Das Prinzip Menschenwürde – eine Einführung [1 ed.] 9783428547234, 9783428147236

Nach Ernst Blochs Prinzip Hoffnung und Hans Jonas' Prinzip Verantwortung ist im Übergang vom zweiten zum dritten Ja

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Das Prinzip Menschenwürde – eine Einführung [1 ed.]
 9783428547234, 9783428147236

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Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 85

PAOLO BECCHI

Das Prinzip Menschenwürde – eine Einführung

Duncker & Humblot · Berlin

PAOLO BECCHI

Das Prinzip Menschenwürde – eine Einführung

Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte Band 85

Das Prinzip Menschenwürde – eine Einführung Von

Paolo Becchi

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die italienische Ausgabe erschien 2013 unter dem Titel „Il principio dignità umana. Nuova edizione riveduta e ampliata“ © Morcelliana, Brescia, 2013 Für die deutsche Ausgabe alle Rechte vorbehalten © 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0935-5200 ISBN 978-3-428-14723-6 (Print) ISBN 978-3-428-54723-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84723-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

In Erinnerung an Karl-Heinz Ilting (1924 – 1984)

Vorwort Nach Ernst Blochs Prinzip Hoffnung und Hans Jonas’ Prinzip Ver¨ bergang vom zweiten zum dritten Jahrtausend ein antwortung ist im U drittes „Prinzip“ ins Zentrum der philosophischen Debatte geru¨ckt: jenes der „Menschenwu¨rde“. In Wirklichkeit handelt es sich eher um eine Wiederentdeckung als um etwas wirklich Neues. Denn schon in der Nachkriegszeit spielte das Thema eine grosse Rolle, doch heute erleben wir zweifellos ein noch gro¨sseres Revival. Diese Arbeit zeigt zuna¨chst kurz den philosophischen Weg auf, der zur Herausbildung der Idee der Menschenwu¨rde fu¨hrte. Dann wird versucht, deren wichtigste Rezeptionen im juristischen Bereich darzustellen; dabei werden einige exemplarische Rechtsdokumente in ihren Kernaussagen analysiert. Schliesslich soll die Entwicklung der rechtsphilosophischen Debatte bis hin zu den vom medizinisch-biologischen Fortschritt angestossenen Diskussionen ero¨rtert werden. Ein Anhang zur Wu¨rde in der Schweizerischen Bundesverfassung rundet die Arbeit ab. Der vorliegende Band geht auf ein inzwischen schon in zweiter Auflage erschienenes Werk in italienischer Sprache zuru¨ck. Mein herzlicher Dank geht an meine Kollegen Roberto Andorno, Bernhard Ru¨tsche und Kurt Seelmann fu¨r die kritische Durchsicht des Manuskripts und an meinen Assistenten Loris Fabrizio Mainardi, der die deutsche Bearbeitung betreut hat. Luzern, im Juni 2016

Paolo Becchi

Inhaltsverzeichnis I.

¨ berblick . . . . 11 Das doppelte Gesicht der Wu¨rde: Ein begriffshistorischer U

II. Die lange Debatte der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Neuorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 IV. Von der Europa¨ischen Menschenrechtskonvention u¨ber die Konvention von Oviedo bis zur Charta der Grundrechte der Europa¨ischen Union . . . 38 V. Das Selbstbestimmungsrecht und seine Grenzen – die Bewahrung des Menschenbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 VI. Kritische Aspekte der medizinischen Bioethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 VII. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Anhang: Die Wu¨rde in der Schweizerischen Bundesverfassung . . . . . . . . . . . . 60 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

I. Das doppelte Gesicht der Wu¨rde: ¨ berblick Ein begriffshistorischer U Seit der Ausdruck „Menschenwu¨rde“ in der ro¨mischen Antike an philosophischer Relevanz gewann,1 wurde er in zweifacher Bedeutung verwendet. Beide Deutungskonzepte entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte weiter, erscheinen in ihrem Kern aber heute noch substantiell unvera¨ndert: Einerseits bezeichnet die Wu¨rde des Menschen seine besondere Stellung im Universum, andererseits eine von ihm eingenommene gesellschaftliche Stellung. Die eine Auffassung ist ontologisch, die andere wertend. Der Ausdruck „Wu¨rde“ bezieht sich somit sowohl auf die Tatsache, dass der Mensch sich vom Rest der Natur unterscheidet, weil er das einzige animal rationale ist, als auch auf die aktive Rolle eines Menschen im o¨ffentlichen Leben, die ihn von anderen Individuen unterscheidet und ihm einen besonderen Wert verleiht. Im Sinne der ersten Bedeutungsvariante hat der Mensch als solcher Wu¨rde, weil er an der Spitze der Hierarchie in der Natur steht; im Sinne der zweiten bemisst sich Wu¨rde nach seiner Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie. Fu¨r Cicero, der als erster diese zwei Bedeutungen hervorhob, verletzte demzufolge ein Mensch, der sich dem Genuss der Sinne preisgab, die Wu¨rde seiner vernu¨nftigen Natur; wogegen dem Menschen perso¨nliche Wu¨rde aus den von ihm zum allgemeinen Wohl vollbrachten Taten erwuchs.2 1 Vgl. dazu V. Po¨schl, Der Begriff der Wu¨rde im antiken Rom und spa¨ter; M. Forschner, Marktpreis und Wu¨rde, sowie, fu¨r eine Gesamtschau, den ersten Teil von „Wu¨rde“ von V. Po¨schl, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Sehr interessant der Beitrag von L. Maganzani, die in ro¨mischen Rechtsquellen zwei Wu¨rdebegriffe ausmacht: eine „horizontale“ und eine „vertikale“, welche die Wu¨rde als „Gabe“ bzw. als „Leistung“ bezeichnen. Vgl. L. Maganzani, Appunti sul concetto di dignita` umana. 2 ¨ bers.: Vgl. M. T. Cicero, De officiis, vgl. insbesondere Liber I, Cap. XXX, U „Und auch, wenn wir erwa¨gen wollen, was in unserer Natur die u¨berlegene Stellung ¨ ppigkeit zu und Wu¨rde ausmacht, werden wir erkennen, wie scha¨ndlich es ist, in U verkommen und verza¨rtelt und verweichlicht zu leben, und wie ehrenvoll, sparsam,

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Die erste Bedeutung von Wu¨rde ist universalistisch. Die menschliche Gattung besitzt diese grundsa¨tzlich als natu¨rliche Gabe bzw. „Mitgift“. Hingegen ist die zweite Bedeutung partikularistisch, ha¨ngt sie doch von Leistungen ab, die einige Individuen erbringen und andere nicht.3 Ist die Wu¨rde in der ersten Bedeutung absolut – man kann sie also weder vergro¨ssern noch schma¨lern –, so ist sie in der zweiten relativ, man kann sie erlangen oder verlieren. Diese zweite Bedeutung zeigte sich auch in der sozialgeschichtlichen Entwicklung: Zuna¨chst kam „Wu¨rde“ dem o¨ffentlichen Amt als solchem zu, nicht mehr der Person, die es bekleidete. In der Folge erwarb man „Wu¨rde“ mit dem Titel, den man als Mitglied eines bestimmten Standes besass, nicht mehr auf Grund eigener Leistungen. Schliesslich entspross sie jeder Ta¨tigkeit oder Funktion, mit welcher der Mensch zum materiellen oder geistigen Fortschritt der Gesellschaft beitra¨gt. Zuna¨chst aber gilt es, die erste Bedeutungsvariante na¨her zu betrachten, stiess sie doch in der christlichen Theologie auf fruchtbaren Boden. Das Christentum bereitete dem Postulat vom allgemeinen Wert der Menschenwu¨rde entscheidend den Weg.4 Freilich darf nicht vergessen werden, dass die rechtliche Institution der Sklaverei auch in der christlichen Welt noch lange Zeit bestand, wurde doch die „Freiheit des Christenmenschen“ enthaltsam, streng und besonnen zu leben. Es muss aber auch erkannt werden, dass wir von der Natur gleichsam mit zwei Rollen ausgestattet sind; von diesen ist die eine uns allen deshalb gemeinsam, weil wir alle an derjenigen Vernunft und u¨berlegenen Stellung teilhaben, durch die wir die Tiere u¨bertreffen, von der jedes Sittlichgute und Schickliche abgeleitet und durch die der Weg gezeigt wird, auf dem die Pflicht zu finden ist, die andere Rolle aber ist diejenige, die individuell den Einzelnen zugewiesen ist.“ Vgl. dazu H. Cancik, ,Dignity of Man‘ and ,Persona‘ in Stoic Anthropology. 3 Zu dieser zweifachen Bedeutung vgl. H. Hofmann, Die versprochene Menschenwu¨rde. 4 Vgl. dazu illustrativ K. Lo¨with, Von Hegel zu Nietzsche: „Die geschichtliche Welt, in der sich das ,Vorurteil‘ bilden konnte, daß jeder, der ein menschliches Antlitz hat, schon als solcher die ,Wu¨rde‘ und die ,Bestimmung‘ Mensch-zu-sein hat, ist urspru¨nglich nicht die jetzt verebbende Welt der bloßen Humanita¨t, die ihre Quelle im ,uomo universale‘, aber auch ,terribile‘ der Renaissance gehabt hat, sondern die Welt des Christentums, in welcher der Mensch seine Stellung zu sich und zum Na¨chsten durch den Gottmenschen Christus bemessen hat. Das Bild, welches den homo der europa¨ischen Welt u¨berhaupt erst zum Menschen macht, ist von Grund aus bestimmt durch die Vorstellung, die sich der Christ von sich selbst als einem Ebenbild Gottes macht“ (350).

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nur religio¨s gedeutet. Wie dem auch sei – es war die Lehre der Kirchenva¨ter, welche die alttestamentarische Auffassung des Menschen als „Gottes Ebenbild“ vom erlesenen Volk auf die gesamte Menschheit erweiterte.5 Ebendiese A¨hnlichkeit mit Gott sollte nun die besondere Stellung des Menschen in der Natur erkla¨ren: Gott hat uns alle nach seinem Abbild erschaffen und uns hiermit mit einer transzendenten Wu¨rde ausgestattet. Eine solche „Ikone“ zu sein, hebt die „ontologische Differenz“ zwischen Endlichem und Unendlichem nicht auf, markiert aber einen Unterschied zwischen dem Menschen und den anderen Lebewesen. Dem Menschen kommt somit gerade durch die A¨hnlichkeit mit seinem Scho¨pfer eine besondere Stellung in der Welt zu. Ein solch „existentielles“, ontologisches Versta¨ndnis der Wu¨rde setzt ein statisches, unvera¨nderbares Menschenbild voraus. Wu¨rde muss demnach nicht erst verwirklicht, sondern als etwas geachtet werden, das dem Menschen seit jeher auf Grund seiner einzigartigen Stellung zukommt. Sie ist gleichsam seine Mitgift. Daraus folgt, dass jedem menschlichen Wesen bedingungsloser Respekt zusteht, der keinem wie auch immer gearteten Zweck unterordnet werden darf, weil der Mensch im Kern etwas Heiliges ist. In der Totalita¨t des Seienden wird nur dem Menschen Wu¨rde zuerkannt, weil er sogar in seiner Endlichkeit und Verletzbarkeit untrennbar mit dem Transzendenten verbunden ist. Der Mensch ist nicht Gott, aber ein von Gott Beru¨hrter. Diese Idee wurde von der Annahme besta¨rkt, dass Gott in Jesus zum Menschen geworden sei. Wie sich zeigen wird, weist die Auffassung einer transzendent begru¨ndeten Wu¨rde des Menschen bis heute eine erstaunliche Persistenz auf, auch wenn in der vom Sa¨kularisierungsgeist erfassten Neuzeit diese Offenbarung nicht mehr als alleiniger Massstab gelten sollte. Die Sa¨kularisierung war denn auch die erste grosse Herausforderung fu¨r das dargestellte Versta¨ndnis der Wu¨rde. Seiner Zeit voraus, dru¨ckte 5

„Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns a¨hnlich. Sie sollen herrschen u¨ber die Fische des Meeres, u¨ber die Vo¨gel des Himmels, u¨ber das Vieh, u¨ber die ganze Erde und u¨ber alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn“ (Gen 1, 26 – 27). Nach dem Kommentar von C. Westermann, Genesis I/1, 218, ist „jeder Mensch in jeder Religion und in jedem Bereich, in dem die Religionen nicht mehr anerkannt werden, … nach dem Bilde Gottes geschaffen“. Und nach Ambrosius von Mailand (bzw. dem diesem zugeschriebenen De dignitate conditionis humanae) verschafft die Gottesa¨hnlichkeit dem Menschen dessen Wu¨rde. Zur einschla¨gigen mittelalterlichen Theologie vgl. Teil II des Stichworteintrags „Wu¨rde“ von P. Kondylis, in: Geschichtliche Grundbegriffe, 645 – 651.

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Giovanni Pico della Mirandola in De hominis dignitate von 1486, dem Manifest der italienischen Renaissance, die Idee des Menschen als Herr seines Schicksals aus. Das ontologische Wu¨rdeversta¨ndnis tritt nun hinter die Auffassung zuru¨ck, dass Wu¨rde verdient werden muss – dass sie erst dann zum besonderen Wert wird, wenn sie vom vernunftbegabten Menschen erlangt worden ist. Der Mensch gilt hier als unvollkommenes Wesen, als offene, unvollendete Existenz, „damit du wie dein eigener, in Ehre frei entscheidender, scho¨pferischer Bildhauer dich selbst zu der Gestalt ausformst, die du bevorzugst“.6 So erstaunt nicht, dass fu¨r Bacon „wu¨rdig“ in erster Linie der Wissenschaftler ist, der mit seinen Forschungen und Entdeckungen zum Wohl der Menschheit beitra¨gt.7 Die Fru¨chte der wissenschaftlichen Revolution und ihre technischen Umsetzungen be¨ berlegenheit des Menschen u¨ber alle anderen Lezeugen die absolute U bewesen und die totale Ausdehnung seiner Herrschaft u¨ber die Natur. Diese neue, humanistische Sichtweise versteht Menschenwu¨rde als Auftrag zur Eroberung: neuer Gebiete und neuen Wissens. Der Mensch ist zu einem aktiven Leben bestimmt. Es beginnt der Siegeszug des homo faber, der bewusst seiner Fa¨higkeiten keinen Gott mehr braucht, um sich zu verstehen. So setzt sich ein Mensch durch, der stolz auf sich ist und sich seine Wu¨rde immer mehr einschreibt. Wa¨hrend noch fu¨r Grotius der achtungsvolle Umgang mit dem Leichnam dem Menschen Wu¨rde verleihen konnte,8 galt fu¨r Hobbes: „Der o¨ffentliche Wert, das heißt die Bedeutung, die das Gemeinwesen ihm beimißt, ist das, was die Menschen gewo¨hnlich Wu¨rde nennen. Und diese seine Wertscha¨tzung durch das Gemeinwesen zeigt sich in A¨mtern mit Befehlsgewalt, A¨mtern im Rechtswesen, im o¨ffentlichen Dienst oder in Namen und Titeln, die zur Hervorhebung solchen Werts eingefu¨hrt worden sind.“9 Die Wu¨rde ist nun sowohl von ihrer natu¨rlichen Grundlage (der menschlichen Natur) als auch von der Transzendenz losgelo¨st: Sie entsteht jetzt in gegenseitiger Zuer6 ¨ bers., 7. Vgl. auch G. MaG. Pico della Mirandola, De hominis dignitate, U netti, De dignitate et excellentia hominis. Zum Thema noch grundlegend C. H. ¨ ber den Begriff Trinkaus, In Our Image and Likeness. Zu Pico vgl. G. M. Chiodi, U der Menschenwu¨rde in der Oratio de hominis dignitate von Giovanni Pico delle Mirandorla, 13 – 69. Zu Manetti vgl. A. Thumfart, Giannozzo Manetti. 7 F. Bacon, Novum Organum, London 1620, liber 1, CXXIX. 8 ¨ bers., 2. Buch, Kap. 19,2 (5 und 6): „Selbst H. Grotius, De jure belli ac pacis, U wenn solche Unbill nicht wa¨re, wu¨rde es doch der Wu¨rde des Menschen nicht entsprechen, dass sein Leichnam zertreten und zerrissen wird“ (320). 9 ¨ bers., 73. T. Hobbes, Leviathan, U

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kennung zwischen Menschen. Man kann sie somit gewinnen wie verlieren. Der Wert eines Menschen bestimmt sich nun nach seinem „Marktwert“, seinem Preis; und den bestimmt – wie bei anderen Waren auch – nicht der Verka¨ufer, sondern der Ka¨ufer. Der wahre Wert jedes Menschen und somit das, was seine Wu¨rde ausmacht, ist was die anderen ihm zuerkennen: „Die Geltung oder der Wert eines Menschen liegt, wie der aller anderen Dinge, in seinem Preis, das heißt, er wird dadurch bestimmt, wie viel man fu¨r den Gebrauch seiner Macht zahlen wu¨rde, und ist daher nicht absolut, sondern abha¨ngig von Bedarf und Urteil eines anderen.“10 Eine andere Auffassung von Wu¨rde findet sich schon bei Pufendorf. Er ging weder von irgendwelchen natu¨rlichen Anlagen des Menschen (der Vernunftbegabung) und/oder von seiner gesellschaftlichen Stellung aus, noch griff er direkt auf die christliche Tradition zuru¨ck. Sein Ausgangspunkt war jene grundsa¨tzliche Freiheit, die jeden Menschen a priori kennzeichnet. Diese Freiheit ist Voraussetzung fu¨r die Existenz einer moralischen Ordnung, die Pufendorf auf Grund der Unterscheidung zwischen entia physica und entia moralia deutlich von der natu¨rlichen Ordnung trennt. Einzig die Idee der moralischen Freiheit des Menschen verleiht ihm Wu¨rde, nicht schon seine Natur als solche.11 Der Mensch ist na¨mlich das einzige Wesen, das seinem eigenen Handeln Grenzen setzen und sich Gesetzen unterwerfen kann, die es sich selbst gegeben hat. Die Menschenwu¨rde kommt dem Menschen also nicht wegen seiner besonderen Stellung in der Natur zu, sondern weil er ein moralisch handelndes Subjekt ist. Um die ganze Bedeutung und Originalita¨t dieses Ansatzes zu ermessen, sei er zwei anderen gegenu¨bergestellt: Mit einem zeitgeno¨ssischen, von dem er sich unterscheidet – und mit einem spa¨teren, den er bereits vorwegnimmt. Fu¨r Pascal liegt die ganze Wu¨rde des Menschen im Denken.12 Freilich bestreitet Pufendorf nicht, dass der Mensch sich in der ¨ bers., 72. T. Hobbes, Leviathan, U „Es ergibt sich aus der Wu¨rde der menschlichen Natur und ihrer Vortrefflichkeit, durch die der Mensch allen anderen Lebewesen u¨berlegen ist, dass seine Handlungen nach bestimmten Regeln beurteilt werden. Ohne solche Regeln kann es keine Ordnung geben, keinen Anstand, keine Scho¨nheit“ (S. Pufendorf, De jure ¨ bers., 2. Buch, 1. Kapitel, § 5). Dazu H. Welzel, Die Nanaturae et gentium, U turrechtslehre Samuel Pufendorfs sowie V. Fiorillo, „Non canis, sed homo“, 111 – 130. 12 „L’homme n’est qu’un roseau, le plus faible de la nature, mais c’est un roseau pensant (…). Toute notre dignite´ consiste donc en la pense´e“ (B. Pascal, Pense´es, 528). 10 11

