Das Pinsker Jiddisch und seine Stellung im gesamtjiddischen Sprachraum 9783110840391, 9783110053319

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Das Pinsker Jiddisch und seine Stellung im gesamtjiddischen Sprachraum
 9783110840391, 9783110053319

Table of contents :
Inhalt
Schrifttum
Abkürzungen
Einleitung
A. Die Selbstlaute
B. Die Mitlaute
Schluß

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Franz J. Beranek

Das Pinsker Jiddisch und seine Stellung im gesamtjiddischen Sprachraum

Walter de Gruyter & Co. Vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp.

Berlin 1958

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

© Archiv Nr. 43 29 5 7 Alle Rechte, einschließlich des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten. Printed in Germany Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W J J

Inhalt Seite

Schrifttum Abkürzungen Einleitung A. Die Selbstlaute I. Die Selbstlaute der Haupttonsilben a) Die a-Laute b) Die e-Laute c) Die i-Laute d) Die o-Laute e) Die u-Laute f) Die Zwielaute II. Die Selbstlaute der Nebentonsilben

V VII i 10 10 10 15 21 25 29 31 37

B. Die Mitlaute a) Allgemeines b) Die Klanglaute c) Die Lippenlaute d) Die Zahnlaute e) Die Gaumenlaute f) Die Kehllaute

53 53 54 62 65 72 77

Schluß

78

Schrifttum B b . Gr.

= S. B i r n b a u m , Praktische Grammatik der Jiddischen Sprache für den Selbstunterricht. Wien-Leipzig 1915/18. (102ff.: Wörterbuch.) Bb. HaEl. = S. B i r n b a u m , Das hebräische und aramäische Element in der jiddischen Sprache. Leipzig/Kirchhain N.-L. 1922. Bb. Umschr. = S. B i r n b a u m , Die Umschrift des Jiddischen. In: Teuthonista, hrsg. von H. Teuchert, Halle/Saale, 9 (1933), 90 —105. Bb. Vok. = S. B i r n b a u m , Übersicht über den jiddischen Vokalismus. I n : Zeitschrift für Deutsche Mundarten, hrsg. von H. Teuchert, Berlin, 18 (1923), 122 — 130. Ber. D P h A . 1 = F. J. B e r a n e k , Jiddisch. I n : Deutsche Philologie im Aufriß, h r s g . v o n W . S t a m m l e r , I.Band, Berlin-Bielefeld 1952,1551 —1590. Ber. Noung. = F . J. B e r a n e k , D i e jiddische Mundart Nordostungarns. BrünnLeipzig 1941. Ber. ZPhon. 3 = F. J. B e r a n e k , Sprachgeographie des Jiddischen in der Slowakei. I n : Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft, hrsg. von D. Westermann, Berlin, 3 (1949), 25—46. Ber. ZPhon. 5 = F. J. B e r a n e k , Jiddische Ortsnamen. E b d . 5 (1951), 88—100. Bürgener = M. B ü r g e n e r , Pripet-Polessie. Das Bild einer polnischen Ostraumlandschaft. (Petermanns Geographische Mitteilungen, Ergänzungsheft Nr. 237.) Gotha 1939. Fischer = J. F i s c h e r , Das Jiddische und sein Verhältnis zu den deutschen Mundarten unter besonderer Berücksichtigung der ostgalizischen Mundart. Erster Teil. Erste Hälfte. (Heidelberger Dissertation.) Leipzig 1936. Gerzon = J. G e r z o n , Die jüdisch-deutsche Sprache. Köln 1902. Mieses = M. M i e s e s , Die jiddische Sprache. Eine historische Grammatik des Idioms der integralen Juden Ost- und Mitteleuropas. BerlinWien 1924. Strack = H. L. S t r a c k , Jüdisches Wörterbuch. Mit besonderer Berücksichtigung der gegenwärtig in Polen üblichen Ausdrücke. Leipzig 1916.

Abkürzungen afrz. ahd., Ahd. d., D. Ez. F1N. germ. ha. it. j. Kf. m. ma. mgr. mhd., Mhd. mnd. Mz. nhd., Nhd. nj., Nj. oj., Oj. ON. osl. p. PN. r. rom., Rom. sj., Sj. sl., Sl. ukr. urj. w. wgerm. wj.,Wj. wr.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

altfranzösisch althochdeutsch, Althochdeutsch deutsch, Deutsch Einzahl Flußname germanisch hebräisch-aramäisch italienisch jiddisch, jüdisch Koseform männlich mundartlich mittelgriechisch mittelhochdeutsch. Mittelhochdeutsch mittelniederdeutsch Mehrzahl neuhochdeutsch. Neuhochdeutsch nordjiddisch, Nordjiddisch ostjiddisch, Ostjiddisch Ortsname ostsla wisch polnisch Personenname russisch romanisch, Romanisch südjiddisch, Südjiddisch slawisch. Slawisch ukrainisch urjiddisch weiblich westgermanisch westjiddisch. Westjiddisch weißruthenisch

Einleitung § i . Es ist, zum Unterschied von einer noch nicht gar so weit zurück^ liegenden Vergangenheit, heute glücklicherweise nicht mehr notwendig, eine rein philologische Arbeit aus dem Gebiete der jiddischen Sprache politisch zu tarnen, ihr Erscheinen besonders zu begründen und die Beschäftigung mit diesem Idiom überhaupt gegen Fachleute und Nichtfachleute zu verteidigen. Auch scheint es mir im Hinblick auf die in den letzten Jahren unbestreitbar gestiegene Beachtung des Jiddischen in den Kreisen der Wissenschaft und Wissenschaftspflege gegenüber früher nicht mehr erforderlich, einer solchen Arbeit ein rein informatives Kapitel über die Grundbegriffe der jiddischen Philologie, wie Wesen, Entwicklung, Verbreitung und Gliederung dieser Sprache, vorauszuschicken. Für den Bedarfsfall sei — außer auf meinen Aufsatz „Die Erforschung der jiddischen Sprache" in der Zeitschr. f. dt. Philol. 70 (1947/48), 163ff. — vor allem auf meinen umfassenden Beitrag „Jiddisch" in W. Stammler, Deutsche Philologie im Aufriß (Berlin-Bielefeld 1952ff.), 1, i 5 5 i f f . ( = Ber. DPhA 1 des Schrifttumsverzeichnisses) hingewiesen. Von weiteren für die allgemeine Unterrichtung über das Jiddische geeigneten Arbeiten seien, außer Bb. Gr. (Einleitung), Fischer und Mieses (s. Schrifttumsverzeichnis), noch genannt: (S. B i r n b a u m , ) Art. „Jiddische Sprache" in G. Herlitz-B. Kirschner, Jüdisches Lexikon (Berlin 1927—30), 3, 2Ö9ff.; (ders.,) Art. „Jiddisch" in Encyclopaedia Judaica (Berlin I928ff.), 9, H 2 f f . ; ferner als jüngste einschlägige Veröffentlichung H. K l o s s , Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen von 1800 bis 1950 (Schriftenreihe des Goethe-Instituts, Bd. 1, München 1952), bes. 40 ff. Seit ich mich vor mehr als fünfundzwanzig Jahren der Beschäftigung mit dem Jiddischen zugewandt und den vernachlässigten Zustand dieses die Germanisten nicht weniger als die Judaisten angehenden Forschungsgebietes erkannt hatte, war ich mir bald über das wesentlichste einer ersprießlichen Weiterentwicklung der Jiddischforschung im Wege stehende Hindernis im klaren. Es war der Mangel an kleinlandschaftlichen oder örtlichen Darstellungen der lebenden Sprache, also an Mundartmonographien grammatischer und lexikalischer Art. Ihn zu beseitigen, war damals mein vornehmlichstes Streben. Mein von Anfang 1

B e r a n e k , Pinsker Jiddisch

2

Einleitung

an wohldurchdachtes Arbeitsprogramm, das eine systematische Bestandsaufnahme des gesamten Jiddischen von Ost- und Mitteleuropa in bezug auf Phonetik, Laut- und Formenstand, Satzbau, Sprachmelodie und -rhythmus, Wortschatz und Wortbedeutung vorgesehen hatte, wurde leider durch die schicksalhaften weltpolitischen Ereignisse dieses Vierteljahrhunderts auf das schwerste erschüttert. Immerhin gelang es mir allen Schwierigkeiten zum Trotz, noch während des Krieges mein Buch „Die jiddische Mundart Nordostungarns" (Brünn-Leipzig 1941; = Ber. Noung. des Schrifttumsverzeichnisses) erscheinen zu lassen, in welchem erstmalig ein jiddischer Einzeldialekt in seiner Gänze auf seine Laut Verhältnisse hin untersucht wurde. Diese Veröffentlichung war als erster Baustein zu dem mir vorschwebenden planmäßigen Aufbau einer den übrigen philologischen Disziplinen ebenbürtigen Jiddistik gedacht und darf deshalb nur unter diesem Gesichtswinkel betrachtet und beurteilt werden. Mit der vorliegenden, im wesentlichen 1943 abgeschlossenen Abhandlung setze ich den zweiten planmäßigen Baustein zu diesem Gebäude. Behandelte die erste Untersuchung eine s ü d jiddische Mundart, so hat die vorliegende einen nordjiddischen Dialekt zum Gegenstand; somit stehen der Forschung nunmehr charakteristische Querschnitte aus den beiden Hauptmundarten des O s t jiddischen zur Verfügung. Der dritte planmäßige Baustein, die Untersuchung einer verhältnismäßig noch gut faßbaren Mundart des praktisch bereits untergegangenen Westjiddischen, des Sudetenjiddischen, war 1945 druckfertig; sie ist durch meine Heimatvertreibung verlorengegangen. Der vorliegenden Arbeit wäre fraglos dasselbe Geschick widerfahren, wenn sich das Manuskript nicht zur Zeit des Zusammenbruchs zum Zwecke der Drucklegung aüf reichsdeutschem Boden befunden hätte, so daß ich es nach einigen Schwierigkeiten, für deren Überwindung ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Bruno S c h i e r in Münster zu aufrichtigem Danke verpflichtet bin, im Jahre 1948 wieder in Händen hatte. Die Untersuchung fußte von vornherein lediglich auf dem sprachlichen Material, das ich gelegentlich einer Reise durch das ehemalige Polen im Jahre 1935 in Pinsk im westlichen Polesien 1 ) aus dem Munde dortiger Juden aufzeichnen konnte und das trotz seines notgedrungen geringen Umfangs zu einer Darstellung der Lautverhältnisse des Pinsker Jiddisch immerhin ausreichte. Trotzdem wollte ich die Gelegenheit, Diese Schreibung des Landschaftsnamens scheint mir gegenüber den ebenfalls üblichen Formen Polessien, Polessie, Polesie, Polesje, Polessje, Poljessje die praktisch richtigste zu sein.

Einleitung

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die sich mir in den ersten Nachkriegs jähren durch die Anwesenheit der zahlreichen ostjüdischen DP.s in Westdeutschland bot, nicht ungenützt vorübergehen lassen. Es gelang mir, durch Befragung .geeigneter aus Pinsk stammender jüdischer Personen, die ich in Marburg/Lahn, Bad Nauheim, Frankfurt/Main und München ausfindig gemacht hatte, das Beleggut der Arbeit um rund das Doppelte zu erweitern, was zwar an deren Gesamtaufbau und Ergebnissen nichts änderte, ihre Brauchbarkeit und Beweiskraft jedoch ganz beträchtlich steigerte. Eine Monographie eines nordjiddischen Dialekts liegt eigentlich bereits seit langem vor. Es ist J. G e r z o n s Buch „Die jüdisch-deutsche Sprache" (Köln 1902), das im wesentlichen auf dem Lautstand und den Formen der jiddischen Mundart von Hömel (ehem. Gouv. Mohilew, Weißruthenien) fußt 1 ) (und dessen Beispiele darum keineswegs als Belege für die Lautverhältnisse des Ostjiddischen überhaupt herangezogen werden dürfen, wie es wegen des irreführenden Titels dieser Arbeit leider wiederholt geschehen ist). Wie der Untertitel der Arbeit besagt, stellt sie „eine grammatisch-lexikalische Untersuchung des deutschen Grundbestandes" der Sprache dar; sie läßt also das hebräisch-aramäische und das slawische Element des Jiddischen, die lexikalisch zusammen rund ein Drittel des Wortschatzes ausmachen, von einer gelegentlichen Erwähnung 2 ) abgesehen, völlig unberücksichtigt. Der grundlegende Unterschied zwischen Gerzons Arbeit und der vorliegenden Untersuchung liegt damit klar auf der Hand. Durch ihre wohl nordjiddische Formen- und Wortbildungslehre sowie ihre Syntax, die freilich zur Gänze auf Beispielen aus dem ostjiddischen Schrifttum schlechthin beruht, behält Gerzons Leistung ihren Wert natürlich auch weiterhin. Die Behandlung und Einteilung des Stoffes in dieser Untersuchung ist im wesentlichen die gleiche wie in meiner Monographie über das Jiddische Nordostungarns; nur die Selbstlaute der Haupttonsilben sind diesmal, unter Beibehaltung der mittelhochdeutschen Laute als Ausgangsstellung, aus praktischen Gründen, deren spätere Entwicklung vorwegnehmend, (wenn auch nicht streng folgerichtig) nach sechs Gruppen angeordnet, womit ich einer in der Einleitung meiner ersten Arbeit 3 ) ausgesprochenen methodischen Forderung Rechnung zu tragen versuche. In der vorbereiteten dritten Monographie soll in diesem Punkte noch um einen Schritt weitergegangen werden. Auch sollen dort die J)

Siehe Gerzon 18. Gerzon 13 f. 3) Ber. Noung. 13; vgl. auch ebd. 7 f. 2)

1*

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Einleitung

Laute, vor allem die Vokale spätaufgenommener Wörter, insbesondere solcher deutscher Herkunft, gesondert behandelt werden, während sie hier z. T. noch etwas willkürlich bei den passenden mhd. oder germ. Ausgangslauten eingereiht sind. Innerhalb des deutschen Sprachelements sind zweckmäßig auch die romanischen Rudimente der Mundart mitbehandelt. Bezüglich ihres hebräisch-aramäischen Elementes gilt ebenfalls das in meiner ersten Arbeit 1 ) Gesagte. Bei den slawischen Bestandteilen des Jiddischen ist es häufig nicht möglich, eindeutig festzustellen, aus welcher Sprache — in Betracht kommen für die Pinsker Mundart das Polnische, Ukrainische, Weißruthenische und Russische — sie übernommen worden sind. In diesen Fällen werden alle als Quelle in Frage kommenden slawischen Formen angeführt, oder es wird das (in der Schreibung sinngemäß stilisierte) Etymon je nachdem kurz als „slawisch" bzw. „ostslawisch" bezeichnet. Einen Fortschritt gegenüber meiner ersten Arbeit bedeutet mein Versuch, die Stellung der behandelten Mundart innerhalb des Ostjiddischen und darüber hinaus innerhalb des Gesamtjiddischen näher zu kennzeichnen und einige Wesenszüge der jiddischen Lautentwicklung und Lautgeographie, besonders innerhalb des ostjiddischen Sprachraums, aufzuzeigen, und zwar teils auf Grund eigener Beobachtungen, teils unter Benützung des vorhandenen Schrifttums 2 ). Diese Ausweitung in der Anlage der Arbeit wird den Freunden der Jiddischforschung sicherlich willkommen sein. § 2. Die Stadt P i r i s k , deren jiddisches Idiom den Hauptgegenstand dieser Untersuchung bildet, ist der wichtigste Ort von Polesien, jener urtümlichen, in sich geschlossenen Sumpf- und Waldlandschaft an der Grenze Osteuropas, dem sie erdkundlich durch ihre Entwässerung zu Pripet und Dnjepr eigentlich schon angehört 3 ). Eingebettet in die Senke zwischen der Podolischen Platte im Süden, dem Westrussischen Landrücken im Norden und der Mittelrussischen Schwelle im Osten, stellt Polesien wegen der Kärglichkeit seines für die menschliche Er1)

Ber. Noung. 13f.; siehe auch Bb. HaEl. 17ff. Es ist dies in erster Reihe L. W i l e n k i n , Jiddischer Sprachatlas der Sowjetunion (Minsk 1931); ferner ein Aufsatz von M. W e i n g e r in der Zeitschrift des jiddischen Sektors der Weißrathenischen Akademie der Wissenschaften, Minsk, 1 (1926). 3) Vgl. dazu insbesondere Bürgener. Dortselbst 131 ff. auch weiteres Schrifttum. 2)

Einleitung

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nährang nutzbaren Bodens und seiner natürlichen Unwegsamkeit seit Urzeiten den Typ einer ausgesprochen passiven Landschaft dar, deren Charakter von den sie umflutenden Strömen des volklichen, politischen und kulturellen Lebens jeweils nur wenig verändert zu werden vermochte. Nur mit Mühe und Willkür läßt sich die spärliche, nach Lebensweise, Sitten und Sprache fast überall gleichartige, kulturell überaus tiefstehende poleschukische Landbevölkerung in einen südlichen ukrainischen und einen nördlichen weißruthenischen Teil scheiden. In den größeren Dorfsiedlungen ist auch das jüdische Element vertreten, das in den Städtchen und Städten Polesiens bei weitem vorherrscht 1 ). Pinsk, der natürliche Mittelpunkt der Landschaft, wo viele Land- und noch zahlreichere Wasserwege zusammenlaufen, zählte vor 1941 unter seinen 32000 Einwohnern 7 5 % Juden, die sich z. T. vom Handwerk, vorwiegend aber vom Handel nährten, den sie hier mehr als anderswo monopolartig beherrschten. Ärmlichkeit und Unsauberkeit sind trotzdem auch hier die wesentlichsten Merkmale der jüdischen Wohnungen, Häuser und Stadtteile, „klumpig-formloser Ballungen von schmucklosen, halb verfallenden Holzbauten, . . . nach Ghettoart zusammengeballter Wohnkomplexe mit engen, gewundenen, zumeist ungepflasterten Gassen, die nur mit hölzernen Laufstegen zu beiden Seiten versehen sind . . ," 2 ) und die im krassen Gegensatz stehen zu dem jesuitischbarocken Prunk der Kirchenbauten und den hochragenden öffentlichen Gebäuden der Stadt. Im weiteren Umkreis Polesiens, das selbst bis ins späte Mittelalter herein in geheimnisvoller Unerschlossenheit verharrte, sind Niederlassungen von Juden kaukasisch-persischer und byzantinischer Herkunft bereits für das 12. Jahrhundert nachzuweisen3). Erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts begann im Gefolge der deutschen Ostkolonisation die bis etwa 1500 währende Einwanderung deutsch- bzw. jiddischsprechender Juden nach Polen-Litauen. In Polesien, das um 1320 von Großfürst Gedimin dem litauischen Reiche eingegliedert worden war, treten sie bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts !) Vgl. ebd. 6 i f f „ ferner T. 5. Ebd. 61. 3) Diese und die folgenden historischen Angaben zumeist nach P.-H. S e r a p h i m , Das Judentum im osteuropäischen Raum (Essen 1938), i7ff., und G. H e r l i t z - B . K i r s c h n e r , Jüdisches Lexikon (Berlin 1927—30), 4, 949. Vgl. auch (in jiddischer Sprache) B. H o f m a n , Tausend Jahre Pinsk (New York 1941). 2)

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Einleitung

in Erscheinung. In Pinsk selbst ließen sich im 15. Jahrhundert Juden aus Brest-Litowsk nieder; Synagoge und Friedhof stammen aus dem Jahre 1506. Seit 1581 erhielt die Pinsker Judengemeinde, eine der drei Hauptgemeinden des litauischen Judenlandtags, immer wieder neu bestätigte Privilegien. Die hiesigen Juden trieben vornehmlich Getreidehandel, besonders mit Danzig und Königsberg. Nach der Blütezeit des polnisch-litauischen Judentums im 15./16. Jahrhundert und nach den verheerenden Kosaken-, Haidamaken- und Schwedenstürmen des 17./18. Jahrhunderts gelangte das östliche Polesien bei der zweiten Teilung Polens im Jahre 1793, seine westliche Hälfte bei der dritten Teilung im Jahre 1795 an Rußland. Pinsk, das „polesische Jerusalem", war damals einer der Hauptsitze der mystischen Richtung im Ostjudentum, des Chassidismus. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Westpolesien samt Pinsk durch den Vertrag von Riga 1921 dem neuerstandenen Polen zugesprochen. Im Laufe des Zweiten Weltkriegs zuerst von den Sowjets besetzt, befand es sich 1941—-1944 in deutscher Hand und gehört heute zur Sowjetrepublik Weißruthenien. Die judengegnerischen Maßnahmen der beiden letzten Regimes haben den jüdischen Bevölkerungsteil auch dieser Stadt stark zusammenschrumpfen lassen. Er bestand und besteht wohl restlos aus Jidden, d. h. aus Juden mit jiddischer Mutter- und Alltagssprache. Eine zusammenhängende Sprachprobe des Jiddischen von Pinsk bringt Fischer 105 f. § 3. Der L a u t s t a n d des Jiddischen von Pinsk kann in seinen wesentlichen Zügen als für das gesamte Nordjiddische charakteristisch gelten. 1. S e l b s t l a u t e Infolge der dem Nordjiddischen eigenen durchgehenden Kürzung der langen Selbstlaute (vgl. § 67) ist sein Vokalsystem bedeutend einfacher als das des Südjiddischen (vgl. Ber. Noung. i4f.). Im besonderen besitzt das Pinsker Jiddisch folgende Selbstlaute: a) E i n l a u t e i e a 0u 3 i ist, wie im Nordjiddischen überhaupt (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 17, 184; Bb. HaEl. 13, 16), ein kurzer geschlossener Laut. Hingegen sind e, 0 und auch u wie fast im gesamten Ostjiddischen (vgl. Bb. Vok. 124!, 128, 130; Bb. Gr. u f f . , 14, i j f . , 183t.; Bb. HaEl. I3ff.) kurze, mehr oder weniger offene Laute (und können darum in vergleichenden Dar-

Einleitung

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Stellungen bei Bedarf g, Q, % geschrieben werden), a ist, wiederum wie im gesamten Ostjiddischen (vgl. Bb. Vok. 122, 130; Bb. Gr. 11, 17, 182; Bb. HaEl. 14, 16), ein kurzer, nicht allzuheller Laut. Der nur in Nebentonsilben vorkommende palatovelare Murmelselbstlaut d zeigt, wie zumeist im Ostjiddischen (vgl. Bb. Vok. 126, 130; Bb. Gr. 14, 18, 183; Bb. HaEl. 14, 16; Ber. Noung. 12), starke i-Färbung, besonders in vortoniger Stellung; vgl. jedoch §46, i c , Anm.; d, Anm. 1. b) M e h r l a u t e a) An absoluten, d. h. genetisch von dem nachfolgenden Mitlaut unabhängigen Mehrlauten sind nur die i-Zwielaute ei ai ui vorhanden; u-Zwielaute fehlen im Nordjiddischen zum Unterschied vom Südjiddischen (vgl. Bb. Gr. 13, 183; Bb. HaEl. 15; Ber. Noung. 14, 29) und auch vom West jiddischen vollständig. Der zweite Bestandteil dieser Zwielaute ist, wie im gesamten Ostjiddischen (vgl. Bb. Gr. 12ff., 17L, 184; Bb. HaEl. 13, 16), ein geschlossenes i. Was ihre ersten Bestandteile betrifft, so ist e in ei, wie wohl im Nordjiddischen überhaupt (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 17f., 184; Bb. HaEl. 13, 16; Gerzon 21 f.) ein kurzer geschlossener Laut, a in ai, ein kurzer Laut, dürfte heller sein als der Einlaut a (vgl. a) und auch als a in sj. ai (vgl. Bb. Gr. 13, 17, 182; Bb. HaEl. 14, 16). u in ui ist ein kurzer, zwischen u und 0 liegender Laut (vgl. § 45; Bb. Gr. 17, 183; daher kann dieser Zwielaut in vergleichenden Darstellungen bei Bedarf auch geschrieben werden). ¡3) Der Übergangsselbstlaut, der im Süd- und auch im Westjiddischen vor r nach langen Einlauten sowie nach Zwielauten aufzutreten pflegt und übrigens auch hier bei rascherem Sprechen zum Verschwinden neigt (vgl. Bb. Vok. 126; Bb. Gr. 22; Bb. HaEl. 25), ist, da das Nordjiddische Einlaute nur als Kürzen kennt ^gl. § 67), im Pinsker Jiddisch auf die Stellung nach den unter tx behandelten i-Zwielauten beschränkt (vgl. Bb. Vok. 130). Diese werden vor ursprünglich zu derselben Silbe gehörigem r zu den zweisilbigen Drielauten eie aie uie erweitert (s. § 1 2 , 1 ; §25, 2c; §26; §40; §43). y ) Auch vor x ist im Süd- und West jiddischen nach langen Einlauten sowie nach Zwielauten ein mehr oder weniger entwickelter Übergangsselbstlaut die Regel (vgl. Bb. Vok. 126, 128; Bb. Gr. 22; Bb. HaEl. 25; Ber. DPhA. 1, 1561), während ein solcher im Nordjiddischen fehlt, außer wenn es sich um ha. Pathach furtivum handelt, das im Pinsker

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Einleitung

Jiddisch als a erscheint (vgl. Bb. Vok. 126, 130; Bb. Gr. 22). Dadurch, gewinnt dieses zwei weitere Zwie- und einen weiteren Drielaut, nämlich ia ua eia (s. § 22, 1; § 32; § 15, 2b; § 27, 2). Als Ausstrahlung der südjiddischen Verhältnisse ist dieser Ubergangslaut in Pinsk zwischen i und x auch in Wörtern deutscher Herkunft zu hören, wenn das i auf einen Langselbstlaut zurückgeht und es sich um ein einsilbiges Wort handelt bzw. um ein mehrsilbiges, dem ein denselben Stamm enthaltendes einsilbiges zur Seite steht; doch wechselt in allen diesen Fällen das ia mit einfachem i (s. § 10, 3; § 1 8 , 1 ; § 20, 1; § 21). Der Einsatz der anlautenden Selbstlaute scheint, wie allgemein im Ostjiddischen (vgl. Bb. HaEl. 20), im absoluten Anlaut fest, im Satzinnern leise zu sein. A n m e r k u n g . Zum Unterschied vom Sj. und Teilen des Wj. kennt das Nj. keine historischen Nasalselbstlaute (vgl. Bb. Vok. 124; Bb. Gr. 27, 182; Bb. HaEl. 14, 16, 22; Ber. Noung. 14). Vgl. jedoch § 48, 3a, Anm. 2. M i t l a u t e Das Konsonantensystem des Nordjiddischen unterscheidet sich in keinem wesentlichen Punkte von dem des gesamten Ostjiddischen. Vgl. Bb. Gr. 182; Bb. HaEl. iof.; Ber. Noung. 1 5 ! Der Mitlautstand des Pinsker Jiddisch ist folgender: a) Verschluß- b) Reibelaute laute

c) Na- d) Fließsenlaute laute stimm- stimm- stimm- stimmlose hafte lose hafte beidlippige

Lippenlaute

zahnlippige

-b

b



-

/

'

{: s

Zahnlaute _ , . f palatale Gaumenlaute { [ velare Zäpfchenlaut e) Klanglaut j

£ g

x

— w

;}

z

— '

— f) Hauchlaut h



n lì V —

r

Einleitung

9

Zum Unterschied vom Westjiddischen werden die stimmlosen Verschlußlaute (p, t, t, k) im Ostjiddischen unbehaucht gesprochen (vgl. Ber. Noung. 16). Zu den stimmhaften Verschluß- und Reibelauten vgl. Bb. Gr. 22; Ber. DPhA. 1,1562. x ist in allen Stellungen der Hintergaumenlaut (ach-Laut; vgl. Bb. Gr. 13; Fischer 13; Gerzon 19, 33; Ber. Noung. 16). Hingegen besitzen k, g und auch y, der auch im Deutschen vorkommende velare Nasal, im ganzen Ostjiddischen stark palatale Färbung, so daß y nach Selbstlauten in Pinsk wie auch sonst verschiedentlich im Nordjiddischen (vgl. Ber. DPhA. 1, 1574; Gerzon 19) geradezu durch das palatale n vertreten sein kann, n gleicht dem slawischen palatalisierten n (vgl. Bb. Gr. 14). I ähnelt dem polnischen l (und ist daher in weiten Gebieten des Südjiddischen zu u, u geworden), list der slawische weiche 1-Laut (vgl. zu beiden Bb. Gr. 14). Daß Gerzon nur einen 1-Laut verzeichnet, hat seine Ursache darin, daß er ausschließlich den deutschen Wortschatz des Nordjiddischen, der nur l kennt (vgl. § 51), behandelt und den slawischen mit seinem häufigen l (vgl. ebd.) unberücksichtigt läßt. Vgl. übrigens Fischer 97. r besitzt durchgehends Zäpfchenartikulation (doch wird in manchen Teilen des Ostjiddischen Zungen-r gesprochen; vgl. Bb. Gr. 15; Ber. DPhA. 1, 1573; Fischer 97; Ber. Noung. 16). j ist unsilbisches i und daher mit dem zweiten Bestandteil der i-Zwielaute (s. i b « ) identisch (vgl. § 49; Bb. Gr. 13). Doppelkonsonanten sind dem Jiddischen fremd (vgl. Mieses 103). A n m e r k u n g . Wortauslautendes y und l nach r sind im Ostjiddischen, zum Unterschied vom Deutschen, stets silbisch (vgl. Bb. Gr. 21). Wo es die Klarheit erfordert, wird die Haupttonsilbe eines Wortes durch ein ' über dem Selbstlautzeichen kenntlich gemacht.

