Das okkulte 3. Reich
 3-9809643-9-6

Table of contents :
Buchvorderseite......Page 1
Vorwort......Page 3
Jüngere & Standard-Literatur zum Themenkreis......Page 6
Inhalt......Page 12
Einleitung......Page 14
1. Heinrich Himmler & die völkischen Geheimbünde......Page 18
2. Wewelsburg & Erberinnerung - der mysteriöse Oberst Wiligut / Weisthor......Page 50
3. Ahnenerbe & Urreligion: Der Vermächtnis des Herman Wirth......Page 77
4. Indogermanisches Weistum statt „Germanentümelei" ? -
Walther Wüst & der kommende SS-Glaube......Page 100
5.Okkultismus, Ausgrabungen & Expeditionen Forschungsschwerpunkte & Kuriositäten im Ahnenerbe......Page 129
6. Das Welteis, Edmund Kiß & Atlantis......Page 158
7. Gegnerforschung, Hexenkartothek & Männerbünde......Page 173
8. Auf der Suche nach dem Heiligen Gral - Otto Rahn & die Grals-Mission der SS......Page 188
9. Die verschwundene Akte - SS-Okkultforschung &das Geheimnis des Gaston de Mengel......Page 210
10. Geheimnis Tibet - Rätsel Paraguay. Ernst Schäfer & die SS-Expeditionen......Page 239
11. Kriegswichtige „Zweckforschung"Bruno Beger, Hans Rammler & das SS-Ahnenerbe......Page 257
12. Von Neuschwabenland nach Aldebaran: Spekulationen um SS-Geheimprojekte......Page 291
Ausklang: Eine vorläufige Bilanz......Page 327
1.Veröffentlichungen der Ahnenerbe-Schriftenreihe......Page 332
2.Literatur......Page 334
3.Personenregister......Page 348
Weitere Bücher des Autors......Page 352
Impressum......Page 353
Buchrückseite......Page 354

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Dennis H. Krüger

DAS „OKKULTE“ 3. REICH Forschung zwischen Germanenkunde, Okkultwissenschaften & Geheimwaffentechnologie

Vorwort as okkulte 3. Reich - ein Thema, das bereits auf eine umfangreiche Liste von Veröffentlichungen zurückblickt. Zugleich ein Themengebiet, um das die akademische Forschung für gewöhnlich einen weiten Bogen macht, um es der so genannten Verschwörungs- und Okkultliteratur zu über­ lassen. Kernpunkt ist die Befassung führender Protagonisten des 3. Reiches, insbesondere aus dem Umfeld der SS, mit einem - im Vergleich zu heutigen Darstellungen - alternativem Verlauf der Frühgeschichte und okkulten Phäno­ menen, wobei innerhalb des 3. Reiches wirkende „Geheimbünde" als esoteri­ sche Drahtzieher die NS-Herrschaft geprägt und dabei eine verborgene Rolle bei der Entwicklung der „Wunderwaffen" des Dritten Reiches eingenommen haben sollen. Eine politische Dimension der Thematik impliziert die Existenz verschiedener Vereinigungen, die sich als wahre Erben des nicht untergegan­ genen Deutschen Reiches sehen, und sich argumentativ auch auf eine „Dritte Macht" reichsdeutscher Provenienz stützen, die mit ebenjener „ WunderwaffenTechnologie" noch heute die Weltpolitik beeinflussen würde. Im Zusammenhang mit Geheimbünden des Dritten Reiches werden ins­ besondere die Thule-Gesellschaft sowie die Organisation „Ahnenerbe" ge­ nannt. Während erstere nach wissenschaftlicher Aufarbeitung - im Ge­ gensatz zur häufigen Unterstellung einer gewichtigen Hintergrundrolle als Drahtzieher der NS-Protagonisten in früheren Publikationen - nur noch marginal in der jüngeren Literatur als noch zur Zeit des Dritten Reiches wirkend erscheint, wird letztere trotz einer bereits 1969 publizierten umfas­ senden wissenschaftlichen Abhandlung, um so nachhaltiger in einen sol­ chen Zusammenhang gebracht. Dies liegt insbesondere daran, daß seiner­ zeit Bedenken hinsichtlich der Befassung des Ahnenerbes mit okkulten und geheimen Forschungen unter Hinweis auf „fehlende Akten" nicht restlos ausgeräumt werden konnten und überdies eine enge Verflechtung des Ah­ nenerbes mit dem „Persönlichen Stab RF-SS" bestand, in dem sich - anders als im tatsächlichen Ahnenerbe - in der Tat eine Reihe von Persönlichkeiten befanden, die sich mit okkulten Forschungen befaßten. Einer besonders großen Beliebtheit erfreuen sich okkulte Zusammenhänge des 3. Reiches traditionell in Frankreich, einem Mutterland der okkulten Ge­ sellschaften. Hier drehen sich viele Publikationen vor allem um den Spiritis­ mus der NS-Protagonisten und die Gralssuche Otto Rahns, der viele Jahre in Frankreich lebte und Verbindungen zu verschiedenen französischen Okkul­ tisten unterhielt. In den USA, wo sich die Mehrheit Kenntnisse historischer Geschehnisse vor allem der Zeit des 2. Weltkrieges aus Hollywood-Filmen aneignet,1 fielen viele dieser okkulten Ansätze auf fruchtbaren Boden; hier 1 So Levenda (2002) 3

war es vor allem das Interesse an okkulten Forschungen innerhalb des 3. Reiches und die Verwendung bestimmter Symbole, wie des Hakenkreu­ zes, was Autoren und Leserschaft der Okkultliteratur fesselte. Zunehmend verlagert sich hier jedoch der Schwerpunkt des Blickwinkels auf die tech­ nischen Aspekte der verborgenen Geschichte des 3. Reiches. Während bei­ spielsweise Col. Howard Buchners Werk noch ganz in der französischen Tradition der Veröffentlichungen etwa Angeberts und Bernardacs stand, drehen sich die Werke zum okkulten 3. Reich der letzten Jahre vor allem um die Beziehungen zwischen den Okkultgruppen und moderner Techno­ logie. In der kurzen Übersicht zur Literatur wird auf einige dieser Werke zurückzukommen sein. All diesen typischen Okkultveröffentlichungen gemein, ist das fast völlige Ausblenden wissenschaftlicher Forschungen über deutsche Vereinigungen am Vorabend des Dritten Reiches. Trotz der wissenschaftlich untermauerten Entmystifizierung der Legenden um das Ahnenerbe, die Thule- und Vril-Gesellschaften sowie Weisthor und Otto Rahn2 - um nur einige zu nennen -, erfreuen sich derlei Legenden nach wie vor großer Beliebtheit. Nicht zuletzt deshalb, weil die genann­ ten Veröffentlichungen mit wissenschaftlichem Hintergrund oftmals den Eindruck vermitteln, als wenn hier wichtige Episoden ausgelassen oder gar verschwiegen werden. Genau dies ist nämlich das Manko der wissen­ schaftlichen Veröffentlichung und gebiert den Reiz der Laiendarstellung: Der Wissenschaftler orientiert sich an den der Forschung zugänglichen Quellen, daß heißt an Akten, an mündlichen Überlieferungen wie etwa Zeugenaussagen oder an vorhandenen materiellen Hinterlassenschaften. Daß gerade im Bereich der okkulten, also im Verborgenen wirkenden Ge­ schichte dies die tatsächlichen Geschehnisse nur Auszugsweise widerspie­ gelt, liegt auf der Hand.3 Verborgene Geschehnisse werden in der Regel nicht anhand von Akten überliefert. Wo diese vorhanden waren, werden sie zudem oft vernichtet oder zur Verschlußsache erklärt - bis in die heu­ tige Zeit.4 Für den Wissenschaftler sind sie somit nicht greifbar, ihr Inhalt entzieht sich einer Darstellung. Dazu kommt, daß viele der wissenschaft­ lichen Publikationen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts starken Ten­ denzen ausgesetzt sind, die Rolle des 3. Reiches nicht objektiv, wie man es von Historikern erwarten würde, sondern aus dem Blickwinkel eines „gegnerischen Systems" betrachten. Dies führte vor allem im Falle der Veröffentlichung Michael Katers zu einigen Schlußfolgerungen, die sich weniger an der Faktenlage, denn an persönlichen Befindungen orientieren, 2 Kater (2006), Rose (1999), Bahn (2003), Lange (1999), Lange (2001) 3 Siehe hierzu zuletzt Knaack (2010), S. 10 ff. 4 Zur Problematik der bewußten Aktenvernichtung durch US-Behörden nach dem 2. Weltkrieg, siehe Georg (2009), S. 53 f. ebenso Mayer/Mehner (2007), S. 19. 4

nicht nur was die persönliche Einschätzung verschiedener Protagonisten des 3. Reiches betrifft.5 Die vorliegende Veröffentlichung versucht nun, die verschiedensten Quel­ len über das „Okkulte 3. Reich" zusammenzutragen, die Thesen der Sekun­ därliteratur, vor allem der „Okkultveröffentlichungen" zu sichten und unter wissenschaftlichem Gesichtspunkt darzustellen und - wo möglich - auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen. Dabei steht die Forschungstätigkeit der SS in Bezug auf die Frühgeschichts- und die Erforschung okkulter Phänomene im Mittelpunkt der Betrachtung, wobei wiederum die Organisation „Ahnener­ be" eine Schlüsselrolle einnimmt. Die Betrachtung der okkulten Vorläufer des 3. Reiches, die bereits in einer Vielzahl von Werken Würdigung erfuhr, wird lediglich gestreift und in den Handlungsrahmen eingebettet. Das Grundgerüst des Werkes beruht auf dem Entwurf einer Magisterarbeit über das Ahnenerbe, der zu einem Zeitpunkt entstand, als dieses außer durch Michael Kater und einige wenige Forscher noch weitgehend unerschlossen war. Mittlerweile hegen eine ganze Reiche von Publikationen, vor allem Disseratationen vor, die sich der Thematik näherten. Trotz der teilweise zu er­ kennenden wissenschaftlichen Akribie und der Vielzahl neuer Forschungser­ kenntnisse haben jedoch auch diese Werke traditionell jene Dinge ausgelassen, die über die vorhandenen Aktenbestände hinausreichen. Mit diesem Werk wird daher der Versuch unternommen, eine Brücke zwi­ schen beiden Forschungsansätzen zu schlagen und dem Leser eine Gesamt­ darstellung der okkulten Phänomene in Bezug auf die SS als wichtigster Un­ terorganisation des 3. Reiches zu präsentieren. In die hier vorhegende 2. Ausgabe sind neben einigen Korrekturen auch Ergänzungen eingeflossen, die sich aus der Berücksichtigung der seit Veröf­ fentlichung der ersten Ausgabe erschienenen Werke zum Themenkomplex ergeben haben. Dennis Krüger

Zelebrierung der arisch-germanischen Vergangenheit auf dem Tag der Deut­ schen Kunst in München -1937 5 Auch von der heu tigen akademischen Forschung wird das Werk Katers inzwischen in Teilbereichen kritisiert. Dabei wird hier Kater allerdings zum Vorwurf gemacht, daß einige Ahnenerbe-Akteure zu positiv dargestellt seien, da Kater zwischen objek­ tiven Forschern und „Scharlatanen" unterscheidet; siehe dazu Krall (2006). 5

Jüngere & Standard-Literatur zum Themenkreis Michael Kater: Das Ahnenerbe der SS Als Standardwerk zum Ahnenerbe firmiert nach wie vor das bereits 1969 veröffentlichte „Ahnenerbe" von Michael Kater. Auf etwa 468 Seiten wertet Kater einen Großteil des damals zugänglichen Aktenbestandes aus. Neben vielen subjektiven Empfindungen, die Kater in sein Werk einfließen läßt, ist es vor allem das hohe Alter der Veröffentlichung, das seinen Wert schmä­ lert. Aufgrund einer Umstellung in der Aktenverwaltung durch die Signa­ turen neu vergeben wurden ohne die früheren zu vermerken (Kater stützt sich auf T-580 Signaturen des alten Berlin Document Centers, die unter der selben Signatur als „Captured German Documents" im Nationalarchiv in Washington vorliegen), sind zudem die Belege Katers für die Forschung oft nicht mehr nachvollziehbar. In letzter Zeit wird Kater ferner vorgeworfen, das Ahnenerbe vor allem hinsichtlich seiner vorgeblichen Rolle bei der Ju­ denverfolgung zu „mild" behandelt zu haben. (Kater 2006) V.V. Trimondi: Hitler, Buddha, Krischna Dieser Klassiker zur okkulten Rolle des Ahnenerbes verbindet den antinazistischen mit einem stark anti-tibetischen Element. Hier können die Auto­ ren die Knüpfung „okkulter Kontakte" ausmachen, die sich insbesondere mit der Ernst-Schäfer-Expedition nach Tibet 1938/39 manifestierten; Tibet wiederum spielt dabei eine an „aufklärerische" Broschüren Erich Luden­ dorffs aus der Zeit der 30er Jahre erinnernde Rolle als heimliches Zentrum „schwarzmagischer Tätigkeit" und wichtigster Verbündeter der damali­ gen Achse des Bösen aus Nationalsozialismus und Faschismus. Um diesen Schwerpunkt herum bringen die Autoren jedoch eine Fülle von Quellen für den okkulten Untergrund des 3. Reiches. (Trimondi 2002) Christopher Haie: Himmler s Crusade Für diese lange Zeit von der orthodoxen Forschung gemiedene Episode nati­ onalsozialistischer Forschung entspannte sich vor allem in den letzten Jahren in den USA ein größeres Interesse, das geprägt war von einer Mischung aus Faszination und Abscheu, wobei ein starker Hang nach Verwendung typischer NS- und SS-Symbolik in der Aufmachung unverkennbar war. Eine für diese Sparte typische anglo-amerikanische Veröffentlichung, die eben­ falls bei aller warnenden Kritik eine gewisse Empathie nicht verhehlen kann, liegt seit 2006 mit Christopher Haies populärwissenschaftlichem Ansatz vor, das mit seiner umfassenden Auseinandersetzung mit der Tibet-Expedition zu den erstzunehmenden US-Publikationen zu zählen ist, vermochte der Autor doch über Bruno Beger, den letzten lebenden Expeditionsteilnehmer von 1938/39, an