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Natur durch seine Denkfa¨higkeit auszeichnet. Seine Wu¨rde liegt aber nicht darin, sondern in jenem Moralvermo¨gen, das alleine sein wahres Wesen enthu¨llt. Zweifelsohne nimmt Pufendorf also jene ungleich bekanntere und entschieden wirkungstra¨chtigere Auffassung vorweg, die wir am Ho¨hepunkt der Aufkla¨rung im Werk Kants finden. Die Pufendorf’sche Unterscheidung zwischen entia physica und entia moralia stimmt mit der Kant’schen zwischen Reich der Natur und Reich der Zwecke u¨berein: Wu¨rde kommt dem Menschen nicht wegen seiner Stellung an der Spitze der Natur zu, sondern weil er einem Reich der Zwecke angeho¨rt. Fu¨r Kant wie schon fu¨r Pufendorf bedeutet Wu¨rde, dass der Mensch ein Wesen ist, das moralisch handeln und die Regeln einer allumfassend gebietenden Vernunft befolgen kann. Sicherlich erscheint Gott noch als Garant zur Erlangung des ho¨chsten Guten, aber Kants Religion bleibt innerhalb der Schranken der Vernunft, die bestenfalls eine Motivation zur moralischen Umkehr sein kann. Der Mensch besitzt einen wirklichen, allgemeinen Wert als Tra¨ger eines unbedingten moralischen Imperativs.13 Die Grundlage seiner Wu¨rde ist demzufolge nicht schieres biologisches Faktum, sondern „das Faktum der Vernunft“ des Moralgesetzes; eine „moralpraktische Vernunft“ also, die uns vorschreibt, die Menschheit sowohl in der eigenen Person als auch in der eines anderen „jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel“14 zu behandeln. Das 13 „Wir kennen unsere eigene Freiheit (von der alle moralische Gesetze, mithin auch alle Rechte sowohl als Pflichten ausgehen) nur durch den moralischen Imperativ, welcher ein pflichtgebietender Satz ist, aus welchem nachher das Vermo¨gen, andere zu verpflichten, d.i. der Begriff des Rechts, entwickelt werden kann.“ (I. Kant, Metaphysik der Sitten, 347). Vgl. jetzt C. Enders, Spuren der Menschenwu¨rde, 167 – 187. Vgl. auch P. Becchi, Kant diverso, 81 – 109. 14 „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst“ (I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 429). Erst in der spa¨teren Metaphysik der Sitten (1797) spricht Kant ausdru¨cklich von der Menschenwu¨rde: „Die Menschheit selbst ist eine Wu¨rde; denn der Mensch kann von keinem Menschen (weder von anderen noch sogar von sich selbst) bloß als Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden, und darin besteht eben seine Wu¨rde ¨ brigen daran (die Perso¨nlichkeit)“ (I. Kant, Metaphysik der Sitten, 462). Es sei im U erinnert, dass die Menschenwu¨rde in der „Grundlegung“ weniger mit der zweiten als vielmehr mit der dritten Formel des Kategorischen Imperativs verbunden zu sein scheint (und somit der Idee der universellen Gesetzgebungsfa¨higkeit jedes vernu¨nftigen Wesens). Die Anknu¨pfung an die zweite oder dritte Formel hat freilich Auswirkungen auf die heutige Debatte, was erkla¨rt, warum Kant von entgegengesetzten Lagern angerufen wird: sowohl von denjenigen, die dem Menschen als

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heisst natu¨rlich nicht, dass der Mensch sich nicht auch zum Mittel fu¨r die Verwirklichung ihm a¨usserer Zwecke machen soll (was u¨brigens im gesellschaftlichen Leben immer wieder geschieht), sondern lediglich, ihn nie zum blossen Mittel zu degradieren. Seine Wu¨rde verletzte nur sein rein instrumentaler Gebrauch, seine Reduktion von einer Person zu einer Sache – wie schon Cesare Beccaria,15 allerdings nur beila¨ufig, etwa zwanzig Jahre vor Kant bemerkt hatte. Anders als bei Hobbes haben fu¨r Kant alle Dinge wohl ihren Preis, aber der Mensch hat einen unscha¨tzbaren Wert.16 Freilich findet sich auch bei Hume und in der schottischen Aufkla¨rung – man denke an Adam Smith – ein Menschenbild, das sich von demjenigen Hobbes’ unterscheidet. Aber auch wenn hier das Mitgefu¨hl als jedem Menschen eigen betrachtet wird, erfolgt die Anerkennung der Menschenwu¨rde gleichwohl erst durch gesellschaftliches Handeln.17 Die Wu¨rde eines Menschen muss ihm von den anderen zuerkannt werden, was nur

solchem Wu¨rde zuerkennen wollen, als auch von denjenigen, die dafu¨r noch rationale Urteilsfa¨higkeit verlangen. Vgl. dazu K. Seelmann, Menschenwu¨rde und die zweite und dritte Formel des Kategorischen Imperativs, 66 – 77. 15 Vgl. C. Beccaria, Dei delitti e delle pene: „Non vi e` liberta` ogni qual volta le leggi permettono che in alcuni eventi l’uomo cessi di essere persona e diventi cosa“ ¨ bers.: „Wo die Gesetze erlauben, dass der Mensch unter gewissen Vor(50), dt. U aussetzungen aufho¨rt, Person zu sein, und zur Sache wird, dort gibt es keine Freiheit“ (77). 16 „Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als A¨quivalent, gesetzt werden; was dagegen u¨ber allen Preis erhaben ist, mithin kein A¨quivalent verstattet, das hat eine Wu¨rde. Was sich auf die allgemeinen menschlichen Neigungen und Bedu¨rfnisse bezieht, hat einen Marktpreis; […] das aber, was die Bedingung ausmacht, unter der allein etwas Zweck an sich selbst sein kann, hat nicht bloß einen relativen Wert, d.i. einen Preis, sondern einen innern Wert, d.i. Wu¨rde“ (I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 68). Vgl. M. A. Cattaneo, Menschenwu¨rde bei Kant, in: Menschenwu¨rde als Rechtsbegriff, 24 – 32. 17 Vgl. D. Hume, An Enquiry Concerning the Principles of Morals, 155: „Im ganzen gesehen scheint mir jedoch, daß man in der Hauptsache auf die sozialen Eigenschaften sieht, wenn man jemand tugendhaft nennt oder ihn als Mann von Tugend bezeichnet, auch wenn man zugleich einra¨umt, daß es viele verschiedene Arten der Tugend gibt. Die sozialen Eigenschaften sind na¨mlich die wertvollsten. Auch ist zugleich sicher, daß jeder merkliche Mangel an Mut, Ma¨ßigung, Sparsamkeit, Fleiß, Verstand oder Wu¨rde des Geistes sogar einen sehr gutmu¨tigen und ehrlichen Menschen dieses wu¨rdigen Titels berauben wu¨rde.“ Vgl. auch A. Smith, The Theory of Moral Sentiments, dazu L. Bagolini, La simpatia nella morale e nel diritto.

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geschieht, wenn sein Verhalten bei den anderen entsprechende Eindru¨cke hervorruft. Erst bei Kant gru¨ndet die Anerkennung des Anderen auf dem moralischen Wert der als Zweck in sich selbst verstandenen Person. Zwar leistete die Formulierung und Propagierung dieser Idee der Menschenwu¨rde durchaus einen effektiven Beitrag zur Abschaffung der Folter und zur ¨ berwindung demu¨tigender und grausamer Strafen. In seinem u¨berma¨sU sigen strafrechtlichen Rigorismus verstrickte sich Kant jedoch bisweilen in Selbstwiderspru¨che, wenn er beispielsweise fu¨r Kastration und Todesstrafe pla¨dierte. Sein humanita¨rer Ansatz aber stimmt zweifellos mit den grossen Erkla¨rungen der Menschen- und Bu¨rgerrechte des 18. Jahrhunderts u¨berein, auch wenn das Wu¨rdeprinzip weder in der De´claration des droits de l’homme et du citoyen vom 26. August 178918 noch in der etwa zehn Jahren a¨lteren Declaration of Independence der Vereinigten Staaten von Amerika vom 4. Juli 1776 – und auch nicht in den US-gliedstaatlichen Grundrechteerkla¨rungen jener Zeit19 auftaucht. Das historisch a¨lteste dieser Dokumente ist die Declaration of Rights von Virginia (12. Juni 1776), die mit der Aufza¨hlung der «angeborenen Rechte“ (inherent rights) beginnt, „welche sie [die Menschen] ihrer Nachkommenschaft durch keinen Vertrag rauben oder entziehen ko¨nnen, wenn sie eine staatliche Verbindung eingehen, und zwar den Genuss des Lebens und der Freiheit, die Mittel zum Erwerb und Besitz von Eigentum und das Erstreben und Erlangen von Glu¨ck und Sicherheit“. Auch wenn implizit wohl enthalten, wird das Adjektiv „unvera¨usserlich“ noch nicht erwa¨hnt. Explizit erwa¨hnt wird es am Anfang der Declaration of Independence: „Wir halten diese Wahrheiten fu¨r ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden und von ihrem Scho¨pfer mit gewissen unvera¨usserlichen Rechten begabt worden sind, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glu¨ckseligkeit“. Wenig spa¨ter (in der Verfassung von Pennsylvania vom 28. September 1776) erscheint dann auch der Begriff „natu¨rlich“. 18

In der „De´claration“ erscheint „Wu¨rde“ einzig im Zusammenhang mit der Ausu¨bung o¨ffentlicher Funktionen. So Art. 6 Abs. 2: „Tous les citoyens, e´tant e´gaux a` ses yeux, sont e´galement admissibles a` toutes dignite´s, places et emplois publics, selon leurs capacite´s et sans autre distinction que celle de leurs vertus et de leurs talents“. 19 Dazu noch immer aufschlussreich G. Tarello, Storia della cultura giuridica moderna.

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In der De´claration des droits de l’homme et du citoyen etabliert sich der Begriff der „natu¨rlichen und unantastbaren Rechte des Menschen“ (droits naturels et imprescriptibles de l’homme). Letztere sind nun die Rechte auf „Freiheit“, „Eigentum“, „Sicherheit“ und auf „Widerstand gegen Unterdru¨ckung“, wa¨hrend das „Streben nach Glu¨ckseligkeit“ nicht erwa¨hnt wird. Es war der erste „deutsche Jakobiner“, Georg Forster, der Kant folgend behauptete: „endlich … scheint die Zeit gekommen zu sein, wo jenes lu¨genhafte Bild des Glu¨cks, das so lange am Ziele der menschlichen Laufbahn stand, von seinem Fussgestelle gestu¨rzt wird und der echte Wegweiser des Lebens, Menschenwu¨rde, an seine Stelle gesetzt werden soll“! 20 Auch wer – wie Schiller in Anmut und Wu¨rde von 1793 – den moralischen Rigorismus Kants kritisierte, musste gleichzeitig die im natu¨rlichen Geschenk des Glu¨cks liegende Gefahr erkennen: „Wu¨rde allein ist ihm Bu¨rge, daß nicht das Bedu¨rfniß zu ihm no¨thigte, sondern daß die Freyheit ihn wa¨hlte – daß man ihn nicht als Sache begehrt, sondern als Person hochscha¨tzt.“21 So sehr der Begriff der Menschenwu¨rde in die deutsche Kultur und Literatur eingedrungen war – im juristischen Bereich blieb er noch lange Zeit unbeachtet, obgleich schon Hegel in seiner Rechtsphilosophie die Pflicht, andere Menschen zu respektieren als „Rechtsgebot“ auffasste22 und somit die theoretischen Voraussetzungen zu dessen Enthu¨llung schuf.

¨ ber die Beziehung der Staatskunst auf das Glu¨ck der Vgl. G. Forster, U Menschheit, 223. Unter dem Einfluss Kants findet der Begriff „Menschenwu¨rde“ Ende des 18. Jh. langsam auch Eingang in die rechtswissenschaftliche Literatur. Beispielhaft C. Kohlschu¨tter, Vorlesungen u¨ber den Begriff der Rechtwissenschaft. 21 ¨ ber Anmut und Wu¨rde, 417. Zwar mit den gleichen BeVgl. F. Schiller, U griffen, aber inhaltlich grundlegend anders als Schiller ging Goethe das Wu¨rdeproblem an, vgl. V. Mathieu, Privacy e dignita` dell’uomo. 22 Vgl. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts: „Die Perso¨nlichkeit entha¨lt u¨berhaupt die Rechtsfa¨higkeit und macht den Begriff und die selbst abstracte Grundlage des abstracten und daher formellen Rechtes aus. Das Rechts¨ ber gebot ist daher: sey eine Person und respectiere die anderen als Person“ (192). U Hegels Menschenwu¨rde-Begriff vgl. K. Seelmann, Person und Menschenwu¨rde in der Philosophie Hegels. 20

II. Die lange Debatte der Nachkriegszeit Auch wenn die philosophischen Wurzeln der „Menschenwu¨rde“, wie wir gesehen haben, historisch weit zuru¨ckreichen, kommt es – abgesehen von sporadischen Erwa¨hnungen in fru¨heren juristischen Texten – erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu einer vollen rechtlichen Legitimierung, d. h. zu einer „Verrechtlichung“ dieses Moralprinzips. Erst seither ist es rechtlich vorgeschrieben, alle Menschen so zu behandeln wie es ethisch geboten ist, den Menschen als solchen zu behandeln.1 Nach der Charter of the United Nations (1945), der Universal Declaration of Human Rights (1948) und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (1949) wurden viele juristische Dokumente verfasst, die auf die Menschenwu¨rde Bezug nahmen.2 Angesichts des Unheils der beiden Weltkriege beschwor die UNOCharta den „Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Wu¨rde und Wert der menschlichen Person“, wa¨hrend die Allgemeine Erkla¨rung der Menschenrechte mit der „Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Wu¨rde und ihrer gleichen und unvera¨usserlichen Rechte“ begann. In ihrem Buch u¨ber die Urspru¨nge des Totalitarismus schrieb Hannah Arendt: „We became aware of the existence of a right to have rights […] only when millions of people emerged who had lost and could not regain these rights because of the new global political

1 Nach E. Ripepe, La dignita` umana, 27. Zur Einfu¨hrung vgl. P. Tiedemann, Menschenwu¨rde als Rechtsbegriff. 2 Eine Auswahl von Rechtsdokumenten mit expliziter Erwa¨hnung der Wu¨rde bietet Dignity, Ethics and Law. Zu su¨damerikanischen Verfassungen vgl. G. Rolla, Profili costituzionali della dignita` umana, 61 – 62. Mit Bezug auf die brasilianische Verfassung vgl. I. W. Sarlet, A Dignidade da pessoa humana. Fu¨r einen Vergleich der italienischen, deutschen und schweizerischen Verfassung vgl. P. Becchi, La dignita` umana nelle prime costituzioni del dopoguerra. Eine detaillierte Analyse der einschla¨gigen Rechtsprechung sprengte den Rahmen dieser Arbeit, weshalb ich mich hier auf wesentliche Punkte der italienischen und deutschen Verfassungsrechtsprechung beschra¨nke.

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situation.“3 Es ist nun gerade die Wu¨rde ein solches „right to have rights“, welches – so Arendt im Vorwort der ersten Auflage (Sommer 1950) – „needs a new guarantee which can be found only in a new political principle, in a new law on earth, whose validity this time must comprehend the whole of humanity“.4 Die neue internationale Ordnung bezeugt, wie aus den zitierten Dokumenten hervorgeht, das Bemu¨hen um einen Neuanfang durch die Anerkennung der Menschenwu¨rde als allgemeinem und unbedingtem Wert. Als Person behandelt zu werden und jedem anderen Menschen – unabha¨ngig von Geschlecht, Rasse, Sprache, Religion, politischer Gesinnung, o¨konomischer und sozialer Stellung – das Recht auf gleiche Behandlung zu sichern bedeutete, jene humanitas wiederzugewinnen, welche die nationalsozialistische Ideologie mit der Einfu¨hrung der Kategorie des Untermenschen und dem Mythos der arischen Rasse beka¨mpft hatte. Und es wundert nicht, dass gerade das Bonner Grundgesetz eines der ersten Verfassungsdokumente darstellt, in denen die Menschenwu¨rde eine entscheidende Rolle spielt. Denn dies kann unschwer als Reaktion auf die Gra¨ueltaten des Naziregimes gedeutet werden, das die systematische Verfolgung von Menschen aus rassistischen Gru¨nden, wegen ihrer politischen Meinungen, sexuellen Neigungen oder angeblicher Geisteskrankheit zum Staatsgesetz gemacht hatte.5 Die Anerkennung der Menschenwu¨rde wird nun eine Art Kelsensche Grundnorm, die an der Spitze der gesamten Rechtsordnung steht: Sie ist eben kein subjektives Grundrecht, sondern eine objektive rechtliche Norm, und gerade deswegen ist sie – im Unter3 H. Arendt, The Origin of Totalitarism. Die zitierte Stelle findet sich auf S. 296 f. und setzt sich wie folgt fort: „The trouble is that this calamity arose not from any lack of civilization, backwardness, or mere tyranny, but, on the contrary, that it could not be repaired, because there was no longer any ‘uncivilized’ spot on earth, because whether we like it or not we have really started to live in One World. Only with a completely organized humanity could the loss of home and political status become identical with expulsion from humanity altogether.“ 4 A.a.O., S. IX. 5 In der Folge beschra¨nke ich mich, zwei in der europa¨ischen Rechtstradition stehende Verfassungen einander gegenu¨berzustellen: die deutsche und die italienische. Ausfu¨hrlicher P. Ridola, La dignita` umana e il „principio liberta`“ und M. Di Ciommo, Dignita` umana e Stato costituzionale. Fu¨r einen im vorliegenden Zusammenhang stehenden Vergleich der europa¨ischen mit der US-amerikanischen Verfassungstradition vgl. G. Bognetti, The Concept of Human Dignity in European and U.S. Constitutionalism.

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schied zu den Grundrechten – bedingungslos, d. h. Abwa¨gungen und Beschra¨nkungen nicht unterziehbar.6 Entsprechend lautet Art. 1 Abs. 1: „Die Wu¨rde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schu¨tzen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Und Abs. 2 setzt hinzu: „Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unvera¨usserlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“. Es muss betont werden, dass hier nicht nur die Unantastbarkeit eines Normprinzips statuiert wird, sondern gleichzeitig die diesbezu¨gliche Unterwerfung jeglicher staatlicher Gewalt betont wird. Der Staat hat fu¨r die Achtung der Menschenwu¨rde einzutreten und sie zu schu¨tzen. Ebenso ist zu betonen, dass ein neues Adjektiv eingefu¨hrt wird, um die Menschenwu¨rde zu definieren. Im Vergleich zu den Grundrechten, die „unverletzlich und unvera¨usserlich“ sind, wird die Wu¨rde als „unantastbar“ bezeichnet. Aus den zwei zitierten Absa¨tzen geht klar hervor, dass die deutsche Verfassung die Grundrechte von der Menschenwu¨rde ableitet. Gerade weil der Mensch eine Wu¨rde besitzt, die ihn von jedem anderen Lebewesen unterscheidet, besitzt er Grundrechte. Da das Grundgesetz sein Fundament unauflo¨slich in der Menschenwu¨rde verankert, wird in Art. 79 Abs. 3 ausdru¨cklich die Unzula¨ssigkeit jeder A¨nderung vorgeschrieben, so dass die Allgemeinheit, Unverfu¨gbarkeit und Unvera¨nderlichkeit (die so genannte Ewigkeitsgarantie) jenes Prinzips besta¨tigt wird. Im Bonner Grundgesetz wie in den oben angefu¨hrten internationalen Grundsatz-Dokumenten tauchen all jene Elemente auf, die bereits in der modernen Naturrechtslehre wurzelten, aber nun erst ins positive Recht aufgenommen wurden. So steht das Thema der Menschenwu¨rde im Zentrum der Renaissance des Naturrechts und der Positivismuskritik in den ersten Nachkriegsjahren.7 Konnte fu¨r Kelsen „jeder beliebige Inhalt 6 Dies galt wenigstens nach der traditionellen Auslegung von Art. 1 Abs. 1 GG in einem der bekanntesten deutschen Verfassungskommentare (vgl. T. Maunz / G. Du¨rig / R. Herzog, Grundgesetz). Zur Entstehungsgeschichte dieser Verfassungsnorm und zur damaligen Debatte u¨ber die Menschenwu¨rde vgl. C. Enders, Die Menschenwu¨rde in der Verfassungsordnung und C. Amirante, La dignita` dell’uomo. 7 Die wichtigsten Beitra¨ge dazu finden sich im Sammelband Naturrecht oder Rechtspositivismus? Zur einschla¨gigen rechtsphilosophischen Debatte vgl. A. Kaufmann, Naturrechtslehre nach 1945, 105 – 132. Unter ethischen Gesichtspunkten vgl. K. Tanner, Der lange Schatten des Naturrechts. Zur neueren rechtsphilosophischen Debatte H. Hofmann, Rechtsphilosophie nach 1945.

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Recht sein“8, setzt mit Radbruch eine Kritik an solchem Positivismus ein: Die Gesetzgebung muss jene ethischen, vor-positiven Prinzipien u¨bernehmen, „rechtsetzen“9, welche die deutsche Naturrechtslehre von Pufendorf bis Kant pra¨gten, allen voran das Prinzip der Menschenwu¨rde. Wohlverstanden war diese Renaissance auch vom christlichen Naturrecht beeinflusst. Die parallele Verpflichtung auf den politischen Laizismus verwies die Anrufung Gottes indes in die Pra¨ambel, wo sich das Deutsche Volk nach der nationalsozialistischen Katastrophe „im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ zur Wahrung des Weltfriedens verpflichtet. Die Bezugnahme auf etwas Absolutes zeigt sich auch bei der Menschenwu¨rde mit ihrem Sonderstatus als Norm, die von der Verfassung vorgeschrieben wird, ihr aber gleichzeitig zu Grunde liegt. Der von Theodor Heuss in die Verfassungsdebatte eingebrachte Vorschlag, die Wu¨rde nicht zu definieren – die so genannte „nicht interpretierte These“10 – bekundete die Suche nach einem Konsens, der sich vom Rechtspositivismus abgrenzen sollte, ohne sich in integralistische Visionen zu verlieren, wie Ernst-Wolfgang Bo¨ckenfo¨rde erwa¨hnte.11 Dass jeder Mensch als Person gleichviel Wert haben soll wie jede andere Person, war das Leitmotiv jener Nachkriegszeit.