A. Die Selbstlaute I. Die Selbstlaute der Haupttonsilben a) D i e

a-Laute

§ 4. Mhd. a erscheint (vgl. Gerzon 20), 1. soweit es im Nhd. kurz geblieben ist, a) im allgemeinen als a: klapm klopfen (mnd. klappen), kraft K r a f t , am Amme, swam Schwamm, Pilz, hamer Hammer, tsuzaman zusammen, samst Samt, zamd Sand, zak Sack, bak Backe, Wange, nakst nackt, haky hacken, aks Achse, aksl Achsel, waksn wachsen, dax Dach, maxn machen, naxt Nacht, traxtn „ t r a c h t e n " , nachdenken, gdhat gehabt, kwater Gevatter, kats K a t z e , patS Ohrfeige, az daß (vgl. 2), fas F a ß , gas Gasse, waser Wasser, gast Gast, flaster Pflaster, fastn fasten, as Asche, flas Flasche, wasn waschen, man Mann (vgl. Ber. D P h A . 1, 1569), kan Kanne, fan Pfanne, gaStanan gestanden, fun wanan „ v o n wannen", woher, Sands Schande, anddrer anderer, gandz Gans, hant Hand, want W a n d , krants Kranz, gants ganz, stal Stall, kwal (neben kwel) Quelle (mhd. quäl), ah alle, kalb K a l b , halb halb, balky Balken, kalx K a l k , wald Wald, haldz Hals, alt alt, kalt kalt, gdwalt Gewalt, haltn halten, zalts Salz, Smalts Schmalz, falts falsch, faln fallen, nar Narr, warsm warm, färb Farbe, arbst Arbeit, arbas Erbse (mhd. areweiq), karp Karpfen, sarf scharf, arg arg, schlecht, stark stark, mark Markt, marx Knochenmark/Gehirn, hart hart, wartn warten, swarts schwarz, warsa ON. Warschau; vortonig in kanöna Kanone, lamterna Laterne, fatSeila K o p f t u c h (s. § 9, 2 b), azei so (mhd. also), nachtonig in -Saft Hauptwortendung -schaft (vgl. B b . Gr. 36; Mieses 135), etwa in gatraisaft Treue (zu gdtrai, s. § 40), xawerSaft Kameradschaft (zu xawer, s. § 6, 1 ; vgl. Ber. D P h A . 1, 1567). b) vor y als ai (vgl. § 9, i b ; § 11, 2): laiyg lang, zaiyg Ä h r e (mhd. sänge), Slaiyg Schlange, tswaiyg Zange, gsgaiygan gegangen, baiyk B a n k , kraiyk krank, obdaiyksn danken. c) als 0, ausschließlich in vornasaler Stellung, in lomp L a m p e , bromfn Branntwein (vgl. B b . V o k . 125; B b . Gr. 1 1 6 ; Ber. Noung. 19). 2. soweit es im Nhd. gedehnt wurde, als 0: grob Grab, hober Hafer, ober aber (vgl. B b . V o k . 125), hobm haben (auch die Gegenwartsformen

Die a-Laute

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dieses Zeitwortes zeigen o; vgl. ebd.), Snobl Schnabel, op ab, gopl Gabel, nopl Nabel, noman Name, tog T a g (jedn t. oder t. tsu t. täglich; weitog s. § 12, i , weiltog s. § 25, 2a), wogy Wagen, mogy Magen, zogy sagen, trogy tragen, slogy schlagen, klogy sich beklagen, jogy jagen, tswogy die Haare waschen (mhd. twahen; vgl. Ber. D P h A . 1, 1562; Ber. Noung. 31), rod Rad, fodam Faden, bodn baden, Sodn schaden, ¿tot Stadt (mhd. statjstet-), foter Vater, koter Kater, sotn Schatten (mhd. schate), groz Gras, gloz Glas, hoz Hase, noz Nase, mozlan Masern (mnd. masele), wos was, dos das (vgl. i a ) , on an, hon Hahn, tson Zahn, fon Fahne, goner Gänserich (mhd. *ganer, germ. *ganr-; vgl. H. S. F a l k - A . T o r p , NorwegischDänisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1910, 293), Smol schmal, Solaxts Schalen von Früchten, moin mahlen, batsoln bezahlen, tsolnt Scholet, eine Speise (afrz. *chalent; vgl. Ber. D P h A . 1, 1565, 1570; Ber. ZPhon. 3, 33), gor gar/ganz, koras Karausche (älter-nhd. Karas), oram arm, borwas barfuß, bort Bart, gortn Garten, kortn Karten, fory fahren, (niSt) tory (nicht) dürfen (zu mhd. tar). § 5. Mhd. â erscheint (vgl. Gerzon 23f.) 1. im allgemeinen als 0: do da, ownt Abend, Slofn schlafen (vgl. Ber. D P h A . 1 , 1 5 6 9 ; Ber. ZPhon. 3, 32), krom Laden (mhd. krâm), wog Waage, Swoger Schwager, nox nach, gnod Gnade, oder Ader, nodl Nadel, otaman atmen, blozn blasen, lozn lassen (vgl. Bb. Vok. 125), spon Span, mon Mohn (mhd. mähen) vgl. Ber. D P h A . 1 , 1 5 6 9 ; Ber. ZPhon. 3, 32), montik Montag (mhd. mântac), on ohne (mhd. âne), ton tun (mhd. tân; vgl. B b . Gr. 54, 132), amôl einmal, moin malen, jor Jahr (in dem j. heuer), hör Haar. 2. infolge sehr frühzeitiger Kürzung als a in gsbraxt gebracht (vgl. Bb. Gr. 51 ; im Sudetenjiddischen z. T. gsbrüvxt). 3. als ei (über *o; s. §26) in peips Papst (mhd. bâbes; vgl. Ber. Noung. 21); das West jiddische kennt zahlreiche weitere hierhergehörige Beispiele. ~>e gekürzt in je ja (mhd. ja; vgl. Ber. ZPhon. 3, 32; Bb. Gr. 134). 4. als u in wu wo (mhd. wd] vgl. Bb. Vok. 128). § 6. Ha. a, ä, z. T. auch ä erscheint 1. in ursprünglich geschlossener Silbe als a (vgl. Bb. HaEl. 2 i f . , 29ff.): sabas Sabbath, Samstag (ha. sabbät), apakeirss Freidenker (ha. 'appïkôras), sam Gift (ha. sam), samas Diener der j. Gemeinde (ha. sammäs), malamad j. Lehrer (ha. mHammêd), magad Prediger (ha. maggïd), misndgad Nichtchasside (ha. mitnaggëd), jakras Teuerung (ha. iakrüt), asdx viel (ha. sak mit unbest. Art.), batxn Lustigmacher bei

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Hochzeiten (ha. badhän), katsaw Fleischhauer (ha. kassäb), maU Glück (ha. mazzäl), gazlan Räuber (ha. gazlän), knas Strafe (ha. k'nas), kasa Frage (ha. kaSia), ganaw Dieb (ha. gannab), malax Engel (ha. mal'ak), kala Braut (ha. kallä), xah Sa"bbathweißbrot (ha. hallä; vgl. Ber. DPhA. i , 1570), talds Gebetmantel (ha. tallit), maxalaSabasnik SaJjbathschänder (ha. mehallel-Sabbät + p., wr., r. -nik, s. § 46, 4d), galax christlicher Priester (ha. galläh), salaxmönas Purimgeschenk (ha. Sallah-mänöt; vgl. Bb. HaEl. 44), alman Witwer (ha. 'almän), malkd Königin/w. PN./Dame im Kartenspiel (ha. malkä), arbakamfas ein rituelles Kleidungsstück (ha. 'arba'-kanpöt), ksaw Schriftstück (ha. ketäb), jam Meer (ha. iäm), fisak Entscheidung des Rabbiners (ha. pesäk), jad Hand (ha. iäd), smadn taufen (zu ha. £*•mäd), nadan Mitgift (ha. nädän), jedoch auch in xana w. PN. Channa (ha. hanä), xawer Freund (ha. häber), xazer Schwein (ha. häzir), xasdnd Hochzeit (ha. hätunnä), xanikd Tempelweihfest (ha. hänukkä) sowie in den Zeitwörtern (vgl. Bb. HaEl. 33) axlsn essen (zu ha. 'äköl), paterr) loswerden (zu ha. pätür), kaierr) rituell rein machen (zu ha. käser), paskdndn entscheiden, vom Rabbiner (zu ha. päsük), ganwansn stehlen (zu ha. gänöb), hargdndn erschlagen (zu ha. härög); vortonig in rabönim Rabbiner Mz. (ha. rabbänim), kaböld Bestätigung/Kabbala (ha. kabbälä), awröm m. PN. Abraham (ha. 'abrähäm), mamtakim Geld (ha. marntakkim), mageifd Seuche (ha. maggepä), taxrixim Sterbekittel (ha. takrlktm), kadöxds Schüttelfrost (ha. kaddahat), matöna Geschenk (ha. mattänä), haskord gottesdienstliches Totengedenken (ha. hazkärä), ganeidim Paradies (ha. gan-'ed$n), ganowim Diebe (ha. gannäbim), almönd Witwe (ha. 'almänä) sowie im ha. Artikel ha-: ester-hamdlka-tonss „KöniginEsther-Fasten", Fasten vor Purim (ha. '^ster-hamalkä-ta'amt),rosakölVorsteher der j. Gemeinde (ha. rös-hakähäl), malaxamowas Todesengel (ha. mal'ak-hamäu$t), nachtonig in zuihar Sohar, ein kabbalistisches Werk (ha. zöhär). 2. in ursprünglich offener Silbe als 0 (vgl. Bb. HaEl. 21 f., 30): kadöxas Schüttelfrost (ha. kaddahat), tnoim (zweisilbig!) Verlobungsvertrag (ha. tenaim\ eine analoge Bildung ist naröirn Narren, vgl. Bb. HaEl. 38), malaxamöwds Todesengel (ha. mal'ak-hamäugt), dowad m. PN. David (ha. däuid), jown Soldat (ha. j,äuäri), nddowa Almosen (ha. nedäbä), kowad Ehre (ha. käböd), katsöwim Fleischhauer Mz. (ha. kesäbim), ganowim Diebe (ha. gannäbim), tsofn Norden (ha. säpön), awröm m. PN. Abraham (ha. 'abrähäm), nasoma Seele (ha. ne$ämd), psomim rituelles Gewürz (ha. besämim), tsdoka Wohltat, bes. Almosen (ha. sedäkä), boxer junger Mann/Bube im Kartenspiel (ha. bähür\ jasiwaboxer Talmudschüler, zu jasiwa, s. § 22, 1), broxa Segen (ha. b'räkä), xoxom Weiser

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(ha. häkäm), Snoderr) beim Aufruf zur Thora etwas spenden (zu ha. fynnädär), godl angesehener Mann (ha. gädöl), poter los (ha. pätür), xosdd Chasside (ha. häsid), xosn Bräutigam (ha. hätän), nosn m. PN. Nathan (ha. nätäri), koser rituell rein (ha. käser), droSa Predigt (ha. deräSä), loSn Sprache/Gespräch (ha. läiön), Iwona Mond (ha. lebänä), matöna Geschenk (ha. mattänä), almöna Witwe (ha. 'almänä), Salaxmönas Purimgeschenk (ha. sallah-mänöt), ponim Gesicht (ha. pänim), rabönim Rabbiner Mz. (ha. rabbänim), jawonim Soldaten (ha. ieuänlm), rosakol Vorsteher der j. Gemeinde (ha. röS-hakähäl), kabola Bestätigung/Kabbala (ha. kabbälä), balagolajbalagola Fu" rmann (ha. baal-'agälä), golas j. Diaspora (ha. gälüt), sora w. PN. Sarah (ha. särä), hasköra gottesdienstliches Totengedenken (ha. hazkärä), gamora „ G e m a r a " , Talmud (ha. gemära), porats vornehmer Herr (ha. pärls), tsoras Unannehmlichkeiten (ha. säröt), kworasmener Mitglieder der Beerdigungsbrüderschaft (zu ha. kebäröt), sforim Bücher religiösen Inhalts/Thorarollen (ha. sepärim), oder Adar, ein Monat (ha. ,ädär), xohm Traum (ha. hälöm), ory Leichenwagen (ha. ° d rön), jedoch auch in row Rabbi (ha. rab), tsurn tsaloxss zum Trotz (d. zu + ha. lehak'is; vgl. Bb. Vok. 125). Über die Entwicklung von ha. ai, äi, aa,

a'ä, ahä, aa, ä'ä s. § 41.

§ 7. Sl. a erscheint 1. in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle als a: iabs Frosch (sl. zaba), xaprn fangen/schnappen (zu sl. chap-), papsros Zigarette (p. papieros), plawitss Einbaum (p. plawica), zawer Rost, ferrugo (zu ukr., r. r£av-; die Endung -er erweist das Wort als falsche Rückbildung aus in andern oj. Mundarten belegtem farZawert verrostet, rostig), Safa Schrank (p. szafa), pjafkd Blutegel (ukr., r. pjavka), hafksn bellen (zu ukr. havkaty), mams Mutter (sl. mama), klamka Türklinke (p., ukr., wr. ktamka), rak Krebs (sl. rak), iswak Nagel (ukr. cvak: vgl. Gerzon 102 tswak; sonst tSwok, auch tswek < p. cwiek, s. B b . Gr. 134, Strack 80), treifnäk Trefeesser (treifs, s. § 15, 2b + sl. -nah; vgl. Bb. Gr. 37; Bb. HaEl. 5 i f . ; Ber. D P h A . 1, 1567; Mieses 135), tatd Vater (p., ukr., wr. tata, tato), pjata Ferse (osl. pjata), ratdWdn retten (zu p. ratowac), gatkas Unterhosen (zu p. gatki), katSka Ente (p., ukr., wr. kackd), tatSka Schubkarren (osl. tacka\ vgl. Ber. D P h A . 1, 1566), nasmork Schnupfen (r. nasmork), jaslas Zahnfleisch (zu ukr. jaslo), pastax Hirt (sl. pastuch), saZ Fischbehälter (osl. saz), sah R u ß (osl. saia), kasa Brei (sl. kaSa), pasa Weide (sl. pasa), jaStserka Eidechse (sl. jascerka, -irka, -arka, -urka), pruMna ON. Prufany, Tatka Puppe (p., ukr., wr. Falka), parus Segel (r. parus)) vortonig in zaprdwa Einbrenne (p., ukr., wr. zaprava), xamüt

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Joch (wr., r. chamut, mit a < vortonigem o), katsdp Spottname des Russen (vgl. F . L i e w e h r in Slavia 18 [1944], 154), nastdfka T a u c h n e t z (osl. nastavka), baléis Waschtrog (wr. baleja), bardnowitS ON. Baranovici, nachtonig in -ak E n d u n g sl. -ak (vgl. B b . Gr. 37; Mieses 136), etwa in polak Pole/polnischer Jude (sl. Polak), litwak litauischer Jude (p. Litwak), burak rote R ü b e (sl. burak), parkan Z a u n (sl. parkan), botsan Storch (p. bocian), kroxmal Stärkemehl (p., ukr. krochmal), komar Stechmücke (sl. komar), tokar Drechsler (osl. tokar), stoFar Tischler (osl. stoFar), mular Maurer (ukr. mular). Etymologisch dunkel, aber sicherlich östlicher H e r k u n f t ist dawanan beten (vgl. Ber. D P h A . 1, 1566, 1 5 6 9 f . ; Mieses 73, 169, 197f., 238, 240). 2. in einigen wenigen älteren Entlehnungen (über *ä > *ö) als 0: boba Großmutter/Hebamme (sl. baba), sod Obstgarten (sl. sad), joz R o t auge (sl. jaz). Die sl. Lautgruppe aj bzw. ai erscheint als ai: okrdiats Brotanschnitt (ukr. okrajec), baidak große B a r k e (ukr., r. bajdak), Ukrainer Ukrainer. § 8. Die Erhaltung der kurzen a - L a u t e als a unter gleichzeitiger V e r dumpfung der langen a-Laute stellt ein Hauptcharakteristikum des Gesamtjiddischen dar (vgl. Ber. D P h A . 1, 1 5 6 1 ; Mieses 1 ; B b . V o k . 123, I25f., 130). Letztere läßt sich bis ins 15. Jh., vielleicht sogar bis in die vorjiddische Zeit zurückverfolgen (vgl. Mieses 4, 9). Nur in Podolien, in der westlichen Ukraine, in Bessarabien und wahrscheinlich auch in der Moldau ist das kurze a in jüngerer Zeit in bestimmten Stellungen z u 0 gewandelt worden (während die Verdumpfung des langen a dort bereits bis zu u fortgeschritten ist; vgl. unten), so daß hier klopm, kroft, kots, wosar, gost, mon, gaítonan, ondarar, wont, gonts, ¿tol, ola, wold, olt, kolt, loyg, zoyg, gagoygan, mozl, jom, xosana, xopm, moma, tota, rotawan usw. gesprochen wird (vgl. B b . V o k . 125; B b . Gr. 1 1 ; Ber. D P h A . 1, 1574; Mieses 2 f.). D a s lange a ist südlich einer Linie, welche außerhalb des Reichsgebietes an der ostpreußisch-polnischen Grenze südlich von Suwalki beginnt, über Bialystok an Brest-Litowsk nördlich vorbeigeht, das südliche Polesien in südöstlicher R i c h t u n g durchzieht und sodann über K i e w gegen Poltawa verläuft (vgl. Fisc 1 er 95), seit der zweiten H ä l f t e des 16. Jh.s zu ü bzw. durch nachträgliche K ü r z u n g zu u geworden (vgl. B b . V o k . 1 2 5 f . ; B b . Gr. 27; Ber. Noung. 19, 2 1 ; Ber. D P h A . 1, 1572t.), so daß man hier (ohne Berücksichtigung des in der westlichen Hälfte dieses Gebietes zwischen ü und Zahnlauten auftretenden Sproßselbstlautes; vgl. B b . Vok. 1 2 6 ; B e r . Noung. 1 2 , 1 5 , 1 8 f . , 2 1 ; Mieses56) rüd,

Die e-Laute

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füdam, büdn, Müt, Sütn, grüz, hüz, wüs, ün, tsün, Smül, müln, tlülnt, gür, üram, bürwss, bürt, gürtn, fürn, dü, üdsr, nüdl, blüzn, Spün, mün, müntik, ün, tün, müln, jür, güdl, pütar, xüsdd, nüsn, küsar, drüSa, lüSn, almuna, pünim, kabüla, süra, üdar, xülam, süd, hubar, up, gupl, numan, tug, wugy, zugy, muzlan, uwnt, Slufn, wug, Swugar, nux, kaduxas, duwad, naduwa, tsufn, awrüm, nalsuma, bruxa, ruw, buba usw. spricht, während in dem nördlich dieser Linie gelegenen Gebiete die Entwicklung bei o ( < *ö) stehengeblieben ist (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 1 7 ; Ber. D P h A . 1, 1570, 1573; Mieses 1). Formen mit a als Vertretung von nhd. ä wie tafl Schultafel, spagät Spagat u. ä. sind als junge Entlehnungen aus dem Nhd. anzusprechen (vgl. Ber. Noung. 18, 2 1 ; Ber. D P h A . 1, 1565; Mieses 4). Die o/u-Linie bildet das Rückgrat des Bündels sprachlicher Grenzlinien, welches das Südjiddische vom Nordjiddischen trennt (vgl. § 67), die darum auch u-Mundart und o-Mundart genannt worden sind (vgl. etwa Bb. Gr. 16), nicht sehr zweckmäßig allerdings, da es innerhalb des Westjiddischen ebenfalls sowohl u- als auch o-Gebiete gibt (vgl. Ber. D P h A . 1, 1570f.; Ber. ZPhon. 3, 29; Mieses 1) und in den von Juden jung besiedelten neurussischen Gebieten (vgl. Ber. D P h A . 1,1575) u - u n d o-Lautungen nebeneinanderstehen (vgl. S. B i r n b a u m i n T e u t h o nista 9 [1933], i8of.). Der Übergang von a > ai vor y (vgl. § 17), eine Folge des stark palatalen Charakters dieses Lautes, ist auf Teile des Ukrainisch-Jiddischen sowie des Nordjiddischen beschränkt (vgl. Bb. Vok. 123, 130; B b . Gr. 1 7 ; Ber. D P h A . 1, 1574). b) D i e e - L a u t e § 9. Mhd. e, ä erscheint (vgl. Gerzon 2if.), 1. soweit es im Nhd. kurz geblieben ist, a) im allgemeinen als e: epl Apfel (nach der Mz.; vgl. Ber. ZPhon. 3, 33; nur in einem Teile des Polnisch-Jiddischen gilt, im Anschluß an das wj. Verbreitungsgebiet dieser Lautung, apl), lefl Löffel (mhd. leffel), keml „ K ä m m c h e n " , Kamm, hemd Hemd, zek Säcke, beker Bäcker, Smeky schmecken/riechen, hext Hecht, next Nächte, bet Bett, kets K a t z e n , netsn „netzen", naß machen, meser Messer, beser besser, fest Fäßchen, meS Messing (mhd. messe), weS Wäsche, mener Männer, brenan brennen, Stendik „ständig", immer, kendl Kännchen, hent Hände, entfery antworten (mhd. entwürfen; vgl. Bb. Gr. 150), fentster Fenster, mentS Mensch, gwelb „Gewölbe", Laden (mhd. gewelbe), Stein stellen, wein wollen (mhd. wellen), gafeln gefallen (vgl. Bb. Gr. 119), eint „elend", einsam (mhd. eilende), welxer welcher, heldzl „Hälschen", Gänsekragen,

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Die Selbstlaute

elter älter, feltSn fälschen. So auch vor r in gsderim Gedärme, erger ärger, schlechter. b) vor y als ei (vgl. § 4 , i b ; § 1 1 , 2): uifheiygsn aufhängen, leiyger länger, tsweiygl kleine Zange, seiyk „ S c h e n k e " , Wirtshaus, kreiyk Krankheit (mhd. krenke),beiykan „ b a n g e n " , sich sehnen, beiykl Bänkchen. c) vor r in der Mehrzahl der Fälle als a: naris närrisch, dumm, onwarsmdn wärmen, uisfarbm färben, arbl Ärmel, fartik fertig. 2. soweit es im Nhd. gedehnt wurde, a) teils ebenfalls als e: nemsn Namen Mz., Semsn zax sich schämen, teg Tage, wegdld Wägelchen, kegy gegen, redn reden (vgl. B b . Gr. 168), Stell Städtchen (mhd. stetelin), glezer Gläser, jener jener (vgl. B b . V o k . 128), grendts Grenze; so auch vor r: trer Träne (mhd. traher, nach der Mz.), gswer Gewehr, swery schwören (mhd. swern), ferd Pferd, gertner Gärtner. b) teils als ei\ uifheibm aufheben, heiwn Hefe (vgl. Ber. ZPhon. 3, 33), leigy legen, keit K e t t e (mhd. keten), eizl Esel, tseiner Zähne, einikl E n k e l (vgl. Ber. D P h A . 1, 1562), tseiln zählen. Hierher gehört wohl auch fatseih K o p f t u c h (spätmhd. *fatzalin < fatzanetlin < it. fazzoletto; vgl. F . K l u g e - A . G ö t z e , Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache 1 5 , Berlin 1951, 787; J. A . S c h m e l l e r , Bayerisches Wörterb u c h 2 , bearb. von G. K . Frommann, München 1 8 7 2 — 7 7 , 1, 780; Mieses 239). A n m e r k u n g . Umlaut in einem Worte nichtdeutscher H e r k u n f t liegt v o r bei rebd R a b b i (ha. rabbi); vgl. B b . H a E l . 24, 42f., 5 1 ; Ber. D P h A . 1, 1567; Ber. Noung. 20; Fischer 23 (dazu rebdtsn Rabbinerin; vgl. B b . H a E l . 51). Vgl. ferner § 13, A n m . § 10. Mhd. se erscheint (vgl. Gerzon 24) 1. zumeist als e: spet spät, retsnis „ R ä t n i s " , Rätsel, retax Rettich, kez Käse/Quark, Spendlax Spänchen Mz., feler Fehler,zeldd ein w. P N . (mhd. sselde), ler leer, Swer schwer, Ser Schere, heriyg Hering. 2. seltener als ei: Sweigery Schwägerin, neidn nähen, dreisn drehen. 3. als ijia (vgl. § 3, 1 b y) in gixlgiax schnell (mhd. gxhe\ vgl. B b . Vok. 128; Ber. ZPhon. 3, 32). § 11. Mhd. e erscheint (vgl. Gerzon 21 f.) 1. im allgemeinen durchwegs als e: web „ W e b e " , Leinen, Swebdlax „Schwefelchen", Zündhölzer, gebm geben, lebrn leben/neben, epas etwas, nepl Nebel, klepm kleben, fefer Pfeffer, leftsn „ L e f z e n " , Lippen, dem dem/den, brem Augenbraue (eher mhd. brem als mhd. brä), netmn

