Das Rathhaus [Rathaus] zu Aachen. Ein Führer für Besucher und Legende zu Freskobildern des Kaisersaales

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Das Rathhaus [Rathaus] zu Aachen. Ein Führer für Besucher und Legende zu Freskobildern des Kaisersaales

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L. Rovenhageii.

Aachen. Verlag von M. Jacobi. 1873.

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Durch vorliegendesWerkchen glaubte man rlen zahlreichen Besuchern des aachener Ratlihauses einen ausreichenden Führer bei der Be¬

sichtigung und ein angenehmes Andenken an das Gesehene, dann aber auch den Besitzern der vom Düsseldorfer Kunstverein herausgege¬ benen Holzschnitte der Freskobilder eine schon von vielen Seiten gewünschte eingehendereEr¬ klärung zu bieten.

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Das aacliener Rathhaus in seiner jetzigen Ge¬ stalt ist eine Schöpfung des 14. Jahrhunderts; es wurde von dem Bürgermeister Ritter Gerhard Chorus im Jahre 1353 begonnen, doch erwähnen ältere Rechnungen schon Ausgaben für den Bau. : ) Im Jahre 1370 wurde mit Meister Peter van der Capellen von Bürgermeister, Schöffen und Rath ein Vertrag geschlossen, -hehufs Lieferung der stei¬ nernen Bildnisse, die an das Rathhaus — Stadhuys in dem Mart — gehören und für welche Capitäle und Baldachine bereits fertig stehen. ä ) Im Jahre 137G fanden in den Räumen desselben schon die Festlichkeiten bei der Krönung Wenzels statt. Das Rathhaus ist an der Stelle und auf den Trümmern (eines Theiles) der kaiserlichen Pfalz Karls des Grossen erbaut. Hauptzweck des Gebäu') Prof. C. P. Book. Das Rathhaus zu Aachen. Aachen 1843. -) Haagen, Geschichte Achens I. 301 u. ff. Aachener Liederchronik a. 1370.

des war, einen ausreichenden und herrlichen Saal zu schaffen (an Stelle des durch Zeit und Brand verunstalteten altern), in welchem die Kaiser bei den Krönungen, dann aber auch besonders bei den Weihnachtsfesten ihre zahlreichen und glänzenden Versammlungen und die damit verbundenen präch¬ tigen Gelage abhalten konnten, endlich für die Ver¬ sammlungen des grössern Rathes der um diese Zeit schon zu hoher Blüthe gelangten kaiserlichen freien Reichsstadt. Dass besonders die Weihnachtsfeste in der Halle gefeiert wurden, hat Prof. C. P. Bock in seiner Schrift »das Rathhaus zu Aachen« überzeugend nachgewiesen; das über dem Eingange zur Thurmtreppe am Westende befindliche Basrelief, die An¬ betung der drei Könige, weist ausdrücklich auf diese Bestimmung hin. Das Rathhaus liegt auf einer Anhöhe, die Hauptseite nach Norden gewendet, vor demselben ist ein entsprechender grosser Platz, der Markt¬ platz; nach der Südseite hin ist dasselbe ebenfalls frei, der viereckige mit Bäumen bepflanzte Platz (früher Katschhof [von Kax, Pranger,] jetzt Cho¬ rusplatz genannt) trennt es von der etwas tiefer liegenden Domkirchc, mit welcher es jedoch noch durch einen alten Gang (durch das jetzige Real-

schulgebäude sich hinziehend) verbunden ist, der von dem Stadtrathe nach altem Herkommen bei Eröffnung der alle siebeu Jahre stattfindenden Heiligthumsfahrt benutzt wird. Von dem Marktplatze aus betrachtet stellt das gewaltige Gebäude sich in seiner ganzen Grösse dar. Der Mittelbau bei einer Länge von 175 Fuss und einer Höhe von mehr als 60 Fuss, hat drei Stockwerke, von denen das Erdgeschoss die ge¬ ringste, das oberste Geschoss die grösste Höhe hat; fünfzehn grosse Fenster, zu je dreien zusam¬ mengehörig, in jedem Stockwerke, theilen die grosse Wandfläche in senkrechter Kichtung harmonisch in fünf Theile. Diese grosse Stirnwand war früher, noch im vorigen Jahrhundert, mit reicher gothischer Bildarbeit geschmückt, die jedoch um 1730 einer dem Geschmack der damaligen Zeit ent¬ sprechenden nüchternen Verzierung und Ueberklebung weichen musste; den Abschluss gegen das Dach bildete einst eine Gallerie, die in Folge der Beschädigung durch ein Erdbeben beseitigt wurde; das einfache Spitzdach ist neueren Ursprungs. Neben dem Hauptgebäude erheben sich zu beiden Seiten mächtige Thürme; der westliche ist halb¬ rund und enthält die ehemalige Haupttreppe zu dem grossen Krönungssaale; an der nordöstlichen