8 Cfr. H. Kelsen, Reine Rechtslehre (1934): „Ihre antiideologische Tendenz bewahrt die Reine Rechtslehre darin, daß sie die Darstellung des positiven Rechts von jeder Art naturrechtlicher Gerechtigkeits-Ideologie zu isolieren sucht. Die Mo¨glichkeit der Geltung einer u¨ber dem positiven Recht stehenden Ordnung bleibt fu¨r sie außer Diskussion. Sie beschra¨nkt sich auf das positive Recht und verhindert so, daß die Rechtswissenschaft es fu¨r eine ho¨here Ordnung ausgebe oder aus einer solchen die Rechtfertigung des Rechts hole; oder daß die Diskrepanz zwischen einem irgendwie vorausgesetzten Gerechtigkeitsideal und dem positiven Recht zu einem juristischen Argument gegen dessen Geltung mißbraucht werde“ (38). 9 G. Radbruch, Gesetzliches Unrecht und u¨bergesetzliches Recht (1946), in ¨ bereinstimmung mit Radbruch G. Radbruch, Rechtsphilosophie, 339 – 350. In U bezeichnet Carl Hans Nipperdey die Menschenwu¨rde als „elementares naturrechtliches Prinzip, als u¨bergesetzliche Norm“, vgl. C. H. Nipperdey, Die Wu¨rde des Menschen, in Menschenwu¨rde. Begru¨ndung, Konturen, Geschichte, 189 – 238, 190. 10 Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle, 72. Vgl. auch C. Enders, Die Menschenwu¨rde in der Verfassungsordnung, 404 – 425. Ferner F. Berardo, „La dignita` umana e` intangibile“: il dibattito costituente sull’art. 1 del Grundgesetz, 387 – 398. 11 E.-W. Bo¨ckenfo¨rde, Menschenwu¨rde als normatives Prinzip, 389 – 406, 396.

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Auf verfassungsrechtlichem Gebiet war es im Besonderen Gu¨nter Du¨rig, der diesen Interpretationsansatz in seinem bekannten Kommentar zum ersten Artikel des Grundgesetzes vertrat.12 Ihm gema¨ss bedeutete der Ru¨ckgriff des Verfassungsgebers auf die Wu¨rde fu¨r das positive Recht die Aufnahme eines „vorpositiven“ ethischen Wertes, der jeglichem Recht vorgeht und an die Spitze des gesamten Rechtssystems gestellt wird – mit der Konsequenz, selbst positives Recht zu werden. Worin aber besteht dieser Wert? Hauptsa¨chlich in der Anerkennung der Besonderheit des Humanen: „Zweck in sich“ zu sein. Du¨rigs so genannte Objektformel verweist freilich direkt auf Kants Wu¨rdeversta¨ndnis des Instrumentalisierungsverbots. Die Rechtsordnung wird pervertiert, wo der Mensch vom rechtlichen Subjekt „zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Gro¨ße herabgewu¨rdigt wird“.13 In diesem Sinn nimmt die Wu¨rde einen vorwiegend „negativen“ Gehalt an, indem sie Handlungen verbietet, die dem Menschen sein Person-Sein aberkennen wollen. Es ist mithin das Individuum, das geschu¨tzt werden soll vor den Handlungen anderer Individuen oder staatlicher Organe, die seine Wu¨rde verletzen ko¨nnten. Wu¨rde kommt dabei dem Einzelnen bereits auf Grund seiner Zugeho¨rigkeit zum Menschengeschlecht zu. Da die Wu¨rde als Geschenk an den Menschen schlechthin und somit „unabha¨ngig von der Realisierung beim konkret existierenden Menschen ist, kann ein Angriff die Menschenwu¨rde als solche auch verletzen, wenn der konkrete Mensch noch nicht geboren oder bereits tot ist. […] Wer von Menschen gezeugt wurde und wer Mensch war, nimmt an der Wu¨rde ,des Menschen‘ teil.“14 Wie stark dieser Interpretationsansatz die deutsche Lehre und Rechtsprechung beeinflusst hat, zeigt sich auch darin, dass Du¨rigs Eintrag zum Stichwort Wu¨rde wa¨hrend Jahrzehnten unvera¨ndert in einem der bekanntesten deutschen Verfassungskommentare verblieb, bis er im Jahr 2003 durch einen in seinem Ansatz grundverschiedenen von Matthias Herdegen ersetzt wurde15, den Ernst-Wolfgang Bo¨ckenfo¨rde als „Abschied 12

Vgl. supra, Fussnote 6. Vgl. G. Du¨rig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwu¨rde, 127. Dieser Beitrag fand spa¨ter Eingang in den in Fussnote 6 erwa¨hnten Kommentar. Zusammenfassend, aus der heutigen Sicht U. Neumann, Objektformel, 334 – 336. 14 G. Du¨rig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwu¨rde, 126. Zur postmortalen Wu¨rde vgl. P. Becchi, Il diritto dei morti. 15 Vgl. M. Herdegen, Kommentar zu Art. 1 Abs. 1 GG. Herdegens Position findet sich zusammengefasst in seinem Beitrag Deutungen der Menschenwu¨rde im 13

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¨ ber die Opportunita¨t einer von den Verfassungsva¨tern“ bezeichnete.16 U Kehrtwende, die eine klassische Doktrin mit einer ihr geradezu entgegengesetzten Position ersetzt, kann man diskutieren.17 Sicher rufen neue Probleme nach neuen Lo¨sungen, aber geho¨rt das alte Modell wirklich in die Besenkammer? Oder wa¨re es nicht gerade der alte „Glaubensartikel einer Zivilreligion“18, der uns beispielsweise vor gewissen eugenischen Auswu¨chsen der ku¨nstlichen Befruchtung schu¨tzen ko¨nnte? 19 Aber nicht nur diese wa¨hrend Jahrzehnten vorherrschende Auffassung der Wu¨rde setzte sich in Europa durch. Schon in der Nachkriegszeit behauptete sich daneben auch eine andere Sinngebungsvariante von „Wu¨rde“, die zwar weitaus wirkungsschwa¨cher, aber doch sehr klar in der Verfassung der italienischen Republik in Erscheinung trat. Auch in dieser am 1. Januar 1948 in Kraft getretenen Verfassung finden wir Bezu¨ge auf die Wu¨rde; aber diesen wohnt nicht jene das Bonner Grundgesetz kennStaatsrecht. Auf den Bruch dieses Interpretationsansatzes mit dem traditionellen hinweisend E.-W. Bo¨ckenfo¨rde, Die Wu¨rde des Menschen war unantastbar, 379 – 388. 16 Vgl. E.-W. Bo¨ckenfo¨rde, Die Wu¨rde des Menschen war unantastbar, a.a.O. Bo¨ckenfo¨rdes Kritik ist zutreffend, jedoch u¨berrascht seine sehr spa¨te Verteidigung Du¨rigs, dessen wertbasierte Rechtsauffassung Bo¨ckenfo¨rde in Anlehnung an Carl Schmitt, kritisiert hatte, vgl. E.-W. Bo¨ckenfo¨rde, Zur Kritik der Wertbegru¨ndung des Rechts, 67 – 91. Zwar spricht Bo¨ckenfo¨rde vom „Prinzip“ und nicht vom „Wert“ der Wu¨rde, aber seine enge Verbindung von Wu¨rde als Prinzip und dem Wert des Lebens droht die Wu¨rde in den Strudel der Wertekonflikte zu stossen. 17 Zudem sei daran erinnert, dass Du¨rigs „Objektformel“ bei Verfassungsrechtlern bis heute Zustimmung geniesst: „Die Objektformel Du¨rigs ist auch heute noch [kursiv durch mich] der u¨berzeugendste Ansatz zur Umschreibung des Menschenwu¨rdeprinzips in Art. 1 Abs. 1 GG. Er hat la¨ngst juristischen Selbststand gegenu¨ber seiner philosophischen Herleitung gewonnen: So sehr tra¨gt ihn die jahrzehntelange fallweise Entfaltung in der Praxis. […] Demgegenu¨ber ist Luhmanns ,dynamischer Wu¨rdebegriff‘, der Wu¨rde als Leistung in ihrer Labilita¨t ,voll aufdeckt‘, verfassungsrechtlich besonders fragwu¨rdig. Er widerspricht schon den Verfassungs- und Menschenrechtstexten, die die Menschenwu¨rde als ,angeboren‘ ansehen. Sodann: Auch wer zur ,Identita¨tsbildung‘ handlungs- und willensunfa¨hig ist, etwa der abartige Gewaltverbrecher, der nasciturus, der Geisteskranke oder die Missgeburt, hat Menschenwu¨rde, auch das noch leistungsunfa¨hige Kind.“ (Vgl. P. Ha¨berle, Die Menschenwu¨rde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, § 22 Rz. 43 f.). 18 So J. Isensee, Menschenwu¨rde: die sa¨kulare Gesellschaft auf der Suche nach dem Absoluten, 173 – 218, 179. 19 Eine aktuelle Darstellung der Debatte in der Dissertation von N. Teifke, Das Prinzip Menschenwu¨rde.

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zeichnende absolute Bedeutung inne. Hier wird auf ein anderes Versta¨ndnis von Menschenwu¨rde abgestellt: Die italienische Republik ist „auf der Arbeit gegru¨ndet“ (Art. 1) und nicht auf der „Unantastbarkeit“ der Menschenwu¨rde.20 Der Wu¨rdebegriff taucht aber an drei Orten wieder auf: Art. 3 Abs. 1 postuliert die „gleiche soziale Wu¨rde“ („pari dignita` sociale“) aller Bu¨rger; Art. 36 Abs. 1 ha¨lt fest, dass der Arbeiter Recht auf eine Entlohnung hat, welche ihm und seiner Familie „eine freie und wu¨rdige Existenz“ („un’esistenza libera e dignitosa“) sichert; Art. 41 Abs. 2 schliesslich statuiert, dass privatwirtschaftliche Ta¨tigkeit niemals dermassen gestaltet sein darf, dass sie „der Sicherheit, Freiheit und menschlichen Wu¨rde Schaden bereiten ko¨nnte“ („in modo da recar danno alla sicurezza, alla liberta`, alla dignita` umana“). Auch wenn sich diese Artikel auf drei verschiedene Personengruppen (Gesamtheit der Bu¨rger, Arbeitnehmer und Arbeitgeber) beziehen, liegt der Schwerpunkt in der sozialen Dimension der Wu¨rde. Im ersten Fall bedeutet Wu¨rde nicht nur den Wegfall aller herkunftsbedingten Privilegien, sondern mit Hinblick auf Abs. 2 desselben Artikels, dass jedem Bu¨rger – unabha¨ngig von seiner gesellschaftlichen Stellung – „die volle Entwicklung“ der eigenen Perso¨nlichkeit zugestanden wird. Zur formellen Gleichheit „vor dem Gesetz“ kommt die soziale Gleichheit hinzu: die „gleiche Wu¨rde“ ist nicht etwas von Natur aus Geschenktes, sondern ein zu erlangendes Ziel. Die italienische Verfassung zeigt demnach gesellschaftliche und materielle Hindernisse auf, die sich der „gleichen sozialen Wu¨rde“ in den Weg stellen, verpflichtet aber die staatlichen Organe, jene zu beseitigen. „Gleiche Wu¨rde“ wird den Bu¨rgern auf Grund ihrer Zugeho¨rigkeit zu einer politischen Gemeinschaft zuerkannt.21 In den anderen beiden Fa¨llen ist der Bezug zur Arbeit zentral. Diese soll Arbeitnehmenden und ihren Familien einen minimalen materiellen Lebensstandard gewa¨hrleisten; gleichzeitig mu¨ssen ebenso wu¨rdige Arbeitsbedingungen herrschen. Der Begriff der Arbeit verbindet inhaltlich alle drei erwa¨hnten Verfassungsartikel, zumal auch in Art. 3 die „gleiche soziale Wu¨rde“ durch die 20 Vgl. dazu P. Becchi, La dignita` umana nel Grundgesetz e nella Costituzione italiana. Zum Wu¨rdebegriff in der ital. Verfassung vgl. A. Pirozzoli, Il valore costituzionale della dignita` und F. Politi, Diritti sociali e dignita` umana nella Costituzione repubblicana. 21 Vgl. v. a. G. Ferrara, La pari dignita` sociale sowie M. R. Marella, Il fondamento sociale della dignita` umana.

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Arbeit zuerkannt wird: Die Arbeit ermo¨glicht den Bu¨rgern die volle Entfaltung ihrer Perso¨nlichkeit und somit ihrer Wu¨rde. Das in Art. 4 Abs. 1 garantierte Recht auf Arbeit beinhaltet gema¨ss Art. 4 Abs. 2 gleichzeitig die „Pflicht“ des Bu¨rgers, „je nach Mo¨glichkeit und eigener Wahl eine Ta¨tigkeit oder eine Funktion auszuu¨ben, die zum materiellen und geistigen Fortschritt der Gesellschaft beitra¨gt“. Die Wu¨rde ist sowohl mit der gesellschaftlichen Rolle jedes Bu¨rgers verknu¨pft als auch mit dem Anspruch, dass der Staat jedem die Mo¨glichkeit sichern muss, eine solche wu¨rdig spielen zu ko¨nnen. Wu¨rde ist somit nicht nur ein vor Verletzungen zu schu¨tzendes allgemeines Gut, sondern auch etwas, das gefo¨rdert werden soll und an dem das soziale Wachstum zu messen ist. Zusammenfassend: Wa¨hrend im Bonner Grundgesetz „Wu¨rde“ ein absoluter Begriff ist, der abstrakt die Person an und fu¨r sich betrifft, ist sie in der italienischen Verfassung ein relativer Begriff, der an ihre konkrete gesellschaftliche Einbindung anknu¨pft (auch wenn die Gesellschaft gehalten ist, jedem Individuum einen minimalen Lebensstandard zu gewa¨hrleisten).22 Wa¨hrend die erste Bedeutung von Wu¨rde auf dem modernen Naturrecht basiert, wurzelt die zweite Bedeutung auf der antiken Auffassung von Wu¨rde, wie sie im Ro¨mischen Reich verbreitet war. Diese kommt nun freilich – anders als im antiken Rom – nicht mehr nur der politischen Meritokratie, sondern allen Bu¨rgern gleichermassen zu, und zwar auf Grund ihrer „gleichen sozialen Wu¨rde“. Da letztere aber auf der Pflicht der Bu¨rger beruht, durch ihre Arbeit zum Fortschritt der Gesellschaft beizutragen, erscheint in der italienischen Verfassung letztlich die erwa¨hnte antike Auffassung von Wu¨rde. Wohlgemerkt: Auch in der italienischen Verfassung findet sich die absolute Bedeutung der Wu¨rde. So sichert Art. 2 die „unverletzbaren Rechte des Menschen“ nicht nur im Hinblick auf das soziale Gefu¨ge, „in dem sich seine Perso¨nlichkeit entfaltet“, sondern gewa¨hrt sie ausdru¨cklich auch dem „Einzelnen“. Implizit verweist auch Art. 32 Abs. 2 darauf, demgema¨ss „niemand zu einer medizinischen Behandlung geno¨tigt werden darf, es sei denn gestu¨tzt auf eine gesetzlicher Grundlage“, letztere aber „in keinem Fall die durch die Achtung der menschlichen Person gesetzten Grenzen verletzen darf“. Obwohl in diesem Zusammenhang das Wort 22

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Vgl. P. Ridola, Liberta` e diritti nello sviluppo storico del costituzionalismo,

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„Wu¨rde“ nicht benutzt wird, erfolgt ein deutlicher Hinweis auf den absoluten Wert der Wu¨rde,23 wobei jedoch wiederum deren relativer Wert ausdru¨cklich unterstrichen wird. Es ist nun interessant zu beobachten, wie die beiden verschiedenen Deutungskonzepte der Wu¨rde in der deutschen beziehungsweise italienischen Rechtsprechung in Erscheinung traten. In der unmittelbaren Nachkriegszeit fasste das deutsche Bundesverfassungsgericht den Schutz der Menschenwu¨rde als Schutz vor Erniedrigung, Verfolgung, Verbannung usw. auf, und auch in der ordentlichen Rechtsprechung lag das Augenmerk auf dem Schutz des Menschen vor diskriminierendem Verhalten.24 In der italienischen Rechtsprechung war der Wu¨rdebegriff in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Verfassung nicht von besonderer Bedeutung, und auch spa¨ter zo¨gerte der italienische Verfassungsgerichtshof, der Wu¨rde einen autonomen Bedeutungsgehalt beizumessen. Demgegenu¨ber finden sich in der ordentlichen Rechtsprechung inzwischen zahlreiche Bezugnahmen auf den Wu¨rdebegriff, bezeichnenderweise meistens in Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz.25 Im Laufe der Zeit verschoben sich die Akzentuierungen: In Deutschland in der Tendenz von einem negativen zu einem positiven Grundrechtsschutz, in Italien – vor allem als Folge umstrittener Urteile (Pier23 Neben dem erwa¨hnten Art. 32 sei auch an Art. 13 und 27 erinnert. Art. 13 u¨ber die perso¨nliche Freiheit verbietet in Abs. 4 „jede physische und psychische Gewalt gegenu¨ber Personen, die Beschra¨nkungen ihrer Freiheit unterliegen“. Art. 27 Abs. 3 bekra¨ftigt, dass „die Strafen nicht aus Eingriffen bestehen du¨rfen, die dem Versta¨ndnis von Menschlichkeit entgegenstehen“, sondern „zur (gesellschaftlichen) Wiedereingliederung des Verurteilten ausgerichtet“ sein mu¨ssen. Damit wird im Bereich des strafrechtlichen Menschenrechtsschutzes das Prinzip anerkannt, dass kein Verurteilter herabwu¨rdigend und demu¨tigend behandelt werden darf, gleichzeitig aber die soziale Dimension bekra¨ftigt, wonach der Zweck der Strafe auf die gesellschaftliche Wiedereingliederung des Gefangenen ausgerichtet ist. 24 Aus der a¨usserst umfangreichen Literatur seien hervorgehoben T. GeddertSteinacher, Menschenwu¨rde als Verfassungsbegriff und C. Enders, Die Menschenwu¨rde in der Verfassungsordnung (beide mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Unter den neueren rechtsphilosophischen Beitra¨gen vgl. N. Teifke, Das Prinzip Menschenwu¨rde. 25 Zur ital. Verfassungsrechtsprechung vgl. A. Pirozzoli, Il valore costituzionale della dignita` und M. Di Ciommo, Dignita` umana e Stato costituzionale. Zur ital. ordentlichen Rechtsprechung vgl. F. Gambini, Il principio di dignita` sowie P. Becchi, La dignita` und P. Becchi, Der Begriff der „Wu¨rde“ und sein Gebrauch in der italienischen Rechtsordnung.

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giorgio Welby, Eluana Englaro) 26 – zu einer sta¨rkeren Betonung der jedem Menschen angeborenen Wu¨rde.27 Die grundsa¨tzlichen Unterschiede zwischen den beiden Verfassungen bleiben: Das Bonner Grundgesetz widerspiegelt das Paradigma der Wu¨rde als Gabe, wa¨hrend die italienische Verfassung die Wu¨rde in den Rahmen der gemeinschaftlichen Leistung stellt. Beide Modelle haben ihre Sta¨rken und Schwa¨chen: In der aktuellen bioethischen Debatte etwa vermag die Wu¨rde als Geschenk einen absoluten Schutz des Lebens von der Empfa¨ngnis bis zum Tod, ja sogar daru¨ber hinaus zu garantieren, was die Wu¨rde mit gesellschaftlichem Leistungsbezug nicht vermag. Andererseits ko¨nnte das deutsche Modell mit seinem fast absoluten Instrumentalisierungsverbot Gefahr laufen, neuen Pha¨nomenen und Fragestellungen zu Anfang und Ende des Lebens nicht lo¨sungsorientiert gegenu¨bertreten zu ko¨nnen. Beide Modelle haftet somit der Mangel der Einseitigkeit an. Als Ideal stu¨nde eine Verbindung der zwei Dimensionen der Wu¨rde, welche die beiden Verfassungen pra¨gen: Die Anerkennung der jedem Menschen als solchem zukommende Wu¨rde und die Schaffung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die ihre konkrete Verwirklichung ermo¨glichten.

