung im nachklassischen römischen Recht einem Formerfordernis genügen und mittels libellus repudii vorgenommen werden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von LRB 21 §§ 1–3 (repudium dare). Wie gezeigt, ist der Begriff des repudium gleichbedeutend mit dem Scheidebrief.91 Nach der Lex Burgundionum war für eine Scheidung einer burgundischen Ehe offenbar kein repudium erforderlich. Denn die Wortwahl dimittere für den Scheidungsakt in LB 34 §§ 2–4 ist allgemeiner als das repudium und bedeutet für das burgundische Recht die Entlassung der Frau aus der manus des Mannes.92 Wäre für die Scheidung der burgundischen Ehe der Scheidebrief Formerfordernis gewesen, so hätte der burgundische Gesetzgeber dies wohl explizit in die Lex Burgundionum aufgenommen, da er ganz offenkundig mit der römischen Scheidungsterminologie vertraut war. 2. Außereheliche Verbindungen Die Vorschriften der Lex Burgundionum bieten keine sicheren Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage, inwieweit der Mann zur ehelichen Treue verpflichtet war bzw. parallel zu einer Ehe weitere Verbindungen unterhalten konnte. Feststellbar ist anhand der Regelungen der Lex Burgundionum, dass die Treueverpflichtung der Frau weiter reichte als die des Mannes.93 Geht man von der Existenz der – in der Lex Burgundionum nicht geregelten – Friedelehe aus, ist wohl anzunehmen, dass eine solche Verbindung parallel zu einer Muntehe unterhalten werden konnte;94 gleiches gilt für Beziehungen zu einer eigenen Unfreien.95 Dass 89 Die Vermutung, dass die einverständliche Scheidung auch im Anwendungsbereich der Lex Burgundionum anerkannt war, stellt Leonhardt, Eheschließung, 57 auf, ohne aber Belege oder Begründung anzuführen; auch Kottje, in: Affeldt, 217 scheint LRB 21 § 1 auf das gesamte burgundische Recht zu beziehen. 90 Saar, Ehe, 363. 91 LRB 21 §§ 1–3; Levy, Ehescheidung, 125 ff., 132 Fn. 2; s. oben Kapitel A. III. 2. d) Fn. 247. 92 LB 34 §§ 2–4; vgl. Levy, Ehescheidung, 8 f.; allgemein zur Terminologie im Zusammenhang mit der Scheidung vgl. Treggiari, 435 ff. 93 s. nur LB 52; LB 34 § 1. 94 Hierzu bereits oben Kapitel B. III. 3. Fn. 49; vgl. ferner Esmyol, 25 ff.; Drew, The Germanic Family, in: Law and Society, V 9 stellt zutreffend fest, dass sich in den burgundischen Gesetzen keine Anhaltspunkte für weitere Eheformen neben der anerkannten Muntehe finden, übersieht aber, dass LRB 37 § 4 Anhaltspunkte für die Anerkennung einer Konkubinatsverbindung liefert; hierzu sogleich. 95 s. Kottje, in: Affeldt, 218.

IV. Verbot der Mehrehe

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ein Freier mit seiner Magd straflos eine Beziehung unterhalten konnte, lässt sich mittelbar daraus erschließen, dass die Notzucht an einer fremden Magd strafbewehrt war96 und zudem nur ein geschlechtlicher Umgang einer freien Frau mit einem Unfreien sanktioniert wurde, nicht aber die umgekehrte Konstellation.97 Jedenfalls kann aber bezogen auf das burgundische Recht nicht mit der Bestimmtheit Kottjes behauptet werden, dass außerehelicher Umgang des Mannes generell „nicht als strafwürdig . . . galt“ bzw. „in . . . keiner Weise tadelnswürdig war.“ 98 Hierbei wird LB 68 dahingehend missdeutet, dass lediglich die Frau bei ehebrecherischem Verhalten mit dem Tode bestraft wird.99 Jedoch wurde auch der ehebrecherisch handelnde Mann mit der Kapital- bzw. Vermögensstrafe belegt, wenn er in eine fremde Ehe einbrach.100 In diesem Falle wurde der außereheliche Umgang des Mannes vom burgundischen Gesetzgeber entgegen Kottje als durchaus tadelnswert und strafwürdig eingestuft, wobei bezüglich der Bestrafung des Einbruchs in eine fremde Ehe keine Unterscheidung zwischen ledigen und verheirateten Männern vorgenommen wurde. Für den romanischen Bevölkerungsteil sollte durch die Lex Romana Burgundionum das überlieferte römische Eherecht fortgelten, so dass davon ausgegangen werden kann, dass neben einer Ehe nicht eine Zweitehe, eine Konkubinatsverbindung oder ein contubernium bestehen konnte, da sonst eine Bestrafung wegen Ehebruchs drohte.101 Gemäß LRB 25 richtete sich die Rechtsfolge für das adulterium nach einer Novelle Maiorians aus dem Jahr 459, in der Deportationsstrafe und Vermögenskonfiskation angedroht wurden.102 Dass aber das burgundische Römerrecht die Existenz von Konkubinatsverbindungen kannte, belegt LRB 37 § 4, wonach es dem romanischen Mann untersagt war, der Konkubine und den aus der Konkubinatsverbindung stammenden Kindern – liberi naturales – mehr als ein Achtel seines Vermögens als Erbe zu hinterlassen.103

96

LB 30 § 1; es droht eine Geldbuße in Höhe von 12 solidi. LB 35 §§ 1–3. 98 Kottje, in: Affeldt, 217 f. 99 Kottje, in: Affeldt, 217 u. Fn. 43. 100 LB 68 § 1, § 2. 101 s. Johlen, 131; von der Existenz des Konkubinats nach burgundischem Römerrecht geht ohne nähere Begründung auch Leonhardt, Eheschließung, 30 aus. 102 LRB 25; Nov. Mai. 9 (459); die burgundische Norm verweist direkt auf die römische Novelle; das in LRB 25 enthaltene Tötungsrecht des Ehemannes, der seine Frau beim Ehebruch ertappte, ist allerdings in Nov. Mai. 9 (459) nicht enthalten, was der burgundische Gesetzgeber wohl missverstand. 103 Hierzu und zu römischen Vorbildern des Titels LRB 37 § 4 Bauer-Gerland, 155 ff. 97

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand 1. Stammesverschiedene Ehen Die stammesverschiedene Ehe war in der Lex Burgundionum anerkannt, verschiedene Stammeszugehörigkeit bildete kein Ehehindernis.104 Ehen zwischen Römern und Burgundern waren unschwer möglich, weil Burgunder und Romanen rechtlich gleichgestellt waren, was das conubium herbeiführte.105 Zwar nimmt Liebs an, aus dem Schweigen der Lex Romana Burgundionum zur Frage der stammesverschiedenen Ehe und der Tatsache, dass die Lex Burgundionum erkennbar von der Zulässigkeit von Mischehen ausgeht, könne nicht gefolgert werden, „dass das strafbewehrte Mischehenverbot für die romanische Bevölkerung hier wirklich obsolet war“, weil die Lex Romana Burgundionum für Rückgriffe auf das allgemein überlieferte römische Recht offen sei.106 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, da wenig plausibel ist, weshalb die ältere Lex Burgundionum von der Zulässigkeit der Mischehe ausgeht, die jüngere Lex Romana Burgundionum sich hingegen zu dieser Frage nicht äußert. Sollte die Mischehe für Romanen unzulässig gewesen sein, wäre eine entsprechende Regelung im burgundischen Römerrecht zu erwarten gewesen. Zudem spricht die rechtliche Gleichstellung des burgundischen und des romanischen Bevölkerungsteils gegen die Annahme, das Mischehenverbot könne für Romanen weitergegolten haben. In der rechtlichen Gleichstellung zeigt sich nämlich, dass die Lebensverhältnisse im Burgunderreich von einem engen Zusammenleben und intensivem Austausch zwischen beiden Bevölkerungsteilen geprägt waren, so dass in der sozialen Wirklichkeit stammesverschiedene Verbindungen zwischen Burgundern und Römern wohl an der Tagesordnung waren und die gesetzliche Normierung der Zulässigkeit einer solchen Ehe in LB 12 § 5 und LB 100 eher deklaratorisch wirkt.107 2. Inzestverbot Das Inzestverbot findet sich in den Kodifikationen des burgundischen Rechts lediglich in einem Titel der Lex Burgundionum wieder, nicht aber in der Lex Romana Burgundionum.108 Ubl führt die Regelung über das Inzestverbot auf Sigis104

Dies folgt aus LB 12 § 5; LB 100; s. Grahn-Hoek, in: SZ (GA) 121, 102, 112. Die rechtliche Gleichstellung der beiden Bevölkerungsteile folgt beispielsweise aus LB prima constitutio 3 § 11; LB 15 § 1 („Quod . . . inter Burgundiones et Romanos aequali conditione volumus custodiri“); LB 2 § 1 („. . . ex populo nostro cuiuslibet nationis . . .“); s. Kaiser, Burgunder, 134. 106 Liebs, Verbot von Mischehen, in: Atti dell’Accademia Romanistica Costantiniana, 625. 107 s. auch Leonhardt, Eheschließung, 19. 108 LB 36. 105

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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mund zurück, der das burgundische Recht in der Fassung des Jahres 517 n. Chr. ausarbeiten ließ.109 Die Urheberschaft des Sigismund legt eine Geltung des Titels LB 36 für alle Bevölkerungsgruppen des burgundischen Reichs nahe, da die Normen, welche demgegenüber auf Gundobad zurückzuführen sind, entsprechend der Ankündigung des Gundobad in LB prima constitutio 8 eine korrespondierende Vorschrift in der Lex Romana Burgundionum aufweisen, die vorliegend aber fehlt.110 Nicht abschließend geklärt sind aber Auslegung und Vorbilder des Titels. Überzeugend stellt Ubl klar, dass in LB 36 nicht kumulativ adulterium und incestum geregelt werden, obwohl der Begriff „adulterium“ in der Norm verwendet wird,111 sondern ausschließlich das Inzestverbot. Adulterium ist in diesem Kontext nicht mit „Ehebruch“, sondern mit „Sittlichkeitsdelikt“ bzw. „Unzucht“ zu übersetzen.112 Zudem ist mit Ubl der Begriff parentes aus LB 36 mit „Verwandten/Blutsverwandten“ zu übersetzen; dieser wird im voranstehenden Titel LB 35 im gleichen Sinne gebraucht und entspricht in seiner Bedeutung auch der Verwendung in den übrigen Inzestverbotsnormen.113 Was die Reichweite des burgundischen Inzestverbots anbetrifft ist zunächst auffällig, dass außer der Schwester der Ehefrau (Verbot des Sororats) der Kreis der dem Inzestverbot unterfallenden Personen nicht konkret beschrieben ist, sondern lediglich allgemein mit parentes – Blutsverwandten – bezeichnet wird. Da die germanischen Völker keine echte eigene Verwandtschaftszählung kannten, kann hinsichtlich der Zählung der Verwandtschaftsgrade im burgundischen Recht auf die römische Verwandtschaftszählung rekurriert werden.114 Als äußere Grenze des Inzestverbots kommt deshalb der sechste Verwandtschaftsgrad, d. h. die Grenze der nach römischem Recht anerkannten Blutsverwandtschaft, in Betracht. Andererseits liegt als äußere Grenze auch das Verbot der Ehe mit einem Verwandten im 4. Grad (Cousin/Cousine 1. Grades) nahe; für diesen Grad sah das römische Recht einen Dispensierungsvorbehalt des Kaisers vor.115 Aufgrund des Wirkens des nach dem Tode des arianischen Königs Gundo109 Ubl, 128; vgl. weiterführend Nehlsen, Lex Burgundionum, in: HRG 2, 1901– 1915; Kaiser, Burgunder, 126–133. 110 s. Ubl, 128; Rüegger, 190. 111 Dies könnte die Titelüberschrift „De incesti adulterio“ vermuten lassen. 112 s. die deutsche Übersetzung bei Ubl, 130; den Begriff übersetzt schon Rüegger, 190 ff. gleichlautend; mit gleicher Bedeutung findet sich parentes z. B. auch bei Avitus von Vienne, Ep. 55 (MGH AA 6/2, 83 ff.); engl. Übersetzung bei Shanzer/Wood, 293. 113 Ubl, 129 und 129 Fn. 80; gleichwohl bezeichnet der Begriff parens nach Gaius, D. 50, 16, 51 zunächst den Vater und im weiteren Sinne jeden männlichen oder weiblichen Aszendenten – Mikat, Inzestgesetzgebung, 102/103. 114 s. Ubl, 20 f. m.w. N., 130. 115 CTh 3, 12, 1 (342), 2 (355), 3 (396), 4 (415); in CTh 3, 12, 3 (396) ist wie auch in LB 36 das Verbot des Sororats enthalten; LRV CTh 3, 10, 1 mit IT; Ubl, 128.

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

bad im Burgunderreich sehr einflussreichen katholischen Bischofs Avitus von Vienne (y 518), der aus der gallorömischen Aristokratie stammte,116 zur Zeit der Fassung des Inzestverbots ist eine kirchliche Prägung des Inzestverbots wahrscheinlicher als eine ausschließlich an römischem Recht orientierte.117 Daher dürfte der Begriff parens in LB 36 mit der Blutsverwandtschaft bis zum 6. Grad (Cousin/Cousine 2. Grades) auszufüllen sein: Noch unter Gundobad wurde zu einer Zeit, in der das Inzestverbot für das Burgunderreich noch nicht schriftlich niedergelegt war, die aus dem römischen Recht bekannte Grenze des 4. Grades der Verwandtschaft als maßgeblich angesehen. Gleichzeitig war man sich bewusst, dass auch biblische Gebote einer solchen Cousinenehe nicht entgegen standen und nach einer Dispensierung durch den Herrscher eine derartige Verbindung anerkannt sein konnte.118 Diese überlieferte Ausformung des Inzestverbots wurde unter dem katholischen König Sigismund verschärft, was auf die restriktive Haltung des Bischofs Avitus von Vienne zur Verwandtenehe zurückzuführen ist und sich auch in der kodifizierten Form des Inzestverbots niederschlug. Der Einfluss des Avitus von Vienne auf LB 36 ist namentlich daran festzumachen, dass in dieser Vorschrift der Begriff „Ehe“ vermieden wird.119 Auch die milde Rechtsfolge der Wergeldzahlung von 12 solidi in LB 36 lässt sich mit dem Einfluss des Avitus von Vienne erklären: Avitus vertrat die Auffassung, dass der Weg in eine „echte“ Ehe nicht versperrt sein sollte.120 Die inzestuöse Ehe wurde hingegen nach römischem Recht kapital oder mit Vermögenskonfiskation sanktioniert.121 3. Eheverbote aufgrund personenrechtlichen Status Die burgundische Gesellschaft war ausgeprägt ständisch strukturiert und unterschied klar zwischen Freien und Unfreien sowie verschiedenen Gruppen inner116 Zu Avitus vgl. z. B. Zotz, in: LexMA 1, 1307–1308; Shanzer/Wood, 3 ff.; Avitus war strikter Gegner des arianischen Bekenntnisses und Förderer der Bekehrung der Burgunder zum Katholizismus – vgl. Avitus, Ep. 7. (MGH AA 6/2, 35–39); hierauf zurückgehend auch Concilium Epaonense (517), c. 33 (MGH Conc. 1, 27). 117 Nach Mikat, Inzestgesetzgebung, 104 „wird man die Abfassung des Titels 36 dem Einfluss der Kirche zuschreiben müssen.“ 118 Hiervon berichtet ein Brief des Ennodius an Laconius aus dem Jahr 506 – Ennodius, Ep. 5, 24 (MGH AA 7, 197); außer dem Dispens durch den König wird aber zusätzliche Legitimation der Verbindung durch päpstlichen Dispens gefordert; s. Ubl, 119 f. m.w. N. 119 Im Gegensatz z. B. zu CTh 3, 12, s. bereits die Titelüberschrift „de incestis nuptiis.“; s. Ubl, 125; der Weg in eine anerkannte Ehe stand nach einer inzestuös geschlossenen Ehe nur dem Mann offen, da LB 36 den Freiheitsverlust der Frau anordnete; ähnlichen Sprachgebrauch weist auch die Inzestbestimmung des Konzils von Epaon von 517, Concilium Epaonense (517), c. 30 (MGH Conc. 1, 26) auf. 120 s. Ubl, 125 m.w. N. 121 CTh 3, 12, 1 (342); CTh 3, 12, 3 (396); Kaser, RP II2, § 217 II 5.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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halb der Freien.122 Die Standeszugehörigkeit hatte Auswirkungen auf den Kreis der rechtlich anerkannten Ehepartner. a) Sklaven Wie die anderen Leges und das römische Recht erkannte auch das burgundische Recht keine eheliche Verbindung zwischen Freien und Sklaven an. Im burgundischen Reich gab es ebenso wie im ostgotischen Reich Sklaven und coloni in der Gruppe der Unfreien, wobei die Kolonen dem Sklavenstatus so angenähert waren, dass in der Behandlung kein Unterschied mehr bestand.123 Über Sklaven und Kolonen geboten sowohl burgundische als auch romanische Herren.124 Ein Herr konnte sanktionslos eine geschlechtliche Verbindung mit seiner eigenen Sklavin unterhalten.125 Zur Frage, ob solche Verbindungen als Kebsverbindung einzustufen sind, gibt die Lex Burgundionum nichts her.126 Einer freien Frau war hingegen jegliche Verbindung mit einem Sklaven oder Kolonen untersagt – gleich, ob es sich um den eigenen oder einen fremden Sklaven handelte – und wurde mit der Todesstrafe bedroht, welche die Verwandten der betroffenen Frau nach Übergabe derselben in die Gewalt der Familie vollziehen durften.127 Übte die Familie der Frau ihre Strafgewalt nicht aus, so wurde die Frau zur Königsmagd und sank dadurch in den Sklavenstand herab, dem dann auch ihre Kinder angehörten.128 Die Übergabe der freien Frau in die Gewalt ihrer Angehörigen ist ohne römisches Vorbild,129 so dass eine Herkunft aus dem burgundischen Gewohnheitsrecht wahrscheinlich ist. Unterschiede zu den Regelungen der Lex Burgundionum weist das für die romanische Bevölkerung gültige Gesetz auf: Hier wurden Verbindungen zwischen 122

Vgl. Kaiser, Burgunder, 134–138. LB 38 § 11; LRB 6 § 2; LB 21 § 1; LB 38 § 8; LRB 12 § 2; LRB 14 §§ 4, 6; s. Kaiser, Burgunder, 137; Nehlsen, Sklavenrecht, 129 f.; vgl. oben Kapitel C. VI. 4. a); zur Gleichstellung der Sklaven und Kolonen in Burgund auch Johlen, 170 f.; die Bezeichnung des Kolonen ist in den burgundischen Kodifikationen schlicht colonus. 124 Vgl. Kaiser, Burgunder, 137. 125 Dies wird in LB 30 § 1 angedeutet, weil dort eine Bußzahlung von zwölf solidi für erwiesene Notzucht an einer fremden Sklavin geregelt ist; s. Leonhardt, Eheschließung, 15. 126 So aber Leonhardt, Eheschließung, 15; in diese Richtung tendieren allgemein Kottje, in: Affeldt, 213 und Saar, Ehe, 220. 127 LB 35 § 2. 128 LB 35 § 3; s. Kaiser, Burgunder, 137; Wemple4, 36; nach Beyerle, Die Gesetze der Burgunden (1936), 166 waren Königsknechte und -mägde besser gestellt als die übrigen Unfreien. 129 Nehlsen, Sklavenrecht, 243; diese Verfahrensweise findet sich auch im langobardischen Recht – Edictum Rothari, c. 221. 123

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

Freien und Unfreien sowohl im Falle des freien Mannes als auch der freien Frau sanktioniert. Zunächst findet sich in LRB 37 § 5 eine Regelung, die eine Abgrenzung zwischen legitimer Ehe und contubernium vornimmt, indem ausgeführt wird, dass zwischen Freigeborenen und Sklaven eine als nuptiae zu bezeichnende Verbindung auch dann nicht als Ehe anerkannt war, wenn zwischen beiden Partnern Konsens herrschte; vielmehr wird eine solche Verbindung als contubernium eingestuft.130 Die aus einem contubernium hervorgehenden Kinder wurden in den Sklavenstand hineingeboren und waren dem Herrn des Sklaven bzw. der Sklavin zugehörig.131 Soweit entsprach die Regelung dem überlieferten römischen Recht.132 Bemerkenswert ist aber, dass dem freien Mann ebenso wie der freien Frau der Verlust der Freizügigkeit durch solch eine Verbindung drohte: Da hieraus das Verbot folgte, sich von dem Ort zu entfernen, an dem der unfreie Partner ansässig war, kam die Folge einer Verbindung des freien Mannes mit einer Sklavin oder einer freien Frau mit einem Sklaven einer Annäherung an die Kolonatsstellung ohne vollständigen Freiheitsverlust gleich.133 Dabei verweist LRB 37 § 6 ausdrücklich auf die römische Vorbildnorm, eine Novelle Valentinians III. aus dem Jahre 451.134 In Nov. Val. 31, 5 (451) wurde allerdings nur die Verbindung des freien Mannes zu einer Kolonin behandelt, so dass LRB 37 § 6 – dort werden sowohl freier Mann als auch freie Frau mit dem Freizügigkeitsverlust bei Verbindung mit einem unfreien Partner bestraft – weiter geht als das römischrechtliche Vorbild.135 Zugleich zeigt es die starke rechtliche Annäherung der coloni an die Sklaven. Diese Vorschrift diente dem Schutz der Interessen des Herrn der unfreien Person.136 Die Rechtsstellung des romanischen Mannes, der sich mit einer Sklavin oder Kolonin verband, war daher schlechter als die des burgundischen Mannes; die Rechtsstellung der romanischen Frau allerdings etwas besser, da sie lediglich die Freizügigkeit, nicht aber vollständig die Freiheit verlor. In der Lex Romana Burgundionum lässt sich zudem nicht die aus dem römischen Recht – z. B. aus CTh 9, 9, 1 (326) – bekannte Differenzierung zwischen der Verbindung mit dem eigenen Sklaven oder dem fremden Sklaven feststellen. Allerdings bietet die – ebenfalls undifferenziert abgefasste – Regelung in LB 35 einen Anhaltspunkt dafür, dass CTh 9, 9, 1 (326) als Vorbildnorm diente und so für den römischen Bevölkerungsteil bezüglich der Verbindung der freien Frau mit einem fremden Sklaven das überlieferte römische Recht inhaltlich unverändert Geltung haben sollte. 130 131 132 133 134 135 136

LRB 37 § 5. LRB 37 § 5. s. nur Gai. Inst. I, 82; Gai. Inst. I, 89; s. auch Nov. Val. 31, 5 (451). LRB 37 § 6. LRB 37 § 6, Nov. Val. 31, 5 (451); s. Nehlsen Sklavenrecht, 245. LRB 37, § 6; Nehlsen, Sklavenrecht, 245, 311. Nehlsen, Sklavenrecht, 311 Fn. 282.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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Durch den Verweis auf Nov. Val. 31, 5 (451) kann schließlich gefolgert werden, dass nach dem Recht der Lex Romana Burgundionum eine Verjährungsfrist von 30 Jahren vorgesehen war, nach deren Ablauf der Verlust der Freizügigkeit wieder entfiel.137 b) Standesunterschied Die freie burgundische Bevölkerung gliederte sich in die Schichten der obtimates bzw. potentes,138 die mediocres,139 welche zumeist Großgrundbesitzer – possessores – waren, sowie die einfachen Freien – minores bzw. inferiores oder humiliores/viliores.140 Die Schichten der obtimates personae und mediocres personae bildeten die Nobilität des Burgunderreiches, die als maiores personae oder honestiores bezeichnet wurde.141 Ihnen gegenüber standen die einfachen freien Leute, die auch als leudes bezeichnet wurden.142 Da das feudal gegliederte Gesellschaftsmodell der Burgunder sich mit römischen Gesellschaftsvorstellungen gut vereinbaren ließ, wurde diesbezüglich keine Unterscheidung getroffen und der rechtlichen Gleichstellung der cives Romani mit den Burgundern gemäß die romanische Bevölkerung entsprechend gegliedert.143 Die ständische Gliederung der freien Bevölkerung in „Hochfreie“, „Mittel- und Gemeinfreie“ 144 spiegelt sich wider in der Bemessung des Wergelds, das für Verletzungstatbestände als Buße zu leisten war. Für die obtimates betrug das zu leistende Wergeld 300 solidi, für mediocres 200 solidi, wohingegen auf inferiores ein Wergeld von 150 solidi entfiel.145 Analog hierzu findet sich eine betragsmäßige Abstufung im vor dem Eheschluss zu zahlenden Brautpreis, wobei für eine „Hochfreie“ und eine „Mittelfreie“ offenbar 50 solidi, für eine Braut niederen freien Standes 25 solidi zu zahlen waren.146

137 Nov. Val. 31, 5 (451) ordnet dies für den Fall des Ablaufes von 30 Jahren an, der Betreffende innerhalb der 30 Jahre jeweils zehn Jahre mit drei verschiedenen Kolonen verbunden war oder wenn er 30 Jahre ortsgebunden gelebt hatte und die überwiegende Anzahl der Jahre einem Kolonen als Partner zugeordnet werden konnte. 138 LB 26 § 1; LB 2 § 2; LB prima const., 2. 139 LB 26 § 2; LB 89 § 1; LB 38 § 5. 140 LB 2 § 2; LB 26 § 3; zur feudalen burgundischen Gesellschaftsordnung vgl. Kaiser, Burgunder, 135 f.; Boyson, in: NottMedSt 32, 95 ff. 141 LB prima const. § 2; LB 2 § 2; LRB 5 § 1; LRB 18 § 3; LRB 30; Kaiser, Burgunder, 136. 142 LB 101 § 2; Kaiser, Burgunder, 136. 143 LRB 43 (potentes/potentiores); LRB 33 § 1; LRB 46 (possessores); LRB 5 § 1; LRB 18 § 3; LRB 20 (viliores); vgl. Kaiser, Burgunder, 136; Boyson, in: NottMedSt 32, 103. 144 Deutsche Begriffe nach Beyerle, Die Gesetze der Burgunden (1936), 165. 145 Kaiser, Burgunder, 135 f. 146 Das lässt sich aus LB 101 entnehmen.

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

Innerhalb der freien Bevölkerung herrschte die Tendenz, die feudalen Schichten von oben nach unten abzuschotten und die Abgrenzung dabei einer Heiratsschranke anzunähern. Dies lässt sich aus dem schon erwähnten „Aunegild-Skandal“ schließen: In LB 52 § 1 wird von einem Wergeld von 300 solidi berichtet, womit ersichtlich ist, dass Aunegild der Schicht der obtimates angehörte, ebenso wie der spatharius Fridegisal, mit welchem sie sich verlobt hatte. Da auf Baldamod, mit dem Aunegild das bestehende Verlöbnis gebrochen hatte, gemäß LB 52 § 2 ein Wergeld von 150 solidi entfiel, kann Baldamod der Schicht der humiliores zugeordnet werden.147 Wenn auch in LB 52 durch den burgundischen König nur der Verlöbnisbruch sanktioniert wurde, lässt sich doch durch den Ausdruck „dedecus libertatis“, mit dem die Verbindung zwischen Aunegild und Baldamod in Bezug genommen wird, ersehen, dass durch die Verbindung einer Angehörigen der Schicht der obtimates mit einem Angehörigen der Schicht der inferiores die Standesehre verletzt wurde148 und eine derartige Verbindung sozialer Ächtung unterfiel. Dies dürfte ein faktisches Verbot der Ehe zwischen nicht ebenbürtigen Partnern bedeutet haben, wobei aufgrund der gleichlaufenden ständischen Gliederung der romanischen Bevölkerung davon auszugehen ist, dass auch innerhalb der Romanen ständische Schranken Geltung beanspruchten. Da die Lex Romana Burgundionum zu Heiratsschranken innerhalb der freien romanischen Bevölkerung schweigt, liegt es nahe, anzunehmen, dass der aus dem spätantiken römischen Recht bekannte Kreis der als Ehepartner geächteten Personen auch für das Burgunderreich Geltung hatte.149 Eine schwer einzuordnende Zwischenstellung nahmen im Burgunderreich die Freigelassenen ein: Obwohl personenrechtlich frei, waren sie nicht als vollwertige Mitglieder der freien Stände anerkannt, da nicht einmal ein Wergeld für Freigelassene im burgundischen Recht überliefert ist. Die Freigelassenen waren aufgrund ihrer nach Freilassung in abgeschwächter Form fortbestehenden Abhängigkeitsverhältnisse zu ihrem Patron eher den Sklaven als den übrigen Freien angenähert, obwohl sie z. B. durch die Fähigkeit, Zeuge in Testaments- oder Schenkungsangelegenheiten zu sein, deutlich als Personen mit Freiheitsrechten gekennzeichnet werden.150 Über den Kreis der Personen, mit denen ein Freigelassener eine Ehe schließen konnte, sagt das burgundische Recht nichts aus. Es ist aufgrund der oben beschriebenen Ebenbürtigkeitsvoraussetzung aber wohl davon auszugehen, dass Freigeborene und Freigelassene nicht heiraten durften. Darüber hinaus dürfte für Freigelassene – aufgrund ihrer personenrechtlichen Freiheit – 147 148 149 150

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Kaiser, Burgunder, 135. Kaiser, Burgunder, 135. Vgl. Kaser, RP II2, § 217 4 m.w. N. LB 21 § 2; LB 40 § 1; LB 60 § 3; LRB 7 § 5; LRB 44 § 4; s. Kaiser, Burgunder,

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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das Verbot einer Verbindung mit Sklaven oder Kolonen gegolten haben, so dass der Ehepartner eines Freigelassenen aus dem Kreise der Freigelassenen gewählt werden musste. 4. Religiös beeinflusste Eheverbote a) Verbot gemischtreligiöser Ehen Im burgundischen Reich gab es wie in den anderen Reichen des lateinischen Westens unter der Bevölkerung Angehörige verschiedener Konfessionen. Allerdings lässt sich im Burgunderreich die Volkszugehörigkeit anders als im ostgotischen Reich nicht mit der Zugehörigkeit zum arianischen oder zum katholischen Bekenntnis gleichsetzen. Es gab unter der burgundischen Bevölkerung sowohl Katholiken als auch Arianer.151 Hintergrund dieser konfessionellen Durchmischung in den Reihen der Burgunder ist offenbar eine frühe katholische Phase bei den Burgundern, bevor sich dann im 5. Jahrhundert das arianische Bekenntnis im burgundischen Reich verbreitete. Von einem frühen Katholizismus bei den Burgundern berichten übereinstimmend Orosius und Sokrates Scholastikos.152 Unter den namentlich bekannten Burgundern finden sich sowohl Katholiken als auch Arianer.153 Die konfessionelle Mischung im burgundischen Reich hat aber weder in der Lex Burgundionum noch in der Lex Romana Burgundionum ihren Niederschlag gefunden. Das unbedingt bestehende conubium zwischen Romanen und Burgundern sowie die Inanspruchnahme der Oberhoheit über jede Kirche im Burgunderreich durch den burgundischen König154 zeigt aber, dass unterschiedliche Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche im burgundischen Recht nicht als Ehehindernis galt, sondern die Angehörigen verschiedener Konfessionen rechtlich gleichgestellt waren.155 Untersagt war hingegen eine Ehe zwischen Juden und Christen, die rechtlich streng voneinander geschieden wurden. Eine Norm, die explizit ein solches Eheverbot ausspricht, findet sich in den burgundischen Gesetzen zwar nicht. Den151

s. Kaiser, Burgunder, 153. Orosius, Historiarum adversum Paganos VII 32, 13; Orosius, Historiarum adversum Paganos VII, 41, 8; Sokrates, Hist. Eccl. VII, 30, 1–7; s. zu Orosius z. B. Goetz, Orosius, in: LexMA 6, 1474 f.; zu Sokrates z. B. Alonso-Núñez, Sokrates Scholastikos, in: LexMA 7, 2027; zur frühen katholischen Phase und der konfessionellen Mischung des burgundischen Volkes vgl. Kaiser, Burgunder, 151 ff.; für einen einheitlichen Arianismus bei den Burgundern s. Gregor von Tours, Hist. II, 9 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 58); Hist. II, 34 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 81 ff.) und die ältere Forschung, z. B. von Schubert, Die Anfänge des Christentums, 25; Köhler, in: ZKG 57, 227–243. 153 Beispiele und w. N. bei Kaiser, Burgunder, 152 ff. 154 Avitus von Vienne, Ep. 44 (MGH AA 6/2, 73 f.); s. Kaiser, Burgunder, 156; vgl. auch Shanzer/Wood, 216–219. 155 Entsprechendes ist auch für die als eigenständige Kirche bezeugte Gruppierung der Bonosianer anzunehmen; hierzu Avitus von Vienne, Ep. 26 (MHG AA 6/2, 57); Ep. 28 (MGH AA 6/2, 58 f.); Kaiser, Burgunder, 156 f. 152

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

noch lässt sich eine rechtliche Trennung der jüdischen von der christlichen Bevölkerung und eine rechtlich schlechtere Stellung der Juden feststellen.156 Das Konzil von Epaon (517) bestätigte die strikte Trennung der jüdischen Bevölkerung von der christlichen in der kirchlichen Rechtsetzung, indem es nicht nur Geistlichen, sondern auch Laien das gemeinsame Mahl mit Juden verbot.157 Es ist daher anzunehmen, dass der burgundische König keinen Anlass dazu sah, Veränderungen im Hinblick auf die Rechtsverhältnisse der Juden vorzunehmen. Daraus folgt, dass gemischtreligiöse Ehen zwischen Juden und Christen untersagt waren und das Eheverbot aus CTh 9, 7, 5 (388), das eine Verbindung zwischen Juden und Christen dem Ehebruch gleichstellte und mit dem Tode bestrafte, im Burgunderreich fortbestand.158 b) Verbot der Ehe mit Angehörigen des geistlichen Standes Die Frage der Zulässigkeit einer Ehe mit einem Angehörigen des geistlichen Standes stellt sich auch im burgundischen Recht. Hier sind die Regelungen zwar nicht sonderlich detailliert und umfassend, lassen aber durchaus Rückschlüsse auf die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit von Ehen mit sanctimoniales zu. Die burgundischen Leges bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass zwischen Romanen und Burgundern unterschiedliche Regelungen gelten sollten. Die Frage der Zulässigkeit einer Ehe von Angehörigen des geistlichen Standes ist anhand einer Zusammenschau von Lex Burgundionum und Lex Romana Burgundionum zu klären. Darüber, dass es gottgeweihte Frauen im Burgunderreich gab, bieten LB 14 §§ 5–7 und LRB 9 § 4 Aufschluss.159 Im burgundischen Reich waren um die Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert Klostergründungen weit verbreitet; es gab sowohl Männer- als auch Frauenkonvente.160 Die gottgeweihten Frauen waren zwar erbfähig,161 durften aber nicht heiraten. Das Eheverbot der Nonne lässt sich aus LRB 9 § 4 entnehmen. Dort werden unter Verweis auf theodosianische Vorschriften die Folgen des Raubes bzw. der Entführung einer Nonne geregelt. Wie BauerGerland unter Hinweis auf den Wortlaut der entsprechenden Titelüberschrift der Lex Romana Burgundionum annimmt,162 sollten von LRB 9 § 4 der Raub bzw. die Entführung gottgeweihter Frauen im Allgemeinen, d. h. sowohl Mädchen als 156 Dies zeigt sich z. B. in LB 102 § 1 (Abschlagen der Hand für Verletzung eines Christen durch einen Juden); LB 102 § 2 (Todesstrafe für dasselbe Delikt, wenn Opfer ein Priester ist). 157 Concilium Epaonense (517), c. 15 (MGH Conc. 1, 22). 158 s. auch LRV CTh 9, 4, 4 mit IT; LRV CTh 3, 7, 2 mit IT. 159 Johlen, 95. 160 Vgl. hierzu Kaiser, Burgunder, 166–175 m.w. N. 161 Das ist in LB 14 §§ 5–7 geregelt. 162 Die Überschrift von Titel LRB 9 lautet: „De raptibus virginum et viduarum“.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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auch Witwen, umfasst sein, obwohl LRB 9 § 4 selbst nur von gottgeweihten Mädchen – puellae devotae deo – spricht.163 Der Räuber oder Entführer einer gottgeweihten Frau sollte nach dem Willen des burgundischen Gesetzgebers die Todesstrafe erleiden, ganz gleich, ob die Frau mit ihrer Entführung einverstanden war. Die Frau unterlag im Falle eines vorherigen oder nachträglichen Einverständnisses ebenfalls der Kapitalstrafe.164 Zwar geht Bauer-Gerland davon aus, dass im Falle des nachträglichen Einverständnisses der Frau diese nicht der Kapitalstrafe unterfiel, weil der Verweis von LRB 9 § 4 auf CTh 9, 25, 1 (354) lediglich aussagen wolle, dass dem Manne ein nachträgliches Einverständnis der Frau nichts mehr nütze.165 Dies überzeugt aber deshalb nicht, weil durch die Bestrafung der Frau im Falle ihres Einverständnisses der Bruch des Gelöbnisses vor Gott, welcher hinter jedem Einverständnis der gottgeweihten Frau mit ihrem Entführer und dem Anstreben einer ehelichen Verbindung mit diesem steckte, sanktioniert werden sollte. Geht man von diesem Sanktionszweck aus, der sich aus CTh 9, 25, 1 (354) ergibt, macht es keinen Unterschied, ob die Frau ihr Gelübde schon zum Zeitpunkt der Entführung oder erst nachträglich brach. Gegen diese Annahme spricht auch nicht CTh 9, 25, 2 (364), der von der Regelung ebenso umfasst ist, weil diese Norm CTh 9, 25, 1 (354) lediglich ergänzt. Überredete der Mann die gottgeweihte Frau dazu, eine Ehe mit ihm einzugehen, änderte dies nichts daran, dass die Frau ihr Gelübde brach und deshalb in Bezug auf die Frau schon CTh 9, 25, 1 (354) eingriff. Gerade diese Regelung findet sich in LRB 9 § 4 wieder, der auch den aus CTh 9, 25, 2 (364) bekannten Fall enthält und die Überredung der Frau zum Eheschluss durch den Entführer behandelt.166 Ein wirksamer Eheschluss durch Raub oder Entführung einer gottgeweihten Frau schied mithin aus. Aus dieser Verbindung hervorgehende Kinder waren als liberi naturales lediglich unehelich und nicht in der väterlichen Gewalt des Räubers stehend. Dies bewirkte, dass aufgrund der Unehelichkeit der Kinder weder der Vater nach den Kindern noch umgekehrt die Kinder nach ihrem Vater erbberechtigt waren.167 Für die Frage, ob es männlichen Angehörigen des geistlichen Standes gestattet war, zur Ehe zu schreiten, finden sich weder in der Lex Burgundionum noch in der Lex Romana Burgundionum Regelungen. Aufschluss der diesbezüglichen Praxis im burgundischen Reich liefern aber die canones des Konzils von Epaon 163

Bauer-Gerland, 148. LRB 9 § 4 verweist auf CTh 9, 25, 1 (354) und CTh 9, 25, 2 (364); die Kapitalstrafe folgt auch direkt aus dem Gesetz aus LRB 9 § 2; s. Roels, 60; Leonhardt, Eheschließung, 30. 165 Bauer-Gerland, 148. 166 Vgl. auch Gregor von Tours, Hist. VI, 16 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 286); Vita Genovefae 31 (MGH SS rer. Mer. 3, 228). 167 Zur Auslegung dieser Rechtsfolge aus LRB 9 § 4 lässt sich auch Avitus von Vienne, Ep. 55 (MGH AA 6/2, 83 f.) heranziehen; s. Bauer-Gerland, 149. 164

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D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

aus dem Jahr 517. Dort wird Priestern und Diakonen eine zweite Ehe untersagt,168 ebenso deren Witwen.169 Es findet sich dort also eine Bestätigung, dass auch im Burgunderreich die spätantike Praxis galt, dass Priestern und Diakonen eine Ehe nicht verwehrt war, Bischöfen, die in beiden canones nicht behandelt werden, allerdings schon.170

VI. Wiederverheiratung Das burgundische Recht behandelt sowohl die Wiederverheiratung nach der Scheidung als auch die Wiederverheiratung nach dem Tode eines Ehegatten. 1. Nach Scheidung Die Frage der Bedingungen einer Wiederverheiratung nach Scheidung ist im burgundischen Recht im Falle der Frau anhand einer Gesamtschau der Lex Burgundionum und des burgundischen Römerrechts zu beantworten. Auf diese Weise lässt sich die von Johlen nicht näher begründete These bestätigen, dass die Stellung der geschiedenen Frau im burgundischen Reich derjenigen der verwitweten Frau entsprach, was sich auch auf die Möglichkeiten einer Wiederverheiratung auswirkte.171 Aus den Vorschriften der Lex Burgundionum lässt sich kein direkter Aufschluss über die Zulässigkeit der Wiederverheiratung der geschiedenen Frau gewinnen. Eine Wiederverheiratung nach Scheidung kam offenbar unabhängig davon in Betracht, ob der Mann die Scheidung berechtigt betrieben hatte.172 Das Recht der Lex Burgundionum verwies hinsichtlich der dem Manne zustehenden Scheidungsgründe gemäß LB 34 § 4 auf die bekannten Scheidungstatbestände des römischen Rechts („. . . ex lege . . .“), nach denen die überführte Frau bestraft wurde;173 die Todesstrafe war aber gemäß LB 68 § 1 nur

168 Concilium Epaonense (517), c. 2 (MGH Conc. 1, 19); das Konzil wollte ein „in Vergessenheit geratenes Gebot“ wieder in den Vordergrund rücken. 169 Concilium Epaonense (517), c. 32 (MGH Conc. 1, 27); Witwen, die dagegen verstießen, wurden ebenso wie der zweite Ehemann so lange aus der Kirche ausgestoßen, bis die Verbindung wieder getrennt wurde. 170 Concilium Epaonense (517), c. 32 (MGH Con. 1, 27); zur Heiratspraxis der Angehörigen des geistlichen Standes Anfang bis Mitte des 6. Jahrhunderts Wemple4, 129– 141. 171 Johlen, 135. 172 So Saar, Ehe, 358, der dies allgemein für die germanischen Leges annimmt; vgl. auch Loening, 624. 173 Für adulterium, welches nicht auf frischer Tat ertappt worden war, drohte Vermögenskonfiskation und Relegationsstrafe – s. PS 2, 26, 14; Mommsen, 698 f.; Hexerei dagegen unterlag der Kapitalstrafe – s. CTh 9, 16, 1 (319); CTh 9, 16, 4 (357); Mommsen, 643; die Grabschändung wurde im Allgemeinen in der Spätantike mit einer Geldbuße belegt – s. CTh 9, 17, 2 (349); Mommsen, 821.