10 Ecke des .Gebäudes ist ein kleinerer Treppenthurm, dessen Treppe zum persönlichen Gebrauch des Kai¬ sers bei den Festen dienen mochte, da sie in die Nähe des Thrones führt. Der an der Ostseite ge¬ legene starke Thurm ist viereckig, hat Schiess¬ scharten und in einer Höhe von 70 Fuss hervor¬ kragende Erkerthürmchen; beide Thürme (180' hoch) sind überragt von einem hohen Dachaufsatze, mit wulstförmigen Absätzen und Gallerien, von welchen sich eine weite Rundschau bietet über, das Thal, in welchem die Stadt liegt; diese Holz¬ helme so wie das Dach wurden nach dem auch für das Rathhaus verderblichen Stadtbrande von 1656 durch den städtischen Zimmermeister Gerhard Kraus aufgeführt. Der Haupteingang zum Rathhause ist in der Mitte; eine aus blauem Kalkstein erbaute grosse Freitreppe führt in das zweite Stockwerk; diese Freitreppe wurde im Jahre 1730 bei der allgemeinen Umgestaltung des Baues von dem damaligen städtischen Baumeister Couven an Stelle der altern durch einen säulengetragenen Baldachin überdachten gesetzt. Das untere Stock¬ werk enthält die städtische Feuerwache, die Stadt¬ waage, die Wohnung des K astellans und die grossen Küchenräume für die Zubereitung der Festmähler, auch befinden sich unter diesen weite, erst in neue-

11 rer Zeit wieder erschlossene Kellerräume. Steigen wir die Freitreppe hinauf, so gelangen wir in eine weite Vorhalle, 60 Fuss lang und 30 Fuss breit, gewölbt wie alle Käume des Gebäudes; zur Rechten sind die Amtsstuben der städtischen Verwaltung, zur Linken der Sitzungssaal des Gemeinderaths; vor uns befindet sich das neue Treppenhaus, in streng gothischem Style von Baurath Ark, dem städtischen Baumeister, im Jahre 1848 an die Süd¬ seite angebaut; diese Treppe führt zu dem das obere Stockwerk einnehmenden Krönungssaal. Einzelne Theile des jetzigen Rathhauses sind unzweifelhaft Reste der alten Pfalz Karls des Grossen, besonders weist eine Vergleichung des Mauerwerkes der beiden Thürme in den untern Theilen eine nicht zu verkennende Uebereinstimmung mit der Mauerkonstruktion des Oktogons des Münsters auf; der englische Archäolog Sir John Parker findet in dem viereckigen östlichen Thurme Spuren, höchsten Alters; Prof. Bock a. a. 0. S. 93 setzt den Bau dieses "Wachtthurmes — Berchfrit — mit den Kämpfen der Guelfen und Gibellinen, den Thronstreitigkeiten zwischen Otto IV. und Friedrich II. in Verbindung und bezeich¬ net die Jahre 1208 bis 1215 als Zeit seiner Er¬ bauung ; den Namen Granusthurm

habe erst der

spätere stolze Sinn der Bürger eingeführt, um so auf den (sagenhaften) Gründer der Stadt, Granus, einen Bruder des Nero, hinzuweisen und ihrer^ Stadt ein hohes Alter zu verleihen. Bei dem Bau der jetzigen Freitreppen wurde in einer Tiefe von 15 Fuss eine ältere runde Treppenanlage aufge¬ funden. Der Neubau einer Festhalle war aber durch wiederholte Beschädigung des alten Pallastbaues bedingt: nicht nur der Einfall der Normannen 881, mehrfache Feuersbrünste (1146, 1236), und selbst Erdbeben hatten zerstörend an demselben gewirkt; so dass diesen Umständen auch wohl der von Bichard von Cornwallis 1257 unternommene Bau eines städtischen Kathhauses, westlich von jenem, dem sogenannten Gras, dessen merkwürdige Stirn¬ mauer noch heute steht, zu verdanken ist. Aber auch der von Bitter Chorus in der schönsten Zeit gothischer Bauthätigkeit aufgeführte Bau blieb nicht vor Zerstörungen bewahrt, und besonders verderblich war ihm der verheerende Brand von 1656, wobei mehr als 4000 Häuser der Stadt in Asche gelegt wurden. Der reiche Bilderschmuck der Facade, der annähernd noch aus alten Bildern zu erkennen ist, musste der Zeit weichen, soll aber in kurzer Zeit möglichst getreu wieder hergestellt werden. Die städtische Bibliothek bewahrt Abbil-