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Vgl. P. Becchi, La giustizia tra la vita e la morte. Bezeichnenderweise fand der Wu¨rdebegriff erst in letzter Zeit Eingang in juristische Fachenzyklopa¨dien. Vgl. G. Resta, La dignita`; O. Lombardi, Dignita` della donna sowie A. Mastropietro / A. Vicini, Dignita` umana (parte etica) und S. Carmignani Caridi, Dignita` umana (parte giuridica). 27

III. Neuorientierungen Die Debatte der Nachkriegszeit um die Menschenwu¨rde dauerte bis gegen Ende der 60er Jahre an. Erschienen in Deutschland wa¨hrend jenem Jahrzehnt drei gross angelegte Werke zum Thema, findet sich in Italien weder in der juristischen noch philosophischen Literatur etwas Vergleichbares.1 Mit dem Thema Menschenwu¨rde befassten sich Korypha¨en wie der Philosoph Ernst Bloch, der Rechtsphilosoph Werner Maihofer sowie mit Niklas Luhmann einer der wichtigsten Soziologen des vergangenen Jahrhunderts. Sowohl bei Bloch als auch bei Maihofer ist die Idee der Menschenwu¨rde noch mit der universalistischen Botschaft der modernen Naturrechtslehre verbunden, wa¨hrend Luhmann jenen damals noch vorherrschenden Ansatz als Erster einer radikalen Kritik unterzog. Aber auch der Ru¨ckgriff auf die naturrechtlichen Ansa¨tze erfolgte nicht mehr wie in der unmittelbaren Nachkriegszeit im klassisch liberalen Sinn und somit negativ und defensiv, sondern in einer positiven und postulierenden Sicht. Der Akzent verschob sich vom „zu achten“ hin zum „zu schu¨tzen“, das durch eine Politik des welfare erreicht werden sollte. Wenn es fu¨r Bloch „sowenig menschliche Wu¨rde ohne Ende der Not, wie menschliches Glu¨ck ohne Ende alter oder neuer Untertanta¨tigkeit“2 gibt, geht fu¨r Maihofer der Schutz der Menschenwu¨rde u¨ber die „Personalita¨t des Menschen“ hinaus und schliesst die „Solidarita¨t zwischen Menschen“ ein, das heisst die Beseitigung wirtschaftlich-sozialer Strukturen, die ihrer Verwirklichung im Wege stehen.3 Fu¨r beide beinhaltete der Schutz der Wu¨rde somit die Befriedigung der menschlichen Grundbedu¨rfnisse durch den Sozialstaat. Das a¨ltere Schutzversta¨ndnis wurde somit nicht aufgegeben, vielmehr erweitert. 1 Im vom Existentialismus gepra¨gten Frankreich vgl. G. Marcel, La dignite´ humaine. 2 Vgl. E. Bloch, Naturrecht und menschliche Wu¨rde, 14. Unter der zahlreichen Literatur zu diesem Thema seien hervorgehoben H. Wagner, Die Wu¨rde des Menschen und H. Wagner, Utopie, Menschenrechte, Naturrecht. 3 Vgl. W. Maihofer, Rechtstaat und menschliche Wu¨rde, 40 – 41.

III. Neuorientierungen

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Es war demgegenu¨ber Luhmann, der diese mit Gu¨nter Du¨rig zum Durchbruch gekommene Konzeption einer ersten Pru¨fung unterzog. Diesem von ihm als „statisch“ bezeichneten Wu¨rdeversta¨ndnis stellte er sein „dynamisches“ entgegen. Weit davon entfernt, als Naturgeschenk allen Menschen alleine ihres Menschseins wegen zuzukommen, ist die Wu¨rde fu¨r ihn eine sozio-kulturelle Variable, die erst begru¨ndet werden muss. Sie ist so wenig „unantastbar“, dass der Mensch sie gewinnen und verlieren kann, und zwar in seiner Selbstdarstellung als Partner sozialer Interaktion. Wu¨rde ist keine Mitgift, die der Mensch immer mit sich tra¨gt, sondern „Ergebnis schwieriger … Darstellungsleistungen“, die sta¨ndiger Verlustgefahr ausgesetzt sind. Manchmal kann schon eine einzelne Indiskretion sie gefa¨hrden. Wenn die Selbstdarstellung nicht von Erfolg gekro¨nt oder gar ungenu¨gend ist, folgt zwingend der Verlust der Wu¨rde.4 So verstanden erha¨lt die Wu¨rde einen dynamischen Charakter: Sie ha¨ngt mit einer Individualisierung der Selbstverwirklichung zusammen, durch die der Mensch im Umgang mit anderen zu Selbstbewusstsein kommt, zur Person wird und so sein eigenes Menschsein begru¨ndet. Eine zur Zeit ihrer Formulierung sicherlich originelle und unkonventionelle Deutung, welcher anfa¨nglich die ihr gebu¨hrende Aufmerksamkeit versagt blieb.5 Anfang der 70er Jahre verschob sich das Interesse in eine andere Richtung. Die philosophische (rechtliche und politische) Debatte wurde von einem bedeutungstra¨chtigen Werk dominiert: demjenigen von John Rawls, der den Aufbau einer gleichen (fair) und in diesem Sinne „wohl organisierten“ (well-ordered) Gesellschaft forderte. Zentral ist der Vorrang des Gerechten vor dem Guten (priority of the right): dies ist sein Leitmotiv.6 Indes kehrte das Thema der Menschenwu¨rde bereits Anfang der 90er Jahre und von da an immer sta¨rker ins Zentrum der Diskussion zuru¨ck, vor allem in Deutschland, wo zwei bedeutende Rechtsphilosophen, Hasso Hofmann und Ulfrid Neumann, ein Wu¨rdeversta¨ndnis vermittelten, das 4

Vgl. N. Luhmann, Grundrechte als Institution, 53 – 83. Erst in der ju¨ngsten Debatte wurde Luhmanns Position ethisch-philosophisch und rechtsphilosophisch reflektiert: Dessen Kritik an der modernen naturrechtlichen Ausrichtung bewirkte eine Wiederbelebung der antiken Verknu¨pfung der Wu¨rde mit der gesellschaftlichen Rolle des Individuums (vgl. dazu R. Stoecker, Die Wu¨rde des Embryos. Sodann brachte Luhmann mit dem Begriff der „Selbstdarstellung“ einen grundlegenden Aspekt der Menschenwu¨rde zur Sprache (vgl. K. Seelmann, Repra¨sentation als Element von Menschenwu¨rde). 6 J. Rawls, A Theory of Justice. 5

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III. Neuorientierungen

sich gegenu¨ber der unmittelbaren Nachkriegszeit gewandelt hatte. Neumann, dessen erste Publikation Ende der 80er Jahre erfolgte, warnt vor einer „Tyrannei der Wu¨rde“ und davor, dass sie zur „Bu¨rde“ wird, welche die Diskussion u¨ber „ethisch sensible“ Themen blockiert.7 Sicherlich rufen neue Problemfelder wie die Genmanipulation oder die ku¨nstliche Befruchtung nach neuen Lo¨sungen. Aber mu¨ssen wir die traditionelle, „ontologische“ Auffassung der Wu¨rde aufgeben, um eine „liberalen Eugenik“ zu ermo¨glichen? Demgegenu¨ber gilt es fu¨r Hofmann, sowohl u¨ber die Mitgift- als auch u¨ber die Leistungstheorie hinauszugehen, um zu einem auf sozialer Anerkennung beruhenden Wu¨rdeversta¨ndnis zu gelangen.8 Ein sicherlich interessanter Versuch, der aber das Ziel einer verschiedene Elemente vereinigenden Wu¨rdeauffassung nicht erreichen du¨rfte. Tatsa¨chlich setzt die soziale Anerkennung Mitglieder einer Gesellschaft voraus, die sich eben gegenseitig „anerkennen“. Darin aber ist Hofmanns Theorie nicht weit von der Leistungstheorie entfernt, sofern Wu¨rde nur denen zukommt, die gesellschaftliche Anerkennung erlangen. Wir ko¨nnen hier die weitere rechtsphilosophische Debatte in Deutschland nicht weiter verfolgen. Wie bereits erwa¨hnt, findet sie einen vorla¨ufigen Endpunkt in Mathias Herdegens neuem Kommentar zu Art. 1 des Grundgesetzes, der einen Klassiker der deutschen Verfassungskommentare einleitet. Immerhin sei erwa¨hnt, dass „Menschenwu¨rde“ in einem weit verbreiteten rechtsphilosophischen Lehrbuch seit dessen dritter Auflage als „neues Schlu¨sselkonzept“ erscheint.9 Nun wa¨re die Annahme verfehlt, dass sich die Debatte auf den deutschen Sprachraum konzentriere. Vielmehr entwickelt sie sich seit dem Abflauen der Diskussion um Rawls’ Gerechtigkeitstheorie sowohl auf ethisch-philosophischem als auch auf rechtsphilosophischem Gebiet auch im angloamerikanischen Raum. In dieser Diskussion sind ohne Zweifel Martha Nussbaum und der ku¨rzlich verstorbene Ronald Dworkin die zwei wichtigsten Figuren. Erstere scheint an die schon bei Bloch und Maihofer pra¨sente Idee anzuknu¨pfen, 7 Vgl. U. Neumann, Die Tyrannei der Wu¨rde und U. Neumann, Die Menschenwu¨rde als Menschenbu¨rde. 8 Vgl. H. Hofmann, Die versprochene Menschenwu¨rde und H. Hofmann, Methodische Probleme der juristischen Menschenwu¨rdeinterpretation. 9 Vgl. K. Seelmann, Menschenwu¨rde.

III. Neuorientierungen

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dass Wu¨rde nicht nur der abstrakten Person als Rechtssubjekt zukommt, sondern dem konkreten Individuum in seiner Abha¨ngigkeit von wirtschaftlich-sozialen Verha¨ltnissen, die ihm bisweilen nicht einmal das zu einem wu¨rdevollen Leben no¨tige Existenzminimum garantieren. Ist ein Mensch gezwungen, unter diesem Niveau zu leben und fa¨llt er in extreme Armut, bedeutet dies eine Verletzung der Menschenwu¨rde. So wird der Zusammenhang zwischen der Wu¨rde und den materiellen Bedu¨rfnissen ausschlaggebend.10 Der Mensch ist in erster Linie weder ein animal rationale noch ein animal morale, sondern ein „Wesen mit Bedu¨rfnissen“. Je mehr nun die Gesellschaft zu deren Befriedigung in der Lage ist, desto mehr realisiert sich in ihr die Menschenwu¨rde. Diese fehlt u¨brigens nicht nur dort, wo Nahrungsmittel mangeln, sondern auch dort, wo die Verwirklichung der eigenen capabilities (diese werden nun zum Schlu¨sselwort) von ausbeuterischen sozialen Bedingungen unterdru¨ckt wird. Die Wu¨rde steht allen Menschen zu; es bedarf aber besonderer Anstrengungen, die Bedingungen zu schaffen, unter denen sie sich auch wirksam entfalten kann. Der Staat mu¨sste jedem Bu¨rger ermo¨glichen, die eigenen Fa¨higkeiten gleichsam zum Blu¨hen zu bringen. Nicht zufa¨llig kehrt in diesem Zusammenhang die sowohl bei Bloch als auch bei Maihofer zu findende Anlehnung an Marx auch bei der Neuaristotelikerin Nussbaum wieder. Die Diskussion um die Wu¨rde erweitert sich hier um einen stark emanzipatorischen Inhalt: Adressaten der Wu¨rde sind nicht mehr die vernu¨nftigen, selbstbewussten und selbsta¨ndigen Individuen, sondern Kinder, Frauen, Alte; Personen, die unter erniedrigenden Verha¨ltnissen leben und zugleich die eigenen Fa¨higkeiten nicht zur Geltung bringen ko¨nnen. Dieses Abstellen auf die perso¨nlichen Fa¨higkeiten birgt jedoch die Gefahr, einen problematischen Unterschied zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben zu schaffen. Liegt der Hauptakzent bei Nussbaum somit bei der gesellschaftlichen Dimension der Wu¨rde, betonte Dworkin in der US-amerikanischen politischen Debatte vor allem die individuelle Dimension und sieht in ihr zwei grundlegende Aspekte, die er auch „principles“11 nannte. 10 Vgl. M. Nussbaum, Woman and Human Development und M. Nussbaum, Hiding from Humanity. 11 R. Dworkin, Is Democracy Possible Here?, 9 – 10. Vgl. Auch R. Dworkin, Justice for Hedgehogs, wo er die Prinzipien des „self-respect“ und des „authenticity“ entwickelt (203 – 204).

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Das erste besagt, dass „each human life has a special kind of objective value“, der dem Menschen als „intrinsic value“ in Form einer „potentiality“ zukommt. Deshalb hat die Gesellschaft die Grundbedingungen fu¨r deren Realisierung von Lebensbeginn an zu ermo¨glichen. Das zweite Prinzip bekra¨ftigt demgegenu¨ber, dass „each person has a special responsability for realizing the success of its own life“, was bedeutet, dass die Verwirklichung des „intrinsic value“ ernst zu nehmende Aufgabe jedes Einzelnen ist. Diese zwei Wu¨rdedefinitionen stehen den Bedeutungsvarianten nahe, die wir in der europa¨ischen Tradition ausgemacht haben: Wu¨rde als Mitgift oder aber als Leistung. Nach Dworkin definieren „these two principles together […] the basis and conditions of human dignity“. In der gegenwa¨rtigen Debatte ist aber auch ein anderer Ansatz zu beachten, der aus einem Werk hervorgeht, das vor allem im deutschen Sprachraum gro¨ssere Bedeutung erlangte: The Decent Society von Avishai Margalit.12 Der israelische Philosoph zielt nicht mehr wie Rawls auf eine „well-ordered“, sondern auf eine „decent society“ ab, die bei Rawls stets im Hintergrund blieb. „Ansta¨ndig“ ist eine Gesellschaft, deren Institutionen keine Menschen demu¨tigen, vielmehr die Selbstachtung jedes Einzelnen schu¨tzen. Demu¨tigungen verletzen eine Person in ihrer Selbstachtung, zumal Wu¨rde gema¨ss Margalit nichts Anderes ist als „a representation of self-respect“.13 Der Zusammenhang zwischen Menschenwu¨rde und Selbstachtung ist jedoch alles andere als selbstversta¨ndlich.14 Zuna¨chst ko¨nnte eine Person nicht in der Lage sein, zu beurteilen, ob sie gedemu¨tigt wurde oder nicht; jemand kann na¨mlich von aussen betrachtet durch bestimmte Handlungen gedemu¨tigt werden, ohne sich selbst gedemu¨tigt zu fu¨hlen. Vor allem aber kann eine Person ihre Selbstachtung auch dann aufrechterhalten, wenn sie gedemu¨tigt wird – und umgekehrt kann sie ihre Selbstachtung auch aufgeben, ohne Erniedrigungen ausgesetzt zu sein. Eine vergewaltigte Frau ist sicherlich in ihrer Wu¨rde verletzt worden, hat deswegen aber nicht zwin¨ bers.: Politik der Wu¨rde (man Vgl. A. Margalit, The Decent Society, dt. U beachte den gewa¨hlten Titelbegriff der „Wu¨rde“). 13 Vgl. A. Margalit, The Decent Society, 53. A¨hnlich P. Schaber, Menschenwu¨rde und Selbstachtung: „Jemanden zu erniedrigen heisst demnach, ihm die Mo¨glichkeit zu nehmen, sich selbst zu achten“ (101). 14 Vgl. R. Stoecker, Menschenwu¨rde und das Paradox der Entwu¨rdigung sowie R. Stoecker, Selbstachtung und Menschenwu¨rde; K. Seelmann, La tutela della dignita` umana. 12

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gend ihre Selbstachtung verloren. Andererseits hat ein Mann, der sich jeden Abend betrinkt, seine Selbstachtung verloren, auch wenn niemand seine Wu¨rde verletzt hat. Damit sei keineswegs bestritten, dass Demu¨tigung bei der Verletzung der Wu¨rde eine Rolle spielt. Aber genauer besehen kommt es nicht auf die Verletzung der Selbstachtung, sondern auf die Verletzung des von anderen entgegengebrachten Respekts an. Somit hat die Wu¨rde auch hier mit sozialer Interaktion zu tun.15 Die Wu¨rde verliert, wer „das Gesicht verliert“, wer den „Blick der Anderen“ nicht mehr ertragen kann. So verstanden bewirkt die Demu¨tigung eine Sto¨rung der Selbstdarstellung – des Bildes, das man von sich geben wollte. Wu¨rde wird verletzt, wenn in den privaten Bereich der Selbstdarstellung eingegriffen wird. In diesem Bereich hat jeder Mensch totale Verfu¨gungsmacht – er bestimmt, welches Bild von sich er nach aussen abgeben will. Dieses Recht auf Selbstdarstellung darf nur in Ausnahmesituationen eingeschra¨nkt werden. Jede Person hat das Recht auf positiven Schutz dessen, was sie nach aussen tra¨gt wie auf den negativen Schutz dessen, was sie nicht nach aussen tragen, sondern fu¨r sich behalten will. Je durch¨ ffentlichkeit werden, desto gro¨sser das Bedu¨rfnis sichtiger wir fu¨r die O nach Schutz eines Kerns an Privatspha¨re. Die Achtung einer perso¨nlichen Intimspha¨re findet hier ihre philosophische Begru¨ndung.16 Eingriffe in das Privatleben – sei es durch Abho¨ren von Telefongespra¨chen, nicht bewilligte Vero¨ffentlichung ihrer Protokolle, anderer perso¨nlicher Dokumente oder Bilder, aber auch durch den prozessualen Gebrauch von Lu¨gendetektoren – sind deswegen problematisch, weil sie mit dem exklusiven Recht auf Selbstdarstellung in Konflikt geraten, das jedem Menschen zusteht. Dadurch wird der Anwendungsbereich der Menschenwu¨rde auf eine ganze Reihe weiterer Tatbesta¨nde erweitert (wie wir sogleich sehen werden, ko¨nnte aber auch das Gegenteil eintreten und der Schutzbereich der Wu¨rde sogar eingeengt werden). Nun kann die Wu¨rde einer Person nicht nur durch Folter oder erniedrigende Behandlung verletzt werden, sondern auch 15 Von einem soziologischen Standpunkt aus betrachtet vgl. R. Sennet, Respect in a World of Inequality. Das Thema steht im Zusammenhang mit der auf Hegels Jenaer Schriften zuru¨ckgehenden Diskussion um das Problem der Anerkennung. Vgl. dazu A. Honneth, Kampf um Anerkennung; anders P. Ricœur, Parcours de la reconnaissance. Auch H. Hofmann geht auf den Aspekt der Anerkennung ein, vgl. supra, Fussnote 8. 16 Vgl. V. Mathieu, Privacy e dignita` dell’uomo; S. Niger, Le nuove dimensioni della privacy.

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III. Neuorientierungen

durch o¨ffentliche Verunglimpfung, Publikation „heikler“ Privatangelegenheiten in Text und Bild oder durch Bekanntmachung von A¨usserungen, die mit einer o¨ffentlichen Stellung unvereinbar sind. In all diesen Fa¨llen ¨ ffentlichkeit von wird die betroffene Person im Bild verletzt, das sie der O sich geben wollte. Wenn sie keine Gelegenheit mehr findet, sich anders darzustellen, ist ihr Ruf nachhaltig bescha¨digt. Auch dieses Wu¨rdeversta¨ndnis muss sich einen Einwand gefallen lassen: Nicht jede Herabsetzung ist verwerflich; manchmal ist es gerechtfertigt aufzudecken, was sich wirklich hinter mancher Fassade verbirgt. Somit verbliebe die schwierige Aufgabe, genauer zu definieren, welche herablassende Verhaltensweisen die Menschenwu¨rde verletzen. Rechtlich gesehen ist der Schutz der Wu¨rde bei Diskriminierung und Missbrauch sicherlich einfacher umzusetzen als bei Herablassungen. Nach diesem Streifzug durch die neuen Auffassungen von Wu¨rde wird klar, dass die „alte“ Wu¨rdevorstellung nach wie vor gu¨ltig ist. Die „ethnischen Sa¨uberungen“ in Ex-Jugoslawien, der Vo¨lkermord in Ruanda, die Folterungen und Demu¨tigungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten in Abu Ghraib sowie die unmenschlichen Haftbedingungen mutmasslicher Terroristen in Guantanamo – um nur einige Beispiele aus ju¨ngster Zeit zu erwa¨hnen – bezeugen die Bedeutung, die dem Schutz der Menschenwu¨rde in bewaffneten Konflikten zukommt.17 Fast noch mehr beunruhigend als die schiere Tatsache, dass Folter auch heute noch angewendet wird, ist ihre Rechtfertigung als Waffe im Kampf gegen den Terrorismus. Sollte die Folter aus Gru¨nden der „inneren Sicherheit“ heute wieder zum Katalog polizeilicher Untersuchungsmethoden geho¨ren, wa¨re dies ein gefa¨hrlicher Ru¨ckschritt – den es unbedingt zu verhindern gilt, wenn wir nicht in die Barbarei zuru¨ckfallen wollen.18 Wenn man sich hierbei auf die Menschenwu¨rde als Schutzschild jeder Person (auch derjenigen, die grausamste Verbrechen begangen hat) beruft, wird dem grundlegenden, unbedingten Charakter dieses Prinzips Genu¨ge getan. 17 Wa¨hrend in all diesen Fa¨llen von „Menschenrechtsverletzungen“ die Rede ist, wird der Menschenwu¨rde dabei noch immer nicht die ihr zustehende Bedeutung zugestanden. Zu „alten“ und „neuen“ Formen der Skaverei vgl. G. Caruso, Delitti di schiavitu` e dignita` umana. 18 Bekanntlich wird das Thema der Folter nach dem 11. September 2011 wieder rege diskutiert. Es geht hier vor allem um die Frage, ob die Vermeidung terroristischer Akte ihre Anwendung rechtfertigt. Vgl. dazu, mit weiteren Hinweisen, L. Sonderegger, Die Ru¨ckkehr der Folter?