Primärquellen zu gelangen, die deutschen Veröffentlichungen aufgrund der Ne­ gativerfahrungen Begers mit dem Forscher Kater seitdem verschlossen blieben. (Haie 2008) Peter Mierau: Nationalsozialistische Expeditionspolitik Diesen Mangel an Augenzeugenberichten erregt insbesondere Peter Mieraus Werk, das unverständlicherweise ganz auf die englischen populärwissen­ schaftlichen Veröffentlichungen verzichtet und sich allein auf deutsche Ak­ tenbestände beschränkt. Zwar wertet Mierau die Bestände des Bundesarchivs Berlin sowohl zu den deutschen Bergexpeditionen der 30er Jahre („Nanga Parbat" u.ä.) als auch zu Schäfers und weiteren geplanten Tibet-Expeditionen mit bewundernswerter Akribie aus, allein sind es gerade die bei Haie durchschim­ mernden Eindrücke Begers, die ebenso vermißt werden, wie amerikanische Aktenbestände, die gerade in der jüngsten Zeit zunehmend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden („Freedom of Information Act" ) und so mit zur neuen Begeisterung für den dortigen „SS-Kult" sorgen. (Mierau 2006) Maximilian Schreiber: Walther Wüst Eine im gleichen Verlag jüngst erschienene Arbeit, befaßt sich nunmehr erst­ mals mit einem der bedeutendsten Protagonisten des fokussierten Ahnenerbes, dem Kurator Walther Wüst. Während die Untersuchung Maximilian Schrei­ bers mit vielen Vorbehalten hinsichtlich der Rolle Wüsts aufräumt, mindert die vornehmliche Betrachtung Wüsts Rolle als Dekan der Uni München den Wert der Veröffentlichung als klassische Biographie, klammert sie doch die gerade wesentlich erscheinende Rolle als Kurator weitestgehend aus. (Schreiber 2008) Hans Jürgen Lange: Weisthor / Otto Rahn Insbesondere zu den beiden bekanntesten Mitgliedern des Persönlichen Sta­ bes RF-SS, Otto Rahn und Karl-Maria Wiligut alias Weisthor - oft als „Ras­ putin Himmlers" charakterisiert - liegen bislang zwei Biographien aus der Feder Hans-Jürgen Langes vor, die in ihrer Wissenschaftlichkeit jeweils als Standardwerke bezeichnet werden können. Das Weisthor-Buch ist soeben als überarbeitete Ausgabe unter dem Titel: „Im Licht der Schwarzen Sonne" im Eigenverlag des Autoren erschienen. (Lange 1999 / Lange 2010) Franz Wegener: Heinrich Himmler & der französische Okkultismus Zum Themenkomplex Himmler und der französische Okkultismus findet man eine knappe Einführung in dem als Teil der „Essenz & Tradition"-Reihe im Forsite-Verlag erschienenen Band „Okkulte Wurzeln & Forschung im Dritten Reich" sowie eine Übersicht in Franz Wegeners „Heinrich Himmler", das auch viele weitere, bislang vernachlässigte Interessengebiete Himmlers wissenschaftlich beleuchtet. (Wegener 2004) 7

Peter Levenda: Unholy Alliance / Rüdiger Sünner: Schwarze Sonne Eine der wenigen „seriösen" angloamerikanischen Veröffentlichungen zum Themenkomplex der okkulten Verstrickungen und der Gralssuche der Nazis, die nicht zu sehr ins Phantastische abgleitet, ist Levendas Veröffentlichung, die als diesbezügliches Standardwerk des englischsprachigen Raumes anzu­ sprechen ist. Neben den „okkulten Wurzeln" wie sie bereits vom früheren Standardwerk Goodrick-Clarkes untersucht wurden, befaßt sich Levenda sehr detailliert mit dem Ahnenerbe, dem Wirken Rahns und Weisthors sowie der Frage nach der Kontinuität des Nazi-Okkultismus. Allerdings vermag Levenda dabei trotz Nutzung einiger „Captured German Documents" - im Vergleich zu Rüdiger Sünners kompakter Veröffentlichung „Die Schwarze Sonne" - we­ nig abweichendes zu präsentieren, was wohl der versäumten Aktualisierung der bereits 1995 erschienenen Erstausgabe geschuldet sein dürfte. (Levenda 2007 / Sünner 1999) Joscelyn Godwin: Arktos Ein weiteres Standardwerk des angloamerikanischen Raumes ist das 1996 in den USA erschienene Werk Arktos des promovierten Musikwissenschaft­ lers Godwin, das bereits 1997 in mangelhafter Übersetzung im deutschen Sprachraum erschienen war. Die Neuauflage beim Ares-Verlag erfüllt den Anspruch, die Behandlung des NS-Okkultismus anhand „seltener Schriften, antiker Mythen und unbekannter Science-Fiction-Literatur" dem Leser im Sinne des Autoren zu vermitteln. Hervorzuheben ist jedenfalls Godwins umfassende Betrachtung, die sich ausgehend von der Frage der Bedeutung der Erdpole in den Mythen der Menschheit über Entstehungsmythen der „Arier" in Wissenschaft und Esoterik, bis zu den „okkulten Wegbereitern" des Dritten Reiches und bis heute nachwirkenden Legenden einer mit Ge­ heimtechnologien versehenen Dritten Macht erstreckt. (Godwin 2007) Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne Die aus dem Jahr 2002 stammende Veröffentlichung Goodrick-Clarkes, Black Sun: Aryan Cults, Esoteric Nazism, and the Politics of Identity, wurde erst 2009 ins Deutsche übertragen. Ebenso wie sein frühes Werk „Okkul­ te Wurzeln des Nationalsozialismus" füllt auch dieses Lücken in der For­ schung und ist als weiteres Standardwerk mit wissenschaftlichem Anspruch zu bezeichnen. Der Schwerpunkt liegt hier auf den Nachkriegslegenden (Stichpunkt: Neuschwabenland) und den bis heute fortwirkenden Mythen. Ausführlich wird hier auch das Wirken Miguel Serranos skizziert. Heather Pringle: The Master Plan Hinter diesem etwas irreführenden Titel verbirgt sich eine Darstellung des Ah­ nenerbe mit Schwerpunkt auf den Expeditionen und Forschungsreisen. Trotz 8

der vielen Ergänzungen zu Katers Werk - insbesondere was die Biographien einzelner Protagonisten anbelangt - und des anderen Blickwinkels der Autorin, werden allerdings kaum Fakten gebracht, die über das bislang bekannte hin­ ausgehen: Der Aufbau des Buches soll den geradlinigen Weg des Ahnenerbe vom Forschungsverein zum Handlanger der Judenvernichtung widerspiegeln. (Pringle 2006) Stephen Flowers: The Secret King Mit „The Secret King" präsentiert der als Mitglied einer okkulten Loge wirkende Herausgeber Stephen Flowers eine Würdigung Wiliguts, welche der erwähnten angloamerikanischen Faszination am NS-Okkultismus Rech­ nung trägt und an der auch für ihren Hang zum Romantizismus bekannte Protagonisten der Neo-Folk Musikszene mitwirkten. In diesem Buch wer­ den dem amerikanischen Publikum erstmals eine Reihe von Originaldoku­ menten präsentiert, wobei als Bonus auch ein 1997 erfolgtes Interview von Manfred Lenz mit Gabriele Winkler-Dechend, einer engen Mitarbeiterin Wiliguts, enthalten ist, das diese Veröffentlichung auch für den deutschen Sprachraum interessant macht. (Flowers /Moynihan 2001) Detlev Rose: Die Thule Gesellschaft Mit diesem Werk führt Rose erstmals den wissenschaftlichen Nachweis vie­ ler falscher Legenden um die Thule-Gesellschaft und ihren Begründer Ru­ dolf von Sebottendorf. (Rose 2008 ) Peter Bahn: Die Vril-Gesellschaft Wie Roses Werk in Bezug auf die Thule-Gesellschaft, beleuchtet Bahns Werk Mythen über die Vril-Gesellschaft: Eine wissenschaftliche Betrachtung der mythenumrankten Gesellschaft. (Bahn 1997) Jan-Erik Schulte (Hg.): Die SS, Himmler & die Wewelsburg Etwas enttäuschend fällt dieser kürzlich erschienende Sammelband zur Wewelsburg aus, der trotz seines Umfangs und der Beteiligung einer Reihe akademischer Forscher viele Fragen, die Karl Hüser mit seinem bisherigen Wewelsburg-Standardwerk Wewelsburg - Kult- und Terrorstätte der SS" of­ fen ließ, nicht beantworten kann. (Schulte 2009) Neben den hier aufgeführten Werken existieren eine Reihe weiterer akadamischer wissenschaftlicher Werke, die allerdings stark dem Zeitgeist huldigen und zumeist nur Teilbereiche beleuchten - u.a. „Uta Halle: ... die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch"oder „Achim Leube: Prähistorie und Nationalsozi­ alismus". Eine überaus reichhaltige Fundgrube zum Ahnenerbe bietet dagegen Prof. Gerd Simon unter http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon an. 9

Innerhalb der Forschung über eine deutsche Atom-Bombe nehmen die Au­ toren Harald Fäth, Thomas Mehner und Edgar Mayer eine Pionierstellung ein, die lediglich angesichts zahlreicher Neuveröffentlichungen ein und der­ selben These einen faden Beigeschmack hinsichtlich allzu kommerzialisier­ ter Ausbeutung der Forschung erhält - wobei hier auch der herausgebende und in diesem Bereich führende Verlag nicht ganz unschuldig sein dürfte. Dennoch trugen insbesondere die Veröffentlichungen „Geheime Reichssache" (Mayer / Mehner 2004), die erstmals entschei­ dende Zeugenaussagen präsentierte, sowie das jüngste, die Thesen zusam­ menfassende Publikation „Die Angst der Amerikaner vor der deutschen Atombombe" (Mayer / Mehner 2007) zur Erhellung des Phänomens bei. Co-Autor des letzteren Werkes ist Friedrich Georg, der als bester Kenner der deutschen Geheimwaffenforschung insgesamt zu nennen wäre. Seine derzeitige Veröffentlichung „Hitlers letzter Trumpf" (Georg 2009) stellt das diesbezüglich umfassendste Übersichtswerk dar. Größere Außenwirkung erzielte jedoch die Veröffentlichung Rainer Karlschs Hitlers Bombe (Karlsch 2005) im „anerkannten" DVA-Verlag, der die These der Existenz einer deutschen Atombombe erhärtete, nicht ohne jedoch auf entschiedenen Widerspruch der Historikerzunft zu stoßen. Ein bislang weitgehend unerforschtes Feld außerhalb der Verschwörungsli­ teratur stellt dagegen die Existenz einer weiteren Geheimwaffe des Dritten Reiches dar, die als „Glocke" bezeichnet wird. Hier sind es insbesondere der polnische Autor Igor Witkowski mit „Die Wahrheit über die Wunder­ waffe" (Witkowski 2008) und der US-amerikanische Autor Joseph Farrel, deren Bücher mittlerweile auch in deutscher Übersetzung erhältlich sind. Dem polnischen Militärjournalisten Witkowski gelang es bei seiner Suche nach deutschen Waffenprojekten erstmals Zugang zu Dokumenten in pol­ nischen und US-amerikanischen Archiven zu bekommen, die Rückschlüsse auf elektromagnetische Waffen und unbekannte Energie-Quellen zuließen. Auf Witkowski bezieht sich in weiten Teilen Joseph Farrels 2006 erschienendes, zwiespältiges „Die Bruderschaft der Glocke" (Farrell 2009), welches als Fortsetzungsband des bereits 1998 publizierten „Das Reich der Schwar­ zen Sonne" (Farrell 2010) verschiedene Okkultelemente verbindet und da­ mit ein typisches Werk der akkumulierenden Verschwörungstheorien nach Art van Heisings im angloamerikanischen bietet. Vor den beiden genann­ ten war bereits Nick Cook, ein bekannter Autor der US-Militär-Zeitschrift „Jane's Defense Weekly", den Hinweisen auf deutsche Geheimwaffen und der Entwicklung eines Antigravitationsantriebes in seiner „Jagd nach ZeroPoint" (Cook 2005) nachgegangen. Im Gegensatz zu Farrel wählte Cook den überzeugenderen Stil der autobiographischen Erzählung seiner Suche nach 10

deutschen Geheimwaffen. Dabei sticht insbesondere Cooks glaubwürdige Recherche hervor, die ihn mit allerhand hier zu erwähnenden Theorien und Protagonisten konfrontiert. Zum Themenkomplex Neuschwabenland liegt mit Heinz Schöns „Mythos Neuschwabenland" (Schön 2004), nunmehr ebenfalls ein Werk vor, das sich den Quellen der deutschen Antarktis-Expeditionen widmet und auch erst­ mals den Komplex der US-Expedition „Highjump" von der Quellenseite her betrachtet. Ebenfalls um wissenschaftliche Zurückhaltung bemüht ist das zweite Werk des Autorenduos Heiner Gehring und Karl-Heinz Zunneck, das sich aus­ führlich mit den verschiedensten Theorien um „Flugscheiben über Neu­ schwabenland" auseinandersetzt und im Fazit zu dem Urteil kommt, daß es „einen wahren Kern (gibt), um den sich aber im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Mythen und Legenden rankten, die sich mit dem Beginn des Internetz­ eitalters in eine oft nicht mehr nachvollziehbare, ja geradezu aberwitzige Dimension entwickelt haben." (Gehring / Zunneck 2005) Die letzte in diesem Bereich erschienenden Veröffentlichungen, „Die Zu­ kunft hat längst begonnen" (Sternhoff 2007) und „Götterwagen und Flug­ scheiben" von Gilbert Sternhoff (letzteres gemeinsam mit Mathias Kappel - Sternhoff 2010), greift die verschiedenen Spekulationen zur „3. Macht", der Legende einer nach 1945 weiterexistierenden deutschen Exilmacht auf und entwirft mit der Theorie einer ausschließlich in Südamerika existenten Ba­ sis deutscher Absatzbewegungen eine durchaus plausible Alternative zur Antarktis-These. Zur Bestärkung der These, wonach sich deutsche Exilanten in Südamerika zu einer Vereinigung zusammenfanden, die als Dritte Macht anzusprechen wäre, ist ein Interview des Autoren mit einem involvierten Zeitzeugen abgedruckt, das viele Details über die bekannten Hinweise auf diese Absatzbewegung enthält. Nachtrag: Kurz vor Drucklegung dieser Veröffentlichung erschien als Neuauflage das vergriffene Werk: „Stuart Rüssel / Jost Schneider: Himmlers Burg Wewelsburg, Zentrum der SS" - ein Bildband von einem der besten Kenner der Hintergrundgeschichte zur Wewelsburg, das sich auf zahlreiche Augen­ zeugen und Primärdokumente stützt. Für die 2. Ausgabe wurde auch auf das neu aufgelegte Werk von Rudolf Mund: „Der Rasputin Himmlers" zurückgegriffen.