VI. Wiederverheiratung

143

bei auf frischer Tat betroffenem Ehebruch und bei Giftmischerei vorgesehen.174 Zwar ist davon auszugehen, dass für die Frau nach berechtigt betriebener Scheidung des Mannes die Wiederheirat ganz erheblich erschwert war,175 doch findet sich kein Beleg für eine Unzulässigkeit im burgundischen Recht. Vielmehr deuten die Regelung über die vom sich unberechtigt scheidenden Mann zu leistende Bußzahlung von 12 solidi in LB 34 § 2 sowie die später hinzugefügte und dann wohl maßgebliche Regelung über den Vermögensverlust des Mannes aus LB 34 § 4 darauf hin, dass der burgundische Gesetzgeber kein vollkommen restriktives Verhältnis zur Zulässigkeit der Wiederverheiratung pflegte, mag er auch die Wiederverheiratung erschwert haben. Letztendlich lässt sich die Zulässigkeit der Wiederverheiratung der geschiedenen Frau sowie ihre rechtliche Gleichstellung mit der Witwe anhand der einschlägigen Vorschriften der Lex Romana Burgundionum belegen, in denen sich die Gleichstellung der geschiedenen und der verwitweten Frau explizit im Gesetz formuliert findet:176 Die Aufnahme der Nebensätze über die vom Mann verstoßene Frau in LRB 16 §§ 1, 2 kann aufgrund der Verweisung auf die Vorbildvorschriften des Codex Theodosianus als bewusste gesetzgeberische Entscheidung gewertet werden, aufgrund der vergleichbaren Situation die geschiedene Frau den Rechtsfolgen nach der verwitweten Frau gleichzustellen.177 Zudem bestätigt die offene Formulierung in LRB 16 § 1 („. . . etiam si ei dimissa fuerit . . .“) und in LRB 16 § 2 („. . . et a marito dimissa ei posse proficere . . .“), dass eine Wiederverheiratung einer Geschiedenen nicht davon abhängig gemacht wurde, ob die Scheidung berechtigt erfolgt war. Es wurde lediglich das Verbot, vor Ablauf des Zeitraumes von einem Jahr erneut zu heiraten, auf die geschiedene Frau übertragen.178 Dem burgundischen Gesetzgeber war die Wartefrist von einem Jahr für die verwitwete Frau bekannt. Zudem diente LRB 16 §§ 1, 2 der Codex Theodosianus, CTh 3, 16, 2 (421), als Vorbild; in dieser Konstitution der imperatores Honorius, Theodosius 174

Diese Folge ist sogar abdingbar und steht im Ermessen des Mannes, s. LB 68 § 2. Saar, Ehe, 358. 176 LRB 16 § 1 („. . . etiam si ei dimissa fuerit, . . .“); LRB 16 § 2 („. . . et a marito dimissa ei posse proficere . . .“). 177 Auch die Verwendung des Begriffes mulieres anstelle von viduae zeigt, dass auch die geschiedene Frau vom Anwendungsbereich umfasst sein kann; allerdings findet sich diese Bezeichnung auch in der römischen Vorbildnorm CTh 3, 8, 2 (412), welche aber nur die Wiederverheiratung der Witwe behandelt. 178 Gleichwohl war die unter Verstoß hiergegen eingegangene Ehe nicht unwirksam, sondern die Frau wurde infam und verlor den Nießbrauch an der donatio nuptialis – s. Johlen, 143; Leonhardt, Eheschließung, 69 Fn. 2 bezeichnet die Norm deshalb als „lex minus quam perfecta“; zu den weiteren Folgen des Verstoßes auch Bauer-Gerland, 151–153; die einjährige Wartefrist der Frau vor einer Wiederheirat muss auch für den Fall der einverständlichen Scheidung gemäß LRB 21 § 1 Anwendung gefunden haben; das lässt sich aus C. 5, 17, 9 (497) entnehmen, wobei davon ausgegangen werden kann, dass die Konstitution im Burgunderreich bekannt war. 175

144

D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

II. und Constantius III. wurde erstmals ausdrücklich die einjährige Wartefrist für die Frau angeordnet.179 Außerdem ist wahrscheinlich, dass auch die Konstitution Theodosius II. und Valentinians III. aus dem Jahre 449 im burgundischen Reich bekannt war, in der ebenfalls die Einjahresfrist für eine aus anerkanntem Grund Geschiedene festgeschrieben ist.180 Unzutreffend ist daher die ohne Begründung vorgebrachte Auffassung Leonhardts, die unschuldig verstoßene Frau könne nach burgundischem Recht erst nach Ablauf eines Fünfjahreszeitraumes eine neue Ehe eingehen.181 Dagegen spricht der Wortlaut von LRB 16 §§ 1, 2, in welchem eine Differenzierung nach der Berechtigung der Scheidung nicht vorgenommen und einheitlich von der Einjahresfrist ausgegangen wird.182 LRB 16 §§ 1, 2 wird von Leonhardt in diesem Zusammenhang aber außer Betracht gelassen. Es kann festgestellt werden, dass die aus CTh 3, 16, 2, 2 (421) ersichtliche Differenzierung des nachklassischen römischen Rechts, ob die Frau sich berechtigt geschieden hatte, oder zu Unrecht verstoßen worden war, im burgundischen Recht keinen Niederschlag mehr findet. Gemäß CTh 3, 16, 2, 2, 1 (421) durfte die sich berechtigt scheidende Frau nicht vor Ablauf von fünf Jahren erneut heiraten. Nach CTh 3, 16, 2, 2, 2 (421) durfte indes die zu Unrecht verstoßene Frau nach Ablauf eines Jahres wieder heiraten. Eine derartige Unterscheidung wurde in der Lex Romana Burgundionum nicht mehr getroffen. Dass mit der allgemein formulierten Auffassung Saars183 auf eine generelle Zulässigkeit der Wiederverheiratung nach Scheidung auch im burgundischen Reich geschlossen werden kann, zeigt zusätzlich LRB 21 § 1, wonach durch Zulässigkeit der übereinstimmenden Scheidung eine recht leichte Lösbarkeit der Ehe belegt ist. Da der burgundische Herrscher aber die einverständliche Scheidung zuließ, bestand kein Grund, eine Wiederverheiratung zu verhindern; dies hätte hierzu im Widerspruch gestanden. Zudem bot die aus dem römischen Recht bekannte Wartefrist von einem Jahr eine Handhabe zur Schaffung einer sachgerechten Lösung in Bezug auf die Rechtsfolgen der Wiederheirat. Sowohl für die romanische als auch die burgundische Frau galt nach erfolgter Scheidung daher 179

CTh 3, 16, 2 (421); Memmer, in: Schermaier, FS für Theo Mayer-Maly, 497. C. 5, 17, 8, 4b; Kaser, RP II2, § 217 II 6. 181 Leonhardt, Eheschließung, 63 geht von der Übernahme der Rechtsfolgen aus CTh 3, 16, 2 (421) aus, wo sich der Fünfjahreszeitraum für die Wiederheirat der sich aus einem berechtigten Grunde scheidenden Frau findet; der Fünfjahreszeitraum findet sich auch in einer Kaiserkonstitutionen über die Wiederheirat der sich unberechtigt Scheidenden Frau – s. C. 5, 17, 8, 4 (449); Kaser, RP II2, § 217 II 6; diese Rechtfolge ist als Sanktion nachvollziehbarer als der Fünfjahreszeitraum für die Wiederheirat der sich berechtigt Scheidenden aus CTh 3, 16, 2 (421). 182 Als römische Vorbildvorschriften kommen deshalb C. 5, 17, 8, 4 (449) – Wiederheirat der aus anerkanntem Grund Geschiedenen – sowie C. 5, 17, 9 (497) – Wiederheirat nach einverständlicher Scheidung – in Betracht, wo jeweils von der einjährigen Wartefrist ausgegangen wird; vgl. auch Kaser, RP II2, § 217 II 6. 183 Saar, Ehe, 358. 180

VI. Wiederverheiratung

145

eine einjährige Wartefrist.184 Abschließend ist als weiteres wichtiges Indiz für die Gleichbehandlung der burgundischen und der romanischen Frau in Bezug auf die einjährige Wartefrist der Wortlaut der Überschriften der jeweiligen Titel anzuführen: In LRB 16 wurde in der Titelüberschrift und in § 1 der Wortlaut aus LB 24 (Titelüberschrift und § 1) abweichend vom römischen Vorbild übernommen. Das burgundische Recht nahm hinsichtlich der güterrechtlichen Folgen einer Wiederheirat eine Differenzierung zwischen einer zweiten und einer dritten Ehe vor.185 Im römischen Recht war eine solche Differenzierung unbekannt; in den einschlägigen Vorschriften wird stets nur von der zweiten Ehe gesprochen.186 Dennoch wurde in der Lex Romana Burgundionum diese Differenzierung übernommen,187 so dass daraus geschlossen werden kann, dass im burgundischen Recht eine Gleichbehandlung der burgundischen und der romanischen Frau bezüglich der Wartefrist vor einer Wiederverheiratung vorgenommen wurde. Zudem lässt sich das aus der Formulierung in LRB 16 §§ 1, 2 folgern,188 die im Widerspruch zu LRB 21 §§ 1–3 nicht von einer Scheidungsberechtigung der Frau, sondern lediglich von einem Verstoßungsrecht des Mannes auszugehen scheinen. In dieser Formulierung zeigen sich wohl burgundische Rechtsvorstellungen, die ihren Niederschlag in der Lex Romana Burgundionum gefunden haben, da der auf römischem Recht beruhende Titel LRB 21 §§ 1–3 von einer Scheidungsberechtigung der Frau ausging. Die enge Verwandtschaft der Titel LB 24 und LRB 21 §§ 1–3 spricht für einen Gleichlauf auch der einzuhaltenden Wartefristen. Über die Bedingungen einer Wiederheirat des geschiedenen Mannes gibt das burgundische Recht keine direkte Auskunft. Aus der Berechtigung des Mannes zur einseitigen Scheidung nach LB 34 § 1 sowie der lediglich vermögensrechtlichen Sanktion gemäß LB 34 § 4 bei unberechtigter Scheidung lässt sich aber schließen, dass der Mann im burgundischen Reich sich ohne Wartefrist nach Scheidung erneut verheiraten konnte.189 Außerdem wurde im römischen Recht, das als Vorbild diente, ebenfalls nicht von einer Wartefrist des geschiedenen Mannes ausgegangen.190 184 LB 24 § 1 behandelt zwar die Einjahresfrist nicht; die Vorschrift weist aber deutliche römischrechtliche Prägung auf, so dass hinsichtlich der Wartefrist ein Gleichlauf zwischen LB 24 § 1 und LRB 16 § 1 angenommen werden muss; zur römischrechtlichen Prägung von LB 24 § 1 vgl. Rüegger, 200 ff. 185 LB 24 („De mulieribus Burgundiis ad secundas aut tertias nuptias transeuntibus“); vgl. hierzu Leonhardt, Eheschließung, 66 f. 186 Vgl. nur die Überschrift zu CTh 3, 8 (de secundis nuptiis) und CTh 3, 8, 2 (382). 187 LRB 16 Titelüberschrift („De mulieribus ad secundas aut tertias nuptias transeuntibus“) und LRB 16 § 1. 188 („. . . a marito dimissa . . .“); LRB 16 § 2. 189 Im Ergebnis ebenso Leonhardt, Eheschließung, 65 u. 68. 190 Vgl. Kaser, RP II2, § 217 II 6; eine Besonderheit bezüglich des Erbrechts der Kinder findet sich in LB 1 § 2. Um die Vermögensverhältnisse der zweiten Ehe zu sichern, wurde für den Fall, dass der sich wiederverheiratende Mann aus beiden Ehen

146

D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

2. Wiederverheiratung der Witwe Die Pflicht der verwitweten Frau, die einjährige Trauerzeit abzuwarten, war sowohl nach der Lex Burgundionum als auch der Lex Romana Burgundionum zu beachten.191 Die Rechtslage entspricht weitgehend derjenigen der geschiedenen Frau. Die Lex Burgundionum erwähnt die Einjahresfrist zwar in LB 42 § 3 und nicht in den Vorschriften über die Wiederverheiratung nach LB 24 §§ 11 ff.192 Wie Rüegger ausführlich aufzeigt, ist LB 24 §§ 1 ff. an die Vorbildvorschrift aus dem Codex Theodosianus CTh 3, 8, 2 (381) angelehnt.193 Daraus – und aus der Erwähnung der Jahresfrist in LB 42 § 3 – lässt sich schließen, dass auch für die Wiederverheiratung der burgundischen Frau nach Maßgabe der LB 24 §§ 1 ff. die aus dem römischen Recht stammende einjährige Trauerzeit übernommen wurde. Zwar nennt CTh 3, 8, 2 (381) die Trauerzeit nicht ausdrücklich. Allerdings zeigt die inhaltsgleiche Konstitution aus CTh 3, 8, 3 (398), dass auch im Falle der im Codex Theodosianus voranstehenden Vorschrift CTh 3, 8, 2 (381) von der Anwendung der Einjahresfrist ausgegangen werden muss, die sich ausdrücklich in CTh 3, 8, 1 (381) findet.194 Für die romanische Witwe sollte ebenso die römische Rechtslage unverändert fortgelten. In LRB 16 § 1 wurde ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die römische Vorbildnorm die einjährige Trauerzeit nebst Rechtsfolgen aus CTh 3, 8, 1 (381) übernommen. Zusätzlich verweist LRB 16 § 2 auf CTh 3, 8, 3 (398), wo deklaratorisch die Konstitution aus CTh 3, 8, 2 (381) bestätigt wird.195 Die Witwe, die unter Verstoß gegen die vorgeschriebene Trauerzeit eine neue Ehe schloss, unterlag der Infamiefolge und verlor alles, was sie aus dem Vermögen des verstorbenen Mannes erhalten hatte.196 Eine liberalere Einstellung bei der Frage der Wiederverheiratung vor Ablauf der Einjahresfrist zeigt die Lex Burgundionum in LB 42 § 3 im Falle der kinderlosen verwitweten Frau: Die kinderlose Frau, die sich innerhalb des Einjahreszeitraumes neu verheiratete, verlor lediglich ihr Vermögen, wurde aber in Abweichung vom römischen Recht nicht Kinder hatte, bestimmt, dass die Kindern aus erster Ehe gegenüber den Kindern aus zweiter Ehe von der Erbfolge ausgeschlossen waren; LB 1 § 2; s. Leonhardt, Eheschließung, 65. 191 LB 24 § 1; LB 42 § 3; LRB 16 § 1, § 2. 192 LB 42 handelt von der Erbschaft kinderlos Verstorbener. 193 Rüegger, 200 ff.; s. insbesondere die synoptische Darstellung Rüeggers auf S. 200–202. 194 CTh 3, 8, 1 (381); in CTh 3, 8, 3 (421) wird die Einjahresfrist vorausgesetzt („. . . emenso tempore . . .“); CTh 3, 8, 2 (382) setzt ebenfalls die einjährige Wartefrist voraus. 195 s. Rüegger, 201; Bauer-Gerland, 151–153. 196 LRB 16 § 1; Bauer-Gerland, 151; die Rechtsfolge entspricht also derjenigen aus dem spätantiken römischen Recht – s. CTh 3, 8, 1 (381); C. 5, 9, I pr. u. 1 ff.; C. 5, 9, 2; Kaser, RP II2, § 217 II 6.

VII. Zusammenfassung

147

von der Infamie betroffen.197 Im Übrigen ermuntert der Wortlaut des Titels LB 42 § 3 die kinderlose Frau dazu, vor Ablauf der Jahresfrist eine neue Ehe einzugehen.198 Dies mag damit zu erklären sein, dass die Einjahresfrist auch dazu diente, Unklarheiten bei der Legitimität der Nachkommen auszuschließen. Bei einer kinderlosen Witwe bestand die Gefahr solcher Unklarheiten von vornherein nicht. In LB 42 § 3 kommt zudem zum Ausdruck, dass die Wiederheirat der kinderlosen Witwe erwünscht war. Dies dürfte auf einer Hoffnung beruhen, dass die bislang kinderlose Witwe noch ihrer gesellschaftlich zugedachten Rolle als Mutter nachkommen konnte. Ob für die kinderlose geschiedene Frau LB 42 § 3 entsprechend galt, kann weder ausgeschlossen noch bestätigt werden. Der verwitwete burgundische oder romanische Mann konnte sich wohl ohne Einhaltung einer Wartefrist erneut verheiraten; ein Gleichlauf mit der Rechtslage des geschiedenen Mannes kann angenommen werden. Da in LB 1 § 2 nicht nach dem Grund der Wiederheirat des Mannes differenziert wurde, muss der Verlust des Erbrechts der Kinder aus erster Ehe bei Vorhandensein von Nachkommen aus zweiter Ehe auch für den Fall der Wiederheirat des Witwers Geltung gehabt haben.199

VII. Zusammenfassung Das burgundische Recht brachte wie das westgotische Recht eine Lex speziell für den romanischen Bevölkerungsteil hervor, die zum Ziel hatte, eine Fortgeltung des römischen Rechts zu sichern. Die ältere Lex Burgundionum war sowohl auf die Regelung der Rechtsverhältnisse der burgundischen als auch der romanischen Bevölkerung ausgelegt. Dies zeigt sich an einer rechtlichen Gleichstellung der beiden Bevölkerungsteile, die sich im Besonderen auch auf das Eherecht auswirkte.200 Zur Bestimmung der einzelnen burgundischen Ehevoraussetzungen müssen die Lex Burgundionum und die Lex Romana Burgundionum in einer Gesamtschau betrachtet werden. Zugleich sind beide Kodifikationen auch als Demonstration königlicher Souveränität sowie als Mittel zur Herstellung und Wahrung des Rechtsfriedens zu sehen, wobei sich die burgundischen Herrscher des römischrechtlichen Vorbilds bedienten. Das burgundische Recht der Ehevoraussetzungen weist auf dieser Grundlage deutlich römische Prägung auf, wobei der burgundische Gesetzgeber die römischrechtlichen Vorbildnormen nicht wörtlich übernahm, sondern inhaltlich 197

LB 42 § 3. LB 42 § 3 („Nam si a tempore obitus prioris mariti intra annum nubere voluerit, habeat liberam potestatem . . .“). 199 LB 1 § 2. 200 Vgl. auch LB prima constitutio 3; 11; LB 15 § 1. 198

148

D. Ehevoraussetzungen nach dem burgundischen Recht

heranzog, um die Normen in eigener Formulierung abzufassen und teilweise durch Änderungen dem konkreten Regelungsbedarf im burgundischen Reich Rechnung zu tragen. Zugleich sind in der Lex Burgundionum aber auch burgundische Besonderheiten festzustellen. Hier ist namentlich das Erfordernis der Brautpreiszahlung zu nennen, ebenso die archaische Bestrafung der sich einseitig scheidenden Frau durch Ertränken im Sumpf.201 Es fällt auf, dass Ehehindernisse aufgrund rechtlicher Gleichstellung der betroffenen Bevölkerungsgruppen nicht von Volks- oder (christlicher) Konfessionszugehörigkeit abhängig gemacht wurden. Vielmehr gründete fehlendes conubium abgesehen von dem im burgundischen Reich weit ausgelegten Inzestverbot überwiegend auf Unterschieden im personenrechtlichen Status. Wie die west- und die ostgotische Gesellschaft war die burgundische Gesellschaft hierarchisch strukturiert und unterschied nicht nur zwischen Freien und Unfreien, sondern nahm auch Differenzierungen innerhalb der freien Bevölkerung vor. Da die ständische Gliederung der Burgunder eine Entsprechung in den spätantiken römischen Gesellschaftsvorstellungen fand, festigte die burgundische Gesetzgebung feudale Strukturen. Diese allgemeine gesellschaftliche Entwicklung fand ihren Niederschlag auch im burgundischen Recht der Ehevoraussetzungen.

201

LB 34 § 1.

E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht Die Kodifikation des salfränkischen Rechts sollte nicht dazu dienen, das Recht im frühen fränkischen Reich umfassend zu regeln, sondern besonders drängende soziale Probleme und Konflikte lösen, um Rechtsfrieden zu schaffen und dem Fehdewesen entgegenzuwirken.1 Deshalb sind auch die Vorschriften über das Eherecht lediglich rudimentär, lassen aber dennoch Rückschlüsse auf die Rechtslage im fränkischen Reich zu. Für die Darstellung der Rechtslage bedarf es ergänzend des Rückgriffs auf weitere Quellen, insbesondere die Werke des Gregor von Tours2 und Konzilsbeschlüsse. Die Lex Salica beanspruchte für alle Bevölkerungsteile des fränkischen Reiches Geltung. Dies lässt sich daraus ersehen, dass die Lex Salica in den meisten Vorschriften nicht zwischen Romanen und Franken differenziert und lediglich bei der Bemessung des Wergeldes unterscheidet, wobei der freie Franke über den freien Römer gestellt wird.3 Auch unterworfene germanische Stämme werden ausdrücklich als barbari in Bezug genommen und dem Recht der Lex Salica unterworfen.4 Im von den Franken eroberten burgundischen Teilreich kann von einer Fortgeltung des burgundischen Rechts ausgegangen werden, weil dort bereits Kodifikationen existierten.5

I. Verlöbnis Ein Verlöbnis ging nach dem salfränkischen Recht wohl zwingend der Eheschließung voraus. Dabei wurde eine Übereinkunft zwischen der Familie der Braut, d. h. deren Gewalthaber und dem Bräutigam erzielt.6 Nach salfränkischem 1 PLS prologus § 1; zur Praxisrelevanz der Lex Salica allgemein vgl. Nehlsen, Aktualität und Effektivität, in: Classen, 455–483, der jedoch eine praktische Relevanz der Lex Salica mit beachtlichen Argumenten nahezu vollständig negiert; m. E. spricht aber die aus dem Prolog ersichtliche Zielsetzung des Gesetzgebungsvorhabens zumindest für eine gewisse praktische Relevanz. 2 Vgl. zu Gregor von Tours und seinem Werk Manitius, 216 ff. 3 Z. B. PLS 14 §§ 1–3; LS 15 §§ 1–3; die Romanen scheinen damit ihrer sozialen Wertigkeit nach der Schicht der leti zuzurechnen gewesen sein – PLS 42 § 4; s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 381. 4 So z. B. PLS 41 § 1 = LS 43. 5 Allerdings setzte sich für die romanische Bevölkerung des burgundischen Teilreiches wohl im Laufe des 6. Jahrhundert anstelle der Lex Romana Burgundionum das umfassendere westgotische Breviar durch; s. Kaiser, Burgunder, 132 f. 6 PLS 65a = LS 70.

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

Recht durfte die Braut offenbar nicht gegen ihren Willen verheiratet bzw. zum Verlöbnis gezwungen werden.7 Darauf deutet die Formulierung, dass das Verlöbnis „in Anwesenheit der Brautfamilie“ geschlossen wurde in PLS 65a, hin.8 Da die Familien beider Nupturienten bei dem Abschluss des Verlöbnisses „anwesend“ waren, lässt sich schließen, dass die Entscheidungen im Zuge der Verlobung nicht ausschließlich von den Familien getroffen wurden, sondern sowohl Bräutigam als auch Braut einen eigenen Willen äußern konnten. Nach Leistung eines Brautpfandes – arra – kam bei Annahme durch die Brautfamilie ein bindendes Verlöbnis zustande. In welcher Höhe die arra zu leisten war, ergibt sich aus den salfränkischen Normen nicht. Da der in PLS 65a genannte Geldbetrag von 62 1/2 solidi eine allgemeine und in der Lex Salica oft genannte – höhere – Geldbuße bildete,9 ist davon auszugehen, dass sich die arra auf eine andere, auf Grundlage der Quellen nicht näher bestimmbare Höhe belief. Möglich ist auch, dass deshalb kein konkreter Geldbetrag in der Lex Salica zu finden ist, weil die arra in Form einer Naturaliengabe geleistet wurde.10 Die Behauptung Wemples, dass der Betrag von 62 1/2 solidi der um zehn solidi erhöhten arra entsprach, kann anhand der Quellen nicht nachvollzogen werden.11 Die salfränkische arra war der römischen donatio ante nuptias entsprechend gestaltet und diente der finanziellen Absicherung der Frau für den Fall, dass der Bräutigam die Eheschließung verweigerte oder starb.12 Gleichzeitig war die Leistung des Brautgeldes im Zuge der Verlobung ein bekräftigender Akt, mit dem gegenüber der Brautsippe die Übereinkunft über die Heirat zum Ausdruck gebracht wurde.13 Somit lässt sich die fränkische arra als selbständig abtrennbarer Teil des Brautpreises verstehen, der der Brautfamilie als ,Anzahlung‘ bzw. Brautpfand bei der Verlobung geleistet wurde.14

7 Bradley, 85; Wemple4, 32; a. A. Esmyol, 70, die aber pauschal und ohne nähere Begründung den „Konsens der Frau als ehestiftendes Mittel“ in sämtlichen Leges ablehnt. 8 LS 70 § 1. 9 PLS 65a; LS 70; generell sind die Bußsätze der Lex Salica als Pauschalbußen für umfangreiche Deliktsgruppen anzusehen – Nehlsen, Sklavenrecht, 268; zum Münzsystem der Lex Salica vgl. Buchner, 19 ff. m.w. N. 10 So für die dos Kottje, in: Affeldt, 214. 11 Wemple4, 32 u. Anm. 32. 12 Wemple4, 32; Kottje, in: Affeldt, 214; damit hat sie wie im burgundischen Recht auch eine Funktion als Brautpfand für den Fall der ausbleibenden Eheschließung. 13 s. Kottje, in: Affeldt, 215. 14 Bei Gregor von Tours findet sich die auch aus dem römischen Recht bekannte Bezeichnung als arra – s. Gregor von Tours, Hist. X, 16 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 506); der sodann bei der Eheschließung zu leistende Brautpreis – reipus – belief sich dann lediglich noch auf den symbolischen Wert von 3 1/2 solidi; s. PLS 44; hierzu noch im Folgenden.

I. Verlöbnis

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Von eingegangenen Heiratsverpflichtungen konnte man sich nicht mehr einseitig lossagen. Das salfränkische Recht entspricht insoweit dem burgundischen Recht.15 Dass eine Verlobung nach salfränkischem Recht eine dem römischen Recht vergleichbare quasieheliche Bindung herbeiführte, lässt sich darin erkennen, dass eine uneheliche Beziehung zwischen einem Freien und einem freien, aber verlobten Mädchen mit einem Bußsatz von 45 solidi belegt war.16 Zwar ist in der Fassung des PLS 15 § 3 nicht ausdrücklich davon die Rede, dass es sich um eine Verbindung mit einer verlobten Frau handelt, jedoch lässt sich PLS 15 § 3 nur so verstehen. Denn der PLS 15 § 3 steht in einem Titel mit einer Vorschrift über den Ehebruch.17 Darin zeigt sich eine systematische Gleichstellung der Bindung des Verlöbnisses mit der ehelichen Bindung. Zudem zeigt die Fassung der jüngeren karolingischen Lex Salica ausdrücklich, dass ein verlobtes Mädchen gemeint ist.18 Sagte sich der verlobte Mann trotz wirksamen Verlöbnisses einseitig von der Verbindung los, musste er eine Buße in Höhe von 62 1/2 solidi an die Brautfamilie leisten. Die finanzielle Folge des einseitigen Verlöbnisbruches durch den Mann machte es diesem relativ leicht, sich unter Inkaufnahme der Zahlung von 62 1/2 solidi aus einem unliebsam gewordenen Verlöbnis zu lösen. Die Braut bzw. deren Gewalthaber hingegen konnten sich nach Übereinkunft mit dem Bräutigam nicht mehr ohne weiteres einseitig vom Verlöbnis lossagen.19 Bei Gregor von Tours ist ein Einzelfall überliefert, in dem der verschmähte Bräutigam von der reuigen Brautfamilie als Ausgleich eine immens hohe Buße von 16.000 solidi verlangte.20 Diese hohe Summe zeigt, dass lediglich im Einzelfall einer reichen und gesellschaftlich hochstehenden Frau eine Lösung aus dem Verlöbnis ermöglicht wurde, eine solche ansonsten aber nicht vorgesehen war. Nach Abschluss des Verlöbnisses wurde die Braut schließlich schon vor der Hochzeit in den Haushalt des Bräutigams verbracht,21 was eine vorweggenommene Heimführung der Frau darstellte.22 15

LRB 27 §§ 1, 2; s. Johlen, 61; Leonhardt, Eheschließung, 28 und oben. PLS 15 § 3; LS 14 § 14. 17 PLS 15 § 1. 18 LS 14 § 14 („. . . Si quis cum ingenuam puellam desponsata ea consentiente in hocculto mechaverit, . . .“); damit ist die Annahme Bradleys unzutreffend, es handele sich um eine Vorschrift, die die Entführung der Frau mit deren Einwilligung regele – s. Bradley, 85 m. Fn. 81. 19 A. A. Bradley, 85. 20 Gregor von Tours, Hist. IV, 46 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 180–182); Wemple4, 33. 21 Gregor von Tours, Liber vitae patrum XX, 1 (MGH SS rer. Mer. 2/1, 291); Wemple4, 33. 22 Eine vorweggenommene Heimführung der Frau tritt auch im ostgotischen Recht bei der Entführung einer wirksam verlobten Frau durch ihren Bräutigam auf – s. ET c. 92. 16

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

II. Ehemündigkeit Die Kodifikation des salfränkischen Rechts weist keine Norm auf, die explizit die Ehemündigkeit regelt. Allerdings bieten mehrere Vorschriften der Lex Salica sowie fränkische Kapitularien einen Aufschluss über das Lebensalter, in dem allgemein das Mündigkeitsalter erreicht wurde. Dabei handelt es sich zumeist um Vorschriften, die das Wergeld für Verletzungen bzw. Tötungen Unmündiger festsetzen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die allgemeine Mündigkeitsgrenze im salfränkischen Recht auch die Grenze der Ehemündigkeit bildete. Für Jungen wird das Mündigkeitsalter in der Lex Salica mit zwölf Jahren angegeben.23 Dabei ergibt sich aus den Quellen, dass als Kennzeichen der Unmündigkeit Jungen unter zwölf Jahren das Haar lang trugen und nach Vollendung des zwölften Lebensjahres die Haare abgeschnitten wurden.24 Hinsichtlich des Mündigkeitsalters junger Mädchen wird in der Lex Salica keine konkrete Altersangabe überliefert. Der Eintritt der Mündigkeit wurde mit der Gebärfähigkeit gleichgesetzt.25 Dies ist ein verbreitetes Kriterium zur Bestimmung der Ehemündigkeit und entspricht auch dem für Frauen gültigen römischen Kriterium zum Erreichen der Ehemündigkeit, der viripotentia. Die viripotentia wird nach dem römischen Recht mit dem Alter von zwölf Jahren gleichgesetzt.26 Es steht zu vermuten, dass für Mädchen im salfränkischen Recht ein ähnliches Lebensalter als Grenze der Ehemündigkeit angesehen wurde. In der sozialen Wirklichkeit dürfte das Heiratsalter tatsächlich höher gelegen haben. Jedenfalls deutet das Heiratsverhalten der Angehörigen der merowingischen Herrscherdynastie darauf hin, dass das tatsächliche Heiratsalter bei etwa 15 Jahren lag.27 Dies lässt sich mit Ewig beispielsweise durch die Eheschließungen der Herrscher Childebert II., Theudebert II., Theuderich II., Chlotar III. und Childerich II. nachvollziehen, bei denen das Alter zum Zeitpunkt des Eheschlusses auf etwa 15 Jahre zu rekonstruieren ist.28 23 PLS 24 § 1; LS 26 § 1; PLS 51 §§ 15 ff.; PLS 65e; Jungen unter zwölf Jahren waren nicht strafmündig – PLS 24 § 7 = LS 26 § 9; LS Capp. III, 97; LS Capp. V. 24 PLS 24 §§ 1, 2, 4; das Abschneiden der Haare eines Knaben vor Vollendung des zwölften Lebensjahres wurde gemäß PLS 24 § 2 mit einer Buße von 45 solidi belegt; s. ferner LS 26 §§ 1, 2. 25 PLS 24 § 8 = LS 26 § 7; die gesellschaftliche Wertigkeit einer Frau bestimmte sich maßgeblich nach ihrer Fähigkeit, Kinder zu bekommen, was sich in den Bußsätzen für Tötungen widerspiegelt; diese sind am höchsten für die Frau im gebärfähigen Alter und niedriger angesetzt für Frauen vor oder nach Erreichen des gebärfähigen Alters – LS 26 §§ 6–8; für die Tötung einer Schwangeren oder eines Ungeborenen finden sich Bußen in LS 26 §§ 4, 5; die Buße für die Tötung einer Frau im gebärfähigen Alter betrug 1.800 solidi, s. hierzu Bradley, 73 m.w. N.; anschaulich zum Wert der Bußen auch Siegmund, in: FmSt 32, 104 ff. 26 Kaser, RP I2, § 20 II, § 74 II 1; vgl. oben Kapitel A. III. 1. b), 2. b). 27 s. Ewig, in: FmSt 8, 28.

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers 1. Grundsatz Das Verlöbnis bildete nach dem salfränkischen Recht wie nach dem burgundischen Recht die Übereinkunft zwischen der Brautfamilie und dem Bräutigam, dass das mundium der Brautfamilie über die Frau auf den Ehemann übergehen sollte, und war Voraussetzung für eine wirksame Eheschließung.29 Wurde gegen das Erfordernis der Übereinkunft mit der Brautfamilie verstoßen, war einem fränkischen Kapitular zufolge die Todesstrafe und der Vermögensverfall an den Fiskus die Sanktion.30 Wie oben ausgeführt deutet PLS 65a auf ein relevantes Gewicht des Willens der Frau zur Eheschließung hin, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Frau jedenfalls juristisch nicht gegen ihren Willen verheiratet werden konnte.31 2. Zahlung des Brautpreises Zur Ablösung der Gewalt über die Frau musste der Bräutigam einen Brautpreis an die Brautfamilie entrichten. Die Ablösung der Hausgewalt der Brautfamilie über die Braut war für die Wirksamkeit der Eheschließung erforderlich. Dieses Erfordernis deckt sich mit dem burgundischen Recht, nach dem vor der Eheschließung das pretium geleistet werden musste.32 Der Brautpreis des salfränkischen Rechts wird in der Lex Salica als reipus bezeichnet, was überwiegend mit „Reifgeld“ bzw. „Ringgeld“ übersetzt wird.33 Zwar tritt der reipus des salfränkischen Rechts in der fränkischen Kodifikation in PLS 44 im Zusammenhang mit der Wiederheirat der Witwe auf,34 wo der zweite Ehemann der Witwe an den Gewalthaber bzw. die Familie der Witwe das „Reif-

28 Vgl. Ewig, in: FmSt 8, 26 ff. m.w. N.; von einem tatsächlich höheren Durchschnittsalter bei der Eheschließung geht auch Siegmund, in: FmSt 32, 108 ff. aus. 29 s. Ennen6, 35; Wemple4, 32. 30 PLS Cap. III, 98. 31 A. A. Esmyol, 70; auf die Unklarheit hinsichtlich der Bedeutung des consensus der Frau weist auch Kottje, in: Affeldt, 216 hin. 32 LB 66 §§ 1–2; LB 69 §§ 1, 2; LB 86 § 2; LB 101; LB 12 § 4; LB 52 § 3; LB 12 §§ 1–2; LB 14 § 3; LB 34 § 2; LB 42 § 2; s. Leonhardt, Eheschließung, 17. 33 PLS 44 = LS 46; zur Herkunft des volkssprachlichen Wortes reipus vgl. SchmidtWiegand, Reipus, in: HRG 4, 849–851; dies., Die malbergischen Glossen der Lex Salica als Denkmal des Westfränkischen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 64 ff.; dies., Der Lebenskreis der Frau, in: Affeldt, 207 m.w. N. 34 s. LS 46; einen guten und ausführlichen Überblick über Forschungsstand und -geschichte hierzu liefert Ubl, 79 ff. m.w. N.; vgl. ferner z. B. Saar, 343 ff.; Brunner, De Reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 67 ff.; Waitz, 111 ff.; s. ferner Schröder/von Künßberg7, 333 u. Fn. 176; Schmidt-Wiegand, Reipus, in: HRG 4, 850.