13 düngen des Rathhauses, welche jenen reichen Sta¬ tuenschmuck, so wie die Bedachung der Thürme vor und nach dem Brande von 1656 zeigen; wir ersehen daraus auch, dass in alter Zeit ein gothischer Springbrunnen, von Gerh. Chorus erbaut, den Marktplatz schmückte, an dessen Stelle im Jahre 1620 der jetzige gesetzt wurde; die kupferne Schale, in welche das Wasser fällt, wurde hier von Meister Franz von Trier gegossen und wiegt 12,00(1 Pfund, die Statue Karls, die den Brunnen krönt, wurde zu Dinant an der Maas gegossen. (Noppius Chronik.)

Der Sitzungssaal des Gemeinderatlis. Bei einer Besichtigung des Innern des Rathhauses bleiben die zur Rechten des Einganges ge¬ legenen Räume füglich unbeachtet. Neben dem Saale des Oberbürgermeisters enthalten dieselben Bureaux für die Verwaltung und das städtische Archiv; die Säle sind zum Theil mit allegorischen Wandgemälden im Geschmack des vorigen Jahr¬ hunderts geziert; auch einzelne ältere Gemälde (St. Ivo, Patron der Advokaten u. a ) und sonstige Erinnerungen an die Vergangenheit, die grossen Trinkkannen der Stadt sind hier aufbewahrt; das Archiv birgt, wie natürlich, viele merkwürdige, Do¬ kumente von Päpsten, Kaisern und Königen. Zur Linken liegt der stattliche Sitzungssaal des Gemeinderathes, einst auch wohl Sitz des Schöffen¬ gerichts, und als solcher »Brüssel« genannt;')

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') Von ßruchsaal, wo der Stab gebrochen, das Urtheil gesprochen wurde. (?)

15 selbe ist bemerkenswerth durch seinen reichen Schmuck historischer Bilder. Aus der Zeit der französischen Herrschaft sind da die lebensgrossen Portraits Napoleons I. und seiner Gemahlin Josephine, jenes von Boucher, dieses von Lefevre, Schü¬ lern Davids, und von dem Kaiser als Zeichen der Gnade a sa bonne ville zum Geschenk gemacht. Im Jahre 1818 wurden sie nach Berlin gebracht und statt ihrer ein Bild Friedrich Wilhelm III., ge¬ malt von Hensel in Berlin, der Stadt gegeben; Friedrich Wilhelm IV., dessen Brustbild von dem¬ selben Maler sich ebenfalls im Saale befindet, Hess von jenen Bildern eine Copie für die Berliner Gallerie machen und gab der Stadt die Originale zurück. Ein zweites Bild Friedrich Wilhelm III. ist der Stadt von dem Könige als Anerkennung für die ausgezeichnete Haltung der Bürgerschaft im stür¬ mischen Jahre 1830 verliehen worden. Das farben¬ reiche Glasgemälde, welches eins der Fenster füllt, ist das Portrait des jetzt regierenden Königs Wil¬ helm I. ; Sr. Majestät von dem hiesigen Hofglas¬ maler Schmitz verehrt, und der Stadt verliehen als Andenken an die herrlichen Tage des Jubelfestes der 50jährigen Vereinigung der Bheinlande und Westfalens mit der Krone Preussen (15. Mai 1865). An derselben Wand mit den genannten Bildern