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Gleichwohl la¨sst sich nicht bestreiten, dass das Konzept der Menschenwu¨rde heute neue Bedeutungen angenommen hat. Ein modernes Wu¨rdeversta¨ndnis, das uns verbietet, eine Person zur Sache zu degradieren, verurteilt ebenso die Herablassung einer Person, wenn das Bild verletzt ¨ ffentlichkeit von sich geben wollte. wird, das sie der O

IV. Von der Europa¨ischen Menschenrechtskonvention u¨ber die Konvention von Oviedo bis zur Charta der Grundrechte der Europa¨ischen Union In der zweiten Ha¨lfte des letzten Jahrhunderts erfolgte in Bezug auf die Menschenwu¨rde eine a¨hnliche Entwicklung wie bezu¨glich der Menschenrechte. Anfangs zielten diese auf den abstrakt begriffenen Menschen, also unabha¨ngig von konkreten Merkmalen wie Geschlecht, Hautfarbe, Sprache usw. und sicherten jedem Einzelnen zu, gleich wie jeder andere Mensch behandelt zu werden. Keiner sollte auf Grund der Lebensumsta¨nde seiner Freiheit und seiner Rechte beraubt werden. Nach und nach wandte sich der Fokus auf den konkreten Menschen in seinem besonderen status, je nach Geschlecht, Alter, Gesundheit oder sozialem Umfeld. Auf der einen Seite eine unterschiedslose Gleichbehandlung aller Menschen, andererseits die Notwendigkeit unterschiedlicher Behandlung von Frauen gegenu¨ber Ma¨nnern, von Kindern gegenu¨ber Erwachsenen, Alten gegenu¨ber Jungen, Gesunden gegenu¨ber Kranken, und so weiter nach immer spezifischeren Differenzierungen. Ein Blick auf die verschiedenen Chartas der Grundrechte, die im Lauf der Jahre aufeinander folgten, verdeutlicht diesen Prozess.1 Letzterer 1 ¨ bereinkommen Es seien hier folgende UNO-Dokumente hervorgehoben: U ¨ bereinkommen u¨ber die Rechtsu¨ber die politischen Rechte der Frau (1952), U ¨ bereinkommen u¨ber die Abschaffung der stellung der Staatenlosen (1954), U Zwangsarbeit (1957), Erkla¨rung der Rechte des Kindes (1959), Internationales ¨ bereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1965), U Erkla¨rung u¨ber die Rechte der geistig Zuru¨ckgebliebenen (1971), Erkla¨rung u¨ber die ¨ bereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rechte der Behinderten (1975), U Diskriminierung der Frau (1979), Erkla¨rung u¨ber die Beseitigung aller Formen von ¨ berzeugung Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der U ¨ ber(1981), Wiener Internationaler Aktionsplan zur Frage des Alterns (1982), U einkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1984), Erkla¨rung u¨ber das Recht der Vo¨lker auf Frieden

IV. Menschenrechtskonvention und Charta der Grundrechte

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vollzog sich zuna¨chst im wirtschaftlich-sozialen Bereich (wie z. B. die Rechte auf Arbeit, Gesundheit, Bildung, Existenzminimum), erstreckte sich aber auch auf Rechte von Individuen als Mitglieder ethnischer, religio¨ser und anderer Gruppen; schliesslich auf Rechte des Menschen in seinen Lebensphasen oder seinem Gesundheitszustand. Eine Akzentverschiebung somit weg von der abstrakten Auffassung der Gleichheit aller Menschen hin zur Betrachtung des Menschen in seinen konkreten Lebensumsta¨nden, seien sie von Gruppenzugeho¨rigkeiten oder von Lebensphasen gepra¨gt.2 Dies erkla¨rt spezifische Rechte der Frauen, der Andersfarbigen, der Minderheiten, humanita¨re Einsa¨tze fu¨r Vo¨lker in extremer Armut und – bezu¨glich der unterschiedlichen Lebensphasen – Rechte der Kinder, der Alten, der (insbesondere psychisch) Kranken und der Behinderten. So sind in letzter Zeit (vor dem Hintergrund der ku¨nstlichen Befruchtung und der Genmanipulation) einerseits die Rechte wa¨hrend der pra¨natalen Lebensphase in den Vordergrund getreten, andererseits aber auch die Rechte im zunehmend technologisierten Sterbeprozess. Rechte des Embryos bzw. des Fo¨tus stehen ebenso im Zentrum der o¨ffentlichen Debatte wie Rechte des terminalen Kranken. Darauf wird zuru¨ckzukommen sein (vgl. unten, VI.). Vom Schutz des Individuums sind wir allma¨hlich zum Schutz ku¨nftiger Generationen, im Zuge der Gentechnologie auch der Tiere und im Rahmen der Umweltdebatte auch der Pflanzen gekommen. A¨hnlich entwickelte sich die Menschenwu¨rde, die nun nicht mehr nur auf eine abstrakt verstandene Person oder eine Person in ihrem sozialen Umfeld gerichtet ist, sondern daru¨ber hinaus das konkrete Individuum in seinen Lebensphasen – von der Empfa¨ngnis bis zum Tod, ja sogar daru¨ber hinaus – schu¨tzen will. Hatte der Gleichheitsgedanke mit der Herausforderung zu ka¨mpfen, dass es unterschiedliche Lebensumsta¨nde gibt, die eine unterschiedliche Behandlung der Individuen erheischen, so stellt sich der Menschenwu¨rde die schwierige Frage, worin ihre genaue Schutzfunktion in den vielfa¨ltigen Situationen ihrer Gefa¨hrdung besteht. Auf die erwa¨hnten Konventionen folgten andere, in denen die Anerkennung der Menschenwu¨rde der Aufza¨hlung der Menschenrechte vorangeht. Der ¨ bereinkommen u¨ber die Rechte des Kindes (1989), U ¨ bereinkommen u¨ber (1984), U die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2006). 2 ¨ bers.: Das Vgl. N. Bobbio in mehreren Beitra¨gen in L’eta` dei diritti, dt. U Zeitalter der Menschenrechte.

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Bezug zur Menschenwu¨rde erfolgt nun sowohl im Sinn des Schutzes der abstrakten Person als auch des konkreten Individuums. Um dies zu verdeutlichen reicht es, den ersten Absatz der Charta der Grundrechte der Europa¨ischen Union zu betrachten, die im Dezember 2000 in Nizza proklamiert und im Dezember 2007 vom Vertrag von Lissabon besta¨tigt wurde, und ihn mit der Europa¨ischen Konvention fu¨r den Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) zu vergleichen.3 Es ist bezeichnend, dass sich in der EMRK, die bereits im September 1953 in Kraft trat, nirgends ein ausdru¨cklicher Hinweis auf die Menschenwu¨rde findet und diese dort, wo implizit auf sie verwiesen wird, auf die abstrakte Person bezogen ist. In der neueren Charta der Grundrechte erlangt dagegen gerade die Person in ihrem konkreten Dasein besondere Beachtung. Auch wenn ein detaillierter Vergleich der beiden Dokumente hier nicht mo¨glich ist, sei immerhin erwa¨hnt, dass in der EMRK das „Recht jedes Menschen auf Leben“ die Todesstrafe nicht ausschliesst (Art. 2), wa¨hrend „jeder Mensch hat das Recht auf Leben“ fu¨r die Charta der Grundrechte bedeutet, dass niemand „zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden“ darf (Art. 2 Abs. 1 u. 2). Interessant ist auch der Datenschutz in Art. 8 der Charta: „Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten“. Das erste Kapitel der Charta, das nach der Wu¨rde betitelt ist, statuiert den „unantastbaren“ Wert der Menschenwu¨rde, die „zu achten und zu schu¨tzen“ ist. Dabei werden dieselben Ausdru¨cke wie im deutschen Grundgesetz benutzt und der Schutz der Menschenwu¨rde als Schutz der Person begriffen. Folter, unmenschliche und erniedrigende Strafen und Behandlungen (Art. 4) sowie Sklaverei, Zwangsarbeit und Menschenhandel (Art. 5) werden verboten. Andererseits wird die Bedeutung der Wu¨rde des konkreten Individuums hervorgehoben: Nicht nur die Todesstrafe (und zwar sowohl Urteilsspruch wie Vollstreckung) ist verboten, sondern auch all jene Praktiken der Biomedizin (wie die Eugenik, die Vermarktung des menschlichen Ko¨rpers, das reproduktive Klonen), welche die „ko¨rperliche und geistige Unversehrtheit“ verletzen (Art. 3).

3 Vgl. dazu B. Maurer, Le principe de respect de la dignite´ humaine; S. Bartole / B. Conforti / G. Raimondi, Commentario alla Convenzione europea dei diritti dell’uomo; G. Resta, La disponibilita` dei diritti fondamentali; P. Grossi, Dignita` umana e liberta`. Zur genetischen Integrita¨t vgl. R. Bifulco, Dignita` umana e integrita` genetica.

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Die ko¨rperliche und geistige Unversehrtheit zu schu¨tzen heisst, jedem menschlichen Wesen das Recht zuzuerkennen, nicht nur als menschliches Gattungswesen und deshalb jedem anderen Menschen gleich, sondern auch als individuelle Person und deshalb von jedem anderen Menschen verschieden betrachtet zu werden. Aber daru¨ber hinaus erscheint in der Charta auch die solidarische, soziale Dimension der Wu¨rde: Art. 25 „anerkennt und achtet das Recht a¨lterer Menschen auf ein wu¨rdiges und unabha¨ngiges Leben“, und Art. 31 versichert jedem Arbeitnehmer „das Recht auf gesunde, sichere und wu¨rdige Arbeitsbedingungen“. Die Charta bietet also einen umfassenden Schutz der Menschenwu¨rde. Es handelt sich um das erste internationale Rechtsdokument, in dem sie unabha¨ngig von anderen Werten wie der Freiheit oder der Gleichheit erscheint, mit denen sie traditionsgema¨ss assoziiert wurde. Diese Relevanz der Menschenwu¨rde erfolgt insbesondere im Hinblick auf die Anwendungen der Biotechnologie auf den Menschen, was insbesondere aus Art. 3 hervorgeht, wo die „freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufkla¨rung“ richtunggebend ist. Der Charta kommt hier insofern besondere Bedeutung zu, als sie der Menschenwu¨rde einen weiteren Raum einra¨umt als ein Dokument, das die „Anwendung von Biologie und Medizin“ spezifisch regelt: die so genannte Oviedo-Konvention des Europarates.4 ¨ bereinkommens bindet die Wu¨rde an den Schutz der Der Titel dieses U Menschenrechte, wenn auch die Pra¨ambel sie unabha¨ngig davon erwa¨hnt, wo die „Notwendigkeit, menschliche Lebewesen in ihrer Individualita¨t und als Teil der Menschheit zu achten“ auf der Erkenntnis gru¨ndet, „dass es wichtig ist, ihre Wu¨rde zu gewa¨hrleisten“. Hier werden die beiden erwa¨hnten Sinngebungsvarianten von Wu¨rde gewissermassen zusammenfu¨hrt: die Wu¨rde des Menschen als allgemeines und als individuelles Wesen.5 Die Oviedo-Konvention ist das erste international verbindliche ¨ bereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Europarat, U Menschenwu¨rde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin vom ¨ bereinkommen u¨ber Menschenrechte und Biomedizin). Einen 4. April 1997 (U zusammenfassenden Kommentar bieten R. Andorno, The Oviedo Convention und der Sammelband Bioetica e dignita` umana. 5 Gema¨ss Art. 1 schu¨tzen die Vertragsstaaten „die Wu¨rde und die Identita¨t menschlichen Lebens und gewa¨hrleisten jedem Menschen ohne Diskriminierung die Wahrung seiner Integrita¨t sowie seiner sonstigen Grundrechte und Grundfreiheiten im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin“. Es muss hier 4

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Rechtsdokument, das sich spezifisch den mo¨glichen Anwendungen der Fortschritte von Medizin und Biologie auf den Menschen widmet. Es geht von der Annahme aus, dass „der Missbrauch von Biologie und Medizin zu Handlungen fu¨hren kann, welche die Menschenwu¨rde gefa¨hrden“. Angesichts dieses Gefahrenpotentials verpflichten sich die Unterzeichner des ¨ bereinkommens dazu, „die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um U den Schutz der Menschenwu¨rde sowie die Grundrechte und Grundfreiheiten des Menschen zu gewa¨hrleisten“.6 Mehrere Konventionsartikel zeugen von einem Wu¨rdeversta¨ndnis, das an die Entscheidungsfreiheit des Patienten (bezu¨glich medizinischer Behandlung) bzw. der sich wissenschaftlichen Versuchen zur Verfu¨gung stellenden Person gebunden ist (wobei die Konvention jedoch nicht ausschliesslich auf dieses Versta¨ndnis abstellt). Art. 5 – 9 behandeln die freie Einwilligung des aufgekla¨rten Patienten, ohne die keinerlei medizinische Eingriffe erfolgen du¨rfen. Notfallsituationen ausgenommen (Art. 8) sind a¨rztliche Eingriffe ohne Einwilligung unzula¨ssig. Auch die wissenschaftliche Forschung am Menschen setzt nebst weiteren Bedingungen die freie und ausdru¨ckliche Einwilligung des aufgekla¨rten Betroffenen voraus. Gleiches gilt auch fu¨r die Organspende lebender Spender. Besonders geschu¨tzt werden „einwilligungsunfa¨hige“ Personen wie Kinder und Bevormundete (Art. 6). Art. 9 schu¨tzt den fru¨her gea¨usserten Willen von Personen, die zum Zeitpunkt des Eingriffs nicht mehr in der Lage sind, ihren freien Willen kundzutun. Auch Art. 10 bezu¨glich Datenschutz und Recht auf Auskunft u¨ber den eigenen Gesundheitszustand dient der Entscheidungsfreiheit des Patienten, dessen Wu¨rde damit geschu¨tzt wird. In den soeben betrachteten beim schieren Hinweis bleiben, dass zwischen der englischen und franzo¨sischen Fassung des Vertragstextes nicht unerhebliche Unterschiede bestehen. 6 Andere Dokumente der UNESCO, die nach der Konvention von Oviedo erschienen, greifen deren Betonung der Menschenwu¨rde auf: UNESCO, Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights, November 11, 1997 (art. 1, art. 2, art. 10, art. 12, art. 15), UNESCO, Universal Declaration on Cultural Diversity, November 2, 2001 (art. 4), UNESCO, Universal Declaration on Bioethics and Human Rights, October 2005 (art. 2, art. 3). Ferner die an Regierungen, Politberater, Forscher, Wissenschaftsorganisationen sowie Ethikkommissionen adressierten Richtlinien der UNESCO, Establishing Bioethics Committees, October 2005 (vgl. Part I, 9 – 10). Zu diesen Dokumenten vgl. R. Andorno, Global bioethics at UNESCO: in defence of the Universal Declaration on Bioethics and Human Rights.

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Fa¨llen bedeutet „Wu¨rde“, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu achten. Wie bereits angedeutet, finden sich in der Konvention aber auch andere ¨ bereinkommen bescha¨ftigt sich Bedeutungsvarianten der „Wu¨rde“. Das U auch mit der Gen- und Reproduktionstechnologie und statuiert zwei grundlegende Verbote bezu¨glich genetischer Diskriminierung (Art. 11 – 12) sowie Eingriffen in das menschliche Genom (Art. 13). Der Schutz der genetischen Identita¨t versteht sich sowohl als Anspruch aller Menschen (und somit der gesamten menschlichen Spezies als solcher) auf Unversehrtheit ihres genetischen Erbes als auch als Recht jedes menschlichen Individuums auf die Einzigartigkeit seines Genmaterials. In einem seit dem 12. Januar 1998 zur Unterschrift ausliegenden Zusatzprotokoll wird denn konsequenterweise auch das Klonen menschlicher Lebewesen als „gegen die Menschenwu¨rde“ verstossend verboten. Mit der gleichen Begru¨ndung werden auch die gezielte Produktion von Embryonen zu Forschungszwecken sowie der Handel mit Spenderorganen untersagt. Mit der Verknu¨pfung von Wu¨rde und genetischer Identita¨t versucht die Konvention eine unu¨berwindbare Grenzlinie zu ziehen, na¨mlich gegenu¨ber der Genmanipulation mit dem Ziel der Zu¨chtung von Menschen mit „optimierten“ Eigenschaften. Es du¨rfte aber schwierig sein, diese Grenzziehung aus einem Wu¨rdebegriff abzuleiten, der ausschliesslich auf den Schutz des Selbstbestimmungsrechts gerichtet ist. Warum soll die Produktion von Embryonen zu Forschungszwecken verboten sein, wenn dadurch Krankheiten besiegt werden ko¨nnten? Warum das Klonen von Menschen, wenn man damit Genies replizieren ko¨nnte? Warum sollen wir uns bei der Fortpflanzung unserer Spezies weiterhin dem Zufall anvertrauen, wenn uns die Gentechnologie heute befa¨higt, die Evolution zu kontrollieren und zu lenken? Um auf diese Fragen befriedigende Antworten zu finden, reicht die Auffassung der Wu¨rde als Selbstbestimmungsrecht alleine nicht mehr aus. Wie wir sogleich sehen, kehrt ein anderes Versta¨ndnis von Wu¨rde in das Zentrum der Aufmerksamkeit zuru¨ck – eines, das sich trefflich in die gegenwa¨rtige Debatte rund um das postsa¨kulare Zeitalter einfu¨gt.7

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Vgl. E.-W. Bo¨ckenfo¨rde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Sa¨kularisation. Spezifisch zum Thema der Wu¨rde J. Isensee, Menschenwu¨rde; P. Becchi, La dignita` umana nella societa` post-secolare.

V. Das Selbstbestimmungsrecht und seine Grenzen – die Bewahrung des Menschenbildes Die von Gu¨nther Anders formulierte Diagnose, wonach der Mensch vom homo faber zum homo creator wird, stellt sich heute als prophetisch heraus.1 Die Revolution in der Molekularbiologie befa¨higt uns mittlerweile zu einer Kontrolle und Steuerung der menschlichen Evolution, so dass prima facie nur schwer einzusehen ist, weshalb eine sa¨kulare Ethik sich weiterhin dem Zufall anvertrauen sollte. Der Mensch ist vom herrschenden Subjekt zum beherrschten Objekt geworden und sieht tatenlos zu, wie er zu einem passiven Instrument immer raffinierterer und erschreckenderer Experimente wird. Wir gehen geradewegs auf eine post-humane Existenzform (Post-Biologismus, Cyborg, Bionik) zu, die stark an der Auffassung der Menschlichkeit nagt. Genmanipulation ist die Zukunft des Menschen. Die menschliche Spezies scheint am Endpunkt ihrer biologischen Entwicklung angekommen zu sein, und schon taucht am Horizont eine neue Realita¨t auf: die Erschaffung einer besseren menschlichen Rasse durch direkten Eingriff in den genetischen Code. Um es mit Nietzsche zu sagen „scheint der Mensch auf eine schiefe Ebene geraten – er rollt immer schneller nunmehr aus dem Mittelpunkte weg“.2 Zu einem solch radikalen Schluss gelangen auch John Harris3 und – von anderer Warte aus – Peter Sloterdijk mit seiner „genetischen Reform der Gattungseigenschaften“.4 1 ¨ ber das Konzept des Vgl. G. Anders, Die Antiquiertheit des Menschen. U „Posthumanen“ gibt es eine umfangreiche Literatur. Ich beschra¨nke mich hier auf F. Fukujama, Our Posthuman Future; auf der Gegenseite N. Bostrom, In defence of Posthuman Dignity. 2 F. Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, 404. 3 Vgl. J. Harris, Wonderwoman & Superman. 4 In Deutschland lo¨ste vor einigen Jahren P. Sloterdijk eine heftige Polemik aus, der – freilich problematisierend – in Anlehnung an Nietzsches Grosszu¨chtung den ¨ bergang vom Fatalismus der Geburt zur geplanten Geburt und zur pra¨natalen U Selektion als „Genetische Reform der Gattungseigenschaften“ bezeichnete. Vgl. P. Sloterdijk, Regeln fu¨r den Menschenpark.