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

geld“ leistete.35 Jedoch handelt es sich dabei um den allgemein zu leistenden Brautpreis und nicht lediglich um eine spezielle Leistung vor der Wiederheirat der Witwe.36 Der reipus des salfränkischen Rechts ist vielmehr das Erfordernis zur Ablösung der Hausgewalt der Brautfamilie über die Braut, das als allgemeines Charakteristikum der Eheschließung bei germanischen Völkern auftritt.37 Die Zahlung des Brautpreises als allgemeines, gewohnheitsrechtliches Kriterium einer wirksamen Eheschließung im fränkischen Recht wird durch die fränkischen Formelsammlungen bestätigt, in denen auf die Lex Salica ebenso verwiesen wird wie auf Gewohnheitsrecht – antiqua consuetudo.38 Entgegen der bei Brunner und Schmidt-Wiegand geäußerten Auffassung handelt es sich bei der reipus-Zahlung nicht um eine zur Verlobung zu erbringende Leistung,39 sondern um eine eigene Leistung, die bei der der Verlobung nachfolgenden Eheschließung zu erbringen war, sich mithin von der arra unterschied. Dass die Verlobung der Eheschließung einige Zeit vorausging, lässt sich namentlich mit dem Verbot des Umgangs mit der verlobten freien Frau belegen,40 welches überflüssig wäre, wenn die Verlobung unmittelbar der eigentlichen Eheschließung vorausginge, da dann eine Zwischenzeit, in der ein solcher Umgang stattfinden könnte, nicht existierte. Bestätigend lässt sich weiter PLS 13 § 14 anführen,41 wo der Raub einer verlobten Frau aus dem Zug geregelt ist, der sie zur Hochzeit mit dem Bräutigam führen soll.42 Fielen Verlobung und Hochzeit in einem Zeitpunkt zusammen, wäre auch diese Regelung nicht zu erklären. Der in die Lex Salica aufgenommene Fall der reipus-Zahlung bei Wiederverheiratung einer Witwe war ein besonders regelungsbedürftiger Spezialfall, wohin35 PLS 44 = LS 46 enthalten eine Aufzählung derjenigen Verwandten, denen hinsichtlich des reipus die Empfangsberechtigung zustehen kann; ausführlich dazu Brunner, De Reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 68. 36 In diesem Sinne auch Schmidt-Wiegand, Der Lebenskreis der Frau, in: Affeldt, 207; alleine auf die Wiederheirat der Witwe bezieht z. B. Goetz, Familie, Abschnitt C, in: LexMA 4, 271 die Zahlung des Reifgeldes. 37 s. Ennen6, 35. 38 Formulae Salicae Merkellianae, 15 (MGH Form. 1, 247); Formulae Salicae Bignonianae, 6 (MGH Form. 1, 230); Schmidt-Wiegand, Untersuchungen zur Entstehung der Lex Salica, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 26. 39 Schmidt-Wiegand, Die Malbergischen Glossen der Lex Salica als Denkmal des Westfränkischen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 71; Brunner, De reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 71 ff., auf 73 wird der reipus als „Verlobungsgebühr“ bezeichnet. 40 PLS 13 § 12; LS 14 § 14. 41 PLS 13 § 14, entspricht LS 14 § 10. 42 Das frankolateinische Wort dructis hat seinen Ursprung im fränkischen druht („Heimführungszug“) – vgl. hierzu Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 368 ff. m.w. N.; dies., Fränkisch druht und druhtin, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 393 ff.; von Olberg, 129 f.

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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gegen die reipus-Zahlung an sich dem salfränkischen Gewohnheitsrecht zuzuordnen ist. Da die Witwe im salfränkischen Recht unabhängig von ihrem Lebensalter zunächst auch nach dem Tode des Ehemannes in der Hausgewalt der Familie verblieb, in die sie durch Übernahme der Munt durch den Ehemann übergetreten war und sich daher im Unterschied zum römischen Recht auch eine Witwe, die älter als 25 Jahre war, nicht selbständig verheiraten konnte,43 war in der Lex Salica eine entsprechende Regelung zu treffen. Die reipus-Zahlung belief sich auf eine Höhe von 3 1/2 solidi44 und war an den Gewalthaber der Frau zu leisten, im Regelfall also an die Brautfamilie, im kodifizierten Spezialfall an die Verwandten des verstorbenen Mannes.45 Die lediglich symbolische Höhe sowie die Herkunft aus dem fränkischen Gewohnheitsrecht zeigen, dass es sich bei der reipus-Zahlung um ein Überbleibsel eines archaischen Brautkaufes handelt, der sich im Laufe der Zeit zu einem Formalakt zur Ablösung des mundium der Brautfamilie zurückbildete. Trotz der oben beschriebenen Herkunft aus dem fränkischen Gewohnheitsrecht lässt sich PLS 44 in seiner kodifizierten Fassung gleichzeitig auch auf eine römische Vorbildnorm zurückführen. In CTh 3, 7, 1 (371) findet sich eine Konstitution Valentinians I., die für die Ausgestaltung der Vorschrift über die Wiederverheiratung der Witwe in der Lex Salica herangezogen wurde, was zeigt, dass der fränkische Gesetzgeber über Kenntnisse des römischen Rechts verfügte.46 Das römische Vorbild lässt sich insbesondere daran erkennen, dass die Abwicklung der reipus-Zahlung vor einem Gericht – Thing (mallus indicatus) – stattfand.47 In CTh 3, 7, 1 (371) wurde bei Differenzen zwischen dem Willen der minderjährigen und vaterlosen Witwe und der Verwandtschaft der iudex befasst.48 Zudem sollte in diesem Zusammenhang die Verwandtschaft – adfinitas – öffentlich gehört werden.49 Auffällig ist indes, dass PLS 44 im Unterschied zum römischen Vorbild ein zugleich archaisch und formalistisch anmutendes Ritual enthält: Der Brautwerber musste vor dem Gericht einen Schild tragen und drei Männer – wohl Verwandte der Frau – mussten drei Fragen beantworten, damit die Hausgewalt über die Frau schließlich durch die Zahlung des reipus abgelöst werden konnte.50 43

s. z. B. CTh 3, 7, 1 (371). PLS 44 § 2. 45 PLS 44. 46 s. hierzu Ubl, 81 im Anschluss an Brunner, De reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 75 f.; hiervon ist im Folgenden noch bei der Wiederheirat der Witwe zu handeln. 47 Nach CTh 3, 7, 1 (371) und LRV CTh 3, 7, 1 war ebenfalls der iudex zu beteiligen – Saar, Ehe, 343 u. Fn. 7. 48 CTh 3, 7, 1 (371); Brunner, De reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 74. 49 CTh 3, 16, 1 pr. (371). 50 PLS 44 § 1. 44

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

Eine Herkunft dieses Rituals aus dem salfränkischen Gewohnheitsrecht ist nicht unwahrscheinlich, kann aber nicht sicher belegt werden. Jedenfalls aber wird darin das Bedürfnis verkörpert, der Versammlung vor Gericht noch offizielleren Charakter zu geben und somit mehr Gewicht zu verleihen. PLS 44 zeigt exemplarisch die Kenntnis des salfränkischen Gesetzgebers vom römischen Recht, wobei der Titel gleichzeitig als Beleg dafür zu dienen vermag, dass fränkisches Gewohnheitsrecht kodifiziert wurde und im Zuge der Kodifikation das römische Vorbild für die Ausgestaltung nutzbar gemacht wurde. Im Laufe der Zeit geriet das Erfordernis der reipus-Zahlung „durch gewohnheitsrechtliche Überlagerung“ 51 außer Übung und wurde durch ein Kapitular aus dem Jahre 819 außer Kraft gesetzt.52 Entscheidend für die Eheschließung war damit lediglich noch die Zustimmung des Gewalthabers, d. h. der Brautfamilie.53 Damit glich sich das salfränkische Recht an das überlieferte römische Recht an, das die Zahlung eines Brautpreises zusätzlich zur Zustimmung des Gewalthabers nicht voraussetzte. Dies spricht für ein Eindringen römischen Einflusses in das fränkische Gewohnheitsrecht, so dass dann die gesetzliche Regelung obsolet wurde. 3. Entführung der Braut Der Raub oder die Entführung von Frauen in der Absicht, sie als Ehefrau zu nehmen, hat ausweislich der Vorschriften des salfränkischen Rechts im Reich der Merowinger ebenso wie in anderen germanischen Reichen offenbar eine erhebliche Rolle in der sozialen Wirklichkeit gespielt. Der einschlägige Titel der Lex Salica ist PLS 13.54 Wenn ein Freier eine freie Frau raubte, wurde er mit einer Buße in Höhe von 62 1/2 solidi belegt.55 Die Notzucht an einer freien Frau wurde ebenfalls mit der 51

Saar, Ehe, 346. PLS Cap. Leg. Addenda, c. 8 (819); s. Saar, Ehe, 346 m.w. N. in Fn. 3. 53 s. Schmidt-Wiegand, Reipus, in: HRG 4, 851; Brunner, De reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 69; Saar, Ehe, 346; Nehlsen, Aktualität und Effektivität, in: Classen, 473. 54 PLS 13; LS 14. 55 PLS 13 §§ 1, 4 = LS 14 § 4; es handelt sich offenbar um eine Bußzahlung, die aus dem System der Wergeldsätze entwickelt wurde; dafür, dass es sich bei dem Betrag um den Brautpreis oder einen erhöht zu zahlenden Brautpreis handelte, finden sich im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte; PLS 13 § 1 berichtet vom Raub der Frau aus einer Behausung oder Webhütte – screona. Hierbei handelt es sich um ein latinisiertes Lehnwort aus dem Fränkischen – vgl. Hoff, 68 f.; Schmidt-Wiegand übersetzt screona mit „eingetieftes Grubenhaus“: Schmidt-Wiegand, Die Malbergischen Glossen der Lex Salica als Denkmal des Westfränkischen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 53 f.; zur Funktion dieses Gebäudes s. Schmidt-Wiegand, Sali, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 277; der Begriff screona begegnet in der Lex Salica auch in PLS 13 § 5; PLS 27 §§ 29, 30. 52

III. Consensus/Zustimmung des Gewalthabers

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recht milden Sanktion von 62 1/2 solidi bestraft.56 Die nach dem Raub der Frau begründete Ehe war aber wohl dennoch gültig, für eine Trennung der rechtswidrig zustande gekommenen Verbindung findet sich kein Anhaltspunkt.57 Vielmehr spricht die Sanktionierung mit einer Bußzahlung dafür, dass damit das begangene Unrecht voll abgegolten war und die Ehe Bestand hatte. Auch der Fall, dass die Frau sich mit der Entführung zum Zwecke der Ehebegründung einverstanden erklärte, ist in der Lex Salica geregelt.58 Dabei erscheint zunächst merkwürdig, dass die Frau mit dem Verlust der Freiheit bestraft werden sollte, wenn sie freiwillig einem Manne nachfolgte.59 In einer von vier Textklassen findet sich ein Hinweis auf den Sklaven, was die Rechtsfolge zunächst nachvollziehbar macht. Nehlsen stellt zwar die Auffälligkeit fest, dass sowohl in PLS 13 § 8 als auch in PLS 25 § 4 die Verbindung der freien Frau mit einem Sklaven behandelt werden soll, ordnet aber entgegen Seebold60 PLS 13 § 8 der Verbindung mit einem Sklaven zu, versehen mit dem Hinweis, dass in drei von vier Textklassen der Lex Salica in PLS 13 § 8 der Hinweis auf den Sklaven fehle.61 Der Freiheitsverlust ist aber in den Leges die regelmäßige Rechtsfolge einer Verbindung einer freien Frau mit einem Unfreien. Die korrespondierende Vorschrift des burgundischen Rechts sieht beispielsweise bei einer übereinstimmenden Entführung einer freien Frau lediglich die dreifach erhöhte Zahlung des pretium vor.62 Zudem ist dieser Fall – systematisch nachvollziehbar – in PLS 25 („Von Unzucht mit Mädchen [oder der Knechte]“)63 bereits geregelt. Seebold legt deshalb nachvollziehbar dar, dass es sich um einen Übertragungsfehler handeln muss, welcher im Zuge der handschriftlichen Überlieferung entstanden ist. Deshalb ist Seebolds Auffassung, dass es sich bei PLS 13 § 8 um einen Fall der Einwilligung der entführten Frau in eine Verbindung mit einem Freien handelt, der Vorzug zu geben und festzuhalten, dass die Entführung der freien Frau mit ihrer Einwilligung eine Bußzahlung für den Entführer nach sich zog, die Frau aber ihre Freiheit nicht verlor.64 Auch für den Fall des Einverständnisses der Frau findet sich kein Anhaltspunkt in der Quelle, dass eine ohne Zustimmung der Brautfamilie geschlossene Verbindung nicht als legitime Ehe galt,65 sondern es ist 56

PLS 15 § 2, dem entspricht LS 14 § 13. So auch Bradley, 85. 58 PLS 13 § 8; LS 14 § 7; gleichwohl ist nicht die Entführung der ehebegründende Tatbestand, sondern der Ehekonsens. 59 PLS 13 § 8. 60 Seebold, in: PBB 132, 367. 61 Nehlsen, Sklavenrecht, 306; so fasst auch Saar, Ehe, 239 PLS 13 § 8 auf. 62 LB 12 § 4; s. Seebold, in: PBB 132, 367. 63 Dt. Übersetzung nach Eckhardt, Die Gesetze des Merowingerreiches 481–741, Bd. I, Pactus Legis Salicae (1963), 44. 64 Seebold, in: PBB 132, 367 f. 65 So im Ergebnis zutreffend auch Bradley, 85. 57

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

vielmehr davon auszugehen, dass die Zahlung eines erhöhten Brautpreises nachträglich den Munterwerb von der Brautfamilie herbeiführte.66 Die übrigen Untertitel des PLS 13 zum Frauenraub regeln Sonderfälle und die Sanktionen für weitere Tatbeteiligte: Raubten drei Männer gemeinschaftlich ein freies Mädchen (aus einem Haus oder einer Webhütte), waren sie verpflichtet, 30 solidi zu zahlen.67 Weitere Gehilfen wurden mit einer Zahlung von fünf solidi belegt.68 Auffallend ist der Hinweis auf eine Bewaffnung der Entführer mit Pfeilen in PLS 13 § 3. Die mit Pfeilen bewaffneten Tatbeteiligten sollten lediglich drei solidi zahlen müssen.69 Diese Passage bietet Aufschluss über die soziale Relevanz des Frauenraubes. Die Bewaffnung mit Pfeilen entsprach derjenigen heranwachsender Männer.70 Daraus lässt sich in der Zusammenschau mit PLS 13 § 3 schließen, dass im salfränkischen Reich vorwiegend kleinere Banden junger Männer gemeinschaftlich den Frauenraub begingen, weil offenbar das Bedürfnis bestand, sich auf diesem Wege eine Braut zu verschaffen.71 Das salfränkische Recht weist hinsichtlich des Bandenraubes Charakteristika auf, die der germanischen Rechtstradition zugeordnet werden können. Dabei geht das salfränkische Recht in der Anerkennung der durch Frauenraub zustande gekommenen Verbindung noch weiter als andere germanische Leges. Diese schlossen eine Anerkennung der Ehe mit einer geraubten bzw. entführten Frau nicht generell aus, stellten die Legitimität der Ehe allerdings unter den Vorbehalt der nachträglichen Übereinkunft mit der Brautfamilie.72 Dagegen wurde nach dem überlieferten salfränkischen Recht die Legitimität der Ehe, die mit der entführten Frau geschlossen wurde, nicht in Abrede gestellt. Die Bußzahlung gemäß PLS 13 führte nicht erst zur Legitimität der Ehe, sondern kompensierte lediglich das Unrecht, das die Brautfamilie durch Verletzung ihrer Hausgewalt über die Braut erlitten hatte. Ganz im Gegensatz dazu sanktionierten die Vorschriften des römischen Rechts und die von römischem Recht erheblich beeinflussten Vorschriften der Leges das crimen raptus drakonisch mit dem Tode und versagten der nach Brautraub ge-

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Esmyol, 112. PLS 13 § 1; PLS 13 § 5; PLS 13 §§ 5–7 handeln vom Raub unfreier oder halbfreier Frauen; hierzu unten. 68 PLS 13 § 2; LS 14 § 2. 69 PLS 13 § 3 entspricht LS 14 § 3. 70 Dies lässt sich anhand archäologischer Funde in Gräbern nachvollziehen – vgl. Siegmund, in: FmSt 32, 103 f. 71 Vgl. Siegmund, in: FmSt 32, 103 f.; deshalb stellt Seebold die gemeinschaftlich bandenmäßige Tatbegehung in PLS 13 sehr in den Vordergrund – Seebold, in: PBB 132, 369. 72 In LV 3, 3, 7 (Antiqua); LV 3, 4, 7 (Antiqua); LB 12 § 1; Edictum Rothari, c. 191; Liutprandi leges (723), c. 31; Saar, Ehe, 259 m.w. N. 67

IV. Polygyne Verbindungen und Scheidung

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schlossenen Ehe die Anerkennung.73 Unter Childebert II. trat diesbezüglich im Jahre 595 indes eine Verschärfung und Angleichung der Rechtsfolgen an das römische Recht in Kraft, indem der Frauenraub nach dem Willen Childeberts fortan mit dem Tode bestraft werden sollte bzw. bei Übereinkunft zwischen den Partnern beide der Relegationsstrafe unterworfen wurden.74 In dieser Zeit ist auch ein zunehmender Einfluss der Kirche anzunehmen, die dem Frauenraub ablehnend gegenüberstand und sich in einer Vielzahl von Konzilsbeschlüssen gegen den Frauenraub ausgesprochen hatte.75 Der wachsende kirchliche Einfluss dürfte die Angleichung der Rechtslage zum crimen raptus an die römischrechtliche begünstigt haben.

IV. Polygyne Verbindungen und Scheidung 1. Mehrehen der fränkischen Könige Das kodifizierte salfränkische Recht gibt keinen Aufschluss über die Zulässigkeit von Mehrehen. Historiographische Quellen bieten hierzu wichtige Anhaltspunkte, die zu dem Schluss führen, dass das fränkische Recht in dieser Hinsicht in germanischer Tradition stand und polygyne Verbindungen gestattete: Übereinstimmend mit der Überlieferung früher römischer Geschichtsschreibung scheint Polygynie vornehmlich in den fränkischen herrschenden Schichten, namentlich im merowingischen Königsgeschlecht praktiziert worden zu sein.76 Eine abschließende Beurteilung für niedere Bevölkerungsschichten ist aufgrund fehlender Überlieferung nicht möglich.77 Zwar unterhielten die merowingischen Herrscher fast sämtlich neben der Ehe diverse Konkubinate, es sind aber auch echte Mehrehen überliefert:78 Aus der Überlieferung Fredegars ergibt sich, dass Dagobert I. drei Königinnen, d. h. anerkannte Ehefrauen, zuzüglich diverser nicht namentlich bekannter Konkubinen an 73

CTh 9, 24, 2 (320); LRV CTh 9, 19, 2; ET c. 17. PLS Cap. VI, 2 § 2; s. Ennen6, 34; Bradley, 72. 75 Concilium Aurelianense (511), c. 2, 18 (MGH Conc. 1, 3; 6); Concilium Aurelianense (541), c. 22 u. 24 (MGH Conc. 1, 92); Concilium Arvernense (535), c. 12 (MGH Conc. 1, 68); Concilium Aurelianense (538), c. 19 (MGH Conc. 1, 79); Concilium Parisiense (556–573), c. 5, 6 (MGH Conc. 1, 144); Concilium Clippiacense (626/7), c. 26 (MGH Conc. 1, 200); s. Esmyol, 88. 76 Zur römischen Überlieferung s. Caesar, de bello Gallico I, 53; Tacitus, Germania, c. 18; Saar, Ehe, 218; 220 u. Fn. 6 m.w. N.; Saar geht davon aus, dass es bei polygynen Verbindungen lediglich eine Frau mit dem Manne in einer Muntehe verbunden war und die übrigen Frauen Friedelfrauen waren. 77 Der Fall des Grafen Amalo, bei dem es sich wohl um den Versuch des Grafen handelte, eine polygyne Verbindung zu unterhalten, ist bei Gregor von Tours überliefert: Gregor von Tours, Hist. IX, 27 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 445); s. Wemple4, 40. 78 A. A. Ennen6, 49. 74

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

seiner Seite hatte.79 Auch Chlotar I. lebte mit mehreren Frauen in als rechtmäßig anerkannter Ehe.80 Chlotar I. ehelichte nacheinander Ingund (516), dann die Witwe seines Bruders Chlodomer, Guntheuca (524), anschließend Radegund (531) sowie schließlich die Schwester seiner ersten Frau Ingund, Arnegund (533/ 534).81 Zudem haben wohl Charibert I. und Chilperich I. polygyne Verbindungen unterhalten.82 Die Überlieferung der von den merowingischen Königen praktizierten Mehrehe lässt erkennen, dass das frühe fränkische Recht in dieser Hinsicht vom römischen Recht unbeeinflusst war, das von der monogamen Ehe ausging. Der Einfluss der Kirche, deren Vorstellungen von der Ehe die praktizierte Mehrehe zuwider lief, war im fränkischen Reich augenscheinlich nicht stark genug, polygyne Verbindungen zu unterbinden. Dies zeigt sich nicht nur in den Quellen, die von polygynen Verbindungen merowingischer Herrscher handeln, sondern auch die Angehörigen der frühen karolingischen Dynastie – die arnulfingischen Hausmeier – praktizierten noch Ende des 7. Jahrhunderts Mehrehen.83 Gleichwohl weist Saar mit Recht darauf hin, dass das Fehlen ausdrücklicher Hinweise auf das Verbot von Mehrehen in Konzilsbeschlüssen der merowingischen Zeit darauf hindeutet, dass Polygynie nicht in allen Teilen der Bevölkerung weit verbreitet war.84 2. Ehescheidung Das salfränkische Recht weist wohl ebenso wie das burgundische Recht das offenbar germanische Merkmal auf, dass eine einseitige Scheidung von Seiten der Frau unzulässig war. Im Gegensatz zur Lex Burgundionum erwähnt die Lex Salica die Frage der Ehescheidung aber nicht einmal.85 Das Recht der Ehescheidung war im fränkischen Reich jedoch dem Gewohnheitsrecht zu entnehmen.86 Das Verbot der einseitigen Scheidung durch die Frau lässt sich anhand der oben getroffenen Feststellung bestätigen, dass die Frau sich nicht mehr einseitig aus einem wirksam geschlossenen Verlöbnis, das quasi-eheliche Bindung hatte, lösen durfte.87 Auch die gleichgelagerte Regelung der Lex Burgundionum legt ein Verbot der einseitigen Scheidung durch die Frau im frühen Frankenreich nahe. 79

Fredegar, Chron. IV, 60 (MGH SS rer. Mer. 2, 151); Esmyol, 47. Gregor von Tours, Hist. IV, 3 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 136); Esmyol, 49. 81 s. Ewig, in: FmSt 8, 35 f., die mutmaßlichen Jahreszahlen der Eheschließungen errechnet Ewig anhand der bekannten Geburtsjahre der jeweiligen Kinder; Esmyol, 49. 82 Wemple4, 38 f.; Esmyol, 50. 83 s. Brunner, Uneheliche Vaterschaft, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. II, 167; Wemple4, 40. 84 Saar, Ehe, 222 m.w. N. in Fn. 4. 85 s. das kapital bestrafte Verbot der Scheidung durch die Frau in LB 12 § 1. 86 Saar, Ehe, 300 unter Hinweis auf Esmein/Génestal 2, 19 in Fn. 7. 87 PLS 15 § 3; vgl. oben Kapitel E. I. 80

IV. Polygyne Verbindungen und Scheidung

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Saar führt die in frühkarolingischen Kapitularien überlieferten Scheidungsmotive zu Gunsten der Frau auf römischen Einfluss zurück, ohne dass auszumachen sei, wann [genau] die Franken zu einer Scheidungsbefugnis der Frau vorgedrungen seien.88 Allerdings deutet ein canon des Konzils von Orléans (533) darauf hin, dass bereits vor der karolingischen Zeit einseitige Scheidung durch die Frau für den Fall praktiziert wurde, dass der Mann derartig körperlich beeinträchtigt war, dass er seinen ehelichen Pflichten nicht mehr nachkommen konnte.89 Es sind Einzelfälle überliefert, in denen es Frauen aus der herrschenden Schicht gelang, sich aus einer Ehe zu lösen, ohne dass hieraus generell eine Berechtigung der Frau zur einseitigen Scheidung gefolgert werden dürfte. Überliefert ist eine Scheidung für Basina, die Mutter des Königs Chlodwig, die zuvor mit dem thüringischen König verheiratet gewesen war, und die anschließend Ehefrau von Chlodwigs Vater Childerich I. wurde,90 sowie für Tetradia, die von ihrem Mann, dem Grafen Eulalius, misshandelt worden war.91 Jedoch gelang in diesen Fällen die Scheidung nur deshalb, weil die Frau einen mächtigen Beschützer hatte, der ihr Vorgehen unterstützte. Im Falle der Tetradia war dies der gallorömische Edle Desiderius, der Tetradia anschließend selbst zur Frau nahm.92 Da keine der Leges dem Mann eine Scheidung von vornherein generell untersagt, kann im Falle der Lex Salica davon ausgegangen werden, dass der Mann sich scheiden konnte, wenn auch möglicherweise nur im Falle des Nachweises bestimmter – nicht abschließend bekannter – Scheidungsgründe. Ein für das fränkische Recht überlieferter Scheidungsgrund für den Mann ist die Unfruchtbarkeit der Frau, da die Ehe auf das Hervorbringen gemeinsamer Nachkommen ausgerichtet war.93 Recht sicher war als weiterer zulässiger Scheidungsgrund der Ehebruch durch die Frau anerkannt.94 Schließlich gibt eine Quelle aus den Formelsammlungen des Marculf darüber Aufschluss, dass im fränkischen Recht eine Ehescheidung durch Konsens der

88 Saar, Ehe, 303 unter Hinweis auf Schröder/von Künßberg7, 336 u. w. N.; vgl. auch Saar, Ehe, 371 ff. 89 Conc. Aurelianense (533), c. 11 (MGH Conc. 1, 63); s. McNamara/Wemple, in: Mosher Stuard, 100; das Konzil von Orléans verbietet nämlich ohne Unterscheidung zwischen Mann und Frau die Scheidung für den Fall, dass einer der Ehepartner seinen ehelichen Pflichten nicht nachkommen konnte. 90 Gregor von Tours, Hist. II, 12 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 62); Wemple4, 42. 91 Gregor von Tours, Hist. X, 8 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 489–491). 92 Gregor von Tours, Hist. X, 8 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 489–491); Wemple4, 43. 93 Fredegar, Chron. IV, 60 (MGH SS rer. Mer. 2, 151); vgl. Wemple4, 42 u. Fn. 83; Ganshof, in: La Femme II, 32. 94 s. Wemple4, 42; McNamara/Wemple, in: Mosher Stuard, 100 entgegen deren Hinweis in Anm. 35 behandelt Ganshof, in: La Femme II auf S. 32 allerdings die Scheidungsgründe nach der Lex Burgundionum.

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

Eheleute möglich war,95 der Wille der Frau in dieser Konstellation also durchaus von Bedeutung war. Dies deutet darauf hin, dass das salfränkische Gewohnheitsrecht in diesem Punkt von der Lex Romana Burgundionum und daher auch römischrechtlich beeinflusst war, da in LRB 12 § 1 angelehnt an Nov. Th. 12 (439) eine einvernehmliche Scheidung vorgesehen war.96 Das fränkische Recht stimmte hinsichtlich der Zulässigkeit der einvernehmlichen Scheidung mit der klassischen römischen Rechtslage überein.97 Daraus lässt sich schließen, dass die in der Spätantike überlieferte Scheidungsgesetzgebung vom salfränkischen Gesetzgeber beachtet wurde und der kirchliche Einfluss im fränkischen Reich noch nicht genug ausgeprägt war, um die einvernehmliche Scheidung als verwerflich anzusehen.98 Das burgundische Recht weist durch eine inhaltsgleiche Vorschrift in LRB 21 § 1, die ebenfalls auf Nov. Th. 12 (439) zurückgeführt werden kann, eine entsprechende Übereinstimmung mit der spätantiken Rechtslage auf, wohingegen im westgotischen Reich der kirchliche Einfluss offenkundig so hinreichend ausgeprägt war, dass die einvernehmliche Scheidung sehr stark eingeschränkt bzw. in der Lex Visigothorum ganz ausgeschlossen wurde.99 3. Außereheliche Verbindungen Die Zulässigkeit einer außerehelichen Verbindung ist im geschriebenen salfränkischen Recht lediglich rudimentär überliefert. Solche außerehelichen Beziehungen stellten die Konkubinate dar, d. h. auf längere Dauer angelegte, aber ohne Ehewillen unterhaltene Verbindungen, die entweder als außerehelicher oder als nebenehelicher Konkubinat unterhalten wurden. Neben echten Mehrehen war der Konkubinat unabhängig vom Familienstand des Mannes im Grundsatz zulässig und nur dann verboten, wenn dadurch in die Rechte eines anderen Mannes eingegriffen wurde.100 Der Ehebruch durch einen Mann, der eine Beziehung zu einer verheirateten Frau unterhielt, war mit einer Bußzahlung sanktioniert.101 95 Marculf, Formulae II, 30 (MGH Form. 1, 94) – dort wird als Grund der Wunsch nach Eintritt in ein Kloster genannt; vgl. Wemple4, 42; Saar, Ehe, 368; zur Verbreitung einverständlicher Scheidungen als Form der Ehebeendigung im fränkischen Reich s. auch Saar, Ehe, 364 ff. m.w. N.; s. auch McNamara/Wemple, in: Mosher Stuard, 96 u. 100. 96 LRB 21 § 1; das Vorbild ist Nov. Th. 12 (439); s. Arjava, Divorce, in: Arctos 22, 15. 97 Hierzu Kaser, RP II2, § 219 I 3; Kaser, RP I2, § 77 III 3. 98 Auf kirchlich-christlichen Einfluss dürfte das ausdrückliche Verbot der einvernehmlichen Scheidung in LV 3, 6, 2 (Chindasvinth) zurückzuführen sein. 99 Erst durch Nov. 117, 10 (542) und Nov. 134, 10 (556) wurde im spätantiken römischen Recht die einvernehmliche Scheidung verboten – s. Kaser, RP II2, § 219 I 3. 100 PLS 13 § 8; PLS 13 § 12; PLS 15 § 1, LS 14 § 8; LS 14 §§ 13, 14 stellen unter Strafe, eine Beziehung mit einer verheirateten Frau zu unterhalten; die Herrschaftsrechte eines anderen verletzt derjenige, der eine Verbindung mit einer fremden Unfreien bzw. Halbfreien (lida) unterhält – PLS 13 §§ 9, 10; PLS 25 §§ 1–3; LS 14 § 11; LS 14

IV. Polygyne Verbindungen und Scheidung

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Weiteren Aufschluss über die Zulässigkeit von Konkubinatsverbindungen im salfränkischen Recht bieten historiographische Quellen: Für die merowingischen Herrscher sind zahlreiche Konkubinate überliefert. Der Konkubinat war im frühen Frankenreich offenbar weit verbreitet und gemeinhin akzeptiert. Überlieferungen der Namen von Konkubinen der merowingischen Herrscher finden sich dann, wenn sie aus der Konkubinatsverbindung Söhne hervorbrachten.102 Auch für die „Großen“ 103 des Reiches sind Konkubinate überliefert.104 Im Hinblick auf den personenrechtlichen Status der Konkubinen weist Esmyol nach, dass die Konkubinen nahezu sämtlich unfreien Standes waren. Nicht repräsentative Ausnahme ist insoweit die freie Romanin Deoteria, die sich Theudebert I. zur Konkubine nahm, nachdem er sie bei der Eroberung der Stadt Béziers 532 als „Kriegsbeute“ gewonnen hatte.105 Für eine verheiratete Frau war ein nebenehelicher Konkubinat ebenso „undenkbar“,106 wie ein außereheliches Verhältnis für eine unverheiratete Frau, und brachte jedenfalls den Verlust der gesellschaftlichen Ehre mit sich.107 Wurde eine verheiratete Frau beim Ehebruch ertappt, wurde sie getötet.108 Bestand lediglich ein Verdacht des adulterium gegen die Frau, wurde sie dem Bericht Gregors von

§ 15; LS 27 §§ 1–3; Wemple4, 41; in der Zulässigkeit des nebenehelichen Konkubinats unterscheidet sich das salfränkische Recht vom spätantiken römischen und dem westgotischen Recht, nach dem dies untersagt war – vgl. PS 2, 20, 1 = LRV PS 2, 20, 1; Kaser, RP II2, § 221 u. Fn. 4. 101 62 1/ solidi waren wohl an die Sippe der Frau zu zahlen, s. PLS 13 § 12; LS 14 2 § 8; weitere 15 solidi waren direkt an den geschädigten Ehemann zu entrichten – PLS 13 § 13 = LS 14 § 9. 102 Z. B. Chrodechild/Chlodwig – Gregor von Tours, Hist. II, 28 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 73 f.); Fredegar, Chron. III, 20 (MGH SS rer. Mer. 2, 101); Veneranda/Guntchram – Gregor von Tours, Hist. IV, 25 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 156); Fredegar, Chron. III, 56 (MGH SS rer. Mer. 2, 108); Theudeberta/Childebert II. – Lib. Hist. Fr. 37 (MGH SS rer. Mer. 2, 303); Esmyol, 46 f. 103 Esmyol, 56. 104 s. Esmyol, 55 f. und Wemple4, 40 jeweils m.w. N. 105 Gregor von Tours, Hist. III, 21–23 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 121 ff.); Esmyol, 48 u. 57; Deoteria wurde 534 von Theudebert I. von der concubina zur Ehefrau gemacht – Gregor von Tours, Hist. III, 22, 23 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 122 f.); Ewig, in: FmSt 8, 39 u. Fn. 132. 106 Esymol, 60. 107 Septimia, der nachgesagt wurde, ihren Mann getötet zu haben, lebte mit Droctulf unverheiratet zusammen, was ihr als Leben „wie eine Hure“ („. . . ipsumque secum scorto miscere . . .“) ausgelegt wurde – Gregor von Tours, Hist. IX, 38 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 458); Esmyol, 58. 108 Gregor von Tours, Hist. VIII, 19 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 385); bei Gregor von Tours, Hist. VI, 36 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 307) wird von der Verbrennung der Ehebrecherin durch ihre Familie berichtet.

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

Tours gemäß einem Gottesurteil unterzogen, wodurch die Schuldfrage einer Klärung zugeführt werden sollte.109 Für die Zeit der merowingischen Herrschaft finden sich keine Belege, dass die Kirche Konkubinatsverbindungen vollständig ablehnend gegenüberstand. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sie geduldet wurden,110 vermutlich auch deshalb, weil die Kirche im frühen fränkischen Reich nicht einmal stark genug war, Konkubinate unter Klerikern ganz zu unterbinden.111 Das Konzil von Orléans (538) untersagte deshalb folgerichtig nur den Klerikerkonkubinat und ließ wie die übrigen Konzilien dieser Zeit den Konkubinat von Laien unerwähnt.112 Das weltliche salfränkische Recht war diesbezüglich von kirchlichen Vorgaben unbeeinflusst.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand 1. Stammesverschiedene Ehen Das salfränkische Recht knüpfte die Gültigkeit einer ehelichen Verbindung nicht an das Erfordernis gleicher Stammeszugehörigkeit.113 Vielmehr waren stammesverschiedene Ehen nicht nur zulässig, sondern wohl auch vielfach verbreitet, insbesondere im Adel. Die Lex Salica nimmt nicht zur Zulässigkeit stammesverschiedener Ehen Stellung. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich die Lex Salica sowohl an Franken als auch an Romanen richtete. Eine Unterscheidung zwischen beiden Volksgruppen wurde aber gleichwohl in einzelnen Vorschriften noch vorgenommen. Dabei ist festzustellen, dass die Franken als gesellschaftlich höherwertig angesehen werden als Romanen, was sich vornehmlich bei der Höhe zu leistender Bußen zeigt.114 Dennoch waren aber stammesverschiede Ehen zulässig. Trotz 109 Gregor von Tours, Liber in Gloria Martyrum, c. 69 (MGH SS rer. Mer. 1/2, 84 f.); vgl. näher Esmyol, 59. 110 Wenn auch einzelne Kirchenlehrer vehement gegen den Konkubinat votierten – so Caesarius von Arles, Sermo 32, c. 4 (Sermons au peuple, 164 ff.); Caesarius von Arles, Sermo 42, c. 5 (Sermons au peuple, 304 ff.), der sowohl voreheliche als auch nebeneheliche Konkubinate als adulterium einstufte; Esmyol, 78. 111 Darauf deutet jedenfalls ein Bericht des Bonifatius hin – Bonifatius, Ep. 50 (MGH Epp. 3, 300); Wemple4, 40 f. u. Fn. 74. 112 Concilium Aurelianense (538), c. 10 (9) (MGH Conc. 1, 76); Esmyol, 88; erst ab 600 wurde der entsprechende Beschluss des ersten Konzils von Toledo (400), Concilium Toletanum (400), c. 17 (Concilios Visigóticos, 24), der nebeneheliche Konkubinate verbot, in Kanonessammlungen der Kirche aufgenommen, ohne dass dies bereits zu einer einheitlichen Haltung der Kirche geführt hätte – Esmyol, 89 f. m.w. N. 113 Im Ergebnis ebenso Grahn-Hoek, in: SZ (GA) 121, 107 f., 151 f. 114 PLS 14 §§ 2, 3, entspricht LS 15 §§ 2, 3; PLS 41 §§ 8–10, entspricht LS 43, §§ 6–8; PLS 71 § 1; für die Tötung eines Römers waren 100 solidi fällig (PLS 41 § 9); für die Tötung eines freien Franken 200 solidi (PLS 41 § 1).