16 sind die Portraits

der Kaiserin Maria Theresia und

ihres Gemahls Franz I.; lerner die Gemahlin Leo¬ pold I,, so wie die Kurfürsten von Baiern Karl VI. und Karl VII., alle Geschenke der betreffenden Fürsten, wie fast alle Bilder des Saales. An der gegenüberstehenden Wand fällt uns zuerst das grosse Bild Karls des Grossen ins Auge; es ist das älteste bestehende Bild des Kaisers, der niederlän¬ dischen Schule des 16. Jahrhunderts angehörig und allgemein bekannt durch einen Stich von Meno Haas. Neben diesem und an der längern Seiten¬ wand sind die Brustbilder der Gesandten, welche die Verhandlungen beim aachener Congress 1748 leiteten, und von diesen geschenkt. Dieselben wa¬ ren für Oestreich Wenzel Anton Graf von Kaunitz, für Frankreich Graf von St. Severin d'Aragou, für England Graf von Sandwich und Mr. Robinson, für die Generalstaaten Graf Bentink, Graf von Wassenaer-Twikel, Baron von Bosselaer, von Hasselaer, Anno Zwier von Haaren, für Spanien J. M. de Limaj' Soto Mayor, für Preussen von Amnion, für Venedig de Locatelli, für Sardinien Graf von Chavanne und G. d'Osorio, für Genua Franzesco Maria Doria, für Modena Graf Manzone, für Churbaiern Graf Spoon, und endlich der Lütticher Domherr Jacquet für den Papst Benedikt XIV.

17 Die beiden Bilder in geistlicher Tracht sind Papst Clemens IX. (1667—1670) und sein Neffe Cardinal Kospigliosi, vielleicht zur Erinnerung an den Friedensschluss zu Aachen 1668. Ausser den genannten Bildern fanden sich im Rathhause mehrere durch die Zeit entstellte Ge¬ mälde vor, von denen einige, durch die Sorgfalt des Herrn Bürgermeisters Dahmen restaurirt sind, und weil es im Rathhaus an Platz mangelte, zum Theil in der städtischen Bibliothek (der Brand von Aachen 1656), zum Theil in den Sälen des Kurhauses eine angemessene Stelle fanden. Im Jahre 1858 fand im Gemeinderaths-Saale die feierliche Begrüssung des von der Brautfahrt zu¬ rückkehrenden Kronprinzen von Preussen und seiner Gemahlin, der Prinzessin Viktoria von England statt; es hatten sich zu diesem Zwecke in Aachen, als der ersten deutschen Stadt, die Ihre Königl. Hoheiten betraten, die Bürgermeister der rheini¬ schen Städte versammelt; nach entsprechendem Empfange wurde das übrige Rathhaus und beson¬ ders der zum Theil schon hergestellte Kaisersaal mit den vier von Rethel vollendeten Freskobildern besichtigt, vortrug.

wobei ein gemischter Chor Festgesänge

Der Kaisersaal. Durch das neue Treppenhaus, aus dessen erker¬ ähnlichen Fenstern sich eine prachtvolle Ansicht der gegenüberliegenden Domkirche bietet, gelangen wir zu dem Krönungs- oder Kaisersaal. Hier wur¬ den bei den Kaiserkrönungen von Wenzel 1376 ab bis zu Ferdinand I. 1531 die grossartigen Fest¬ mähler gehalten; das Krönungsmahl Kudolph's von Habsburg, 1273, von dem Schiller singt: »Zu Aachen in seiner Kaiserpracht, Im alterthümlichen Saale Sass König Rudolph's heilige Macht Beim festlichen Krönungsmahle« hatte mithin in dem altern Saale stattgefunden.') Bei ') Nach langer Unterbrechung fand in dem grossen Kaisersaal, wenn auch nicht ein Krönungsmahl, doch ein festliches Königsmahl statt, welches die Stadt hei Gelegenheit der 50jährigen Vereinigung der Provinzen Rheinland und Westfalen mit dem Königreich Preussen im J. 18G5 Sr. Majestät dem König Wilhelm I. gab.

19 diesen Festen wurde auch auf dem Saale getanzt, wie aus einer Angabe der städtischen Rechnungen (Laurent, Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhun¬ dert S. 43.) hervorgeht, wobei der Saal mit Grün geschmückt wurde (»It. 4 Schilling um Grass up den sali, du die keysserynne drup quam danzen«). Doch diente er auch zu sonstigen Zwecken; ausser den erwähnten Weihnachtsfesten, die, seit Aachen nicht mehr ständiger Winteraufenthalt der deutschen Kaiser war, wohl selten vorkommen mochten, wur¬ den auf dem grossen Saale die Versammlungen des grossen Rathes der Stadt gehalten, welcher weit über 100 (129 im J. 1632) Mitglieder zählte, und wurde, wie aus einer Inschrift klar ist, in der dor¬ tigen Kapelle jedesmal vor der Sitzung die Messe gefeiert. Der Kaisersaal nimmt, wie erwähnt, das ganze obere Geschoss des Rathhauses ein, er hat eine Länge von 162 und eine Breite von 60 Fuss; vier gewaltige achteckige Pfeiler, die zugleich als Rauchfänge für die untern Räume dienen, theilen ihn der Länge nach in zwei Schiffe, deren jedes den 15 Fenstern der Vorderseite entsprechend, sich in 5 durch Kreuz¬ gewölbte geschlossene Vierecke abtheilt; die Schei¬ telhöhe dieser Wölbungen ist 27 Fuss, ihre Span¬ nung 28 1/2 Fuss. Die hintere Wand, die Südseite, 2*