Die e - L a u t e

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nehmen (vgl. B b . Gr. 147), weg W e g (vgl. unten), zeg Säge (mhd. sege), regy Regen, fregy fragen (mhd. vregen), galegy gelegen, awek weg (vgl. oben), Srek Schreck, lekax A r t Bonbons (zu „lecken"), zeks sechs, brexn brechen, ütexn stechen, rext recht, Slext schlecht, jeder Feder, bret Brett (vgl. Bb. Gr. 116), bein „beten", bitten, etlaxa etliche, bezdm Besen, es es, esn essen, presn „pressen", bügeln, fargesn vergessen, gazesn gesessen, nest Nest, mestn messen, tsen zehn, zen sehen, gawenjgawezn gewesen, genatsn gähnen, mel Mehl, gel gelb, keler Keller, helfn helfen, melky melken, gelt Geld, weit Welt, Seltn schelten; so auch vor r im Falle nhd. Länge: er er, der der, aher her, swer Schwiegervater (mhd. sweher), erd Erde, gerstn Gerste, lamterna Laterne, lernan lernen, st er 7) Stern, gery gerne, wery werden, perl Perle. 2. vor y als ei (vgl. § 4, i b ; § 9, i b ) : breiygan bringen (mhd. bringen). 3. vor r im Falle nhd. Kürze als a: har Herr, Sarbm Scherben, sarwer Aufwärter bei Hochzeiten usw. (zu afrz. serv-), warfn werfen, barg Berg, harts Herz, karS Kirsche (mhd. kerse; vgl. Ber. ZPhon. 3, 33). § 12. Mhd. e erscheint (vgl. Gerzon 24) 1. im allgemeinen durchwegs als ei: snei Schnee, leib Löwe (mhd. lewe), eibik ewig, weitog Schmerz (mhd. wetac), gein gehen, Stein stehen; so auch z. T. vor r (vgl. § 3, ib/5): zeier sehr, eiernextn vorgestern (mhd. er + nehten, s. § 46, 6b). 2. vor r z . T . als e: mer mehr, lerer Lehrer, erlax ehrlich, farkert verkehrt, falsch, erU erst. A n m e r k u n g . Unklar ist die Einordnung von zei sie Mz., dazu zeier ihr (vgl. Bb. Gr. 41 f.), sowie von pensts Brotscheibe (vgl. S c h m e l l e r , Bayer. W b . 1, 393; Mieses 206). § 13. Mhd. ö erscheint (vgl. Gerzon 23), 1. soweit es im Nhd. kurz geblieben ist, als e: tsep Zöpfe, tepl Töpfchen, kepl Köpfchen, knepl „Knöpfchen", Knopf, Seps „Schöps", Schaf, efsnan öffnen, lexl Löchlein, texterl Töchterchen, sleser Schlösser, kensn können (ebenso ken kann), zelner „Söldner", Soldat (vgl. Ber. D P h A . 1, 1562); so auch vor r : mer Möhre (mhd. mörhe), kerbl Körbchen, werter Wörter, merzl Mörser, herner Hörner. 2. soweit es im Nhd. gedehnt wurde, a) im allgemeinen als ei: eiwala Öfchen, feiglan Vögel, gaweindlax gewöhnlich. b) infolge früher neuerlicher Kürzung des Selbstlautes im Grundworte mhd. grop (vgl. § 25, 2b) als e in grepsn rülpsen (vgl. S c h m e l l e r , Bayer. W b . 1, 1007). 2

B e t a n e k , Pinskef Jiddisch

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D i e Selbstlaute

A n m e r k u n g . Von Wörtern nichtdeutscher Herkunft zeigen Umlaut eines j. o penimer Gesichter (zu ponim, s. § 6, 2), beblax Bohnen (zu bobl, s. § 28,1), kneitl Docht (zu knot, s. ebd.); vgl. Bb. HaEl. 24, 42f., 51; Ber. DPhA. 1, 1567; Ber. Noung. 24; Mieses 116 f. Vgl. ferner § 9, Anm. 1. § 14. Mhd. es erscheint durchwegs (vgl. Gerzon 25) 1. im allgemeinen als ei: flei Flöhe, hei% Höhe (vgl. 2), neitik nötig, beiz böse, greiser größer, Steisl „Stößel", Mörser, treistn trösten (danach, nach Ausweis des Sj., treist Trost; vgl. Bb. Gr. 133), sein schön, freilax fröhlich. 2. vor r als e: rer Röhre, Rohr, hery hören. Ebenso, infolge junger Kürzung des Langselbstlauts, in hexer höher (vgl. 1; ferner Bb. Gr. 40; Mieses 90, 144). § 15. Ha. g, e, z. T. auch e erscheint 1. in ursprünglich geschlossener Silbe a) im allgemeinen als e (vgl. Bb. HaEl. 29, 31): xewrs Gesellschaft in abfälligem Sinn (ha. h$brä), eßer vielleicht (ha. \pSär), hegdaS j. Spital (ha. hgkdes), hezik Verlust (ha. h$zzek), ester w. PN. Esther (ha. 'gster), hespdd Totengebet (ha. h$sped), xeibm Rechnung (ha. h(Sbön), Sed Dämon/ dämonischer Mensch (ha. sed), get Scheidebrief (ha. get), bezdn.]. Gericht (ha. bet-din), nes Wunder (ha. nes), tiltel Unordnung (Expressivbildung zu ha. tel). So auch vor r in ger Proselyt/Mischling (ha. ger). b) vor r als a (vgl. Bb. HaEl. 24) in xarpa Schande (ha. hgrpä). 2. in ursprünglich offener Silbe a) seltener als e (vgl. Bb. HaEl. 27, 31): xesdd Gnade (ha. h$sgd), erdw Rüsttag vor einem Feiertag (ha. derax Weg, abstr. (ha. d$rgk), weist Speiseröhre (ha. ues$t). emds Wahrheit (ha. 'em$t), eldl Elul, ein Monat (ha. 'elül) sind nach Ausweis des Sj. (vgl. Bb. Vok. 128; Bb. HaEl. 29) besser bei i a einzureihen. b) zumeist als ei (vgl. Bb. HaEl. 27f., 31): keiwer Grab (ha. k$b$r), xeider Cheder, j. Grundschule (ha. h(d$r), peisax Osterfest (ha. p$sah), meilax König/König im Kartenspiel (ha. m$l(k), tseilom Kreuz (ha. s$l$m), peiasn Schläfenlocken (ha. pe'öt), gneiws/ganeiws Diebstahl (ha. g'nebä), treifs rituell unrein (ha. terepä), mageifd Seuche (ha. maggepä), maxsseifs Zauberin, Hexe (ha. m^kasepä; vgl. Ber. Noung. 21), seifer Buch religiösen Inhalts/Thorarolle (ha. seppr), bsheima Kuh (ha. behemä), seixl Verstand (ha. sekgl), seider Seder, Osterabend (ha. sed$r), ganeidim Paradies (ha. gan-'edgn), Seidirn Dämonen (ha. Sedim), eitss Rat (ha. 'esä),

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heiser „Kaiser", Zar (ha. kesär), naweird Sünde (ha. 'aberä), xaweirim Freunde (ha. häberim), keild Gefäß (ha. keli\ vgl. Bb. Vok. 130). Ha.e'1 erscheint als eia (vgl. § 3, 1 b y): reiax Geruch (ha. reäh). § 16. Sl. e erscheint 1. teils als e: tSepan verbinden, zusammenheften (zu p., wr. cep-), breg Ufer (älter-p. *brig), wedma Zauberin, Hexe (r. v&cCma), smetana Schmetten (osl. smetana), kletsk ON. Kleck, wesla Ruder (ukr., r. veslo), reit Rest (p., ukr., wr. reSta), endik Trathahn (wohl < p.-ma. *endyk, vgl. E. B e r n e k e r , Slavisches etymologisches Wörterbuch, 1. Bd. 2 , Heidelberg 1924, 430), persik Pfirsich (osl. persik). A n m e r k u n g . Polnisches g müßte je nach der Artikulationsstelle des nachfolgenden Mitlauts durch em, en, eiy (vgl. § 17) wiedergegeben werden; vgl. § 28,1. Hierhergehörige Beispiele wurden zufällig keine aufgezeichnet. 2. teils, und zwar in älteren Entlehnungen, als ei: zeida Großvater (älter-p. *dzid, wr. d'zed), pleitsa Schulter (p. plecy), xrein Kren, Meerrettich (wr., r. chrin), beila w. PN. Bele (sl. Bila; oder rom. Bella?). Ebenso erscheint die sl. Lautgruppe ej: baleia Waschtrog (wr. baleja). § 17. Für die kurzen e-Laute (außer in der z. T. sonderbehandelten Stellung vor r und x\ s. unten) besitzt das Gesamt jiddische die einheitliche Entsprechung e (vgl. Mieses 2of., 51; Bb. Vok. 128, 130; Bb. Umschr. 104t.). Im Bereiche der langen e-Laute ist das Westjiddische vom Ostjiddischen insofern deutlich unterschieden, als jenes für beide nur die eine Lautung ei, die örtlich auch als ai, e, i gesprochen wird, kennt (Bb. Umschr. 104!), dieses aber für sie über zwei phonologisch streng getrennte Entsprechungen verfügt (vgl. Ber. DPhA. 1, 1569; Ber. ZPhon. 3, 32; Mieses 20ff., 51). Die lautliche Realisierung dieser beiden Phoneme ist in den einzelnen Teilgebieten des Ostjiddischen verschieden. Das eine, im Birnbaumschen (nur für das Ost jiddische gültigen) Transkriptionssystem mit e (Bb. Vok. 129) bezeichnete, ist im Südjiddischen seit dem 17./18. Jh. (vgl. Bb. Umschr. ggf., 104) ei (dessen erster Bestandteil im Osten geschlossener klingt als im Westen; vgl. Bb. Vok. 126, 129; Bb. Gr. 14, 184), im Nordjiddischen e (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 17; Ber. DPhA. 1, 1573); hier ist also diese Gruppe der langen e-Laute mit den kurzen e-Lauten zusammengefallen. Die e/ei-Linie, südlich derer weigala, steitl, feisrd, reitvx, keiz, leiar, geibm, freigy, zein, keilsr, heism, xeisad gesprochen wird, fällt mit der o/u-Linie (vgl. § 8) im wesentlichen zusammen. Der Übergangsstreifen (vgl. § 67) zeigt in 2*

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seiner östlichen Hälfte — von Südpolesien über Shitomir bis Poltawa — im allgemeinen die Lautung i bzw. durch nachträgliche Kürzung i (vgl. Bb. Vok. 127f.; Ber. DPhA. 1, 1574): wigdh, Stitl, fidrd, rltvx, klz, lisr, gibm, frigj), zin, kifor, hidrn, xisad bzw. wigdh, stitl, fird, ritvx, kiz, lir, gibm, frigy, zin, kilsr, kirn, xisad. (Doch dürfte der in § 10, 3 erwähnte Fall mit dieser Erscheinung nichts zu tun haben.) Das andere, von Birnbaum mit sei (Bb. Vok. 129) transkribierte Phonem lautet im Polnisch-Jiddischen seit dem 17./18. Jh. (vgl. Bb. Umschr. 98, 104!) ai (vgl. Bb. Vok. 127, 129t.; Bb. Gr. 1 3 , 1 8 3 1 ; Ber. DPhA. 1, 1561, 1573f.): haiwn, ainikl, tsailn, naisn, snai, gain, zaidr, Sain, mailvx, traifd, zaidv, xrain. Ihm gegenüber bildet das Ukrainisch-Jiddische zusammen mit dem Nordjiddischen ein geschlossenes Gebiet mit der ursprünglicheren Lautung ei (vgl. Bb. Vok. 127, 129!), deren erster Bestandteil im Süden offener klingt (äi) als im Norden (vgl. Bb. Vok. 1 2 9 I ; Bb. Gr. 13, 18, 184; S. B i r n b a u m in Teuthonista 9 [1933], 180; Ber. DPhA. 1, 1573 t.; über äi im Kurländisch-Jiddischen vgl. Ber. DPhA. 1, 1573; Fiscl er 97). Die ei/ai-Linie bildet im ersten Teile ihres Verlaufes von der ostpreußischen Grenze an, in dem sie mit der o/uLinie (vgl. § 8) zusammenfällt, einen Teil des Grenzlinienbündels zwischen Südjiddisch und Nordjiddisch (vgl. § 67), wird aber sodann, indem sie von diesem bei Brest-Litowsk abzweigt, hierauf bugaufwärts läuft, Ostgalizien zwischen Stanislau und Kolomea durchquert und dann den Kamm der Waldkarpathen überschreitet, um sich im Nordosten des Pannonischen Raumes (Karpathenukraine und Nordsiebenbürgen) noch ein Stück fortzusetzen (vgl. Ber. DPhA. 1, 1574; Ber. Noung. 12; Fischer ioof.), zur wichtigsten Grenzlinie innerhalb des Südjiddischen, da sie dessen westliche Untermundart, das Polnisch-Jiddische, von der östlichen, dem Ukrainisch-Jiddischen, trennt; deren Bezeichnung als ai- bzw. äi-Mundart (vgl. Bb. Gr. 16) ist ebenfalls unzweckmäßig, da das ukrainisch-jiddische äi-Gebiet nur ganz allmählich in das nordjiddische ei-Gebiet überzugehen scheint. Die Ursache der Doppelentsprechung der langen e-Laute im Ostjiddischen, deren Verteilung auf die historischen Laute noch einer eingehenderen Untersuchung bedarf, ist wahrscheinlich in der Vermischung zweier oder mehrerer Mundarten bei der Entstehung des Ost jiddischen zu suchen. Vgl. auch § 37In der Stellung vor r und x haben die kurzen e-Laute — ähnlich wie die kurzen i- (vgl. § 24) und u-Laute (vgl. § 34) — zumeist eine Sonderbehandlung erfahren, indem sie nämlich zu a geöffnet werden konnten. Vor r kennt diesen Wandel das gesamte Jiddische, wenngleich er im

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Ostjiddischen nicht in allen zugehörigen Fällen durchgeführt ist (vgl. Bb. Vok. 123, 128, 130; Gerzon 28; Mieses 22; Ber. Noung. 20, 22, 24). Vor x sind die kurzen e im Ostjiddischen gewöhnlich erhalten (vgl. Bb. Vok. 128, 130; Ber. ZPhon. 3, 32); doch reicht die westjiddische aLautung (haxt, braxn, staxn, raxt, Slaxt, taxtdrl) in Gestalt eines zungenförmigen Gebietes von Schlesien über Krakau, Tschenstochau und Wielun bis Warschau ins Polnisch-Jiddische herein (vgl. Mieses 22). Über *e > eia s. § 3, i b y. Der Wandel von e > ei vor y, eine Parallele zu dem Übergang von a > ai in derselben Stellung (vgl. § 8), ist ebenfalls auf Teile des Ukrainisch-Jiddischen sowie des Nordjiddischen beschränkt (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 18; Ber. DPhA. 1, 1574); doch ist von dieser Erscheinung die uns etwa in der Karpathenukraine entgegentretende Verengung des e (vgl. Ber. Noung. 20, 22) sowie auch des (sonst offenen) i (vgl. ebd. 26ff.) vor j) nicht zu trennen (vgl. auch Mieses 36). c) D i e i - L a u t e § 18. Mhd. i erscheint (vgl. Gerzon 22) 1. im allgemeinen als i: zi sie Ez., tsibsld Zwiebel (mhd. zibolle), biber Biber, zibm sieben (Zahlw.), gdsribm geschrieben, zip Sieb, rip Rippe, Up Lippe, farliwert geronnen (zu mhd. liberen; vgl. Ber. DPhA. 1, 1562), im (neben em) ihm/ihn, stima Stimme, himl Himmel, tsimriyg „Zimtrinde", Zimt, tsig Ziege, swiger Schwiegermutter (mhd. swiger), ligD liegen, strik Strick, zixer sicher, uisrixtn „ausrichten", ausstatten, gad'ixt dicht, griyg „gering", leicht an Gewicht, fiyger Finger/Zehe, ziygan singen, diygsn „dingen", beim Kauf handeln, riygl „Ringlein", Fingerring, ingberjiygbert Ingwer, trirjkan trinken, hiykan hinken, smid Schmied, wider wieder, biter bitter, kitl Kittel, ein rituelles Gewand, kwitl Zettel (vgl. mhd. quit-brief), gasnitn geschnitten, spits „Spitze", Turm, zitsn sitzen, iz ist, bist bißchen, wisn wissen, garisn gerissen, mist Mist, fis Fisch, pisn harnen (mnd. pissen), tswiSn zwischen, nit\niU nicht/nichts, in in, ahin hin, bin Biene, apisin „Apfelsine", Orange, antrinsn entrinnen, gdjinsn finden, kind Kind, blind blind, lindzn Linsen, wint Wind (wintmil Windmühle), tint Tinte, winter Winter, Sprintsd w. PN. Sprinze (mhd. sprinze „Sperberweibchen"; vgl. die j. w. PN. Taube, Vögele), fintster finster, dinstik Dienstag, spil Spiel, stil still, grild Grille, zilber Silber, milx Milch, bilx notwendig (mhd. billich), bild Bild; ebenso vor r im Falle nhd. Länge: ir ihr, mir mir/mich/wir, tßr dir/dich, Smiraxts Wagenschmiere, hirz Hirse. Statt einfachem i

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erscheint mitunter ia (vgl. § 3 , 1 b y) in ixjiax ich, zix/ziax sich (vgl. Bb. Gr. 42; Ber. Noung. 26; Ber. ZPhon. 3, 32; Mieses 36). 2. vor r im Falle nhd. Kürze a) teils als e: herS Hirsch, Stery Stirn (im Sj. durch Dehnung Ueiarn, s. Bb. Vok. 129; doch ist hier auch stiarn zu belegen, s. Ber. Noung. 26). b) teils als a: barg Birne (vgl. § 24; Ber. ZPhon. 3, 33). § 19. Mhd. ü erscheint (vgl. Gerzon 23) 1. im allgemeinen als i: iber über (iberjor „Überjahr", Schaltjahr), fimfjfinaf fünf, ligy Lüge, stik Stück, brik Brücke, driky drücken, kix Küche, tsixtik sauber, korrekt (mhd. zühtec), jiyger jünger, jid Jude (mhd. jüde; vgl. Ber. DPhA. 1, 1562), sitn schütten, Sisl Schüssel, kisn Kissen (mhd. küssen), zin Söhne (zu mhd. suri), ontsindn anzünden, hintl Hündchen, kintstler Künstler, wintsn wünschen, mil Mühle. Häufig auch vor r, und zwar nicht nur im Falle nhd. Länge: tir Tür, fir für (vgl. 2b), gawirts Gewürz, kirtser kürzer. 2. vor r im Falle nhd. Kürze zumeist a) teils als e: weram Würmer, terk Türke. b) teils als a: badarfn „bedürfen", dürfen, fartax Schürze (mhd. vürtuoch; vgl. i), gartl Gürtel. § 20. Mhd. ie erscheint (vgl. Gerzon 27) 1. im allgemeinen als i: di die, tsian ziehen, flian fliegen (vgl. unten), üb lieb, grib Griebe, fiber Fieber, brif Brief, tif tief, dimant Diamant (mhd. diemant), flig Fliege (vgl. oben), spigl Spiegel, lixt Licht, ganit erfahren (mhd. geniet), sisn schießen, farslisn verschließen, zuschließen, dinan dienen; ebenso vor r im Falle nhd. Länge: fir vier, farliry verlieren, frobirr) „probieren", prüfen. Einfaches i wechselt mit ia (vgl. § 3, 1 b y) in krixn/kriaxn kriechen. Im Worte „jetzt" (mhd. ieze, iezuo, iezunt), das sich im Gesamt jiddischen durch eine bemerkenswerte Mannigfaltigkeit und Fülle der Formen auszeichnet (s. dazu hinsichtlich des Ostjiddischen N. P r i l u z k i in der Landaufestschrift, Wilna 1926, 345ff.; vgl. auch Bb. Gr. 107; Gerzon 127), erscheint der Laut zumeist regelrecht als i. In Pinsk wie fast allgemein im Nordjiddischen gilt itster, im Südjiddischen neben seltenerem itstar, itstart, hitstart gewöhnlich itst und hitst, im Sudeten]iddischen itsa, itst, hits, hitst, hitsant. Nur in Großpolen sowie im Jungjiddischen erscheint jetst, seltener jetsind, jetsnd, jetstar, jetsntar, desgleichen im Kurländischen Jiddisch jets. Daneben sind örtlich vereinzelt auch die durch Verschiebung des Worttones entstandenen Formen atsünd, aisündart, atsind, atsindar, atsindart, atsindatar, tsind, tsindar zu hören (vgl. Ber. DPhA. 1, 1562). In einem

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zentralen Gebiete um Brest-Litowsk und Warschau wird jedoch erSt, eidrSt, heiarSt „erst" bevorzugt. Für „jeder" (spätmhd. ieder) gilt neben ithxer (mhd. ietlich\ vgl. Bb. Gr. 43; Mieses 1 5 7 ! ) auch jeder (vgl. § 49, 1). „jemand" (mhd. iemen) lautet imdtser und emdtser (vgl. Gerzon 52, 126; Bb. Gr. 43; Mieses 157!). jemls (neben dentis) damals (im übrigen Oj. ist jemlt, demlt gebräuchlicher; vgl. Bb. Gr. 122, 135) ist ähnlich als mhd. *iemäles anzusetzen (vgl. § 49,1). 2. vor r im Falle nhd. Kürze als e: ergdts irgend (mhd. iergen), fertl Viertel, fertsik vierzig, fertsn vierzehn. §21. Mhd. üe erscheint als i (vgl. Gerzon 26): mi Mühe, rib Rübe, farggnigT) Vergnügen, nixter nüchtern, mid müde, brider Brüder, Min hüten, zis süß, fis Füße, grin grün, firy führen. Wechsel von einfachem i mit ia (vgl. § 3, r b y) zeigen SixjSiax Schuhe, bixl/biaxl Büchlein, tixljtiaxl Tüchlein. § 22. Ha. i, l erscheint 1. im allgemeinen als i (vgl. Bb. HaEl. 29, 31): tlid Galgen (ha. tHiiä), jomkiper Versöhnungstag (ha. jöm-kippür), rifkd w. PN. Rebekka (ha. ribkä), simxd Freude/Feier (ha. simhä), nigy Melodie (ha. niggün), Siker betrunken/Trinker (ha. Sikkör), jixds vornehme Abkunft (ha. iihüs), sider Gebetbuch (ha. siddür), Sidax Heirat, Partie (ha. Siddük), mizrax Osten (ha. mizräh), kislsw Kislew, ein Monat (ha. kisleu), kissf Zauberei (ha. kiiSüp), mindg Sitte (ha. minh&g), kdhils j. Gemeinde (ha. kehillä), tfiln Tephillin, Gebetriemen (ha. tepillin), tswi m. PN. Zwi (ha. sebi), matsis Gelegenheitskauf (ha. mesi'ä), msnid Fehler, Hindernis (ha. meni'ä), jsSiws Talmudschule (ha. jfSibä), siwn Siwan, ein Monat (ha. siuäri), ftdgims Fehler (ha. pegimä), taxrixim Sterbekittel (ha. takrikim), xsidim Chassidim (ha. häsidim), Sxits Schächtung/Tötung (ha. sehitä), tsitsss Schaufäden (ha. sisit), bris Beschneidung (ha. berit), tfiss Gefängnis (ha. t^pisä), nisn Nisan, ein Monat (ha. nisäri), din Religionsgesetz (ha. din)) vortonig in misnagsd Nichtchasside (ha. mitnagged). Ebenso vor r, und zwar nicht nur in ursprünglich offener Silbe: ir Ijar, ein Monat (ha. *iiär), mirl Kf. zum w. PN. Mirjam (ha. miriäm), gwir reicher Mann (ha. gebir), Sir Lied (ha. Sir), xazirnik Schweinefleischesser (ha. häzir + ukr. -nyk, s. § 46, 4 d). Ha. i" erscheint als ia (vgl. § 3 , 1 b y): maSiax Messias (ha. maSiäh). 2. vor r in ursprünglich geschlossener Silbe als e (vgl. Bb. HaEl. 24) in berjs Kraftmensch (ha. biriä).

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3. in einigen Fällen auch vor Zahnlauten als e (vgl. Bb. HaEl. 22, 24t.): basmedraS Synagoge (ha. bet-midräs), gensrn Hölle ( < *gahenam', ha. gehinnöm); vgl. Ber. Noung. 26. § 23. Sl. i, y erscheint, obgleich die beiden Laute durchaus nicht identisch sind, in der Regel gleicherweise als i: firifiat FIN. Pripet, bik Stier (sl. byk), brikdwan zax herumtollen (zu sl. bryk-), pikswdn zax stottern (zu ukr. pikaty), farhikdndn zax dass. (zu ukr. za-hykaty), sirjka Waschblau (wr. sinka), ftlita Kochherd (r. filita), lita Litauen (si. Litva), fiisk Maul (sl. fiysk), brisk ON. Brest-Litowsk (ukr. Brist), jiz Igel (ukr. jiS), kiskas Gedärme (zu sl. kiHka), rina Dachrinne (p., ukr., wr. rinna), krinitss Quelle (sl. krinica), ftinsk ON. Pinsk, keisarina „Kaiserin", Zarin (keiser, s. § 15, 2b + sl. -ina), kila Bruch, mediz. (sl. kila); vortonig in sibir Sibirien (osl. Sibir), tsitrin Zitrone (p., ukr. cytryna), titim Tabak (wr. tytun). Auch vor r: stir FIN. Styr, sibir Sibirien (osl. Sibir). § 24. Im Südjiddischen, wo der Bestand an i-Lauten durch den dort eingetretenen Wandel von u > i (vgl. § 34) gegenüber dem Nordjiddischen eine beträchtliche Bereicherung erfahren hat, sind die kurzen i-Laute von den langen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ unterschieden, indem die ersteren im allgemeinen offen (i; vgl. Bb. Vok. 127; Bb. Gr. I2f., 184; Mieses 36, 57), die letzteren aber sowohl bei erhaltener Länge (i; vgl. Bb. Vok. i2Öff.; Bb. Gr. I2f., 184) als auch nach sekundärer Kürzung (i; vgl. Ber. Noung. 26, 28ff.) stets geschlossen gesprochen werden. Im Nordjiddischen (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 17, 184) sowie auch in einem Teile des Ukrainisch-Jiddischen (vgl. Bb. Gr. 12f., 184) besitzen die kurzen i-Laute ausnahmslos geschlossene Qualität. In der Stellung vor r entspricht den kurzen i-Lauten im Jiddischen selten i; Wörter wie üirm Schirm (vgl. Ber. Noung. 26), bims Glühbirne (vgl. § 18, 2b) u. ä. sind unschwer als junge Entlehnungen aus dem Nhd. zu erkennen (vgl. Ber. DPhA. 1, 1565). Zumeist sind sie teils zu e (vgl. Bb. Vok. 128, 130; Gerzon 28; Mieses 36, 38, 57), das auch in der j. Schriftsprache gilt, teils zu a (vgl. Bb. Vok. 1 2 3 ! , 130; Mieses 37f., 57) geöffnet worden; restlos durchgeführt ist der Wandel ir > ar nur in einem an das westjiddische Sprachgebiet Schlesiens sich anlehnenden Teile des Polnisch-Jiddischen. Vor x erscheinen die kurzen i-Laute im Nordjiddischen als i (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 22), im Südjiddischen zumeist als e (zexgr, hex, lext; vgl. Bb. Vok. 129; Bb.