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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der in der Lex Salica bekannten Differenzierung zwischen Franken und Romanen findet sich keine Vorschrift, die stammesverschiedene Ehen untersagt. Zudem liefern alleine die Berichte über die Herkunft merowingischer Königinnen Belege für die Zulässigkeit gemischtnationaler Ehen. Chlodwig und Theuderich I. heirateten burgundische Prinzessinnen.115 Ewig führt zudem aus thüringischem (Radegund/Chlotar I.), langobardischem (Wisigard/Theudebert I.) und westgotischem (Brunichild/Sigibert I.) Adel stammende Ehefrauen der merowingischen Herrscher auf.116 Aus dem romanischen Bevölkerungsteil stammte Deoteria, die Theudebert I. gemäß der Überlieferung Gregors von Tours im Jahre 534 aus dem Konkubinat in eine vollgültige Ehe führte.117 Das salfränkische Recht wich hinsichtlich der Ehevoraussetzung der Stammeszugehörigkeit vom römischen Recht ab, weil keinerlei Einschränkung für Eheschließungen aufgrund verschiedener Stammeszugehörigkeit ersichtlich ist. Möglich ist, dass dies den tatsächlichen Gegebenheiten im jungen fränkischen Reich geschuldet war und den sozialen Frieden fördern sollte. 2. Inzestverbot Das Inzestverbot der Lex Salica findet sich in PLS 13 § 11.118 Mit Ubl ist als Urheber des salfränkischen Inzestverbots König Chilperich I. anzusehen, wobei eine Entstehung des Titels um 575 anzunehmen sein dürfte.119 Nach dem fränkischen Inzestverbot waren Ehen mit der Schwester, der Nichte, der Cousine und der Schwägerin sowie mit der Frau des Onkels untersagt.120 Als Rechtsfolge sieht die Norm die Trennung der in inzestuöser Ehe verbundenen Partner vor. Darüber hinaus waren die aus einer derartigen Verbindung hervorgegangenen Kinder infam, d. h. nicht legitim und von der Erbfolge ausgeschlossen.121 Damit weist das Inzestverbot der Lex Salica deutlich römischrechtliche Prägung auf, die durch ein weiteres, aus dem mosaischen Recht entlehntes Eheverbot ergänzt wird.122 Deutlichstes Merkmal für die römische Prägung des Inzest115 Gregor von Tours, Hist. III, 5, 6 zu Suavegotta (MGH SS rer. Mer. 1/1, 101, 103); Ewig, in: FmSt 8, 37, 39. 116 Ewig, in: FmSt 8, 39 ff. 117 Gregor von Tours, Hist. III, 22, 23 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 122, 123) – („. . . in matrimonio sociavit . . .“); Ewig, in: FmSt 8, 39 u. Fn. 132, der auf S. 39 weiter von Ehefrauen aus der gallorömischen Optimatenschicht berichtet; vgl. auch Grahn-Hoek, in: SZ (GA) 121, 122–151 m.w. N. unter eingehender Würdigung der Namensgebung als Kennzeichen der Mischehe, und 152. 118 Bzw. LS 14 § 16. 119 Ubl, 179 f. m.w. N. 120 PLS 13 § 11; LS 14 § 16; Ubl, 180. 121 PLS 13 § 11; LS 14 § 16. 122 Leviticus 18, 14 verbietet die Ehe mit der Frau des Onkels.

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

verbots ist die Strafe der infamia, da „die Infamie der Lex Salica als Rechtsinstitut unbekannt“ war und keine sonst übliche Geldbuße als Sanktion festgesetzt wurde.123 Zusätzlich weist bereits der Wortlaut der Norm deutlich auf das römische Vorbild hin: Das Verbot der Ehe mit der Nichte, der Cousine und der Schwägerin hat ein Gesetz der Kaiser Constantius II. und Constans von 342 als Vorlage,124 ergänzt durch das aus Leviticus 18, 14 entlehnte Verbot der Ehe mit der Frau des Onkels. Dies entspricht nahezu dem Wortlaut der im Breviarium Alaricianum enthaltenen interpretatio zur CTh 3, 12, 3 (396) und belegt die Benutzung des Breviars bei der Formulierung des Inzestverbots der Lex Salica.125 Weiter bestätigt findet sich diese Annahme dadurch, dass im salfränkischen Inzestverbot ebenso wie in der Lex Romana Visigothorum aufgrund eines Missverständnisses die Rechtsfolge der Infamie nicht die inzestuös verbundenen Ehegatten, sondern deren Kinder betraf.126 Der salfränkische Gesetzgeber übernahm offenkundig unkritisch diesen Fehler aus der als Vorbild herangezogenen interpretatio zu CTh 3, 12, 3 (396). Im Gegensatz zur umfangreichen westgotischen Kodifikation beließ es der fränkische König Chilperich I. aber bei dieser lediglich bruchstückhaften Kodifizierung des Inzestverbots, ohne die übrigen Verwandtschaftsgrade des römischen Rechts, insbesondere die der nächsten Blutsverwandtschaft, aufzuführen.127 Daraus kann indes nicht geschlossen werden, dass die in der Lex Salica nicht erwähnten, ins Breviar aber aufgenommenen Verwandtschaftsgrade nicht unter das salfränkische Inzestverbot fallen sollten. Vielmehr wurde das Verbot der Ehe mit diesen Nächstverwandten vorausgesetzt. Der rudimentäre Inhalt des Titels PLS 13 § 11 ist im Anschluss an Ubl plausibel damit zu erklären, dass hinter der Aufnahme dieses ausschließlich aus der römischrechtlichen Überlieferung entlehnten Vorbildes in die salfränkische Kodifikation eine Selbstinszenierung des fränkischen Königs Chilperich I. zu sehen ist, der sich „wie kein anderer Merowingerkönig der Nachahmung des römischen Kaisertums hin[gab]“.128 Fasst man die Aufnahme des salfränkischen Inzestverbots in die Lex Salica als eher symbolhafte Demonstration königlicher Macht und römischer Herrschertradition auf, lässt sich einerseits erklären, weshalb nicht wie beispielsweise im westgotischen Recht akribisch jeder unter das Inzestverbot fallende Verwandtschaftsgrad in der Kodifikation aufgeführt wurde. Andererseits 123

Ubl, 181. CTh 3, 12, 1 (342); die Infamiefolge ergibt sich dabei aus CTh 3, 12, 3 (396) = LRV CTh 3, 12, 2 mit IT. 125 PLS 13 § 11; LRV CTh 3, 12, 1; CTh 3, 12, 1 (342); zu kurz insoweit Ubl, 181, der CTh 3, 12, 3 (396) nicht ausdrücklich einführt. 126 LRV CTh 3, 12, 1; PLS 13 § 11 = LS 14 § 16; s. Ubl, 180, dort auch Fn. 292 und Zeumer, Gesetzgebung III, in: NA 24, 614 ff.; s. oben bereits Kapitel B. V. 1. b). 127 LRV GE 4; vgl. Ubl, 197 ff.; s. auch die ältere römische Rechtstradition zum Inzestverbot, v. a. Gai. Inst. I, 59 ff.; die Nichte ist in Gai. Inst. I, 63 noch ausdrücklich vom Inzestverbot ausgenommen; s. auch UE 5, 7; Kaser, RP I2, § 74 II 5 m.w. N. 128 Ubl, 181. 124

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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deutet dies auf eine fehlende Praxisrelevanz der Vorschrift hin.129 Auf fehlende Effektivität der Norm weist ferner die Tatsache hin, dass die Konzilien der merowingischen Zeit das Inzestverbot als noch regelungsbedürftig ansahen, das weltliche Recht hierzu also als unzureichend empfanden, sowie der Umstand, dass im ausgehenden 6. Jahrhundert nochmals gesetzgeberische Tätigkeit im Hinblick auf das Inzestverbot festzustellen ist, die mit einer Aktualisierung und Verschärfung der Rechtsfolgen einherging und zum Erlass der Decretio Childeberti unter König Childebert II. im Jahre 596 führte: Nachdem bereits das Konzil von Tours 567 mit umfangreicher Begründung die früheren Inzestverbote der burgundisch-fränkischen Konzilien bestätigt hatte,130 sahen sich die Bischöfe des fränkischen Reichs trotz Gültigkeit des Inzestverbots der Lex Salica dazu veranlasst, nach dem noch von Chilperich I. selbst einberufenen Konzil von Paris 577131 in weiteren Konzilsbeschlüssen in Lyon (583), Mâcon (585), Auxerre (nach 585) nochmals den Umfang des Inzestverbots zu erläutern und dessen Gültigkeit zu bekräftigen.132 Im Zuge der weiteren Normierung des Inzestverbots im fränkischen Reich durch die Decretio Childeberti wurde ausführlich die Reichweite des Inzestverbots festgelegt und bei der Ausgestaltung insbesondere bezüglich der Rechtsfolgen auf römisches Vorbild zurückgegriffen.133 In der Decretio Childeberti wurden die Inzestverbote aus dem römischen Recht übernommen, die zuvor über die Konzilien Eingang in die kirchliche Rechtsetzung des fränkischen Reichs gefunden hatten: Das Inzestverbot der Decretio Childeberti ging wohl von der römischen Verwandtschaftszählung, d. h. von einer Verwandtschaft bis zum sechsten Verwandtschaftsgrad aus und setzte das Verbot der Ehe unter diesen Blutsverwandten als bekannt voraus, indem diese nicht ausdrücklich genannt wurden, aber die Ehen mit Schwiegerverwandten denen mit Blutsverwandten gleichgestellt wurden.134 Darüber hinaus wurde in Decretio Childeberti, c. 2 die Ehe mit der Stiefmutter ausdrücklich verboten. 129 Ubl, 181; zur Praxisrelevanz der Lex Salica allgemein vgl. Nehlsen, Aktualität und Effektivität, in: Classen, 455–483; s. oben Kapitel E. vor I., Fn. 1. 130 Concilium Turonense, c. 22 (MGH Conc. 1, 131); vgl. Mikat, Inzestgesetzgebung, 50 ff. 131 Es handelte sich um eine Gerichtssynode, die über das Schicksal des Metropoliten von Rouen entscheiden sollte, der eine Ehe des Merowech mit seiner Tante Brunichild gebilligt hatte; vgl. Gregor von Tours, Hist. V, 18 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 216); Mikat, Inzestgesetzgebung, 128 f.; Chilperich I. ließ seinen Sohn Merowech daraufhin zwangsweise zum Priester weihen – s. Saar, Ehe, 270. 132 Conc. Lugdunense (583), c. 4 (MGH Conc. 1, 154); Conc. Matisconense (585), c. 18 (MGH Conc. 1, 171); Conc. Arvernense (584) (MGH Conc. 1, 177 f.); Ubl, 165 ff.; Mikat, Inzestgesetzgebung, 128 ff.; zum Einfluss des römischen Rechts und der Bibel auf c. 18 des Konzils von Mâcon (585) s. Mikat, Inzestgesetzgebung, 130 f. 133 Dies ist u. a. maßgeblich auf den Einfluss des juristischen Beraters des Königs Childebert II., Asclepiodotus, zurückzuführen, welcher dem gallorömischen Senatorenadel entstammte und profunder Kenner des römischen Rechts war – Ubl, 182. 134 Decretio Childeberti, c. 2 (MGH Capit. 1, 15); Ubl, 185 m.w. N. in Fn. 314.

168

E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

Der Einfluss des römischen Rechts zeigt sich in der Anpassung der Rechtsfolgen bei Verstoß gegen das Inzestverbot.135 Das Missverständnis bezüglich der Infamie aus PLS 13 § 11 wurde beseitigt, indem die Infamie die Eheleute traf und diese vom Hofdienst ausschloss. Die inzestuöse Ehe war darüber hinaus durch den Bischof zu trennen und als zusätzliche Sanktion wurde das Vermögen der Eheleute konfisziert und den Verwandten zugesprochen. Die Ehe mit der Stiefmutter wurde sogar kapital bestraft.136 Wie Ubl zutreffend aufzeigt, weist die Neufassung des salfränkischen Inzestverbots in Bezug auf die Sanktionen sowohl alttestamentarischen 137 als auch römischrechtlichen Einfluss auf, wobei die römischen Institute den aktuellen praktischen Bedürfnissen im fränkischen Reich z. B. dadurch angepasst wurden, dass der Vollzug der Trennung und der Infamie im Gegensatz zum römischen Vorbild und PLS 13 § 11 kirchlichen Autoritäten oblag.138 Das salfränkische Inzestverbot zeigt also einerseits, dass fränkische Herrscher aus machtpolitischen Gesichtspunkten auf römisches Recht rekurrierten, um die eigene Position zu stärken. Andererseits lässt sich am Beispiel des Inzestverbots ein sich gegen Ende des 6. und Beginn des 7. Jahrhunderts verstärkender Einfluss des römischen Rechts belegen, der mit der Anpassung des geschriebenen salfränkischen Rechts an die Bedürfnisse der sozialen Wirklichkeit einherging. 3. Eheverbote aufgrund personenrechtlichen Status a) Sklaven Sklaven, von denen es im fränkischen Reich eine große Anzahl gab,139 waren nicht ehefähig. Ihre Rechtsstellung entsprach in dieser Hinsicht derjenigen des 135 In PLS 13 § 11 Trennung und Infamiefolge, welche aufgrund eines Missverständnisses die Kinder traf. 136 Decretio Childeberti, c. 2 (MGH Capit. 1, 15); „Diese Straffolgen wurden dreißig Jahre später auf dem Konzil von Clichy (626/627) wiederholt und konkretisiert“, Ubl, 184 (s. auch 183/185); Concilium Clippiacense (626/27), c. 10 (MGH Conc. 1, 198). 137 Inzest mit der Stiefmutter wurde kapital bestraft: Leviticus 20, 11; Ubl, 183; s. auch Mikat, Inzestgesetzgebung, 136. 138 Ubl, 184. 139 Hierüber gibt alleine schon die große Anzahl von Vorschriften Aufschluss, die das Sklavenrecht behandeln – PLS 10 §§ 1–7; PLS 13 §§ 8, 9; PLS 25 §§ 1–7; PLS 26 § 2; PLS 27; PLS 35 §§ 1–4, 6–9; PLS 39 §§ 1–2; PLS 47 § 1; die zumeist verwendete lateinische Bezeichnung servus bzw. ancilla hat eine fränkisch-volkssprachliche Entsprechung in theo bzw. theu (thiu); zu allem s. Nehlsen, Sklavenrecht, 261 u. Fn. 61; vgl. hierzu auch Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 374 f. m.w. N.; Unfreie im Dienste des Königs wurden als gegenüber anderen Unfreien höherwertig angesehen und als puella ad ministerium bzw. männlich vassus ad ministerium bezeichnet – fränk.: ambahtunia/horago; vgl. PLS 35 § 9; s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und Frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 364 ff. u. 373 jeweils m.w. N.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

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römischen Rechts ebenso wie derjenigen in anderen Rechten germanischer Völker. In der Lex Salica werden Verbindungen von Sklaven untereinander bzw. zwischen Sklaven und Freien behandelt und mit dem Begriff coniugium bezeichnet, der im überlieferten römischen Recht zur Bezeichnung einer legitimen Ehe diente.140 Mit Nehlsen „. . . darf man . . . aus der Verwendung dieses Terminus . . . nicht folgern, daß derartige Verbindungen den Schutz legitimer Ehen genossen.“ 141 Vielmehr bezeichnete die Lex Salica mit dem Begriff coniugium eine Verbindung, die ihrem Wesen nach dem römischen contubernium entsprach.142 Aus der fehlenden Anerkennung des „coniugium“ zwischen Freien und Sklaven ergaben sich folgende Konsequenzen: Die freiwillige Verbindung der freien Frau mit einem fremden Sklaven zog den Freiheitsverlust der Frau nach sich,143 eine nach römischem und römisch beeinflusstem Recht regelmäßig eintretende Folge einer Verbindung einer Freien mit einem fremden Unfreien.144 Wesentlich härter und dadurch in den Rechtsfolgen dem römischen Recht nahezu angeglichen wurde die Verbindung der freien Frau mit ihrem eigenen Sklaven geahndet: In diesem Falle wurde das gesamte Vermögen der Frau eingezogen und diese friedlos.145 Ihre Verwandten durften sie straflos töten; der betroffene Sklave wurde auf das Rad geflochten.146 Wie Nehlsen zutreffend aufzeigt, besteht inhaltlich eine enge Verwandtschaft mit römischen Vorbildnormen, die ebenfalls die Verbindung mit dem eigenen Sklaven mit dem Tode bestrafen, so dass die „Übernahme römischer Rechtsvorstellungen seitens der Franken also unverkennbar“ ist.147 Ein freier Mann, der sich mit einer fremden Sklavin ohne Einverständnis ihres Herrn verband, wurde mit Freiheitsverlust bestraft.148 Die Lex Salica ahndete diesen Eingriff des freien Mannes in fremdes Herrenrecht ungewöhnlich scharf; 140 PLS 13 § 9; LS 14 § 11; PLS 25 §§ 3, 4, 7; LS 27 §§ 3, 4, 7; PLS Cap. (98), 1; s. Esmyol, 127 m.w. N. 141 Nehlsen, Sklavenrecht, 271. 142 In der Lex Salica wird der Begriff contubernium in PLS 43 § 3 auch zur Bezeichnung einer Bande von Wegelagerern, d. h. mit gänzlich anderer Bedeutung verwendet – s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/ Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 369. 143 PLS 25 § 4 = LS 27 § 6; s. Nehlsen, Sklavenrecht, 306, 310. 144 s. Seebold, in: PBB 132, 367; gleichwohl wurden entgegen der römischen Tradition in LB 35 § 2 und Edictum Rothari, c. 221 die freie Frau und der fremde Sklave mit dem Tode bedroht; Nehlsen, Sklavenrecht, 307 u. Fn. 268; in LB 35 § 2 und im langobardischen Recht fehlte daher die aus der römischen Rechtstradition herrührende Differenzierung zwischen Verbindungen mit eigenem oder fremdem Sklaven. 145 PLS Cap. III 98 § 1. 146 PLS Cap. III 98 § 2. 147 CTh 9, 9, 1 (326) = LRV CTh 9, 6, 1; Nov. Anth. 1 (468); vgl. auch LV 3, 2, 2 (Antiqua); Nehlsen, Sklavenrecht, 310. 148 PLS 25 § 3; LS 27 § 3.

170

E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

in anderen Leges sowie im römischen Recht verblieb dem Mann der Status des Freien, wenngleich an den verletzten Herrn der Sklavin eine Bußzahlung zu leisten war.149 Die harte Sanktionierung der ungenehmigten Verbindung zwischen freiem Mann und fremder Sklavin könnte mit großer praktischer Bedeutung der Sklaven für das Wirtschaftsleben im fränkischen Reich zu erklären sein. Wesentlich unproblematischer war die Verbindung des freien Mannes mit seiner eigenen Sklavin. Dies war als Ausdruck des Herrenrechts über die Sklavin straflos möglich, wenn auch zunächst nicht als legitime Ehe anerkannt. Allerdings konnte mit eigenen Sklavinnen ein außer- oder nebenehlicher Konkubinat unterhalten werden, wie die Berichte über die Konkubinen der fränkischen Könige zeigen.150 Jedoch deutet ein Kapitular zur Lex Salica darauf hin, dass der fränkische König eine Verbindung mit der eigenen Unfreien nachträglich einer Ehe zwischen Freien gleichstellte, da in PLS Cap. III 100 § 4 Regelungen über die Dosbestellung bei Wiederheirat nach Verwitwung getroffen worden sind.151 b) Standesunterschiede Wie die Gesellschaft der übrigen behandelten Völkerschaften war auch die merowingisch-fränkische Gesellschaft ständisch gegliedert. In den Vorschriften der Lex Salica spiegelt sich die ständische Gliederung in Ansätzen wider: Die Lex Salica weist die in der Spätantike bekannte Dreiteilung innerhalb der Schicht der Freien in eine adlige Führungsschicht – optimates –, ferner Freigeborene – homines ingenui bzw. leodes – und schließlich „Halbfreie“ auf. Die Normen der Lex Salica weisen darauf hin, dass innerhalb der jeweiligen Schicht verschiedene soziale Gruppierungen existierten, die sich an der gesellschaftlichen Funktion orientierten.152 Außer dem König wird in der Lex Salica aus der adligen Führungsschicht der ,Graf‘ – grafio – genannt,153 bei dem es sich um den Führer einer Heeresabteilung handelte; ferner findet in PLS 54 § 2 der obgrafio, ein dem grafio unterstellter Gefolgsmann, Erwähnung.154

149 Im burgundischen Recht war eine Abgeltung ebenfalls nicht ausreichend, sondern zog den Verlust der Freizügigkeit nach sich – LRB 37 § 6; s. oben Kapitel D. V. 3. a). 150 Hierzu Esmyol, 57; vgl. auch oben Kapitel E. IV. 1. 151 PLS Cap. III 100 § 3; s. Bradley, 84; im Ergebnis ähnlich Grahn-Hoek, in: SZ (GA) 121, 110 m.w. N. 152 Diese Differenzierung nimmt auch Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 362, vor. 153 Zu diesem frankolateinischen Begriff s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 361; vgl. ferner Hechberger, in: HRG 22, 510 ff. 154 PLS 54 §§ 1, 2 u. 4 = LS 56 §§ 1–3; die Vorschrift behandelt die Tötung eines grafio bzw. obgrafio; s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 361 u. 380.

V. Conubium/Eheverbote gemäß dem Personenstand

171

Der freigeborene, nicht adlige Mann, der zumeist Grundbesitzer war und Heeresfolge leisten musste, wurde fränkisch als leod bezeichnet.155 Schließlich existierte im salfränkischen Recht wie in anderen spätantiken Germanenreichen eine Schicht von „Halbfreien“ mit im Gegensatz zu den übrigen Freien gemindertem Rechtsstatus, der sich im Gesetzestext vornehmlich in geminderten Wergeldsätzen niederschlug. Die „Halbfreien“ werden in der Lex Salica mit dem frankolateinischen Begriff leti bezeichnet und waren rechtlich den Freigelassenen gleichgestellt.156 Die Wergeldsätze bieten schließlich Aufschluss darüber, dass auch die Romanen, die oft Grundbesitzer waren, innerhalb der Gesellschaft den leti zugerechnet wurden und aufgrund des den leti gleichen Wergeldsatzes einen geringeren sozialen Wert hatten als die freien Franken.157 Dennoch scheinen zwischen den erwähnten Gesellschaftsschichten im merowingisch-fränkischen Reich keine strengen Heiratsschranke bestanden zu haben. Soziale Aufstiegsmöglichkeiten durch eine Durchlässigkeit der Schichten, wohl namentlich durch Aufstieg aus der Schicht der leti bzw. liberti, waren für Frauen in nicht geringem Umfang gegeben.158 Davon zeugen zahlreiche Berichte erzählender Quellen über Eheschließungen merowingischer Herrscher oder Adliger mit Frauen aus niederen Gesellschaftsschichten,159 wobei die Eheschließung mit der gesellschaftlich niederstehenden Frau nicht ausschließlich Ausdruck herrscherlicher Willkür, sondern auch einer hohen gesellschaftlichen Toleranz gegenüber derartigen Verbindungen als matrimonium legitimum sein dürfte. Nach Saar gilt die Konstellation der Ehe zwischen standesungleichen Partnern im fränkischen Reich „geradezu als Kennzeichen adliger Ehen“ 160 und bildete dabei ein „Instrument sozialen Aufstiegs.“ 161 Die Herrscher Guntchram und Chilperich I. nahmen z. B. eine ehemalige Sklavin bzw. eine Konkubine standesniederer Her-

155 Z. B. PLS 54 §§ 6–7; die lateinische Bezeichnung ist schlicht dominus – PLS 36 oder homo ingenuus – PLS 25 § 8; die weibliche Entsprechung ist leodinia (malb.) bzw. femina ingenua – PLS 24 § 8; s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 376 f. m.w. N. 156 Das ergibt sich aus PLS 26 = LS 28; das Wergeld eines letus oder libertus belief sich auf die Hälfte des regulären Freienwergelds, d. h. auf 100 solidi – Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 380 unter Hinweis auf PLS (add.) 117 § 1; PLS 13 § 7 und PLS 42 § 4; vgl. auch Hägermann/Hedwig, in: LexMA 5, 2016 f.; das Wergeld für leti oder liberti entsprach somit dem eines freien Römers. 157 PLS 41 §§ 8–10 = LS 43 §§ 6–8; s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und Frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 382. 158 s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 382; Wemple4, 51. 159 Z. B. Charibert I., der die Weberstöchter Merofled und Marcoveifa ehelichte – Gregor von Tours, Hist. IV, 26 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 157–159). 160 Saar, Ehe, 236. 161 Saar, Ehe, 237.

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

kunft zur Ehefrau.162 Da sehr wahrscheinlich ist, dass z. B. die Weberstöchter Merofled und Marcoveifa – die Ehefrauen Chariberts I. wurden – den leti entstammten, lassen sich die genannten Beispiele als Belege dafür anführen, dass den Halbfreien auf diese Weise ein sozialer Aufstieg möglich war. Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu betrachten sind die Berichte über Eheschließungen mit den Romanen, die der Schicht der leti zuzuordnen waren.163 Auch die vermögensrechtliche Regelung zur Dosbestellung bei erneuter Verheiratung der verwitweten Halbfreien zeigt, dass eine Ehe zwischen Freien und leti möglich und anerkannt war.164 Eheschließungen zwischen Franken und Romanen vermögen daher zugleich als Beleg für die Zulässigkeit stammesverschiedener sowie für die Zulässigkeit standesverschiedener Ehen zu dienen. Das salfränkische Recht wich demzufolge deutlich vom römischen Recht sowie den anderen behandelten Leges ab, da dort strikt für die Einhaltung der Standesschranken Sorge getragen wurde. 4. Religiös beeinflusste Eheverbote Über religiös beeinflusste Eheverbote bietet die Lex Salica keinen Aufschluss. Dies mag sich damit erklären lassen, dass zum Zeitpunkt der Abfassung der Lex Salica der christliche Glaube im fränkischen Reich noch zu wenig Einfluss hatte, um sich deutlich im Inhalt der Rechtsnormen der Lex Salica niederzuschlagen. Anhaltspunkte für kirchlichen Einfluss auf das Eherecht finden sich in den merowingisch-fränkischen Konzilien des 6. Jahrhunderts, die sich mit Ehen von Geistlichen beschäftigen. Dabei zeigt sich, dass im 6. Jahrhundert im fränkischen Reich Kleriker heiraten konnten.165 Konzilsbeschlüsse der fränkischen Kirche zeigen sogar, dass weibliche Formen der Amtsbezeichnungen – diaconissa, presbyteria, episcopia – der Geistlichen existierten, die als Ehrenbezeichnung für Frauen verwendet wurden.166

162 Gregor von Tours, Hist. IV, 25 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 156); Fredegar, Chron. III, 56 (MGH SS rer. Mer. 2, 108); Gregor von Tours, Hist. IV, 28, IX, 34 (MGH SS rer. Mer. 1/1 160, 454); vgl. Wemple4, 56 f. 163 Z. B. Gregor von Tours, Hist. III, 22, 23 (MGH SS rer. Mer. 1/1, 122, 123); vgl. oben Kapitel E. vor I. Fn. 3. 164 PLS Cap. III 100 § 4; vgl. Bradley, 84. 165 Concilium Epaonense (517), c. 2 (MGH Conc. 1, 19); Concilium Arelatense (524), c. 3 (MGH Conc. 1, 37); Concilium Aurelianense (541), c. 10 (MGH Conc. 1, 89); vgl. Wemple4, 131 ff. 166 Concilium Turonense (567), c. 20 (MGH Conc. 1, 128); Concilium Turonense (567), c. 14 (MGH Conc. 1, 125); Wemple4, 133; in den genannten canones des Konzils kommt allerdings deutlich zum Ausdruck, dass Ehen von Klerikern in der fränkischen Kirche unerwünscht waren.

VI. Wiederverheiratung

173

Die fränkische Kirche sah aber dennoch verheiratete Kleriker als Problem an und verfolgte deshalb das Ziel, durch entsprechende kirchliche Rechtsetzung die Heiratsmöglichkeiten der Kleriker abzuschaffen bzw. jedenfalls zu erschweren. So wurde verheirateten Klerikern durch das Konzil von Orléans 541 Mäßigung im ehelichen Umgang auferlegt und bestimmt, dass die Ehegatten in getrennten Räumen schlafen mussten.167 Weitere canones späterer merowingisch-fränkischer Konzilien zeigen eine weitere Verschärfung, indem den Ehefrauen der Kleriker der Umgang mit ihrem Mann lediglich in Gesellschaft von Dienerinnen oder Geistlicher gestattet war.168 In karolingischer Zeit wurde das Eheverbot der Geistlichen dann in großem Umfang durchgesetzt, um den Klerus zölibatär auszurichten.169

VI. Wiederverheiratung 1. Wiederverheiratung nach Scheidung Das überlieferte Recht der Lex Salica bezieht zur Frage der Wiederheirat Geschiedener keine Stellung. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte wird mit der vielfach vertretenen Auffassung davon auszugehen sein, dass nach der Auflösung einer Ehe durch Scheidung einer Wiederheirat im frühmittelalterlichen fränkischen Reich nichts im Wege stand.170 Es dürfte aber weiter anzunehmen sein, dass dies nur auf die Fälle der berechtigten Scheidung zutraf und im Falle einer unberechtigt betriebenen Scheidung ein Ehehindernis bestand.171 Eine Tendenz, die Möglichkeiten der Wiederheirat nach Scheidung zu reglementieren, ohne sie vollständig auszuschließen, findet sich erst in karolingischer Zeit. In der Zeit zwischen 741 und 768 ergingen entsprechende restriktivere Regelungen der karolingischen Herrscher, in denen sich die ältere kirchliche, kritische Einstellung zur Wiederheirat Geschiedener in der weltlichen Rechtsetzung niederschlug.172 Concilium Aurelianense (541), c. 17 (MGH Conc. 1, 91); Wemple4, 133. Concilium Turonense (567), c. 13 (12) (MGH Conc. 1, 125); Concilium Matisconense (581–583), c. 3 (MGH Conc. 1, 156) bestimmte, dass seine Frau das Schlafzimmer eines Bischofs lediglich in Begleitung zweier Priester oder zweier Diakone betreten durfte, um jedem Anschein der Verwerflichkeit zu begegnen; vgl. Wemple4, 133. 169 Vgl. z. B. Concilium Germanicum (742), c. 7 (MGH Conc. 2/1), 4); Concilium Suessionense (744), c. 8 (MGH Conc. 2/1, 35); Concilia Rispacense, Frisingense, Salisburgense (800), c. 17 (MGH Conc. 2/1, 210); Concilium Moguntinense (813), c. 49 (MGH Conc. 2/1, 272); vgl. Wemple4, 143 f. m.w. N. in Anm. 93–97. 170 Z. B. Ganshof, in: La Femme II, 33; Mikat, Ehe, in: HRG 1, 826; Schulze, Eherecht, in: RGA 6, 494 und Saar, Ehe, 357 Fn. 4 m.w. N. 171 Vgl. z. B. LRV CTh 3, 16, 2; s. auch CTh 3, 16, 2 (421), die so eine Regelung nahelegen. 172 Saar, Ehe, 371 ff. m.w. N.; maßgeblich beeinflusst wurde dies durch das Wirken des Bonifatius, das u. a. Niederschlag in einem canon des Konzils von Soissons fand – Concilium Suessionense (744), c. 9 (MGH Conc. aevi Karol. 2/1, 35); Wemple4, 77. 167 168

174

E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

2. Wiederverheiratung der Witwe Die Wiederverheiratung der Witwe findet sich in der Lex Salica im bereits teilweise behandelten Titel PLS 44 geregelt.173 Der Brautwerber musste, um die verwitwete Frau ehelichen zu können, vor der Gerichtsstätte den reipus in Höhe von 3 1/2 solidi an die empfangsberechtigten Verwandten des verstorbenen Mannes entrichten.174 Dass der reipus an die Verwandten des verstorbenen Mannes zu leisten war,175 ist damit zu erklären, dass diese nach dem Tode des Mannes das mundium über die Frau ausübten, weil die Frau mit der Hochzeit aus der Hausgewalt ihrer eigenen Familie in die Hausgewalt der Familie ihres Bräutigams übergetreten war.176 Damit zeigt sich, dass die fränkische Witwe – wie jede heiratswillige fränkische Frau – für die Eheschließung auf eine Zustimmung der Verwandten angewiesen war.177 Die Empfangsberechtigten der reipus-Zahlung und damit diejenigen, die wirksam die Zustimmung zur Wiederheirat der Witwe erteilen konnten, waren der detaillierten Aufzählung in PLS 44 zufolge matrilineare Verwandte des verstorbenen Mannes.178 Indem der salfränkische Gesetzgeber die in der Erbfolge der patrilinearen Verwandtschaft nachgeordnete matrilineare Verwandtschaft als Zustimmungsberechtigte für die Wiederheirat der Witwe benannte, löste er den möglichen Interessenkonflikt auf, der sich aus dem Interesse der erbberechtigten Verwandtschaft ergeben konnte, die der Frau bei ihrer ersten Eheschließung bestellte dos zu erlangen, und das deshalb dem Interesse der Witwe an einer Wiederheirat entgegenstehen konnte.179 Nachdem die Norm zunächst novelliert worden war,180

173

PLS 44 = LS 46. PLS 44 = LS 46. 175 So die heute h. M., die insbesondere auf Brunner zurückzuführen ist und die Auffassung widerlegt, in dem Titel komme das Prinzip der Matrilinearität zum Ausdruck; vgl. Brunner, De reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 68 ff.; und z. B. Saar, Ehe, 344 und Ubl, 79 ff. jeweils m.w. N.; a. A., nach der es sich bei den reipusEmpfängern sowohl um Verwandte der Frau als auch des verstorbenen Mannes handelte z. B. Waitz, 111 f. m. Fn. 3; Weinhold, in: ZDA 7, 539 f.; offen gelassen bei Schröder/ von Künßberg7, 333; Müller-Lindenlauf, 224, 230; Schmidt-Wiegand, Reipus, in: HRG 4, 850. 176 Saar, Ehe, 344. 177 s. Saar, Ehe, 346 f. m.w. N. 178 PLS 44 = LS 46. 179 Auf das römisch-rechtliche Vorbild dieser Lösung, CTh 3, 7, 1 (371), wurde bereits hingewiesen; vgl. weiter Ubl, 80 f.; Saar, Ehe, 344 f.; Brunner, De reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 75 ff.; Mikat, Inzestgesetzgebung, 72. 180 PLS 100 §§ 1–4; dort wird das Erbrecht an der dos unter Berücksichtigung der Frage geregelt, ob die Witwe kinderlos war – s. Mikat, Inzestgesetzgebung, 72; Brunner, De Reipus, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 76; Schröder/von Künßberg7, 333; Wemple4, 44 u. 47; Schmidt-Wiegand, Reipus, in: HRG 4, 850; Saar, Ehe, 346 m. Fn. 1. 174

VII. Zusammenfassung

175

wurden die Vorschriften über die Reifgeld-Zahlung „durch gewohnheitsrechtliche Überlagerung“ 181 obsolet.182 Die Lex Salica in ihrer merowingischen Fassung behandelt die Frage nicht, ob die verwitwete Frau eine Trauerzeit einhalten musste, bevor sie zu einer neuen Ehe schreiten durfte. Ein karolingisches Gesetz von 818/819 bezieht aber zu dieser Frage Stellung und ordnet eine Geldbuße in Höhe von 180 solidi an, wenn ein Mann eine Witwe innerhalb der ersten 30 Tage ihrer Witwenschaft zur Frau nahm.183 Diese Regelung lässt eine Herkunft aus älterem salfränkischem Gewohnheitsrecht vermuten. Anders lässt sich die kurze Frist nicht plausibel erklären. Beruhte die 30-Tage-Frist nicht auf hergebrachter fränkischer Rechtstradition, wäre eine Übernahme des römischen Trauerjahres zu erwarten gewesen, da dieser Rechtsgrundsatz seine Aufnahme auch in die Kodifikationen anderer germanischer Völker fand.184

VII. Zusammenfassung Das salfränkische Recht ist dasjenige der behandelten Leges, das am meisten den Eindruck einer eigenen, ursprünglichen Prägung des Rechts vermittelt und sich als am wenigsten vom römischen Recht durchdrungen zeigt. Gleichzeitig ist aber römischer Einfluss durchaus in nicht geringem Umfang feststellbar. Dem salfränkischen Gewohnheitsrecht zuzuordnen ist zunächst das Erfordernis der Brautpreiszahlung zur Ablösung der Hausgewalt der Brautfamilie. Hierbei zeigt sich eine Verwandtschaft zum burgundischen Recht, das sich ebenfalls Rudimente eines Brautkaufes bewahrte. Archaisch mutet auch die Tatsache an, dass eine durch Raub oder Entführung begründete Ehe nachträgliche Legitimation erfahren konnte, wenn eine Bußzahlung an die Brautfamilie geleistet und damit die Verletzung der Hausgewalt ausgeglichen wurde. In dieser Hinsicht zeigt sich das salfränkische Recht wesentlich toleranter als das spätantike römische Recht und andere Leges. Germanischer Rechts- und Gesellschaftstradition entspricht auch die Anerkennung der Mehrehe, die der Überlieferung zufolge vielfach – neben Konkubinaten – von den merowingischen Herrschern praktiziert wurde und in klarem Gegensatz zur römischen Rechtstradition stand. Weiter ist die liberale Haltung bezüglich der Ehevoraussetzung des conubium auffällig, die im salfränkischen Recht zutage tritt. Es finden sich weder Anhaltspunkte dafür, dass Angehörige verschiedener Stämme kein gemeinsames conubium hatten, noch dafür, dass strenge Heiratsschranken zwischen den Angehöri181

Saar, Ehe, 346. LS Cap. Leg. Add. 818/819, c. 8; hierzu bereits oben Kapitel E. III. 2. 183 LS Cap. Leg. Add. 818/819, c. 4. 184 Vgl. CTh 3, 8, 1 (381); LRV CTh 3, 8; LV 3, I, 4 (Reccesvinth), LV 3, 2, 1 (Antiqua); LB 24 § 1; LRB 16 §§ 1, 2. 182

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E. Ehevoraussetzungen nach dem salfränkischen Recht

gen verschiedener Gesellschaftsschichten bestanden. Dies ist deshalb besonders auffällig, weil die merowingische Gesellschaft wie die übrigen spätantiken Gesellschaftssysteme Standesunterschiede und eine ständische Gliederung aufwies. Dass durch Heirat ein sozialer Aufstieg möglich war, unterscheidet das salfränkische Eherecht von anderen germanischen Rechten und dem römischen Recht. Trotz der feststellbaren salfränkischen Eigenheiten ist in der Lex Salica teilweise bereits deutlicher römischrechtlicher Einfluss auszumachen. Anzuführen sind hierbei insbesondere der Titel PLS 44, dessen materieller Inhalt zwar dem salfränkischen Gewohnheitsrecht zuzuordnen ist, der aber in seiner Ausgestaltung auf die theodosianische Vorbildnorm CTh 3, 7, 1 (371) hinweist. Deutlichen römischrechtlichen Einfluss weist ferner das salfränkische Inzestverbot auf, welches auf CTh 3, 12, 1 (342) zurückgreift. In PLS 13 § 11 zeigt sich darüber hinaus das Bestreben des merowingischen Königs, sich – wie andere germanische Herrscher auch – als starker und in der römischen Tradition stehender Gesetzgeber zu inszenieren. Schließlich zeigt auch die salfränkische Rechtslage im Hinblick auf die Ehescheidung römischen bzw. römisch-burgundischen Einfluss, da nach salfränkischem Recht eine Scheidung durch Konsens möglich war, was nicht germanischer Rechtstradition entsprach. Im Laufe der Zeit fanden in größerem Umfang weitere römische Rechtsgedanken Aufnahme in das salfränkische Recht, die oftmals durch christliches Gedankengut ergänzt wurden, da der Einfluss der Kirche im fränkischen Reich stetig zunahm. Hierzu sind die Abschaffung der reipus-Zahlung in karolingischer Zeit ebenso zu rechnen wie die Einführung der Kapitalstrafe für den Brautraub. Auch nach dem Erlass der Lex Salica nahm die Rezeption römischen Rechts im salfränkischen Reich ihren Fortgang und führte immer wieder zu Anpassungen und Angleichungen des Rechts an römisch-christliche Rechtsvorstellungen.