20 war vormals ebenfalls mit Fensteröffnungen ver¬ sehen: dass diese im ursprünglichen Plane gewesen, wird von Vielen bestritten, Prof. Bock's Schrift sucht dies zu erweisen; sie wurden jedoch zugemauert, um so Wandflächen für bildlichen Schmuck zu er¬ halten, nur das mittlere Feld wurde ganz geöffnet und bildet jetzt den weiten Eingangs der nur durch einen Teppich verhängt ist. Von den Fenstern der Nordseite bietet sich eine herrliche Aussicht über den Marktplatz, den nördlichen Theil der Stadt und die darunterliegenden Höhen desLousbergesund des Salvatorherges. Im Anfange des vorigen Jahrhun¬ derts war die weite Halle durch Zwischenwände in mehrere Räume getheilt, deren grösster, durch Wandmalereien und reiche Stuckatur im Rokokostyle verziert, als Sitzungssaal des mehrerwähnten Frie¬ denskongresses 1748, dann auch beim Congress 1818 diente, ausserdem auch bis in die neuere Zeit zu grossem städtischen Festlichkeiten benutzt wurde. Diese Wände wurden 1S 4 7 entfernt. Die östliche Wand enthält zwei Felder, das dem Markt zu ge¬ legene hat zwei Fensteröffnungen und daneben eine hinaustretende, zierliche gothische Altarnische, hier wurde bei Krönungen und vor den grossen Rathsversammlungen Messe gelesen, wie die Aufschrift an dem den Eingang bildenden Spitzbogen besagt:

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Super ara inhoosacello sanctis Apostolis Philippo et Jaeobo olim dedicata Bonifacius P. P. IX. sanctae missae sacrificium ante senatus sessiones a. 1402 gratiose concessit celebrar-L Alexander auteni P. P. VII. ut nuncius Apostolicus hie commoratus qui regalem hanc sedem coluit, dilexit eandem a. 1656 25? Maji iuoeudio penitus fere consumptara eximia liberalitate recreavit. Quorum benefactorum in gratam memoriam utriusquePontificis effigiem ad latus patronorum restaurata curia depingi curavit a° 1864° S. P. Q. A. Die Bilder der beiden darin erwähnten Päpste Bonifacius IX. und Alexander VII., des Wohlthäters der Stadt, J ) sind an den Seitenwänden auf Gold¬ grund gemalt; die Patrone Philippus und Jacobus sollen als Glasgemälde in die Fenster der Capelle kommen, während das mittlere Fenster über dem Altar das Bild der Jungfrau Maria zieren wird. Neben dieser Altarnische ward bei den Krönungs') Alexander VIT,, früher Nuntius des h. Stuhles in Köln und Vertreter desselben bei den Friedensschlüssen zu Münster und Osnabrück, hatte mehrere Jahre in Aachen (bis 1651) verweilt, und nach seiner Wahl zum Papste sandte er auf die ihm vom Rath mitgetheiltc Noth der Stadt durch den grossen Brand, derselben ein Geschenk von 2000 Dukaten.

22 feierlichkeiten der kaiserliche Thron aufgeschlagen. An. der entgegengesetzten westlichen Wand befindet sich die Thüre, welche zu der früher erwähnten Thurmtreppe führt; über dieser Thüre sowohl, als über Kapelle und Fenster blieb ein freies Feld für Malereien. Der Boden des Saales ist mit Mettlacher Steinen belegt, den aachener Adler, umgeben von den "Wap¬ penschildern derChurfürsten, darstellend x); diePfeiler., die Gurte der Wölbung und die Wölbungen selbst sind kunstgerecht in Tempera-Malerei dnrch den Maler Kleinertz von Köln geschmückt 2). den Bogen

') Seitdem diese Belegung des Bodens ausgeführt ist, hat sich in akustischer Hinsicht eine merkwürdige Veränderung zugetragen: die am Eingange lautge¬ sprochenen Worte durchhauen die Wände entlang den ganzen Saal und kehren, zehnfach absetzend, wieder zurück. Die Construktion der Halle macht dieselbe zwar nicht geeignet zu musikalischen Aufführungen, doch fanden hier im Jahre 1857 noch vor gänzlicher Herstellung des Saales die grossartigen Conzerte zur Jubelfeier des 25jährigen Bestehens der aachener Lie¬ dertafel statt. 2) Potographische Nachbildungen dieser trefflichen Dekorations-Malereien erschienen 1872 im Verlage von M. Jacobi in Aachen.