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Gr. 22, 29; Mieses 36, 57; Ber. ZPhon. 3, 32) bzw. in dem oben genannten Gebiete als a (zaxsr, kax, laxt; vgl. Mieses 57). Uber *i > ia s. § 3 , 1 b y. d) D i e o - L a u t e § 25. Mhd. 0 erscheint (vgl. Gerzon 22) 1. soweit es im Nhd. kurz geblieben ist, als 0: tsop Zopf, top Topf, kop Kopf, knop Knopf, tropm Tropfen, ofn offen, gglofn gelaufen (mhd. geloffen), oft oft, Sok Schock, zok „ S o c k e " , Strumpf, soklsn zax schaukeln (mhd. schocken), dokter „ D o k t o r " , Arzt, oks Ochs, noyr noch, lox Loch/ Nadelöhr, jox Joch, abstr., wox Woche, koxn kochen, tsubroxn zerbrochen, toxter Tochter, der foderUer der vordere, got Gott, slos Schloß, kostn kosten, groS Groschen (älter-nhd. Grosch), wol Wolle, wolf Wolf, folgy folgen, wolky Wolke, gold Gold, holts Holz, kolner Kragen (mhd. kolner), korb Korb, dorf Dorf, borgy borgen, morgy morgen, wort Wort, dort dort, akorSt nur (ahd. eckorödo, ekordo; vgl. mhd. ockert, ockers, ferner Gerzon 125), kory Korn, hory Horn, gdwory geworden, orntlax ordentlich; vortonig in probiry „probieren", prüfen. 2. soweit es im Nhd. gedehnt wurde, a) im allgemeinen als ei: eibm oben, eips Obst, eiwn Ofen, heif Hof, feigl Vogel, gdfleigy geflogen, heiker Höcker, Buckel (mhd. *hoker, nach Ausweis des Sj.), beidsm Dachboden, heizn Hosen, weinan wohnen, weil wohl, gut (weiltog Wohlergehen fmhd. woltac]; aber ungedehnt in wolwl „wohlfeil", billig), zeit Sohle, peiln Polen. b) infolge früher neuerlicher Kürzung als 0 in grob „grob", dick, knoblaxjknobl Knoblauch, honik Honig (vgl. Bb. Vok. 124, 130). c) vor r meist ebenfalls als 0: for vor (forüis „voraus", voran), bory bohren, farlory verloren, derfrory erfroren (vgl. Bb. Gr. 53). Doch lautet „ T o r " teier (vgl. § 3, 1 b ß) neben tewer\ vgl. § 26. §26. Mhd. o erscheint durchwegs als ei (vgl. Gerzon 25): //«'Floh, Strei Stroh, azei so (mhd. also), heix hoch, neit Not, breit Brot, reit rot, teit tot, greis groß, Steisn stoßen, kleister „Kloster", Kirche, Sein schon, lein Lohn, perSein Person, krein Krone. Nur „ O h r " lautet wieder eier (vgl- § 3 . 1 b ß) neben ewer; vgl. § 25, 2c. § 27. Ha. 0, 5 erscheint 1. in ursprünglich geschlossener Silbe als 0 (vgl. Bb. HaEl. 21, 28ff.): xoga christlicher Feiertag (ha. hog'ä), xoxms Klugheit (ha. hokma), korbm Opfer (ha. korbän), tow sehr gut (ha. töb), sof Ende (ha. söp),

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sod Geheimnis (ha. söd), roS Oberhaupt (ha. röS), jontaw j. Feiertag (ha. iöm-töb), kol Stimme (ha. kol), dor Generation (ha. dör); vortonig in jomkiper Versöhnungstag (ha. jöm-kippür). Die ha. Lautgruppe öi ist über oi nach § 45 > ui geworden: gut Nichtjude/Bauer (ha. goß; vgl. § 28,1. 2. in ursprünglich offener Silbe als ei (vgl. Bb. HaEl. 27, 30): Seifer Schophar, kultisches Horn (ha. söpär), Sleims m. P N . Salomon (ha. selömö), breigas erzürnt (ha. berög$z), Seixat Schächter (ha. Söhet), seixer Kaufmann (ha. söher), xeidas Monat (ha. hödgü), meitsa Brotschnitte (ha. mösa), meisd m. PN. Moses (ha. mös$), seina Feind (ha. söne), meil Beschneider (ha. möhel), geilom „Golem", Dummkopf (ha. gölgm), baseilom j. Friedhof (ha. bet-^oläm), sxeira Ware (ha. s'hörä), dweira w. P N . Deborah (ha. debörä), maneira Menora, kultischer Leuchter (ha. menörä), teira Thora (ha. törä), deiras Generationen (ha. döröt), apakeiras Freidenker (ha. 'appiköras), jedoch auch in xeiw Geldschuld (ha. höh; wohl nach der Mz.). Ha. 5a erscheint als eia (vgl. § 3, 1 b y): keiax K r a f t (ha. köäh). § 28. Sl. 0 erscheint 1. zumeist als 0: &lob Bauernlümmel (p. zlob-), bobl Bohne (zu sl. bob), kobrin ON. Kobryn, lopata Bäckerschaufel (p., ukr. lopata), kopaka Kopeke, russische Münze (p. kopiejka, ukr. kopijka), sowa Eule (p., ukr. sova), kowal ON. Kowel, rowna ON. Rowno, som Wels (osl. som), komar Stechmücke (sl. komar), tokar Drechsler (osl. tokar), mohilkas christlicher Friedhof (zu ukr. mohylky), mox Moos (osl. moch), kroxmal Stärkemehl (p., ukr. krochmal), Tod Eis (p. tod-, wr., r. Ted), knot Docht (p., wr., r. knot\ im übrigen Oj. ist knoit, kneit üblicher, vgl. Bb. Gr. 165, Gerzon 93), krot Maulwurf (osl. krot), zlota Zloty, polnische Münze (p. zloty), kapöta K a f t a n (p., ukr. kapota), da pinsker blotas die Pinsker Sümpfe (zu p. bloto), motal Schmetterling (p., ukr., wr. motyT), plotka Plötze (p. plotka), kotka Rohrkolben (p. kotko), botsan Storch (p. bocian), paparös Zigarette (p. papieros), osa Wespe (p., ukr., r. osa), kosan mähen (zu sl. kos-), postalas Bastschuhe (zu p., ukr., r. postoly), soska Schnuller (r. soska), moskwa ON. Moskau (sl. Moskva), rozirjkss Rosinen (zu p.-ma. rozinki), kosik K o r b (p., ukr., wr. kosik), rostSana Sauerteig (p., ukr. rozcyri), zontsik Schirm (wohl wr. zoncik), fona Spottname des Russen, slonim ON. Slonim, stoTar Tischler (osl. stoTar), molan zax beten, von Christen (zu ukr., wr. mol-), polak Pole/polnischer Jude (sl. PoTak), politsas Stellage (zu sl. polica), stolin ON. Stolin, goln rasieren (zu p. golic; doch vgl. Bb. Vok. 126; Mieses 98), koranas Wurzel (zu ukr. kor in.

Die o-Laute

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r. koren), horb Höcker (ukr., wr. horb), torba Bettelsack (sl. torba), smorkin smorksdik rotzig, farsmorkst verschnupft (zu osl. smork-; vgl. unten), morda K i n n (sl. morda), wjorst Werst, russisches W e g m a ß (r. 2. F. Mz. verst); vortonig in okräidts Brotanschnitt (ukr. okrajec), oströg Zuchthaus (r. ostrog), pogöda Wetter (p. pogoda), podlogd Fußboden (p. podloga), holöbfo Deichsel (p. holoble, ukr. holobU), nachtonig in okoA Barsch (p., ukr. okon), bardnowits ON. Baranovici, nasmork Schnupfen (r. nasmork; vgl. oben). Die sl. Lautgruppe oj ist nach § 45 > ui geworden: stuikd Ladentisch (r. stojka), pomuinitsa Spülicht (wohl osl.-ma. pomojnica); vgl. § 27, 1. Polnisches q. wird je nach der Artikulationsstelle des nachfolgenden Mitlauts durch om, on, oy wiedergegeben (vgl. B b . Vok. 124): dombröwitss ON. Dombrovica (zu p. dqb), farblondzan zax sich verirren (zu p. blq.dzic), droyg Stange, Knüttel/großer dummer Mensch (p. drqg); vgl. § 16, 1, A n m . 2. in einigen älteren Entlehnungen als ei: keimsn Schornstein (p., ukr., wr. komin), pleit Zaun (sl. plot), keihts ein Gebäck (p., ukr. kolac). § 29. Die Zwielautung der langen o-Laute gegenüber der Bewahrung der kurzen als Einlaute stellt ebenfalls einen wesentlichen Charakterzug des Gesamtjiddischen dar (vgl. Mieses 3 8 ! ; B b . Vok. 124, 126t., 130). Letztere werden heute fast überall offen, nur in einem Teile des Ukrainisch-Jiddischen geschlossen artikuliert (vgl. B b . V o k . 124); im ungarisch-slowakisch-karpathenukrainischen Grenzgebiet, dem Bodrogköz, hingegen sind alle kurzen 0 (auch die aus u vor r entstandenen [s. § 34] sowie die ersten Bestandteile des Zwielautes oi < ö [s. unten] und ou [s. § 38] zu a geöffnet worden (vgl. Ber. ZPhon. 3, 30, 43; Ber. Noung. 12): wax, halts, darf, saf, kassn. Die Endergebnisse der Zwielautung der langen o-Laute sind allerdings in den einzelnen Teilgebieten des Jiddischen recht unterschiedlich. Innerhalb des West jiddischen war in Deutschland einschließlich Österreichs bereits seit dem 16. Jh. (vgl. Mieses 44) eine L a u t u n g herrschend, die v o m Hörer gewöhnlich als au aufgefaßt wurde und es vielfach auch wirklich war (vgl. Ber. D P h A . 1, 1569, 1571): auwm, kauf, faugl, flau, raut, graus, Slauma, sxaurd; zumindest im deutschsprachigen West- und Nordböhmen war deutliches ou zu hören (vgl. B b . Umschr. 104; Mieses 45; Ber. D P h A . 1, 1569, 1571): ouwm, houf, fougl, flou, rout, grous, Slouma, sxours; im übrigen Sudetenjiddischen Gebiet sowie im Jiddischen Westpannoniens (Westslowakei, Burgenland, Westungarn einschließlich Budapests) wurde bzw. wird oü gesprochen (vgl. Ber. D P h A . 1, 1569, 1 5 7 1 ; Ber. ZPhon. 3, 31): oüwm, hoüf, foügl, floü, roüt, groüs,

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Die Selbstlaute

Sloürns, sxoüra. Innerhalb des Ostjiddischen gilt im Südjiddischen oi (mit offenem, nur in einem Teil des Ukrainisch-Jiddischen mit geschlossenem o; vgl. Bb. Vok. i2Öf., 130; Bb. Gr. 12, 183; Ber. DPhA. 1, 1569, 1573; Ber. ZPhon. 3, 31; Mieses 38, 48): oiwn, hoif, foigl, floi, roit, grois, sloimd, sxoira, koiman; im Bodrogköz erscheint ai (vgl. oben sowie Ber. ZPhon. 3, 30, 43; Ber. Noung. 12): aiwn, haif, faigl, flai, rait, grais, slaims, sxaira, kaiman, asaldi ON. Aszalo; das Nordjiddische hat ei (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 17; Ber. DPhA. 1, 1569, 1573; Mieses 38, 49). Der Verlauf der oi/ei-Linie, die gleichfalls zu dem das Südjiddische vom Nordjiddischen scheidenden Linienbündel (vgl. § 67) gehört, weicht nur ganz unwesentlich von der o/u-Linie (vgl. § 8) ab. Im Übergangsstreifen kommen neben überwiegenden oi- auch eiLautungen vor. Umgekehrt konnten in Pinsk vereinzelte Wörter mit ui (vgl. § 45) < sj. oi wie bluiz bloß, nur, tuids Irrtum (ha. *tö'üt statt taut, mit dem Selbstlaut des Mittelwortes tö'?), zuihar Sohar, ein kabbalistisches Werk (ha. zöhär) festgestellt werden. Formen mit o für nhd. ö wie los Los (vgl. Mieses 40; Ber. Noung. 25), tsitron Zitrone (neben tsitrln < Sl., s. § 23), kanond Kanone (vgl. Ber. Noung. 24) sind natürlich junge Entlehnungen aus dem Nhd. (vgl. Ber. DPhA. 1,1565). Sprachgeschichtlich ist diese Vielheit der lautgesetzlichen Entsprechungen so zu deuten, daß das lange 0 zuerst zu ou zwiegelautet wurde, das aber nur strichweise, wie etwa in den nordwestlichen Randgebieten des Sudetenjiddischen, von dauerndem Bestand war. Aus dieser Lautung ou hat sich einerseits das im West jiddischen vorherrschende au, andrerseits, parallel mit dem Wandel von u > ü (vgl. § 34), durch stärker mittelgaumige Aussprache oü entwickelt, das im größten Teile des Sudetenjiddischen sowie im westpannonischen Jiddischen bewahrt geblieben ist. Aus oü wiederum ist im Ostjiddischen durch Entrundung des zweiten Bestandteiles einerseits südjiddisches oi, andrerseits durch Aufgabe der mittelgaumigen Artikulation dieses im Kurländisch-Jiddischen noch durchaus wie öü klingenden (vgl. Ber. DPhA. 1, 1569, 1573; Fischer 97) Zwielautes nordjiddisches, vielfach noch mit mittelgaumigem erstem Bestandteil gesprochenes ei entstanden. (Vgl. Ber. DPhA. 1, 1561, 1569.) Die auch sonst im Nordjiddischen anzutreffenden Lautungen tewer Tor, ewer Ohr (vgl. Gerzon 22, 25, 29; ferner §45) sind gleichfalls nur aus Vorstufen mit eu < öu < öü < ou deutbar. Vgl. auch § 38. Über *ö > eia s. § 3, 1 b y.

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e) D i e u - L a u t e § 30. Mhd. w erscheint (vgl. Gerzon 23) 1. im allgemeinen als u: du du, itub „ S t u b e " , Haus, kuper Kupfer, kufert Koffer (älter-nhd. Kuffer), fuftsik fünfzig, um- Vorsilbe un-, etwa in umgazunt ungesund, umruik unruhig, umkowad Unehre (zu kowad, s. § 6, 2; vgl. Ber. D P h A . 1, 1567; Mieses 136, 146), arüm herum, krum krumm, frurn fromm (mhd. vrum), zumer Sommer (mhd. sumer), kuman kommen (mhd. kumen), ganuman genommen (mhd. *genumen), kugl „ K u g e l " , eine Speise, ruky Rücken (mhd. rucke), truky trocken (mhd. trucken), fuks Fuchs, brux „ B r u c h " , Zerbrochenes, juyg jung, tsuyg Zunge, huyger Hunger, gazuygan gesungen, fur/k Funke, tuykl dunkel, puter Butter, tuts Dutzend, smutsik schmutzig, banutsn benützen, plutsliyg plötzlich (vgl. älter-nhd. blotzling), nus Nuß, lustik lustig, kuS K u ß , un und, fun von (mhd. *vun), zun Sohn (mhd. sun)lSonne (mhd. sunne; zuntik Sonntag), duner Donner (mhd. * duner) aber donerstik Donnerstag), brunanjbrunam Brunnen, gafunan gefunden, wunder Wunder, hundert hundert, undz uns, funt Pfund, hunt Hund, gazunt gesund, unter unter, kunts Kunst, ful voll (mhd. *vul), suldik schuldig; nachtonig in geldzux Gelbsucht sowie in der Endung -uyg -ung (vgl. Gerzon 53f.; Bb. Gr. 37), etwa in meinuyg Meinung. Häufig auch vor r, und zwar nicht nur im Falle nhd. Länge: snur Schwiegertochter (mhd. snur; vgl. Ber. D P h A . 1, 1562), türm Turm, durx durch, kurts kurz. 2. vor r im Falle nhd. Kürze zumeist als 0: nor nur/sondern, snorer „Schnorrer", j. Bettler (zu „schnurren"), worsm Wurm, wortsl Wurzel, dorst Durst. § 31. Mhd. uo erscheint als u (vgl. Gerzon 26): tsu zu (tsurext zurecht, tsuzäman zusammen), ru Ruhe, suprn Schuppen Mz., blurn Blume, mums Tante (mhd. muome), gumdn Gaumen (mhd. guome), sux Schuh, bux Buch, tux Tuch, zuxn suchen, bruder Bruder, hut Hut, blut Blut, gut gut, tut (er) tut, juter Pelz (wohl unmittelbar aus dem in dieser Sonderbedeutung allerdings nicht belegten mhd. vuoter, nicht über sl. futro), muz muß (danach auch muzn müssen; vgl. Bb. Gr. 140), fus Fuß, stul Stuhl, sul „Schule", Synagoge (vgl. Mieses 24of.), multer Holzschüssel (mhd. muolter). § 32. Ha. u, ü erscheint (vgl. Bb. HaEl. 22, 29, 31) im allgemeinen als u: ksuba Heiratsvertrag (ha ketubbä), xu-pd Trauhimmel (ha huppä), mssugfi verrückt (ha. mfsuggä'), sukd Laubhütte (ha. sukkä), sutaf Teil-

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Die Selbstlaute

haber (ha. Suttäp), xewra kduSa Beerdigungsbrüderschaft (ha. h$brä *k"duSSä statt kaddlSa, infolge Verwechslung mit dem Namen des Heiligungsgebetes), ruwn m. PN. Rüben (ha. reüberi), duxanan den j. Priestersegen erteilen (zu ha. dükän), pruta Scherflein, kleinste Scheidemünze (ha. perütä), mazuza Mesusa (ha. mezüza), rus w. PN. Ruth (ha. rüt), buSa Schande (ha. büSä), psula Jungfrau (ha. betülä), purim Purimfest (ha. pürim). Auch vor r in ursprünglich geschlossener Silbe: xurbm Zerstörung (ha. hurbän). Ha. üa erscheint als ua (vgl. § 3 , 1 b y): ruax Wind/Dämon (ha. rüah). § 33. Sl. u erscheint als u: dud Krummholz am Pferdegeschirr (ukr. duha, p.-ma. dua), rubl Rubel, russische Münze (sl. ruht), slup Mast (p., ukr., wr. slup), pupik Nabel (osl. pupok), Sufla Schaufel (p. szufla), sumka Tasche (osl. sumka), ugerka Gurke (wohl p.-ma. ugörk-), zuk Käfer (sl. iuk), sud Gericht (osl. sud), pud Pud, russisches Gewicht (sl. pud), xamüt Joch (wr., r. chamut), lutsk ON. Luzk, arüiwgruzan aufladen (zu r. gruzit), pust leer (sl. pust-), kuzns Schmiede (p. kuznia), TuSna Leuchse (sl. tu§ha), puSka Schachtel (p., ukr., wr. puska), SuSkan flüstern (zu wr. suskac), wjun Schmerle (osl. vjun), titün Tabak (wr. tytun), mular Maurer (ukr. mutar), bulka Semmel (sl. bulka); vortonig in Ukrainer Ukrainer, prui&na ON. Pruzany, nachtonig in parus Segel (r. parus). Auch vor r: Stsur Ratte (p., ukr. scur), burak rote Rübe (sl. burak), turma Gefängnis (ukr., r. furma); nachtonig in katsur Enterich (ukr., wr. kacur). § 34. Zu dem das Südjiddische vom Nordjiddischen scheidenden Grenzlinienbündel (vgl. § 67) gehört auch die u/i-Linie, die nur an einigen Stellen, zumal im östlichen Polesien, um ein weniges nördlicher verläuft als die o/u-Linie (vgl. § 8). Nördlich von ihr sind die u-Laute als solche erhalten (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 17; Ber. DPhA. 1, 1570, I 573; Mieses 52), südlich von ihr sind sie seit der Wende des 15. Jh.s durch Palatovelarisierung und Entrundung über eine ü- Stufe zu iLauten ({, i, i) geworden (vgl. Bb. Vok. 126ff.; Bb. Gr. 12; Ber. DPhA. 1, 1561, 1570, 1573; Ber. ZPhon. 3, 31; Mieses 5 2 ! , 57; ferner § 24). Man spricht dort frim, dt, miz, bridar, maüga, prita, slip. Das West jiddische Deutschlands einschließlich Österreichs sowie der deutschbesiedelten westlichen und nördlichen Randgebiete Böhmens hatte ebenfalls u bewahrt (vgl. Bb. Umschr. 104; Ber. DPhA. 1, 1570!; Mieses 52), während der Hauptteil des Sudeten jiddischen sowie das Jiddische Westpannoniens die Zwischenstufe ü zeigt (vgl. Bb. Umschr. 104; Ber. DPhA. 1, 1570t.; Ber. ZPhon. 3, 31): früm, dü, müz, brüdar, masüga, prüta; das

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Elsässisch-Jiddische kennt ü für langes u (vgl. Fischer 91; Mieses 53). Die Parallelität der Entwicklung der u-Laute mit der der langen oLaute (vgl. § 29) liegt auf der Hand (vgl. Ber. ZPhon. 3, 31, Fn. 16). Daß auch das Pinsker u einst stark mittelgaumige, M-artige Aussprache besessen haben muß, die später wieder aufgegeben wurde, lassen einige Formen erkennen, in denen heutiges u von nachfolgendem Selbstlaut durch einen Übergangslaut i getrennt ist, der nur bei vorausgehendem j-haltigem Laut entstanden sein kann: uisruisn ausruhen, twuid Getreide (ha. tebü'ä), Smuisl m. PN. Samuel (ha. S'muel). In der Stellung vor r sind die kurzen u-Laute im West- und Südjiddischen noch vor dem Wandel w > ü>i zumeist zu 0 geworden (vgl. Bb. Vok. 124; Bb. Gr. 23, 29; Ber. DPhA. 1, 1574; Gerzon 28; Mieses 51): toram, dorvx, korts, xorbm. Im Bodrogköz ist dieses 0 gemäß dem in § 29 Gesagten zu a weitergewandelt (vgl. Ber. ZPhon. 3, 30, 43; Ber. Noung. 12): targm, darvx, karts, xarbm. Im Nordjiddischen ist Bewahrung des u die Regel, seine Öffnung zu 0 die Ausnahme (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 23, 29). Erstere galt ursprünglich auch in ganz Polesien, Wolhynien und Podolien, wo die u-Laute von den Entwicklungen u > i und ir > er (vgl. § 24) erfaßt wurden, so daß man heute in Südpolesien tirm, dirx, kirts, xirbm, in Wolhynien und Podolien term, derx, kerts, xerbrn spricht (vgl. Bb. Vok. 128; Bb. Gr. 23, 29; Ber. DPhA. 1, 1574). Im jungbesiedelten Neurußland (vgl. Ber. D P h A . 1, 1575) gelten die Lautungen u, i, e nebeneinander. Analoge Verhältnisse herrschen bei u vor x (vgl. Bb. Vok. 124, 129t.; Mieses 52); woxer Wucher ist sicherlich dem Sj. entlehnt, scheint aber auch dort nicht erbecht zu sein (vgl. Mieses 53; Ber. Noung. 28). Über *ü > ua s. § 3, 1 b y. f) D i e Z w i e l a u t e § 35. Mhd. ei erscheint (vgl. Gerzon 25) 1. in der Regel als ei: ei Ei, tswei zwei, leidnan lesen (zu afrz. lei-re; vgl. Ber. DPhA. 1, 1565), leim Lehm (mhd. leim), aheim heim, teig Teig, zeiger Uhr (mhd. seiger), weix weich, kleid Kleid, eidsm Schwiegersohn (mhd. eidem\ vgl. Ber. DPhA. 1, 1562), -erheit Adverbialendung -erheit (vgl. Bb. Gr. 56; Bb. HaEl. 52; Mieses 189), etwa in gdzunterheit in gesundem Zustande, kraiykerheit in krankem Zustande, blinderheit in blindem Zustande, Stilerheitlstiliykerheit still, lebsdikerheit lebend, steisndikerheit stehend, zitsndikerheit sitzend, ligydikerheit liegend usw. (doch vgl. 2a), breit breit, leiter Leiter, tsusfireitn verbreiten (mhd. zer-