F. Vulgarrecht in den Leges? Nach der Darstellung des materiellen Inhalts des Rechts der Ehevoraussetzungen der Leges soll nun anhand der zuvor gefundenen Ergebnisse untersucht werden, ob sich in den behandelten Kodifikationen Elemente finden, die als vulgarrechtlich gelten können. Hierbei sind zunächst diejenigen Einflüsse auszuscheiden, die auf die Entwicklung des römischen Rechts seit der Klassik wirkten, aber nicht zum Vulgarrecht gerechnet werden.1 Sodann sind vulgarrechtliche Charakteristika in den Leges aufzuzeigen und darauf zu untersuchen, ob sie mit materiellrechtlichen Veränderungen einhergehen, um im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand des Rechts der Ehevoraussetzungen in der Lage zu sein, zu beurteilen, ob die behandelten Kodifikationen als Quellen des Vulgarrechts angesehen werden können. Von der Behandlung der Frage rhetorischen Einflusses auf die Leges wird abgesehen, da einerseits zweifelhaft ist, ob dieser überhaupt eine nennenswerte Größe in den Leges darstellt, andererseits eine dezidierte Auseinandersetzung mit diesem Thema den hier vorgegebenen Rahmen sprengen würde.2

I. Einflüsse außerhalb des Vulgarrechts 1. Germanische Einflüsse In den Leges finden sich nur bezüglich einiger Punkte deutliche Anzeichen für genuin germanische Einflüsse: a) Wergeldsystem Als spezifisch germanisch ist das Wergeldsystem der Leges einzustufen, das in der Lex Burgundionum und der Lex Salica einen der wichtigsten Bestandteile des Strafen- und Bußsystems bildet.3 Das Wergeld war ursprünglich die Zahlung, s. hierzu oben Kapitel A. II. und z. B. Kaser, RP II2, § 193 III 2 b); vgl. auch Levy, Vulgarrecht, 12. 2 Rhetorischer Einfluss dürfte allenfalls in rezipierten Normen der Kaisergesetzgebung festzustellen sein, insoweit sei auf die eingehende Darstellung von Voß, insbes. 15 ff. sowie auf Ries, 167, 174 ff., 186 ff., 196 ff., 212 ff. verwiesen. 3 Auch die Lex Visigothorum kennt das Wergeld – s. insoweit LV 3, 4, 17 (Antiqua); auch hier nicht behandelte Leges bauen ihr Bußsystem auf dem Wergeldsystem auf – vgl. z. B. das langobardische Recht, s. u. a. Edictum Rothari, c. 187; Liutprandi Leges, c. 13; zum Wergeldsystem allgemein vgl. Schröder/von Künßberg7, 374 ff.; Roth, in: LexMA 8, 2199 ff.; Schild, in: HRG 5, 1268 ff.; Schmidt-Wiegand, Wergeld, in: RGA 33, 457 ff.; zum Bußsystem der Lex Salica ferner Siegmund, in: FmSt 32, 105 ff. 1

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welche für die Tötung eines Menschen zu entrichten war, jedoch bildete sich darauf aufbauend ein ausdifferenziertes System aus, in dem Delikte anhand ihrer Schwere und der sozialen Wertigkeit der Geschädigten mit einer daran bemessenen Bußzahlung sanktioniert wurden.4 Die Wergeldzahlung war an den Geschädigten oder dessen Sippe zu leisten.5 Hieraus wird plausibel gefolgert, dass es sich bei der Wergeldzahlung um ein Abkaufen des Fehderechts handelte.6 In den Kodifikationen, die nicht zu den Leges Romanae zu rechnen sind, werden Wergeldzahlungen häufig bei Verstößen gegen Eheverbote oder Sittlichkeitsvergehen verhängt.7 b) Verlöbnis und Brautpreiszahlung Archaische Züge trägt das Erfordernis der Brautpreiszahlung, welches im burgundischen und salfränkischen Recht zur Ablösung der Hausgewalt vorausgesetzt wird. Die Leistung des pretium bzw. des reipus zum Zwecke der Bekräftigung der Übereinkunft mit der Brautfamilie zeigt eine deutliche Abweichung zum römischen Recht, in dem kein Brautpreis verlangt wurde und ein Verlobungspfand erst unter dem Einfluss des orientalischen Rechtskreises zu entrichten war.8 Gleichzeitig weist das Erfordernis der Brautpreiszahlung des burgundischen und salfränkischen Rechts exemplarisch darauf hin, dass unter germanischen Völkern der Ehe der Charakter einer Sippenvertragsehe beigemessen wurde.9 Zudem bietet die Brautpreiszahlung Anhaltspunkte dafür, dass die Ehe nach der hergebrachten Rechtstradition germanischer Völker – im Gegensatz zur römischrechtlichen Ehe sine manu – einen vollständigen Übertritt der Frau in eine eheherrliche Munt mit sich brachte: Hierauf weist die Tatsache hin, dass nach Leistung des Brautpreises die traditio puellae, d. h. die förmliche Übergabe der Braut an die Familie des Mannes vollzogen wurde.10 Die Regelungen der Brautpreiszahlung können wohl auf germanisches Gewohnheitsrecht zurückgeführt werden. Die west- und ostgotischen Kodifikationen zeigen in diesem Punkt keinen Hinweis auf archaisch-germanische Rechtsvorstellungen, was aber nicht ausschließt, 4

Vgl. Roth, in: LexMA 8, 2199 ff. Vgl. Roth, in: LexMA 8, 2199 ff. 6 So bereits Wilda, 175; vgl. Roth, in: LexMA 8, 2199 ff.; zum Münzsystem der Lex Salica s. Buchner, 19 ff. m.w. N. 7 Vgl. oben Kapitel D. IV. 1., 2., 3. b); Kapitel E. II., III. 3. u. Fn. 55. 8 Zu Vermutungen bezüglich eines Brautkaufes im frühen römischen Recht s. Kaser, RP I2, § 75 Fn. 28; 78 m.w. N.; zur Herkunft der arra als Verlobungspfand s. Kaser, RP II2, § 216 I; s. CTh 3, 10, 1 (409); C. 5, 8, 1, 1 (409); vgl. auch oben Kapitel A. III. 2. a). 9 Kritisch zur Bezeichnung Sippenvertragsehe Saar, Ehe, 102 m.w. N.; der Begriff der Sippenvertragsehe kennzeichnet m. E. aber zutreffend die exogame Ehe, die über die Grenzen der beteiligten Familienverbände hinaus geschlossen wurde und der Billigung der Familien bedurfte. 10 s. Saar, Ehe, 105. 5

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dass bei aller Annäherung des Rechts an das römische Recht in der sozialen Realität dieser Völker ähnliche Praxis herrschte wie bei Burgundern und Salfranken, bei denen die Brautpreiszahlung von so großer Relevanz war, dass sie eine kodifizierte Regelung fand. Die Ausgestaltung der arra im burgundischen und salfränkischen Recht11 beruht ebenfalls auf germanischem Einfluss. Dabei wurde in eigentümlicher Art und Weise einerseits das aus dem orientalischen Rechtskreis in das nachklassische römische Recht aufgenommene Institut der arra aufgegriffen, um die Zahlung des Verlobungspfandes zu regeln. Andererseits wurde dieses mit den im burgundischen und salfränkischen Recht herrschenden Vorstellungen des Gewohnheitsrechts verknüpft, indem die arra so mit dem Erfordernis der Brautpreiszahlung verwoben wurde, dass sie sich als vorweggenommene Zahlung des Brautpreises und somit gleichsam als Anzahlung darstellte.12 c) Crimen raptus Die Regelungen der untersuchten Leges über das crimen raptus lassen stark germanische Einflüsse vermuten. Hierbei kann zunächst festgestellt werden, dass in sämtlichen Leges das crimen raptus auffallend detailliert geregelt ist. Dies zeigt, dass der Frauenraub – und aus diesem Raub entspringende Verbindungen – in der sozialen Realität dieser germanischen Völkerschaften von erheblicher Relevanz gewesen sein müssen. Gleichzeitig weisen die Vorschriften des crimen raptus auf eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz des Frauenraubes desselben hin: In den ausschließlich an die romanische Bevölkerung adressierten Kodifikationen der Lex Romana Visigothorum und der Lex Romana Burgundionum wurde die sehr restriktive Einstellung des römischen Rechts zu Frauenraub und Notzucht deutlich, indem die römischen Regelungen inhaltlich – und im Falle des Breviarium Alaricianum auch dem Wortlaut nach – nahezu unverändert übernommen wurden.13 Auch im Edictum Theoderici, das für alle Bewohner des ostgotischen Reiches Geltung entfaltete, wurde aus den theodosianischen Vorbildvorschriften inhaltlich die römische Rechtslage übernommen.14 Zugleich weist das Edictum Theoderici mit ET c. 59, im Unterschied zum Breviar und zur Lex Romana Burgundionum, die Besonderheit eines Titels auf, der ein Produkt eigener ostgotischer Gesetzgebungstätigkeit ist und kein römisches Vorbild hat.15 Wie aufgezeigt, deutet viel darauf hin, dass die Verpflichtung des Vergewaltigers, die 11 12 13 14 15

LRB 27 §§ 1, 2; PLS 65a. Vgl. hierzu oben Kapitel D. I.; Kapitel E. I. LRV CTh 9, 19, 2; LRV CTh 9, 14, 1, 1–5; LRB 9 §§ 1, 2; CTh 9, 24, 1 (326). ET c. 17; ET c. 18; CTh 9, 24, 1, 4 u. 5. Hierzu bereits oben Kapitel C. IV. 2.

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freigeborene Frau zu ehelichen und für ihr Auskommen zu sorgen, ihren Ursprung in germanischen Rechtsvorstellungen hat.16 Auf deutlich germanischen Einfluss weisen bezüglich des crimen raptus auch die Lex Visigothorum, die Lex Burgundionum sowie das salfränkische Recht hin: Germanischen Ursprungs ist vermutlich die in jenen Kodifikationen enthaltene Möglichkeit, eine durch Frauenraub zustande gekommene Verbindung nachträglich zu legalisieren, sei es durch schlichte Übereinkunft mit der Brautfamilie oder durch Leistung einer Bußzahlung wegen der durch den Frauenraub verletzten Hausgewalt.17 Im Zuge der Kodifikation des Frauenraubes in den jeweiligen Leges dürften daher Vorstellungen des germanischen Rechts, die der gelebten Praxis entsprachen, Aufnahme in das geschriebene Recht gefunden haben, obwohl sie sich insoweit materiell vom überlieferten römischen Recht unterschieden. d) Verbindung zwischen Sklave und freier Frau Im Allgemeinen waren die germanischen Rechtsvorstellungen über Eheverbote für Ehen zwischen Freien und Sklaven mit den römischen gut vereinbar und führten deshalb zu einer starken Orientierung der Sklavengesetzgebung am römischen Recht.18 In der Lex Visigothorum und in der Lex Burgundionum findet sich mit der Übergabe der freien Frau in die Hand ihrer Familie nach Trennung der Verbindung mit einem Sklaven indes eine Besonderheit, die wohl auf das jeweilige Gewohnheitsrecht zurückzuführen ist, da sie ohne römisches Vorbild ist.19 Für eine Herkunft aus dem germanischen Gewohnheitsrecht spricht auch die Tatsache, dass sich im langobardischen Recht eine gleichartige Regelung findet.20 Dass in drei verschiedenen germanischen Rechtsaufzeichnungen eine solche Konstitution enthalten ist, weist darauf hin, dass es sich um eine unter den germanischen Völkern allgemein verbreitete Vorgehensweise handelt. e) Ehescheidung und Wiederverheiratung Germanischen Ursprungs ist sehr wahrscheinlich das Verbot für die Frau, die einseitige Scheidung zu betreiben, welches das Recht der Lex Burgundionum ebenso aufstellt wie das salfränkische Recht. Eindrücklich dokumentiert wird 16

Str., s. ET c. 59; vgl. Edictum Rothari, c. 187; hierzu oben Kapitel C. IV. 2. LV 3, 3, 7 (Antiqua); LV 3, 4, 7 (Antiqua); LB 12 §§ 1, 2; Edictum Rothari, c. 191; Liutprandi leges (723), c. 31; weiterführend Saar, Ehe, 259 m.w. N. 18 Vgl. oben Kapitel B. V. 3. a), Kapitel C. VI. 4. a), Kapitel D. V. 3. a), Kapitel E. V. 3. a). 19 LV 3, 2, 3 (Antiqua); LB 35, §§ 2, 3; vgl. Nehlsen, Sklavenrecht, 243; vgl. oben Kapitel B. V. 3. a); Kapitel D. V. 3. a). 20 Edictum Rothari, c. 221; vgl. Nehlsen, Sklavenrecht, 243. 17

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dies im burgundischen Recht in der archaisch anmutenden Sanktion des Ertränkens der Frau im Sumpf, für den Fall, dass sich diese einseitig von ihrem Manne lossagte.21 Damit geht einher, dass die Lex Burgundionum lediglich Gründe aufzählt, die den Mann zur Scheidung berechtigen können.22 Auch die Lex Salica untersagte der Frau das einseitige Lösen eines Verlöbnisses23 und damit auch die einseitige Ehescheidung,24 ohne dass hierfür wie im burgundischen Recht eine kapitale Rechtsfolge festgesetzt worden wäre. Jedenfalls dürfte das Verbot der einseitigen Scheidung durch die Frau, wie sie das burgundische und das salfränkische Recht festlegen, auf eine bei germanischen Völkern vorhandene restriktive Haltung zur Scheidungsmöglichkeit der Frau zurückzuführen sein. Hinsichtlich der Wiederheirat der Witwe weist das salfränkische Recht in Form von PLS 54 eine Norm auf, die eine eigentümliche Mischform aus fränkischem Gewohnheitsrecht und römischer Vorbildvorschrift – CTh 3, 7, 1 (371) – darstellt. Zwar ist die konkrete Ausgestaltung des Titels an der römischen Vorbildnorm angelehnt, jedoch floss höchstwahrscheinlich gleichzeitig salfränkisches Gewohnheitsrecht ein, indem ein Beteiligungserfordernis der Familie des verstorbenen Ehemannes festgelegt wurde und die reipus-Zahlung zum Ablösen der Hausgewalt an die matrilineare Verwandtschaft des Verstorbenen zu leisten war.25 Auf das salfränkische Gewohnheitsrecht ist wohl ferner die – nicht in der ursprünglichen Fassung der Lex Salica enthaltene – Regelung bezüglich der nach Verwitwung einzuhaltenden Trauerzeit von lediglich 30 Tagen zurückzuführen.26 2. Christliche Einflüsse Eindeutig christliche Einflüsse sind in den Leges – ebenso wie in der spätantiken römischen Gesetzgebung – vornehmlich in den Bereichen der Inzestgesetzgebung, der Scheidung und Wiederverheiratung festzustellen. a) Inzestgesetzgebung Die Inzestgesetzgebung der behandelten Kodifikationen zeichnet sich durch eine starke Prägung durch das (klassische) römische Recht aus, dessen Vorschriften für die Zwecke der germanischen Gesetzgeber nutzbar gemacht wurden. Ein erheblicher Einfluss christlichen Denkens auf die Inzestgesetzgebung ist lediglich 21 22 23 24 25 26

LB 34, 1; vgl. Saar, Ehe, 302 m.w. N. LB 34 § 3. PLS 15, § 3. Hierzu oben Kapitel E. IV. 2. Hierzu oben Kapitel E. III. 2. LS Cap. Leg. Add. 818/819, c. 4 s. hierzu oben Kapitel E. VI. 2.

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bezüglich der Reichweite des Inzestverbots festzustellen. Nur die Erweiterung des Inzestverbots über den vierten Verwandtschaftsgrad hinaus geht auf Forderungen der Kirche und ihrer Vertreter zurück.27 Eine derartige Verschärfung des Inzestverbots durch Ausdehnung auf Verwandte über den vierten Verwandtschaftsgrad hinaus ist im Recht der Lex Visigothorum ebenso festzustellen wie im burgundischen und salfränkischen Recht.28 Der einschlägige Titel des Edictum Theoderici – ET c. 36 – hingegen steht vollständig in der römischen Rechtstradition, die Theoderich im ostgotisch beherrschten Italien „als Grundlage des Zusammenlebens zwischen Römern und Goten zu etablieren“ wünschte, und durch die er die „Gesetze des römischen Rechts bei allen Teilen der Bevölkerung zur Geltung bringen wollte.“ 29 Eine solch enge Orientierung des Gesetzgebers am hergebrachten römischen Recht ist auch im Falle der Lex Romana Visigothorum zu bemerken, deren Regelungen des Inzestverbots sich mit Ausnahme der Rechtsfolgen exakt nach dem römischen Inzestverbot des Codex Theodosianus richteten.30 Trotz der starken Prägung der Inzestvorschriften der Lex Romana Visigothorum durch die römische Rechtstradition ist insoweit ein christlicher Einfluss vorhanden, als die alttestamentarische Vorschrift über das Verbot des Sororats31 zu Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. Aufnahme in das römische Recht gefunden hatte. Dies stellte bereits eine Erweiterung des römischen Inzestverbots dar, die vor Erlass der germanischen Kodifikationen stattfand. Das burgundische Inzestverbot aus LB 36 ist seiner materiellen Ausgestaltung und Reichweite nach dem westgotischen und dem salfränkischen – dem das Inzestverbot des Breviars als Vorbild diente – gleich. Die Ausgestaltung des burgundischen und des westgotischen Inzestverbots kann mit kirchlichem Einfluss erklärt werden.32 Hingegen steht das salfränkische Inzestverbot aus PLS 13 § 11 nicht unter dem Eindruck sich verstärkenden kirchlichen Einflusses im Frankenreich. Der einschlägige Titel ist zwar deutlich an der westgotischen Norm LRV CTh 3, 12, 1 orientiert und weist auch die aus dem Codex Theodosianus und der Lex Romana Visigothorum bekannte Anlehnung an Leviticus 18 auf. Gründe für die Aufnahme des Titels PLS 13 § 11 in die salfränkische Kodifikation sind indes 27 Ausführlich zu den Wirkungen christlichen Denkens auf die Inzestgesetzgebung der römischen Kaiser Ubl, 46 ff. m.w. N., vgl. ferner z. B. Biondi, DRC 3, 94 f., der ebenfalls von der Anpassung der römischen Gesetze im christlichen Sinne, also auch der Anpassung des Inzestverbots durch die christlichen Kaiser ausgeht. 28 LV 3, 5, 1 (Chindasvinth); LB 36; PLS 13 § 11. 29 Ubl, 105. 30 LRV G. 4, 3–7; LRV G. 4, 8; LRV CTh 3, 10, 1; LRV CTh 3, 12, 3; oben Kapitel B. V. 2. b); das Breviar übernahm nicht die nach römischem Recht vorgesehene Kapitalstrafe. 31 Leviticus 18, 18; vgl. hierzu oben Kapitel B. V. 2. 32 Vgl. Ubl, 120 ff.

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in propagandistischen Motiven des fränkischen Königs zu suchen und haben keine religiöse Motivation.33 Religiös motiviert ist dagegen die Abschaffung der römischen Kapitalstrafe für den Inzest im burgundischen Recht. Der von Avitus von Vienne ausgehende Einfluss führte dazu, dass die römische Kapitalstrafe für das incestum abgeschafft wurde, um den Betroffenen aus christlichen Motiven den Weg in eine anerkannte und damit aus kirchlicher Sicht „richtige“ Ehe nicht zu versperren.34 b) Scheidung und Wiederverheiratung Die Scheidungsgesetzgebung der Leges ist inhaltlich zu einem Gutteil mit christlichem Einfluss zu erklären. Über den Codex Theodosianus, der den germanischen Herrschern als maßgebliche Quelle für ihre Kodifikationen diente, fand die christlich beeinflusste, im Vergleich zum klassischen Recht restriktive, Scheidungsgesetzgebung der spätantiken römischen Kaiser seit Konstantin Eingang in die Leges.35 Sowohl in der Lex Romana Visigothorum als auch in der Lex Romana Burgundionum wurden die aus dem Recht des Codex Theodosianus ersichtlichen Scheidungsgründe unverändert übernommen.36 Die Lex Burgundionum führt aufgrund des Scheidungsverbots für die burgundische Frau ausschließlich Gründe auf, die den Mann zur Scheidung berechtigten.37 In der Lex Visigothorum schlägt sich christlicher Einfluss in der Scheidungsgesetzgebung noch verstärkt nieder, indem eine Scheidung als ausdrücklich tadelnswert eingestuft wird.38 Darüber hinaus wurden die Scheidungstatbestände sowohl für den Mann als auch die Frau stark eingeschränkt.39 Die Lex Salica schweigt hingegen zur Frage der Scheidung. Der Übernahme der Scheidungsgründe für die einseitige Scheidung aus dem theodosianischen Recht liegt jeweils eine bewusste Entscheidung des germanischen Herrschers zugrunde, die ihren Ursprung im Vordringen des christlichen Gedankengutes in den Germanenreichen haben dürfte. Deshalb sahen die westund ostgotischen sowie die burgundischen Könige davon ab, bezüglich der einseitigen Scheidung Nov. Th. 12 (439) heranzuziehen und zur liberalen Scheidungsgesetzgebung des klassischen römischen Rechts zurückzukehren. Die Ausnahme bildet hierbei das Recht des Edictum Theoderici, das in ET c. 54 auf der 33

Vgl. Kapitel E. V. 2.; Ubl, 181. s. Ubl, 125, vgl. oben Kapitel D. V. 2. 35 Vgl. Kaser, RP II2, § 219. 36 LRV CTh, 3, 16, 1, 2; LRB 21 §§ 2, 3. 37 LB 34 § 3. 38 LV 3, 6, 1 (Chindasvinth); s. hier bereits die Titelüberschrift „Ne inter coniuges divortium fiat.“ 39 LV 3, 6, 2 (Chindasvinth). 34

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Rechtsfolgenseite von dem restriktiven Vorbild des Codex Theodosianus Abstand nahm und Nov. Th. 12 (439) heranzog, worin wiederum eine Rückkehr zum klassischen römischen Scheidungsrecht angestrebt worden war.40 Dieser Modifikation der Rechtsfolge lagen aber keine religiösen Motive Theoderichs des Großen zugrunde, sondern vielmehr propagandistische, da sich Theoderich in die Tradition der römischen Herrscher stellen wollte. Die Scheidung durch Einvernehmen der Ehepartner war nach den gotischen Rechten zwar noch möglich, aber im Vergleich zur klassischen römischen Rechtslage deutlich eingeschränkt, was dem in der nachklassischen Kaisergesetzgebung Einzug haltenden christlichen Geist zuzuschreiben ist.41 Chindasvinth führte in der Lex Visigothorum zusätzliche Scheidungsgründe ein, die aus christlicher Sicht ehewidriges Verhalten sanktionieren.42 Das burgundische Römerrecht hingegen steht mit LRB 21 § 1 ganz im Einklang mit der klassischen Rechtslage, da dort die Möglichkeit der einverständlichen Scheidung eingeräumt wird.43 Es hebt sich somit – aus nicht klar nachvollziehbaren Gründen – von den beiden gotischen Kodifikationen ab und kehrte in Anlehnung an Nov. Th. 12 (439), unter Aufgabe der christlich beeinflussten nachklassischen Gesetzgebung, zur klassischen Rechtslage bezüglich der einvernehmlichen Scheidung zurück.44 Dem entspricht inhaltlich auch die aus den Formelsammlungen überlieferte fränkische Rechtslage, der offenbar das burgundische Recht als Vorbild diente.45 Hinsichtlich der Wiederverheiratung ist in den Leges lediglich bei der Wartefrist zur Wiederheirat der geschiedenen Frau im westgotischen Recht gemäß LRV 3, 16, 2 (421) ein Anhaltspunkt für christlichen Einfluss festzustellen.46 Soweit die Leges ansonsten zu Wartefristen vor einer Wiederheirat Stellung nehmen oder Rückschlüsse auf diese Fristen zulassen, sind die Regelungen genuin römisch,47

Kaser, RP I2, § 77 III 1. In diesen Kontext lassen sich auch die einschlägigen Titel der Lex Visigothorum einordnen: s. LV 3, 1, 3 (Chindasvinth); LV 3, 1, 4 (Reccesvinth); LV III, 6, 2 (Chindasvinth); LV 3, 6, 3 (Reccesvinth); vgl. Saar, Ehe, 363 m.w. N. in Fn. 4. 42 LV 3, 5, 4 (Chindasvinth); LV 3, 6, 2 (Chindasvinth); vgl. Kapitel B. IV. 1. 43 LRB 21 § 1; Gai. D. 24, 2, 2; Ulp. D. 24, 1, 32, 10; Ulp. D. 40, 9, 14, 4; es bedurfte überhaupt keines bestimmten Scheidungsgrundes; vgl. Kaser, RP I2, § 77 III 1, 2. 44 Vgl. oben Kapitel D. IV. 1.; Kapitel A. III. 1. d). 45 Marculf, Formulae II, 30 (MGH Form. 1, 94); vgl. oben Kapitel E. III. 2.; zur Verbreitung einverständlicher Scheidungen als Form der Ehebeendigung im fränkischen Reich s. Saar, Ehe, 364 ff. m.w. N.; s. auch McNamara/Wemple, in: Mosher Stuard, 96 u. 100. 46 Hierzu s. oben Kapitel B. VI. 1. 47 Die einjährige Wartefrist für die Wiederheirat der Witwe ist in den gotischen Rechten und dem burgundischen Recht aus der römischen Rechtstradition übernommen worden; im burgundischen Recht wurde durch den burgundischen Herrscher zusätzlich noch eine Gleichstellung der geschiedenen mit der verwitweten Frau vorgenommen; s. Johlen, 135; vgl. Kapitel D. VI. 1. 40 41

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mit Ausnahme der oben aufgeführten 30-Tage-Frist des salfränkischen Rechts, die auf fränkisches Gewohnheitsrecht zurückgehen dürfte.48 c) Eheverbote zwischen Juden und Christen Eindeutig christlich motiviert sind die Vorschriften der Leges über das Verbot der Ehe zwischen Juden und Christen. Dabei stehen die entsprechenden Verbotsvorschriften der germanischen Kodifikationen in der Tradition des strikten Eheverbots jüdisch-christlicher Ehen des Kaisers Theodosius.49 Die gotischen Kodifikationen enthalten ein ausdrückliches Verbot gemischtreligiöser Ehen oder nehmen Bezug auf diese theodosianische Gesetzgebung: Die Lex Romana Visigothorum verbietet in LRV CTh 9, 4, 4 und LRV CTh 3, 7, 2 Ehen zwischen Juden und Christen ausdrücklich. Die jüngere Lex Visigothorum beruft sich auf die Fortgeltung dieses Eheverbots, indem die geltenden Gesetze in Bezug genommen werden,50 bevor sogar der gesamte jüdische Ritus vollständig und mit scharfen Sanktionen belegt untersagt wird.51 Dieselbe Verweisungstechnik wendet Theoderich der Große an, indem er sich im Edictum Theoderici auf die Fortgeltung der hergebrachten Judengesetzgebung beruft.52 Aus der Differenzierung des burgundischen Rechts zwischen Angehörigen des christlichen und solchen des jüdischen Glaubens in LB 102 kann lediglich ein Rückschluss auf ein Eheverbot gemischtreligiöser Ehen gezogen werden,53 wohingegen das salfränkische Recht diesbezüglich keinerlei Aufschluss bietet. d) Eheverbote mit Angehörigen des geistlichen Standes Von dem stärker werdenden Einfluss der Kirche im römischen Reich rühren auch die Eheverbote mit Personen des geistlichen Standes her: Unverändert wurden im westgotischen Recht die Vorschriften über das Eheverbot für Nonnen aus CTh 9, 25, 1 u. 2 (354/364) in die Lex Romana Visigothorum übernommen.54 Da Nov. Mai. 6 (458) nicht ins Breviar aufgenommen wurde, folgte nach westgotischem Recht die im Codex Theodosianus vorgesehene Kapitalstrafe auf einen Verstoß gegen das Eheverbot der Nonne. Gleichen Inhalts ist die korrespondie-

48 Der recht liberalen Einstellung des burgundischen Gesetzgebers zur Wiederverheiratung der kinderlosen Witwe vor Ablauf des Trauerjahres dürften eher gesellschaftspolitischen Erwägungen zugrunde liegen – vgl. Kapitel D. VI. 2. 49 CTh 9, 7, 5 (388). 50 LV 12, 2, 3 (Reccesvinth). 51 Vgl. hierzu oben Kapitel B. IV. 4. a); LV 12, 2, 4–7 (Reccesvinth). 52 Vgl. oben Kapitel C. VI. 5. b); ET c. 143. 53 Vgl. oben Kapitel D. V. 4. a). 54 LRV CTh 9, 20, 2; CTh 9, 25, 1 (354), 2 (364); s. auch LV 3, 18 (Chindasvinth).

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rende Verbotsnorm des burgundischen Rechts,55 die direkt auf den Codex Theodosianus verweist.56 Das Breviar enthält ein Eheverbot für männliche Kleriker in LRV CTh 16, 1, 6, wenngleich Vorschriften des kanonischen Rechts57 zeigen, dass sich die Verpflichtung zu zölibatärem Leben im ehemaligen Westreich bis ins 6. Jahrhundert noch nicht vollständig durchgesetzt hatte. Wesentlich deutlicher abgefasst sind die Eheverbote und Verbote des geschlechtlichen Umgangs für gottgeweihte Personen der Lex Visigothorum, die jegliche Verbindung mit einem Angehörigen des geistlichen Standes als Frevel wider die göttlichen Gesetze ansehen und klar auf die wachsende Macht der Kirche im Westgotenreich auch auf den Bereich der weltlichen Gesetzgebung zurückgeführt werden können.58 3. Rechtspolitische Motive der Gesetzgebung Die germanischen Könige nahmen aufgrund eigener rechtspolitischer Motive zu einem erheblichen Teil Einfluss auf die Rechtsentwicklung.59 Hierbei standen zumeist gesellschaftspolitische Gründe oder das Ziel der Selbstinszenierung des Herrschers im Vordergrund. a) Gesellschaftspolitische Motive Das Eherecht ist stets stark von der sozialen Realität beeinflusst. Infolgedessen schlagen sich gesellschaftliche Gegebenheiten auch in der Ehegesetzgebung der germanischen Herrscher nieder. Ein vordringliches Ziel der neuen Herren war es, in den Territorien des ehemaligen römischen Westreichs durch ihre Politik und Gesetzgebung für ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen sowie Rechtssicherheit zu sorgen. Dieses Bestreben zieht sich in Form der Politik der civilitas Theoderichs des Großen als roter Faden durch das ostgotische Edikt.60 In ähnlicher Weise sollte durch den Erlass der Lex Salica Rechtsfrieden geschaffen werden, indem besonders drängende Probleme und soziale Konflikte kodifiziert wurden, womit auch dem unter den Franken verbreiteten Fehdewesen entgegengetre55

LRB 9 § 4. CTh 9, 25, 1 (354), 2 (364). 57 Concilium Epaonense (517), c. 2 (MGH Conc. 1, 19); Concilium Arelatense (524), c. 3 (MGH Conc. 1, 35); Concilium Aurelianense (541), c. 10 (MGH Conc. 1, 89). 58 LV 3, 4, 18 (Reccesvinth); LV 3, 5, 2 (Reccared); LV 3, 5, 3 (Chindasvinth). 59 Normen, die auf rechtspolitischen Entscheidungen der Kaiser beruhen, werden ebenfalls vom Vulgarrecht ausgenommen, vgl. Kaser, RE IX A.2, 1291. 60 Vgl. oben insbesondere Kapitel C. I. 56

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ten werden sollte.61 Gleichgelagerte Ziele verfolgten auch die westgotischen und burgundischen Herrscher durch Ausarbeitung und Erlass ihrer Kodifikationen.62 So sind beispielsweise auch die umfassenden Regelungen des Frauenraubes in diesem Zusammenhang zu sehen.63 Namentlich der einschlägige Titel der Lex Salica, PLS 13, mit seinen detaillierten Einzelfallregelungen sowie die Tatsache, dass unter Childebert II. die scharfen Sanktionen des römischen Rechts übernommen wurden,64 zeigen exemplarisch die Regelungsbedürftigkeit eines drängenden sozialen Problems, dem der Herrscher beizukommen versuchte. Im Recht der Ehevoraussetzungen lassen sich insbesondere aus Standesschranken Rückschlüsse auf die soziale Gliederung der germanischen Königreiche ziehen. Gleichzeitig kann von der Gesetzgebung zur Regelung standesrechtlicher Ehehindernisse die Gesellschaftspolitik des Herrschers abgelesen werden. Auffallend ist die Tendenz, die Aufteilung der Untertanen in verschiedene soziale Schichten beizubehalten und durch das Schaffen von Ehehindernissen die ständische Gliederung zu vertiefen. Dies zeichnet sowohl die gotischen Rechte als auch das burgundische Recht aus.65 Anschaulichstes Beispiel hierfür ist der Titel LB 52 §§ 1, 2, dessen Grundlage der oben bereits geschilderte „Aunegild-Skandal“ bildet.66 Aus diesem Titel lässt sich ablesen, dass die eheliche Verbindung zweier aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammender Personen als Verstoß gegen die Standesehre angesehen, sozial geächtet wurde und daher zu einem Eheverbot führte. Einzig das salfränkische Recht bildet hier eine – beachtliche – Ausnahme, da dieses zwar von Standesunterschieden ausging, jedoch hieraus keine Ehehindernisse resultierten, mithin sozialer Aufstieg durch Heirat möglich war.67 Durch eine Förderung und Privilegierung der Optimatenschicht wurde eine Verfestigung der Stellung der Oberen gegenüber sozial Niederstehenden bewirkt. Dies zeigte sich insbesondere darin, dass ausweislich ET c. 59 im ostgotischen Recht Vornehme von der Todesstrafe ausgenommen werden sollten.68 Letztlich ist auch dasselbe Privilegierungsmotiv im burgundischen Recht in LB 52 vorhan-

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PLS prologus § 1; vgl. oben Kapitel E. vor I. s. z. B. LV 2, 1, 1–31; in LV 2, 1, 8–9 wird ausgeführt, dass die Lex Visigothorum einen Ausschließlichkeitsanspruch verfolgte und andere Gesetze und Rechtsgewohnheiten außer Kraft gesetzt werden sollten. 63 LRV CTh 3, 7, 3 mit IT; in LV 3, 3, 7 (Antiqua); LV 3, 4, 7 (Antiqua); ET c. 17– 21; ET c. 92; LB 12 § 1; PLS 13. 64 PLS Cap. 6, 2 § 2; s. oben Kapitel E. III. 3. 65 LRV Nov. Mart. 4, I, 2, 3 u. 5; LRV PS 2, 20, 6; LV 5, 7, 17 (Reccesvinth); s. oben Kapitel B. V. 2. b); ET c. 59; ET c. 62; s. oben Kapitel C. VI. 4. b); LB 52 § 2; vgl. Kapitel D. V. 3. b). 66 s. hierzu Kapitel D. V. 3. b); Kaiser, Burgunder, 135. 67 s. hierzu Kapitel E. V. 3. b). 68 s. hierzu Kapitel C. VI. 4. b). 62

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F. Vulgarrecht in den Leges?

den, da im dort konkret geregelten der vornehmen Witwe Aunegild – unter Hinweis auf das anstehende Osterfest – eine Abwendung der Kapitalstrafe möglich war, die ansonsten gedroht hätte.69 Ein zentrales Merkmal, an dem sich das Bestreben zeigte, ein einvernehmliches Zusammenleben der in den jeweiligen Reichen ansässigen Bevölkerungsgruppen zu erreichen, ist die Aufhebung des Verbots der stammesverschiedenen Ehe, mit dem die aus dem römischen Recht stammende strenge Trennung der Völkerschaften ausdrücklich aufgegeben wurde: Wurde auf die Trennung der germanischen von der romanischen Bevölkerung und ein damit einhergehendes Eheverbot im Recht der Lex Romana Visigothorum noch Wert gelegt,70 wurde dieses in der Lex Visigothorum im Hinblick auf die Zukunft „zum Wohle des Volkes“ abgeschafft.71 Die gesellschaftspolitische Erkenntnis, dass eine Vermischung der verschiedenen Volksgruppen zum Wohle des Reiches wünschenswert war, zeigt sich auch im ostgotischen, burgundischen und salfränkischen Recht, in dem jeweils eine stammesverschiedene Ehe zulässig war,72 weil die Könige erkannt hatten, dass ein geordnetes Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen nur dann möglich war, wenn sich diese auch untereinander verbinden durften. Eine gesellschaftspolitische Konzeption lag neben der religiösen Motivation auch der Judengesetzgebung zugrunde, die sich in den gotischen Kodifikationen zeigt. Die jüdische Bevölkerung sollte streng von den übrigen Untertanen getrennt sein, um jüdischen Einfluss auf die Gesellschaft auszuschließen.73 Von gesellschaftspolitischer Motivation getragen war schließlich die konfessionelle Gleichstellung der Arianer mit den Angehörigen des katholischen Bekenntnisses, die sich im burgundischen Recht zeigt.74 Insgesamt sind zu den gesellschaftspolitischen Erwägungen auch die christlichen Einflüsse auf die Ehegesetzgebung zu rechnen, die soeben unter 2. a)–d) behandelt wurden. Insoweit ist eine Vermischung christlicher Motive mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen 69 LB 52, s. hierzu Kapitel D. V. 3. b) und Kaiser, Burgunder, 135; darüber hinaus fand eine Verschärfung und Verfestigung der Standeschranken nicht nur nach oben, sondern auch nach unten hin statt, wie sich anhand der Rechtsstellung der originarii bzw. coloni zeigt, die derjenigen der Sklaven angenähert waren; s. ET c. 84; C. 6, 1, 4 pr., 1 u. 4; vgl. hierzu Nehlsen, Sklavenrecht, 130 f. und oben Kapitel C. VI. 4. a). 70 LRV CTh 3, 14, 1. 71 LV 3, 1, 1 (Antiqua); s. oben Kapitel B. V. 72 ET c. 36; vgl. hierzu die oben in Kapitel C. VI. 2. gegebene Interpretation mit den dortigen Nachweisen; LB 12 § 5; LB 100; zur Herleitung der Zulässigkeit stammesverschiedener Ehen im salfränkischen Recht vgl. oben Kapitel E. V. 1.; s. ferner GrahnHoek, in: SZ (GA) 121, 102, 112; Liebs, Verbot von Mischehen, in: Atti dell’Accademia Romanistica Constantiniana, 622 ff. 73 LRV CTh 9, 4, 4; LRV CTh 3, 7, 2; LV 12, 2, 3 (Reccesvinth); ET c. 143. 74 Vgl. oben Kapitel D. V. 4. a).