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Inhalt Vorwort 3 Literaturübersicht.............................................................................................. 6 Einleitung.......................................................................................................... 14 1. Heinrich Himmler & die völkischen Geheimbünde.................................. 18 1.1. Die völkischen Okkult- & Germanenbewegungen..................................... 18 1.2. Heinrich Himmler........................................................................................ 37 1.3. Die SS - Von der „Schutzstaffel" zum „Ritterorden".................................. 44 2. Wewelsburg & Erberinnerung der mysteriöse Oberst Wiligut / Weisthor..................................................... 50 2.1. Die Wewelsburg - das geplante weltanschauliche Zentrum....................... 50 2.2. „Erberinnerung" & Runenmagie................................................................. 64 2.3. Wiligut / Weisthor - „Himmlers Rasputin"................................................. 70 3. Ahnenerbe & Urreligion: Der Vermächtnis des Herman Wirth 77 3.1. Himmlers „Privatforscher"? - Das SS-Ahnenerbe...................................... 77 3.2. Wilhelm Teudt & die Zeitschrift „Germanien".......................................... 81 3.3. Herman Wirth & die Urreligion.................................................................. 91 4. Indogermanisches Weistum statt „Germanentümelei" ? Walther Wüst & der kommende SS-Glaube............................................... 100 4.1. Männerorden statt Urmutter - die Verdrängung Wirths.............................100 4.2. Walther Wüst & die Reform des Ahnenerbe............................................. 105 4.3. Das indoarische Erbe: Hauer, Hielscher, Evola & der „SS-Glaube" 113 5. Okkultismus, Ausgrabungen & Expeditionen Forschungsschwerpunkte & Kuriositäten im Ahnenerbe........................... 129 5.1. Symbol-, Germanenkunde und Ausgrabungen.......................................... 129 5.2. Forschungsreisen & Expeditionen bis 1939.............................................. 138 5.3. Astrologie, Alchemie & Rutengänger.........................................................151 6. Das Welteis, Edmund Kiß & Atlantis...................................................... 158 6.1. Die Welteislehre..........................................................................................158 6.2. Edmund Kiß & das Pyrmonter Protokoll.................................................. 161 6.3. Atlantis & die vorgeschichtlichen Zivilisationen...................................... 166 7. Gegnerforschung, Hexenkartothek & Männerbünde ........................... 7.1. Die Freimaurerei im Visier Himmlers...................................................... 7.2. Der H-Sonderauftrag................................................................................. 7.3. Otto Höfler, Bernhard Kummer & die Männerbünde...............................

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8. Auf der Suche nach dem Heiligen Gral Otto Rahn & die Grals-Mission der SS......................................................... 188 8.1. Der Heilige Gral - das indoarische Erbe................................................... 188 8.2. Der Gralsforscher Otto Rahn im Land der Katharer................................. 194 8.3. Die Gralssuche der SS................................................................................ 197 9. Die verschwundene Akte - SS-Okkultforschung & das Geheimnis des Gaston de Mengel............................................................210 9.1. Die Polaires.................................................................................................210 9.2. Agarthi, Shambalah & der polare Mythos..................................................220 9.3. Gaston de Mengel & die Okkultforschung im Ahnenerbe.........................229 10. Geheimnis Tibet - Rätsel Paraguay. Ernst Schäfer & die SS-Expeditionen .......................................................... 239 10.1. Ernst Schäfer & das Treffen des westlichen & östlichen Hakenkreuzes.................................................................................... 240 10.2. Weitere Asien-Expeditionen.................................................................... 247 10.3. Das Ahnenerbe & die Südamerika-Planungen........................................ 250 11. Kriegswichtige „Zweckforschung" Bruno Beger, Hans Rammler & das SS-Ahnenerbe.................................... 257 11.1. Das Ahnenerbe im Krieg..........................................................................258 11.2. Von Tibet nach Dachau........................................................................... 266 11.3. Rammler, die Atombombe & die Geheimwaffenforschung.................... 272 12. Von Neuschwabenland nach Aldebaran: Spekulationen um SS-Geheimprojekte.........................................................291 12.1. Der Flugscheiben-Mythos....................................................................... 291 12.2. Neuschwabenland & die 3. Macht........................................................... 300 12.3. Vril & Schwarze Sonne........................................................................... 309 12.4. Das Geheimprojekt „Die Glocke"........................................................... 321 Ausklang: Eine vorläufige Bilanz...................................................................327 Anhang............................................................................................................ 332 Schriftenreihe des Ahnenerbe.......................................................................... 332 Literatur............................................................................................................ 334 Personenregister............................................................................................... 348

Einleitung „Die Jahre des Nationalsozialismus waren ei­ ner der wenigen Augenblicke in der Geschichte unserer Kultur, in denen sich laut und sichtbar eine Tür zu etwas anderem auftat...."1 ie „okkulten Elemente" des Dritten Reiches - ein literarischer Dau­ erbrenner, dem es auch nach 40 Jahren kontinuierlicher Veröffentli­ chungen nicht an Brisanz mangelt. Doch was genau umfaßt dieses „Okkulte" eigentlich? Das „Okkulte" ist verborgenes, verworfenes Wissen, „es ist ein Untergrund, dessen grundsätz­ liche Gemeinsamkeit die Opposition gegen die herrschenden Kräfte ist", wie Marco Frenschkowski erläutert.2 James Webb, Verfasser einer 2-bändigen Buch­ reihe über okkulte Strömungen im 19. und 20. Jahrhundert, zählt zu den „verborgenen" Strömungen Hypnotismus, Magie, Astrologie, Wiinschelrutengängerei, geheime Gesellschaften und eine Vielzahl ähnlicher Gegenstän­ de von „zweifelhafter intellektueller Respektabilität". Für ihn ist die Befassung mit dem Okkulten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in Europa aufzukommen begann, eine „Flucht vor der Vernunft" in Reaktion auf die Aufklärung und Entmystifizierung vieler Welträtsel.3 Eine bedeutende Rolle in der Hervorbringung okkulter Persönlichkeiten und Gesellschaften spielte bis in die heutige Zeit Frankreich. Hier wirkten Männer wie Stanislaus de Guaita und Joseph Peladan, welche die ursprüng­ lich aus Deutschland stammende Rosenkreuzer-Gesellschaft wiederbeleb­ ten, oder Gerard Encausse alias Papus, der sich dem Studium der Kabbala widmete und die Martinisten ins Leben rief.4 Auch eine spätere Gesellschaft, auf die im 10. Kapitel näher einzugehen sein wird, hat hier ihre Ursprünge: die Bruderschaft der Polaires. In Deutschland erlebte der Okkultismus zu dieser Zeit ebenfalls eine Blüte, enthielt aber von Beginn an eine spezifisch deutsche Note, die sich vornehm­ lich in Verbindung zu den verborgenen germanischen Wurzeln offenbarte. Bereits vor dem 1. Weltkrieg stieg die Zahl dieser Geheimbünde und okkul­ ter Gesellschaften rasant an und setzte nach Ende des Krieges seinen An­ stieg fort - mit dem einzigen Unterschied, daß sich nach dem Krieg nicht nur

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1 Pauwels / Bergier (1969), S. 308; Autor Bergier (1912-1978), ein als Jakow Michailowitsch Berger geborener Russe, soll übrigens Schüler des Okkultisten Georges I. Gurdjieff (1866-1949) gewesen sein... 2 Vorwort zu Webb (2009), S. 14. 3 Webb (2009), S. 52 f. 4 Zur Biographie siehe Carmin (2005), S. 367ff. 14

der deutsche Okkultismus durch neue Bestandteile völkischen und rassebe­ wußten Denkens bemerkbar machte, die sich auch aus Revanchegefühlen und der Reaktion auf die Geringschätzung der deutschen Frühgeschichte speisten. Das besondere Augenmerk dieser neuen okkulten Vereinigungen galt der eigenen, der deutsch-germanischen Frühgeschichte und der Suche nach dem Seelenheil auf germanischer Grundlage. Daß dies zu dieser Zeit zwangsläufig mit okkulten Betrachtungsweisen einherging, war dem Um­ stand geschuldet, daß die Frühgeschichte im Allgemeinen auf sehr jungen wissenschaftlichen Füßen stand und die germanische Frühgeschichte im Besonderen kaum das Interesse der akademischen Forschung auf sich zu ziehen vermocht hatte, sofern es über die Rolle der Germanen als tumbe Gegenspieler des Römischen Reiches hinausging. Mit Machterringung am 30. Januar 1933, erfüllte das 3. Reich vor allem zwei Voraussetzungen, okkulte Strömungen zu fördern: Zum einen waren verschiedene Protagonisten okkulten Dingen zugeneigt, was jedoch nicht bedeutet, „daß der gesamte NS-Staat zu einer okkulten Organisation mutierte", wie es insbesondere in den USA häufig zu lesen ist.5 Ein Hang zum Okkulten läßt sich vor allem für Himmler konstatieren, dessen okkulte Vorlieben noch nähere Betrachtung erfahren, mit Abstrichen aber auch für den Reichskanz­ ler Adolf Hitler selbst, in dessen Bibliothek sich eine reichhaltige Auswahl an Büchern okkulten Inhaltes fand. Ebenso ist der stellvertretende Parteichef Rudolf Hess für seinen ausgeprägten Hang für okkulte Dinge, insbesondere die Astrologie, bekannt.6 5 So Levenda (2002), S. 201, der sich, obgleich er noch zu den seriöseren US-Autoren zu zählen ist, sogar zu der Behauptung verleiten läßt, „the secret beliefs and practises ofa select coven ofderanged oocultists became the official policy ofthe nation“. Siehe dagegen u.a. Rissmann (2001), S. 158 f: „Oie verbreitete Interpretation des National­ sozialismus als einer okkultistisch geprägten Ideologie, in die politische Praxis umge­ setzt von unheimlichen Esoterikern, dürfte auf eine Überschätzung der Rolle Heinrich Himmlers zurückgehen, der in der Tat auf völkische Okkultismen zurückgriff." Wer angesichts dieser abergläubischen Tendenzen innerhalb der Führungsriege des 3. Rei­ ches die Nase rümpft, sei auf die ebenfalls zu erwähnende Tatsache hingewiesen, daß sich die deutschen Politiker damit in bester Gesellschaft befanden: Sowohl in den USA als auch Großbritannien bestand während des Krieges eine enge Verbindung zwischen Politik und okkulten Kreisen: So arbeitete u.a. der englische MI 6 mit bekennenden Okkultisten wie Aleister Crowley, Jack Parsons und Ron L. Hubbard (ScientologyGründer!) zusammen; vgl. Graddon (2008), S. 180 f. 6 Vgl. Berndt (2011), S. 124 ff.; hier findet sich auch die wohl treffende Bilanz, der zufolge Hitler weder Okkultist noch Okkultismusgegner war, sondern diesen Dingen - zumindest privat - durchaus aufgeschlossen gegenüber stand: „Insgesamt ergibt sich so das Bild eines Adolf Hitler, der sich eigentlich sein ganzes Leben über 15

Zum anderen trat das 3. Reich an, grundsätzliche Gegebenheiten jener Zeit, seien sie politischer, biologischer aber auch wissenschaftlicher Natur, gene­ rell in Frage zu stellen. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Offen­ heit gegenüber allen Denkansätzen, die sich vom - sogenannten - „jüdisch­ materialistischen" Weltherrschaftssystem der damaligen Zeit absetzten.7 Diese Suche nach Alternativen war insbesondere im und vor allem am Ende des Krieges ein dominierender Faktor in der nationalsozialistischen Wissen­ schaft. Vor dem Krieg waren es insbesondere die Suche nach historischen Vorbildern und Versatzstücken, mit deren Hilfe das neue Reich gestützt werden sollte. Eine wichtige Rolle kam dabei Himmler und seiner Organi­ sation Ahnenerbe zu, die sich im Verlauf des 3. Reiches von einem „QuasiPrivatforschungsverein" zum offiziellen SS-Wissenschaftsinstitut wandelte. Neben dem Ahnenerbe liegt der Fokus der Betrachtung aber auch auf dem Persönlichen Stab Himmlers, unter dessen Dach Forscher jenen Aufträgen nachgingen, die selbst für das Ahnenerbe zu unwissenschaftlich waren. Als dritte Gruppe, die sich auch mit „okkulten" Angelegenheiten befaßte, ist die „Gegnerforschung" innerhalb des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) unter Franz Six zu nennen, die sich unter anderem mit der Bekämpfung der Freimaurerei befaßte. Dabei muß bei der Betrachtung grundsätzlich thematisch unterschieden werden, zwischen den okkulten Wurzeln vor Errichtung des 3. Reiches und der Befassung mit okkulten Themen innerhalb des Nationalsozialismus. Zu ersterem Thema gibt es bislang eine ganze Reihe von Veröffentlichungen, die sich vor allem auf die Ariosophie und die Thule-Gesellschaft als „geistige Väter" des Nationalsozialismus konzentrieren. Ein Element dieser okkulten Wurzeln ist die hypothetische Beeinflussung Hitlers durch diverse Vorgän­ ger. Hier sind insbesondere Guido von List, der Gründer des Armanen-Ordens, und dessen einstiger Schüler Jörg Lanz von Liebenfels, der Mann, der nach einem Biographen desselben „Hitler die Ideen" gab,8 zu nennen. In die Reihe der Impulsgeber gehört aber nicht zuletzt auch Dietrich Eckart, oft als „Mentor Hitlers" benannt - und mit ihm, die Thule Gesellschaft. Letztere in­ des insbesondere innerhalb der Verschwörungsliteratur nimmt oftmals die Rolle eines esoterischen Zirkels hinter den offiziellen Machthabern ein und wird in einigen Fällen gar als ein Glied innerhalb einer Reihe eines Jahrhun­ derte währenden esoterischen Konfliktes zweier Parteien genannt: Thule auf der einen - Zion auf der anderen. Ins Extrem übersteigert erscheint dieser für Astrologie interessiert und sich phasenweise auch intensiv mit ihr beschäftigt hat. Wie stark sich Hitler aber letztlich von Astrologie und Hellseherei inspirieren ließ, bleibt fraglich." (S. 235). 7 Vgl. hierzu Witkowski (2008), S. 4f; ebenso Farrell (2009), S. 10. 8 Daim (1985). 16

Hintergrund bei Miguel Serrano, der den Mythos von Hitler als einem Ein­ geweihten mit der indoarischen Avatar-Lehre verknüpft und Hitler als den letzten Avatar in einem Ringen kosmischer Kräfte charakterisiert.9 Daneben existiert auch die - ursprünglich erstmals durch Nesta Webster (1876-1960) begründete - Verschwörungsrichtung, die das 3. Reich als Be­ standteil einer einzigen Weltverschwörung sieht, die seit frühester Zeit an der „Versklavung" der Menschen arbeitet und auch das 3. Reich steuerte, um eine „Neue Weltordnung" zu errichten.10 Einer der Vertreter dieser Verschwörungsrichtung, der US-Amerikaner Jim Keith, veröffentlichte vorgebliche Aufzeichnungen eines Vatikan-Prie­ sters, welche die jahrhundertelange Zusammenarbeit zwischen einem „Teu­ tonischen Orden" und einer Gruppe semitischer Magier aufdecken. Diese hätten auf einem Treffen 1897 auch die Protokolle der Weisen von Zion als Richtschnur ihrer kommenden Tätigkeit erstellt.11 Dabei stellt sich allerdings die Frage, warum eben jene Mächte - oft als „Fi­ nanzadel" bezeichnet -, die tatsächlich als hinter den Kulissen der Politik wir­ kende Kulissenschieber zu agieren scheinen, seinerzeit alles aufboten, um das 3. Reich zu vernichten, wenn es doch von ihnen selbst gesteuert wurde? Eine weitere mythenumrankte Vereinigung stellt die Vril-Gesellschaft dar, die bei einigen Autoren als Bindeglied zwischen uralten magisch-eso­ terisch Strömungen und dem Nationalsozialismus dient. In diesem Zusam­ menhang wird auch immer wieder die Person Karl Haushofers erwähnt, der sowohl hier als auch in der Thule-Gesellschaft Mitglied gewesen sei. Daß diese Theorien, so unglaublich und realtitätsfern sie auch klingen mö­ gen - zumindest in Teilen in den Bereich nationalsozialistischer Forschungen hineinwirkten, soll im folgenden anhand zugänglicher Quellen und den Er­ kenntnissen der bisherigen Forschung dargestellt werden. Unumstrittener als okkulte Triebkräfte innerhalb des 3. Reiches jedenfalls, sind gewisse Einflüsse auf das Dritte Reich, die ihre Wurzeln in den esote­ rischen Bewegungen der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts und im be­ ginnenden 20. Jahrhundert hatten und deren Portrait unsere Darstellung ein­ läuten wird.