V. Das Selbstbestimmungsrecht und seine Grenzen

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Wohlverstanden ist Gentechnologie nicht an sich zu verurteilen, sofern sie der Beka¨mpfung von Erbkrankheiten dient oder ein la¨ngeres Leben mit ku¨nstlichen Prothesen oder Organen ermo¨glicht. Wichtig ist aber, dass sie uns nicht zu Zuchttieren verkommen und die Idee der Menschlichkeit aufgeben la¨sst. Vor den Risiken einer „liberalen Eugenik“ haben auf ihre eigene Weise Ju¨rgen Habermas5 und Leon Kass6 gewarnt. Wenigstens soll die naturgegebene Basis der Wu¨rde unverfu¨gbar sein, das heißt unsere Zugeho¨rigkeit zur menschlichen Spezies. Gegen eine solche Auffassung der Menschenwu¨rde ko¨nnte man mit Peter Singer den Einwand des „Speziesismus“ erheben, wonach Lebewesen auf Grund ihrer Artzugeho¨rigkeit diskriminiert werden, so wie beim Rassismus und Sexismus Menschen wegen ihrer Rassen- bzw. Geschlechtszugeho¨rigkeit ausgegrenzt werden. In diesem Fall mo¨chte man dennoch nur die menschliche Spezies von anderen unterscheiden, indem man ihr eine spezifische Eigenschaft zuerkennt, na¨mlich die der Wu¨rde. Hier haben wir es also keineswegs mit einer Diskriminierung zu tun, wie es dagegen bei Rassismus und Sexismus der Fall ist. Freilich ko¨nnte man dem Vorwurf des „Speziesismus“7 auch damit kontern, den Schutz vor missbra¨uchlicher Gentechnologie auf den nichtmenschlichen Bereich auszudehnen und von „Wu¨rde der Kreatur“ zu sprechen. Dabei ha¨tten alle Lebewesen, also auch Pflanzen und Tiere, Anspruch auf Schutz ihrer Wu¨rde.8 So gut wir die Absichten dieser Auffassung teilen ko¨nnen, so sehr birgt sie das Risiko, dass die Wu¨rde einer urspru¨nglichen Eigenschaft beraubt wu¨rde: ihrer Verknu¨pfung mit dem menschlichen Wesen. 5

Vgl. J. Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur. Vgl. L. R. Kass, Life, Liberty and the Defense of Dignity. 7 Der Begriff des „Speziesismus“ geht auf Richard Ryder zuru¨ck und beschreibt (in Analogie zu „Rassismus“ und „Sexismus“) die Diskriminierung anderer Spezies durch den Menschen. Grossen Anklang fand er seit der Publikation von P. Singer, Animal liberation. Fu¨r eine Kritik des ethischen Ansatzes von Singer vgl. P. Becchi, Questioni vitali, 691 – 721. 8 Vgl. Art. 120 Abs. 2 der Schweizerischen Bundesverfassung von 1999 (Wu¨rde der Kreatur): „Der Bund erla¨sst Vorschriften u¨ber den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er tra¨gt dabei der Wu¨rde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung …“. Vgl. dazu Aa.Vv., „Wu¨rde der Kreatur“ sowie P. Balzer / K. P. Rippe / P. Schaber, Menschenwu¨rde vs. Wu¨rde der Kreatur. Zur Kritik vgl. P. Tiedemann, Menschenwu¨rde als Rechtsbegriff. 6

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V. Das Selbstbestimmungsrecht und seine Grenzen

Auch ein anderer Weg wa¨re begehbar. Robert Spaemann vertritt die Position, dass der Mensch unter allen Lebewesen eine spezifische Wu¨rde besitzt – weil nur er im Stande ist, sich selbst zu relativieren, sich von seiner Subjektivita¨t zu distanzieren und seine eigenen Interessen gegen diejenigen anderer (menschlicher und nichtmenschlicher) Lebewesen abzuwa¨gen. Weil wir Menschen sind, reden wir heute von Rechten der Tiere und von Pflichten gegenu¨ber der Natur. Es ist – paradoxerweise – gerade diese Fa¨higkeit zur Selbst-Relativierung, welche die herausragende Stellung des Menschen, seine Unvergleichbarkeit mit anderen Lebewesen offenbart. Indem er die eigenen Interessen, Wu¨nsche und Bestrebungen bis hin zur Selbstaufopferung aufgibt, o¨ffnet sich der Mensch der Transzendenz. Spaemann knu¨pft an Augustinus an, der den Menschen zum „amor Dei usque ad contemptum sui“ befa¨higt sieht und zieht daraus die Konsequenz: „Der Begriff der Wu¨rde meint etwas Sakrales: Er ist ein im Grunde religio¨smetaphysischer.“9 Die Wu¨rde gru¨ndet in der Berufung auf etwas, das u¨ber dem Menschen steht, auf etwas Transzendentes, das, wie Heidegger sagte, „urspru¨nglicher und darum im Wesen wesentlicher“10 ist. Diese Ausrichtung sieht sich – kaum hat sie den Vorwurf des Speziesismus zuru¨ckgewiesen – einem weiteren, ernst zu nehmenden Einwand ausgesetzt: Die normativen Pra¨missen, auf welchen das menschliche Zusammenleben heute beruhen, erweisen sich als losgelo¨st von religio¨sen und metaphysischen Traditionen.11 Doch auch diese Zusammenha¨nge sind komplexer als es auf den 9 ¨ ber den Begriff der Menschenwu¨rde, 295 – 313 (SpaeVgl. R. Spaemann, U mann in Anlehnung an Augustinus, De civitate Dei, XIV, cap. 28). Zu diesem wichtigen Werk Spaemanns vgl. F. Viola, Etica e metaetica dei diritti umani. Zum Thema vor kurzem erneut Spaemann in seinen McGivney Lectures: Love and the Dignity of Human Life. 10 Was fu¨r Heidegger bedeutet: „der Mensch ist als der eksistierende Gegenwurf des Seins insofern mehr denn das animal rationale, als er gerade weniger ist im Verha¨ltnis zum Menschen, der sich aus der Subjektivita¨t begreift. Der Mensch ist nicht der Herr des Seienden. Der Mensch ist der Hirt des Seins. In diesem ,weniger‘ bu¨ßt der Mensch nichts ein, sondern er gewinnt, indem er in die Wahrheit des Seins gelangt. Er gewinnt die wesenhafte Armut des Hirten, dessen Wu¨rde darin beruht, vom Sein selbst in die Wahrnis seiner Wahrheit gerufen zu sein“ (M. Heidegger, Brief u¨ber den „Humanismus“, 28 f.). 11 Vgl. O. Ho¨ffe, Prinzip Menschenwu¨rde. Fu¨r Ho¨ffe ist die Menschenwu¨rde wie ein langsam verglu¨hender Meteor, wenn sie nicht gleichsam vom Licht des Rechts geschu¨tzt wird. Vgl. O. Ho¨ffe, Vernunft und Recht, 101 – 102. Dem zumindest teilweise zuzustimmen scheint G. Kateb, Human Dignity.

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ersten Blick scheint. Zuna¨chst ko¨nnten der religio¨se und der metaphysische Diskurs auseinandergehalten werden. So versucht Hans Jonas, die Metaphysik als ethisches Fundament wiederzubeleben, indem er sie wenigstens im Prinzip von der Religion trennt.12 Aber seine wiederholte Berufung auf den Menschen als „Ebenbild Gottes“ u¨bertra¨gt letztlich doch theologische Vorstellungen in eine sa¨kulare Ethik. Darin liegt eine Vorwegnahme der aktuellen Debatte u¨ber die Menschenwu¨rde und der Frage um eine aktive Rolle der Religion im o¨ffentlichen Diskurs als Voraussetzung des freiheitlichen Verfassungsstaates.13 Man denke hierbei auch an Habermas, der seit Glauben und Wissen im Jahr 2001 und dann im Dialog mit Joseph Ratzinger mehr als zuvor auf die Pra¨senz der Religion in der heutigen Gesellschaft hinweist.14 Die religio¨se Botschaft ist nicht mehr nur tro¨stend, und sie betrifft nicht mehr nur die Privatspha¨re. Sie spielt auch nicht nur eine beliebige Rolle in der „Lebenswelt“, sondern dru¨ckt Bedu¨rfnisse aus und nimmt einen Platz im o¨ffentlichen Diskurs ein. Gott in den Bereich des perso¨nlichen Bewusstseins zuru¨ckzudra¨ngen bedeutet letztlich, der Religion ihren Beitrag zur Entwicklung der Zivilgesellschaft zu versagen. Der Sa¨kularisierungsprozess sollte nun nicht destruktiv sein, sondern danach streben, das religio¨se Vokabular in sich aufzunehmen, indem er es in verallgemeine¨ bersetzung der Gottesebenbildrungsfa¨hige Begriffe u¨bersetzt. „Die U lichkeit des Menschen in die gleiche und unbedingt zu achtende Wu¨rde ¨ bersetzung.“15 Es mag auf den aller Menschen ist eine solche rettende U ersten Blick erstaunen, dass Habermas hier zu a¨hnlichen Schlu¨ssen gelangt wie Spaemann und Jonas. Auch wenn er den rein sa¨kularen und postmetaphysischen Bereich nicht verla¨sst, findet Habermas nichts Besseres als den Ru¨ckgriff auf die Idee des Menschen als „Ebenbild Gottes“, um den Risiken einer liberalen Eugenik zu begegnen. So sieht er neuestens auch die 12 Vgl. H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung. Zum Jonas’schen Ansatz vgl. P. Becchi, La vulnerabilita` della vita. und neuer P. Becchi, Hans Jonas e l’etica applicata. 13 Vgl., unter der neueren Literatur, T. Steins, Himmlische Quellen und irdisches Recht. Fu¨r eine erste Orientierung P. Becchi, Il risveglio di Dio und die dort zitierte Literatur. Vgl. auch P. Becchi, Gottes Wiedererwachen. 14 Vgl. J. Habermas, Glauben und Wissen sowie J. Habermas, Vorpolitische moralische Grundlagen eines freiheitlichen Staates, 39 – 60. Neueres zum Thema findet sich in J. Habermas, Zwischen Naturalismus und Religion. 15 J. Habermas / J. Ratzinger, Dialektik der Sa¨kularisierung, 32.

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Konzeption der Menschenrechte „in einem engen begrifflichen Zusammenhang“ mit demjenigen der Menschenwu¨rde.16 All dies besta¨tigt die zentrale Bedeutung dieser Argumentation in der heutigen Debatte. Im nordamerikanischen Umfeld betont Dworkin, „religion is an irreplaceable cultural resource in which billions of people find immense and incomparable value“ und „any serious argument about the place of religion in government and public life must in the end be a debate about these competing ideals“.17 Woher aber ru¨hrt dieses „Wiedererwachen Gottes“ in unserer Zeit, nachdem man ihn schon lange abgeschrieben hatte? Ko¨nnen und wollen wir uns weiterhin als handlungsfa¨hige Menschen begreifen? Reichen dafu¨r Regeln, welche die Fortsetzung von Lebensbedingungen garantieren, die ein solches Menschenbild zulassen? Und warum sollten wir uns weiterhin so begreifen? Sind wir etwa dazu verpflichtet? Diese Fragen beantworten kann nur der Ru¨ckgriff auf eine onto-theologische Grundentscheidung, die den Menschen auf sein genitum, non factum verweist. Daher ist die Religion angesichts nihilistischer Verirrung, die heute als gentechnischer „PostHumanismus“ auftritt, wieder zu einer wichtigen „Motivationsquelle“ geworden. Wie liesse sich die Unverfu¨gbarkeit der menschlichen Integrita¨t begru¨nden wenn nicht durch das Wiedererlangen dessen, was eine ausufernde Sa¨kularisierung vorschnell als erledigt erkla¨rt hat: die Dimension des Heiligen, zumindest im Sinne einer negativen Theologie, beziehungsweise eines Prinzips, das nicht als positives Fundament, sondern als Grenze, Bremse, jat]wom („Kraft, die zuru¨ckha¨lt“18) dient. Bevor ihn Descartes zum Subjekt erhob, erkannte der Mensch in sich selbst noch keineswegs jenes fundamentum inconcussum seiner Selbstgewissheit, das Mass, welches ihn auszeichnet: nur im Religio¨sen war dieses zu finden. Um zu verhindern, dass die Selbstverabsolutierung des Menschen in das Gegenteil seiner totalen Vernichtung umschla¨gt, kommen wir vielleicht nicht darum herum, jene religio¨se Erfahrung der Grenze wiederzuerlangen. Es gilt, die Ehrfurcht vor dem Heiligen wiederzuentdecken, als letzten Sinneshorizont in einer geistig vertrockneten Welt, die den Sinn 16

Vgl. J. Habermas, Das Konzept der Menschenwu¨rde. Vgl. R. Dworkin, Is Democracy Possible Here? Das erste Zitat S. 88, das zweite S. 57. Das ganze Kapitel 3 des Buches handelt von „Religion and Dignity“. 18 Die Literatur zum jat]wom ist u¨beraus umfangreich. Hier nur ein Hinweis: Aa.Vv., Il Kate´chon (2 Thess 2, 6 – 7) e l’Anticristo. 17

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fu¨r den Sinn verloren zu haben scheint. Und dieser Sinn entsteht wenigstens fu¨r das Abendland mit Gott, der den Menschen „als sein Ebenbild“ erschafft und ihn dadurch mit einer transzendenten Wu¨rde ausstattet. Letztlich ist es also der Bezug zu etwas u¨ber dem Menschen Stehendem, das dessen Wu¨rde begru¨ndet. Es scheint, als ob sich diese von etwas erna¨hren mu¨sse, das sie selbst nicht herstellen kann. Die „Gotteskindschaft“ des Menschen mu¨sste uns somit davon abhalten, den letzten Schritt in Richtung der endgu¨ltigen Selbstvernichtung zu tun. Man kann letzten Endes die Menschenwu¨rde nicht nur horizontal verstehen, sondern auch vertikal, in oder in Bezug auf etwas Anderes. Andererseits ist jedoch die Frage aufzuwerfen, wie ausdifferenziert der Schutz des Menschen als „Ebenbild Gottes“ sein darf, ohne Gefahr zu laufen, sich in den Schutz eines bestimmten Bildes zu verwandeln. Eine allzu weit gehende Determinierung ko¨nnte fu¨r einen liberalen Staat schwerwiegende Folgen haben, wenn sie die Freiheit des Individuums beeintra¨chtigt, das eigene Bild selbst zu definieren. In Extremfa¨llen mag dies hinzunehmen sein: Entschiede sich eine Person freiwillig, sich versklaven zu lassen, ko¨nnten wir ihre Wu¨rde schu¨tzen, indem wir sie – auch gegen ihren Willen – daran hindern. Aber ko¨nnten wir sie mit derselben Berechtigung davon abhalten, sich zu prostituieren, in einem Pornofilm mitzuwirken oder sich in einer Peep-Show zu zeigen, da all dies die Menschenwu¨rde verletzt? 19 Als wu¨rdiges Menschenbild jenes zu definieren, das – beispielsweise – unserer ha¨ufig religio¨s motivierten Sexualmoral entspricht, ko¨nnte in einen autorita¨ren Paternalismus entarten, der mit den liberalen Grundlagen unserer juristischen und politischen Institutionen nur schwer vereinbar wa¨re.20 Der Anwendungsbereich der Menschenwu¨rde kann sich denn auch weit ausdehnen, wenn man vom Schutz des kollektiven zu demjenigen des individuellen Menschenbildes u¨bergeht. Bisweilen ist schwierig zu entscheiden, wann der eine und wann der andere Schutzbereich den Vorzug 19 Speziell zur Pornographie als Verletzung der Wu¨rde vgl. L. Parisoli, La pornografia come lesione della dignita` umana. Der Artikel stellt die Position der amerikanischen Feministinnen Chatarine MacKinnon und Andrea Dworkin vor, fu¨r welche die Pornographie als Verletzung der „sexual equality“ den spezifischen Aspekt der sexuellen Menschenwu¨rde verletzt. 20 Wie in neueren Arbeiten gezeigt wird: K. Mathis / I. Cathry, Paternalismus und Menschenwu¨rde und K. Mathis, Menschenwu¨rde als zweischneidiges Schwert. In italienischer Sprache vgl. auch G. Maniaci, Contro il paternalismo giuridico.

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¨ berlegungen fu¨hrt der Fall des „Zwergenwurfs“, haben soll. Zu a¨hnlichen U wo sich ein Behinderter in einer Zirkusvorstellung wie ein Geschoss durch die Lu¨fte werfen liess. Hier besteht das Problem nicht nur im Schutz der Wu¨rde des betreffenden Kleinwu¨chsigen, sondern darin, dass sich dessen Verhalten negativ auf das Selbstbild anderer Kleinwu¨chsiger auswirken ko¨nnte.21 Es ist nicht leicht, eine klare Grenze zwischen der Achtung der Selbstbestimmung und dem Schutz der Menschenwu¨rde zu ziehen, wenn letztere mit freien Entscheidungen des Einzelnen in Konflikt tritt. Dennoch la¨sst sich das Selbstbestimmungsrecht danach differenzieren, ob seine Geltendmachung potentiell negative Auswirkungen auf andere hat oder nicht. Beispielsweise kann eine Frau sich frei dazu entscheiden, ihre Geba¨rmutter entgeltlich „auszuleihen“, um dann das ausgetragene Neugeborene an den „Besteller“ zuru¨ckzugeben. Problematisch ist hier weniger die Entscheidung der Frau als solche als vielmehr das Schicksal des Babys, das wie eine Ware gehandelt wird. Wiederum anders gelagert ist das Problem des Tragens des Chadors durch islamische Frauen: Ein Verbot kann von denjenigen Frauen, die nicht darauf verzichten mo¨chten, als Verlust ihrer Definitionsmacht u¨ber ihr Selbstbild und folglich als Verletzung ihrer Wu¨rde gewertet werden. Demgegenu¨ber stellt sich die Frage, ob das Tragen des Schleiers, als Ausdruck der Diskriminierung verstanden, nicht eine Beeintra¨chtigung des Frauenbildes als solchem darstellt und somit zu den Extremfa¨llen einer Verletzung der Menschenwu¨rde zu rechnen wa¨re. Nichtsdestotrotz darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Tragen des Schleiers (im Gegensatz zu anderen Bra¨uchen wie der Infibulation) auch zu einem Protestakt gegen den abendla¨ndischen Imperialismus geworden ist und deshalb nicht simplifizierend als Ausdruck der Frauenunterdru¨ckung schematisiert werden sollte.22 Zusammenfassend kann man sagen, dass Menschenwu¨rde und Selbstbestimmung nicht immer deckungsgleich sind, aber dass man gute 21 Sowohl zur Peep-show als auch zum „Zwergenwurf“ besteht eine lebhafte Debatte, auf die hier nicht ausfu¨hrlich eingegangen werden kann. Gema¨ss der einen Seite kann die Wu¨rde nicht von dem abha¨ngen, was ein Einzelner fu¨r sich als wu¨rdig erachtet; die andere Seite pla¨diert fu¨r eine liberalere Sichtweise, die den perso¨nlichen Pra¨ferenzen mehr Gewicht verleiht. Vgl. G. Resta, La disponibilita` dei diritti fondamentali, besonders S. 831 – 837. 22 Zu dieser Diskussion vgl. in italienischer Sprache L. Parisoli, L’affaire del velo islamico sowie die Replik von S. Castignone, Foulard o chador?

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Gru¨nde haben muss, um die eine als Begrenzung der anderen zu erkla¨ren. Ausgehend von neueren A¨ußerungen des bekannten italienischen Juristen Paolo Zatti liesse sich also sagen, dass die Menschenwu¨rde nicht nur Garant des Selbstbestimmungsrechts und somit der Perso¨nlichkeitsrechte ist, sondern gleichzeitig auf etwas Unverfu¨gbares hinweist und in diesem Sinn „die Grenze der Selbstbestimmung und der aus ihr abgeleiteten Rechte“ zieht.23

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Vgl. P. Zatti, Note sulla semantica della dignita`, 45.