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festzustellen, die aufgrund des wachsenden Einflusses des christlichen Glaubens in den Territorien des ehemaligen Weströmischen Reichs nicht streng voneinander geschieden werden können.75 b) Propagandistische Motive Die germanischen Herrscher nutzten ihre Gesetzgebungstätigkeit in nicht unerheblichem Maße zur Selbstinszenierung und versuchten, sich als entschlussfreudige, konsequente und machtvolle Könige darzustellen, die kraftvoll die Nachfolge der Herrschaft in ehemals römischen Territorien antreten konnten. Diese propagandistischen Motive dienten zugleich auch dazu, gesellschaftspolitische Ziele leichter zu erreichen. Der Zweck der Selbstinszenierung durch gesetzgeberische Tätigkeit zeigt sich oftmals bereits im Prolog oder den ersten Titeln der Kodifikation, in der die Beweggründe für die königliche Gesetzgebungstätigkeit näher erläutert werden: Durch die ausführliche Erläuterung von Recht und Gesetz in LV 1, 1 und 2 sowie LV 2, 1, 1–31 stellte der westgotische König das Rechtssystem vor, das in seinem Reich Geltung beanspruchen sollte. Dabei wollte er sich gleichzeitig als Teil des von ihm selbst geschaffenen Rechtssystems und als diesem unterworfen zeigen.76 Dennoch wurde Wert darauf gelegt, deutlich zu machen, dass die königliche Autorität dadurch nicht geschmälert wurde, sondern die letzte Entscheidungsgewalt dennoch in der Hand des Königs lag und eine Zuwiderhandlung gegen königliche Befehle streng bestraft wurde.77 Der ostgotische König Theoderich der Große nutzte den Erlass seines Edikts dazu, sich als rechtmäßiger Nachfolger der römischen Kaiser zu inszenieren und seine Herrschaft über alle in seinem italischen Reich lebenden Volksgruppen zu legitimieren.78 Auch die äußerst eng am römischen Recht, insbesondere am Codex Theodosianus orientierte Lex Romana Visigothorum diente diesem Ziel. Von der Macht des burgundischen Königs als Gesetzgeber sollte auch die Ankündigung eines eigenen Gesetzbuches für die romanischen Untertanen zeugen, das in LB prima constitutio 8 von Gundobad angekündigt und sodann von seinem Sohn Sigismund mit derselben Motivation in Form der Lex Romana Burgundionum umgesetzt wurde.79 Der Prolog der Lex Salica stellt die hervorragende Stellung des fränkischen Volkes 75

Vgl. bereits Kaser, RE IX A.2, 1291. LV 2, 1, 1 (Reccesvinth); vgl. auch LV 2, 1, 27 (Reccesvinth). 77 LV 2, 1, 31 (Reccesvinth); es drohten eine Bußzahlung an den Fiskus, die Infamie und 100 öffentliche Peitschenhiebe. 78 Z. B. Cassiodor, Variae IV, 33, 1 (MGH AA 12, 128); Cassiodor, Variae III, 43 (MGH AA 12, 100); Anonymus Valesianus II, 60; s. oben Kapitel C. I. m.w. N.; auch Theoderichs Nachfolger Athalarich bekräftigte den ostgotischen Herrschaftsanspruch in Italien, s. Cassiodor, Variae VIII, 3, 4 (MGH AA 12, 233 ff.). 79 Vgl. Kaiser, Burgunder, 129 ff. m.w. N. 76

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unter den Völkern heraus.80 Damit wurde zugleich indirekt betont, dass der fränkische König der Edelste und Mächtigste aller germanischen Herrscher war. Das jeweilige Bestreben, sich selbst als besonders tatkräftiger Gesetzgeber zu inszenieren, zeigt sich außerhalb der einleitenden Passagen der Kodifikationen lediglich in vereinzelten Titeln des Eherechts der Leges. So weist die unvollständige Formulierung des salfränkischen Inzestverbots unter Aufgreifen eines römischen Vorbilds im System der ansonsten nur wenig römischrechtlich geprägten Lex Salica darauf hin, dass der fränkische König das Mittel der Gesetzgebung in diesem Punkt nutzte, um sich als rechtmäßigen Nachfolger der früheren römischen Herren zu gerieren.81 Die Regelung der Rechtsfolgen für den Fall der unberechtigten Scheidung in ET c. 54 zeigen ebenfalls, dass der ostgotische König Theoderich der Große die Nachfolge der römischen Kaiser anstrebte. Dies wird anhand der Rechtsfolgenseite der unberechtigt betriebenen Scheidung deutlich, bei der anstelle der im Codex Theodosianus vorgesehenen Rechtsfolgen – des Verbots einer weiteren Ehe für den Mann neben einer Vermögensstrafe, die Vermögenskonfiskation und die Deportationsstrafe für die Frau82 – lediglich eine vermögensrechtliche Sanktion verhängt wurde. Theoderich bewegte sich auf Rechtsfolgenseite daher wieder mehr in die Richtung der Regelungen des klassischen Rechts und stellte sich zugleich in die direkte Nachfolge des Kaisers Theodosius II., der durch Aufhebung der drakonischen Sanktionen in Nov. Th. 12 von 439 ein ähnliches Ziel verfolgt hatte.83 Das burgundische Recht bietet mit LB 52 eine Norm, die sehr deutlich auch propagandistischen Beweggründen des Herrschers zugeschrieben werden kann. Hierbei ist zunächst die ausführliche und ausschweifende Art und Weise anzuführen, in der der behandelte Rechtsfall geschildert wird. Zudem wurde ein Rechtsfall in die burgundische Kodifikation aufgenommen, der ein an sich todeswürdiges Vergehen behandelt, wobei der König im konkreten Einzelfall aus religiösen Gründen von der Verhängung der Kapitalstrafe absah.84 Durch die Aufnahme des so gelösten Einzelfalles in die Lex Burgundionum konnte sich der burgundische König als milder und gerechter Herrscher zeigen, der jeden schwierigen Einzelfall zu lösen vermochte. 80 PLS Prolog § 1; noch stärker werden die herausragenden Eigenschaften des fränkischen Volkes in der Fassung der Recensio Pippina gerühmt, LS Prolog § 1; vgl. auch Nonn, 132 ff. 81 Vgl. oben Kapitel E. V. 2.; s. PLS 13 § 11; CTh 3, 12, 1 (342); Ubl, 181; mit Nehlsen kann angenommen werden, dass der fränkische Herrscher durch sein Gesetzgebungsvorhaben außerdem zeigen wollte, dass er den Herrschern der Westgoten, Ostgoten und Burgunder, welche recht zeitgleich Kodifikationen ausarbeiten ließen, in nichts nachstand, s. Nehlsen, Aktualität und Effektivität, in: Classen, 468. 82 CTh 3, 16, 1 (331). 83 Vgl. oben Kapitel C. V. 84 Vgl. oben Kapitel D. I., V. 3. b).

II. Vulgarrechtliche Merkmale der Leges?

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Letztlich zeigt der Einsatz der Gesetzgebung als Instrument der Propaganda deutliche Parallelen zu den Konstitutionen der römischen Kaiser, in deren Nachfolge die germanischen Herrscher sich auch sahen. Insbesondere das in den Leges zu bemerkende Bestreben der germanischen Könige, sich in einem Prolog zur Kodifikation selbst propagandistisch zu erhöhen und rühmend darzustellen, lässt sich in ähnlicher Weise bei römischen Kaiserkonstitutionen feststellen. Besonders die nachkonstantinischen Kaiserkonstitutionen zeichneten sich durch einen längeren – in den Codices Theodosianus und Iustinianus zumeist nicht übernommenen – Prolog aus, welcher der Selbstdarstellung und der Legitimation des Kaisers dienten, aber auch den Anlass für das erforderliche gesetzgeberische Eingreifen schilderten.85 Zwar liegt es für jeden Herrscher nahe, die eigene Herrschaft durch seine Gesetzgebungstätigkeit besonders zu legitimieren. Es erscheint jedoch nicht unwahrscheinlich, dass die germanischen Könige, welche eine vollwertige Nachfolge der römischen Kaiser anstrebten, den Kaisern auch auf diesem speziellen Gebiet der Gesetzgebung bewusst nacheiferten und auch die Prologe der germanischen Leges römischem Recht nachempfunden waren.

II. Vulgarrechtliche Merkmale der Leges? 1. Begriffliche Unschärfen Von den Vertretern der Vulgarrechtslehre wird der Verlust der juristischen Präzision und Abstraktion durch ungenaue oder technisch unzutreffende Verwendung juristischer Termini als Merkmal des Niederganges der hochstehenden römischen Rechtsordnung angeführt. Begriffliche Unschärfen im Gesetzestext gelten deshalb als Anzeichen für fortschreitende Vulgarisierung des Rechts und die Herausbildung von Vulgarrecht.86 Die untersuchten Leges weisen im Bereich des Rechts der Ehevoraussetzungen nur vereinzelt Auffälligkeiten bei der Verwendung der Rechtsbegriffe auf, die Probleme bei der Auslegung derselben aufwerfen. Dabei sind aber nicht alle Auffälligkeiten mit solchen begrifflichen Unschärfen gleichzusetzen, die als taugliches Merkmal für Vulgarrecht dienen können. a) Coniugium Die Verwendung des Begriffes coniugium im salfränkischen Recht für die Verbindung mit Unfreien sowie die Bezeichnungen, die für die vermögenswirksamen 85

Vgl. Ries, 199 ff., 204. Z. B. Kaser, RE IX A.2, 1288; Wieacker, Vulgarismus, 22 ff. der jedoch auf S. 21 einschränkend darauf hinweist, dass nicht jedes Anzeichen vulgarer Stilmittel eine Veränderung des Normgehalts des betroffenen Rechtssatzes bewirkt; Levy, Vulgarrecht, 5 spricht von „katastrophale[m] Tiefstand begrifflicher Verantwortlichkeit“ des Vulgarrechts. 86

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F. Vulgarrecht in den Leges?

Leistungen im Zuge der Eheschließung in den Kodifikationen benutzt wurden, können der Art ihrer Verwendung nach als begriffliche Unschärfen im Sinne der Vulgarrechtslehre angesehen werden: Der salfränkische Gesetzgeber verwendete coniugium sowohl für die Bezeichnung der Verbindung zweier Unfreier als auch der Verbindung einer freien mit einer unfreien Person.87 Da derartigen Verbindungen nicht die Anerkennung als legitime Ehe zuteil wurde,88 ergibt sich ein Unterschied zum römischen Recht, in dem coniugium ein Begriff war, der die gesellschaftlich anerkannte Ehe bezeichnen konnte.89 In den zitierten Vorschriften des salfränkischen Rechts tritt der Begriff des coniugium anstelle des contubernium, womit im römischen Recht Verbindungen zwischen Freien und Unfreien bezeichnet wurden.90 Allerdings bewirkte die Verwendung des Begriffs conubium für das contubernium keine materielle Veränderung dieses Rechtsinstituts, so dass es sich lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit handelt. b) Coloni originarii Bei der Behandlung der Rechtsverhältnisse zwischen Freien und Unfreien ist im Edictum Theoderici die Terminologie auffällig, mit der die Bevölkerungsgruppe der Kolonen bezeichnet wird. Während die Lex Romana Visigothorum und das burgundische Recht die tradierte römische Terminologie aufweisen,91 wird im theoderizianischen Edikt der feststehende Rechtsbegriff coloni originarii für die Bezeichnung der Kolonen auseinandergerissen und sowohl coloni als auch originarii mit vollständig gleicher Bedeutung in willkürlichem Wechsel verwendet.92 Lediglich in einem Titel, der die Brandstiftung behandelt, treten die Begriffe colonus und originarius nebeneinander – jedoch nicht aufeinander bezogen – auf, so dass mit Nehlsen auf ein Redaktionsversehen zu schließen ist.93 Die synonyme Verwendung der Bezeichnungen coloni und originarii zeigt mit-

87 PLS 13 § 9; LS 14 § 11; PLS 25 §§ 3, 4, 7; LS 27 §§ 3, 4, 7; PLS Cap. (98), 1.; vgl. oben Kapitel E. V. 3. a). 88 Nehlsen, Sklavenrecht, 271; vgl. oben Kapitel E. V. 3. a). 89 Vgl. z. B. C. 5, 27, 7; auf die im Vergleich zum Begriff des matrimonium etwas weiter gefasste Bedeutung weist Treggiari, 6 hin; vgl. auch die Verwendung coniungere im Zusammenhang mit der Eheschließung in Gai. Inst. 1, 59. 90 Zur Verwendung des Begriffes contubernium zur Bezeichnung eines bandenmäßigen Zusammenschlusses in PLS 43 § 3 s. Schmidt-Wiegand, Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 369 und oben Kapitel E. V. 3. a) Fn. 142. 91 LB 38 § 11; LRB 6 § 2; LB 21 § 1; LB 38 § 8; LRB 12 § 2; LRB 14 §§ 4, 6; LRV CTh 4, 8, 3; LRV CTh 5, 10, 1. 92 Nehlsen, Sklavenrecht, 129. 93 ET c. 97; Nehlsen, Sklavenrecht, 129 Fn. 52.

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hin, dass der ostgotische Gesetzgeber in diesem Falle bei der Abfassung eine zu weit gehende begriffliche Differenzierung – wenn auch mit lediglich sprachlicher Auswirkung – vornahm. Die Rechtsstellung der Kolonen im ostgotischen Reich entsprach im Übrigen der nachklassischen römischen Rechtslage.94 c) Güterrecht Auffälligkeiten gegenüber der hergebrachten römischen Rechtsterminologie zeigen sich ferner in der Bezeichnung der im Zuge der Verlobung und Eheschließung zu erbringenden Vermögensleistungen: Nach römischem Recht bedeuten die Begriffe donatio ante nuptias95 bzw. donatio nuptialis96 sowie sponsalitia largitas97 eine „unentgeltliche Zuwendung [des Mannes an die Frau], deren rechtlicher Bestand an das Zustandekommen der Ehe gebunden ist.“ 98 Hierbei handelte es sich allerdings lediglich um anlässlich einer Verlobung übliche Zuwendungen, die nach römischem Recht keiner Verpflichtung entsprangen.99 Gleichwohl waren die Begriffe Kaser zufolge zunächst nicht technisch, was die wechselnde Verwendung als Synonyme erklärt.100 Die arra als echtes Verlobungspfand hingegen war nach römischem Recht ein Institut, welches der freien Lösbarkeit der Verlobung entgegenstehen und die Annäherung der Rechtswirkungen des Verlöbnisses an ein Rechtsverhältnis bewirken sollte.101 Der Begriff der arra wurde nun im westgotischen Recht durch die westgotische Interpretation zum Codex Theodosianus mit der sponsalitia largitas gleichgesetzt.102 Da ebenso donatio ante nuptias bzw. donatio nuptialis im Recht der Lex Romana Visigothorum mit gleicher Bedeutung verwendet werden, zeigen die Synonyme sowie die Aufnahme der arra in die Reihe dieser Synonyme, dass die begriffliche Differenzierung des römischen Rechts in diesem Punkt aufgegeben wurde. Im Gegensatz zum westgotischen Recht differenziert das burgundische Recht zwischen arra und donatio nuptialis.103 Dabei bezeichnet arra wie das römische Recht das Verlobungspfand, wohingegen mit donatio nuptialis die Vgl. Kaser, RP II2, § 213 II, III. So z. B. in CTh 4, 6, 7 (426); C. 5, 5, 4 (392). 96 CTh 4, 6, 7 (426); die Bezeichnung donatio nuptialis wird in der westgotischen Interpretation aufgegriffen – LRV CTh 3, 5, 1 mit IT. 97 CTh 3, 16, 2 pr. (421); es findet sich auch die synonyme Bezeichnung largitas donatio; s. Nov. Mai. 6, 8 (452). 98 Kaser, RP II2, § 224 I; vgl. ferner Mitteis, 256 ff. 99 s. Johlen, 57. 100 s. Kaser, RP II2, § 224 I Fn. 2. 101 Vgl. Kaser, RP II2, § 216 I, II m.w. N. 102 Dies ergibt sich aus der Gesamtschau der Interpretationen zu LRV CTh 3, 5; s. Johlen, 57. 103 LRB 37 § 1; LRB 27 §§ 1, 2. 94 95

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F. Vulgarrecht in den Leges?

Vermögensleistung benannt wird, die zur Eingehung einer legitimen Ehe erforderlich ist.104 Die Bezeichnung sponsalitia largitas war hingegen im burgundischen Recht wohl unbekannt.105 Das burgundische Recht zeigt aber Aufweichungen in der begrifflichen Differenzierung zwischen donatio nuptialis und dos, da sich beide mit gleicher Bedeutung im Sinne einer Vermögensleistung des Mannes an die Frau im Zuge der Eheschließung finden.106 Dass die Unterscheidung dieser nach römischen Recht verschiedenen Rechtsinstitute nach der Lex Romana Burgundionum noch nicht vollständig aufgehoben war, zeigen die Vorschriften über das Anfallen der dos bzw. der donatio an Hauskinder im Falle des Versterbens eines Elternteils, in denen beide Begriffe gleichberechtigt nebeneinander verwendet werden.107 d) Pretium Der Brautpreis, dessen Zahlung das burgundische Recht verlangte, ist in der Lex Burgundionum mit dem Begriff pretium bezeichnet.108 In den römischrechtlichen Quellen wird pretium indes mit dem schlichten Sinngehalt „Preis“, „Kaufpreis“ oder „Geldwert“ verwendet.109 Dieser ursprünglichen römischrechtlichen Bedeutung steht der germanische Brautpreis nahe. Da das römische Recht keine Brautpreiszahlung kannte, der burgundische König sich aber der lateinischen Rechtssprache bediente, wurde pretium auch für die Brautpreiszahlung verwendet, jedoch die ursprüngliche Wortbedeutung durch einen klarstellenden Zusatz erweitert, aus dem sich ergab, zu welchem Zweck die Leistung des pretium diente.110 Der burgundische Gesetzgeber bediente sich indes lediglich eines römischen Rechtsbegriffes, um in der allgemein gültigen Rechtssprache ein spezifisch germanisches Rechtsinstitut zu regeln. Vulgar im Sinne der Vulgarrechtslehre ist dies daher nicht. Im Übrigen entspricht die verwandte Rechtsterminologie den jeweils herangezogenen römischen Vorbildern; ein Niedergang der juristischen Fähigkeiten zur Differenzierung kann im Wirken der germanischen Gesetzgeber über die angeführten Beispiele hinaus nicht festgestellt werden.

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Vgl. oben Kapitel D. I., III. 2.; Johlen, 61. Johlen, 61. 106 LRB 37 § 1; LRB 21 § 3. 107 LRB 21 § 3; LRB 22 § 2; LRB 26; Johlen, 111. 108 LB 66 § 1 und § 2; LB 69 § 1, § 2; LB 86 § 2; LB 101; LB 12 § 4 und LB 52 § 3 (jeweils nutpiale pretium); LB 12 § 1, § 2 (pretium puellae); LB 14 § 3 und LB 34 § 2 (jeweils pretium uxoris). 109 Z. B. Ulp. D. 35, 2, 62, 1; Ulp. D. 18, 1, 7, 2; Paul. D. 19, 4 pr.; zur Bedeutung des pretium in der Lex Salica, z. B. in PLS 50 § 3 s. Siems, 69 f. 110 Nuptiale pretium; pretium puellae; pretium uxori – s. oben Kapitel D. III. 2. 105

II. Vulgarrechtliche Merkmale der Leges?

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2. Volkssprachliche Begriffe Wieacker zufolge können regionale Einflüsse, zu denen auch Dialekte gerechnet werden, von vulgarem Stil zeugen.111 Daraus ergibt sich, dass auch volkssprachliche Begriffe in den Leges als vulgarrechtliches Merkmal dienen können.112 Gleichzeitig sind volkssprachliche Begriffe dazu geeignet, auf eine Herkunft der betroffenen Norm aus dem vulgus hinzuweisen. In den untersuchten Kodifikationen sind volkssprachliche Bezeichnungen selten, im Bereich des Eherechts nur in einigen Fällen festzustellen. Die volkssprachlichen Ausdrücke der Malbergischen Glossen in der Lex Salica haben hierbei außer Betracht zu bleiben, da es sich hierbei um nachträgliche Ergänzungen handelt, die zur Erläuterung des lateinischen Gesetzestexts unter Verwendung von Begriffen aus der fränkischen Gerichtssprache dienten.113 Insbesondere ET c. 54 und PLS c. 44 zeigen die Aufnahme volkssprachlicher Bezeichnungen in den Gesetzestext. ET c. 54 führt anstelle des in der römischen Vorbildnorm CTh 3, 16, 1 (331) verwendeten Begriffes der „conciliatrix“ den wohl der gotischen Sprache entstammenden Ausdruck der „aggagula“ in den Text ein.114 Dabei wird ausdrücklich auf eine Herkunft des Begriffes aus der Sprache des Volkes, des vulgus, hingewiesen,115 womit zugleich ein als vulgarrechtliches Charakteristikum eingestuftes Merkmal erfüllt ist.116 Darüber hinaus finden sich in der untersuchten Ehegesetzgebung der Lex Salica, welche diejenige germanische Kodifikation mit den meisten volkssprachlichen Begriffen ist, einige Elemente aus der fränkischen Volkssprache. So ist in PLS 44 das volkssprachliche Wort „reipus“ enthalten,117 dessen materiellrechtliche Herkunft aus dem fränkischen Gewohnheitsrecht – also auch aus Rechtsvorstellungen des vulgus – bereits oben aufgezeigt wurde.118 Bei „reipus“ handelt es 111

Wieacker, Vulgarismus, 38. Weiterführend zu den volkssprachigen Wörtern der germanischen Kodifikationen s. Schmidt-Wiegand, Die volkssprachigen Wörter der Leges barbarorum, in: Hüpper/ Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 181 ff. 113 s. von Olberg, 25; Buchner, 18; zu den Malbergischen Glossen vgl. Schmidt-Wiegand, Zur Geschichte der Malbergischen Glosse, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 39 ff.; dies., Die Malbergischen Glossen der Lex Salica als Denkmal des Westfränkischen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 51 ff.; dies., Die Malbergischen Glossen, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 78 ff.; dies., Die Malbergischen Glossen der Lex Salica, in: Hüpper/Schott, FG für Ruth Schmidt-Wiegand, 258 ff. 114 s. Johlen, 181; vgl. ferner Lafferty, Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 191. 115 „. . . quam vulgus adpellat aggagulam . . .“; s. ET c. 54. 116 s. Wieacker, Vulgarismus, 13; Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1287. 117 PLS 44; LS 46. 118 Formulae Salicae Merkellianae, 15 (MGH Form. 1, 247); Formulae Salicae Bignonianae, 6 (MGH Form. 1, 230); s. oben Kapitel E. III. 2. 112

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sich aber auch um ein – latinisiertes – genuin fränkisches Wort, dessen Übersetzung im lateinischen Text der Lex Salica Schwierigkeiten bereitet.119 Die Aufnahme des reipus-Begriffes in die salfränkische Kodifikation ist neben dem volkssprachlichen „aggagula“ ein weiteres Merkmal, das als vulgaristisches Charakteristikum tauglich sein könnte. Zudem tritt in PLS 13 § 14 das fränkische Wort druht in seiner latinisierten Form dructis zur Bezeichnung des Hochzeitszuges auf, für den es aus Sicht des salfränkischen Gesetzgebers offenbar keine adäquate lateinische Entsprechung gab.120 PLS 13 enthält in § 1 das frankolateinische Wort screona für die Bezeichnung der Webhütte, aus der die freie Frau entführt wird.121 Schließlich finden sich unter den Bezeichnungen der einzelnen sozialen Schichten in der Lex Salica die volkssprachlichen Wörter (ob)grafio, leti und leodes.122 Das westgotische und burgundische Recht enthält die entsprechende Bezeichnung leudes.123 Das burgundische Eherecht ist überwiegend frei von volkssprachlichen Begriffen. Hier springt lediglich die latinisierte Bezeichnung „witimon“ für den Brautpreis ins Auge.124 3. Sonstige vulgarrechtliche Merkmale Wie bereits in Kapitel A. behandelt, soll an der Art und Weise der Abfassung von Rechtsnormen erkennbar sein, ob diese einen Prozess der Vulgarisierung durchlaufen haben und dadurch zu Vulgarrecht geworden sind. Derartige vulgarrechtliche Charakteristika sind der Vulgarrechtslehre zufolge das „Bedürfnis nach sinnfälliger Anschaulichkeit“,125 das Hervortreten vor allem moralischer Billigkeitserwägungen,126 sowie eine „zuweilen naive Zielstrebigkeit“,127 bei der die klassische Dogmatik einem „primitiven und unsystematischen Zweckstreben“ geopfert wird, das zwar mitunter die praktische Lösung des Einzelfalles anstrebt, jedoch unliebsame Folgen für die Rechtsdogmatik außer Betracht lässt.128 Mit 119 Zur Übersetzung und der volkssprachlichen Herkunft des Begriffes s. oben Kapitel E. III. 2. Fn. 33. 120 Zum Begriff druht vgl. oben Kapitel E. III. 2. Fn. 42. 121 PLS 13 § 1; zum Begriff screona vgl. Hoff, 68 f. und oben Kapitel E. III. 3. m.w. N. 122 Z. B. PLS 51 § 2; PLS 13 § 7; PLS Cap. IV, 107; vgl. von Olberg, 52, 60 ff., 161 ff. 123 LB 101; von Olberg, 61. 124 s. oben Kapitel D. III. 2.; LB 101 „De witimon“; vgl. von Olberg, 25. 125 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1286; Kaser, RP II2, § 193 III 2 a). 126 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1286; Kaser, RP II2, § 193 III 2 a). 127 Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1287; Kaser, RP II2, § 193 III 2 a). 128 Kaser, RP II2, § 193 III 2 a).

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anderen Worten müsste sich in der Ausgestaltung der Normen ein Stil niedergeschlagen haben, der sich anhand der Art der Rezeption römischer Rechtssätze, namentlich in Form von Vereinfachungen, Verknappungen und Zusammenfassungen oder affektbestimmter Erwägungen erkennen lässt und als vulgaristisch bezeichnet werden könnte.129 a) Westgotisches Recht Im westgotischen Recht ist wichtigste und umfangreichste Rechtsquelle die Lex Romana Visigothorum. Sie stellte die aktuell gültige römische Rechtslage dar,130 indem das römische Recht kompiliert und kommentiert wurde, jedoch die herangezogenen Quellen in dem von der Vorbildquelle vorgegebenen systematischen Zusammenhang belassen und schlicht aneinandergereiht wurden, ohne sie wie Justinian in ein neues System zu bringen.131 In der Lex Visigothorum, wurde auf Initiative des Königs das im toledanischen Westgotenreich gültige Recht überarbeitet und neu gefasst. Diese Kodifikation enthält eigene ausgearbeitete Normen, ist jedoch wesentlich ausführlicher und umfassender gehalten als die burgundischen Kodifikationen oder das Edictum Theoderici. Da das Breviarium Alaricianum seiner Art der Abfassung nach Anspruch auf Vollständigkeit erhob, handelt es sich um diejenige Kodifikation, in der das Recht der Ehevoraussetzungen am umfassendsten behandelt wird. Gleichzeitig weisen die Normen des Breviars, die fast vollständig wörtlich aus den Vorbildquellen übernommen worden sind, wenige der eben genannten, möglicherweise vulgarrechtlichen Merkmale auf. Das Verfahren, die relevanten Quellen wortgleich zu rezipieren, führt dazu, dass in der Lex Romana Visigothorum ein Streben nach Vereinfachung so gut wie nicht zu erkennen ist. So wurde die theodosianische Vorbildnorm CTh 3, 5, 11 (380) über die Pflicht zur vierfachen Erstattung der arra, wenn dem Verlöbnis nicht innerhalb von zwei Jahren eine Heirat nachfolgte, als LRV CTh 3, 5, 6 wortgleich in das Breviar übernommen. In der interpretatio wird diese Sanktion erläutert, ohne aber die Norm zu vereinfachen. So fand keine Rückführung der umständlichen Formulierung auf den Grundsatz statt, dass derjenige, der seine Tochter trotz wirksamer Verlobung anderweitig verheiratete bzw. nicht innerhalb von zwei Jahren dem Verlobten als Ehefrau gab, die erhaltene arra vierfach zurückerstatten musste. Jedoch zeigt sich bei den Regelungen des westgotischen Inzestverbots in Ansätzen ein Bestreben nach Vereinheitlichung der Rechtslage: Das Inzestverbot des Breviarium Alaricianum legte einheitliche Rechtsfolgen für eine inzestuös geschlossene Ehe fest. Wie gezeigt, wurde zunächst der Kreis der Sanktionen des 129 130 131

Vgl. Kaser, RP II2, § 193 III 2 a). Johlen, 184. s. Wenger, § 77 VI 1.

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incestum durch die interpretatio um die Infamie erweitert.132 Gleichzeitig wurde die Kapitalstrafe als Sanktion des incestum nicht in das Breviar aufgenommen und dadurch CTh 3, 12, 1 (342) abgeschafft. So wurde eine einheitliche Regelung der Rechtsfolgen des Inzests geschaffen. Gleichwohl unterlief dem westgotischen Interpretator ein Fehler, der sich auf die Rechtslage auswirkte, da offenkundig versehentlich die Infamiefolge in der interpretatio auf die aus inzestuöser Verbindung stammenden Kinder erstreckt wurde.133 Ein weiteres vulgarrechtliches Merkmal, das sich an zwei Punkten in der westgotischen Ehegesetzgebung erkennen lässt, ist das Bedürfnis nach sinnfälliger Anschaulichkeit, die mit gesteigertem Rechtsformalismus einhergeht: Zum einen handelt es sich dabei um die Publizitätsakte – domum deductio, pompa, Dosbestellung durch Dotalurkunde –, die mit der Eheschließung zur Äußerung des Ehewillens in der Regel einhergingen.134 Auf diese Weise sollte die affectio maritalis leichter nachvollzogen werden können. Zum anderen ist auch die Scheidung nach dem westgotischen Recht einem starken Rechtsformalismus unterworfen: Da auf die Publizität des Scheidungsaktes großen Wert gelegt wurde, setzt LRV CTh 3, 16, 1 die Form des libellus repudii für die Scheidung voraus. Auch in der Lex Visigothorum wird die Form des repudium mittels Scheidebrief vorausgesetzt.135 Die zusätzlich in LV 3, 6, 2 erwähnten Zeugen, die der Scheidung beiwohnen,136 erhöhen – über die Vorgaben der römischen Vorbildnorm CTh 3, 16, 1 (331) hinaus – das Publizitätserfordernis und tragen dem Bedürfnis Rechnung, die Übergabe des Scheidebriefes leichter beweisbar zu machen. Mit Ausnahme des Zeugenerfordernisses, welches der westgotischen Gesetzgebung zugeschrieben werden kann, stammen die übrigen aufgeführten Formalismen sämtlich aus dem nachklassischen römischen Recht und wurden in die westgotischen Kodifikationen unverändert aufgenommen. b) Ostgotisches Recht Das Recht des Edictum Theoderici zeigt einerseits eine gute Kenntnis des ostgotischen Königs und seiner juristischen Berater von dem überlieferten römischen Recht. Andererseits ist das Edikt Beleg dafür, dass das juristische Fachwissen im italischen Ostgotenreich so gut war, dass der ostgotische König in der Lage war, zu beurteilen, welche Punkte akut regelungsbedürftig waren. Weiter war die Fähigkeit vorhanden, aus römischrechtlichen Vorbildnormen den materiellen Inhalt zu extrahieren und in eigener, zumeist sehr stark verknappter For132 133 134 135 136

Vgl. oben Kapitel B. V. 2. b); Ubl, 196. Vgl. oben Kapitel B. V. 2. b); LRV CTh 3, 12, 2 mit IT (CTh 3, 12, 3 (396)). LRV CTh 3, 7, 3 = CTh 3, 7, 3 (428); s. oben Kapitel B. III. 2.; s. Kaser, RP II2, I 2. LV 3, 6, 2 (Chindasvinth); vgl. oben Kapitel B. IV. 1. Vgl. oben Kapitel B. IV. 1.; Levy, Ehescheidung, 134.

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mulierung im theoderizianischen Edikt einer Regelung zuzuführen, ohne direkt das römische Recht in Bezug zu nehmen.137 Dennoch finden sich in den oben in Kapitel 3 behandelten eherechtlichen Vorschriften des Edictum Theoderici Merkmale, die möglicherweise auf vulgare Einflüsse auf die Gesetzgebung hindeuten: Nach den in Kapitel 3 gefundenen Ergebnissen wurde im Zuge der Regelungen des crimen raptus aus dem Codex Theodosianus – aus CTh 9, 24, 1, (320/ 326) – geschöpft.138 Dabei ist festzustellen, dass der ostgotische Gesetzestext die im römischen Vorbild geregelten Fälle übernimmt, allerdings dessen ausführliche und umständliche Formulierungen durch eigene, präzise Ausdrucksweise ersetzt und somit nach Vereinfachung strebt. In ET c. 17 wird zudem ausdrücklich die Sanktion festgelegt, die in der Kapitalstrafe bestand, jedoch im römischen Vorbild nicht enthalten war. Hierbei handelt es sich um eine Klarstellung gegenüber der römischen Vorbildnorm, die nicht nur in verknappender Formulierung seitens des ostgotischen Gesetzgebers besteht. In CTh 9, 24, 1, pr. (320), in welcher der ET c. 17 entsprechende Fall der Entführung einer freien Witwe durch einen Sklaven geregelt ist, fehlt nämlich die Festsetzung der Sanktion gegen Räuber und Frau, wohingegen in CTh 9, 24, 1, 1–4 (320/326) die Strafe für alle betroffenen Gehilfen ausdrücklich erwähnt ist. Im Text des Codex Theodosianus findet sich die Festsetzung der Kapitalstrafe gegen den Frauenräuber erst in CTh 9, 24, 2 (349), einer jüngeren Konstitution des Kaisers Constantius II. ET c. 17 bewirkt daher nicht nur eine Vereinfachung des Gesetzestexts, sondern schließt eine Regelungslücke, die bei der Rezeption der Vorbildnorm offenkundig erkannt wurde. Eine Rezeption von CTh 9, 24, 2 (349) war dann nicht mehr erforderlich. Abgesehen von der Vereinfachung, die als taugliches Merkmal für Vulgarrecht angesehen werden kann, bringt der Regelungskomplex des crimen raptus zudem auch systematische Veränderungen im Vergleich zur römischrechtlichen Vorbildnorm mit sich: Zwar hält sich das ostgotische Edikt bei den Regelungen des crimen raptus in ET c. 17–20 im Wesentlichen an die systematischen Vorgaben der theodosianischen Vorbildnorm. Darüber hinaus sah sich Theoderich der Große dazu veranlasst, den Titel ET c. 92 in das Edikt aufzunehmen. Dieser Titel stellt – wie zuvor ausgeführt – klar, dass der wirksam Verlobte an seiner Braut kein crimen raptus begehen konnte, und ist systematisch an sich den Titeln ET c. 17– 20 zuzuordnen.139 ET c. 92 ist redundant, da sich derselbe Inhalt e contrario bereits aus der Vorbildnorm CTh 9, 24, 1 (320) ergibt, die ET c. 17–20 zugrunde liegt. Die Schaffung eines eigenen Titels diente indes der weiteren Klarstellung. Allerdings löste sich der ostgotische Gesetzgeber von der Systematik der Vorbildnorm, indem er den neuen Titel im Edikt getrennt von den übrigen, an CTh 137 Eine Ausnahme ist der direkte Hinweis auf das hergebrachte römische Recht in ET c. 143 bezüglich der Rechtsverhältnisse der Juden. 138 ET c. 17–19; ET c. 92; vgl. Kapitel C. IV. 2. 139 ET c. 92; vgl. oben Kapitel C. II.