23 des Einganges zieren die Wappen der sieben Kur¬ fürsten ; rings an den Wänden zwischen den Fenstern und den Bildflächen, so wie an den Pfeilern befin¬ den sich die reichgearbeiteten Sockel, zum Theil der alten Zeit noch angehörig, auf welchen die Statuen der hier gekrönten Kaiser ihre Stelle finden werden. Die Südseite hat vier grosse Felder, die östliche und westliche Seite je eine grosse und eine kleinere im Spitzbogen schliessende Wandfläche, welche alle mit Freskobildern ausgefüllt sind. Diese Fresken, zum Theil von der Stadt Aachen, zum Theil vom Düsseldorfer Kunstverein gestiftet, sind Schöpfungen des berühmten Historienmalers Alfred Rethel (geboren 1S16 zu Aachen, gestorben 1859 zu Düsseldorf.) Diese Compositionen sind nach dem übereinstimmenden Urtheile der Kunstkenner eines der grössten, wenn nicht das bedeutendste Meister¬ werk der neuern deutschen historischen Kunst. Der grosse Meister konnte leider selbst nur vier seiner Cartons (1 — 4) zur Ausführung bringen, die 4 an¬ dern wurden von dem Historienmaler Joseph Keh¬ ren ausgeführt. In der Färbung ist zwischen beiden ein grosser Unterschied: jene von Rethel selbst ge¬ malten zeigen ein blasseres, mehr monumentales Colorit, während die von Kehren ausgeführten durch lebhaftere Farben hervorstechen. Die Ansichten

24 über die Vorzüge der einen oder der andern Aus¬ führung sind getheilt. Durch die im Auftrage des Düsseldorfer Kunstvereins von Prof. Alb. Baur ge¬ zeichnete und in Holzschnitt erschienene Wieder¬ gabe, so wie durch Photographien von Kampf in Aachen, sind die Fresken weithin verbreitet; leider sind die Holzschnitte beim Brande der Düsseldorfer Akademie vernichtet worden, so dass eine neue Auf¬ nahme bald Bedürfniss werden wird. Gegenstand der Darstellung in diesen Bildern sind glücklich erfasste Momente aus dem Leben Karls des Grossen. Bas erste (kleinere) Gemälde über der Altarnische ist gleichsam die Wiedererschliessung der Geschichte des grossen Kaisers. Nach¬ dem derselbe fast zwei Jahrhunderte im festver¬ mauerten Grabgewölbe geschlummert, Hess Kaiser Otto III. im Jahre 1000, von Neugierde oder von Verehrung getrieben, das Grab des grossen Stifters des römischen Kaiserthums deutscher Nation gegen die Bestimmung der Kirche aufsuchen und öffnen. Er fand die Leiche auf dem Thronsessel sitzend, angethan mit den kaiserlichen Gewändern, Welt¬ kugel und Scepter in der Hand und das Evangelien-

buch auf den Knien, das gekrönte Haupt mit einem Schleier bedekt, unter seinen Füssen den noch im Dome aufbewahrten Proserpinakasten (Marmor¬ sarg). Otto habe das goldene Kreuz von der Brust Karls genommen und das Uebrige wieder an seine Stelle gelegt. Sein früher Tod wurde als eine Strafe dieser Handlung angesehen. ') Bas zweite Bild bezieht sich auf die Sachsenkriege Karls. 772 auf dem Reichstage zu Worms beschlossen, dauerte der blutige Volks- und Religionskampf mit Unterbre¬ chungen bis zum Jahre 803. Auf dem ersten glück¬ lichen Zuge wurde auf Karls Befehl ein hochverehr¬ tes, entweder religiöses oder historisches Denkmal der Sachsen, die Irminsul, gestürzt; es stellte ei¬ nen gewappneten Krieger dar, der in der Rechten eine mit Rose und Wage bezeichnete Fahne hielt, auf seinem Schilde war das Bild eines Löwen; es mochte eine Erinnerung an Armin oder Hermann, den deutschen Sieger über die Römer im teutoburger Walde, gewesen sein. Der siegreiche Karl steht

') Ausführliches in Haagen's Geschichte Achens I. 82 u. ff. Aachen 1873.