9 Serrano (1987/2010). 10 So insbesondere Carmin (2005), S. 7 ff.; zum Ursprung bei der britischen Schrift­ stellerin und „Verschwörungstheoretikerin" Nesta Webster („Secret societies and subversive movements", 1921), vgl. Webb (2008), S. 170. 11 Vgl. dazu Graddon (2008), S. 184 f. 17

1. Heinrich Himmler & die völkischen Geheimbünde „So sind wir angetreten und marschieren nach unabänderlichen Gesetzen als ein nationalso­ zialistischer, soldatischer Orden nordisch be­ stimmter Männer und als eine geschworene Ge­ meinschaft ihrer Sippen den Weg in eine ferne Zukunft."12

1.1.

Die völkischen Okkult- & Germanenbewegungen

ie erste populäre Darstellung einer esoterischen Geschichte des Men­ schen stammt von Helena Petrowna Blavatsky (1831-1891), die das Werk „Die Geheimlehre" verfaßte. In diesem sprach die russische Okkultistin von sieben verschiedenen menschlichen Entwicklungsstufen die geprägt wurden durch verschiedene Menschenrassen.

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Theosophie & Ariosophie Die aus dieser Lehre entstehende Theosophie vertrat eine Weitsicht, die von einer Art „Gottgleichheit" des Menschen ausgeht, die im Laufe der Zeit ver­ schwimmt und sich damit sowohl Darwins Theorie der Menschentstehung als auch der chronologischen kontinuierlichen Weiterentwicklung des Men­ 14 schen entgegenstellte.13 Jedoch beanspruchte die Theosophie zugleich „eine universelle Bruderschaft ohne Rücksicht auf Rasse, Geschlecht oder Hautfarbe zu bilden, das verglei­ chende Studium von Religionen, Philosophien und Wissenschaften zu fördern sowie die unerklärten Na­ turgesetze und die verborgenen Kräfte des Menschen zu erforschen. Ein bedeutender Punkt in Blavatskys Lehre nehmen esoterische Kraftzentren ein, die sie in Tibet und der Wüste Gobi verortet und die in Zu­ sammenhang mit den Mythen von Agarthi und Shamballah stehen, die - wie in folgenden Kapi­ teln geschildert - in den esoterischen Kreisen eine Helena Petrowna Blavatsky große Rolle spielen. 12 Himmler (1937). 13 So hielt Blavatsky - ebenso wie später Lanz von Liebenfels - Menschenaffen für Produkte von Sodomie; vgl. Godwin (2007), S. 56. 14 Blavatsky (1969), S. 42. 18

Inspiriert durch die Theosophie wurde eine ganze Reihe von Mystikern und Gelehrten der damaligen Zeit, unter anderem Rudolf Steiner (1861-1925), aber auch der österreichische Kaufmann Guido von List (1865-1919), der den theosophischen Okkultismus mit der völkischen Lehre verband und daraus die Ariosophie schuf - eine okkulte, den Arier betreffende Weisheit. List be­ trachtete sich als den letzten Magier der Armanen, der einstigen geistigen Führer oder Priester der „Ariogermanen". 1908 schuf er mit seiner Veröffent­ lichung „Die Armanenschaft der Ariogermanen" die Grundlage dieser Lehre, indem er die Einteilung der Germanen durch Tacitus als ständische Dreiglie­ derung interpretierte: Armanen (Irmionen) = Priester, Ingväonen = Adelige und Fürsten, Istävonen = Bauern und Handwerker. Schon früh verband er sei­ ne okkult-völkische Lehre mit der Warnung vor der „internationalen jüdischen Verschwörung", die damals erstmals in breiteren Kreisen der Gesellschaft auf­ tauchte, und empfahl zur Lösung, einen rassisch homogenen Staat mit einem durch die Arier selbstgewählten „Führer" als neuer Herrschergestalt.15 Als Symbol eines neuen, rassereinen Reiches empfahl der Armane die doppelte Sig-Rune 44, die er als Femerunen deutete.16 Schwerpunkt der Durchsetzung der Armanen-Regeln sollte eine überwiegend staatlich-orga­ nisierte Erziehung der Kinder sein, wobei die Familie selbst streng patriar­ chalisch ausgerichtet werden müßte. Eine große Rolle in Lists Lehre spielte auch die Interpretation der Runen als okkulte Anleitungen. 190517 gründete der List-Schüler und Freund Georg Lanz von Liebenfels (1874-1954), ein ehemaliger Zisterzienser-Mönch, in Wien die „Guido-vonList-Gesellschaft", die in Österreich zu einem Zentrum ariosophischer und antisemitischer Kreise wurde. Zu den bekannteren Anhängern dieser Gesell­ schaft zählten der damalige Wiener Oberbürgermeister Karl Lueger, der be­ kannte Theosoph Franz Hartmann und weitere Mitglieder der Wiener Theo­ sophischen Gesellschaft. Über die deutsche „Guido-von-List-Gesellschaft" wurden Lists Ideen auch im Wilhelminischen Kaiserreich verbreitet. 1911 gründete von List den „Hohen Armanen Orden" (HAO) als inneren Zirkel der List-Gesellschaft, der aus den Anhängern einen elitären Kern he­ rausbilden sollte. Aus diesem Zirkel heraus wurden später die Gründung sowohl des „Reichs-Hammer-Bundes" als auch des „Germanen-Ordens" in Deutschland beeinflußt. Lanz von Liebenfels war ebenfalls ein bekannter Protagonist der alldeut­ schen und ariosophischen Aktivitäten. Sein 1905 veröffentlichtes Buch „Die Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron" propagierte die Verwirklichung der Rasse-Reinheit. „Die niederen Rassen sollen 15 Von List (1908), S. 14 ff. 16 Von List (Rita), S. 103. 17 Heute wird verschiedentlich 1908 als Gründungsjahr genannt (u.a. Wikipedia). 19

sterilisiert werden, die arische Rasse der Gottmenschen solle sich durch strenge Unter­ ordnung der Frau unter den arischen Mann vermehren. Unverheiratete Brutmütter sollen in Zuchtklöstern von blonden blauäugigen arischen Ehehelfern begattet wer­ den, um Neuarier zu gebären", wie ein Lanz nicht allzu gewogener Autor dessen Ziele dramatisierte.18 Ein Zitat, das oft als Vorlage für die Lebensborn-Kon­ zeption im 3. Reich herhalten mußte, obgleich dieses nichts mit einer „Zucht­ anstalt" zu tun hatte, sondern alleinerziehenden Müttern eine Unterkunft bot. Im selben Jahr begann Lanz mit der Herausgabe seiner Broschüre „Ostara, Briefbücherei der Blonden und Mannesrechtler", die heute zumeist als „übles Hetzblatt" bezeichnet wird. Lanz publizierte auch astrologische Prophezei­ ungen und Abhandlungen zu Themen wie „Sexualphysik", „Liebe als odische Energie" oder „Rassenmystik". Noch vor der „Guido-von-List-Gesellschaft" gründete Lanz 1900 den „Ordo Novi Templi" (ONT),19 den Neuen Templer Orden, als Wiedererwe­ ckung des Templerordens auf Grundlage der Idee eines auf Rassengleich­ heit aufbauenden Männerordens mit der Losung, „Liebe Gott in deinem Nächsten, d.i. in deinem Artgenossen."20 Seine Aufgabenbereiche lagen in 18 Orzechowski (1987), S. 33; zu tatsächlichen Plänen einer „Zuchtanlage" siehe We­ gener (2010); dagegen relativiert Mund (1976), S. 211, die Lanzschen Rassenzucht­ pläne mit Hinweis auf die eigentlich geistige Natur dessen Rassebegriffs: „...heute scheint es, daß Dr. Lanz vielmehr eine aristokratische Einstellung eines Menschen als ein rassisches Erscheinungsbild forderte". 19 Goodrick-Clarke (2004), S. 59, dem die Forschung heute folgt, nennt als Gründungs­ jahr 1907; Mund zufolge, der sich auf persönliche Aussagen des Lanz beruft, erfolgte die formelle Gründung bereits am 25.12.1900, S. 39; so auch Lorenz (2010), S. 27 20 Sol Invictus (Kreuz), S. 12; zur Legitimation des Ordens als Nachfolger des ur­ sprünglichen Templerordens führt Mund aus: „Somit ist die rechtmäßige Übertra­ gung der Weihen in ununterbrochener Folge über die Zisterzienserabtei Heiligen 20

der Stammbaum-, Ahnen- und Rassenfor­ schung, Erforschung und Anknüpfung an die kulturellen und geistigen Errungenschaften der Ahnen sowie der Ausarbeitung rassenbiolo­ gischer Richtlinien einer Kolonisation, die auch eine Heiratsförderung beinhaltete.21 In der Rückschau gehören Lanz von Lieben­ fels und sein ONT zu den heute meistkritisier­ ten Bünden vor 1933. So wirft Dietrich Bronder Lanz und seiner „absonderlichen Lehre“ vor, „mit List zusammen das geistige Zentrum des rassischen Antisemitismus gebildet“ und als „direkter Wegbe­ reiter der düsteren Rassenmystik des Nationalsozia­ lismus“ gedient zu haben.22 Seine Behauptung, Die Ruine der Burg nach der Lanz „gleich jüdischer Abkunft (war) Werfenstein heute wie Adolf Hitler“, hat sich indes als unhaltbar für beide Personen herausgestellt, wird aber dennoch bis heute kolportiert.23 In Bezug auf die okkulten Vereinigungen sieht der Autor Glowka die Bedeutung des ONT darin, „daß er dem völkisch­ antisemitischen Gedankengut eine eigenartige ariosophische Esoterik unterlegt und damit in andere Okkultbereiche ausstrahlt."24 Lanz von Liebenfels ist zugleich auch der eigentliche Wortschöpfer und damit Begründer der Ariosophie, der „Ur-Religion der Ario-Heroiker" und des „Urchristentums einer arischen Rassen- und Ahnenkultreligion".25 Kreuz, in Niederösterreich (dieser trat Lanz 1893 bei und empfing die Priesterweihen 1897; Anm. Autor) bis zum Jahr ihrer Gründung 1133, dann über den Sohn des Ba­ benberger-Herzogs Friedrich II, dem Streitbaren, Bischoff Otto von Freising, früheren Abt der Zisterze Morimund in Burgund, und weiter über den Stern der Zisterzienser, den hl. Bernhard von Clairvaux und den Äbten Stefan Harding und Alberich von Zisterz zum Gründer des Zisterzienserordens, dem burgundischen Adeligen Robert von Molesmes, bis zum Jahr 1098 lückenlos zu verfolgen." Mund (1976), S. 44 21 Vgl. Sol Invictus: (Kreuz), S. 12; das offizielle Programm „Der Orden des neuen Tempels“ von 1907 beginnt mit: „Die Staaten werden im Interesse ihres Bestandes der Kultur zur planmäßigen Zucht der staats- und kulturerhaltenden Menschen arischer Rasse kommen müssen." 22 Bronder (1964), S. 228. 23 So Zoller (1994), S. 13 ; vgl. den Ursprung bei Bronder (1969), S. 227; dessen ungeachtet findet sich diese Legende heute noch, so etwa auf Wikipedia (Artikel Lanz von Liebenfels) oder bei Paminer (Lanz von Liebenfels), S. 1. 24 Glowka (1981), S. 21. 25 Vgl. Sol Invictus (Kreuz); heute wird der Begriff Ariosophie historisch unscharf 21

Die Besonderheit des ONT gegenüber der Lehre Lists war dabei, daß Lanz Interesse nicht den „ariogermanischen", also den heidnischen Göttern galt, sondern dem Christentum, welches er als „arische Religion" betrachtete, die von „jüdischer Seite" entstellt und ihres wahren Kerns beraubt worden wäre. Lanz zu­ folge war Jesus ein Engel, der sich anders als viele andere, nicht mit Affen bzw. „Tschandalen" paarte. Als Gottessohn war er einer von vielen Menschen, die ihren Namen aufgrund ihrer Reinheit, ihrer höheren anthropologischen Abstammung als unvermischte Engelwesen trugen.26 Dahinter steht die alte theosophische Vorstellung vom Abstieg, der Degeneration des Menschen vom Gottmenschen bzw. Engel zum affengleichen Wesen durch Paarung mit Affenwesen. Jesu Lehre habe sich demnach gegen die Vermischung der Gott- bzw. En­ gelsmenschen mit den Affenwesen gerichtet und wäre auch so in der Bibel zu finden gewesen, bevor diese „unter dem Einfluß der Tschandala bis zur Unkenntlich­ keit verstümmelt" worden und nur noch einigen Orden und Mystikern bekannt gewesen sei: „Das reinigende Geheimnis ist die Zuchtwahl, die Gott seit den Urzeiten übte." Daher sei auch die Lehre Jesu, „Liebe deinen Nächsten" ganz wörtlich aufzufassen, nämlich, „daß man den „Nächsten", d.i. den in der Art nahestehenden Menschen geschlechtlich liebt. Man haßt und beschimpft Gott, wenn man mit Minderwertigen Kinder zeugt und Grabplatte des Berthold von Trenn in der Zis­ diese der Art nach auf Jahrhunderte hinabstößt."27 Die Tempelritter hätten dann im Mittelalter ver­ terzienser-Abtei Heili­ sucht, die eigentliche Lehre Jesu - die Bekämpfung genkreuz bei Wien der Vermischung mit den Tschandalen - wieder her­ zustellen. Als Erweckungserlebnis diente Lanz dabei der Fund einer Grabplatte die einen Ritter - für Lanz einen Tempelritter - zeigt, der auf einen zu seinen Füßen kauernden Affen weist (Bild rechts oben).28 auch auf die Lehren Lists und ähnliche Strömungen angewendet, vgl. Wikipedia: Ariosophie; ebenso Goodrick-Clarke (2004). 26 Lanz (1906), S. 114 ff. 27 Lanz (1906), S. 138 f; Dietrich Eckart erkannte die eigentliche Übersetzung „Liebe deinen Nächsten" als „Liebe deinen Volksgenossen"; Eckart (1933), S. 25. 28 Vgl. Sol Invictus (Kreuz), S. 7f. 22