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9, 24, 1 (320/326) orientierten Vorschriften ansiedelte, nämlich in neuem systematischem Zusammenhang mit Vorschriften über die Hausgewalt.140 Die Regelungen des Edictum Theoderici über das crimen raptus mag man deshalb als handwerklich wenig gelungen empfinden, jedoch wurden sie inhaltlich entsprechend der römischen Rechtslage und somit nicht vulgarrechtlich gestaltet. Nahezu durchgehend lässt sich feststellen, dass die Capita des Edictum Theoderici die römischen Vorbildnormen knapp zusammenfassen, ohne hierbei eine inhaltliche Veränderung zu bringen.141 Das Bestreben, den Inhalt des römischen Rechts zusammenfassend zu rezipieren, zeigt sich auch in Titel ET c. 61 über die Unzucht der freien Frau mit einem Sklaven. Hier werden CTh 9, 24, 2 (349) und CTh 9, 25, 1 (354) zu einem kurzen Titel mit deutlich formulierter Rechtsfolge zusammengefasst. Der ostgotische König nahm allerdings zusätzlich noch eine moralische Wertung vor, die in den römischen Vorbildnormen nicht enthalten ist, indem die geschlechtliche Verbindung der freien Frau mit einem Sklaven als besonders verwerflich eingestuft wird.142 In einem Punkt – im Falle des Titels ET c. 36 – führt das Streben des ostgotischen Herrschers nach Bestätigung und Vereinfachung des römischen Rechts zu dogmatischen Unklarheiten. Nach der hier vertretenen Auffassung bestehen zwar deutliche Anhaltspunkte für eine Orientierung des ostgotischen Gesetzgebers an Gai. Inst. I, 64 und CTh 3, 12, 1 (342) u. 3 (396), jedoch sollte ET c. 36 nicht nur das Inzestverbot regeln, sondern eine Vorgabe über die Legitimität der Nachkommen aus einer illegitimen Ehe treffen. Hierunter sollten alle Ehehindernisse fallen.143 Die Kürze der Norm lässt allerdings dogmatische Klarheit vermissen, da lediglich von „nuptias non legitimas“ gesprochen, aber die Reichweite der Norm nicht deutlich gemacht wird. Es steht zu vermuten, dass im Zuge der Abfassung des Titels ET c. 36 nicht bedacht wurde, dass die Kürze sich zum Nachteil der Klarheit auswirken würde. Schließlich enthält ET c. 54 durch das Formerfordernis des libellus repudii im Zuge der Scheidung einen Rechtsformalismus, der wie im westgotischen Recht aus der nachklassischen Überlieferung des römischen Rechts übernommen wurde.144

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ET c. 92–95. So z. B. ET c. 38; ET c. 66, 67; ET c. 54 ist eine Ausnahme, weil dieser Titel eng an CTh 3, 16, 1 (331) orientiert ist; zusätzlich sind materielle Abweichungen bezüglich der Rechtsfolgen vorhanden. 142 ET c. 61; insoweit ist auch ein moralisierendes Element im Sinne der Vulgarrechtslehre vorhanden, s. Kaser, RP II2, § 193 III 2 a); Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1287. Jedoch fehlt es an einer Umgestaltung gegenüber der römischen Rechtslage. 143 Vgl. oben Kapitel C. VI. 1.; a. A. Ubl, 108. 144 ET c. 54; vgl. oben Kapitel C. V. 141

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c) Burgundisches Recht Die burgundischen Kodifikationen zeigen nur wenige der oben genannten Merkmale. Jedoch sind das Streben nach Vereinfachung sowie ein Fall einer affektiv bestimmten Billigkeitserwägung festzustellen. Insgesamt zeichnen sich die burgundischen Normen weitgehend durch sowohl sprachliche als auch juristische Klarheit aus. Ihr Latein ist „weit weniger vulgarisiert als das der übrigen Stammesrechte.“ 145 Gleichzeitig zeugen die beiden burgundischen Kodifikationen von ausgeprägter Kenntnis des überkommenen römischen Rechts. Auffällig ist die zumeist knappe Fassung der burgundischen Rechtsnormen,146 die zudem im Falle der Benutzung römischen Rechts oftmals begrifflich deutlich an der Vorbildnorm angelehnt, gleichwohl aber aus eigenständiger Formulierung des burgundischen Gesetzgebers entstanden ist. Darüber hinaus ist Verweisungstechnik ein wiederkehrendes Charakteristikum der burgundischen Gesetzgebung, wobei eine Rechtsfrage geregelt und ausdrücklich auf die – zumeist theodosianische – Vorbildnorm verwiesen wurde.147 Die burgundischen Normen sollten so Klarheit und Übersichtlichkeit herstellen, wo das überlieferte römische Recht in den Augen des burgundischen Gesetzgebers solche vermissen ließ.148 Derartige Gesetzgebungstechnik diente mithin dem Ziel der Vereinfachung des Rechts. Die eherechtlichen Vorschriften verweisen direkt auf die jeweilige aus dem Codex Theodosianus entlehnte Vorbildnorm z. B. in Vorschriften über den Frauenraub,149 die Ehescheidung,150 das adulterium151 und über Verbindungen mit Unfreien.152 Das gewünschte Ergebnis, durch Verweisungstechnik Klarheit über die römische Rechtslage zu schaffen, wurde nicht in allen Fällen erreicht. So ist die Verweisung in LRB 25 auf Nov. Mai. 9 (459) fehlerhaft. LRB 25 räumt ebenso wie LB 68 dem Ehemann, der seine Frau auf frischer Tat beim Ehebruch ertappte, ein sofortiges Tötungsrecht ein.153 Dieses Recht ist indes in der Novelle, auf die Be145

Nehlsen, Lex Burgundionum, in: HRG 2, 1907. Johlen zufolge wurde das „bekannte römische Recht in stark verkürzter Form, eigentlich ähnlich der Form von Merksätzen, übernommen“, Johlen, 186. 147 Im Übrigen bestand eine pauschale Verweisung auf das überkommene römische Recht in LB Prima Constitutio §§ 6, 7. 148 s. Siems, 159. 149 LRB 9 § 3 (Legitimitätsfiktion nach Ablauf von fünf Jahren) verweist auf CTh 9, 24, 3 (374); LRB 9 § 4 (die Entführung einer gottgeweihten Frau) verweist direkt auf CTh 9, 25, 1 (354) und CTh 9, 25, 2 (364). 150 LRB 34 § 3 verweist unter Nennung der Titelüberschrift („De reputiis“) auf CTh 3, 16, 1 (331). 151 LRB 25 verweist auf Nov. Mai. 9 (459), vgl. hierzu bereits Kapitel D. IV. 1. Fn. 82; vgl. Rüegger, 178 ff. 152 LRB 37 § 6 verweist direkt auf die Konstitution Valentinians III. Nov. Val. 31, 5 (451), sogar unter Nennung der Titelüberschrift „de advenis“. 153 LRB 25; LRB 68 §§ 1, 2. 146

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F. Vulgarrecht in den Leges?

zug genommen wird, gerade nicht enthalten, so dass aufgrund eines offenkundigen Missverständnisses der Novelle Nov. Mai. 9 (459) die Verweisung in diesem Fall ins Leere geht.154 Im Falle der Entführung von Nonnen und Witwen bringt die Verweisung auf die theodosianische Vorbildnorm Klarheit, welche die Fassung des Titels LRB 9 § 4 selbst vermissen lässt. Indem auf CTh 9, 25, 1 u. 2 (354/364) verwiesen wird, bestätigt sich die Annahme, dass in LRB 9 § 4 auch von der Witwenentführung gehandelt wird.155 Die Witwe wurde bei Abfassung des Titels LRB 9 § 4 wohl versehentlich nicht berücksichtigt. Der Titel LB 34 § 3 über die Ehescheidung verweist inzident auf CTh 3, 16, 1 (331), jedoch unterlief bei der Redaktion im Zuge der Abfassung des Titels ein Fehler, indem in LB 34 § 3 die Scheidungsgründe des Mannes eine Kombination der in CTh 3, 16, 1 (331) aufgeführten Scheidungsgründe des Mannes und der Frau bilden.156 Von echter materiellrechtlicher Relevanz sind die genannten Redaktionsversehen aber nicht. Ein Streben nach Vereinfachung lässt sich im burgundische Eherecht noch an weiteren Stellen bemerken: LRB 27 §§ 1, 2 bestimmt wie gezeigt die Verpflichtung, einem Verlöbnis innerhalb von zwei Jahren die Eheschließung folgen zu lassen, wobei anderenfalls die gegebene arra vierfach zurückzuerstatten ist, wenn der Grund für das Scheitern der Heirat auf Seiten der Brautfamilie zu suchen war. Allerdings wurden die Differenzierungen nach dem Lebensalter der Frau weggelassen, die die römische Vorbildnorm CTh 3, 5, 11 (380) bei gleicher Rechtsfolge enthalten hatte,157 so dass LRB 27 §§ 1, 2 im Vergleich zu CTh 3, 5, 11 (380) präziser abgefasst ist.158 Eine weitere Vereinfachung enthält LRB 16 §§ 1, 2. Hier wird unter Verweisung auf CTh 3, 16, 2 (421) die Wiederverheiratung geschiedener und verwitweter Frauen nach Ablauf der Einjahresfrist behandelt. Geschiedene und verwitwete Frau wurden in einem Titel zusammengefasst und das hergebrachte römische Recht aus praktischen Gründen vereinfacht.159 Da sowohl für geschiedene als auch verwitwete Frauen die einjährige Wartefrist für die Wiederheirat galt, bot es sich an, dies in einem Titel gemeinsam zu behandeln. 154

Vgl. Rüegger, 178 ff.; vgl. oben Kapitel D. IV. 2. u. Fn. 102. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Titelüberschrift zu LRB 9 „De raptibus virginum et viduarum.“ 156 Wohingegen ausweislich LB 34 § 1 eine Scheidung der Frau bei Todesstrafe verboten war; in LRB 21 hingegen, wo ausdrücklich auf CTh 3, 16, 1 (331) verwiesen wird, sind die Scheidungsgründe des römischen Rechts vollständig und korrekt zugeordnet aufgeführt. 157 LRB 27 §§ 1, 2; CTh 3, 5, 11 (380); hierzu oben Kapitel D. I. 158 Auf diese Weise wurde – ohne wirkliche Umgestaltung der Rechtslage – eine im Vergleich zu den einschlägigen römischen Vorbildnormen vereinfachte und übersichtlichere Regelung geschaffen. 159 Eine Verweisung auf den Titel über die Wiederverheiratung der Witwe nach Ablauf der Jahresfrist – CTh 3, 8, 1 (381) – fehlt allerdings; zur Vereinfachung s. auch Johlen, 186. 155

II. Vulgarrechtliche Merkmale der Leges?

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Die Scheidung nach der Lex Romana Burgundionum erforderte wie die Scheidung nach den gotischen Kodifikationen ein hohes Maß an Publizität, um sie nachvollziehbar und beweissicher zu gestalten. Diese Publizität wurde durch das Formerfordernis des Scheidebriefes gewährleistet.160 Schließlich findet sich in der Lex Burgundionum mit dem sog. „AunegildSkandal“ eine Norm, die eine Begründung zur Lösung des behandelten Rechtsfalles enthält, die sich als affektiv bestimmt einstufen lässt, indem das Absehen von der Todesstrafe in dem dort zugrundeliegenden Rechtsfall mit der Ehrfurcht vor dem Osterfest begründet wurde.161 Gleichzeitig darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der getroffenen Entscheidung eine gesellschaftspolitische Zielrichtung zugrunde lag.162 d) Salfränkisches Recht Die Lex Salica ist offenkundig durch ihr schwer verständliches Latein die sprachlich am stärksten vulgarisierte Lex. Gleichzeitig ist aber das Eherecht in der Lex Salica selbst lediglich fragmentarisch geregelt, was den Bestand möglicher vulgarrechtlicher Normen in diesem Bereich von vornherein stark reduziert. Dennoch sind in den Normen, die nachweislich auf römische Vorbilder zurückzuführen sind, Formalismen ebenso wie Redaktionsfehler festzustellen, welche auf ein mangelhaftes Verständnis der römischen Rechtsnormen hinweisen. Wie gezeigt wurde im Zuge der Abfassung des Titels PLS 44 (de reipus) die theodosianische Vorschrift CTh 3, 7, 1 (371) nutzbar gemacht. Darüber hinaus verlangt PLS 44 § 1, dass der Brautwerber vor dem Thing einen Schild trägt und drei Männer drei Fragen beantworten. Dieser archaisch anmutende Formalismus geht über den römischen Text des Vorbilds CTh 3, 7, 1 (371) hinaus. Hierin ist eine Steigerung des Rechtsformalismus und somit ein „Bedürfnis nach sinnfälliger Anschaulichkeit“ 163 zu sehen. Darüber hinaus enthält das salfränkische Inzestverbot in PLS 13 § 11 ein Redaktionsversehen, das von einem mangelhaften Verständnis des überkommenen römischen Rechts zeugt: PLS 13 § 11 entspricht dem Wortlaut der interpretatio des Breviarium Alaricianum zu CTh 3, 12, 3 (396). Der westgotische Interpretator deutete den Inhalt von CTh 3, 12, 3 (396) dahingehend fehl, dass die aus der inzestuösen Verbindung hervorgehenden Kinder der Infamie unterfallen sollten. Der Wortlaut des Titels CTh 3, 12, 3 (396) – in dem die Infamiefolge behandelt wird – bezieht indes diese nicht auf die Kinder. Das Missverständnis des westgotischen Gesetzgebers wurde im salfränkischen Recht unkritisch übernommen. 160 161 162 163

LRB 21 §§ 1–3; s. oben Kapitel D. IV. 1. LB 52; hierzu bereits oben Kapitel D. I. s. oben Kapitel D. I. und Kapitel F. 2. a). Kaser, RP II2, § 193 II 2 a).

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F. Vulgarrecht in den Leges?

Zwar ist auch der aufgezeigte propagandistische Hintergrund zu beachten, der dem Erlass des Inzestverbots durch Chilperich I. zugrunde lag, jedoch belegt die unreflektierte Übernahme der fehlerhaften Interpretation in den regulären Gesetzestext zugleich ein fehlendes Verständnis für das römische Recht.

III. Materiellrechtliche Veränderungen durch Vulgarrecht? Kaser als Vertreter der Vulgarrechtslehre behauptet, dass der Vulgarrechtsbegriff „sich auf alle Einrichtungen, Begriffe und Regeln anwenden [lässt], die in ihrer Wesenheit – nicht nur in der Ausdrucksweise der sie darstellenden Quellen – die Preisgabe der disziplinierten, an gefestigte Zunftregeln gebundenen klassischjuristischen Begrifflichkeit zeigen.“ 164 Kaser zufolge ist „in jedem Fall“ eine deutliche Abweichung der vulgarrechtlichen Institutionen und Regeln von den klassischen gegeben.165 Diese These ist nun im Lichte der oben herausgearbeiteten Ergebnisse und Kriterien für das Recht der Ehevoraussetzungen auf ihre Berechtigung zu untersuchen, so dass in einem neuen Schritt die eben behandelten Auffälligkeiten bezüglich inhaltlicher Veränderungen der betroffenen Rechtsinstitute im Vergleich zur römischen Rechtstradition in Augenschein genommen werden müssen. Die Anzahl der festgestellten Auffälligkeiten, die auf Stilmerkmale hindeuten, welche als vulgaristisch bezeichnet werden könnten, übersteigt deutlich die Anzahl der Punkte, bei denen dies zu echten Veränderungen der Rechtsinstitute führt. Lediglich in den Bereichen des mit der Eheschließung zusammenhängenden Güterrechts, des Inzestverbots sowie der Wartefrist bei Wiederheirat finden sich materielle Veränderungen, welche in die von der Vulgarrechtslehre ausgearbeiteten Kriterien eingeordnet werden können. 1. Güterrecht Das eheliche Güterrecht – in Form der im Zuge der Eheschließung zu erbringenden Vermögensleistungen – bietet im Vergleich zur römischen Rechtslage die meisten und auffälligsten materiellrechtlichen Veränderungen. Diese gehen über terminologische Unschärfen hinaus und führen tatsächlich zu dogmatischen Umgestaltungen der betroffenen römischen Rechtsinstitute. Wie gezeigt, verliert sich im westgotischen Recht die Differenzierung zwischen Verlobungspfand und Eheschenkung durch Gleichsetzung der hierfür verwendeten Rechtsbegriffe: Die nach römischem Recht ohnehin untechnisch nebeneinander verwendeten Begriffe donatio ante nuptias, donatio nuptialis und sponsalitia largitas wurden durch den westgotischen Interpretator in den Inter164 165

Kaser, RP II2, § 193 III 3 a). Kaser, RP II2, § 193 III 3 a).

III. Materiellrechtliche Veränderungen durch Vulgarrecht?

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pretationen des Breviarium Alaricianum mit der Verlobungs-arra gleichgesetzt.166 Beide Rechtsinstitute, die dem klassischen römischen Recht noch unbekannt waren,167 wurden nun in der Lex Romana Visigothorum in Abweichung zum nachklassischen römischen Recht als unentgeltliche Zuwendung des Mannes an die Frau verstanden, deren rechtlicher Bestand an das Zustandekommen der Ehe geknüpft war.168 Die differenzierte Unterscheidung des römischen Rechts zwischen sponsalitia largitas/donatio nuptialis, die ihren Ursprung in sozialüblichen Verlobungsgeschenken hatte,169 und der arra als echtem Verlobungspfand, entfiel nach der Lex Romana Visigothorum. Die praktische Relevanz des Verlustes juristischer Differenziertheit in diesem Punkt wird gleichwohl gering gewesen sein, da es sich in jedem Falle um eine Leistung des Mannes an die Braut handelte, die im Zusammenhang mit dem abgegebenen Eheversprechen stand. In der Lex Romana Burgundionum wurde zwar begrifflich zwischen arra und donatio nuptialis differenziert. Jedoch ist auch das burgundische Recht hierbei nicht frei von materiellrechtlichen Veränderungen, die auf ein weniger ausdifferenziertes Verständnis des römischen Rechts hindeuten. Die arra sponsalitia wurde im Recht der Lex Romana Burgundionum im Wesentlichen so verstanden, wie im nachklassischen römischen Recht. Das im burgundischen Recht bekannte Erfordernis der Brautpreiszahlung170 führte jedoch zu einer engeren inhaltlichen Verknüpfung der arra mit der donatio nuptialis, wobei die arra einen selbständigen und abtrennbaren Teil eines Brautpreises bildete.171 Wesentlich auffälliger ist für das burgundische Recht allerdings, dass dort nicht zwischen donatio nuptialis und dos differenziert wurde, was zu einer Gleichsetzung dieser beiden verschiedenen römischen Rechtsinstitute führte. Daraus ergab sich ein weiteres rechtliches Phänomen, nämlich der Gegensatz zwischen der sog. deutschrechtlichen und der römischrechtlichen dos: Nach dem klassischen römischen Recht war die dos eine Vermögenszuwendung, die von Seiten der Frau bzw. ihrer Familie im Zuge der Eheschließung an den Mann erbracht wurde, wobei der Mann sittlich dazu verpflichtet war, die Frau an seinem Vermögenszuwachs partizipieren zu lassen.172 Es bestand zwar keine Pflicht zur Dotierung, jedoch grenzte die Dotierung der Ehe das matrimonium legitimum vom Konkubinat ab.173 Die sittliche Pflicht des paterfamilias 166

Vgl. oben Kapitel F. II. 1.; Johlen, 57. Kaser, RP II2, § 224 I. 168 Kaser, RP II2, § 224 I. 169 Kaser, RP II2, § 224 I. 170 Pretium-Zahlung, s. oben Kapitel D. III. 2. 171 Hierzu oben Kapitel D. III. 2.; so auch im salfränkischen Recht, vgl. oben Kapitel E. III. 2. 172 Kaser, RP I2, § 80 I 1. 173 Kaser, RP I2, § 80 I 1. 167

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F. Vulgarrecht in den Leges?

oder der Frau sui iuris zur Dosbestellung, die in erster Linie der Frau als Versorgungsgrundlage für den Fall des Scheiterns der Ehe dienen sollte, näherte sich in nachklassischer Zeit einer Rechtspflicht an. Die Leistung der dos war durch Dotalurkunde zu dokumentieren.174 Für den germanischen Rechtskreis wird bereits bei Tacitus von einer dos berichtet, die sich allerdings gravierend von der römischrechtlichen durch die Leistungsrichtung unterschied, weil sie im Zuge der Eheschließung vom Mann an die Frau erbracht wurde.175 Mit dieser germanischen Rechtstradition mag es zu erklären sein, dass das burgundische Recht einen Verlust der juristischen Differenzierung zwischen donatio nuptialis und dos zeigt und nach der Lex Romana Burgundionum hierunter eine vermögensrechtliche Leistung des Mannes an die Frau verstanden wird.176 Das Verständnis der dos nach der Lex Romana Burgundionum entsprach somit dem germanischen Rechtsdenken, das sich bezüglich der dos ebenfalls in der anderen burgundischen Kodifikation widerspiegelt.177 Allerdings weist nicht nur das burgundische Recht die Tendenz auf, römische und germanische dos zu verwechseln, auch das westgotische Recht ist hiervon nicht frei. In der Lex Romana Visigothorum werden einzelne Rechtssätze, die die donatio ante nuptias betreffen, auf die dos bezogen.178 Da die einschlägigen Quellen der Lex Visigothorum die dos im germanischen Sinne verstehen,179 zeigt sich auch im westgotischen Recht ein Verlust der römischen juristischen Differenzierung. Dies war bedingt durch ein ähnliches germanisches Rechtsinstitut, das sich indes der Leistungsrichtung nach vom römischen Recht unterschied und so Verwechslungen förderte. Die begrifflichen Unschärfen der behandelten Kodifikationen führten im Bereich des Ehegüterrechts, das eng mit den Ehevoraussetzungen verknüpft war, zu durchaus erheblichen materiellrechtlichen Veränderungen, die im Sinne der Vulgarrechtslehre vulgarrechtlich sind.

174 Kaser, RP II2, § 220 II; nach Kaser wird die Dosbestellung im nachklassischen Recht durch Hingabe der Dotalsachen in einem einzigen Geschäft erbracht, was Kaser aufgrund des Zusammenfallens von Kausal- und Übereignungsgeschäft als vulgarrechtlich wertet, ebd., § 220 III 2. 175 Tacitus, Germania, c. 18 zieht bereits den Vergleich zum römischen Recht: „dotem non uxor sed uxori maritus offert . . .“; s. Saar, Ehe, 118. 176 LRB 37 §§ 1, 2; LRB 22 § 2. 177 Brunner, Fränkisch-romanische dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 79; in diesem germanischen Sinne ist auch die dos im salfränkischen Recht ausgestaltet, s. PLS Cap. 72, 73; Brunner, ebd., 81. 178 LRV 3, 5, 1; LRV 3, 8, 1; LRV 9, 32, 3; Brunner, Fränkisch-romanische dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 80. 179 LV 3, 2, 8 (Antiqua); LV 3, 5, 3 (Chindasvinth), LV 3, 6, 1 (Antiqua); LV 4, 5, 2 (Chindasvinth); Brunner, Fränkisch-romanische dos, in: Abhandlungen zur Rechtsgeschichte II, 80.

III. Materiellrechtliche Veränderungen durch Vulgarrecht?

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2. Inzestverbot Bei den Vorschriften über das Inzestverbot führten Missverständnisse während der Rezeption dazu, dass im westgotischen und salfränkischen Recht offenkundig unbeabsichtigt eine durchaus erhebliche Abweichung zum überlieferten römischen Recht entstand. Durch die interpretatio zu LRV CTh 3, 12, 2 wurde die Infamiefolge auf die Kinder erstreckt, die der inzestuösen Verbindung entstammten. Dies war jedoch nach römischem Recht in Form der kommentierten Vorschrift des Codex Theodosianus – CTh 3, 12 3 (396) – nicht vorgesehen. Aufgrund eines Missverständnisses des westgotischen Interpretators wurde also der Kreis der Personen erweitert, die von Sanktionen des incestum betroffen waren.180 Noch augenfälliger als im westgotischen Recht ist das mangelhafte Verständnis der römischen Vorbildnormen im Falle des salfränkischen Inzestverbots aus PLS 13 § 11. Der salfränkische Gesetzgeber beschränkte sich hierbei lediglich darauf, römisches Recht abzuschreiben, das er offenkundig in westgotischer Bearbeitung vorfand, um ein eigenes, römischrechtlich geprägtes Inzestverbot zu schaffen. Die Ausarbeitung des salfränkischen Inzestverbots bestand darin, nahezu wörtlich eine wesentliche Passage aus der interpretatio zu LRV CTh 3, 12, 2 in die Lex Salica aufzunehmen, die sich zudem noch systematisch unpassend im Titel über das crimen raptus findet. Die Art und Weise der salfränkischen Rezeption führte dazu, dass das nachklassische Inzestverbot des salfränkischen Rechts unvollständig wirkt und seine Reichweite unklar ist.181 Mit der unkritischen Übernahme des Teils der westgotischen interpretatio, welcher durch den Fehler in der westgotischen Rezeption bereits das materielle römische Recht auf der Rechtsfolgenseite korrumpiert hatte, setzte sich die – jedenfalls teilweise – fehlerhafte Übernahme des römischen incestum durch das westgotische Recht im salfränkischen fort. 3. Publizitäts- und Formerfordernisse Im Bereich der Eheschließung und der Scheidung sind in den Leges teilweise im Vergleich zum klassischen römischen Recht erhöhte Anforderungen an Publizität und Form festzustellen. Bereits im klassischen römischen Recht waren die Heimführung der Frau sowie die Bestellung der dos als Publizitätsakte bekannt. Dort entsprangen sie allerdings dem Brauchtum und dienten als Indizien zur Abgrenzung des matrimonium legitimum zum Konkubinat.182 In nachklassischer Zeit verstärkte sich das Bedürfnis nach Publizität der Eheschließung, weil die 180 181

Kapitel B. V. 2. b). Vgl. oben Kapitel E. V. 2.; dort auch zur Reichweite des salfränkischen Inzestver-

bots. 182

s. Kaser, RP I2, § 80 I 1; vgl. oben Kapitel A. III. 1. c).

208

F. Vulgarrecht in den Leges?

Ehe immer mehr einem Rechtsverhältnis angenähert wurde. Wichtigste Form dieser erhöhten Publizität ist die Bestellung der dos mittels Dotalurkunde.183 Diese nachklassische Rechtslage wurde im westgotischen Breviar unverändert übernommen. Zwar besteht damit im Vergleich zum klassischen römischen Recht eine materiellrechtliche Abweichung, jedoch ist diese auf eine organische Fortentwicklung des Rechts zurückzuführen, was auch von Kaser nicht unter den Vulgarrechtsbegriff gefasst wird.184 Die Scheidung unterlag nach westgotischem, ostgotischem und burgundischem Recht einem Publizitäts- und zugleich Formerfordernis, indem die Scheidung in Form des libellus repudii zu erfolgen hatte.185 Diese Form der Scheidung war dem klassischen römischen Recht noch unbekannt und kam in nachklassischer Zeit – insbesondere durch volksrechtliche Einflüsse im Ostreich – als Form der Ehescheidung auf.186 Da die Scheidung eine Aufkündigung des gemeinsamen Ehewillens darstellte, entstand aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und der Beweisbarkeit das Formerfordernis des repudium mittels Scheidebriefs. Diese Abweichungen vom klassischen römischen Scheidungsrecht zeugen von einer Fortentwicklung römischer Rechtsinstitute in nachklassischer Zeit, die Eingang in die Leges fand und nicht zum Vulgarrecht gerechnet werden kann. Zwar bietet das Scheidungsrecht der Lex Visigothorum Anhaltspunkte für eine noch stärker formalisierte Scheidung vor Scheidungszeugen.187 Nach der hier vertretenen Auffassung dienten die Scheidungszeugen der besseren Dokumentation der Übergabe des libellus repudii und verstärkten auf diese Weise noch die Publizität des Scheidungsaktes. Ungeachtet dessen, dass die Scheidungszeugen ein Zusatz sind, der aus einer germanischen Lex herrührt, handelt es sich hierbei nicht um Vulgarrecht, da das Rechtsinstitut der Scheidung zwar materiell verändert, jedoch in seinem Inhalt nicht erheblich umgestaltet wurde. Lediglich die Form- und Publizitätserfordernisse der Scheidung wurden dadurch noch weiter verschärft. 4. Wartefrist bei der Wiederheirat Die oben behandelte Schaffung eines Gleichlaufes der Fristen vor der Wiederheirat Geschiedener und Verwitweter (im burgundischen Recht) bringt eine Vereinfachung der Rechtslage mit sich.188 Nachdem in klassischer Zeit die Wartefrist für die verwitwete Frau ein Jahr betragen hatte und für die geschiedene Frau eine solche Frist nicht vorgesehen war,189 wies das nachklassische römische 183 184 185 186 187 188 189

s. Kaser, RP II2, § 218 I 2; vgl. oben Kapitel A. III. 2. c). s. Kaser, Vulgarrecht, in: RE IX A.2, 1291; Wieacker, Vulgarismus, 40 f. Vgl. oben Kapitel B. IV. 1.; Kapitel C. V.; Kapitel D. IV. 1. s. Kaser, RP I2, § 77 III 2; Kaser, RP II2, § 219 II 1. LV 3, 6, 2 (Chindasvinth); vgl. oben Kapitel B. IV. 1. mit Fn. 79. LRB 16 §§ 1, 2; vgl. oben Kapitel D. VI. 1., 2. s. Kaser, RP I2, § 74 III.

IV. Vulgarrecht in den Leges und die Berechtigung des Vulgarrechtsbegriffes 209

Recht bei den Wartefristen eine weitergehende Differenzierung auf. Die verwitwete Frau durfte – wie im klassischen Recht – nach Ablauf einer Frist von einem Jahr erneut heiraten;190 die sich berechtigt scheidende Frau nach fünf Jahren, die zu Unrecht verstoßene Frau aber bereits nach einem Jahr.191 Diese Differenzierung nach der Länge der Wartefrist und der Berechtigung der Scheidung entfiel in LRB 16 §§ 1, 2, und die Wartefrist wurde auf ein Jahr festgesetzt, was den leichter zu handhabenden Gleichlauf der Fristen bewirkte. Da die Differenzierung des römischen Rechts zugunsten der Vereinfachung aufgegeben wurde, lässt sich LRB 16 §§ 1, 2 als vulgar nach den Kriterien der Vulgarrechtslehre verstehen. 5. Reipus-Zahlung Die Regelung der Lex Salica über die reipus-Zahlung ist nicht nur aufgrund der volkssprachlichen Auffälligkeit in PLS 44 bemerkenswert. Bei ihr handelt es sich gleichzeitig um eine neue Regelung, durch die infolge salfränkischer Gesetzgebungstätigkeit die materielle Rechtslage gestaltet wurde.192 Da es eine reipusbzw. Brautpreiszahlung sowohl im klassischen als auch im nachklassischen römischen Recht nicht gab, wurde allerdings kein römisches Rechtsinstitut seiner Gestalt nach – vulgarrechtlich – verändert. Vielmehr wurde eine neue Norm im römischrechtlichen Gewand zur Regelung eines salfränkischen Rechtsproblems geschaffen.

IV. Vulgarrecht in den Leges und die Berechtigung des Vulgarrechtsbegriffes Ausgehend von den eben gefundenen Ergebnissen ist nun die Frage zu beantworten, ob die untersuchten germanischen Leges taugliches Zeugnis für Vulgarrecht im Eherecht der spätantiken germanischen Kodifikationen sind. Die detaillierte Analyse der Quellen im Bereich des Rechts der Ehevoraussetzungen ergab zahlreiche und bisweilen erhebliche Veränderungen der Rechtsinstitute im Vergleich zum klassischen oder auch nachklassischen römischen Recht. Es fällt hierbei aber auf, dass lediglich in drei Punkten – Güterrecht, Inzestvorschriften und Wartefristen vor der Wiederheirat – im untersuchten Teil des Eherechts die festgestellten materiellrechtlichen Veränderungen der betroffenen Rechtsinstitute den Kriterien entsprechen, die von der Vulgarrechtslehre zur Bestimmung vulgarrechtlicher Normen aufgestellt worden sind.193 Zudem liegen die weitgehendsten

190 191 192 193

s. Kaser, RP II2, § 219 II 1 b). CTh 3, 16, 2 (421); s. Kaser, RP II2, § 219 II 1 c), d). Vgl. oben Kapitel E. III. 2. Vgl. oben Kapitel A. II. 1. a) aa).

210

F. Vulgarrecht in den Leges?

dogmatischen Veränderungen im Bereich des Güterrechts, das im Recht der Ehevoraussetzungen lediglich ein Nebengebiet bildet. Demgegenüber weisen die Leges eine Vielzahl von Normen auf, die ihrer dogmatischen Struktur nach der nachklassischen römischen Rechtslage entsprachen. Diese römische Rechtslage wurde von den neuen germanischen Herrschern im spätantiken ehemaligen Westreich vornehmlich in Gestalt des Codex Theodosianus vorgefunden und rezipiert. Diese Rezeption des römischen Rechts in den germanischen Nachfolgestaaten zeichnet sich insgesamt auch durch eine enge Anlehnung an die theodosianischen Vorbildnormen und die übrigen im römischen Westreich verbreiteten Rechtsquellen aus. Die Kodifikationen der Goten und Burgunder zeigen eine gute Kenntnis der neuen Herrscher vom römischen Recht, das zur Grundlage der neu geschaffenen Rechtsordnungen gemacht wurde. Das römische Recht wurde zumeist nicht wörtlich aus den vorgefundenen Quellen übernommen – das Breviarium Alaricianum ist insoweit eine Ausnahme. Jedoch fand das nachklassische römische Recht oft inhaltlich unverändert Eingang in die gotischen und burgundischen Kodifikationen, wenn auch die Abfassung in eigener, oftmals sprachlich verkürzter, Formulierung erfolgte. Die Auswertung der Quellen ergab weiter, dass viele bewusste Eingriffe der germanischen Herrscher in die vorgefundene Rechtsmaterie festzustellen sind, die der Anpassung des Rechts an die veränderten Gegebenheiten im Westreich dienten. Hierbei machten sich die germanischen Herrscher die römische Kodifikationstechnik zunutze, um die Rechtsverhältnisse in ihrem Reich nach ihren Vorstellungen zu ordnen. Dies zeigt neben den gotischen und burgundischen Leges auch das salfränkische Recht, wenngleich die Lex Salica die am wenigsten vom römischen Recht beeinflusste Lex ist. Doch auch sie diente der Schaffung einer verbindlichen Rechtsordnung im merowingischen Reich. Neben den Einflüssen, die auf eine gestalterische Einwirkung einer Herrscherpersönlichkeit auf die Gesetzgebung zurückzuführen sind, zeichnen die erstarkende Kirche sowie germanische Rechtsvorstellungen für Veränderungen der Rechtslage verantwortlich. Derartig bedingte Abweichungen vom römischen Recht sind in den behandelten Kodifikationen bei weitem häufiger als solche, die auf den Verlust juristischer Schärfe, mithin auf „Vulgarrecht“ zurückgeführt werden können. Bereits die Tatsache, dass Normen, welche die Kriterien der Vulgarrechtslehre erfüllen, in den germanischen Kodifikationen im Bereich des Eherechts eindeutig die Ausnahme bilden, weist auf Schwächen der Vulgarrechtslehre hin. Die Vertreter der Vulgarrechtslehre legen zur Bestimmung vulgarrechtlicher Normen einen strengen Maßstab an, indem von vornherein viele auf die Rechtsentwicklung wirkende Einflüsse aus dem Bereich des Vulgarrechts ausgenommen werden. Zwar zeigt durchaus eine größere Anzahl der behandelten Normen Merkmale, die auf eine Vulgarisierung hindeuten. Insoweit lässt sich Kaser und Wieacker beipflichten, dass die neben einer Vulgarisierung auf die Rechtsbildung wirkenden Fakto-

IV. Vulgarrecht in den Leges und die Berechtigung des Vulgarrechtsbegriffes 211

ren in vulgar anmutender Gestalt auftreten.194 Ebenso zutreffend führt Kaser aus, dass die Merkmale möglicherweise vulgarisierter Normen oftmals „nur die Ausdrucksform“ erfassen, aber „den juristischen Wesensgehalt im großen und ganzen unberührt“ lassen.195 Die Betrachtung des Quellenmaterials lieferte bezüglich des Rechts der Ehevoraussetzungen aber keine Bestätigung für die Grundsätze der Vulgarrechtslehre. Ein breiter Verlust juristischer Präzision ist nicht feststellbar, ebenso wenig ein sich so deutlich abschwächendes Verständnis des römischen Rechts im Westreich, dass sich hierauf die Annahme eines allgemeinen rechtsgeschichtlichen Phänomens stützen ließe. Die Normen, die die fehlerhafte Übernahme römischen Rechts infolge mangelhaften Verständnisses desselben aufweisen, sind die Ausnahme in den Leges. Am deutlichsten weist noch die Inzestvorschrift der Lex Salica auf mangelnde juristische Kenntnisse hin, jedoch taugt die Lex Salica generell wenig als Beleg für Vulgarrecht in germanischen Kodifikationen, weil sie eben nur an wenigen Stellen überhaupt römisch beeinflusst ist. Aufgrund dieses Befundes stellt sich die Frage, ob die Vulgarrechtslehre angesichts der Strenge der Voraussetzungen im Hinblick auf das Recht der Ehevoraussetzungen generell oder mit der vorgebrachten Bestimmtheit aufrechterhalten werden kann. Es ist hierbei nicht damit getan, mit Kaser festzustellen, dass „im Personenund Familienrecht die neuen rechtspolitischen Beweggründe zu so tiefgreifenden Umbildungen geführt“ haben, dass die strukturelle Beziehung zur klassischen Begriffswelt vielfach gelockert wurde“, so dass die Vulgarisierung des klassischen Rechts zurücktrete.196 Denn die Feststellung, dass eine Analyse der Quellen nicht ohne weiteres zu einer Bestätigung der Vulgarrechtslehre führt, deckt sich mit den Erkenntnissen der quellenbezogenen Kritik der Vulgarrechtslehre:197 Die Analyse der für das Recht der Ehevoraussetzungen einschlägigen Quellen ergab, dass die römischen Rechtsinstitute in den germanischen Leges ihrem dogmatischen Gehalt nach im Wesentlichen dem überlieferten römischen Recht entsprechen,198 soweit nicht durch andere Faktoren materielle Veränderungen des Rechts bewirkt wurden. Zwar sind gewisse Auffälligkeiten der Rechtsquellen festzustellen, die dazu veranlassen könnten, die betroffenen Quellen als vulgarrechtlich einzustufen. Als Beispiel vermag hier das erkennbare Streben der germanischen Gesetzgeber nach Vereinfachung und Verkürzung der Rechtstexte zu dienen.199 Aber auch anhand Kaser, RP II2, § 193 III 2 b); Wieacker, Vulgarismus, 46 f. Kaser, RP II2, § 193 III 2 b). 196 Kaser, RP II, § 193 III 2 b). 197 s. oben Kapitel A. II. 2. mit den dortigen Nachweisen. 198 Vgl. zum Verhältnis von Eigentum und Besitz Vandendriessche, 285 ff.; s. ferner Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 49. 199 s. Siems, 341. 194 195

212

F. Vulgarrecht in den Leges?

der anderen oben ausgeführten Charakteristika lassen sich Stilmerkmale in den Leges erkennen, die vulgaristisch genannt werden könnten. Die Quellen belegen indes nicht, dass die Rechtsinstitute in den so gekennzeichneten Normen einen Prozess der Vulgarisierung im Sinne einer Herausbildung von Vulgarrecht in Form materiellrechtlicher Veränderungen durchlaufen haben.200 Vielmehr bleiben diese Merkmale mit sehr wenigen Ausnahmen ohne materielle Auswirkungen. Die Veränderungen der dogmatischen Struktur und des materiellen Inhalts der Normen mit römischem Vorbild sind nahezu vollständig auf Umstände und Einflüsse zurückzuführen, welche die großen politischen und gesellschaftlichen Umbrüche im Westreich mit sich brachten.201 Dadurch entstanden auch neue Bedürfnisse und Nöte, denen verantwortungsvolle Gesetzgebungstätigkeit Rechnung zu tragen hatte. So kam es dann auch zu umfangreicher Gesetzgebung verschiedener Herrscher germanischer Völker, die nicht auf römischem Vorbild aufbaute, sondern sich zwar mitunter der Mittel römischer Gesetzgebungskunst bediente, jedoch in großem Umfang vollkommen neue Regelungen schuf.202 Selbst wenn man mit der jüngeren Auffassung Wieackers einschränkend annimmt, Vulgarrecht sei erst nach dem Untergang der römischen Zentralgewalt im Westreich als „Vulgarrecht römischer Provenienz“ entstanden,203 lässt sich diese Ansicht durch die Untersuchung der Quellen zum Recht der Ehevoraussetzungen nicht aufrechterhalten. Zum einen ist die Auffassung Wieackers zu sehr auf die römische Staatsgewalt konzentriert. Indessen zeigt die Gesetzgebungstätigkeit der germanischen Herrscher, dass es auch in den germanischen Nachfolgestaaten im ehemaligen Westreich Staatsgewalt gab, die auch ausgeübt wurde. Die Kodifikationen der germanischen Herrscher dienten gerade zur Stärkung und Legitimation der Staatsgewalt. Es handelte sich lediglich um das Wirken einer anderen als der bisherigen römischen Staatsgewalt Es lässt sich daher schwerlich davon sprechen, die Gesetzgebungstätigkeit in den germanischen Staaten sei eine solche des vulgus und damit erstmals vulgarrechtlich gewesen.204 Zum anderen ist Wieackers Auffassung, im „Vulgarrecht römischer Provenienz“ bilde sich zum ersten Mal „vulgares Gewohnheitsrecht“ ab,205 nicht zuzustimmen. Soweit die germanischen Leges römisch beeinflusst sind, bilden sie die aktuelle im Westreich gültige römische Rechtslage ab, wenn auch mitunter in stilistisch vulgarem Gewand. Einzelne Versehen und Missverständnisse bei der 200 s. auch Liebs, Roman Vulgar Law, in: Sirks, 49; Liebs, Jurisprudenz, 283; vgl. auch Weßel, 279 ff. 201 Ähnlich zu den Veränderungen im absolutistischen Zwangsstaat des spätantiken Kaiserreichs Voß, 250. 202 Hierüber geben insbesondere die Lex Visigothorum, die Lex Burgundionum und die Lex Salica Aufschluss. 203 Wieacker, RR II, § 66 III 6. 204 Wieacker, RR II, § 66 III 4, 6. 205 Wieacker, RR II, § 66 III 6.