26 mit der nischen Sachsen ihr Gott

Eeichs - Fahne davor, während die heid¬ Priester sich trotzig wegwenden, und die mit starrem Blick zu fragen scheinen, ob diese Schmach nicht rächen werde. Das dritte Bild

stellt die sagenhafte Schlacht von Cordova dar, und erinnert an Karls des Grossen siegreichen Zug nach Spanien, der die Gründung der spanischen Mark, Ausdehnung des Reiches bis zum Ebro zur Folge hatte, und der vorzüglich durch die Heldenthaten und den Tod des tapfern Roland im Thale zu Roncevalles zu einem Lieblingsgegenstand der Dichter aller Zeiten geworden ist. Auf dem Reichstage zu Paderborn im J. 777 war Ibn-al-Arabi, der Stattbalter von Cordova, zu Karl gekommen, um seine Hülfe gegen Emir Abderrahman zu erflehen. In der Schlacht Hess der Kaiser den Pferden der Sei¬ nen die Augen verbinden, damit sie nicht durch die teuflischen Larven, welche die Sarazenen mit in die Schlacht trugen, erschreckt würden. Erzbischof Turpin an Karls Seite hält ihnen das siegreiche Kreuz entgegen, während Karl eben die Standarte der Feinde mit gewaltigem Streiche fällt.

27

Bas vierte Bild, die Einnahme von Pavia, ist aus dem Kriege Karls des Grossen gegen den Longobardenkönig Desiderius. Karl hatte die Tochter dieses Fürsten zur Gemahlin, sie jedoch angeblich auf Betreiben des Papstes Verstössen; dafür rächte sich Desiderius, indem er die Witwe Karlmann's, des Bruders Karls, und ihre Söhne nebst vielen unzufriedenen Franken bei sich aufnahm, auch den Papst in den ihm von Pipin gegebenen Besitzungen angriff, und ihn zwin¬ gen wollte, Karlmann's Söhne zu krönen. Karl eilte mit einem von Eisen starrenden Heere über die Al¬ pen, belagerte und eroberte Pavia, wo Desiderius selbst zum Gefangenen gemacht wurde. Auf unserm Bilde zieht der Kaiser hoch zu Pferde in die be¬ zwungene Stadt ein, seine Linke trägt die berühmte eiserne Krone der Lombarden, in welche ein Nagel des heiligen Kreuzes eingefügt ist. Desiderius steht gebeugt und in Ketten an dem Thore neben seiner Gemahlin. Bas fünfte Bild, (dieses so wie die folgenden von Kehren gemalt), die Taufe Wittekinds oder Widukinds, des tapfern und ausdauernden Sachsenfürsten, bezeichnet die end-

28 liehe erfolgreiche Unterwerfung der Sachsen durch die Annahme des Christenthums. Nach historischer Ueherlieferung soll die Taufe zu Attigny stattge¬ funden haben 785. Wittekind war mehr durch die Milde und die Frömmigkeit Karls, deren Zeuge er gewesen war, als durch Gewalt bezwungen worden. Bei der feierlichen Handlung ist Karl selbst Tauf¬ zeuge, daher er knieend bei dem Altare dargestellt ist. Die Sachsen an den Stufen des Altares deuten durch die Annahme des Banners mit rothem Boss für das bisherige blaue Boss die Umwandlung ihrer Gesinnung an. Im sechsten Bilde sehen wir die Krönung Karls zum römischen Kaiser. Im Jahre 800 zu Eom anwesend, wo er den von seinen Feinden geblendeten Papst Leo III. geschützt hatte, wurde er, nach Einhard's Angabe, während er am Weihnachtstage am Altare seine Andacht ver¬ richtete, vom Papst durch die Aufsetzung der Krone der römischen Kaiser überrascht; nach Andern war die Krönung Folge vorhergegangener Abmachun¬ gen, und die in den Zügen Karls ausgedrückte Ueberraschung wird dadurch erklärt, dass er die Krone sich habe selbst aufsetzen wollen. Leo rief ihn vor dem versammelten