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Die Selbstlaute

spreiten), tsügreitn vorbereiten (mhd. gereiten), weits Weizen, heitsn heizen, heis heiß, heisn heißen, fleis Fleisch, ein ein (Zahlw.; vgl. 2 c), Stein Stein, klein klein, nein nein, meinuyg Meinung, teil Teil, heilik heilig. Dieselbe Entwicklung hat ahd. aga (nicht aber ahd. agi, vgl. § 39) genommen: meidl Mädchen (doch vgl. 2b). 2. vereinzelt in Sonderentwicklungen verschiedener Art: a) -kait Hauptwortendung -keit (vgl. 1), etwa in heimiSkait Behaglichkeit, liblaxkait Lieblichkeit usw. (vgl. Gerzon 29, 53, 55; Bb. Gr. 36; Mieses 134; ferner V. M i c h e l s , Mittelhochdeutsches Elementarbuch, Heidelberg 1921, 50). b) muid derbe Bezeichnung eines Mädchens (vgl. Gerzon 95; ferner 1; mhd. meit). c) tswantsik zwanzig (mhd. zweinzec; ebenso im Wj., gegenüber sj. tswontsik; vgl. Bb. Vok. 125, 130; Bb. Gr. 44; Mieses 158), a, an ein, eine (unbest. Art.; wj. d, an\ vgl. Bb. Gr, 43; Ber. DPhA. 1, 1570; ferner 1), auch in amöl einmal, asax viel (ha. sak). d) elfjeldf elf (mhd. eilif), klener kleiner (vgl. Bb. Gr. 40; Mieses 144). §36. Mhd. öu erscheint ebenfalls als ei (vgl. Gerzon 25 f.): hei Heu, fardeisn verdauen (mhd. verdöuwen), gleibm glauben (mhd. glöuben, *gelöuben, nach Ausweis des Sj.), zeigy säugen/saugen, beigy biegen (mhd. böugen), leikdnan leugnen (mhd. Höukenen, nach Ausweis des Sj.), reixandn rauchen (mhd. *röuchenen), freid Freude. § 37. Dem mhd. ei, öu entspricht, von den Sonderentwicklungen abgesehen, im Westjiddischen sicherlich zumindest seit dem 16. Jh. ä < ai < ei bzw. < aü < öu (vgl. Bb. Umschr. 104; Ber. DPhA. 1, 1564, 1569; Ber. ZPhon. 3, 31; Mieses 32I), so daß hier tswä, täk, brät, häsn, fläs, st an, läkdndn, jrät gesprochen wird. Das Ostjiddische hingegen zeigt an seiner Stelle die in § 17 beschriebenen, örtlich verschiedenen Lautungen des «¿-Phonems der langen e-Laute, so daß also im Nord jiddischen ei (vgl. Bb. Vok. 130; Bb. Gr. 18; Ber. DPhA. 1, 1569, 1573; Mieses 32, 35), im Ukrainisch-Jiddischen äi (vgl. Bb. Gr. 17; Ber. DPhA. x, 1569, 1573!) gilt, während das Polnisch-Jiddische ai spricht (vgl. Bb. Vok. 126, I2gf.; Bb. Gr. 17; Ber. DPhA. 1, 1569, 1573f.; Ber. ZPon. 3, 31; Mieses 32, 35): tswai, taig, brait, haisn, flais, Stain, laikmsn, fraid. Aus diesem Grunde ist also zum Unterschied vom West jiddischen als Vorstufe der heutigen ostjiddischen Lautungen eine Entwicklung ei > e bzw. öu > 0 anzunehmen (vgl. Ber. DPhA. 1, 1564). Eine analoge Doppelentwicklung zeigt das mhd. ou (§ 38). •

Die Zwielaute

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§ 38. Mhd. ou erscheint 1. im Inlaut gleichfalls als ei (vgl. Gerzon 25): teib taub, keifn kaufen, leifn laufen, beim Baum, eig Auge, eix auch, reix Rauch. 2. im Auslaut, d. h. in den Fällen mit mhd. äw, ouw als ui (d. i. die Entsprechung des mhd. ü, s. § 45): krui Krähe (mhd. krawe), frui Frau, blui blau, grui grau (im übrigen Jiddischen dafür häufig blojblü, grojgrü < mhd. bla, grd; vgl. Mieses 16; Gerzon 24). Die Entwicklungsgeschichte der Normalentsprechungen für mhd. ou bildet eine Parallele zu der des mhd. ei, öu (§ 37). Das Westjiddische besitzt für mhd. ou zumindest seit dem 16. Jh. (vgl. Mieses ig) die Lautung ä < au u vor Mitlauten und im Auslaut h a t auch in Wörtern sl. Herkunft einen Zwielaut ou (geschr. ov, ev) entstehen lassen, der mit dem aus mhd. ü entwickelten Zwielaut zusammengefallen ist (vgl. in der Karpathenukraine douha ON. Dolha, ukr. D o v h e ; Ber. Noung. 30, 50), in Pinsk also ebenfalls als ui erscheint: pluikd Milchhaut (wohl wr. plevkä), stuip Säule, Mast/dummer Mensch (ukr., wr. stovp < *stolp). § 45. Der Entwicklung v o n mhd. i, iu ist die v o n mhd. ü im Jiddischen keineswegs parallel verlaufen. Nur im W e s t jiddischen entspricht dem ai < i, iu ein au < M (vgl. Ber. D P h A . 1, 1569; Ber. ZPhon. 3, 32): taup, jaux, haut, maus, maul. I m Ostjiddischen liegen die Verhältnisse recht verworren. Großpolen, Galizien und die K a r p a t h e n ukraine sprechen ou (vgl. B b . V o k . 126, 130; B b . Gr. 13, 183; B b . H a E l . 15, F n . ; Ber. D P h A . 1, 1569, 1573; Ber. ZPhon. 3, 32; Ber. Noung. 29; Mieses 16): toub, joux, hout, mouz, moul; im Kurländisch-Jiddischen g i l t au (oder ou?; vgl. Ber. D P h A . 1, 1 5 7 3 ; Fischer 97). I m übrigen N o r djiddischen ist, wahrscheinlich aus ou durch Palatovelarisierung u n d Entrundung, die L a u t u n g oi (mit geschlossenem 0; vgl. B b . V o k . 130; B b . Gr. 17, 183; B b . H a E l . 15, F n . ; Ber. D P h A . 1, 1569, 1 5 7 3 ; Mieses 1 6 ; Fischer 99; Gerzon 25) entstanden: toib, joix, hoit, motz, moil. Diese h a t sich strichweise —• unter Mitnahme von ha. öj (vgl. § 2 7 , 1 ) , sl. 0/ (vgl. § 2 8 , 1 ) und einiger entlehnter sj. oi < *ö (vgl. § 29) u n d mhd. ou (vgl. §38) — zu ui (mit offenem u; vgl. B b . V o k . 130; B b . Gr. 17, 183; Ber. D P h A . 1 , 1 5 6 9 , 1 5 7 3 ; Fischer 99) weiterentwickelt. Die Grenzlinie zwischen ou einerseits, oi, ui andrerseits nimmt zwar ihren A u s g a n g ebenfalls an der ostpreußisch-polnischen Grenze südlich von Suwalki, verläuft aber, Warschau im Süden umgehend, bedeutend südlicher als das wiederholt erwähnte, die Scheide zwischen dem Süd-

Die Selbstlaute der Nebentonsilben

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und dem Nordjiddischen bildende Grenzlinienbündel (vgl. § 67). D a die Lautungen oi und ui nur schwer auseinanderzuhalten sind — eine individuelle Lautung kann erfahrungsgemäß von verschiedenen Zuhörern teils als oi, teils als ui aufgefaßt werden — , sind auch ihre Verbreitungsgebiete nicht klar gegeneinander abzugrenzen; vielfach scheint es sich übrigens bei diesen beiden Lautungen lediglich um Ausspracheunterschiede zwischen den Generationen oder den sozialen Schichten zu handeln. Podolien dürfte der Ausgangsort der ebenfalls aus ou entstandenen Lautung ü sein, die nun einerseits auch in der Ukraine, andrerseits, neben oi, ui, in Weißruthenien zu hören ist (vgl. Bb. Gr. 183; Bb. HaEl. 15, F n ; Ber. D P h A . 1, 1574; Mieses 16, 20; Fischer 103). Man spricht hier tüb, jüx, hüt, müz, mül. Nur das dazwischen gelegene Polesien hat infolge seiner Abgeschiedenheit dem Eindringen der w-Formen bisher erfolgreich Widerstand geleistet. Die Lautgruppe mhd. ür besitzt, ähnlich wie die Gruppe *ör (vgl. § 29), im östlichen Polesien, aber auch in der Ukraine und bis in die Karpathenukraine hinein die Entsprechung ow (vgl. Ber. Noung. 12): mowsr, zowgr; Teile des Ukrainisch-Jiddischen kennen auch Lautungen wie bowdn, fowl u. ä. (vgl. Mieses 16).

II. Die Selbstlaute der Nebentonsilben §46. Die Selbstlaute der N a c h t o n s i l b e n sowie der einsilbigen Mindertonformen sind, wie im Jiddischen überhaupt, nur in den seltensten Fällen ungeschwächt erhalten geblieben; sie sind in Abschnitt I mit angeführt. Die Reihe der Selbstlaute, die in Pinsk in Nachtonsilben als Ergebnis der Abschwächung stehen können, ist jedoch bunter, als sie das Jiddische normalerweise kennt (vgl. Bb. Vok. 126, 130; Bb. Umschr. i03ff.; Bb. HaEl. i 7 f f . , 28; Ber. Noung. 31, 4 1 ; Mieses 57f.), sie umfaßt die Laute s, e, a, i, 0; manche Nachtonselbstlaute sind überhaupt geschwunden. (Vgl. auch § 47.) 1. Der allgemeine, normale Nachtonselbstlaut ist 3, ein i-haltiger Murmellaut (vgl. § 3 , i a ; ferner Bb. Vok. 126, 130; Bb. Gr. 14, 18, 26, 183; Bb. Umschr. 103f.; Bb. HaEl. 14, 16, i8f., 28; Ber. D P h A . 1, 1561; Ber. Noung. 14, 31 ff., 41; Mieses 3, 5 7 ! ; bei Gerzon stets e geschrieben, vgl. 2, 3, 6b, t), dem, besonders in Auslautstellung, in manchen Teilen des Südjiddischen ein solcher mit a- oder o-Färbung entspricht (vgl. Ber. Noung. 12). Er erscheint in allen nicht unter 2—5 behandelten Fällen, insbesondere

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Die Selbstlaute

a) als Entsprechung von nhd. -e ( < mhd. -e, -tu) in Eigenschafts-' Für- und unbestimmten Zahlwörtern (vgl. Bb. Gr. 39, 42ff.; Ber. Noung. 31 f.; Mieses 28, 140ff.; ferner 6a): guía gute, reita rote, gantsa ganze, jena jene, andara andere, welxd welche, etlaxa etliche, ala alle, ferner in w. PN. wie blumd Blume (vgl. 6a), golda Golde, zelda (mhd. sselde), sprintsa Sprinze (mhd. sprinze) sowie in den aus dem Nhd. entlehnten oder zumindest von dorther beeinflußten (vgl. Ber. D P h A . i , 1565) weiblichen Hauptwörtern muma Tante (mhd. muome), stima Stimme, sanda Schande, waild Weile, grila Grille, kanóna Kanone, lamtéma Laterne, birna Glühbirne (:barr) Birne). b) in mhd. -en, ohne Unterschied von dessen Funktion, nach Selbstlaut, m, n, r¡g, yk und nachmitlautischem l (vgl. Bb. Gr. 21, 26, 35, 50, 52; Bb. HaEl. 39, 41, 5 1 ; Ber. D P h A . 1, 1567; Ber. Noung. 32f.; Mieses 28, 31, 115, i62ff., 168, i 7 i f f . ; ferner 6b): klaian Kleie (mhd. flekt. klien), noman Name (mhd. flekt. nameri), guman Gaumen, brunan (neben brunam) Brunnen; brema n Augenbrauen (zu brem, s. § 11, 1), zaiygan Ähren (zu zaiyg, s. §4, i b ) , rublan Rubel Mz., feiglan Vögel, mozlan Masern (mnd. másele; vgl. Ber. ZPhon. 3,33); sraian schreien, neian nähen (mhd. nsejen), buidn bauen (mhd. büwen), tsisn ziehen, flisn fliegen, nemdn nehmen, human kommen, onwaraman wärmen, brenan brennen, weinan wohnen, gdfinan finden, lernan lernen, -anan -nen (vgl. Anm. 2, 3), ziygan singen, breiygan bringen, gagaiygan gegangen, beiykan „bangen", sich sehnen (vgl. § 64, 2b), obdaiykan danken, tri y kan trinken, soklan zax schaukeln, taitlan zeigen (vgl. 6e), axlan essen (zu ha. 'äköl); tsuzaman zusammen, fun wanan „von wannen", woher. Ebenso erscheinen alle übrigen nachtonigen Selbstlaute vor n in denselben Stellungen, auch in Wörtern ha. und sl. Herkunft: dimant Diamant (mhd. diemant), daian Rabbinatsbeisitzer (ha. daiiäri), alman Witwer (ha. 'almdn), gazlan Räuber (ha. gazlän), keiman Schornstein (p., ukr., wr. komin). Aus formalen, nicht aus lautlichen Gründen lautet auch die Nennformendung der meisten aus dem Sl. stammenden Zeitwörter -an: molan zax beten, von Christen (zu ukr., wr. mol-), tsefian verbinden, zusammenheften (zu p., wr. cefi-), arúiwgruzan aufladen (zu r. gruzif), kosan mähen (zu sl. kos-), farblondzan zax sich verirren (zu p. blqdzic), pasan weiden (zu p. pasé), suskan flüstern (zu wr. suskac), hafkan bellen (zu ukr. havkaty). A n m e r k u n g 1. Stammhaftes e verschmilzt mit -an zu -en: tsen zehn (mhd. zehen), zen sehen. Vgl. 2, A n m e r k u n g 2. Zum Unterschied vom Nhd. ist laut der vorletzten Silbe vor n erhalten (vgl. Ber.

der Endung Anm. 1. der SelbstNoung. 35;

Die Selbstlaute der Nebentonsilben

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Mieses 31) in efanan öffnen (mhd. offenen, *öffeneri), leikanan leugnen (mhd. loukenen, Höukeneri), reixanan rauchen (mhd. röuchen,*röucheneri)-, ähnlich auch in otaman atmen (mhd. ätemen). A n m e r k u n g 3. Manche der ursprünglich auf -an endenden, insbesondere der aus dem Sl. stammenden Zeitwörter haben die Nennformendung verdoppelt (vgl. Mieses 168f.): leianan lesen (zu afrz. lei-re), farhikanan zax stottern (zu ukr. za-hykaty), dawanan beten (s. § 7, 1). Dieses -anan, das nach A n m . 2 manche Zeitwörter auch gesetzmäßig zeigen, konnte auch auf Zeitwörter ha. Herkunft übertragen werden (vgl. B b . Gr. 52): ganwanan stehlen (zu ha. gänöb), hargdnan erschlagen (zu ha. härög), paskansn entscheiden, v o m Rabbiner (zu ha. päsük). Eine überflüssige E n d u n g zeigt auch zainanjzenan sind (mhd. st»; vgl. B b . Gr. 49). A n m e r k u n g 4. Unter Umständen ist in der Lautgruppe an das n ab- bzw. ausgefallen. Die betreffenden Beispiele s. § 54, 6. c) in mhd. -in (außer nach er, s. 6 c ; vgl. B b . Gr. 4 1 ; B b . H a E l 52; Ber. Noung. 33; Mieses 146): leiman lehmen, aus Lehm (mhd. leimin), goldan golden (mhd. goldin). A n m e r k u n g . In der Endung -an < mhd. -en und mhd. -in ist der Murmelcharakter und insbesondere auch die i-Haltigkeit des a mitunter sehr gering, so daß für sie auch die Schreibung -en in Betracht gezogen werden könnte. d) in der Verkleinerungsendung -ah ( < mhd. *-ili oder *-erli\ vgl. B b . Gr. 21, 38; B b . H a E l . 42; Gerzon 48f.; Ber. D P h A . 1, 1563, 1567; Ber. Noung. 33; ferner 6e): epala Äpfelchen, eiwala ö f c h e n , Sepsala Schäfchen (zu Seps, s. § 1 3 , 1 ) , ketsala Kätzchen, mailala „ M ä u l c h e n " , kleiner Mund, barala kleine Birne, wegala Wägelchen, feigala Vöglein, jiygala Knäblein (zu jiygl, s. 6e), ähnlich zabala kleiner Frosch (zu zaba, s. § 7 , 1). Dieser im N j . herrschenden L a u t u n g der E n d u n g steht in weiten Gebieten des Sj. -ala gegenüber (vgl. B b . Gr. 21, 38; B b . H a E l . 4 i f f . , 5 1 ; Ber. D P h A . 1, 1563; Ber. Noung. 12; Mieses 127). A n m e r k u n g 1. In der Mehrzahlform -alax (s. 3b) ist das 3 unter Einfluß des a der nachfolgenden Silbe a-gefärbt, so d a ß sie auch -vlax geschrieben werden könnte. A n m e r k u n g 2. tsibala Zwiebel ist ursprünglich keine Verkleinerungsform, sondern mhd. zibolle. A n m e r k u n g 3. Zu diesem Abschnitt sowie zu 6e und 6 j vgl. A . L a n d a u , D a s Deminutivum der galizisch-jüdischen Mundart, in Nagls Deutschen Mundarten 1 (1896), 46 ff.

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Die Selbstlaute

e) in der mhd. Zeitwortendung -ezzen (vgl. Ber. D P h A . i , 1563; Ber. Noung. 33; Mieses 182): gendtsn gähnen, xoxmatsn zax witzeln (zu xoxma, s. § 27, 1). Diese in Teilen des W j . besonders üppig wuchernde Endung (vgl. Ber. D P h A . 1, 1563) ist im Oj. doch nur verhältnismäßig selten anzutreffen. Mitunter ist ihr Selbstlaut ausgefallen wie in griltsn zirpen (zu grild, s. § 18, 1) und grepsn rülpsen (vgl. § 13, 2 b ; dazu greps Rülps; bei Gerzon 1 1 1 lautet das Zeitwort grebzen, bei Bb. Gr. 120 und Strack 44 grebafsn). f) als Sproßselbstlaut p, t, k, /, s, § (vgl. Bb. Gr. 22; Bb. HaEl. 25): eips Obst, peipst Papst (mhd. bdbes), grepsn rülpsen (zu „ g r o b " ; vgl. § 13, 2 b ; §46, i e ) , psula Jungfrau (ha. betülä), psomirn rituelles Gewürz (ha. besämim), batxn Lustigmacher bei Hochzeiten (ha. badhän), rifkd w. PN. Rebekka (ha. ribkä), hajksn bellen (zu ukr. havkaty), pjafka Blutegel (ukr., r. pjavka), nastäjkd Tauchnetz (osl. nastavka), haskors gottesdienstliches Totengedenken (ha. hazkärä). Häufig in der Zeitwortbeugung: gleipt (er, ihr) glaubt, gleipst glaubst, reist redest, zokt (er, ihr) sagt, gdzokt gesagt, frekt (er, ihr) fragt, gsfrekt gefragt, zokst sagst, blost (er) bläst, (ihr) blast. K o m m t es hiebei sekundär zum Zusammenstoß zweier gleicher Mitlaute, so tritt gemäß 1 Verschmelzung ein (vgl. Bb. Gr. 50; Gerzon 37; Mieses 71, 162, 171): ret (er, ihr) redet, garet geredet, blost (du) bläst. Umgekehrt werden die stimmlosen Mitlaute p, t, k, /, s, s vor stimmhaften Mitlauten > b, d, g, w, z, z (vgl. Bb. Gr. 29; B b . HaEl. 25): obdaiykan danken (vgl. §57, 2b), hegdss ]. Spital (ha. hqkdes), arüiwgruzm aufladen (zu r. gruzif), fuzbeiykl Fußbänkchen, bezdn j. Gericht (ha. bet-din; vgl. Bb. Gr. 114; Bb. HaEl. 24; Ber. Noung. 52, 55), xezbm Rechnung (ha. hesböri). A n m e r k u n g . Im absoluten Auslaut bleiben die stimmhaften Mitlaute, wie im ganzen Nordjiddischen, stimmhaft, zum Unter-

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Die Mitlaute

schied vom Süd- und Westjiddischen, wo sie sich in dieser Stellung wie in der vor stimmlosen Konsonanten verändern (vgl. B b . Gr. 22; Bb. HaEl. 25). b) Über vorschreitende Assimilation stimmhafter Mitlaute an stimmlose, die auch im Pinsker Jiddisch Geltung haben dürfte, vgl. B b . Gr. 22. Hier anzuführen ist antkegy entgegen (vgl. Gerzon 29,32; Ber. Noung. 40; daraus sekundär kegy gegen) und (mit weitergehender Angleichung bzw. Verschmelzung) kimpdt Kindbett (vgl. § 54, 2b). c) Zur assimilatorischen Verschmelzung (vgl. 1) von s und s vgl. uisnaitsn ausschneuzen ( < uisSnaitsn) und Bb. HaEl. 26. 3. Entwicklung von Ubergangsmitlauten. a) Ein unorganisches d bzw. t entsteht zwischen n, l einerseits und nachfolgendem z, & bzw. s, s andrerseits (vgl. Bb. Gr. 23; Ber. D P h A . 1, 1564, 1569; Ber. ZPhon. 3, 32; Mieses 94): gandz Gans, undz uns, undzer unser, lindzn Linsen, kunts Kunst, kintstler Künstler, fentster Fenster, fintster finster, ments Mensch, wintSn wünschen, haldz Hals, heldzl „Hälschen", Gänsekragen, alts alles, geldzux Gelbsucht (vgl. § 62, Schluß), falts falsch, feltsn fälschen. Anmerkung. In den wenigen feststellbaren Wörtern mit ns, ns, in denen dieser Übergangsmitlaut fehlt, wie dinstik Dienstag. eins eins, pinsk ON. Pinsk, wainsl Weichsel, Sauerkirsche, neigt das n zum Schwund unter Näselung des vorhergehenden Selbstlauts. Eine Klärung dieser Doppelentwicklung ist nur im Rahmen des gesamten Oj. möglich, das den n-Schwund unter Ersatznäselung stellenweise in weit größerem Umfang kennt. b) Ein unorganisches d entsteht zwischen n und nachfolgendem l (vgl. Ber. D P h A . 1, 1563): tsendlik Menge von zehn Stück (mhd. *zehenlinc\ vgl. § 55), gaweindlax gewöhnlich. Häufig vor der Verkleinerungsendung -l, Mz. -lax (vgl. § 46, 6e, 3 b ; Bb. Gr. 38; Bb. HaEl. 4 1 ; Gerzon 47 f.; Mieses 70): Ueindl Steinchen, kendl Kännchen, Spendlax Spänchen Mz. b) D i e

Klanglaute

§ 49. Germ, j ist (vgl. Gerzon 30; Ber. Noung. 42) 1. im Anlaut als j erhalten: jor Jahr, jener jener, juyg jung, jiygl „Jüngel", Knabe, jid Jude (mhd. jüde). jeder jeder (spätmhd. ieder\ vgl. § 20, 1) ist, wie im Nhd., durch Tonverschiebung innerhalb des anlautenden Zwielautes entstanden. Ähnlich ist jemls (neben dentis) damals (Vgl. ebd.) aus mhd. *iemäles zu erklären.

Die Klanglaute

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2. im Inlaut geschwunden: mi Mühe (mhd. müeje), neisn nähen (mhd. nsejen),

dreian d r e h e n (mhd.

drasjen).

Ha. i, ii ist im allgemeinen als j (das mit vorausgehendem a\ä, ö die Zwielaute ai, ui bildet) erhalten: jam Meer (ha. j,äm), jown Soldat (ha. iäuäri),

jixss

v o r n e h m e A b k u n f t (ha. iihüs),

jdsiwd T a l m u d s c h u l e

(ha.

H'iibä), gui Nichtjude/Bauer (ha. göi), guia Nichtjüdin/Bäuerin (ha. göj-ä), lawaia B e g r ä b n i s (ha. leuäiä),

berja K r a f t m e n s c h (ha. biriä),

daian

Rabbinatsbeisitzer (ha. daiiäri). In der Nachbarschaft von i, i ist es inlautend verstummt: tlid Galgen (ha. telii&), ir Ijar, ein Monat (ha. 'iiär), guim Nichtjuden/Bauern (ha. göiim). Ebenso fehlt es heute in kaSa Frage (ha. kaSia ; vgl. Bb. HaEl. 26) sowie in balbós Hausherr (ha. ba'al-bäiit;

v g l . § 4 1 , 1).

Sl. / (das mit vorausgehendem a, e, 0 die Zwielaute ai, ei, ui bildet) ist in allen Stellungen erhalten: jasks Zahnfleisch (zu ukr. jasla), joz Rotauge (p. jaz), jiz Igel (ukr. jiz), wjorst Werst, russisches Wegmaß (r. verst),

wjun

S c h m e r l e (osl. vjun),

pjatd F e r s e (osl. pjata),

okráidts

Brotanschnitt (ukr. okrajec), baiddk große Barke (ukr., r. bajdak), Ukrainer U k r a i n e r , baléis W a s c h t r o g (wr. balejä), stuiks (r. stojka), fiomúinitsd S p ü l i c h t (osl.-ma. pomojnica).