Über verschiedene Gönner und Freunde erhielt Lanz für seinen ONT zahl­ reiche Spenden mit denen verschiedene Ordensburgen erschaffen wurden. Auf der wichtigsten, Burg Werfenstein, wurde 1907 zum „erstenmal in der Geschichte der Neuzeit eine Hakenkreuzfahne gehißt".29 Gemäß Daim deu­ tete der ONT die Flagge wie folgt: „Der goldene Grund als Symbol der Ewigkeit, die (vier blauen) Lilien als Symbol der (Rassen-)Reinheit und das rote Hakenkreuz als Symbol des aufsteigenden Arioheroischen." Aus dem Umfeld des ONT erfolgte 1925 auch die Gründung der EddaGesellschaft, auf die noch einzugehen sein wird. In Österreich wurde 1932 der „Lumenclub" gegründet, ein „Vorhof" des ONT, wie es Rudolf Mund ausdrückt.30 Lediglich dieser soll am 4. März 1942 mit Wirkung zum 2.12.1938 aufgelöst worden sein, während der ONT ledig­ lich aus eigenem Entschluß geruht habe.31 Lanz von Liebenfels, der sich selbst seines Einflusses auf die NSDAP rühmte, wurde mit Schreibverbot belegt. Germanen-Orden & Thule Gesellschaft Der Germanen-Orden wurde offiziell 1912 durch Theodor Fritsch, Hermann Pohl und weitere Anhänger Guido von Lists und Lanz von Liebenfels ge­ gründet. Vorläufer war eine bereits im April 1911 unter der Leitung von Hermann Pohl als „Wotanloge" in Magdeburg gegründete Vereinigung.32 Verbindungen zu ariosophischen Kreisen bestanden dabei nicht nur perso­ nell, sondern auch organisatorisch: Neben einem „Bundeswart" (Karl August Hellwig) und dem „Ehrenbundeswart" Fritsch bestand auch ein zwölfköp­ figer „Armanenrat", der den Vorstellungen Guido von Lists entlehnt war.33 Theodor Fritsch (1852-1934) profitierte bei der Werbung neuer Mitglieder von seiner Bekanntheit als Autor der Zeitschrift „Der Hammer" und eines viel­ gelesenen „Handbuch[es] der Judenfrage", in dem antisemitische Zitate berühmter Personen - von Seneca über Luther und Goethe bis Bismarck und Wagner sowie Namenslisten von jüdischen Künstlern und Wissenschaftlern enthalten waren, die in Verbindung mit ungeklärten Verbrechen gebracht wurden. Der Germanen-Orden gilt als innerer Kreis des etwa gleichzeitig for­ mierten „Reichs-Hammer-Bundes", welcher die aufgrund der vielseitigen antisemitischen Aktivitäten Fritschs entstandenen „Hammergemeinden" zusammenfaßte. Sebottendorf konkretisierte, daß der Germanen-Orden als Geheimloge aufgebaut worden war, um die „geheime jüdische Weltver29 So Mund (1976), S. 77. 30 Mund (1976), S. 34. 31 Mund (1976), S. 10; siehe auch Lorenz (2010), S. 141 f. 32 Goodrick-Clarke (2004), S. 117. 33 Vgl. Goodrick-Clarke (2004), S. 55. 23

Links: Rudolf Glauer alias von Sebottendorf (rechts außen) in der Türkei Rechts: Symbol der Thule-Ge­ sellschaft

schwörung" mit ihren eigenen Mitteln zu bekämpfen.34 „Das okkulte Moment des Germanen-Ordens tritt“, daher nach Glowka „hervor durch eine geradezu mysti­ sche Verherrlichung der Reinheit des deutschen Blutes sowie der Annahme, daß den Runen eine spezifische magische Kraft innewohne."35 Infolge des 1. Weltkrieges kamen die Tätigkeiten des Ordens weitgehend zum Erliegen und es entstanden Finanzierungsprobleme, die in einem Streit zwischen Pohl auf der einen, Leipziger und Berliner Ordensbrüdern auf der anderen Seite, kulminierten. Daraufhin gründete Pohl 1916 mit Unterstützung der Logen von Breslau, Hamburg und Gera den „Germanenorden Walvater", während der eigent­ liche Germanenorden als „loyaler Germanenorden" fortan von Erwin von Heimerdinger mit Unterstützung Philip Stauffs ohne größere Bedeutung weitergeführt wurde.36 Durch die Nutzung des bisherigen Briefpapiers und Stempels gelang es Pohl auch loyale Logen wie die Berliner auf seine Seite zu ziehen, sorgte dabei aber für eine große Verwirrung unter den Mitgliedern, die zu Auflösungsgerüchten des Germanenordens als Ganzem führten.37 Bereits 1915 hatte Kurt Paehlke („Weishaar"), Mitglied des Königsber­ ger Germanenordens, gemeinsam mit Ordensbrüdern den eigenständigen „Bund der Guoten" gegründet, der in Ostpreußen zu einer bedeutenden Sammelbewegung verschiedenster Verbände anwuchs und Anfang der 30er Jahre um die 3000 Mitglieder führte.38 Der Bund befaßte sich bis zu seinem 34 Sebottendorf (1933), S. 33. 35 Glowka (1981), S. 22. 36 Vgl. Goodrick-Clarke (2004), S. 118; ebenso Wegener (2005), S. 9. 37 Goodrick-Clarke (2004), S. 119. 37 Vgl. dazu Wegener (2005), S. 11. 24

Verbot ähnlich dem Germanen-Orden mit Rassenkunde, Theosophie, Ok­ kultismus, Astrologie und allen möglichen Geheimlehren. Die weitere Entwicklung der Pohlschen Neugründung ist dagegen eng mit dem Namen Rudolf von Sebottendorf (1875 - 1945), geborener Rudolf Glauer, verbunden. Glauer war als Seemann 1900 nach Ägypten gelangt, wo er als Verwalter von Besitztümern des türkischen Grundbesitzers Hussein Pasha zu einigem Wohlstand kam. Von diesem späteren Freund, der in Dien­ sten des Vizekönigs von Ägypten, Abbas Hilmi, stand, wurde er auch in den Sufismus eingeführt und entdeckte sein Interesse an esoterischen Lehren. Durch den jüdischen Seidenhändler und Kabbala-Schüler Termudis, dessen reichhaltige okkulte Büchersammlung Glauer erben sollte, wurde er in eine orientalische Freimaurerloge eingeführt, wo er zum Meistergrad der Rosen­ kreuzer aufstieg, bevor er nach einem Zwischenaufenthalt in Deutschland (1902-1908) 1911 die türkische Staatsbürgerschaft erlangte und durch einen Baron Heinrich von Sebottendorf nach türkischem Recht adoptiert wurde. Seit 1913 wieder in Deutschland, machte er 1916 aufgrund einer Zeitungs­ anzeige des Germanenordens Bekanntschaft mit dem Vorsitzenden des Ger­ manenordens Walvater, Pohl.39 Im Dezember 1917 wurde Sebottendorf zum Meister der bayerischen Pro­ vinzen dieses Germanenordens ernannt und entfaltete eine rege Werbekam­ pagne, die zu einem Anstieg der Interessenten und daher auch zum Zwang der Anmietung einer größeren Örtlichkeit führte, die man 1918 in den Räu­ men des Hotels „Vier-Jahreszeiten" in München fand.40 Hier wurde der bayerische Ableger des Germanen-Ordens zur Tarnung der Tätigkeit als „Thule-Gesellschaft" ins Leben gerufen, die allerdings erst am 21.März 1919 ins Münchener Amtsregister eingetragen wurde. Offizieller Zweck war die „Erforschung deutscher Geschichte und Förderung deutscher Art". Dabei sollte der Name Thule, in Anlehnung an die antiken Überlieferungen von einem geheimnisvollen Wohnsitz der Nordvölker im äußersten Norden, sowohl mythische Assoziationen mit der Überwindung bestehender Prämis­ sen als auch mit der Sehnsucht nach dem Urquell der Arier wecken.41 Als Symbol wurde das runde Hakenkreuz erwählt, daß Sebottendorf als „das heilige Zeichen der Sonne“ den arischen Völkern zuordnet. Für Sebotten­ dorf hatten die Arier innerhalb des deutschen Volkes, eine Mission zu erfül­ len: „Arier waren es, die der Welt die Kultur brachten. Sie waren die Lichtbringer der ganzen Welt. Der Geist der Erde, der eins mit dem Geiste der Welt ist, kommt in dem arischen Menschen zum reinsten Ausdrucke. Durch die Schrecken der Eiszei39 Vgl. auch zur ausführlichen Biographie Glauers/Sebottendorfs, Goodrick-Clarke (2004), S. 122 ff. 40 Vgl. Rose (2008), S. 32 ff. 41 Sebottendorf (1933), S. 52; vgl. auch Goodrick-Clarke (2004), S. 128. 25

ten entwickelte dieser Geist den weisen, weißen Arier, dessen religiöse Anschauung turm­ hoch über den unseligen stand, weil er unverdorben eine un­ mittelbare Erkenntnis hatte. Durch die Rassenmischung begann die Verdunklung, in der sich nach dem Plane des Weltengeistes andere Kräfte entwickeln sollten. ... Ob die Deutschen bestimmt sind, ein Gottfried Feder Alfred Rosenberg neues Geschlecht der Welt zu geben? Fast scheint es so, eine neue, diesmal geistige Eiszeit ist über uns hereingebrochen, es wird an uns sein zu erweisen, ob wir ihr gewachsen sind.''42 In die Zeit der Annahme des Tarnnamens fällt auch die Übernahme des Münchener Beobachters, aus dem später der „Völkische Beobachter" her­ vorging.43 Umstritten in der Forschung war dabei, ob die Thule-Gesellschaft lediglich den bayerischen Zweig des Germanenordens darstellte, der nicht an die Öffentlichkeit treten sollte, oder eigenständig unter dem Vorsitz Sebottendorfs agierte, der bereits vor der Namensfindung der Gesellschaft auf der Weihe am 17. August 1918 zum Vorsitzenden berufen wurde. Eine Tagebuch­ eintragung des Thule-Mitglieds Walter Nauhaus weist auf die Verschmel­ zung der Thule mit dem Germanen-Orden (Walvater) hin. Danach noch nachweisbare Veranstaltungen des Germanenordens dürften dem „loyalen Orden" zugeschrieben werden. Rose, der zuverlässigste Biograph der Thule führte hierzu aus: „Sebottendorf begann also seine Tätigkeit im Auftrag des Germa­ nenordens, organisierte dann aber unter dem Endruck der politischen Veränderungen seinen eigenen Kreis als Thule-Gesellschaft, rekrutierte dafiir die Mitglieder zum Teil aus dem Germanenorden, aber auch aus anderen völkischen Gruppierungen. Nicht einmal die Thule-Gesellschaft ist wohl vollständig in die Aktionen und Planungen Sebottendorfs einbezogen worden, sondern nur ein Teil von ihr."44 Die Tätigkeit der Thule-Gesellschaft seit 1918 bestand weniger in der Rolle einer Geheimgesellschaft denn eines konspirativen Rahmens für die gegen­ revolutionäre Tätigkeit einer nationalistischen Gruppe. In den Wirren der Zeit des Zusammenbruchs 1918 die in Bayern ein Anwachsen der kommuni­ stischen Kräfte und schließlich die Errichtung der Räterepublik gewärtigte, 42 Sebottendorf (1923), S. 27; zum Hakenkreuz S. 47. 43 Vgl. dazu Sebottendorf (1933), S. 44. 44 Rose (2008), S. 81. 26

sorgte die Thule für die Vernetzung der Freikorps- und völkischen Kräften und hatte somit einen nicht unbedeutenden Anteil an der Niederschlagung der Räterepublik. Der sogenannte Thule-Kampfbund als exekutives Organ begründete das Freikorps Oberland, legte Waffenlager an und infiltrierte gegnerische Organistionen. Nach Auffindung einer Mitgliedsliste und wei­ teren belastenden Materials bei der Durchsuchung der Thule-Vereinsräume in den Vier Jahreszeiten durch die Geheimpolizei der Räteregierung am 26. April 1919, wurden sieben Thule-Mitglieder am 30. April als Geiseln erschos­ sen. Am 3. Mai war die Rote Armee der Räterepublik besiegt und die Thule wirkte bei der Ergreifung flüchtiger Verdächtiger mit. Nach Konsolidierung der Lage 1920 sank die Thule-Gesellschaft zunehmend in die Bedeutungslo­ sigkeit und beschränkte sich auf Vorträge und Feiern. Bereits im September 1919 hatte Sebottendorf aufgrund interner Streitigkeiten um die Schuld an der Auffindung belastender Dokumente die Vereinigung verlassen. Fortan widmete sich Sebottendorf primär der Astrologie.45 Der letzte Vortrag der Thule-Gesellschaft ist für 1926 belegt als die Vereini­ gung gerade noch fünf Mitglieder zählte. 1930 folgte schließlich die Löschung aus dem Vereinsregister. Zwar wurde im September 1933 unter Führung Sebottendorfs die Thule-Gesellschaft neu gegründet, jedoch spielte sie lediglich noch eine Rolle als Erinnerer an die Märtyrer von 1919.46 Aufgrund verschiedener Veröffentlichungen zur Thule-Gesellschaft be­ stand lange Zeit Unklarheit über die Mitgliederliste der Thule, auf der zahl­ reiche politisch und gesellschaftlich angesehene und einflußreiche Münchner Persönlichkeiten, u.a. der völkische Publizist Dietrich Eckart erschienen. Ne­ ben dem Geopolitiker Karl Haushofer sollen folgende spätere national-sozi­ 45 Dabei versteht Sebottendorf unter Astrologie nicht die heutige „Horoskopleserei", sondern vielmehr die einstige Wissenschaft von den Sternen, also die heutige Ast­ ronomie, die auch religiöse Elemente enthielt: „Wenn man heute in irgend welchem Zusammenhänge das Wort Astrologie gebraucht, so geschieht es immer im Sinne von Sterndeutung, ohne daß man sich darüber klar wird, daß dieser Sinn des Wortes ver­ hältnismäßig neueren Ursprunges ist, daß die Astrologie ehedem die Königin aller Wissenschaften war, ja daß Astrologie als Religion schon gewesen ist, ehe es Schrift und Schrifttum gegeben hat. Heute ist die Mutter aller Wissenschaften zum verach­ teten Aschenbrödel geworden und wenn man jemanden als Gaukler bezeichnen will, so nennt man ihn einen Astrologen. .. Was man heute unter dem Namen Astrologie versteht, wird am besten durch das Wort Astromantik wiedergegeben, auch Horoskopie würde sinngemäß sein. ...Astrologie war die Wissenschaft von den Sternen schlechthin, dann wurde sie zum Sternglauben und noch später zur Sterndeutung. Setzen wir also die Astrologie wieder an den ihr gebührenden Platz, als Mutter der beiden Wisssenschaften: Astromantik und Astronomie. “ Sebottendorf (1923) S. 5. 46 So Rose (2008), S. 85. 27