VI. Kritische Aspekte der medizinischen Bioethik Gerade die soeben gezogenen Schlu¨sse lassen uns auf einen letzten Punkt eingehen: die medizinische Bioethik. Keine Diskussion kann in diesem Bereich an der Menschenwu¨rde vorbeigehen und so ergaben sich Unterscheidungsversuche zwischen einer Wu¨rde im Sinne eines empowerments der Selbstbestimmung, welche die Nachkriegszeit pra¨gte, und einer Wu¨rde im Sinne des constraint, die nunmehr die new bioethics auszeichnet.1 In der Tat ist die Vorstellung einer Begrenzung der Selbstbestimmung sowohl in der bioethischen Debatte der Nachkriegszeit als auch im heutigen normativen Vokabular vorhanden. Umgekehrt spielt nach wie vor der Begriff der Selbstbestimmung eine entscheidende Rolle.2 Somit la¨sst sich die geschichtliche Entwicklung des Wu¨rdeprinzips nicht auf der Basis einer solchen Unterscheidung nachzeichnen: die Wu¨rde beinhaltet immer beide miteinander verflochtenen Aspekte – mit der Konsequenz, dass man bei vielen „ethisch heiklen“ Fragen zur Begru¨ndung entgegengesetzter Positionen auf die Menschenwu¨rde zuru¨ckgreift. Es mag daher 1

Vgl. D. Beyleveld / R. Brownsword, Human Dignity in Bioethics and Biolaw und D. Dwyer, Beyond Autonomy, 319. 2 ¨ bersicht u¨ber die Debatte in Deutschland findet sich in Aa.Vv., BioEine U medizin und Menschenwu¨rde; aus juristischer Sicht vgl. Aa.Vv., Menschenwu¨rde als ¨ sterreich vgl. Aa.Vv., Menschenwu¨rde. Anna¨heRechtsbegriff. Zur Situation in O rung an einen Begriff und Aa.Vv., Der Begriff der Menschenwu¨rde. Unter den Monographien vgl. K. Braun, Menschenwu¨rde und Biomedizin und N. Knoepfler, Menschenwu¨rde in der Bioethik. In Frankreich vgl. G. Hottois, Dignite´ et diversite´ des hommes. Im anglosa¨chsischen Raum vgl. D. Beyleveld / R. Brownsword, Human Dignity in Bioethics and Biolaw. Auch in Italien wird die bioethische Debatte lebhaft gefu¨hrt, aber das Thema der Menschenwu¨rde hat bislang nicht die gleiche Bedeutung erlangt. Vgl. dennoch den ersten Teil des Sammelbandes Bioetiche in dialogo; F. Gazzone, L’etica medica nello Stato liberale, 95 – 115 und neuer A. Occhipinti, Tutela della vita e dignita` umana. Mehr als andere in der italienischen Bioethik-Debatte bezieht sich Corrado Viafora auf die Wu¨rde, vgl. C. Viafora, Il diritto a morire con dignita`, 99 – 128. Aus rechtlicher Sicht vgl. C. Casonato, Introduzione al biodiritto, und G. Resta, La dignita`.

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nicht erstaunen, dass es Stimmen gibt, welche die Wu¨rde als useless concept3 betrachten, wie z. B. die der amerikanischen Bioethikerin Ruth Macklin. Als Paradebeispiel ist die Euthanasie anzufu¨hren: Sowohl diejenigen, die das menschliche Leben fu¨r heilig und unantastbar halten und die Sterbehilfe verurteilen, als auch diejenigen, welche der Lebensqualita¨t besonderen Wert beimessen und sie deswegen propagieren, appellieren an die Menschenwu¨rde4 – hier als Selbstbestimmungsrecht des Sterbenden, dort als Heiligkeit des Lebens verstanden.5 Sicher muss das Leben geschu¨tzt werden, aber nicht unter allen Umsta¨nden und Bedingungen. So nicht, wenn der Todgeweihte die Lebensverla¨ngerung als mit seiner Wu¨rde unvereinbar empfindet6 und deshalb das Hinauszo¨gern seines unmittelbar bevorstehenden Todes ablehnt. Damit soll aber keineswegs die aktive a¨rztliche Sterbehilfe legitimiert werden. Solche – wenn auch versta¨ndliche – Ansinnen du¨rfen gerade nicht vom Arzt in die Tat umgesetzt werden, selbst nicht wenn ihm die Gesetzgebung die To¨tung seiner Patienten erlauben wu¨rde. Eine aktive To¨tungshandlung wa¨re mit dem a¨rztlichen Berufsethos unvereinbar und wu¨rde die gesellschaftliche Vertrauensposition des Arztes gefa¨hrden.7 So scheint auch in diesem Kontext die Selbstbestimmung an eine Grenze zu stossen. Wenn aber die Selbstbestimmung nicht in Stein 3 Vgl. R. Macklin, Dignity is a Useless Concept, 1419 – 1420. Ein Jahr spa¨ter widmete das „Journal of Palliative Care“ der Thematik eine ganze Ausgabe. Zur Kritik der Reduktion der Wu¨rde auf die perso¨nliche Selbstbestimmung und zur Rolle der Wu¨rde in der Bioethik vgl. R. Andorno, Human dignity and human rights as a common ground for a global bioethics; S. Muders, Autonomie als Wu¨rde? Zur Bedeutung personaler Autonomie im Begriff der Menschenwu¨rde. 4 Originell die rechtsphilosophische Position von Ronald Dworkin mit seinem Versuch, u¨ber das Wu¨rdeprinzip den Wert der Heiligkeit des Lebens aus laizistischer ¨ bersicht Sicht wiederzubeleben. Vgl. R. Dworkin, Life’s Dominion. Eine weitere U bietet C. Viafora, Introduzione alla bioetica; Vgl. auch, zum finis vitae, R. Barcaro, Dignita` della morte. 5 Die Grenzen beider Ansa¨tze zeigt auf C. Viafora, Il diritto a morire con dignita`. 6 Zum Selbstversta¨ndnis der Wu¨rde am Ende des Lebens vgl. H. M. Chochinov, Dignity and the Eye of the Beholder; H. M. Chochinov, Dignity Therapy; H. M. Chochinov, Dying, Dignity and new Horizons in Palliative End-of-Life Care; H. M. Chochinov, Dignity and the Essence of Medicine. 7 Dies ist bekanntlich die Position von Hans Jonas, vgl. H. Jonas, Technik, Medizin und Ethik. Dazu P. Becchi, Diritto di morire e diritto di lasciar(si) morire. Meine Ansicht, Euthanasie soll nicht in einem medizinisch-technischen Rahmen, sondern wenn mo¨glich im familia¨ren Umfeld erfolgen, findet sich in Questioni vitali, 5 – 77 und in Quando la vita finisce, 19 – 37.

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gemeisselt ist, soll auch der Wert des Lebens nicht verabsolutiert werden.8 Wird das Leben bis zum A¨ussersten geschu¨tzt, la¨uft es Gefahr, zum Fetisch zu werden, wobei die Idee des Lebens selbst pervertiert wu¨rde. Das bedeutet, den Willen eines Sterbenskranken zu respektieren, der die lebenserhaltenden Massnahmen abbrechen mo¨chte. Respektiert man den Willen eines erscho¨pften Patienten nicht, so verletzt man seine Wu¨rde. Gleiches gilt fu¨r die ku¨nstliche Erna¨hrung gegen den eindeutig gea¨usserten Willen des Betroffenen, auch in einer Patientenverfu¨gung – selbst wenn sein Leben dadurch gerettet werden ko¨nnte. Der Schutz des Rechts auf Leben darf nicht so weit abdriften, dem Betroffenen das Weiterleben vorzuschreiben. Der heutige medizinische Standard kann sich grosser Fortschritte ru¨hmen, die manchmal aber zu schwierigen Situationen fu¨hren, wenn man an die Lebensverla¨ngerung bei Wachkoma oder Hirntod denkt. In diesen klinisch zu unterscheidenden Zusta¨nden9 existiert die Wu¨rde zwar noch, aber in ihrer tragischsten und absurdesten Form: ihrer Abwesenheit. Eine Pflanze bleibt stets eine Pflanze, aber ein Mensch, mo¨ge er auch dahinvegetieren, bleibt immer ein Mensch. Es ist gerade seine vom Krankheitszustand verdeckte humanitas, die uns dazu zwingt, seinem erzwun¨ berleben ein Ende zu setzen. Im Fall des Hirntodes kann dann bei genen U vorbestehender Willensa¨usserung des Patienten zur Organentnahme geschritten werden; bei Wachkomapatienten gilt es, ihren Zustand genauestens gegen ihre allfa¨lligen Weisungen in Patientenverfu¨gungen abzuwa¨gen, um gegebenenfalls die lebenserhaltenden Massnahmen abzubrechen. Es gibt nicht nur eine Wu¨rde des Lebens, sondern auch eine Wu¨rde des Sterbens, weil die Wu¨rde u¨ber Leben und Sterben hinausgeht. So muss es

8 Dies ist m. E. der generelle Einwand gegen den Ansatz im Sammelband Natura ¨ brigen e dignita` della persona umana a fondamento del diritto alla vita, der im U interessante Beitra¨ge entha¨lt, vgl. z. B. J. Seifert, Il diritto alla vita e la quarta radice della dignita` umana, 193 – 215. 9 Beide klinische Zusta¨nde stehen im Zuge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Kritik. Die Nachweise neuronaler Aktivita¨t im Zustand des Hirntodes sowie spezifischer Hirnaktivita¨t im Wachkoma haben beide Konzepte erschu¨ttert und auf die Dringlichkeit Wichtigkeit einer ethisch-juristische Debatte hingewiesen. Vgl. R. Stoecker, Dalla morte cerebrale alla dignita` umana. Vgl. auch P. Becchi, Morte cerebrale e trapianto di organi, und P. Becchi, Die Wiederbelebung der Hirntoddebatte und das Problem der Organtransplantation, 119 – 137.

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nicht erstaunen, dass man auch von der Wu¨rde der Verstorbenen spricht.10 Es gibt kein unbedingtes Gebot zu leben; auch ist das Leben als solches nicht heilig und unantastbar. Aber die Wu¨rde gebietet uns – dies nun unbedingt –, die menschliche Person in all ihren Lebensphasen zu achten, auch in der letzten. Wenn der „Hirntod“, wie es heute scheint, kein hinreichendes Kriterium mehr ist, um einen Patienten als „tot“ zu erkla¨ren, besteht die Gefahr, dass er bei der Organentnahme im „irreversible apnoeic coma“ fu¨r fremde Zwecke instrumentalisiert wird. Die momentan lebhafteste Diskussion entspinnt sich aber um den Lebensanfang: Kann man von „Menschenwu¨rde“ auch in Bezug auf das pra¨natale Leben sprechen? Beziehen sich die entgegengesetzten Parteien bei Fragen um das Lebensende beide auf die Menschenwu¨rde, so sieht es bei den Kontroversen um den Lebensanfang anders aus. Hier beruft sich das eine Lager auf das Prinzip der Menschenwu¨rde, um der Ausnutzung und Manipulierung durch ku¨nstliche Befruchtung produzierter Embryonen entgegenzutreten, wa¨hrend das andere Lager die Gu¨ltigkeit dieses Prinzips fu¨r das pra¨natale Leben leugnet. Diese Diskrepanz ist leicht erkla¨rbar. Auf der einen Seite stehen diejenigen, fu¨r welche die Menschenwu¨rde ab dem Zeitpunkt der Empfa¨ngnis besteht: Sie dehnen das Instrumentalisierungsverbot auf die Embryonalphase aus und verbieten die Verwendung von Embryonen in der Forschung, deren u¨berza¨hlige Produktion (als Folge ku¨nstlicher Befruchtung), wie auch jegliche eugenische Pra¨implanta10 Tatsa¨chlich liess der Direktor des anatomischen Instituts der Universita¨t Innsbruck Untersuchungen an einer 5000-ja¨hrigen Leiche nur in beschra¨nktem Umfang zu, indem er darauf hinwies, dass es sich beim sensationellen Fund immer noch um einen menschlichen Leichnam handle, dem sein Recht auf die eigene Wu¨rde zustehe (vgl. „Der Tagesspiegel“, 01. 09. 1992, S. 27). Zum pieta¨tsvollen Umgang mit Verstorbenen vgl. R. Gro¨schner, Menschenwu¨rde und Sepulkralkultur in der grundgesetzlichen Ordnung. Bezeichnenderweise werden in einem italienischen Gesetzesentwurf Versto¨sse gegen die Totenruhe als Straftaten gegen die Perso¨nlichkeit gerechnet: „Da der Leichnam eine ,nach-existenzielle Projektion‘ der menschlichen Person ist, schu¨tzen die Tatbesta¨nde der Sto¨rung der Totenruhe in erster Linie die Perso¨nlichkeitsrechte der Verstorbenen. Das ebenfalls relevante o¨ffentliche Interesse wird durch sie erst in zweiter Linie geschu¨tzt (z. B. in Fa¨llen von Massenscha¨ndungen auf Friedho¨fen“ (Relazione del 25 ottobre 1991 alla bozza di articolato di riforma del codice penale predisposto dalla Commissione Pagliaro). Das Thema der Wu¨rde erscheint auch in neueren italienischen Regionalgesetzgebungen zum Bestattungswesen. In Umbrien wird wo¨rtlich von der „Wu¨rde des Verstorbenen“ gesprochen (art. 1, Legge regionale 21 luglio 2004, n. 12). Fu¨r eine diesbe¨ bersicht vgl. P. Becchi, Cremazione e dispersione delle ceneri, nun auch in zu¨gliche U P. Becchi, Quando la vita finisce, 143 – 169.

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tionsdiagnostik. Auf der anderen Seite sind diejenigen, fu¨r welche die Menschenwu¨rde nur in Verbindung mit bestimmten rationalen Fa¨higkeiten (wie Selbstbewusstsein, Autonomie, Selbstachtung) besteht: Sie verwerfen demgema¨ss die Anwendbarkeit des Wu¨rdeprinzips ab origine. Insistiert man allerdings einseitig und allzu sehr auf dieser Dimension der Wu¨rde, so wa¨re das pra¨natale Leben nicht mehr vom Wu¨rdeprinzip geschu¨tzt, da doch Embryonen noch nicht jene Fa¨higkeit zur Selbstbestimmung zukommt, die rational denkenden Erwachsenen eignet.11 Nur in einem Extremfall ka¨me die Menschenwu¨rde wieder ins Spiel, na¨mlich wenn das Ziel der Reproduktionstechniken die Herstellung menschlicher Lebewesen ohne Perso¨nlichkeit wa¨re. Es ist unbestreitbar, dass Menschenwu¨rde und Selbstbestimmung miteinander zu tun haben und folglich stu¨nde die gezielte Planung menschlicher Wesen gerade ohne diejenigen Anlagen, welche den Menschen bis heute ausgezeichnet haben, im klaren Widerspruch zur Wu¨rde. Genau in diesen Problembereich geho¨rt das reproduktive Klonen. Auch wenn na¨mlich dessen gute Absicht wa¨re, menschliche Einzigartigkeit zu replizieren, beraubte man den Klon – auch physisch – eines Eigenbildes, wa¨re er doch nur der Spiegel eines vorbestehenden Bildes. Aus diesem Grund findet das Verbot des reproduktiven Klonens breite Zustimmung – anders als im Fall des therapeutischen Klonens, das die Zeugung menschlicher Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen bezweckt. In der Tat kann das reproduktive Klonen auch dann als Verletzung der Wu¨rde betrachtet werden, wenn man letztere nicht engstens an die Selbstbestimmung bindet, wird doch dem klonierten Menschen die Einmaligkeit seines Daseins, seine Einzigartigkeit vorenthalten – und damit sein Recht, nicht blosse Kopie eines anderen zu sein. Soll die Menschenwu¨rde lediglich von rationalen Fa¨higkeiten (wie Selbstbewusstsein, Autonomie und Selbstachtung) abha¨ngen, stellt sich ein grosses Problem. Nicht nur die Embryonen blieben dann ungeschu¨tzt, sondern auch all jene Menschen, die noch nicht oder nicht mehr im Stande sind, sich selbst als eigensta¨ndige Subjekte einer Interaktion darzustellen. 11 So, anstelle vieler, Julian Nida-Ru¨melin in einem Artikel, der eine heftige Debatte auslo¨ste, erschienen in „Der Tagespiegel“ vom 03. 01. 2001 mit dem Titel: Wo die Menschenwu¨rde beginnt, nachher abgedruckt in J. Nida-Ru¨melin, Ethische Essays. Kritisch dazu R. Stoecker, Selbstachtung und Menschenwu¨rde. Zur deutschen Debatte vgl. K. Seelmann, Haben Embryonen Menschenwu¨rde?

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Ihre Zahl ist Legion: Neugeborene, kleine Kinder, Geisteskranke, Alte mit senilen Geisteserkrankungen, Patienten im Wachkoma wie solche im irreversiblen Koma (und somit Menschen, die als hirntot erkla¨rt wurden). Sie alle befinden sich in Lebenszusta¨nden, in denen der Schutz der Menschenwu¨rde nicht gelten wu¨rde.

VII. Folgerungen Man kann nicht leugnen, dass in all den dargestellten Fa¨llen jene Sinngebung von Wu¨rde, die sie als Mitgift jedes Menschen begreift, einen besseren Schutz zu bieten scheint. Wendet man na¨mlich diesen Ansatz an, so kommt die Menschenwu¨rde jedem Menschen als solchem zu, ungeachtet seiner unterschiedlichen Lebenszusta¨nde: Er bezieht sich auf alle Menschen von der Empfa¨ngnis bis zum Tod, ohne individuelle Umsta¨nde zu beru¨cksichtigen. Doch obwohl dieser Ansatz mit seinem Verbot der Instrumentalisierung des Menschen die Wu¨rde vollkommen zu schu¨tzen vermag, haftet ihm der Makel seiner starren Abstraktheit an. Schwierig, einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden. Dies ko¨nnte vielleicht gelingen, wenn man einen wechselnden Bedeutungsgehalt der Wu¨rde in den verschiedenen Lebensphasen des Menschen hervorho¨be. Wohl zeichnet die Wu¨rde den Menschen und dessen ethischen und rechtlichen Status aus und gibt es keine zeitlichen Schwellen, an denen der Mensch die Wu¨rde erlangt und wieder verliert. Aber unser Versta¨ndnis von wu¨rdiger Behandlung ist unterschiedlich, je nachdem wir uns auf einen Embryo, einen alten Menschen oder einen Leichnam beziehen. Beim Embryo ko¨nnte das Gebot des Respekts seiner Wu¨rde dazu fu¨hren, ihn nicht als Mittel zu gebrauchen. Dass wir ihm keine Schmerzen verursachen, wa¨re dagegen irrelevant, wenn er noch keine verspu¨ren kann. Gleichermassen unsinnig wa¨re ein Verbot, einen Leichnam zu foltern – und doch gebietet die Menschenwu¨rde, Tote pieta¨tsvoll zu behandeln. Die Menschenwu¨rde verpflichtet somit die Anderen, uns respektvoll zu behandeln, aber dieses allgemeine Gebot nimmt im Laufe einer menschlichen Existenz immer neue Bedeutungen an. Je weiter wir im Lebensprozess vorankommen, werden die Pflichten der Anderen uns gegenu¨ber gro¨sser, je weiter wir uns im Sterbeprozess befinden, nehmen diese Pflichten wieder ab. Unsere Wu¨rde wird dennoch nicht geschma¨lert, weil uns jeder Abschnitt des Menschenlebens auf seine Weise Respekt abverlangt. Begreift man die Wu¨rde als eine an das Lebensgeschenk gekoppelte Gabe, so la¨uft man Gefahr, sich heiklen Fragen zu verschliessen, vor die uns

VII. Folgerungen

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das menschliche Leben im Zeitalter seiner technischen Selbstreproduktion immer o¨fter stellt. Auch hilft ein solcher Ansatz nicht weiter, wenn das konkrete Individuum bei Verlust seiner Selbstbestimmung oder in Ermangelung perso¨nlicher Entfaltungsmo¨glichkeiten seiner Wu¨rde beraubt ist. Wenn der Mensch durch seine Handlungen die eigenen Bedu¨rfnisse nicht mehr selbst befriedigen und seine Gedanken und Fa¨higkeiten nicht mehr zur Geltung bringen kann, genu¨gt es nicht, an die Wu¨rde als unantastbares Prinzip zu appellieren. Umgekehrt aber alles auf die Karte der Handlungsfa¨higkeit zu setzen birgt die Gefahr, nicht nur jenes Absolute auszulo¨schen, dessen Ebenbild der Mensch ist, sondern zugleich dieses Ebenbild selbst – ein Glu¨cksspiel, das wir uns nicht erlauben ko¨nnen.

Anhang: Die Wu¨rde in der Schweizerischen Bundesverfassung In dieser Arbeit sind zwei Verfassungsmodelle in ihren Grundzu¨gen na¨her betrachtet worden: das italienische und das deutsche, die etwa zeitgleich entstanden. Die neue Schweizerische Bundesverfassung, die in diesem Anhang behandelt wird, stammt aus einer anderen Epoche und erlaubt interessante Vergleiche zu den beiden anderen Verfassungen. Die absolute Vorrangstellung der Wu¨rde im deutschen Grundgesetz widerspiegelt das Bedu¨rfnis nach dem Bruch mit einer Vergangenheit, welche die systematische Verfolgung von Menschen wegen Glauben, po¨ berzeugung oder sogar ko¨rperlicher Behinderung zu staatlichem litischer U Recht erkla¨rte. Demgegenu¨ber zeugt die starke sozialstaatliche Komponente der italienischen Verfassung vom Widerstreit der beiden Kulturen, aus denen sie erwachsen ist: der katholischen und der kommunistischen. Im schweizerischen Verfassungsrecht tauchte der Begriff der Menschenwu¨rde erstmals 1992 im damaligen Art. 24novies der Bundesverfassung von 1874 im Zusammenhang mit den Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie auf 1 und lebt als Art. 119 der revidierten Verfassung von 19992 weiter. Der Eingang des Wu¨rdebegriffs in die Verfassung ist den rasanten Fortschritten der Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie zuzuschreiben. Um Missbra¨uchen in diesem Bereich vorzubeugen (Abs. 1), statuiert Abs. 2 eine Reihe von Beschra¨nkungen und Verboten. Die Bundesverfassung verbietet namentlich „alle Arten des Klonens und Eingriffe in das Erbgut menschlicher Keimzellen“, die Schaffung von Hybriden aus menschlichem und nichtmenschlichem Erbgut, die Embryonenspende und alle Arten von Leihmutterschaft sowie jeglichen Handel mit menschlichem Erbgut. Es ga¨be noch weitere Themen (v. a. lit. c zur Zula¨ssigkeit der ku¨nstlichen Fortpflanzung), die hier aber 1

Vgl. R. Reusser / R. J. Schweizer, Kommentar zu Art. 119, in Die schweizerische Bundesverfassung, 2108 ff. 2 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101).