Ladentisch

Im größten Teil des Nj., aber auch noch in der Ukraine und bis nach Podolien und Wolhynien herein ist anlautendes j vor einem i-Laut geschwunden (vgl. Ber. DPhA. 1, 1574), so daß in diesen Gebieten idjid, ÍT)gl, ixdsjivxas, iz gilt (vgl. Gerzon 30; Mieses 97). Polesien bildet dank seiner Abgeschlossenheit eine weit nach Nordosten vorspringende Halbinsel des südwestlichen /-Erhaltungsgebietes. Man kann in Pinsk sogar umgekehrt statt ix/iax ich (s. § 18, 1) auch jixjjiax hören; vgl. auch Ber. Noung. 42 jisrsf Sauerteig < * lardp (mhd. urhap). §50. Germ, w ist (vgl. Gerzon 30; Ber. Noung. 42f.) 1. im Tonsilbenanlaut vor Selbstlauten (vor l und r ist es schon im Ahd., in kumdn kommen spätestens im Mhd. verstummt) als w erhalten: wort Wort, weil wohl, gut, warfn werfen, gdwer Gewehr, swoger Schwager, Swarts s c h w a r z ,

tswaiyg

Zange

(mhd. zwange),

tswei

zwei,

kwaljkwel

Quelle, kwitl Zettel (vgl. mhd. quit-brief), gwelb „Gewölbe", Laden. Unter Einwirkung der häufig vorausgehenden zugehörigen Zeitwortform auf -n erscheint m in mir wir (wofür das Polnisch-Jiddische indz „uns" bevorzugt; vgl. Bb. Gr. 4 i f . ; Ber. DPhA. 1, 1574; Ber. ZPhon. 3, 33; Ber. Noung. 27; Mieses 150). 2. im In-undAuslaut — außer in Zusammensetzungen wie laiwnt „Leinwand", Chiffon undsolchenmit der Adverbialendung -waiz -weise (s. §39)—

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Die Mitlaute

a) teils zu b geworden (vgl. Mieses 92): eibik ewig, arbas Erbse (mhd. areweij), iygberjirjgbert Ingwer, leib Löwe, färb Farbe (mhd. varwe). b) teils geschwunden: fardeian verdauen (mhd. verdöuweri), uisruian ausruhen (mhd. ruoweri), ruik ruhig (mhd. ruowec), ru Ruhe (mhd. ruowe), buidn bauen (mhd. büwen), gabai Dachboden (mhd. gebiuwe), hei Heu (mhd. höuwe), Snei Schnee (mhd. snew-), strei Stroh (mhd. strow-), nai neu (mhd. niuwe), gdtrai treu (mhd. getriuwe), frui Frau (mhd. vrouwe), blui blau (mhd. bläw-), grui grau (mhd. graw-), smiraxts Wagenschmiere (zu mhd. smirwen), mel Mehl (mhd. melw-), gel gelb (mhd. gelw-). 3. nach t > / geworden in entferr) antworten, entfer Antwort (vgl. Bb. Gr. 150), bromfn Branntwein (vgl. ebd. 116). tw > (tb > pb >pp >)p zeigt epas etwas. Ha. u, b erscheint in allen Stellungen als w (vgl. Bb. HaEl. 20): weht Speiseröhre (ha. uefyt), lawaia Begräbnis (ha. leuäiä), dowdd m. PN. David (ha. däuid), siwn Siwan, ein Monat (ha. siuäri), kisldw Kislew, ein Monat (ha. kisleu), tswi m. PN. Zwi (ha. s%t), gwir reicher Mann (ha. g"bir), kworasmener Mitglieder der Beerdigungsbrüderschaft (zu ha. kebäröt), dweird w. PN. Deborah (ha. dlbörä), twuid Getreide (ha. tebuä), Iwona Mond (ha. lebänä), naweira Sünde (ha. 'äberä), awröm m. PN. Abraham (ha. 'abrähäm), nddowa Almosen (ha. n"däbä), kowdd Ehre (ha. käböd), xawer Freund (ha. häber), xewr$ Gesellschaft in abfälligem Sinn (ha. h$brä), ruwn m. PN. Rüben (ha. re'üben), row Rabbiner (ha. rab), xeiw Geldschuld (ha. hob), mairsw Abendgebet (ha. ma'drib). Dasselbe gilt für sl. v: wesld Ruder (ukr., r. veslo), wed'ma Zauberin, Hexe (r. vid'ma), wjun Schmerle (osl. vjun), tswak Nagel (ukr. cvak), sowa Eule (p., ukr. sova), kowdl ON. Kowel, plawitsd Einbaum (p. plawica), moskwa ON. Moskau (sl. Moskva), litwak litauischer Jude (p. Litwak\ der Schwund des w in lita Litauen ist wohl auf Durchkreuzung der sl. Namensform Litva mit der deutschen zurückzuführen), rowna ON. Rowno; s. ferner §46, i j . Hier sei auch das etymologisch dunkle dawanan beten angereiht. A n m e r k u n g . Über die Auswirkung des ukr. und wr. Wandels von v v o r Mitlauten und im Auslaut > w im Pinsker Jiddisch s. § 44. Vgl. auch § 51, Anm. § 5 1 . Germ. I erscheint (zum Unterschied vom Poln.-J.; vgl. Ber. D P h A . 1, 1574; Ber. Noung. 43f.; Fischer 100) durchwegs als l (vgl. Gerzon 30; ferner § 3 , 2): leiter Leiter, ler leer, Hg7) liegen, farlirrj verlieren, lamterna Laterne, blut Blut, plutsliyg plötzlich, fleiS Fleisch, fluim

Die Klanglaute

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Pflaume, Hext schlecht, gleibm glauben, klein klein, lailax Leintuch (mhd. Illach), keler Keller, heilik heilig, ala alle, kalb Kalb, zilber Silber, wolf Wolf, helfn helfen, gold Gold, suldik schuldig, haldz Hals, weit Welt, seltn schelten, holts Holz, falts falsch, peiln Polen, moln mahlen/ malen, faln fallen, kolner Kragen (mhd. kolner), eint „elend", einsam, folgy folgen, balky Balken, melk y melken, milx Milch, welxer welcher, zeil Sohle, wol Wolle, Stal Stall, fuil faul, wail weil, perl Perle, ferner in den Endungen -l (s. § 46, 6e), -ald (s. § 46, i d ) , -lax -lieh (s. § 46, 3c), -liyg -ling (s. § 46, 4f). Geschwunden ist es in azéi so (mhd. also] vgl. Bb. Gr. 105). Dasselbe gilt für ha. I, II: losn Sprache/Gespräch (ha. läsön), Iwona Mond (ha. lebänä), lawaia Begräbnis (ha. leuäiä), sleima m. PN. Salomon (ha. Sflömo), Iiis Galgen (ha. teliiä), malamad j. Lehrer (ha. melammed), psula Jungfrau (ha. betüla), golas j. Diaspora (ha. gälüt), axlan essen (zu ha. 'äköl), gazldn Räuber (ha. gazlän), kislaw Kislew, ein Monat (ha. kisléu), tseilom Kreuz (ha. s$l$m), meilax König/König im Kartenspiel (ha. m$l$k), malax Engel (ha. mal'ak), alman Witwer (ha. 'almän), malka Königin/w. PN./Dame im Kartenspiel (ha. malkä), balbós Hausherr (ha. ba'al-bäpt), kol Stimme (ha. köl), meil Beschneider (ha. möhel), elal Elul, ein Monat (ha. 'elül), mazl Glück (ha. mazzäl), kals Braut (ha. kallä), talas Gebetmantel (ha. tallit), galax christlicher Priester (ha. galläh), tfiln Tephillin, Gebetriemen (ha. tepillin). Dissimilatorisch ausgefallen ist es in maxalaSdbasnik Sabbathschänder (ha. mehallel-Sabbät + p., wr., r. -nik). SI. I ist ausnahmslos durch l vertreten (vgl. Ber. Noung. 43; Mieses 98): lopdta Bäckerschaufel (p., ukr. lopata), farblondzan zax sich verirren (zu p. blqdzic), pleit Zaun (sl. plot), zlota Zloty, polnische Münze (p. zloty), slup Mast (p., ukr., wr. slup), zlob Bauernlümmel (p. zlob-), podlóga Fußboden (p. podlóga), kila Bruch, mediz. (sl. kila), keilats ein Gebäck (p., ukr. kolac), molan zax beten, von Christen (zu ukr., wr. mol-), bulka Semmel (p., ukr., r. bulka), wesla Ruder (ukr., r. veslo), postalas Bastschuhe (zu p., ukr., r. postoly). Für sl. I scheint in der Regel f eingetreten zu sein (vgl. Ber. Noung. 44; Mieses 98): iatka Puppe (p., ukr., w. fatkd), Fod Eis (p. Tod-, wr., r. Ted), TusAa Leuchse (sl. Fusña), ktamka Türklinke (p., ukr., wr. kTamka), stoTar Tischler (osl. stoTar), muFar Maurer (ukr. muTar), holóbfo Deichsel (p. holoble, ukr. holobU). In einer ganzen Reihe von Beispielen wurde allerdings ebenfalls l aufgezeichnet: lita Litauen (sl. Litva), litwak litauischer Jude (p. Litwak), polak Pole/polnischer Jude (sl. PoTak), politsas Stellage (zu sl. polica), kletsk ON.. Kleck, pleitsa Schulter (p. plecy), baléia Waschtrog (wr. bdleja), sufld Schaufel

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Die Mitlaute

(p. szufla), goln rasieren (zu p. gölte), hroxmal Stärkemehl (p., ukr. krochmal), kowal ON. Kowel, motdl Schmetterling (p., ukr., wr. motyl), rubl Rubel, russische Münze (sl. rubF). Angesichts des nur geringfügigen Unterschiedes zwischen j. I und l ist es nicht ausgeschlossen, daß es sich hier um Hörfehler handelt. A n m e r k u n g . Über ukr., wr. I vor Mitlauten und im Auslaut > m im Pinsker Jiddisch s. § 44. Vgl. auch § 50, Anm. § 52. Germ, r ist durchwegs als r erhalten (vgl. Gerzon 30; Ber. Noung. 44f.; ferner § 3, 2): rod Rad, rext recht, raisn reißen, antrinan entrinnen, breit breit, probirr) „probieren", prüfen, Sprintsa w. PN. Sprinze (mhd. sprinze), fregy fragen, drai drei, triykan trinken, Strei Stroh, sraisn schreien, greis groß, krui Krähe, inorer „Schnorrer", j. Bettler, heriyg Hering, naris närrisch, dumm, woram Wurm, korb Korb, arbat Arbeit, karp Karpfen, borwas barfuß, dorf Dorf, warfn werfen, ferd Pferd, wort Wort, gartl Gürtel, kurts kurz, merzl Mörser, hirz Hirse, herS Hirsch, dorst Durst, lernen lernen, orntlax ordentlich, perl Perle, barg Berg, morgT) morgen, terk Türke, stark stark, marx Knochenmark/ Gehirn, durx durch, bary Birne, gery gern, fory fahren, farliry verlieren, hör Haar, nar Narr, mer Möhre, zeier sehr, ferner in den Vorsilben /arver- (s. §47, 3b), der- er- (s. §47, 2a) sowie in den Endungen -er -er und -er7) -ern/-;rin (s. § 46, 2). Geschwunden ist es schon mhd. in der Vorsilbe tsu- zer- (s. § 47, 4) sowie in der foderster der vordere (vgl. Bb. Gr. 151). Ebenso verhält sich ] a. r : row Rabbiner (ha. rab), rus w. PN. Ruth (ha. rüt), bris Beschneidung (ha. b'rit), prutd Scherflein, kleinste Scheidemünze (ha. perütä), droh Predigt (ha. deräsä), treijd rituell unrein (ha. frepä), awrörn m. PN. Abraham (ha. 'abrähäm), teirs Thora (ha. törä), tsoras Unannehmlichkeiten (ha. säröt), porsts vornehmer Herr (ha. päris), mairaw Abendgebet (ha. ma'artb), jakras Teuerung (ha. iakrüt), basmedraS Synagoge (ha. bet-midräs), purim Purimfest (ha. pürim), derax Weg, abstr. (ha. d$r$k), mizrax Osten (ha. mizräh), mirl K f . zum w. PN. Mirjam (ha. miriäm), ary m. PN. Aaron (ha. 'ahärön), berjd Kraftmensch (ha. biriä), korbm Opfer (ha. korbän), xarpd Schande (ha. hqrpä), hargsnan erschlagen (zu ha. härög), sir Lied (ha. §ir), dor Generation (ha. dor), zuihar Sohar, ein kabbalistisches Werk (ha. zöhär), oder Adar, ein Monat (ha. '"dar), koser rituell rein (ha. käser). Neben taxrixim Sterbekittel (ha. takrikim) ist auch taxixim zu hören. Desgleichen sl. r: rowns ON. Rowno, ratawan retten (zu p. ratowac), brisk ON. Brest-Litowsk (ukr. Brist), pruzänd ON. Pruzany, droyg

Die Klanglaute

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Stange, Knüttel/großer dummer Mensch (p. drq.g), arüiwgruzan aufladen (zu r. gruzit), krot Maulwurf (osi. krot), xrein Kren, Meerrettich (wr., r. chrén), paparós Zigarette (p. papieros), dombrówitsa ON. Dombrowica, zaprdwa Einbrenne (p., ukr., wr. zaprava), tsitrin Zitrone (p., ukr. cytryna), okrdiats Brotanschnitt (ukr. okrajec), burak rote Rübe (sl. burak), parus Segel (r. parus), kobrin ON. Kobryn, forma Gefängnis (ukr., r. forma), torba Bettelsack (si. torba), morda Kinn (si. morda), persili Pfirsich (osi. persik), wjorst Werst, russisches Wegmaß (r. vèrst), nasmoik Schnupfen (r. nasmork), ugerka Gurke (wohl p.-ma. ugórk-), stir FIN. Styr, Stsur Ratte (p., ukr. Scur), katsur Enterich (ukr., wr. kacur), komar Stechmücke (sl. komar). § 53- Germ, m ist in allen Stellungen als m erhalten (vgl. Gerzon 30; Ber. Noung. 45f.): meser Messer, mid müde, maxn machen, morgy morgen, amól einmal, Smol schmal, smeky schmecken/riechen, hamer Hammer, samat Samt, nemsn nehmen, tsuzaman zusammen, himl Himmel, lomp Lampe, hemd Hemd, krom Laden (mhd. kräm), fluim Pflaume, krum krumm, ahéim heim, turam Turm, oram arm, eidam Schwiegersohn (mhd. eidem), beidam Dachboden (mhd. bodem), fodam Faden (mhd. vadem), bezam Besen (mhd. bèsem ; vgl. zu den letzteren Ber. DPhA. 1, 1562, 1570; Ber. ZPhon. 3, 32). m>b zeigt arbl Ärmel. Ebenso erscheint ha. m, mm\ maisa Geschichte (ha. maäs{), meisa m. PN. Moses (ha. mösf), materna Geschenk (ha. mattänä), maneira Menora, kultischer Leuchter (ha. menörä), smadn taufen (zu ha. semäd), gamora ,,Gemara", Talmud (ha. gemära), basmedras Synagoge (ha. bet-midräi), Uleima m. PN. Salomon (ha. sHömö), nasoma Seele (ha. nesämä), emas Wahrheit (ha. 'em$t), xoxma Klugheit (ha. hokmä), psomim rituelles Gewürz (ha. beéàmim), simxa Freude/Feier (ha. simhd), sam Gift (ha. sam), awróm m. PN. Abraham (ha. 'abrähäm), geilom Dummkopf (ha. gölgm), xolam Traum (ha. h'löm), -im ha. Mehrzahlendung -Im (s. §46, 4j), samas Diener der j. Gemeinde (ha. sammäs), malamad j. Lehrer (ha. melammed). Durch Anpassung an den folgenden Zahnlaut wurde m > n in jontaw j. Feiertag (ha. iöm-töb; vgl. Bb. Gr. 134; Bb. HaEl. 24); aber jomkiper Versöhnungstag (ha. iöm-kippür). Desgleichen sl. m: muTar Maurer (ukr. mutar), molan zax beten, von Christen (zu ukr., wr. mol-), smetana Schmetten (osi. smetana), xamüt Joch (wr., r. chamut), marna Mutter (si. marna), keiman Schornstein (p., ukr., wr. komin), sumka Tasche (osi. sumka), furma Gefängnis (ukr., r. furma), wed'ma Zauberin, Hexe (r. vèdma), nasmork Schnupfen (r.

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Die Mitlaute

nasmork), kroxmal Stärkemehl (p., ukr. krochmaf), som Wels (osi. som), slonim ON. Slonim. A n m e r k u n g . P. a erscheint im Jiddischen vor Lippenlauten als em, om\ s. § 16, i , Anm., § 28, 1. Vgl. § 54, Anm.; § 55, Anm. § 54. Germ, n ist (vgl. Gerzon 3of. ; Ber. Noung. 46f.) 1. in der Regel als n erhalten: nodi Nadel, nai neu, nitjnist nicht/nichts, banutsn benutzen, farganigy Vergnügen (mhd. vergenüegen), snei Schnee, snaidn schneiden, gnod Gnade, knop Knopf, duner Donner, milner Müller (mhd. mülnsere), honik Honig, genatsn gähnen, brenm brennen, gsstansn gestanden, meinuyg Meinung, kind Kind, wunder Wunder, stendik „ständig", immer, geweindlax gewöhnlich, ontsindn anzünden, undz uns, lindzn Linsen, hunt Hund, haint heute (mhd. Mnt), winter Winter, montik Montag, krants Kranz, fintster finster, menti Mensch, wintsn wünschen, eins eins, dinstik Dienstag (vgl. zu beiden § 4 8 , 3 , Anm.), tson Zahn, zun Sonne, sein schön, un und, ton tun, gein gehen, zen sehen, tSohlt Scholet, eine Speise (afrz. *chalent; vgl. § 4, 2), ferner in der Vorsilbe ant- ent-(s. § 47, 3 c) sowie in den Endungen -an, -n -en (s. §46, i b , c, 6b), -n -in (s. § 46, 6d), -xn -chen (s. § 46, 6j), -tsn -zehn (s. § 46, 6b). 2. zu m geworden a) in der Endung -en nach b, p (s. § 46, 6 b ; vgl. Bb. Gr. 21). b) durch Anpassung an den folgenden Lippenlaut in kimp3t Kindbett, bromfn Branntwein, fimf (neben finaf) fünf. c) in der Vorsilbe un-, die stets als um- erscheint (s. § 30, 1 ; vgl. B b . Gr. 36, 41). d) ganz vereinzelt in zamd Sand (vgl. Bb. Gr. 128; Ber. D P h A . 1, 1570; Ber. ZPhon. 3, 33; S c h m e l l e r , Bayer. Wb. 2, 282; F a l k - T o r p , Norw.-Dän. etym. W b . 950), lamtérnd Laterne (mhd. lanterne-, vgl. Strack 91 ; Mieses 73), brumm (neben brunan) Brunnen. 3. zu g geworden a) nach r (vgl. § 3, 2) in derselben Silbe : kory Korn, hory Horn, bary Birne, stery Stern/Stirn, gery gern, hery hören, fory fahren, farliry verlieren, probiry „probieren", prüfen, -ery Endung -ern (s. § 46, 6b, c)/ -erin (s. § 46, 6d); (aber lernm lernen, lamtérnd Laterne, birnd Glühbirne, orntlax ordentlich). b) in der Endung -en nach g, k (s. § 46, 6 b ; vgl. Bb. Gr. 21). c) durch Anpassung an folgenden Gaumenlaut in iy kas „im Zorn", zornig (ha. ka'as; vgl. Bb. Gr. 21). 4. ganz vereinzelt > l geworden in lebm neben (vgl. Bb. Gr. 138). 5. Unorganisch ist das winw«wi2Weichsel,Sauerkirsche(vgl.Bb. Gr. 127).

Die Klanglaute

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6. Ausgefallen ist es in laiwnt „Leinwand", Chiffon (vgl. Bb. Gr. 138 ; Mieses 74), fuftsik fünfzig (vgl. Bb. Gr. 44; Mieses 74), awék weg (mhd. enwëc; vgl. Bb. Gr. 103), ahéim heim (mhd. enheim; vgl. ebd.), zibdtl Siebener im Kartenspiel, ergots irgend (mhd. iergen; vgl. Bb. Gr. 150), imatserjematser jemand (mhd. iemen; vgl. Bb. Gr. 43), a ein, eine (unbest. Art.; jedoch vor Selbstlauten an; vgl. Bb. Gr. 43), ma man (vgl. B b . Gr. 44). Das Mittelwort der Gegenwart lautet teils auf -andik und -nclik, teils auf -adik (s. §46, 4 a); die ursprüngliche Verteilung dieser Endungen im Jiddischen ist nur schwer erkennbar (vgl. Bb. Gr. 47, 50; Gerzon 36f.; Ber. Noung. 36; Mieses 1 6 7 ! ) . In nixter nüchtern (mhd. nüehtern, nüehter ; vgl. Bb. Gr. 146) ist das n schon mhd. geschwunden. Zum Unterschied vom Nhd. fehlt es auch in peiliS polnisch. Ha. n, nn ist ebenfalls in der Regel als n erhalten: nes Wunder (ha. nés), nisn Nisan, ein Monat (ha. nïsân), naSoma Seele (ha, nfsäma), tnoim Verlobungsvertrag (ha. tenaïm), gneiwa (neben ganéiwa) Diebstahl (ha. genebä), knas Strafe (ha. klnas), misndgad Nichtchasside (ha. mitnaggëd), maneira Menora, kultischer Leuchter (ha. mfnörä), seing Feind (ha. sônë'), matons Geschenk (ha. mattänä), tonas Fasten (ha. ta"*nït), ponim Gesicht (ha. pânïm), xanika Tempelweihfest (ha. hänukka), mindg Sitte (ha. minhäg), din Religionsgesetz (ha. din), alnidn Witwer (ha. 'almän), tfiln Tephillin, Gebetriemen (ha. tepillïri), losn Sprache/ Gespräch (ha. läsöri), tsofn Norden (ha. säpön), batxn Lustigmacher bei Hochzeiten (ha. badhän), snodery beim Aufruf zur Thora etwas spenden (zu ha. sçnnâdâr), ganaw Dieb (ha. gannäb), genam Hölle (ha. gehinnöm), xasana Hochzeit (ha. h'tunnä). Nach Lippenverschlußlaut erscheint m (vgl. 2 a ; Bb. HaEl. 26): korbm Opfer (ha. korbäri), xurbm Zerstörung (ha. hurbän), xezbm Rechnung (ha. hçsbôn); ebenso vor Lippenlaut (vgl. 2 b) in arbdkâmfds ein rituelles Kleidungsstück (ha. 'arba'-kanpöt) ; ganz vereinzeltes n > m zeigt ganéidim Paradies (ha. gan-'ëden; vgl. 2 d ; Bb. Gr. 118; Bb. HaEl. 27). V steht nach r (vgl. 3a): arrj m. PN. Aaron (ha. 'ahärön), ory Leichenwagen (ha. "*rön) ; ebenso nach Gaumenverschlußlaut (vgl. 3 b ; Bb. HaEl. 26): nigr) Melodie (ha. niggün). Durch Anwachsen des auslautenden n des unbestimmten Artikels ist naweirs Sünde (ha. '"berä) entstanden (vgl. Bb. HaEl. 20; Mieses 75, 77). Sl. n, nn ist gleichfalls durch n vertreten (vgl. B : r. Noung. 46) : nasmork Schnupfen (r. nasmork), nastâfkd Tauchnetz (osl. nastavka), knot Docht (p., wr., r. knot), -pruzdna ON. Pruzany, ring Dachrinne (p., ukr., wr. rinna), rowng ON. Rowno, krinitsd Quelle (sl. krinica), smetans Schmetten (osl. smetana), endik Trathahn (p.-ma. *endyk), zontsik Schirm (wohl wr.

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Die Mitlaute

zoncik), pinsk ON. Pinsk, xrein Kren, Meerrettich (wr., r. ehrin), wjun Schmerle (osl. vjun), tsitrin Zitrone (p., ukr. cytryna), stolin ON. Stolin, botsan Storch (p. bociari). Sl. n hingegen erscheint als A (vgl. Ber. Noung. 46f.): treifnäk Trefeesser (treifa, s. § 15, 2b + sl. -hak), fond Spottname des Russen, keiserlna „Kaiserin", Zarin (keiser, s. § 15, 2b + sl. -ina), slonim ON. Slonim, korsnss Wurzel (zu ukr. korih, r. koren), kuind Schmiede (p. kuznia), tuSnd Leuchse (sl. tuSna), okon Barsch (p., ukr. okon). S. ferner § 46, 4d. Durchkreuzung der deutschen Wortform (spätmhd. grenize) mit p., r. granica liegt in greAats Grenze vor. Der Wandel von n, n~>y vor k in der sl. Endungssilbe -ink- (s. § 46, 4f) sowie in siyks Waschblau (wr. sihka) dürfte bereits in den slawischen Ursprungssprachen vor sich gegangen sein. A n m e r k u n g . P. f, q. erscheint im Jiddischen vor Zahnlauten als en, on; s. § 16, 1, Anm., § 28, 1. Vgl. § 53, Anm.; § 55, Anm. § 55. Germ y erscheint als y (vgl. Gerzon 19; Ber. Noung. 47; ferner § 3,2): huyger Hunger, ziygdn singen, gsgaiygm gegangen, riygl „Ringlein", Fingerring, iygberliygbert Ingwer, tsuyg Zunge, laiyg lang, triykdn trinken, obdaiykan danken, tuykl dunkel, Seiyk „Schenke", Wirtshaus kraiyk krank, ferner in den Endungen -uyg -ung (s. § 30, 1) und -(l)iyg -(l)ing (s. § 46, 4t). Ausgefallen ist es in tsendlik Menge von zehn Stück (mhd. *zehenlinc, bei Gerzon 103 neben zendliyg auch zendlig; vgl. Bb. Gr. 161). In einikl Enkel (mhd. eninkd, enikel; vgl. Bb. Gr. 107) ist es schon mhd. geschwunden. Bezüglich des y in jaiykdw m. PN. Jakob (ha. \\aäköb) s. § 41, 2. Über y in Entlehnungen aus dem Sl., das diesen Laut erst sekundär kennt, s. § 54. A n m e r k u n g . P. q, a erscheint im Jiddischen vor Gaumenlauten als ey/eiy, oy\ s. §16, 1, Anm., §28, 1. Vgl. §53, Anm.; §54, Anm. c) D i e L i p p e n l a u t e § 56. Germ, p erscheint wie allgemein im Ostjiddischen (vgl. Gerzon 31; Ber. Noung. 47f.; Mieses 59) 1. im Anlaut als /: fan Pfanne, fefer Pfeffer, ferd Pferd, funt Pfund, faifn pfeifen, flaster Pflaster, fluim Pflaume. 2. im In- und Auslaut in der Verdopplung als p: kuper Kupfer, epl Apfel, troprn Tropfen, klaprn klopfen, tsop Zopf, top Topf, kop Kopf, knop Knopf; so auch in karp Karpfen (vgl. 3). Beispiele mit germ. mp, in denen ebenfalls p zu erwarten ist, wurden keine aufgezeichnet. Nieder-

Die Lippenlaute

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deutscher Herkunft ist Up Lippe (vgl. 3), Entlehnungen aus dem Romanischen bzw. Slawischen sind lomfi Lampe, perlgruipm „Perlgraupen", Graupen, Seps ,,Schöps", Schaf. 3. im In- und Auslaut nach Selbst- und Fließlauten als /: fefer Pfeffer, lefl Löffel, ofn offen, Slofn schlafen, keifn kaufen, faifn pfeifen, -Saft Hauptwortendung -schaft (s. § 4 , i a ) , leftsn „ L e f z e n " , Lippen (vgl. 2), tif tief, uif auf, helfn helfen, warfn werfen, dorf Dorf, surf scharf. Jedoch vgl. 2. 4. Durchwegs unverschoben blieb es in der Verbindung sp (s. § 62, i b ) . Als / erscheint auch ha. p: tfiln Tephillin, Gebetriemen (ha. tlpillin; jedoch vgl. Bb. HaEl. 27), treifa rituell unrein (ha. frepä), seifer Schophar, kultisches Horn (ha. Söpär), tsofn Norden (ha. säpön), efSer vielleicht (ha. '$p$är), arbskdmfas ein rituelles Kleidungsstück (ha. 'arbakanpöt), sof Ende (ha. söp), kisdf Zauberei (ha. kiSsüp). Desgleichen das seltene sl. /: fon3 Spottname des Russen, safd Schrank (sl. Safa), Sufld Schaufel (p. szufla). § 5 7 . Germ, b erscheint (vgl. Gerzon 31 f.; Ber. Noung. 4 8 ! ) 1. im Tonsilben- und Vortonsilbenanlaut in der Regel als b: beim Baum, biter bitter, bodn baden, gdbai Dachboden (mhd. gebiuwe), baVorsilbe be- (s. § 47, 3 a), blut Blut, blozn blasen, breit breit, brexn brechen; ebenso baitS Peitsche. Hingegen zeigen p (vgl. Mieses 66) die z. T. entlehnten Wörter puier Bauer, puter Butter, perl Perle, pensta Brotscheibe (vgl. § 12, Anm.), peipst Papst, peiln Polen, pats Ohrfeige, piSn harnen (mnd. pissen), perSein Person, plutsliyg plötzlich, presn „pressen", bügeln, probiry „probieren", prüfen. 2. im In- und Auslaut a) im allgemeinen als b: biber Biber, hober Hafer (mhd. haber), zuiber sauber, iber über, tsibdh Zwiebel, swebslax „Schwefelchen", Zündhölzer, knoblax/knobl Knoblauch, snobl Schnabel, hobm haben, gebrn geben, Sraibm schreiben, zibrn sieben (Zahlw.), eibm oben (vgl. Ber. ZPhon. 3, 32; Ber. Noung. 49; Mieses 69), zilber Silber, arbat Arbeit, sarbm Scherben, grob Grab, grib Griebe (vgl. Strack 44; Ber. Noung. 49; Mieses 69), Hb lieb, gwelb „Gewölbe", Laden, halb halb, korb Korb. b) in der Verdopplung als p\ iupm Schuppen Mz., rip Rippe. Spätmhd. Mitlautschärfung von b > *p (vgl. Ber. D P h A . 1, 1563, 1569; Ber. Noung. 49) liegt zugrunde in gopl Gabel, nopl Nabel, nepl Nebel, zip Sieb, ziprn sieben (Zeitw.; vgl. zu beiden Bb. Gr. 129; Ber. ZPhon. 3, 32), klepm kleben (vgl. Bb. Gr. 165). p steht ferner auslautend im isolierten op ab (vgl. Bb. Gr. 109). Vgl. § 64, 2b.