alistische Persönlichkeiten bereits Thule-Mitglieder gewesen sein:47 Wilhelm Frick (u.a. ab 1939 Mitglied des sechsköpfigen Kriegskabinetts), Rudolf Hess (Stellvertreter des Führers), Julius Streicher (Herausgeber des antisemitischen Blattes „Der Stürmer", später Fränkischer Gauleiter), Alfred Rosenberg (NSDAP-Parteüdeologe, ab 1941 Reichsminister für die besetzten Ostgebiete), Hans Frank (ab 1939 Generalgouverneur von Polen). Bei Bronder erscheinen darüber hinaus noch Hitler, Himmler, Göring, Feder, Karl Haushofer, Dietrich Eckart, Hitlers Leibarzt Morell und sogar Guido von List und Lanz von Liebenfels - wobei Bronders abschließender Hinweis „auf die z.T. mangelhafte und unsichere Belegbarkeit des Angeführten" hier Bände spricht.48 Mittlerweile hat nun Rose in der ersten umfassenden wissenschaftlichen Arbeit nachgewiesen, daß sowohl Adolf Hitler als auch Eckart und Hausho­ fer niemals Mitglieder der Thule-Gesellschaft waren - ebenso wenig Göring und Himmler.49 Für Rosenberg ist eine Mitgliedschaft umstritten, wird aber in jedem Fall angesichts einer lediglich kurzen Erwähnung derselben bei Ro­ senberg vermutlich überschätzt. „Die Mächte des Bösen" Ungeachtet dieser offiziellen Version der Entstehung der Thule-Gesellschaft, existieren bei diversen Autoren ebensoviele Alternativthesen. So behauptet Robert Charroux die Thule-Gesellschaft wäre 1910 durch einen gewissen Felix Niedner (geb. 14.04.1859) gegründet worden, einen Übersetzer alter Edda-Texte (Thule - Altnordische Dichtung und Prosa), über den es kaum biographische Details gibt.50 Um 1919 hätte die Gesellschaft dann neue Im­ pulse durch die „eingeweihten" Baron von Ungern-Sternberg, Karl Haushofer sowie Paul Rohrbach erhalten.51 Reginald Phelps, dem unter anderem James Webb folgt, schreibt, daß die Thule-Gesellschaft ursprünglich von Walter Nauhaus, einem verwundeten Weltkriegsveteranen und späterem Kunststu­ denten, geleitet wurde, der Hüter des Stammbaumes des Germanen-Ordens gewesen wäre. 1917 soll dieser von Berlin nach München gekommen sein, um dort die Thule-Gesellschaft als verdeckten Zweig des Germanen-Ordens zu 47 Nach Orzechowski (1987) S. 19f. 48 Bronder (1964), S. 239f. 49 Rose (2008), S. 121 f.; Allerdings sind Besuche von Veranstaltungen der Thule durch diese Personen damit nicht ausgeschlossen. Im Falle Eckerts ist sogar von einem regelmäßigen Verkehr mit Thule-Mitgliedern auszugehen! 50 Dieser Version schließen sich auch Dr. Alexander Berzin (http://www.herzinarchives.com/web/de/archives/advanced/kalachakra/shambhala/nazi_connection_ shambhala_tibet.html) sowie einige US-Autoren an. 51 Charroux (1967), S. 249f. 28

Dietrich Eckart

Georges I. Gurdjieff

Karl Haushofer

gründen. Erst Ende 1917, anfang 1918, soll demnach Sebottendorf alias Glauer zu der Gruppe gestoßen sein um gemeinsam mit Nauhaus neue Mitglieder zu rekrutieren und den Vorsitz zu übernehmen.52 Tatsächlich unterstützte Nauhaus Sebottendorf bei der Werbung neuer Mitglieder für den Ableger des Germanen-Orden und schlug auch den Namen Thule vor. Sebottendorf zufol­ ge wollte er „aus den älteren Herren das Rückgrat der Bewegung bilden" während Nauhaus die Jugend „sammeln sollte".53 Nach anderer Quelle wäre die Thule-Gesellschaft bereits 1912 durch einen Max Heindl begründet worden. Die Herkunft dieser These bleibt indes im Dunkeln. Belegt scheint eine Kontaktaufnahme Heindls mit Rudolf Steiner 1909, mit dem er den Aufbau einer okkulten Gesellschaft plante, was sich al­ lerdings zerschlug. Danach wurde er in den wiederbegründeten Rosenkreu­ zer-Orden eingeweiht und fand Zugang zur Loge der älteren Brüder unweit Berlins. Noch vor dem 1. Weltkrieg gründete Heindl in Seattle / USA die „Rosicruzian Fellowship".54 Jene Rosenkreuzer hat auch der Autor E.R. Carmin im Visier, wenn er die Vorbereitung des geistigen Nährbodens des Germanen-Ordens und der Thule-Gesellschaft dem Lanz-Vertrauten und Blavatsky-Freund Franz Hart­ mann zuschreibt, der als Mitglied eben jener Rosenkreuzer 1895 den „Ordo Templi Orientis" (OTO) mitbegründete. Diesem gesellte sich Theodor Reuß, Mitglied des britischen „Golden Dawn" und Freund des späteren Ober­ hauptes dieser Gesellschaft, Aleister Crowley, hinzu.55 52 Webb (2008), S. 347. 53 So Sebottendorf (1933), S. 41; zu Nauhaus, S. 52; vgl. ebenso Goodrick-Clarke (2004), S. 127. 54 So Glowka (1981), S. 112. 55 Carmin (2005), S. 38 f; 1912 wurde der mit dem britischen Geheimdienst in Ver29

Die abwegigste These stellt - wie so oft - das Autorenduo Pauwels / Bergier auf: Ihnen zufolge sei die Thule erst 1923 und zwar durch Karl Haushofer gegründet worden. Grundlage sei dabei nicht germanisches, sondern tibe­ tisches Weistum gewesen.56 Bei allen Okkult-Autoren werden mystische Hintergründe innerhalb des Wirkens der Thule-Gesellschaft angenommen. So schreibt Autor Richardi unter Bezug auf Hermann Wilhelm: „Die Geheimnisse dieser legendären Thu­ le-Zivilisation wollte man durch okkulte Praktiken und magische Rituale ivieder sichtbar machen. Man war überzeugt, daß Wesen, die zwischen den Menschen und Geistern aus dem Jenseits standen, den Eingeweihten des inneren Kreises magi­ sche Kräfte verleihen könnten", die eingesetzt werden sollten, „um Deutschland die Herrschaft über die Welt zu sichern und zur Wiege einer neuen Rasse von Über­ menschen aus Mutationen des Homo Sapiens werden zu lassen. So wird der innere Kreis der Thule-Gesellschaft, der nur eingeweihten Adepten der Esoterik zugänglich ist, absichtlich geheim gehalten."57 Und Charroux läßt 1934 die längst aufge­ löste Thule-Gesellschaft „zu einem mächtigen Geheimbund" werden, „dessen Name weder der Öffentlichkeit noch denen bekannt werden durfte, die um Auf­ nahme baten". Deshalb sei sie als „Deutschritterorden", teils auch als „Posei­ donsritter" bezeichnet worden.58 Überaus abwegig ist bei allen Okkultautoren die Behauptung, Haushofer hät­ te eine okkulte Rolle hinter den Kulissen gespielt, insbesondere vor dem Hin­ tergrund seiner durchweg seriösen, geopolitischen Ausrichtung. Eine oft unter­ stellte okkulte Verbindung Haushofers mit Tibet, wo er sich zwischen 1903 und 1908 aufgehalten haben soll,59 scheint pure Spekulation, lediglich ein Aufenthalt in Japan als Militärattachee zwischen 1908 und 1910 läßt sich nachweisen.60 Dabei durchquerte er auf der Hin- und Rückreise nach bzw. von Japan auch Indien, Burma, Hongkong sowie China, ein Tibet- Aufenthalt entzieht bindung stehende Crowley von Reuß, der auch die Illuminatenloge wieder begrün­ dete und Papus zur Gründung des Pariser „Memphis-Misraim-Ritus" ermächtigt haben soll (ebenda, S. 326), in den OTO eingeweiht; ebenda, S. 43. 56 Pauwels / Bergier (1968), S.368; ähnlich Carmin (2005), S. 45 ff.; siehe zur Ein­ schätzung Goodrick-Clarke (2009), S. 239. 57 Richardi (1991), S. 36. 58 Charroux (1967), S. 255, hierher stammt auch die Legende, die SS hätte auf Or­ densburgen - die in Wirklichkeit der Partei unterstanden - okkulte und körperliche Schulungen durchgeführt, wobei auch ein Kampf gegen Doggen zur Abhärtung Be­ standteil gewesen wäre. 59 Pauwels/ Bergier (1968), S. 372, berichten lediglich von Reisen Haushofers in den „Fernen Osten" und nach Japan, „wo er einer der bedeutendsten buddhisti­ schen Geheimgellschaften" beigetreten sein soll. 60 Hakl (2006), S. 198. 30

sich jedoch unserer Kenntnis Auch Haushofers Mitgliedschaft in der japani­ schen Luminous-Loge, einer buddhistischen Geheim-Gesellschaft, die Pau­ wels/Bergier behaupten, und die mit den „Gelbmützen" gleichgesetzt wird, ist weder verifizierbar noch realistisch.61 Zu den sieben Begründern der Partei NSDAP zählte auch eine Dame, die, je nach Blickwinkel des Verfassers, als „Gewissen der Partei" oder als Prota­ gonistin jener Gruppe bezeichnet wird, die „sich den Schwarzen Mächten Innerasiens ausgeliefert hatten und bereit waren, durch ein Meer von Blut zu waten, um die Weltherrschaft zu erringen", wie es Pauwels und Bergier nahelegten.62 Die Rede ist von einer gewissen Frieda Dorenberg. Diese war Mitglied der Edda-Gesellschaft und eines Kreises, der sich „Freie Söhne der Nord- und Ostsee" (FSNO) nannte. „Hier beschäftigte man sich unter anderem mit dem Ge­ dankengut des Kristgermanen Gustav Müller, verehrte das steirische Schreibmedi­ um Jakob Lorber und hörte die, Offenbarungen aus dem Urlicht' eines Mediums aus München", wie Rudolf Mund bemerkte.63 Insbesondere die Ankündigung „der Herabkunft des Starken von Oben aus dem Urlicht" weckt Assoziationen mit dem späteren Führerkult um Adolf Hitler. Tatsächlich war das Wirken dieses Kreises aber weniger auf okkult-magische Dinge ausgerichtet, denn auf die Befassung mit dem, was der später zu diesem Kreis stoßende Karl-Maria Wiligut als deutsches Urkristentum bezeichnete: Frieda Dorenberg und Erna von Benthin, auch als „Medium des Nationalsozialismus" bezeichnet, geben sich, laut Mund, in ihren Visionen und Offenbarungen dementsprechend „als Christen im manichäischen Sinne" zu erkennen.64 Noch bis 1945 hielt Himmler Kontakt zur inzwischen hochbetagten Frieda Dorenberg. Adolf Hitler, Dietrich Eckart & die Deutsche Arbeiter-Partei (DAP) Die DAP wurde am 5. Januar 1919 von Anton Drexler, einem Werkzeug­ schlosser, und Karl Harrer, einem Sportjournalisten, gegründet und entsprang ihrer Zusammenarbeit in einem „politischen Arbeitszirkel". Die Verbindung zwischen der Thule-Gesellschaft und der DAP kann ent­ gegen den Angaben Bronders, der in Sebottendorf den Gründer eines „Ar­ beiterzirkels" innerhalb der Thule-Gesellschaft sieht, aus dem sich die DAP entwickelt habe, vielmehr über Adolf Hitler hergestellt werden. Nach Tyrell sah Drexler im Nationalismus ein einigendes Band für alle Schichten des deutschen Volkes. In einer Broschüre von 1919 benutzte er be­ reits den Begriff „National-Sozialismus" , wobei „Sozialismus" die Funktion 61 Siehe Rose (2008), S. 176. 62 Pauwels / Bergier (1969), S. 392. 63 Mund (2011), S. 72. 64 So Mund (2011), S. 75. 31

eines Mittels zu nationalem Zwecke hatte. Karl Harrer war eines der einigen Hundert Mitglieder der Münchner Thule-Gesellschaft. „Dieser völkische, nach Art der Freimaurerlogen organisierte und antisemitische Vorkriegstraditi­ onen weiterführende Bund suchte, nicht zuletzt durch die gärende Volksstimmung in Bayern ge­ gen Kriegsende bewogen, auch Einfluß in der Ar­ beiterschaft zu gewinnen und hatte Harrer beauf­ tragt, in dieser Richtung tätig zu werden."65 Die Beziehung der DAP zur Thule-Gesell­ schaft war nur locker, aber doch nützlich, vor allem für die Vermittlung von Kontakten, Mitgliedern und Referenten (deren erster Dietrich Eckart war). Der „politische Arbeitszirkel" blieb weiterhin bestehen. Seine „Der Bannerträger" (1938) Bild ausgewählten Mitglieder, die auch der DAP von Hubertus Lanzinger, das beitreten mußten, wurden vom Vorsitzenden Hitler, der sich ein „Alleinver­ (und anfänglichem hauptsächlichem Redner) fügungsrecht" über jede öffent­ Harrer berufen und mußten Stillschweigen liche Ausstellung dieses Bildes geloben über Interna, Namen und Tagungs­ sicherte, nicht der Öffentlichkeit stätten. Am 5.1.1919 kam es zum Zusammen­ zugänglich machen wollte schluß mit dem „Freien Arbeiterausschuß für einen guten Frieden" Anton Drexlers deren Fusionsergebnis fortan als „Deut­ sche Arbeiter Partei" firmierte. Am 12. September 1919 nahm Adolf Hitler erstmals an einer Versammlung der DAP teil. Dies im Auftrag der Aufklärungsabteilung des Gruppenkomman­ dos 4 der Reichswehr, welche die politische Entwicklung an der Basis im Auge behalten wollte. Die DAP bekundete Interesse an Hitler, der als politischer Auf­ klärungsredner schon Erfahrung gesammelt hatte. Im November 1919 sprach Hitler bereits als Hauptredner auf den DAP-Versammlungen, die immer noch im kleinen Kreis der Mitglieder stattfanden. Am 24. November übernahm er die Leitung der „Partei-Rednerschule". Als Werbe-Obmann wurde er siebtes Mitglied im Arbeitsausschuß der DAP. Er betrachtete es, unterstützt von Drex­ ler, als seine vordringliche Aufgabe, die politischen Ideen der kleinen Partei in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. In dem nun folgenden Konflikt mit Harrer ging es nicht nur um die Frage „Loge" oder „Massenbewegung" oder welche Propaganda-Taktik die sinnvollste sei, sondern um die Frage nach dem ausschlaggebenden Führungsgremium der Partei. Hitler befürchtete den Versuch parteifremder Kreise, die DAP von außen zu lenken. Am 5. Januar 65 Tyrell (1975), S. 22. 32