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nicht weiter relevant sind. Wichtig ist demgegenu¨ber, dass die Norm „den Schutz der Menschenwu¨rde, der Perso¨nlichkeit und der Familie“ bezweckt, womit sich sogleich die Frage aufdra¨ngt, worin der Schutz der Wu¨rde in diesem Zusammenhang besteht. Offenbar soll die Familie dadurch geschu¨tzt werden, dass der dank Gentechnologie mo¨glich gewordene Kinderwunsch eines unfruchtbaren Paares innerhalb gesetzlicher Schranken verwirklicht werden darf. Auf diese Weise wird zuna¨chst Art. 14 der Verfassung und dessen Recht auf Ehe und Familie konkretisiert. Bezu¨ge bestehen aber auch zu den in Art. 10 und 13 BV festgeschriebenen Rechten auf perso¨nliche Freiheit und Schutz der Privatspha¨re, welche gema¨ss bundesgerichtlicher Praxis den Zugang zu den Methoden der Fortpflanzungsmedizin grundrechtlich schu¨tzen.3 Was aber soll hier mit der Wu¨rde geschu¨tzt werden? Zu beachten ist, dass die Menschenwu¨rde in der totalrevidierten Bundesverfassung von 1999 zugleich im Grundrechtskatalog als Art. 7 verankert wurde. In der schweizerischen Verfassungslehre wird die Wu¨rde entsprechend, zumindest seit Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung, nicht „nur“ als allgemeines Prinzip, sondern als eigentliches Grundrecht begriffen.4 Im vorliegenden Zusammenhang besta¨nde dieses namentlich darin, ein nicht vera¨ndertes Erbgut zu besitzen.5 Ohne ein solches Recht zu bestreiten, ist danach zu fragen, ob es dem spezifischen Charakter der Wu¨rde gerecht wird: Als Grundrecht verstanden du¨rfte es den Perso¨nlichkeitsrechten zuzuordnen sein, und zwar als Recht auf die eigene Perso¨nlichkeit in ihrer Einmaligkeit. In diese Richtung geht denn auch das schweizerische Bundesgericht. Danach hat Art. 7 BV „allgemein die Bedeutung eines Leitgrundsatzes fu¨r jegliche Staatsta¨tigkeit, bildet als innerster Kern zugleich die Grundlage der Freiheitsrechte, dient deren Auslegung und Konkretisierung und ist Auffanggrundrecht“. Weiter betont das Bundesgericht, dass der offene Normgehalt der Menschenwu¨rde nicht abschliessend positiv festgelegt werden kann: „Er betrifft das letztlich nicht fassbare Eigentliche des Menschen und der Menschen und ist unter Mitbeachtung kollektiver Anschauungen ausgerichtet auf Anerkennung des Einzelnen in seiner eigenen Werthaftigkeit und individuellen Einzig- und allfa¨lligen Andersar3

BGE 115 Ia 234 E. 5 S. 246 ff.; 119 Ia 460 E. 5 S. 474 ff. Vgl. stellvertretend P. Mastronardi, Kommentar zu Art. 7, in: Die schweizerische Bundesverfassung, 191 ff. 5 So neuestens B. Ru¨tsche, Die Menschenwu¨rde in der Rechtswirklichkeit, 3 – 22. 4

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tigkeit. In dieser Ausrichtung weist die Verfassungsnorm besondere Bezu¨ge zu spezielleren Grundrechten und insbesondere zu den verfassungsrechtlichen Perso¨nlichkeitsrechten auf, die gerade auch unter Beachtung der Menschenwu¨rde anzuwenden sind.“6 Die Suche nach einem spezifischen Bedeutungsgehalt der Wu¨rde fu¨hrt hier direkt auf die (auf Kant zuru¨ckgehende) 7 traditionelle Wu¨rdeauffassung des Instrumentalisierungsverbots. Die Wu¨rde bei ku¨nstlicher Befruchtung und Genmanipulation zu schu¨tzen bedeutete das Verbot sa¨mtlicher Handlungen, die den Menschen von der Empfa¨ngnis an zum Mittel fremder Zwecke machen. So verstanden wa¨re die Wu¨rde aber mehr ein u¨bergeordnetes Verfassungsprinzip – wie im deutschen Grundgesetz – denn ein Grundrecht. Gegen die herrschende Lehre, die das Grundrecht u¨ber das „blosse“ Prinzip stellt, ist zu bedenken, dass sich eine als Grundrecht verstandene Wu¨rde in die Reihe der anderen Grundrechte zu stellen hat und somit der Normabwa¨gung zuga¨nglich wird8: Ein schwacher und eingeschra¨nkter Schutz der Wu¨rde ist die Folge. Versteht man sie demgegenu¨ber als u¨bergeordnetes Verfassungsprinzip mit absolutem und unbedingtem Gehalt, ginge es um weit mehr als ein „blosses“ Prinzip. Doch kann die Wu¨rde in der schweizerischen Verfassung so aufgefasst werden? Dass dies mo¨glich wa¨re, ist gezeigt worden, aber es bestehen genau so gute Gru¨nde dagegen. Absolute und unbedingte Prinzipien findet man in der Regel unter den ersten Verfassungsartikeln, womit Art. 119 BV ausser Betracht fa¨llt. Ein besserer Kandidat ist sicher der erwa¨hnte Art. 7 BV, der das Kapitel der Grundrechte mit dem kurzen Satz einleitet: „Die Wu¨rde des Menschen ist zu achten und zu schu¨tzen“ in der deutschen, „La dignite´ humaine doit eˆtre respecte´e et prote´ge´e“ in der franzo¨sischen Fassung. Demgegenu¨ber lautet die – gleichberechtigte – italienische Fassung: „La dignita` della persona va rispettata e protetta“. Der Unterschied zwischen „Wu¨rde des Menschen“ und „dignita` della persona“ mag auf den 6 Beide Zitate in BGE 132 I 49 E. 5.1 S. 54 f. Vgl. bereits BGE 127 I 6 E. 5b S. 14 f. 7 Unter der zahlreichen Literatur verweise ich auf das letzte Kapitel meines Buches Kant diverso. Pena, natura, dignita`, 81 – 109. 8 „En vue de re´soudre un conflit de liberte´s …, c’est au juge qu’il incombe de ve´rifier que la de´cision entreprise me´nage un juste e´quilibre entre les diffe´rents principes constitutionnels et droits fondamentaux en jeu …, e´tant rappele´ que la Constitution fe´de´rale ne pre´voit elle-meˆme aucune hie´rarchie entre les droits fondamentaux“ (BGE 140 I 201 E. 6.7 S. 212 f., mit Hinweisen).

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ersten Blick von geringer Bedeutung sein, weist hier jedoch auf ein Problem hin, das meines Wissens bisher noch nicht beachtet wurde: Mit dem Begriff der Person war in der philosophischen Tradition die perso¨nliche Seinsweise des Menschen schlechthin gemeint, d. h. Person und Mensch waren Synonyme. Im Zeitalter von Reproduktionsmedizin und Eugenik hat „Person“ aber – zumindest in einigen bioethischen Konzepten9 – einen engeren Bedeutungsgehalt erhalten, indem nunmehr zwischen MenschSein und Person-Sein unterschieden wird. Der Schutzbereich der Wu¨rde umfasste nicht mehr alle Menschen in allen Lebenssituationen, sondern nur noch urteils- und handlungsfa¨hige Personen. Um solchen Interpretationen eine klare Absage zu erteilen, wa¨re eine Anpassung des italienischen Verfassungstextes angezeigt. Jenseits dieses Problems ist die entscheidende Frage, wie Art. 7 und 119 BV zusammen zu lesen sind. Vermag Art. 7 BV die soeben skizzierte Position zu stu¨tzen, wonach die Wu¨rde in der gleichen Fahrrinne la¨ge wie Art. 1 des deutschen Grundgesetzes? Wohl gebraucht Art. 7 die gleichen Worte wie das Grundgesetz, aber die Unterschiede sind so gross, dass sich der Schluss verbietet, die beiden Artikel erfu¨llten die gleiche Funktion. Vor allem fehlt der fu¨r die deutsche Verfassung wesentliche Bezug auf die Unantastbarkeit der Wu¨rde. Schliesslich sucht man vergeblich nach der beru¨hmten „Ewigkeitsklausel“ von Art. 79 Abs. 3 des deutschen Grundgesetzes, welche insbesondere dessen Art. 1 zukommt. In der Schweizerischen Bundesverfassung ist nirgends von Unantastbarkeit und Unaba¨nderbarkeit die Rede, sie ist vielmehr der Teil- oder Totalrevision zuga¨nglich. Zwar ist fu¨r Verfassungsa¨nderungen ein gegenu¨ber dem ordentlichen Gesetzgebungsprozess erschwertes Verfahren no¨tig, das jedoch relativ ha¨ufig beschritten wird. Wie nun heute die Wu¨rde in der Verfassung steht, ko¨nnte sie morgen gar nicht mehr oder anders formuliert enthalten sein.10 Daraus mu¨sste wohl gefolgert ¨ berblick bietet: P. Strasser / E. Starz (Hrsg.), Person sein aus Einen ersten U bioethischer Sicht. 10 Hieru¨ber ist sich die Doktrin nicht einig. Meine Position unterstu¨tzen z. B. J.-F. Aubert, Traite´ de droit constitutionnel suisse, n. 324 – 347; W. Burckhardt, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 815 – 820; Z. Giacometti, in: F. Fleiner / Z. Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 705 – 710; vgl. contra: W. Ka¨gi, Rechtsfragen der Volksinitiative auf Partialrevision; H. Nef, Materielle Schranken der Verfassungsrevision; Y. Hangartner, Grundzu¨ge des schweizerischen Staatsrechts, 31 – 34 und 216 – 220. Sofern die Menschenwu¨rde als Teil 9

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werden, dass auch das Zusammenlesen der Art. 7 und 119 die Wu¨rde nicht zur obersten, letztgu¨ltigen Grundnorm der verfassungsma¨ssigen Ordnung erhebt. Aber auf was reduziert sich die Wu¨rde dann: auf ein subjektives Grundrecht unter anderen? Es ko¨nnte den Anschein machen, auch wenn Art. 119 mehr durchblicken liesse. Doch die Antwort wird weiter erschwert, da der revidierten Verfassung zwei neue Artikel hinzugefu¨gt worden sind: zuerst Art. 119a, dann Art. 118b BV. Art. 119a BV betrifft die Transplantationsmedizin und bestimmt in Abs. 1, dass hier – analog zur Fortpflanzungsmedizin – dem „Schutz der Menschenwu¨rde, der Perso¨nlichkeit und der Gesundheit“ Rechnung zu tragen ist. Der Rolle der Familie wird auf Verfassungsstufe in diesem Kontext keine Beachtung geschenkt, was problematisch ist, zumal bei postmortalen Organspenden die Angeho¨rigen mit Trauerarbeit belastet sind. Abs. 2 fordert weiter, dass die Zuteilung der Organe „gerecht“ erfolgen soll. In der Praxis geben in der Schweiz wie in praktisch allen La¨ndern der Erde in erster Linie medizinische Kriterien den Ausschlag fu¨r Zuteilungen, neben dem nachrangigen Kriterium der Wartezeit. Bekanntlich wurde im spa¨teren Transplantationsgesetz die Einfu¨hrung des in der o¨ffentlichen Debatte favorisierten Gegenseitigkeitsprinzips (die sogenannte Motivationslo¨sung) fallen gelassen.11 Wiederum in Analogie zum Kommerzialisierungsverbot in der Fortpflanzungsmedizin von Art. 119 stehen das Gebot der Unentgeltlichkeit der Spende und das Verbot des Organhandels in 119a Abs. 3 BV. Art. 118b BV verpflichtet den Bund, Vorschriften u¨ber die Forschung am Menschen zu erlassen, „soweit der Schutz seiner Wu¨rde und seiner Perso¨nlichkeit es erfordert“. Man wird fordern du¨rfen, dass auch die im gleichen Absatz erwa¨hnte Forschungsfreiheit dem Schutz der Menschenwu¨rde unterzuordnen ist, auch wenn dies grammatikalisch nicht der Fall ist. Aber welch anderer Sinn ko¨nnte dem Wu¨rdeschutz hier zukommen als eben jener, der Forschungsfreiheit eine Schranke zu setzen?

des vo¨lkerrechtlichen ius cogens zu gelten ha¨tte, wu¨rde auch letzteres einer Verfassungsrevision materielle Schranken setzen (vgl. Art. 139 Abs. 3, 193 Abs. 4, Art. 194 Abs. 2 BV). 11 Vgl. dazu C. B. Blankart / Ch. Kirchner / G. Thiel, Transplantationsgesetz sowie meinen Beitrag Sta¨rkung der Motivation zur Organspende, in „Neue Zu¨rcher Zeitung“ n. 57, 10. Ma¨rz 2003, 10.

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Art. 119a (Transplantationsmedizin) und Art. 118b BV (Forschung am Menschen) schu¨tzen beide die Wu¨rde, es du¨rfte aber problematisch sein, in ihnen die Wu¨rde als Grundrecht aufzufassen. Gleiches gilt fu¨r Art. 119 BV (Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie). Subjektive Rechte schu¨tzen geborene, lebende Individuen, aber der Schutz der Wu¨rde kommt auch den noch nicht Geborenen (Embryonen) und nicht mehr Lebenden (Verstorbene) zu. Die Wu¨rde erscheint somit eher als eine dem Menschen als solchem innewohnende Eigenschaft denn als subjektives Recht. Eine erste, vorla¨ufige Lo¨sung ko¨nnte darin liegen, zwischen Art. 7 BV und den anderen erwa¨hnten Verfassungsartikeln ein ungelo¨stes Spannungsverha¨ltnis auszumachen. Wohl kann ein Grundprinzip wie jenes der Wu¨rde auf Verfassungsebene nur abstrakt formuliert werden. Aber jene totale Unbestimmtheit, wie sie Art. 7 BV anhaftet, vermag nicht als solides Fundament zu dienen, was indessen ein kraftvolles Bekenntnis zur Menschenwu¨rde als tragendes Prinzip der Verfassung erforderte. Aber ist in der Schweizerischen Bundesverfassung die Wu¨rde untrennbar an die menschliche Existenz gebunden? Diese Frage ist schon fu¨r oberfla¨chliche Kenner dieser Verfassung rhetorisch, gibt es doch mit Art. 120 BV eine u¨beraus originelle, bis heute auf der weltweiten Verfassungslandkarte einmalige Bestimmung, welche die „Wu¨rde der Kreatur“ in der nichthumanen Gentechnologie schu¨tzt. Doch die Dinge verkomplizieren sich weiter, wenn die Wu¨rde nun nicht mehr nur dem Menschen, sondern allen Lebewesen, Tieren und Pflanzen zukommt. Sicher sind die Gru¨nde, Ethik und Recht zu deren Schutz zu verpflichten, achtenswert. Aber man wird nicht alle Probleme unseres Planeten mit einem Ru¨ckgriff auf die Wu¨rde lo¨sen ko¨nnen. Man ha¨tte an dieser Stelle die deutschen und italienischen Versionen besser der franzo¨sischen Textfassung angeglichen, die von „integrite´ des organismes vivants“ spricht. Die „Wu¨rde der Kreatur“ schafft nur unno¨tige Verwirrung12 um den Wu¨rdebegriff, der schon an und fu¨r sich einer Vielzahl verschiedener Interpretationen zuga¨nglich ist. Abschliessend soll nicht unerwa¨hnt bleiben, dass auch in der Schweizerischen Bundesverfassung die soziale Dimension der Wu¨rde ihren Platz hat, indem Art. 12 BV (Recht auf Hilfe in Notlagen) bestimmt: „Wer in Not gera¨t und nicht in der Lage ist, fu¨r sich zu sorgen, hat Anspruch auf 12 Voll zuzustimmen ist der Kritik von P. Tiedemann, Menschenwu¨rde als Rechtsbegriff, 573 – 581.

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Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die fu¨r ein menschenwu¨rdiges Dasein unerla¨sslich sind.“ Freilich ergibt sich daraus nicht eine solidarische Grundkonzeption, wie sie die italienische Verfassung kennzeichnet. Indem sie andererseits auch der universalistischen Wu¨rdekonzeption des deutschen Grundgesetzes nicht bis ans Ende folgt, beschreitet die Schweizerische Bundesverfassung zwischen diesen zwei Grundmodellen einen durchaus interessanten Mittelweg.

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Personenverzeichnis Amirante, C. 22 Anders, G. 44 Andorno, R. 41, 53 Arendt, H. 21 Bacon, F. 14 Bagolini, L. 17 Balzer, P. 45 Barcaro, R. 53 Bartole, S. 40 Beccaria, C. 17 Becchi, P. 16, 20, 24, 26, 28 f., 43, 45, 47, 53 – 55 Berardo, F. 23 Beyleveld, D. 52 Bloch, E. 7, 30, 32 f. Bobbio, N. 39 Bo¨ckenfo¨rde, E.-W. 23, 25, 43 Bognetti, G. 21 Bostrom, N. 44 Braun, K. 52 Brownsword, R. 52 Cancik, H. 12 Carmignani, S. 29 Caruso, G. 36 Casonato, C. 52 Castignone, S. 50 Cathry, I. 49 Cattaneo, M. A. 17 Chiodi, G. M. 14 Chochinov, H. M. 53 Cicero, M. T. 11 Conforti, B. 40 Descartes, R. 48 Di Ciommo, M. 21, 28

Du¨rig, G. 22, 24 Dworkin, R. 33, 48, 53 Dwyer, D. 52 Enders, C. 16, 22, 23, 28 Englaro, E. 29 Ferrara, G. 26 Fiorillo, V. 15 Forschner, M. 11 Forster, G. 19 Fukujama, F. 44 Gambini, F. 28 Gazzone, F. 52 Geddert-Steinacher, T. Gro¨schner, R. 55 Grotius, H. 14

28

Habermas, J. 45, 47 f. Harris, J. 44 Hegel, G. W. F. 19 Heidegger, M. 46 Herdegen, M. 24 Herzog, R. 22 Hobbes, T. 14 f., 17 Ho¨ffe, O. 46 Hofmann, H. 12, 22, 32 Honneth, A. 35 Hottois, G. 52 Hume, D. 17 Isensee, J.

25, 43

Jonas, H.

7, 47, 53

Kant, I. 16 – 19, 23 Kass, L. R. 45 Kateb, G. 46

Personenverzeichnis Kaufmann, A. 22 Kelsen, H. 23 Knoepfler, N. 52 Kohlschu¨tter, C. 19 Kondylis, P. 13

83

Radbruch, G. 23 Raimondi, G. 40 Ratzinger, J. 47 Rawls, J. 31 Resta, G. 29, 40, 50, 52 Ricœur, P. 35 Ridola, P. 21, 27 Ripepe, E. 20 Rippe, K. P. 45 Rolla, G. 20

Lombardi, O. 29 Lo¨with, K. 12 Luhmann, N. 30 f. Macklin, R. 53 Maganzani, L. 11 Maihofer, W. 30, 32 f. Manetti, G. 14 Maniaci, G. 49 Marcel, G. 30 Margalit, A. 34 Marx, K. 33 Mastropietro, A. 29 Mathieu, V. 19, 35 Mathis, K. 49 Maunz, T. 22 Maurer, B. 40

Sarlet, I. W. 20 Schaber, P. 34, 45 Schiller, F. 19 Seelmann, K. 17, 19, 31 f., 34, 56 Seifert, J. 54 Singer, P. 45 Sloterdijk, P. 44 Smith, A. 17 Sonderegger, L. 36 Spaemann, R. 46 Steins, T. 47 Stoecker, R. 31, 34, 54, 56

Neumann, U. 24, 32 Nida-Ru¨melin, J. 56 Nietzsche, F. 44 Niger, S. 35 Nipperdey, C. H. 23 Nussbaum, M. 33

Tanner, K. 22 Tarello, G. 18 Teifke, N. 25, 28 Thumfart, A. 14 Tiedemann, P. 20, 45 Trinkaus, C. H. 14

Occhipinti, A.

Viafora, C. 52 f. Vicini, A. 29 Viola, F. 46

52

Parisoli, L. 49 f. Pascal, B. 15 Pico della Mirandola, G. Pirozzoli, A. 26, 28 Politi, F. 26 Po¨schl, V. 11 Pufendorf, S. 15

14

Wagner, H. 30 Welby, P. 29 Welzel, H. 15 Westermann, C. 13 Zatti, P.

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