IV. Vulgarrecht in den Leges und die Berechtigung des Vulgarrechtsbegriffes 213

Rezeption der römischen Vorbildnormen bringen keine so weitreichenden Veränderungen der materiellen Rechtslage mit sich, dass es berechtigt wäre, von Vulgarrecht im Sinne Wieackers und anderer zu sprechen. Die römisch beeinflussten Normen, in denen römische Vorbildnormen für eigene gesetzgeberische Ziele herangezogen wurden, sind kein Ausdruck kodifizierten vulgaren Gewohnheitsrechts, sondern vielmehr Ausdruck einer wachsenden germanischen Herrschergewalt, ebenso wie die Normen, die ohne römischen Einfluss sind.206 Insgesamt lassen sich die Ergebnisse der Vulgarrechtslehre für das Recht der Ehevoraussetzungen durch die vorgenommene Untersuchung daher nicht bestätigen. Es fällt auf, dass die Vulgarrechtslehre in einer Bestimmtheit versucht, eine abstrakte dogmatische Beschreibung vermeintlich vulgarrechtlicher Rechtsinstitute zu liefern, die sich mit dem Quellenbestand nicht in Einklang bringen lässt. Vielmehr ergab die Untersuchung der eherechtlichen Quellen in Übereinstimmung mit weiteren Forschungsergebnissen, dass die Ergebnisse der Vertreter der Vulgarrechtslehre so nicht haltbar sind. Da sie sich anhand der Quellenlage nicht hinreichend belegen lässt, handelt es sich bei der Vulgarrechtslehre um ein bloßes Forschungskonstrukt. Dieses hat zweifelsohne wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert, allerdings ist es nicht geeignet, den äußerst vielschichtigen Rechtszustand im ehemaligen Westreich zur Zeit der Spätantike befriedigend darzustellen. Mithin eignen sich die untersuchten Leges nicht als Quellen des Vulgarrechts. Sie sind Ausdruck einer regen Gesetzgebungstätigkeit der germanischen Herrscher in der Spätantike, die römisches Recht rezipierte und das Recht weiterentwickelte. Die hieraus entstehenden materiellen Veränderungen des Rechts sind jedoch nicht vulgarrechtlich, sondern zeugen schlicht von einer Anpassung des Rechts an die Bedürfnisse der Gesellschaften in den spätantiken germanischen Staaten.

206

Ähnlich Kreuter, 156.

Schlussbetrachtung Ziel dieser Arbeit war es, das Recht der Ehevoraussetzungen der germanischen Leges darzustellen und darüber hinaus anhand der behandelten Leges eine Überprüfung der Vulgarrechtslehre vorzunehmen, da die Leges des ehemaligen Westreiches als wichtige Rechtsquellen für das Vulgarrecht genannt werden.1 Zu diesem Zweck wurden die im ehemaligen Westreich zwischen dem 4.–6. Jahrhundert entstandenen Kodifikationen der Goten, der Burgunder und der merowingischen Franken einer Analyse unterzogen. Durch die Untersuchung wurde der große Einfluss des römischen Rechts – insbesondere des Codex Theodosianus – auf die Leges nachgewiesen. Die Analyse der herangezogenen Kodifikationen ergab, dass von den behandelten Leges das Breviarium Alaricianum am engsten am Vorbild des römischen Rechts orientiert ist. Die Regelungen über das Eherecht, die zumeist aus dem Codex Theodosianus stammen, sind mit den römischen Vorbildern wortgleich; Abweichungen zum überlieferten römischen Recht konnten lediglich in sehr geringem Umfang festgestellt werden.2 Die auffälligsten Veränderungen wurden entweder Missverständnissen und Fehlern während des Rezeptionsvorganges oder gesetzgeberischer Steuerung des westgotischen Königs zugeordnet. So zeigen der Verlust der begrifflichen Differenzierung zwischen donatio nuptialis und arra3 und die Erstreckung der Rechtsfolgen des Inzestverbots auf die Kinder,4 dass sich in diesen Punkten unbeabsichtigt Abweichungen zum römischen Recht ergaben. Bewusste Eingriffe des westgotischen Herrschers kommen beispielsweise in der Modifikation der Strafsanktionen des Inzestverbots zum Ausdruck, die im Vergleich zum römischen Recht milder ausfielen.5 Deutlicher noch lässt die Lex Visigothorum – welche zwar maßgeblichen Einfluss des römischen Rechts aufweist, jedoch eigenständig formuliert und nicht frei von germanischen Einflüssen ist6 – gesetzgeberische Tätigkeit erkennen, die einem gesellschafts-

1

Levy, Vulgar Law, 14 ff.; ders., Vulgarrecht, 11 ff. Vgl. auch Johlen, 185. 3 LRV CTh 3, 5, 1 und 2 mit IT; LRV CTh 9, 32, 3; vgl. oben Kapitel B. I.; Kapitel F. II. 1. c). 4 LRV CTh 3, 12, 2, vgl. oben Kapitel B. V. 2. b); Kapitel F. III. 2. 5 LRV CTh 3, 12, 1; LRV CTh 3, 12, 2; LRV CTh 3, 12, 4; vgl. Kapitel B. V. 2. b); Kapitel F. I. 2. a). 6 Als Beispiel ist hier die Legalisierungsmöglichkeit der Raubehe anzuführen, die sich auch im burgundischen und salfränkischen Recht findet; s. LV 3, 3, 7 (Antiqua); 2

Schlussbetrachtung

215

politischen Konzept folgt: In der Aufhebung des Verbots stammesverschiedener Ehen zeigt sich am sichtbarsten die Absicht, einen sozialen und rechtlichen Ausgleich zwischen Goten und Romanen zu schaffen.7 Zudem zeugt die Kodifikation der Lex Visigothorum von einem starken Einfluss kirchlicher Vorstellungen, was sich nicht zuletzt in der Erweiterung des Inzestverbots auf alle Verwandtschaftsgrade manifestiert.8 Für den Bereich des ostgotischen Rechts wurde dargelegt, dass das Recht der Ehevoraussetzungen des Edictum Theoderici inhaltlich in vielen Punkten keine wesentlichen Abweichungen zum Recht des Codex Theodosianus aufweist. Im Unterschied zum Breviar enthält das theoderizianische Edikt Titel, die in knapper und prägnanter Art und Weise die im römischen Westreich gültige Rechtslage wiedergeben.9 Die einzelnen Titel des Edictum Theoderici konnten nahezu vollständig auf römische Vorbildnormen zurückgeführt werden.10 Aus dem Edikt ergaben sich aber auch Belege für Eingriffe des Königs in das Recht aufgrund rechts- und sozialpolitischer Programme. Anhand der Gesetzgebungstätigkeit Theoderichs des Großen, welche in der Kodifikation des Edikts ihre maßgebliche Form fand, lässt sich die Politik der civilitas im Ostgotenreich11 in den Vorschriften des Eherechts wiederfinden: Der wichtigste Titel, an dem das Streben nach Einheit der Bevölkerung und Rechtsfrieden erkennbar ist, dürfte ET c. 36 sein, durch den das Verbot der stammesverschiedenen Ehe aufgehoben wurde.12 Die von Theoderich eingeführte Verpflichtung des begüterten Vergewaltigers einer freien Frau, diese zu heiraten, diente zum einen der Versorgung der betroffenen Frau, zum anderen sollte Angehörigen der vornehmen Schichten die Todesstrafe erspart bleiben, die derjenige erleiden musste, welcher die vergewaltigte Frau nicht materiell versorgen konnte.13 Die Angleichung der Rechtsfolgenseite der Scheidung an das klassische Vorbild14 zeugt davon, dass sich Theoderich in der Tradition der römischen Kaiser sah und sein Ostgotenreich nach einem klassischen Idealbild formen wollte.15 Für das burgundische Recht wurde gezeigt, dass sowohl die Lex Burgundionum als auch die Lex Romana Burgundionum deutlich römischrechtliche Prägung aufLV 3, 4, 7 (Antiqua); LB 12 §§ 1, 2; vgl. oben Kapitel B.; Kapitel D. III. 3., Kapitel E. III. 3.; Kapitel F. I. 1. a). 7 LV III, I, 1 (Antiqua); Kapitel B. V. 1.; Kapitel F. I. 3. a). 8 LV 3, 5, 2; vgl. oben Kapitel B. V. 2. b). 9 Mit Johlen, 186 kann angenommen werden, dass bei Schweigen des Edikts von einer Fortgeltung des Codex Theodosianus auszugehen ist. 10 s. auch Johlen, 186. 11 Vgl. oben Kapitel C. I.; s. Stüven, 6. 12 ET c. 36; vgl. oben Kapitel C. VI. 1., 2. 13 ET c. 59; ET c. 38; vgl. oben Kapitel C. IV. 2.; Kapitel F. I. 1. c). 14 ET c. 54; vgl. oben Kapitel C. V. 15 Vgl. Brennecke, in: ZAC 4, 133 ff.

216

Schlussbetrachtung

weisen, dennoch aber auch Besonderheiten enthalten, die ihren Ursprung im burgundischen Gewohnheitsrecht haben dürften. Ferner ist ein erheblicher christlicher Einfluss auf die burgundische Gesetzgebung festzustellen.16 Die Analyse der burgundischen Kodifikationen ergab, dass diese mit dem Ziel ausgearbeitet wurden, eine Neuregelung des Rechts nach römischem Vorbild vorzunehmen, welche infolge der Übernahme der Herrschaft durch die Burgunder erforderlich wurde.17 Insbesondere die Zulässigkeit der stammesverschiedenen Ehe im Burgunderreich spricht für dieses gesetzgeberische Ziel.18 Die burgundischen Kodifikationen bieten im Unterschied zu den gotischen Gesetzgebungswerken einige Hinweise auf ursprünglich germanische Einflüsse: Das Element der Brautpreiszahlung vor dem Eheschluss,19 das Scheidungsverbot für die Frau mit Strafandrohung des Ertränkens im Sumpf20 sowie die Möglichkeit, durch nachträgliche Übereinkunft mit der Brautfamilie nach crimen raptus eine anerkannte Ehe herbeizuführen21 dürften genuin burgundischen Ursprungs sein.22 Schließlich war auch in den eherechtlichen Vorschriften der Lex Salica römischrechtlicher Einfluss auszumachen, wenngleich die Lex Salica diejenige Kodifikation ist, die am deutlichsten volksrechtliche Einflüsse zeigt und oftmals unbeholfen wirkt. Die Lex Salica hatte – den übrigen untersuchten Leges vergleichbar – das Ziel, für alle Bevölkerungsgruppen des Frankenreichs besonders drängende soziale Probleme zu regeln und Rechtsfrieden zu schaffen.23 Wie in den anderen untersuchten Leges fanden sich auch im Recht der Salfranken starke Anhaltspunkte dafür, dass die stammesverschiedene Ehe unter diesen Gesichtspunkten zulässig war.24 Römischrechtliche Elemente wurden in den Normen des unvollständig geregelten Eherechts an wichtigen Stellen der Lex Salica belegt: Das Inzestverbot der Lex Salica ist eine nahezu wortgleiche Übernahme der westgotischen interpretatio zu CTh 3, 12, 3 (396).25 Die Übernahme nur der In16 Dies zeigt sich insbesondere im burgundischen Inzestverbot; s. LB 36; vgl. oben Kapitel D. V. 2.; s. aber auch das Eheverbot mit einer Nonne in LRB 9, 4; Kapitel D. V. 4. b). 17 Vgl. oben Kapitel D.; nicht zu vernachlässigen ist aber auch das Ziel, sich als tatkräftiger Herrscher in Szene zu setzen – s. LB prima constitutio 8; vgl. oben Kapitel F. I. 3. a). 18 LB 12 § 5; vgl. oben Kapitel D. V. 1. 19 Z. B. LB 66 § 1 und § 2; vgl. oben Kapitel D. III. 2. 20 LB 34 § 1; vgl. oben Kapitel D. IV. 1.; Kapitel F. I. 1. e). 21 LB 12 § 1; vgl. oben Kapitel D. IV. 1.; s. auch das westgotische und salfränkische Recht: LV 3, 3, 7 (Antiqua); LV 3, 4, 7 (Antiqua); vgl. oben Kapitel B.; PLS 13 §§ 1, 4; vgl. oben Kapitel E. III. 3.; vgl. ferner Kapitel F. I. 1. c). 22 Auch das Wergeldsystem der Lex Burgundionum weist auf germanischen Einfluss hin; vgl. oben Kapitel F. I. a). 23 PLS prologus § 1; vgl. oben Kapitel E. vor I. 24 Vgl. oben Kapitel E. V. I. 1. 25 PLS 13 § 11; CTh 3, 12, 3 (396) mit IT; vgl. oben Kapitel E. V. 1.; LRV CTh 3, 12, 2.

Schlussbetrachtung

217

terpretation als Gesetzestext lässt die Regelung des Inzestverbots unvollständig erscheinen und zeigt gleichzeitig, dass es dem fränkischen König auch darauf ankam, sich selbst in der römischen Tradition stehend darzustellen.26 PLS § 44 regelte ein wohl aus dem salfränkischen Gewohnheitsrecht stammendes Rechtsproblem, die Zahlung des Brautpreises – reipus – im Gewand des römischen Rechts, indem das fränkische Rechtsinstitut angelehnt an CTh 3, 7, 1 (371) ausgestaltet wurde.27 Die Untersuchung der Lex Salica ergab, dass die eherechtlichen Vorschriften des salfränkischen Rechts sich in vielen Punkten dadurch auszeichnen, dass sie Elemente enthalten, die wohl dem fränkischen Gewohnheitsrecht zugeordnet werden können. Hier sind das Erfordernis der Brautpreiszahlung bei der Eheschließung sowie die Möglichkeit, durch Bußzahlung eine durch crimen raptus begründete Verbindung zu einer anerkannten Ehe zu legalisieren, als auffälligste Merkmale anzuführen.28 Ferner erwies sich die Annahme Levys, dass die germanischen Leges wichtige Quellen des Vulgarrechts seien,29 für das Recht der Ehevoraussetzungen als unzutreffend: Die Analyse des Rechts der Ehevoraussetzungen in den untersuchten Leges führte zu dem Ergebnis, dass zum weit überwiegenden Teil das im Westreich gültige römische Recht in den germanischen Nachfolgestaaten materiell unverändert rezipiert wurde. Mit Ausnahme des Breviarium Alaricianum wurden in den germanischen Kodifikationen die römischen Vorbildnormen nicht wortgetreu übernommen, jedoch zumeist ohne wesentliche inhaltliche Veränderungen. Soweit die jeweiligen Herrscher in den materiellen Gehalt der Normen eingriffen, war dies auf die Intention der germanischen Könige zurückzuführen, die Rechtsverhältnisse im eigenen Reich klar zu ordnen und Rechtssicherheit zu schaffen.30 Es konnte ferner festgestellt werden, dass in vielen Fällen auch eigenständig Regelungen getroffen wurden, die entweder vollständig ohne römisches Vorbild waren oder sich wie PLS 44 in der Lex Salica lediglich römischrechtlicher Mittel bedienten.31 Auf dieser Grundlage ließ sich die Annahme, dass die germanischen Leges wichtige Quellen des Vulgarrechts sind, nicht bestätigen. Zwar wurde aufgezeigt, dass sich in den Titeln der Leges durchaus Stilmerkmale finden, die nach der Vulgarrechtslehre als vulgaristisch eingestuft werden könnten.32 Jedoch bestä26

Vgl. oben Kapitel E. V. 2.; Kapitel F. I. 2. a); 3. b). PLS 44; CTh 3, 7, 1 (371); vgl. oben Kapitel E. III. 2.; Kapitel F. III. 5. 28 PLS 44; PLS 13 §§ 1, 4; vgl. oben Kapitel E. III. 2., 3.; hierzu zählt auch das Wergeldsystem; vgl. oben Kapitel F. I. 1. a). 29 Levy, Vulgarrecht, 12. 30 Vgl. oben Kapitel F. I. 3. a), b). 31 So ET c. 54; PLS 44; vgl. oben Kapitel C. IV. 2.; Kapitel E. III. 2. 32 Vgl. oben Kapitel F. II. 1.–3. 27

218

Schlussbetrachtung

tigte die Analyse der Quellen nicht, dass sich der materiellrechtliche Gehalt der Rechtsinstitute durch einen Verfall der juristischen Präzision signifikant änderte. Vielmehr können die Veränderungen gegenüber dem römischen Recht auf planmäßige gesetzgeberische Tätigkeit der germanischen Könige zurückgeführt werden. Soweit in einigen wenigen Fällen Titel gefunden wurden, welche die Kriterien der Vulgarrechtslehre erfüllen, dürften diese Abweichungen vom römischen Recht auf schlichten Redaktionsversehen beruhen.33 Wie im Falle der Wartefristen vor einer Wiederheirat der Frau im burgundischen Recht ist auch eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Rechtsfolgen zu erkennen.34 Insgesamt ließ sich daher nicht feststellen, dass in den germanischen Nachfolgestaaten des germanischen Westreichs die römische Rechtsordnung derart verfallen wäre, dass sie lediglich noch in einer vulgarisierten Form fortbestanden hätte. Die germanischen Leges zeigen vielmehr, dass das im Westreich geltende römische Recht in den germanischen Nachfolgestaaten noch sehr bekannt war. Ihre Kenntnis des römischen Rechts nutzten die germanischen Könige dazu, das Recht den Bedürfnissen anzupassen, welche die gesellschaftlichen Umwälzungen der Spätantike mit sich brachten. Die Annahme, es habe im Westreich ein Vulgarrecht gegeben, bestätigte sich anhand der Quellenlage für das Recht der Ehevoraussetzungen nicht. Die Untersuchung der Quellen zum Recht der Ehevoraussetzungen führte somit zu dem Ergebnis, dass das Eherecht in der spätantiken Zeit mannigfachen Entwicklungen unterworfen war. Es handelte sich hierbei jedoch nicht um eine Vulgarisierung des römischen Rechts, sondern um eine organische Fortentwicklung des Rechts, welche nach dem Zusammenbruch der alten römischen Ordnung und der Entstehung germanischer Reiche auf ehemals römischem Reichsboden notwendig geworden war.

33 LRB 37 §§ 1, 2; LRB 22 § 2; PLS Capitula addenda 72, 73; LRV CTh 3, 5, 1; LRV CTh 3, 8, 1; LRV CTh 9, 32, 3; LV 3, 2, 8 (Reccesvinth); LV III, 5, 3 (Reccesvinth), LV 3, 6, 1 (Reccesvinth); LV 4, 5, 2 (Reccesvinth); vgl. oben Kapitel F. III. 1.; interpretatio zu LRV CTh 3, 12, 2; PLS 13 § 11; vgl. oben Kapitel F. III. 2. 34 LRB 16 §§ 1, 2; vgl. oben Kapitel F. III. 4.

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Personen-, Orts- und Sachregister adfinitas 43, 49, 69 f., 155 adoptio 43 – Adoptivverwandte 69 adulterium 42, 47, 62 f., 78, 82, 94, 97, 111, 120, 128, 131, 133, 140, 142 f., 151, 161 ff., 201 affectio maritalis 36, 39, 46, 56, 65, 124, 198 aggagula 98, 195 f. Alarich II., westgot. Kg. (484–507) 18 f., 66, 69, 79 f. aldius/aldia 77 Alexander II., Papst (1061–1073) 67 Amalo, fränk. Graf 159 Anicia Juniana, Tochter d. Olybrius 113 Ansippung 102 Arcadius, oström. Ks. (395–408) 100 Arianismus 69, 101, 111 ff., 134, 139 – Arianer 111, 113 f., 139, 188 Arnegund, Ehefrau Chlotars I. 160 arra 44 f., 52 f., 91, 119, 150, 154, 178 f., 193, 197, 202, 205, 214 arra sponsalicia siehe arra Asclepiodotus, galloröm., jurist. Berater Childeberts II. 167 assessor 90, 116 Athalarich, ostgot. Kg. (526–534) 189 Athaulf, westgot. Kg. (410–415) 102 Augustus (31 v.–14 n. Chr.) 42, 49, 54, 74 f., 78, 89 Aunegild, burgund. Edle 120, 138, 188 Aunegild-Skandal 120, 138, 187, 203 Auxerre 167 Avitus von Vienne, kath. Bischof 124, 133 f., 183

Baldamod, burgund. Freier nichtadl. Herk. 120, 138 Basina, Mutter Chlodwigs 161 belagines 21, 90 Bergwerksstrafe 73, 75 Bonifatius, kath. Bischof und Missionar 164, 173 Brautentführung siehe crimen raptus Brautkauf 45, 155, 175, 178 Brautpreis 45, 93, 119, 121 f., 125, 137, 150, 153, 156, 178 f., 194, 196, 205 – Brautpreiszahlung 122 ff., 148, 153 f., 156, 158, 175, 178 f., 194, 205, 209, 216 f. – pretium 119, 122 f., 125 ff., 129, 153, 157, 178, 194 – reipus 150, 153 ff., 174 ff., 178, 181, 195 f., 209, 217 Brautraub siehe crimen raptus Breviarium Alaricianum/Breviar siehe Lex Romana Visigothorum Brunichild, Witwe Sigiberts I. 165, 167 buccellarius/buccellarii 54, 76 Bundesgenossenkrieg 41 Burgunderreich 15, 108, 118, 132, 134, 137 ff., 142 ff., 148, 216 Caesar, Gaius Iulius (*100 v. Chr., y 44 v. Chr.) 78, 127 capitis deminutio 61 Cassiodor, Flavius M. A., spätant. Senator u. Autor 20, 90 f., 101 f., 104, 112, 114 Charibert I., merow.-fränk. Kg. (561–567) 160, 171 f. Childebert II., merow.-fränk. Kg. (575– 596) 152, 159, 163, 167, 187

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Personen-, Orts- und Sachregister

Childerich I., Vater Chlodwigs, merow.fränk. Kg. (y um 482) 161 Childerich II., merow.-fränk. Kg. (662– 675) 152 Chilperich I., merow.-fränk. Kg. (561– 584) 160, 165 ff., 171, 204 Chindasvinth, westgot. Kg. (642–653) 19, 63 f., 70, 74, 184 Chlodomer, merow.-fränk. Kg., Bruder Chlotars I. (um 496/497–524) 160 Chlodwig, merow.-fränk. Kg. (482–511) 23, 161, 163, 165 Chlotar I., merow.-fränk. Kg. (511–561) 160, 165 Chlotar III., merow.-fränk. Kg. (657–773) 152 civilitas 20, 88, 111, 113 f., 116, 186, 215 Clichy 168 Codex Euricianus 18, 54 f. Codex Gregorianus 18, 21 f., 25 Codex Hermogenianus 18, 21 f., 25 Codex Iustinianus 191 Codex Theodosianus 18, 21 f., 25 f., 54, 57, 64, 69 f., 73, 80, 83, 85 f., 91, 93, 97 f., 100 f., 107, 114, 125 f., 128 f., 143, 146, 182 ff., 189 ff., 193, 199, 201, 207, 210, 214 f. Collatio legum Mosaicarum et Romanarum 94 f., 104 colonus/colona/coloni 71 ff., 76, 105, 107, 127, 135 ff., 139, 188, 192 f. – coloni originarii 72, 105, 192 – colonus originalis 72 – originarius/originaria/originarii 105 f., 188, 192 comes 67, 112, 170, 196 – comes civitatis 67 – comes Gothorum 89, 116 conciliatrix 98, 195 coniugium 100, 169, 191 f. consensus 39 ff., 46 f., 55 ff., 59, 62, 80, 83, 92, 121 f., 127 ff., 153, 157, 162

Constans, Sohn Konstantins d. Gr., röm. Ks. (337–350) 166 Constantius II., röm. Ks. (337–361) 80, 125, 166, 199 Constantius III., weström. Ks. (y 421) 144 Constitutio Antoniniana 42, 48, 79, 114 contubernium 41, 64 ff., 71 f., 74, 97, 106 f., 131, 136, 169, 192 conubium 41 ff., 48, 66 f., 71, 73, 78 f., 132, 139, 148, 175, 192 crimen raptus 40, 46, 58 ff., 80, 91 ff., 96, 124 ff., 157 ff., 175 f., 179 f., 187, 199 ff., 207, 214, 216 f. Dagobert I., merow.-fränk. Kg. (623–638/ 639) 159 Decretio Childeberti 167 f. Deoteria, Ehefrau Theudeberts I. 163, 165 Deportationsstrafe 56, 63, 73, 82, 93, 98, 131, 190 – Relegationsstrafe 81, 159 – Verbannung 90, 97 Desiderius, Herzog von Aquitanien 161 Diakonisse 80 Diokletian, röm. Ks. (284–305) 27, 30, 104, 110 donatio ante nuptias 52, 56, 63, 94, 98, 123 f., 129, 143, 150, 193 f., 204 ff., 214 donatio nuptialis siehe donatio ante nuptias dos 39, 46, 52, 57, 63, 98, 122 ff., 129, 150, 174, 194, 205 ff. – Dosbestellung 39, 46, 56 f., 170, 172, 198, 206 Edictum Theoderici 19 ff., 88 ff., 97 ff., 103, 105 f., 108 ff., 114 ff., 179, 182 f., 185 f., 189, 192, 197 ff., 215 Edikt siehe Edictum Theoderici Ehebruch siehe adulterium Ehekonsens siehe consensus Ehemündigkeit 38, 45, 53, 55, 92, 120, 152

Personen-, Orts- und Sachregister Ehewillen siehe affectio maritalis Epaon 134, 140 f. Ereriliva siehe Eusebia Eulalius, Graf von Clermont 161 Eurich, westgot. Kg. (466–484) 18 Eusebia, Mutter Theoderichs d. Gr. 113 Exercitus Gothorum 88 Flavius Maximus, röm. Senator 102 Frankenreich 24, 160, 163, 176, 182, 216 Frauenraub siehe crimen raptus Freigelassene 41, 72 f., 75 f., 138, 171 Freiheitsverlust 41, 61, 71, 73, 97, 107, 127, 134, 136, 157, 169 Freizügigkeitsverlust 136 Fridegisal, burgund. königl. Schwertträger 120, 138 Friedelehe 58, 60, 66, 110, 127, 130 Galla Placidia, Tochter Theodosius’ I. 102 Gefolgschaft 76 f., 109 – Gefolgschaftswesen 54, 76 Germanus, Neffe Iustins I. 102 Gewalthaber siehe paterfamilias grafio/Graf siehe comes Gregor von Tours, kath. Bischof 149 ff., 159, 164 f. Gundobad, burgund. Kg. (476/477–516) 21 f., 120, 133 f., 189 Guntchram, merow.-fränk. Kg. in Burgund (561–593) 163, 171 Guntheuca, Ehefrau Chlotars I. 160 Hausgewalt siehe patria potestas honestiores 77, 96, 108 ff., 137 Honorius, weström. Ks. (395–423) 67, 83, 100, 143 humiliores 77, 96, 108 f., 137 f. incestum 68, 99 f., 133, 183, 198, 207 – Inzestgesetzgebung 67, 69 f., 181

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– Inzestverbot 43, 49, 67, 69 ff., 86, 100, 103 f., 132 ff., 148, 165 ff., 176, 182, 190, 197, 200, 203 f., 207, 214 ff. Infamie 47, 50, 61, 81, 83, 91, 111, 147, 166, 168, 189, 198, 203 – Infamiefolge 70, 146, 166, 168, 198, 203, 207 inferiores siehe humiliores Ingund, Ehefrau Chlotars I. 160 Iordanes, röm. Chronist got. Herkunft 90, 101, 113 f. Isidor von Sevilla, kath. Bischof 67 f., 86 Italien 88 ff., 96, 101, 103, 108, 111, 116, 182, 189 iudicium publicum 59, 77 f., 96, 115 ius edicendi 20, 89 ius postliminii 61 Iustin I., oström. Ks. (518–527) 102 Iustin II., oström. Ks. (565–578) 48 iustum matrimonium 37, 41 f., 65, 100 ff., 111 f., 171, 205, 207 Juden 50, 77 ff., 90, 111, 114 f., 139 f., 185, 199 Judengesetzgebung 79, 86, 114, 185, 188 Justinian, oström. Ks. (527–565) 45 ff., 50, 59, 61, 68, 72, 197 Kapitalstrafe 19, 47 ff., 66, 70 f., 73, 78, 80, 82, 92 ff., 96 ff., 108, 110, 115, 120, 125 f., 128, 131, 134 f., 140 ff., 153, 160, 168, 176, 182 f., 185, 187 f., 190, 198 f., 202 f., 215 Katholizismus 69, 86, 101, 111 ff., 134, 139 – Katholiken 111, 113 f., 139 Kleriker 80 f., 164, 172 f., 186 Konkubinat 39, 41, 46, 49, 56 f., 64 ff., 97, 113 f., 124, 127, 130 f., 159, 162 ff., 170, 175, 205, 207 – consortium 65 Konkubine 64 ff., 113, 131, 159, 163, 170 f. Konstantin, röm. Ks. (306–337) 25, 54, 63 ff., 72 f., 75, 84, 97, 99, 105, 183

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Personen-, Orts- und Sachregister

Leges 13 ff., 21, 24, 54, 58 ff., 68, 96, 124, 126, 135, 140, 142, 150, 157 f., 161, 170, 172, 175, 177, 179 ff., 183 ff., 190 f., 195, 207 ff., 216 ff. Leges Iuliae de vi publica et privata 40 Leo der Große, Papst (440–461) 124 leod/leodes 137, 170 f., 196 Leovigild, westgot. Kg. (568–586) 19, 67 letus/leti 149, 162, 171 f., 196 leudes siehe leod/leodes Lex Burgundionum 21 f., 96, 118, 120 ff., 124 ff., 132, 135, 139 ff., 146 ff., 160 f., 177, 180 f., 183, 190, 194, 203, 212, 215 f. Lex Iulia de adulteriis coercendis 42 Lex Iulia de maritandis ordinibus 40, 42, 64, 75, 84 Lex Iulia iudiciorum publicorum 59 Lex Papia Poppaea 42, 44, 84 Lex Romana Burgundionum 21 f., 118, 120, 123 ff., 127, 129 ff., 136 ff., 143 ff., 149, 162, 179, 183, 189, 194, 203, 205 f., 215 Lex Romana Visigothorum 18 f., 21 f., 52 f., 55, 57 ff., 74 ff., 78 ff., 83 f., 86, 99, 112, 116, 149, 166, 179, 182 f., 185 f., 188 f., 192 f., 197 f., 203, 205 f., 208, 210, 214 f., 217 Lex Salica 23 f., 67, 149 ff., 160 f., 164 ff., 169 ff., 181, 183, 186 f., 189 f., 194 ff., 203, 207, 209 ff., 216 f. – Pactus Legis Salicae 23 f. Lex Visigothorum 19, 53 f., 56, 59, 61 f., 64, 68, 70 f., 73 f., 76, 81, 83 ff., 107 f., 112, 122, 162, 177, 180, 182 ff., 197 f., 206, 208, 212, 214 f. liberi naturales 65, 126, 131, 141 libertus/liberti siehe Freigelassene lida siehe letus/leti Livius, Titus, röm. Chronist 59 Lyon 167 Mâcon 167 maiores siehe honestiores

Maiorian, weström. Ks. (457–461) 80, 124, 128, 131 Malbergische Glossen 24, 195 manus 37, 130 – manus-Ehe 37, 40 – manus-freie Ehe 37, 44, 118, 121, 127, 178 Marcian, oström. Ks. (450–457) 75 Marcoveifa, Ehefrau Chariberts I. 171 f. Matasuntha, Enkelin Theoderichs d. Gr. 102 matrimonium legitimum siehe iustum matrimonium matrimonium sine manu siehe manus-freie Ehe Maximian, Mitregent Diokletians (286– 305) 110 Maximinus Thrax, röm. Ks. (235–238) 103 mediocres 77, 96, 108, 137 Mehrehe siehe polygyne Verbindungen Merofled, Ehefrau Chariberts I. 171 f. Merowech, Sohn Chilperichs I. 167 minores siehe humiliores Mischehe siehe stammesverschiedene Ehe mundium siehe Munt Munt 91, 95, 123, 126, 153, 155, 174, 178 – Muntehe 118, 126 ff., 130, 159 – Munterwerb 58, 158 – Muntwalt 92 nefas 43, 68, 100 Neocaesarea 69 nobiles siehe honestiores Nonne 80, 140, 185, 202, 216 Notzucht siehe stuprum Numa Pompilius, König von Rom, legendär 83 obtimates/optimates 96, 137 f., 170, 187 Odovacar, ehem. weström. Offizier, Rex Italiae (476–493) 88, 90 Olybrius, weström. Ks. (y 472) 113

Personen-, Orts- und Sachregister originarius/originaria/originarii siehe colonus/colona/coloni Orléans 161, 164, 173 Orosius, Paulus, christl. Chronist 139 Ostgotenreich 20, 100 ff., 104 ff., 108 f., 111 ff., 116, 135, 139, 179, 193, 198, 215 parentes 58, 133 Paris 167 paterfamilias 37, 39 ff., 46, 52 ff., 58 f., 62, 91 ff., 119, 121 ff., 149, 151, 153, 155 f., 205 patria potestas 37, 40, 46, 55, 61, 91 ff., 118 f., 123, 125, 153 ff., 158, 174 f., 178, 180 f., 200 Peregrinen 41 polygyne Verbindungen 40, 47, 58, 60 f., 66, 69, 96, 99, 126, 159 f., 162, 175 potentes siehe honestiores bzw. obtimates potentes siehe obtimates/optimates pretium siehe Brautpreis Proculianer 45 pubertas siehe Ehemündigkeit quasiadfinitas 38, 45 Radegund, Ehefrau Chlotars I. 160, 165 Raubehe siehe crimen raptus Reccared, westgot. Kg. (568–601) 18, 70, 81 Reccesvinth, westgot. Kg. (649–672) 19, 81 Reifgeld siehe reipus reipus siehe Brautpreis Relegationsstrafe siehe Deportationsstrafe repudium 47 f., 61 f., 99, 130, 198, 208 – libellus repudii 48, 61 f., 99, 130, 198, 200, 203, 208 Ringgeld siehe reipus Rom 20, 51, 78 Rouen 167 Sabinianer 45 saiones 76, 109

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sanctimoniales siehe Nonne Scheidebrief siehe libellus repudii Scheidungserklärung siehe repudium Schwägerschaft siehe adfinitas Seneca, Lucius Annaeus, gen. Seneca Maior, röm. Rhetor 47 Severus, Flavius Libius, weström. Ks. (461–465) 124 Sigibert I., merow.-fränk. Kg. (530/535– 575) 165 Sigismund, Sohn Gundobads, burgund. Kg. (516–523/524) 21, 120, 133 f., 189 Sisebut, westgot. Kg. (612–621) 79 Sklaven 41, 48, 61, 65, 71 ff., 77, 86, 93 f., 97, 105 ff., 110, 125 ff., 135 f., 138 f., 157, 168 ff., 180, 188, 199 f. Sokrates Scholastikos, christl. Chronist 139 Sororat 69, 133, 182 spatharius/spatharii 109, 120, 138 sponsalia siehe Verlöbnis sponsalitia largitas 52 f., 63, 94, 98, 193 f., 204 f. stammesverschiedene Ehe 67, 86, 99, 101 ff., 113, 116, 118, 122, 132, 164 f., 188, 215 f. Stilicho, Flavius, röm. Feldherr 103 stipulatio 33, 37 stuprum 58, 93 ff., 107, 110 f., 115, 124 ff., 131, 135, 156, 179 Suavegotta, Ehefrau Theuderichs I. 165 Tacitus, Publius Cornelius, röm. Historiker 127, 206 Tetradia, Ehefrau des Eulalius 161 Theoderich der Große, ostgot. Kg. (474– 526) 19 f., 88 ff., 92, 97 ff., 101 ff., 110 ff., 116, 182, 184 ff., 189 f., 199, 215 Theoderich II., westgot. Kg. (453–466) 20 Theodosius I., röm. Ks. (379–394) 78, 185

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Personen-, Orts- und Sachregister

Theodosius II., oström. Ks. (408–450) 25, 83, 99, 144, 190 Theudebert I., merow.-fränk. Kg. (533– 547) 163, 165 Theudebert II., merow.-fränk. Kg. (586– 612) 152 Theuderich I. merow.-fränk. Kg. (511– 533) 165 Theuderich II., merow.-fränk. Kg. (595– 613) 152 Thiudimir, Vater Theoderichs d. Gr., ostgot. Kg. (468/469–474) 113 f. Todesstrafe siehe Kapitalstrafe Tours 167 Trauerzeit siehe Wiederverheiratung Valentinian I., weström. Ks. (364–375) 66, 155 Valentinian III., weström. Ks. (425–455) 25, 72, 83, 136, 144, 201 Verbannung siehe Deportationsstrafe Vergewaltigung siehe stuprum Verlöbnis 37 f., 43 ff., 52 ff., 91 ff., 119 f., 123, 126, 138, 149 ff., 153 f., 160, 178, 181, 193, 197, 202 Vermögenskonfiskation 19, 49 f., 73, 97 f., 131, 134, 142, 190 Verwandtschaftszählung 67 f., 133, 167 – Verwandtschaftsgrade 43, 49, 67 ff., 86, 103 f., 133, 166 f., 182, 215 Vestalin 51 viliores siehe humiliores viripotentia siehe Ehemündigkeit Vitigis, ostgot. Kg. (536–540) 102 Vulgarismus 14, 28, 30 ff., 34, 196 f., 204, 212, 217 Vulgarrecht 13 ff., 26 ff., 177, 186, 191, 195 ff., 203 f., 206, 208 ff., 217 f.

– Vulgarisierung 14 f., 28 f., 32, 35 f., 191, 196, 210 ff., 218 – Vulgarrechtsbegriff 26 f., 31 ff., 204, 208 f. – Vulgarrechtsdiskussion 14, 26, 32, 36 Wartefrist siehe Wiederheirat Wergeld 96, 128, 134, 137 f., 149, 152, 171, 177 f. – Wergeldsystem 96, 156, 171, 177, 216 f. Westgotenreich 17, 20, 70, 108, 186 – toledanisches Westgotenreich 19, 70, 77, 79, 81, 86, 112, 197 – tolosanisches Westgotenreich 18 f., 76, 86 Weströmisches Reich/Westreich 13, 15 ff., 21 f., 25 ff., 31 f., 48, 54, 77, 83 f., 124, 186, 189, 210 ff., 217 f. Wiederverheiratung 30, 43, 50, 81 ff., 102, 115, 142 ff., 153 f., 155, 170, 173 f., 180 f., 183 ff., 202, 204, 208 f., 218 – Trauerzeit 43 f., 83 f., 115, 146, 175, 181, 185 – Wartefrist 44, 50, 82 ff., 115, 143 ff., 184, 202, 204, 208 f., 218 Wisigard, Ehefrau Theudeberts I. 165 witimon siehe Brautpreis Witwe 43 f., 50 f., 56, 61, 82 ff., 94, 107, 110, 115, 120, 141 ff., 146 f., 153 ff., 160, 174 f., 181, 184 f., 188, 199, 202, 208 f. Witwer 44, 84 f., 147 Zenon, oström. Ks. (474–491) 88 Zitiergesetz 25