1920 schied Harrer schließlich aus der Partei aus. Am 24. Februar sprach Hitler bereits vor 2000 Menschen im Hofbräuhaus-Festsaal in München und verlas das 25-Punkte-Programm der Partei, die nun „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" (NSDAP) genannt wurde. Der Ruf der NSDAP verbreitete sich über Münchens Grenzen hinaus, und Hitler trat schon 1920 mehrere Male au­ ßerhalb Münchens als Redner auf. Seit dieser Zeit erhielt der einstige Gefreite Unterstützung von einer Reihe einflußreicher Persönlichkeiten: „Der Münch­ ner Polizeipräsident Emst Pöhner gab ihm Rückendeckung, der Hauptmann Emst Röhm stellte ihm die Verbindung zur Reichswehr her, der General Erich Ludendorff schenkte ihm sein Wohlwollen, und der Ingenieur Gottfried Feder öffnete ihm die Augen für die „Herrschaft des Zinses". Neben diesen Män­ nern, die Hitlers politischen Werdegang in den ersten Jahren beeinflußt haben, steht der Dramatiker und Journalist Dietrich Eckart. Den meisten gilt er als der Förderer Hitlers schlechthin."66 Eckart gab seit Dezember 1918 die Zeitschrift „Auf gut Deutsch" heraus, die fast ausschließlich die sogenannte „Judenfrage" aufgriff, und erstmals unter dem Einfluß Gottfried Feders und Alfred Rosen­ bergs, zwischen „raffendem Kapital des Juden" und „schaffendem Kapital" des Ari­ ers unterschied und sowohl Kapitalismus als auch Kommunismus als Manife­ stationen eines „jüdisch-materialistischen" Geistes charakterisierte.67 Am 14. August 1919 hielt Eckart vor Mitgliedern der DAP einen ersten Vor­ trag, wurde jedoch nicht Mitglied, obgleich er künftig als „Dichter der Bewe­ gung" gefeiert wurde. Nach Ansicht des Autoren Plewnia wollte er Distanz halten, denn später betrachtete er sich als Kontrolleur der Partei und ihres Führers. Adolf Hitler hörte er zu'Beginn des Jahres 1920 in einer Versamm­ lung reden, hat ihn aber möglicherweise schon im Herbst oder Dezember 1919 kennengelemt. Eckart erhielt wiederholt Besuch von Hitler. Während Hitler die Juden vorwiegend als Rasse verurteilte, verachtete Eckart sie als Vertreter einer bestimmten Geisteshaltung. Eckart wurde Hitlers „väterlicher Freund", von dem Hitler selber später sagte, er sei sein einziger großer Freund gewesen, der ihn auch in höhere Gesellschaften einführte und seine Kreditwürdigkeit förderte. Eckart sah die Vorteile Hitlers in dessen hypnotischer Überzeugungs­ kraft und Redegabe und in seinem Draufgängertum. Außerdem war Hitler Junggeselle und als Autodidakt noch belehrbar. Nach seiner Scheidung im März 1921 gab Eckart „Auf gut deutsch" zugunsten des 1920 von der NSDAP erworbenen Völkischen Beobachters" auf, und trat in die Dienste des 20 Jahre jüngeren Adolf Hitler. Im Sommer 1921 verhalf Eckart Hitler in einer internen Parteikrise durch seine Vermittlerrolle zum Sieg, und Hitler machte sich zum Diktator der bis dahin nach demokratischen Grundsätzen geleiteten NSDAP. Gleichzeitig mit Hitlers Aufstieg verlor Eckart mit der Zeit an Bedeutung. Neue, 66 Plewnia (1970):, S.7. 67 Zit. nach Zoller (1994), S. 10.

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jüngere Männer - u.a. Rudolf Hess - befanden sich nun in Hitlers Nähe. Noch im Frühling 1923 pries Eckart, der das Schlagwort „Deutschland erwache!" ge­ prägt hatte, Hitler im Völkischen Beobachter als „Erlöser". Obwohl Eckart am 8. November 1923 bei Hitlers Bürgerbräuputsch nicht anwesend war und es un­ klar ist, ob er beim Marsch auf die Feldherrnhalle mitmachte, wurde er am 15. November verhaftet und u.a. auf Landsberg interniert. Als er am 26. Dezember 1923, sechs Tage nach seiner Haftentlassung, durch Herzversagen starb, wur­ de er zum Märtyrer der „Bewegung" erklärt. Einige Monate nach Eckarts Tod erschien seine unvollendete Schrift „Der Bolschewismus von Moses bis Lenin. Zwiegespräch zwischen Hitler und mir" (ob mit oder ohne Bewilligung Hit­ lers ist unklar), mit welcher Eckart versuchte, der Partei und Hitler ein weltan­ schauliches Fundament zu geben. Die heutige Forschung geht davon aus, daß Eckart entgegen seinen Angaben alleiniger Autor war und Hitler nur fiktiver Gesprächspartner.68 Die Empfänglichkeit Hitlers gegenüber okkulten Dingen indes reduzierte sich trotz anderlautender Legenden69 überwiegend auf das Studium okkulter Titel, wie seine erhaltende Leseliste offenbart. Die Astrolo­ gie beispielsweise betrachtete Hitler als „Aberglauben", obgleich ihn 1923 die Astrologin Elsbeth Ebertin schwer beindruckte, deren Prophezeiungen sich für Hitler Punkt für Punkt erfüllten. „Aber Hitler sprach nur ganz ironisch von dieser Koinzidenz und betrachtete das ganze als einen Spaß", bemerkte Hitlers ehemalige Privatsekretärin Frl. Schröder dazu.70 Allerdings berichtet Trevor Roper unter Bezug auf das Tagebuch des Grafen Schwerin von Krosigk von einer Begebenheit Anfang April 1945 als Goebbels gegenüber Hitler aus Carlyles „Geschichte Friedrich des Großen" eine Passage zitierte, in der die Verzweiflung Friedrichs angesichts der bevorstehenden Nie­ derlage im 7-jährigen Krieg geschildert wird. Kurz danach starb die russische Zarin und ihr Nachfolger schloß Frieden mit Preußen. Daraufhin seien Hitler Tränen in die Augen gestiegen und er hätte sich Horoskope kommen lassen, die vor dem Krieg erstellt und seitdem unter Verschluß gehalten worden wären. Diese hätten übereinstimmend den Kriegsausbruch 1939, die Siege bis 1941 und dann die Kette der Rückschläge bis 1945 mit einem anschließenden Frieden in der zweiten Aprilhälfte vorhergesagt. Als am 12. April Roosevelt starb, hielt Goebbels dies für die angekündigte Wende - vielleicht auch Hitler selbst.71 68 Plewnia (1970), S. 94 ff.; Eckart (1933). 69 Vor allem das mittlerweile als Erfindung erkannte Werk Herman Rauschnings (1940) sowie das sich in weiten Teilen darauf berufende Werk Trevor Ravenscrofts, „Der Speer des Schicksals" haben hier die wüstesten Legenden produziert. 70 Zitiert nach Howe (1995), S. 316. 71 So Howe (1995), S. 320ff.; auch die Vorhersage Kraffts bezüglich eines Attentates auf Hitler zwischen dem 7.-10.November 1939 dürfte angesichts des Elser-Attentates am 9. November Erstaunen ausgelöst haben, vgl. ebenda, S. 228; vgl. zu Hitlers Ver­ 34

Hitlers Verhältnis zu okkulten Dinge kann vielleicht zusammenfassend als ein generelles Interesse an verschiedenen, auch okkulten Themen, aber einer offizi­ ellen Ablehnung jeder okkulten Richtung zusammen gefaßt werden. Tatsächliche okkulte Elemente traten dagegen in Zusammenhang mit einem anderen Protago­ nisten des 3.Reiches - nämlich Heinrich Himmler - weitaus sichtbarer zutage. Das Hakenkreuz Auch dem alles überragenden Symbol des Nationalsozialismus, dem Haken­ kreuz, wird immer wieder die Bedeutung eines okkult-magischen Elementes der Bewegung unterstellt. In „Mein Kampf" erklärt Hitler die Symbolik der Ha­ kenkreuz-Fahne wie folgt: „Im Rot sehen wir den sozialen Gedanken der Bewegung, im Weiß den nationalistischen, im Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig antisemitisch war und antisemtisch sein wird."72 Bereits Webb verwies darauf, daß die Frage, wer letztendlich der geistige Vater der Übernahme des Hakenkreuzes in der Neuzeit gewesen war, eine müßige ist, da es bei vielen völkischen Verbänden nicht nur in Deutschland Verwendung fand. Einen direkten Einfluß auf die Übernahme übte unbestrit­ ten die Thule-Gesellschaft aus, was die Legenden um die tiefe Beeinflußung der neuen Bewegung zementierte. Diese hatte das runde Hakenkreuz zu ih­ rem Symbol erkoren. Für die DAP hatte neben Hitler auch der Thule-Mann Dr. Friedrich Krohn ein Wappen entworfen, das ebendieses abgerundete Ha­ kenkreuz auf weißem Grund zeigte.73 Einer der ersten völkischen Protagonisten, der das Hakenkreuz wiederent­ deckte war jedoch Friedrich Ludwig „Turnvater" Jahn. Danach taucht es spä­ testens 1908 bei Guido von List als „Werdandi-Rune des ewigen Vergehens" auf.74 Lanz von Liebenfels ließ 1907 ein Hakenkreuz-Banner auf seiner Burg Werfenstein hissen. Die dahinter stehende Deutung sieht im Hakenkreuz das Symbol des Ariers,75 obgleich sich seine Nutzung nicht auf die klassischen arischen Völker beschränkte, sondern sich auch in Amerika, in Sumer und bei den südeuropäischen Bandkeramikern fand. hältnis zum Okkultismus Berndt (2011), S. 160 ff.; hier auch der Hinweis auf die mögliche astrologische Beraterin Hitlers, Elsbeth Ebertin (S. 176), sowie Hitlers ok­ kulte Eiteratur, darunter Carl Loogs Nostradamus-Weissagungen (S. 223). 72 Zit. nach Richardi (1991), S. 284; das „weiß" tritt dabei europaweit als Erken­ nungsfarbe der antikommunistischen Freikorps und Verbände auf, u.a. in Rußland ab 1917 und bei den deutschen Freikorps. 73 Richardi (1991), S. 282. 74 von List (Rita), S. 57ff. 75 Erstmals bei Krause (1891), der es als „arisches Leitfossil" bezeichnet, S. 104 f; siehe auch Scheuermann (1933), S. 7 ff. 35

Vinca-Schrift aus dem Balkan-Raum, ca. 6. Jahrtausend v.Zw. Da diverse völkische Autoren aber auch jene Völker unter die Arier sub­ sumierten, die noch vor der klassischen Wanderung der Indogermanen seit dem 2. Jahrtausend v.Zw. andere Völker inspirierten ohne ihre indogerma­ nische Sprache etablieren zu können, war die Gleichsetzung „Arier und Hakenkreuz" nicht von der Hand zu weisen. Gemäß dieser Deutung war das Hakenkreuz das Zeichen der Sonne, genauer gesagt des Sonnenlaufes und stand damit in Verbindung mit dem wiedererwachenden Leben.76 Plas­ tisch symbolisierte es zugleich den Lauf des Sternbildes des kleinen Wagens um den Polarstern, wodurch es auch zum Zeichen der Herkunft der Ari­ er aus dem Polgebiet avancierte.77 Dieses Zeichen trugen die „nordischen" Auswanderer demnach seit etwa 10.000 v.Zw. als Eroberer in die südlichen Gebiete, die sie auf ihren ersten Wanderzügen eroberten oder kulturell „be­ fruchteten", wie etwa Sebottendorf postulierte. Das bislang früheste Vorkommen ist allerdings im südosteuropäischen Raum eruiert worden, wo Elisabeth Weeber es auf die Zeit um 10.000 v.Zw. datiert, ohne diese frühe Zeitangabe allerdings stichhaltig zu untermauern.78 Auch Jörg Lechler sah das früheste Auftreten des Hakenkreuzes im bandke­ ramischen Siebenbürgen, setzte es jedoch auf die Zeit um 3000 v.Zw.79 Überall wo es Verwendung fand, wurde es indes unbestritten zum Heils­ und Glückszeichen der Erneuerung - wobei dies natürlich nicht für die unterworfenen Völker galt. Aufgrund der weiten Verbreitung des Haken­ kreuzes haben verschiedene Forscher zeitweise eine unabhängige regiona­ le Entstehung vertreten. Ludwig Wilser bemerkte dazu aber bereits 1918: „Kann man auch die Möglichkeit einer solchen Entstehung nicht ganz von der Hand weisen, so liegt doch ohne Frage eine viel größere Wahrscheinlichkeit in der Annahme, dies eigenartige Zeichen habe sich unter ganz besonderen Umständen in einem beschränkten Gebiet entwickelt und von da aus im Laufe der Zeit durch Völ­ kerwanderungen, nachbarschaftlichen Verkehr und Handelsbeziehungen in immer weiterem Umkreis verbreitet."80 76 vgl. zustimmend Wilser (1918), S. 3f; Lechler (1921), S. 8f. 77 siehe hierzu, Evola: Das Hakenkreuz als polares Symbol, in: Evola (2009). 78 Weeber (2007). 79 Lechler (1921), S. 1. 80 Wilser (1918), S. 1.

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Samarra-Tonteller. PräSumerisch ca. 5500 v.Zw.