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Die Mitlaute

c) als w in ownt Abend (vgl. Bb. Gr. 103; Ber. ZPhon. 3, 32), farliwert geronnen (zu mhd. liberen). d) Geschwunden ist es regelmäßig nach m: swam Schwamm, Pilz (mhd. swamb-), krum krumm (mhd. krumb-), arüm herum (zu mhd. umbe), keml „ K ä m m c h e n " , K a m m (zu mhd. kamb-), ferner in gshat gehabt (vgl. Bb. Gr. 48). Ha. b, bb erscheint als b (vgl. Bb. HaEl. 23): boxet junger Mann/Bube im Kartenspiel (ha. bähür), busa Schande (ha. büsä), balbos Hausherr (ha. ba'al-bäiit), baheima K u h (ha. behemä), broxa Segen (ha. b"räkä), breigas erzürnt (ha. tfröggz), arbakämfas ein rituelles Kleidungsstück (ha. 'arba'-kanpöt), korbm Opfer (ha. korbäri), xurbm Zerstörung (ha. hurbäri), xezbm Rechnung (ha. hgsbön), kaböla Bestätigung/Kabbala (ha. kabbälä), reba Rabbi (ha. rabbi), ksuba Heiratsvertrag (ha. ketubbä), sabas Sabbath, Samstag (ha. sabbät). Desgleichen sl. b: bik Stier (sl. byk), baidak große Barke (ukr., r. bajdak), bardnowits ON. Baranovici, da pinsker blotas die Pinsker Sümpfe (zu p. bloto), brikawan zax herumtollen (zu sl. bryk-), sibir Sibirien (osl. Sibir), dombröwitsa ON. Dombrovica, boba Großmutter/Hebamme (sl. babä), torba Bettelsack (sl. torba), rubl Rubel, russische Münze (sl. ruht), kobrin ON. Kobryn, zlob Bauernlümmel (p. zlob-), horb Höcker (ukr., wr. horb). Ha. p, pp erscheint als p (vgl. Bb. HaEl. 23): peisax Osterfest (ha. pgsah), poter los (ha. pätür), pagima Fehler (ha. pegimä), pruta Scherflein, kleinste Scheidemünze (ha. perütä), psak Entscheidung des Rabbiners (ha. pesäk), xarpa Schande (ha. herpä), hespad Totengebet (ha. h(sped), xupa Trauhimmel (ha. huppä), jomkiper Versöhnungstag (ha. iöm-kippür), apakeiras Freidenker (ha. 'appiköras). Desgleichen sl. p\ pinsk ON. Pinsk, pust leer (sl. pust-), pogoda Wetter (p. pogoda), pjata Ferse (osl. pjata), pleit Zaun (sl. plot), pripat F I N . Pripet, kapota K a f t a n (p., ukr. kapota), zapräwa Einbrenne (p., ukr., wr. zaprava), pupik Nabel (osl. pupok), lopata Bäckerschaufel (p., ukr. lopata), tsepan verbinden, zusammenheften (zu p., wr. cep-), xaprn fangen/schnappen (zu sl. chap-), slup Mast (p., ukr., wr. slup), katsdp Spottname des Russen (ukr. kacap). § 58. Germ. / erscheint (vgl. Gerzon 32; Ber. Noung. 49f.) 1. im Tonsilben- und Vortonsilbenanlaut in der Regel als /: jus F u ß , feigl Vogel, fuil faul, fimflfinaf fünf, faln fallen, gefein gefallen, fatsiila Kopftuch (s. § 9, 2b), far- Vorsilbe ver- (s. § 47, 3b), fleis Fleisch, flian fliegen, frum fromm, fregy fragen. Jedoch wird gf- > kw- in kwater Gevatter (vgl. Bb. Gr. 163).

Die Zahnlaute

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2. im Inlaut a) in stimmhafter Umgebung als w (vgl. Ber. D P h A . i , 1562): eiwn Ofen, heiwn Hefe, wolwl „wohlfeil", billig, borwas barfuß, sarwer Aufwärter bei Hochzeiten (zu afrz. serv-). Jedoch badarfn „bedürfen", dürfen und tafl Schultafel, das sein a als junge Entlehnung aus dem Nhd. ausweist (vgl. § 8 ; Ber. D P h A . 1, 1565). b) vor stimmlosen Mitlauten als /: kraft K r a f t , oft oft. 3. im Auslaut ebenfalls als /: heif Hof, brif Brief, wolf Wolf, sruif Schraube (vgl. K l u g e - G ö t z e , E t y m . W b . 694f.; Bb. Gr. 174), fimflfinaf fünf, elfjeldf elf. d) D i e Z a h n l a u t e §59. Germ, t erscheint (vgl. Gerzon 34f.; Ber. Noung. 5of.) 1. im Tonsilben- und Vortonsilbenanlaut als ts: tsait Zeit, tsimriyg „Zimtrinde", Zimt, tsen zehn, tsu zu, batsoln bezahlen, tsu - Vorsilbe zer(s. § 47, 4), tswaiyg Zange, tswei zwei, tswiSn zwischen. Germ, p-w liegt zugrunde in tswogy die Haare waschen (mhd. dwahen, twahen; vgl. Bb. Gr. 159; Ber. D P h A . 1, 1562; Ber. Noung. 50). Bezüglich tsixtik sauber, korrekt (mhd. zühtec) s. § 62 (Schluß). 2. im In- und Auslaut in der Verdopplung und nach n, l, r als ts: Smutsik schmutzig, zitsn sitzen, netsn „netzen", naß machen, -atsn Zeitwortendung mhd. -ezzen (s. §46, ie), weits Weizen, kats Katze, Spits „Spitze", Turm, grenats Grenze (spätmhd. grenize), tswantsik zwanzig, krants Kranz, gants ganz, zalts Salz, smalts Schmalz, holts Holz, fertsik vierzig, wortsl Wurzel, harts Herz, kurts kurz, fuftsik fünfzig, ziftsn seufzen. 3. im In- und Auslaut nach Selbstlauten als s: waser Wasser, beser besser, draisik dreißig, Steisl „Stößel", Mörser, sisl Schüssel, baisn beißen, Sisn schießen, gazesn gesessen, gas Gasse, fus Fuß, wais weiß, heis heiß, uis aus, dos das, wos was, es es, eins eins, alts alles (s. § 48, 3 a), eips Obst (mhd. obej), arbss Erbse (mhd. arewei3). Jedoch steht z in lozn lassen (vgl. Bb. Gr. 137), muzn müssen (vgl. Bb. Gr. 140), bluiz bloß, nur (vgl. Bb. Gr. 114), az daß (vgl. Bb. Gr. 105). 4. nach r als s in hers Hirsch (vgl. § 62, 2d). 5. Durchwegs unverschoben blieb es vor r: trer Träne, traytn ten", nachdenken, treistn trösten, gdtrai treu, winter Winter *wintru-), luiter lauter, nur (germ. *hlüttr-), biter bitter (germ. ferner in den Verbindungen st (s. § 62, i b , 2b, d), ft (s. § 58, (s. § 65, 2, 4). 5

B e r a n e k , Pinsker Jiddisch

„trach(germ. *bittr-); 2b), xt

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Die Mitlaute

6. Über den Schwund von (unverschobenem) t s. § 60, 4. Vereinfachung von ts > s bei Mitlauthäufung zeigen grepsn rülpsen, greps Rülps (vgl. § 13, 2b; § 46, ie). Als ts erscheint auch ha. s, ss (vgl. Bb. HaEl. 21): tseilom Kreuz (ha. S(l(m), tsitsas Schaufäden (ha. sisit), tswi m. PN. Zwi (ha. sebi), tsdoka Wohltat, bes. Almosen (ha. sedäkä), mstsia Gelegenheitskauf (ha. misi'ä), eitsa Rat (ha. 'esä), porsts vornehmer Herr (ha. pärls), katsgw Fleischhauer (ha. kassäb). Desgleichen sl. c: tsitrln Zitrone (p., ukr. cytryna), katsdp Spottname des Russen (ukr. kacap), pleitsa Schulter (p. plecy), lutsk ON. Luzk, -(n)its$ sl. Endung -(n)ical-(n)yca (s. § 46, 4i), okrdists Brotanschnitt (ukr. okrajec). Vgl. auch §62 (Schluß). §60. Germ, d erscheint (vgl. Gerzon 3 3 I ; Ber. Noung. 5 1 ! ) 1. im Anlaut a) im allgemeinen als t: tuib Taube, tif tief, tuykl dunkel (ahd. tunkal; vgl. F a l k - T o r p , Norw.-Dän. etym. Wb. 166), ton tun, (niSt) tory (nicht) dürfen (zu mhd. tar), lamterns Laterne, tropm Tropfen, trukr) trocken, triykan trinken. b) vor i-Laut mitunter als { (vgl. § 61, i b ) : tir Tür. 2. im In- und Auslaut als t: retax Rettich, aiter Euter, foter Vater, futer Pelz (mhd. vuoter; vgl. § 31), neitik nötig, kitl Kittel, ein rituelles Gewand, kwitl Zettel (vgl. mhd. quit-brief), ithxer jeder (mhd. ietlich), sotn Schatten, raitn reiten, betn „beten", bitten, hitn hüten, gaSnitn geschnitten, unter unter, multer Holzschüssel (mhd. muolter), haltn halten, Seltn schelten, fartik fertig, fertl Viertel, gartl Gürtel, gortn Garten, wartn warten, lait Leute, Stot Stadt, got Gott, neit Not, reit rot, arbdt Arbeit, samat Samt (mhd. samtt), nakdt nackt (mhd. nacket), want Wand, hant Hand, wint Wind, hunt Hund, funt Pfund, gdzunt gesund, faint Feind, fraint Freund, ant- Vorsibe ent- (s. § 47, 3 c), dimmt Diamant, laiwnt „Leinwand", Chiffon, eint „elend", einsam, tuiznt tausend, gelt Geld, weit Welt, kalt kalt, bort Bart, hart hart, dort dort, hext Hecht. Jedoch steht d in wunder Wunder, hundert hundert, Stendik „ständig", immer, ontsindn anzünden, blind blind, zamd Sand. 3. Unorganisches t (vgl. Mieses 63f.) zeigen, teils in Übereinstimmung mit dem Nhd., teils im Gegensatz zu ihm, -Saft Hauptwortendung -Schaft (ahd. -scaf\ s. §4, ia), peipst Papst (mhd. bäbes; vgl. Bb. Gr. 155; Ber. DPhA. 1,1562), iygbert (neben iygber) Ingwer (vgl. Strack 15), kuiert Koffer (vgl. Bb. Gr. 164), itster jetzt (mhd. ieze, iezuo\ vgl. § 20,1),

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Die Zahnlaute

mestn messen (vgl. Bb. Gr. 143), orntlax ordentlich (mhd.

ordenlich).

Hingegen ist es zum Unterschied vom Nhd. oder von anderen Teilen des Ostjiddischen nicht eingetreten in eips Obst (mhd. obey, vgl. Bb.

Gr. 103; Ber. DPhA. 1, 1562), ligy Lüge (vgl. Bb. Gr. 137; Ber. ZPhon. 3. 33). eix auch (vgl. Bb. Gr. 103), tsimriyg „Zimtrinde", Zimt (mhd. zinemin-, vgl. ebd. 161).

4. Geschwunden ist t ( < germ. d, z. T. < germ. t) in kunts Kunst (vgl. Bb. Gr. 163; aber kintstter Künstler nach dem Nhd.), mark Markt (vgl. ebd. 139), geldzux Gelbsucht (vgl. ebd. 128), iz ist (vgl. ebd. 49), entfer Antwort, entfery antworten (vgl. zu beiden ebd. 150), bromfn

Branntwein (vgl. ebd. 116). Bezüglich epas etwas s. § 50, 3. Vgl. auch § 61, 4Als t erscheint auch ha. t, tt, t (vgl. Bb. HaEl. 20, 23): teirs Thora (ha. törä), taxrixim Sterbekittel (ha. takriklm), mamtäkim Geld (ha. mamtakktm), tlia Galgen (ha. teliiä), tnoim Verlobungsvertrag (ha. tenaim), twuia Getreide (ha. t'bü'ä), tfiln Tephillin, Gebetriemen (ha. tepillin), ester w. PN. Esther (ha. ster), matöna Geschenk (ha. mattänä), Sutsf Teilhaber (ha. Suttäp), taina Forderung (ha. ta'anä), tara Toten-

waschung (ha. tahärd), tow sehr gut (ha. tob), treifa rituell unrein (ha. frepä),

Sxita Schächtung/Tötung (ha. S%Uä), poter los (ha. pätür), gel

Scheidebrief (ha. get), weist Speiseröhre (ha. uesgt); s. ferner §46, i g . Desgleichen sl. t: tatska Schubkarren (osl. tacka), torba Bettelsack (sl. torba), titün Tabak (wr. tyturi), tsitrin Zitrone (p., ukr. cytryna), stuika Ladentisch (r. stojka), stir F I N . Styr, nastdfka Tauchnetz (osl. nastavka), ostrdg Zuchthaus (r. ostrog), plita Kochherd (r. plita), tata

Vater (p., ukr., wr. tata, tato), zlota Zloty, polnische Münze (p. zloty), da pinsker blotas die Pinsker Sümpfe (zu p. bloto), motal Schmetterling (p., ukr., wr. motyl), smetana Schmetten (osl. smetana), ratawan retten (zu p. ratowoc), lopata Bäckerschaufel (p., ukr. lopata), plotka Plötze (p. plotka), gatkas Unterhosen (zu p. gatki), krot Maulwurf (osl. krot), pleit Zaun (sl. plot), xamüt Joch (wr., r. chamut), pripat F I N . Pripet, pastax Hirt (sl. pastuch), postalas Bastschuhe (zu p., ukr., r. postoly), pust leer (sl. pust-), wjorst Werst, russisches Wegmaß (r. verst), reit

Rest (p., ukr., wr. reSta). Unter Einfluß von ON. vom Typ lutsk Luzk, pinsk Pinsk ist t > k geworden in brisk ON. Brest-Litowsk (ukr. Brist',

vgl. Ber. ZPhon. 5, 95). Sl. t wurde als solches übernommen: furma Gefängnis (ukr., r. furma).

§61. Germ, p erscheint (vgl. Gerzon 33f.; Ber. Noung. 52!) 1. im Tonsilbenanlaut 5*

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Die Mitlaute

a) im allgemeinen als d: dax Dach, dinstik Dienstag, dinan dienen, diygan „dingen", beim Kauf handeln, di die, dos das (vgl. 4), durx durch, fardeian verdauen, dreian drehen, driky drücken, drai drei, t haben (vgl. Mieses 69) tuiznt tausend, tuts Dutzend (älter-nhd. Tutz", vgl. Ber. D P h A . 1, 1562), taitn deuten (bataitn bedeuten), dazu taitl Thorazeiger, taitsn „deutschen", übersetzen (gegenüber daitS, auch daitsiS deutsch, fardaitSisn zax sich „deutsch", d. h. westeuropäisch geben; vgl. Ber. D P h A . 1, 1562). Unorganisches Anlaut-ii zeigt der- Vorsilbe er- (s. § 47, 2a). S. ferner § 5 9 , 1 . b) vor i-Laut mitunter als ¿'(vgl. § 60, i b ) : d'ir dir/dich, gad'ixt dicht. Der regelmäßige Wandel von ti-, di- > ti-, d'i-, der sich strichweise bis zu tii-, d£i- steigert, eignet dem Jiddischen Weißrutheniens und der Ukraine (vgl. Ber. D P h A . 1, 1574). 2. im In- und Auslaut als d: oder Ader, feder Feder, wider wieder, jodam Faden, nodl Nadel, redn reden, Sodn schaden, snaidn schneiden, sandd Schande, andarer anderer, zelda ein w. PN. (mhd. sselde), Suldik schuldig, rod Rad, freid Freude, jid Jude, mid müde, kind Kind, hemd Hemd, gold Gold, wald Wald, bild Bild, erd Erde, ferd Pferd. Jedoch steht t in otaman atmen, ownt Abend, hundert hundert. 3. Vereinzelten Wandel von nd > yg zeigt tsimriyg „Zimtrinde", Zimt (vgl. Bb. Gr. 161). 4. Geschwunden ist d (z. T. < germ. d) in az daß (vgl. Bb. Gr. 105), gafinan finden (vgl. ebd. 119), gdstansn gestanden (vgl. ebd. 53), wert) werden (vgl. ebd. 128), gawory geworden, orntlax ordentlich (vgl. ebd. Iii), zelner „Söldner", Soldat (vgl. ebd. 130), un und (vgl. ebd. 105). Als d erscheint auch ha. d, d, dd (vgl. Bb. HaEl. 22): daian Rabbinatsbeisitzer (ha. daüäri), duxansn den j. Priestersegen erteilen (zu ha. dükän), droh Predigt (ha. derä§a), dweird w. P N . Deborah (ha. debörä), hegdsH j. Spital (ha. h$kdes), bezdn j. Gericht (ha. bet-din; vgl. B b . Gr. 1 1 4 ; B b . HaEl. 24; Ber. Noung. 55), tsdoks Wohltat, bes. Almosen (ha. sedäkä), xewr3 kdu$3 Beerdigungsbrüderschaft (ha. hgbrä *k?du£$ä, s. § 32), nddowd Almosen (ha. nsdäba), xeidds Monat (ha. höd$$), ganeidim Paradies (ha. gan-'ed$n), oder Adar, ein Monat (ha. 'adär), godl angesehener Mann (ha. gädöl), basmedras Synagoge (ha. bet-midräS), Smadn taufen (zu ha. semäd), jad Hand (ha. iäd), sod Geheimnis (ha. söd), xesad Gnade (ha. h$s§d), kadöxas Schüttelfrost (ha. kaddahat), sider Gebetbuch (ha. siddür), sidax Heirat, Partie (ha. Siddük). Desgleichen sl. d: dua Krummholz am Pferdegeschirr (ukr. duha, p.-ma. dua), dombrowitsa ON. Dombrovica, droyg Stange, Knüttel/großer dummer Mensch (p. drag), podloga Fußboden (p. podloga), zaida Groß-

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vater (älter-p. *dzid, wr. cCzed), pogödd Wetter (p,-pogoda), baidsk große Barke (ukr., r. bajdak), endik Truthahn (p.-ma. *endyk), mordd Kinn (sl. morda), sud Gericht (osl. sud), Tod Eis (p. Tod-, wr., r. Ted). Sl. (sc, s. § 48, 2 a, oder ic > ) StS in roStssna Sauerteig (p., ukr. rozcyri) ist vielleicht schon den slawischen Ursprungssprachen zuzuschreiben, das Wort also bei 5 einzureihen. 3. sl. s als s (vgl. Mieses 79): siyka Waschblau (wr. sinko). 4. sl. z als i : roziykas Rosinen (zu p.-ma. rozinki), kuzna Schmiede (p. kuznia). 5. sl. s als s: Safa Schrank (sl. safa), sufla Schaufel (p. szuflo), StSur Ratte (p., ukr. ¿cur), kaSa Brei (sl. kaSo), pasa Weide (sl. paSa), kosik Korb (p., ukr., wr. koSik), reSt Rest (p., ukr., wr. resta), kiskas Gedärme (zu sl. kiSka), SuSkan flüstern (zu wr. Suskac), TuSna Leuchse (sl. tuSna). 6. sl. i als z: iaba Frosch (sl. zaba), zuk Käfer (sl. zuk), ilob Bauernlümmel (p. ¿lob-), pruzdna ON. Pruzany, sah R u ß (osl. safa), saz Fischbehälter (osl. saz), jiz Igel (ukr. jiz). 7. sl. c als ts; s. § 59. 8. sl. c als ts (vgl. Mieses 79): tswak Nagel (ukr. cvak), botsan Storch (p. bocian), zontsik Schirm (wohl wr. zoncik).

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Die Mitlaute

9. si. dz als z in dem frühentlehnten zeida Großvater (älter-p. *dzèd, wr. dzed] vgl. Ber. DPhA. 1, 1566; Ber. ZPhon. 3, 44Í.), sonst als dz: farblondzan zax sich verirren (zu p. blq,dzic). 10. si. c als ti: tiepan verbinden, zusammenheften (p., wr. cep-), itiur Ratte (p., ukr. Scur), katiur Enterich (ukr., wr. kacur), katska Ente (p., ukr., wr. kacka), tatika Schubkarren (osi. tacka), rostisna Sauerteig (p., ukr. rozcyn), jaitserka Eidechse (sl. jaicerka, -irka, -arka, -urka), keilati ein Gebäck (si. kolac), bar&nowiti ON. Baranovici. Charakteristisch für das Ostjiddische etwa nordöstlich der Linie Memel—Pripet—Dnjepr ist die scheinbare wechselseitige Vertauschung der Laute z, s, ts einerseits und z, i, ti andrerseits (vgl. Bb. Gr. 18; Gerzon 14f., 35; Mieses 79). Zugrunde liegt ihr der vorausgegangene Zusammenfall dieser Laute in die Mittellaute z, s, ts (vgl. Bb. HaEl. 21), die manchenorts noch zu hören sind, beispielsweise (mit nj. Vokalismus) zeiget Uhr, aizn Eisen, hoz Hase, mail Glück, gast Gast, waksn wachsen, waser Wasser, fus Fuß, suka Laubhütte, peisax Osterfest, osa Wespe, tsait Zeit, tswantsik zwanzig, kats Katze, tswi m. PN. Zwi, eitsd Rat, pleitss Schulter, zabd Frosch, snei Schnee, spigl Spiegel, stein Stein, sux Schuh, wasn waschen, fis Fisch, so Stunde, sleimd m. PN. Salomon, hoser rituell rein, safa Schrank, tsolnt Scholet, eine Speise, baits Peitsche, katske Ente. In dem Bestreben, diese als grob und unrichtig empfundenen Laute zu meiden, ist es allenthalben zu falschen Rückbildungen gekommen, die eben den Eindruck der Vertauschung der beiden Lautreihen hervorrufen (vgl. Ber. DPhA. 1, 1574). Man hört in dem bezeichneten Gebiete neben den lautgeschichtlich richtigen Formen völlig regellos auch (mit nj. Vokalismus) Seiger, aiin, hoz, mazl, gast, wakin, waier, fus, suka, peisax, osa, tsait, tswantsik, kats, tiswi, eitsa, pleitsa usw. und zoba, snei, spigl, stein, sux, wasn, fis, so, sleima, koser, safa, tsolnt, baits, katska usw. Die Pinsker Formen geldzux Gelbsucht, tsixtik sauber, korrekt (mhd. zühtec) einerseits, sotn Schatten andrerseits sind gleichfalls als Auswirkungen dieser Erscheinung zu betrachten. e) Die G a u m e n l a u t e §63. Germ, k erscheint (vgl. Gerzon 32f.; Ber. Noung. 55f.) 1. im Anlaut als k: keit Kette, kalt kalt, kostn kosten, körn kaum, kanóna Kanone, kleid Kleid, klein klein, klogy sich beklagen, krui Krähe, krum krumm, krixnjkriaxn kriechen, knop Knopf, knoblaxjknobl Knoblauch, kwaljkwel Quelle, kwitl Zettel (vgl. mhd. quit-brief). 2. im In- und Auslaut in der Verdopplung und nach y sowie z. T. nach Fließlauten (vgl. 3) als k: lekax Art Bonbons (zu „lecken"), beker

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Bäcker, nakat nackt, Soklsn zax schaukeln, Smeky schmecken/riechen, driky drücken, truky trocken, hak Backe, Wange, Srek Schreck, Stik Stück, obdaiykan danken, triykan trinken, tuykl dunkel, baiyk Bank, kraiyk krank, fuyk Funke, balky Balken, wölky Wolke, melky melken, terk Türke, mark Markt, stark stark. 3. im In- und Auslaut nach Selbstlauten sowie z. T. nach Fließlauten (vgl. 2) als x\ woxer Wucher, zixer sicher, reixanan rauchen, maxn machen, brexn brechen, zuxn suchen, -xn Verkleinerungsendung -chen (s. § 46, 6j), hext Hecht, wox Woche, buix Bauch, raix reich, eix auch, welxer welcher, kalx Kalk, milx Milch, marx Knochenmark/Gehirn, retax Rettich, -lax Eigenschaftswortendung -lieh (vgl. §46,30). 4. Über germ. sk > S s. § 62, 3. Ha. k, kk, k, kk erscheint als k (vgl. Bb. HaEl. 21, 23): kah Braut (ha. kallä), koSer rituell rein (ha. käüer), ksaw Schriftstück (ha. ketäb), jomklper Versöhnungstag (ha. iöm-kippür), hasköra gottesdienstliches Tot^ngedenken (ha. hazkärä), malkd Königin/w. PN./Dame im Kartenspiel (ha. malkä), rijka w. PN. Rebekka (ha. ribkä), suka Laubhütte (ha. sukkä), Siker betrunken/Trinker (ha. Sikkör), xaniks Tempelweihfest (ha. hanukkä), katsaw Fleischhauer (ha. kassäb), keiwer Grab (ha. kfbpr), kaböld Bestätigung/Kabbala (ha. kabbälä), kdhild j. Gemeinde (ha. k'hilla), kworssmener Mitglieder der Beerdigungsbrüderschaft (zu ha. kebä"5t), knas Strafe (ha. kenas), xewrd kduss Beerdigungsbrüderschaft (ha. hgbrä *kedussä, s. § 32), apskeirss Freidenker (ha. 'appiköras), tsdokd Wohltat, bes. Almosen (ha. fdäkä), jaiykm m. PN. Jakob (ha. %a'äköb), jakras Teuerung (ha. iakrüt), psak Entscheidung des Rabbiners (ha. pesäk), hezik Verlust (ha. h(zzek), mamtäkim Geld (ha. mamtakkim). Desgleichen sl. k: kasa Brei (sl. kasa), kosan mähen (zu sl. kos-), kapota K a f t a n (p., ukr. kapota), kletsk ON. Kleck, krot Maulwurf (osl. krot), knot Docht (p., wr., r. knot), okrdiats Brotanschnitt (ukr. okrajec), farhikanan zax stottern (zu ukr. za-hykaty), brikawan zax herumtollen (zu sl. bryk-), tokar Drechsler (osl. tokar), okon Barsch (p., ukr. okon), kopaka Kopeke, russische Münze (p. kopiejka, ukr. kopijka), parkan Zaun (sl. parkan), SuSkan flüstern (zu wr. suskac), moskwa ON. Moskau (sl. Moskva), rak Krebs (sl. rak), zuk Käfer (sl. zuk), endik Truthahn (p.-ma. *endyk), nasmork Schnupfen (r. nasmork), pisk Maul (sl. pysk), pinsk ON. Pinsk, lutsk ON. Luzk sowie in den Endungen -ak sl. -ak (s. § 7, 1), -ik sl. -ik/-yk, -nikjnik sl. -nikj-nyk (s. zu beiden § 46, 4d), -ka sl. -ka (s. §46, i i ) , -iyk- (s. §46, 4f). Ha. h, k erscheint als x (vgl. Bb. HaEl. 21): xasana Hochzeit (ha. hatunnä), xupa Trauhimmel (ha. hupp&), xeider Cheder, j. Grundschule