Volke als Imperator Augustus

29 aus; die umstehenden Figuren bedeuten sinnbildlich die verschiedenen Völker, über welche des Kaisers Herrschaft sich erstreckte. Bas siebente Bild, der Münsterbau zu Aachen, ist für die Stadt von besonderer Bedeutung. Schon längere Zeit hatte Karl die Absicht eine würdige Pfalzkapelle zu bauen, doch konnte er dieselbe erst gegen Ende des 8. Jahr¬ hunderts verwirklichen; nach dem Vorbilde der in Italien gesehenen Tempel (zu Ravenna) und mit kostbarem Baumaterial, welches er von dort kom¬ men liess, errichtete er das Oktogon; im Jahre 804 wurde die der Jungfrau Maria gewidmete Kirche vom Papste geweiht. Auf dem Bilde ist Karl in Mitten der Werkleute und der Seinigen beim Bau beschäftigt, als die päpstlichen Legaten mit den vom Papst geschenkten Marmorsäulen herankom¬ men. Die Kapelle auf dem Salvatorsberge im Hin¬ tergrunde ist ein Anachronismus, da erst sein Nach¬ folger dort eine Kirche gründete. Im achten Bilde endlich, der Krönung seines Sohnes Ludwig, ist der Abschluss des thätigen Lebens Karls. Die mehr¬ versprechenden Söhne des Kaisers waren vor ihm

30 gestorben, der schwächere Ludwig, schon König von Aquitanien, mochte ihn für die Zukunft des grossen Reiches mit Besorgniss erfüllen. Der greise Herrscher, auf seine Umgebung gestützt, immer noch eine gewaltige Gestalt, hiess seinen Sohn, nach feierlicher Ermahnung, vor versammeltem Volke sich selbst die Krone aufsetzen, ihn so gleichsam zu eigener kräftigen Thätigkeit auffordernd. Septem¬ ber 813.

So führen die acht bildlichen Darstellungen im Kaisersaale uns die grossartigen Ereignisse des öffentlichen Lebens Karls des Grossen lebendig vor Augen; doch hat die Sage auch das Familienleben Karls reich ausgeschmückt; Eginhards Verbindung mit Emma, der Tochter des Kaisers, knüpft sich an die Pfalz zu Aachen und an die Umgegend der Stadt, wir glaubten daher diese Sage im Anhang beifügen zu dürfen, so wie auch die Auffindung der heissen Quellen, wodurch die Anhänglichkeit Karls an Aachen begründet wird. Noch bleiben zwei Felder im Treppenhause mit Bildern zu schmücken. An Vorschlägen hierzu hat es nicht gefehlt. Da aber die Geschichte des Grün-

31 ders des deutschen Reiches in den Gemälden des Saales erschöpfend behandelt ist, so dürfte es sich empfehlen, für das Treppenhaus solche Vorwürfe zu wählen, welche Bezug auf die Bestimmung der Halle haben, nämlich auf die Feierlichkeiten bei den Krönungen der Kaiser. Zwei von Herrn Bür¬ germeister Dahmen bezeichnete Momente aus dem Leben des hier gekrönten Kaisers Rudolf von Habsburg sind so ansprechend, dass wir uns nicht versagen können sie hier anzuführen, als einstwei¬ ligen Ersatz für die noch leeren Stellen im Treppen¬ hause. Das srste bezieht sich auf die Krönung des Kö¬ nigs in der Domkirche. Da in den Wirren des Interregnums das Scepter abhanden gekommen war, so ergriff Rudolf das Kreuz vom Altare, und vollzog mit diesem die Belehnung der Fürsten, in¬ dem er sprach, das Zeichen, wodurch er mit allen Gütern und seiner Würde belehnt worden sei, werde auch gut sein zur Belehnung anderer. Das Innere der Domkirche, die zur Krönung versam¬ melten Würdenträger der Kirche und des Reiches, so wie die Menge bieten dem Maler reichen Stoff. Ein zweites Gemälde würde den, durch Schillers Ballade allgemein bekannten Moment darstellen, wo der Sänger beim Krönungsmahle dem Kaiser die edle

32 That der Frömmigkeit des Grafen von Habsburg vorträgt. Der Saal mit der historischen Aufstellung der Tafeln, die Fürsten und das Volk, dann auch im Hintergrunde die auf dem nahen Marktplatze stattfindenden Volksbelustigungen, der Festochse und die weinspendenden Springbrunnen geben eine kaum zu bewältigende Fülle. Ueber die Ausschmückung der Halle des Ein¬ ganges ist bisher noch nichts in Aussicht genommen.

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