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Die Mitlaute

(ha. h$d(r), xohm Traum (ha. halöm), sxitd Schächtung/Tötung (ha. fhitä), msxalsSäbssnik Sabbathschänder (ha. mehattel-sabbät + p., wr., r. -nik), kadoxss Schüttelfrost (ha. kaddahat), Seixat Schächter (ha. Sähet), simxd Freude/Feier (ha. simhä), seixer Kaufmann (ha. söher), baixn Lustigmacher bei Hochzeiten (ha. badhän), keiax Kraft (ha. köäh), md&iax Messias (ha. ma$iah), galax christlicher Priester (ha. galläh), peisax Osterfest (ha. p(sah), taxrlxim Sterbekittel (ha. takrikim), broxs Segen (ha. berakä), tsum tsdloxds zum Trotz (d. zu + ha. lehäk'is), dux$n$n den j. Priestersegen erteilen (zu ha. dükän), xoxom Weiser (ha. häkäm), seixl Verstand (ha. sek(l), asdx viel (ha. sak mit unbest. Art.), meilax König/König im Kartenspiel (ha. mel$k), Sidax Heirat, Partie (ha. Siddük). Desgleichen sl. ch: xaptn fangen/schnappen (zu sl. chap-), xamüt Joch (wr., r. chamut), xrein Kren, Meerrettich (wr., r. ehren), kroxmal Stärkemehl (p., ukr. krochmal), mox Moos (osl. mach), pastax Hirt (sl. pastuch). §64. Germ, g erscheint (vgl. Gerzon 32; Ber. Noung. 56f.) 1. im Tonsilben- und Vortonsilbenanlaut als g: gandz Gans, gut gut, fargesn vergessen, gloz Glas, gleibrn glauben, grib Griebe, greis groß, grobm graben, gnod Gnade, gs-jg- Vorsilbe ge- (s. § 47, i a , 5a). gf- > kwzeigt kwater Gevatter (vgl. Bb. Gr. 163). 2. im In- und Auslaut a) im allgemeinen als g\ zeiger Uhr (mhd. seiger), swoger Schwager, spigl Spiegel, feigl Vogel, ligy Lüge, wogy Wagen, zogy sagen, tswogy die Haare waschen (mhd. twahen, Mw. d. Vgh. getwagen; vgl. Ber. DPhA. 1, 1562; Ber. Noung. 57), fregy fragen, gsfleigy geflogen (vgl. c), eig Auge, tog Tag, weg Weg, huyger Hunger, fiyger Finger/Zehe, ziygan singen, breiygsn bringen, gsgaiygsn gegangen, riygl „Ringlein", Fingerring, iygberliygbert Ingwer, tsuyg Zunge, laiyg lang, griyg „gering", leicht an Gewicht, folgy folgen, ergsts irgend, borgy borgen, morgy morgen, barg Berg, arg arg, schlecht, ferner in den Endungen -uyg -ung (s. § 30, 1), -{l)iyg -(l)ing (s. § 46, 4 f ) . b) in der Verdopplung als k: ruky Rücken, brik Brücke. Spätmhd. Mitlautschärfung von g > *k (vgl. Ber. Noung. 57) liegt zugrunde in heiker Höcker, Buckel (mhd. *hoker < hoggerjhoger), leikman leugnen (vgl. Bb. Gr. 138), beiykdn „bangen", sich sehnen (vgl. Bb. Gr. 115; Ber. ZPhon. 3, 32). k steht ferner inlautend in -ka.it Hauptwortendung -keit ( < mhd. -ic, -ec + heit; s. § 35, 2a), auslautend in -ik Endung -ig (s. §46, 4a; Mieses 7if.), -tik -tag (s. § 46, 4b) sowie im isolierten awek weg (vgl. Bb. Gr. 103; mhd. enwec). Vgl. § 57, 2b.

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c) Geschwunden ist es in muid derbe Bezeichnung eines Mädchens, meidl Mädchen, kuil Kugel (mhd. küle; vgl. Ber. D P h A . i , 1569; Ber. ZPhon. 3, 33; aber kugl „ K u g e l " , eine Speise), ferner in flidn fliegen (vgl. a ; Bb. Gr. 157). Ha. g, g, gg erscheint als g (vgl. Bb. HaEl. 22): gut Nichtjude/Bauer (ha. göi), ger Proselyt/Mischling (ha. ger), golas j. Diaspora (ha. gälüt), ganeidim Paradies (ha. gan-'edgn), gamora „ G e m a r a " , Talmud (ha. g'mära), gwir reicher Mann (ha. g%ir), pagima Fehler (ha. peg%m&), daiga Sorge (ha. *da'dgä), breigas erzürnt (ha. berög$z), harganan erschlagen (zu ha. härög), xoga christlicher Feiertag (ha. hog'ä), minag Sitte (ha. minhäg), mageifa Seuche (ha. maggepä), masuga verrückt (ha. me&ugga), magad Prediger (ha. maggid), nigy Melodie (ha. niggün). Desgleichen sl. g: gatkas Unterhosen (zu p. gatki), goln rasieren (zu p. golic), arüiwgruzan aufladen (zu r. gruziC), pogöda Wetter (p. pogoda), podlöga Fußboden (p. podloga), ugerka Gurke (wohl p.-ma. ugork-), breg Ufer (sl. breg), oströg Zuchthaus (r. ostrog), droyg Stange, Knüttel/ großer dummer Mensch (p. drcig). §65. Germ, x erscheint (vgl. Gerzon 32L; Ber. Noung. 5 7 I ) 1. im Tonsilbenanlaut als h: hoz Hase, hon Hahn, hant Hand, hamer Hammer, har Herr, hirz Hirse, heif Hof, hext Hecht, hut Hut, hart hart, heix hoch, heis heiß, hobm haben, haky hacken, haltn halten, hiykan hinken, uifheiygan aufhängen, haint heute, aheim heim (mhd. enheim), -erheit Adverbialendung -erheit (s. § 3 5 , 1 ) . 2. im Auslaut sowie im Inlaut vor ¿als x: sux Schuh, geldzux Gelbsucht, gixjgiax schnell (mhd. gsehe), heix Höhe/hoch (danach hexer höher; vgl. § 14, 2), nox nach/noch, durx durch, -axl-axts Kollektivendung -ach (s. §46, 3a, b), toxter Tochter, nixter nüchtern, tSixtik sauber, korrekt (mhd. zühtec), laixtn leuchten, traxtn „trachten", nachdenken, gabraxt gebracht, naxt Nacht, axt acht, rext recht, slext schlecht, laixt leicht. 3. im Inlaut vor s als k: zeks sechs, fuks Fuchs, oks Ochse, aks Achse, aksl Achsel, waksn wachsen, k zeigt auch hentska Handschuh (vgl. Bb. Gr. 125). 4. Geschwunden ist es im Inlaut vor Selbstlauten: tsian ziehen, laian leihen, trer Träne (mhd. traher), swer Schwiegervater (mhd. sweher), mon Mohn (mhd. mähen), zen sehen, tsen zehn (mhd. zehen); dann auch in nit nicht/nichts (neben nist mit palatalisiertem x oder < mhd. nihsniht < nihtes niht), haint heute (mhd. Mnt < Mnaht). Ferner im Auslaut vereinzelt in flei Floh. Im Anlaut fehlt es regelmäßig bei der Vorsilbe von Ortsadverbien her-, s. §47, 3 d.

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Die Mitlaute

Ha. h ist im absoluten sowie im Tonsilbenanlaut als h erhalten: hezik Verlust (ha. hgzzek), hespad Totengebet (ha. hgsped), harganan erschlagen (zu ha. härög), hasköra gottesdienstliches Totengedenken (ha. hazkärä), kahila j. Gemeinde (ha. kehillä), bdheima K u h (ha. tfhemä). Ansonsten ist es im Inlaut geschwunden (vgl. Bb. Gr. 26; Bb. HaEl. 20; ferner § 4 1 , 2 , Anm. 1): roiakol Vorsteher der j. Gemeinde (ha. röS-hakähäl), awröm m. PN. Abraham (ha. 'abrähäm), meil Beschneider (ha. möhel), mittag Sitte (ha. minhäg), malaxamöwas Todesengel (ha. mal'ak-hamäu$t), ebenso in genam Hölle ( < *gahenam, vgl. Bb. Gr. 118; Ber. Noung. 57; ha. gehinnöm), tsum tsaloxas zum Trotz (d. zu + ha. lehak'is). Eine Ausnahme bildet das spät aufgenommene zuihar Sohar, ein kabbalistisches Werk (ha. zöhär; vgl. Ber. Noung. 58). Ukr., wr., sekundäres p. h erscheint im Anlaut gleichfalls als h\ korb Höcker (ukr., wr. horb), hafkan bellen (zu ukr. havkaty), farhikanan zax stottern (zu ukr. za-hykaty), holobfo Deichsel (p. holoble, ukr. holobVi). Im Inlaut ist es wie germ. x ausgefallen: dua Krummholz am Pferdegeschirr (ukr. duha, falls allerdings nicht daraus entstandenes p.-ma. dua zugrundeliegt). Jedoch mohilkas christlicher Friedhof (zu ukr. mohylky). Im größten Teil des Ukrainisch-Jiddischen — Ukraine, Bessarabien, Podolien, Wolhynien, Süd- und Ostpolesien — , dann in dem schon zum Polnisch-Jiddischen gehörigen Gebiet von Brest-Litowsk und dem nordjiddischen Bezirk Suwalki sind alle anlautenden h abgefallen (vgl. Bb. Gr. n f . ; Ber. D P h A . 1 , 1 5 7 4 ; Ber. ZPhon. 3, 43; 5, 94; Mieses gif.). Man spricht hier z. B. üzjoz, ünjon, ant, oifjeif, ext, oivxfeix, aky, altn, äntjaint, ezik, arganan. Durch seine streifenartige Form wird das den ostjiddischen Sprachraum von Südosten gegen Nordwesten durchziehende A-Abfallgebiet deutlich als Restgebiet gekennzeichnet. Daß es einstmals wohl das Sj. zu seinem größten Teil umfaßt hat, scheinen die auch im Polnisch-Jiddischen geltenden Ä-losen Gegenwartsformen des Hilfszeitwortes „ h a b e n " erkennen zu lassen (vgl. Bb. Gr. 47), noch deutlicher aber der ON. insdorf Hunsdorf (slowakisch Huncovce, madjarisch Hunfalva) in der Zips (Slowakei). Die unter Einfluß teils des W j . , teils des Nhd. (vgl. Ber. D P h A . 1, 1565) erfolgte Wiedereinsetzung der abgefallenen h hat natürlich auch eine Reihe falscher Rückbildungen gezeitigt wie etwa das in § 20, 1 erwähnte heiarSt „erst", jetzt, das um Warschau gesprochen wird (vgl. Gerzon 3 2 ! ; Mieses 91). Im wesentlichen Teile des Nj. scheint der h-Abfall niemals durchgeführt worden zu sein. Das hier geltende haiin zax sich beeilen (vgl. Gerzon 32) dürfte gesamtostjiddisch sein (vgl. Bb. Gr. 124).

Die Kehllaute

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f) D i e K e h l l a u t e § 66. Ha. ' (Aleph) und ' (Ajin) sind 1. anlautend zu dem vor Selbstlauten im absoluten Anlaut allgemeinen, in der hier verwendeten phonetischen Schreibung nicht besonders bezeichneten festen Einsatz geworden (s. § 3 , 1 ; vgl. Bb. HaEl. 21; Ber. Noung. 58): alman Witwer (ha. 'almäri), eßer vielleicht (ha. 'çpSâr), emas Wahrheit (ha. 'emçt), ir Ijar, ein Monat (ha. 'ijiär), oder Adar, ein Monat (ha. 'adär), eiisa Rat (ha. 'esä). Bezüglich naweira Sünde (ha. 'âbërâ) s. § 54. 2. in- und auslautend geschwunden (vgl. Ber. Noung. 58; ferner §41,2): ruwn m. PN. Rüben (ha. re'überi), mdtsis Gelegenheitskauf (ha. mfsi'ä), peidsn Schläfenlocken (ha. pe'öt), malax Engel (ha. mal'ak), xogg christlicher Feiertag (ha. hog'ä), meitss Brotschnitte (ha. mösa), seins Feind (ha. éônë'), mania Fehler, Hindernis (ha. menVä), baseilom j. Friedhof (ha. bet-'öläm), balagäls/bahgok Fuhrmann (ha. ba'al-tägälä), tsum tsaloxds zum Trotz (d. zu + ha. l%ak'ïs), arbskdmfas ein rituelles Kleidungsstück (ha. 'arba'-kanpöt), mssugg verrückt (ha. mésugga).

Schluß § 67. Wie bereits in der Einleitung betont wurde, verfolgt diese Arbeit lediglich den Zweck, eine nordjiddische Mundart nach ihren Lautverhältnissen darzustellen. Daneben wurde Gelegenheit genommen, den Standort dieser Mundart innerhalb des Ost- und des Gesamtjiddischen (unter Zugrundelegung der Verhältnisse von 1939) zu umreißen und einen Einblick in die Lautgeschichte und Lautgeographie des Jiddischen, insbesondere des heute diese Sprache einzig repräsentierenden Ostjiddischen zu geben. E s erübrigt sich nun noch, die Hauptergebnisse der Untersuchung zusammenzufassen. Selbstverständlich weist das Pinsker Jiddisch alle dem Gesamtjiddischen eignenden Merkmale auf; so außer den nur schwer faßbaren „konstitutiven Faktoren" wie Tongebung und Sprachmelodie, bestimmten Lautveränderungen der vor- und der alt jiddischen Periode (s. Ber. D P h A . 1, 1557, 1561) und gewissen lexikalischen Besonderheiten (s. ebd. i5Ö2ff.) vor allem die Verschmelzung mehrerer Sprachelemente zu einer neuen Einheit (s. ebd., ferner Fischer u o f f . ; Mieses I97ff.). Als Teil des Ostjiddischen trägt es natürlich auch alle spezifisch ostjiddischen 1 ) (wenn auch z. T. ins Westjiddische hinübergreifenden) Kennzeichen an sich; so die Doppelvertretung des urj. e, 0 (vgl. § 17), den Zusammenfall von mhd. ei, öu mit urj. e, 0 (vgl. § 37) und von mhd. ou mit urj. 6 (vgl. § 38), die besondere Entwicklung des mhd. ü (vgl. § 45), die Form a des unbestimmten Artikels (vgl. § 35, 2 c ; Ber. D P h A . 1,1570), die Stimmhaftigkeit der Verschlußlindlaute (vgl. § 3, 2), des mhd. s (vgl. § 62, i a , 2 a) sowie des inlautenden mhd. v (vgl. § 58, 2a), mhd. ss > £ (vgl. § 62, 2c), unverschobenes germ. pp, mp (vgl. § 56, 2), germ. anlautendes p > / (vgl. ebd. 1), mhd. -bei > -pl (vgl. § 57, 2 b), mhd. Is, Z5, Isch > Idz, Its, M (vgl. § 48, 3 a), Erhaltung des m in der mhd. Endung -em (vgl. § 53) sowie eine Reihe von Besonderheiten in Wortschatz und Wortbildung (s. Ber. D P h A . 1, 1569f.; vgl. Ber. ZPhon. 3 , 3 2 ! , 3 6 ! ) . Das Nordjiddische, dem das Pinsker Jiddisch als Teilidiom zugehört, stellt neben dem Südjiddischen die andere der beiden Hauptmundarten des Ostjiddischen dar. Die z. T. nicht unerheblichen Unterschiede !) Zum gegenseitigen Verhältnis von West- und Ostjiddisch vgl. Ber. D P h A . 1, 1568ff.; Ber. ZPhon. 3, 37, 42f.; Fischer 47ff., 9off.

Schluß

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zwischen dem Süd- und dem Nordjiddischen — es handelt sich zumeist um solche lautlicher, aber auch grammatischer Art — beruhen, soweit sich bis jetzt erkennen läßt, keineswegs, wie etwa manche west-ostjiddische Gegensätzlichkeiten, auf schon urjiddischen Doppelheiten, sondern im wesentlichen auf einer verschiedenen oder auch nur verschieden starken Umgestaltung gemeinsamer urostjiddischer Grundlagen. Als wesentlichste Merkmale des Nordjiddischen 1 ), die also auch das Pinsker Jiddisch aufweist, sind zu nennen: 1. Das Nordjiddische hat alle historischen Selbstlautlängen gekürzt, kennt also nur Kurzselbstlaute (vgl. A I passim; ferner Ber. DPhA. i , 1573; Fischer 94; sicherlich unzutreffend äußert sich darüber Gerzon 20f., 23t., 26). Infolgedessen sind die zahlreichen sekundären Selbstlautdehnungen und -kürzungen, die im Süd jiddischen eine bedeutende Rolle spielen (vgl. S. B i r n b a u m in Teuthonista 9/1933, 180; Bb. Vok. passim; Ber. DPhA. 1, 1574; Ber. Noung. passim) und z. T. einst wohl auch im Nordjiddischen vorhanden waren* in diesem in keiner Weise erkennbar. Manche ursprüngliche Dauerunterschiede spiegeln sich aber heute noch in gewissen qualitativen Verschiedenheiten wieder. 2. Der historische lange a-Laut erscheint durchwegs als 0 (gegenüber sj. m, u; vgl. § 8). 3. Die historischen u-Laute sind als u erhalten bzw. zu solchen wiederhergestellt (gegenüber sj. {, i, i; vgl. §34). 4. Der historische lange o-Laut, mit dem auch mhd. ou zusammengefallen ist, erscheint als ei (gegenüber sj. oi; vgl. § 29, § 38). 5. Das ««-Phonem innerhalb der historischen langen e-Laute, mit dem auch mhd. ei und öu zusammengefallen sind, erscheint ebenfalls als ei (gegenüber sj. ai, äi; vgl. § 17, § 37). 6. Das e-Phonem innerhalb der historischen langen e-Laute erscheint als e (gegenüber sj. ei; vgl. § 17). 7. Mhd. i und tu erscheinen als ai (gegenüber sj. ä; vgl. § 42). ' 8. Mhd. ü erscheint als oijui (gegenüber sj. ou; vgl. §45). 9. Alle Nebentonselbstlaute in der Stellung zwischen l, r und x sind geschwunden (vgl. § 46, 6j, bes. Anm. 2). 10. Von den grammatischen Geschlechtern ist das Neutrum im Nordjiddischen im allgemeinen verlorengegangen (vgl. Bb. Gr. 34; Bb. HaEl. 34t.; Ber. DPhA. 1,1573; Mieses 106,108; Fischer 94; Gerzon 56). x)

Über eine Untergliederung des Nj., vor allem über die Sonder^ Stellung des Kurländisch-Jiddischen, vgl. oben passim, ferner Ber. DPhA. 1, 1573 t.; Fischer 97 ff.

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Schluß

Von im Nhd. sächlichen Wörtern sind im Pinsker Jiddisch z. B. tuts Dutzend, marx Knochenmark/Gehirn, wunder Wunder männlich, waib Weib/Gattin weiblich geworden. Nur Verkleinerungsformen treten gelegentlich noch als Neutra auf: der¡dos jingsld das Knäblein; aber nur di hentl das Händchen. Darüber hinaus ist der Geschlechtswechsel der Hauptwörter im Nordjiddischen nicht selten. Es heißt in Pinsk z. B. der lomp die Lampe, di kop der Kopf, u. ä. Weitere zwischen dem Süd- und dem Nordjiddischen bestehende Unterschiede wie etwa der formale und inhaltliche Zusammenfall des Wem- und des Wenfalls oder die Abweichungen im Wortschatz (vgl. Ber. DPhA. i , 1573) konnten in der Darstellung leider nicht veranschaulicht werden. Die Grenze zwischen dem Süd- und dem Nordjiddischen (vgl. Bb. Gr. i 6 f . ; Ber. DPhA. 1, i572f. und Karte; Fischer 93ff.; Gerzon 14) bildet ein Isophonenbündel, als dessen Rückgrat die o/u-Linie (§ 8) bezeichnet werden kann. Sie wird zu beiden Seiten von einer Reihe weiterer sprachlicher Grenzlinien begleitet, von denen in dieser Arbeit nur die e/ei- (§ 17), die oi/ei- (§ 29), die u/i- (§ 34) und die ai/a-Linie (§ 42) als solche besonders hervorgehoben wurden. Dieses Linienbündel liegt zwischen dem Süd- und dem Nordjiddischen als ein mäßig breiter Ubergangsstreifen, dessen Verlauf durch die Städte Bialystok, BrestLitowsk, Luzk, Rowno und Shitomir gekennzeichnet wird, dem also auch der südliche Teil Polesiens zugehört, während Pinsk bereits nördlich von ihm liegt. In diesem Grenzgürtel sind teils süd- und nordjiddische sprachliche Merkmale nebeneinander vorhanden (vgl. § 29, § 38, § 42), teils durch die Überschneidung südlicher und nördlicher Erscheinungen entstandene Neubildungen (vgl. § 34). Es ist durchaus kein Zufall, daß das die beiden Hauptmundarten des Ostjiddischen scheidende Grenzlinienbündel Polesien durchzieht, wie dies politische, ethnische und kulturelle Grenzen seit altersher getan haben 1 ). Die elementare Beharrsamkeit der polesischen Landschaft hat nicht nur den Ausdehnungsbestrebungen Litauens, Polens und Rußlands Einhalt zu bieten vermocht, das Vordringen der römischen und der byzantinischen Form des Christentums gleichermaßen abgebremst und der Ausbreitung sowohl der ukrainischen, als auch der weißruthenischen Sprache Widerstand geleistet, sondern ihr auch die Rolle einer wirkungsvollen Hemmstelle für alle Strömungen innerhalb des ostjiddischen Sprachraumes, gleichgültig, aus welcher Richtung sie vordringen (vgl. vor allem den 1)

Vgl. hiezu Bürgener i22ff.

Schluß

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in § 17 Deschriebenen Verlauf der ei/ai-Linie, ferner § 3,2, §8 ,§ 17, § 42, § 45, § 49, § 60, i b , § 61, i b , § 62, § 65), verliehen. Was die Sprachdynamik des ostjiddischen Raumes selbst betrifft, so scheinen sich die Aktivität des Süd- und des Nordjiddischen irgendwie die Waage zu halten. Genaueres darüber läßt sich auf Grund der bisher vorliegenden Untersuchungen nicht aussagen. Auf die übrigen im Ostjiddischen wirksamen sprachbildenden Kräfte wie den Einfluß des benachbarten West jiddischen und des Neuhochdeutschen (das im Norden durch das Baltendeutsche repräsentiert wird), dann die soziale und die Altersschichtung der Sprecher wurde passim hingewiesen. Eine Erörterung und Klärung der Kernfrage der jiddistischen Forschung, nämlich der nach dem Kräftespiel bei der Entstehung des Jiddischen aus dem Schöße der deutschen Sprache, wird erst bei hinlänglicher Kenntnis des einst im deutschen Mutterlande gesprochenen Westjiddischen möglich sein.

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Beranek, Pinsker Jiddisch

FRIEDRICH K L U G E

Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprachg I i . — 1 6 . Auflage bearbeitet von Alfried Götze 17. Auflage unter Mitarbeit von Alfred Schirmer bearbeitet von W^fther Mitzka Lexikon-Oktav. X V I , 900 Seiten. 1957. Ganzleinen D M 35,— Aus den Besprechungen der letzten Auflagen: „Die Bedeutung dieses Werkes für die Germanistik braucht wohl an dieser Stelle nicht mehr herausgestrichen zu werden, nachdem es Jahrzehnte hindurch das Handbuch der germanistischen Sprachforschung war und in Zukunft auch bleiben wird. Schon beim Durchblättern dieses einzigartigen Lexikons steht man ergriffen vor der hingebungsvollen Arbeit und genialen Leistung dieser großen Sprachforscher, die auch jedem Laien ein anschauliches Bild vermitteln von der Tiefe und Schönheit der deutschen Sprache. Ein Buch, das in keiner Bibliothek fehlen dürfte." Europäischer Kulturdienst, Salzburg

FRANZ DORNSEIFF

Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen 5. Auflage, mit Generalregister. Lexikon-Oktav. Etwa 900 Seiten. 1958. Ganzleinen etwa D M 35,— „Wir gewinnen hier wirklich einen Einblick in den Reichtum der Sprache (Dornseiff zählt z. B. Tausende von Pflanzennamen auf) und erkennen auch, in welchen Gebieten des Seins die Sprache besonders verschwenderisch Wörter bereithält und w o sie sehr knapp haushält. Von unschätzbarem Wert ist der systematische Büchernachweis, der 100 Seiten beansprucht; und die Einleitung über „Wortschatzdarstellung und Bezeichnungslehre" wird jeden sprachwissenschaftlich Interessierten immer wieder fesseln.. . Dornseiffs Buch ist das maßgebende wissenschaftliche Werk über den deutschen Wortschatz. Es eignet sich aber auch vortrefflich als Nachlagewerk für den praktischen Gebrauch." Sprachspiegel, Zürich Über weitere sprachwissenschaftliche Werke unseres Verlages unterrichtet ein Auswahlver^eichnis. Sie erhalten es kostenlos in Ihrer Buchhandlung.

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