Jahreszeitliche Positionen des Sternbildes Kleiner Wagen um den Polarstern

Dalai Lama mit SwastikaTeppich

Obgleich es auch in Israel- vermutlich durch die nordisch-stämmigen Phi­ lister auftaucht, wurde es seit dem 19. Jahrhundert zum Gegenbild Judas erkoren. Noch heute zeigen Hoheitszeichen buddhistischer Würdenträger, so des tibetischen Dalai Lamas, dieses Symbol. Verschiedentlich wird dem Hakenkreuz eine magische Bedeutung zu­ gesprochen, die in Zusammenhang mit seiner Ausrichtung stehen soll. So sei das linksdrehende Hakenkreuz, auch mit der goldenen Sonne assoziiert, Zeichen der Schöpfung und Fruchtbarkeit; demgegenüber das rechtsdrehen­ de, Synonym der Schwarzen Sonne, die das wiederentfachte irdische Feuer symbolisiere. Andere Autoren wiederum sehen das linksdrehende in einem „positiven", das rechtsdrehende in einem „negativen" Kontext. Für Serrano dagegen impliziert das linksdrehende Hakenkreuz den vorzeitlichen Exo­ dus der Weißen Rasse und das gegenläufige die Rückkehr der Rasse an ihr esoterisches Zentrum am Pol.81 Godwin weist jedoch zurecht darauf hin, daß eine bevorzugte Verwendung bei keinem der dieses Zeichen nutzenden Völ­ ker feststellbar sei und lediglich die Unterscheidung zwischen Symbol für die polare Drehung („linkshändig") und den Lauf der Sonne („rechtshän­ dig") sinnvoll erscheine.82

1.2. Heinrich Himmler Ein Protagonist, der aus den Kreisen der völkischen Germanenbünde hervorging, sollte die Geschichte des 3. Reiches wesentlich mitbestimmen: die Rede ist von Heinrich Himmler. Dieser wurde als zweiter von drei Söh­ nen des aus Lindau (Bodensee) stammenden Oberstudiendirektors Joseph Gebhard Himmler (1865-1936) und dessen Frau Anna Maria Heyder (18661941) geboren. Die Familie entstammte einem bürgerlich-katholischen Mili81 vgl. Godwin (2007), S. 184. 82 ebenda, S. 185.

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eu, der Vater war Rektor des angesehenen huma­ nistischen Wittelsbacher-Gymnasiums in München und zugleich Privatlehrer von Prinz Heinrich von Bayern, der Taufpate Heinrichs wurde.83 Noch vor Abschluß seiner Schullaufbahn - erst 1919 holte Himmler sein kriegsbedingt verscho­ benes Abitur nach - bewarb sich Heinrich 1917 als Offiziersanwärter und durchlief die Ausbildung. Das Kriegsende verhinderte jedoch einen Fron­ teinsatz. 1918 kämpfte er stattdessen im „Freikorps Lauterbach" erfolgreich gegen die Münchener Rä­ terepublik und begann 1919 ein landwirtschaftli­ ches Studium. Während dieser Zeit war er in der Studentenverbindung Apollo im Rothenburger Verband Schwarzer Ver­ bindungen (RVSV) aktiv (heute: Burschenschaft Franco-Bavaria München in der DB) und engagierte sich bei der katholisch orientierten Bayerischen Volkspartei (BVP), aus der er 1923 austrat. Über seine Mitgliedschaft bei den Artamanen kam der mittlerweile diplomierte Landwirt in Kontakt mit der NSDAP, der er am 2. August 1923 beitrat. Am 9. November 1923 beteiligte er sich in seiner Eigenschaft als Mitglied des Röhmschen Freikorps „Reichs­ kriegsflagge" am gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch. Nach Aufstieg zum Parteiredner in Erich Ludendorffs Nationalsozialisti­ scher Freiheitsbewegung (NSFB) und Beitritt zu dem Ernst Röhm nahestehen­ dem Deutschvölkischen Offizierbund (DVOB), begann 1925 Himmlers Karriere in der NSDAP: 1925 trat er in die SA ein und wechselte wenige Monate später zur SS, innerhalb derer er 1927 zum stellvertretenden Reichsführer-SS ernannt wurde. Nach der Absetzung Erhard Heidens als Reichsführer-SS berief Adolf Hitler nunmehr Himmler am 6. Januar 1929 an die Spitze der Schutzstaffel, allerdings noch unter dem Oberkommando der SA. 1933 wurde Himmler nach der Machtübernahme zum Polizeipräsidenten von München ernannt. Auf­ grund seiner „Verdienste" bei der Niederschlagung des Röhm-Putsches am 30. Juni 1934 wurde er in „Anerkennung seiner Loyalität dem Führer gegenüber" von Adolf Hitler in die Dienststellung eines „Reichsleiters der NSDAP" (offizi­ elle Bezeichnung: „Reichsleiter SS") erhoben und die SS aus der übergeordne­ ten SA herausgelöst. Damit war der „Reichsführer-SS" (RF-SS) nur noch Hitler persönlich verantwortlich. Am 17. Juni 1936 erfolgte ein Erlaß Hitlers, der das Amt des RF-SS mit dem neu geschaffenen staatlichen Amt eines Chefs der Deutschen Polizei im Reichs­ ministerium des Innern personell und institutionell miteinander verband. Himmler unterstand damit der gesamte Polizeiapparat, bestehend aus den 83 Zur ausführlichen Biographie siehe Longerich (2009), S. 18 ff. 38

Ämtern der Ordnungspolizei, der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und des Reichskriminalpolizeiamts. Als Reichsführer-SS unterstand ihm weiterhin der Sicherheitsdienst (SD) als parteiinterner Nachrichtendienst. Himmler wurde in seiner neuen Eigenschaft den Befehlshabern des Heeres und der Marine sowie den Reichsministern im Rang gleichgestellt und erhielt Kabinettsrang. Heinrich Himmlers Vorliebe für Geschichtsromantik und Okkultismus Heinrich Himmler, der stets aufgeschlossen gegenüber unorthodoxen Forschungen gerade in Bezug auf die germanische Vorgeschichte war, gilt als der entscheidende Faktor für die Nachkriegslegenden, die sich um tat­ sächliche oder vermeintliche okkulte und esoterische Forschungen der SS innerhalb des 3. Reiches ranken. Bereits in jungen Jahren interessierte sich der Lehrersohn für die deutsche Geschichte, mit 10 Jahren kannte er den Verlauf der bedeutendsten Schlachten der deutschen Geschichte auswen­ dig, in seiner Gymnasialzeit hatte er seine Kenntnisse deutscher Militär­ geschichte noch weiter ausgebaut. 84 Daneben war Himmler ebenfalls seit frühester Kindheit interessiert an Mythen und Sagen, gegenüber de­ nen sich seine grundsätzliche Ein­ stellung verdeutlicht: In alten Sagen sah er nämlich, ähnlich wie auch Adolf Hitler selbst,85 eine mythisch verhüllte, einstige Wirklichkeit; Sa­ gen seien „das Gesagte, die Chronik" der Altvorderen noch bevor schriftliche Aufzeichnungen existierten."86 Inspiriert wurde er in diesem Glauben ausweislich seiner Bücher­ liste neben Edgar Daques „Urwelt, Sage und Menschheit" (1924) auch durch Ernst Bethas „Die Erde und unsere Ahnen".87 Bereits Anfang der 20er Jahre Himmler und Mentor Hitler, ca. 1954 stand Himmler in Kontakt zu ver84 Vgl. Pringle (2006), S. 19; dagegen behauptet Kater (2006), S. 16, unzutreffend, daß Himmler sich erst spät für die Geschichte interessiert hätte. 85 Hitler führte dazu in privater Gesprächsrunde aus: „Wir tun gut daran anzu­ nehmen, daß das, was die Mythologie von Gestalten zu berichten weiß, die Erinne­ rung ist an eine einstige Wirklichkeit"; nach Picker (1997), S. 298. 86 Siehe Sünner (1999), S. 10. 87 Edgar Dacque: Urwelt, Sage und Menschheit. Oldenburg 1924 ; Ernst Betlia: 39

Kranzniederlegung am Grabe Heinrichs I. in Quedlinburg 1936 schiedenen völkischen Okkult- und Geheimbünden, darunter dem Bund der Guoten (1925) sowie - seit 1926 - der Edda-Gesellschaft.88 Hier fand er Anregungen, die ebenso seine romantische Vorstellung über die germanische Frühzeit anregten wie sein okkultes Weltbild festigten. Geradezu erstaunlich mutet dabei Himmlers breitgefächertes Interesse hin­ sichtlich verschiedenster Fachgebiete an: Es reichte von Agrarthemen, über Tierzucht, Rassenkunde, Germanenkunde, europäische Geschichte, Mythen bis hin zu waffentechnischen Fragen. Eine Gemeinsamkeit, die er mit dem ebenfalls umfassend interessierten Reichskanzler teilte. Seine romantische Schwärmerei war jedoch zugleich eine entscheidende Schwäche, die sich insbesondere in der mangelnden Fähigkeit zur kritischen Abwägung ihn begeisternder oder in seiner ausgebildeten Meinung bestärkender Schriften und Persönlichkeiten offenbarte. Der Historiker Michael Kater faßte Himm­ lers Auffassung von Wissenschaft dahingehend zusammen, daß dieser ein Forschungsergebnis als Axiom vorgab, das wissenschaftlich untermauert werden mußte, auch wenn dazu Fakten ausgeblendet wurden.89 Für Himm­ ler bestand die Vergangenheit aus Hunderttausenden von Mosaiksteinen, die - richtig zusammengesetzt - das gewünschte Bild ergaben.90 Die Erde und unsere Ahnen. 1913. 88 Wegener (2004), S. 57; vgl. auch Wegener (2005), S. 37 f. 89 Kater (2006), S. 19. 90 Nach Kater (2006), S. 19; ebenso Pringle (2006), S. 12; Hintergrund dieser Wissenschaftsauffassung ist dabei der von Kater ausgeblendete Fakt, daß die Wis­ senschaft aufgrund ihrer Arbeit mit überlieferten Quellen nie das ganze Bild fassen kann, da stets einige Quellen nicht greifbar sind - unter diesem Blickwinkel erweist 40

Eine jener Schriften, die Himmler faszinierten, war die Ura-Linda-Chronik, die später noch eine größere Rolle spielen sollte. Bereits 1932 war sie jedoch ein Grund für Himmler, über die Errichtung eines eigenen, quasi privaten For­ schungseinrichtung nachzudenken, die strikt germanisch ausgerichtet und gegen die „jüdisch-versippte" akademische Wissenschaft antreten und trium­ phieren sollte. Bevor diese Überlegungen jedoch Gestalt annahmen, umgab sich Himmler überwiegend mit Laienforschem, die er im Kreis der Edda-Ge­ sellschaft, der Artamanen und anderer völkischer Bünde kennen gelernt hatte. 1936 gründete Himmler eine „Gesellschaft zur Förderung und Pflege Deut­ scher Kulturdenkmäler e.V.", die historische Bauwerke aus Geschichtsepo­ chen betreute, die ihm am Herzen lagen: Aus der germanischen Vorzeit, der heidnischen Ära des frühen Mittelalters und der Epoche deutsch-kolonialer Ostmission unter dem Deutschen Ritterorden. „Himmlers Denkmäler-Verein pflegte bewußt, was in das antichristliche und antislawische Weltbild der SS paßte, so alte Burgen des Deutschen Ritterordens oder den Sachsenhain bei Verden an der Al­ ler, Erinnerungsstätte für die im Jahr 782 von Karl dem Großen (,Karl dem Franken') hingerichteten 4.500 heidnischen Sachsen.. . Geschichtsromantik, Germanen- und Heidentum als Integrationsfaktoren der aus allen Gesellschaftsschichten rekrutier­ ten SS - das war der Sinn dieser und auch anderer Stiftungen Himmlers", wie Arfst Wagner Himmlers diesbezügliches Interessengebiet resümierte.91 „Diese Dinge interessieren uns, weil sie im weltanschaulichen und politischen Kampf von größter Wichtigkeit sind" führte Himmler im vertrauten Kreis dazu aus.92 Seinen Volksbegriff umriß Himmler einmal folgendermaßen: „Das Volk wird begriffen nicht als Summe von einzelnen, nicht einmal als die Gesamtheit der gegenwärtig lebenden Menschen gleichen Blutes, sondern als überpersönliche und überzeitliche Gesamtwesenheit, die begrifflich alle Generationen dieses Blutes - von den frühesten Ahnen bis zu den fernsten Enkeln - umfaßt."93 Wie Longerich bemerkte, war jedoch die innerhalb der SS betriebene Ger­ manenverehrung „nicht bloßer Ausfluß einer persönlichen Marotte des Reichsfüh­ rers", sondern es ging darum, „der SS im ideologischen Kernbereich des Nationalso­ zialismus eine feste Rolle als Hüterin des germanischen Erbes und seiner Ausdeutung zu sichern".94 Ein besonderes Interesse Himmlers galt dem sächsischen König Heinrich I. (875-936), genannt der „Vogler". Dieser war der Vater des ersten deutschen Kaisers, Otto I., und gilt als der Wegbereiter des Deutschen Reiches. Sein be­ sieh Himmlers Forderung nach einer ganzheitlichen Geschichtsbetrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln durchaus als sinnvoll. 91 Wagner (1993). 92 Zit. nach ebenda. 93 Himmler, zit. nach Wildt (2010), S. 46. 94 Longerich (2010), S. 284. 41

sonderes Verdienst war zum einen die Oppo­ sition zum römischen Papst und zum anderen seine erfolgreiche Ostkolonisation. Anläßlich der geplanten 1000-Jahr feier des Todestages des „Slawenbezwingers" Hein­ rich, gelang es Himmler die Feierlichkeiten an sich zu reißen. Dr. Hermann Reischle, Chef des Rasseamtes unter Darre, nannte diese Feier „propagandis­ tisch [...] geradezu ein Geschenk des Himmels" und berichtete am 24.10.1935 an Himmler: „Durch ihre zweckmäßige Gestaltung können wir mit einem großen Schlag das erreichen, was sonst auf propa­ Himmler im Jahr 1939 gandistischem Weg nur mühsam in Jahren durch­ gekämpft werden könnte. Schon aus diesem Grund muß die entscheidende Beteiligung der SS und damit unsere Einflußnahme auf die Vorbereitung und Gestaltung der Feier dringend befürwortet werden."95 Um das Gedenken an Heinrich I. in den Köpfen zu verankern, gründete er die König-Heinrich-I.-Gedächtnis-Stiftung. Am tausendsten Todestag des Königs, dem 2. Juli 1936, schwor der lebende dem toten Heinrich in dessen (damals leerer) Gruft im Quedlinburger Dom, die Ostmission des Sachsen fortzusetzen und zu vollenden. Ein Jahr später ließ er die Gebeine Heinrichs I. in feierlicher Prozession in den Dom überführen. Heinrichs Gruft sollte laut Himmler „eine Weihestätte sein, zu der wir Deutschen wallfahren, um König Heinrichs zu gedenken".96 Noch im Dezember 1935 legt er fest, daß die SS mit der Stadt Quedlinburg alleinige Trägerin der Feiern am 2. Juli 1936 sein sollte. Wie Heinrich I. von ihm instrumentalisiert wurde, geht aus einem Tage­ bucheintrag des Leibarztes F. Kersten hervor: „Er rechnete mir vor, daß bei sys­ tematischer Verfolgung dieser Maßnahmen" (nämlich die Rückzüchtung der „germa­ nischblond-blauen Urrasse") „in einhundertzwanzig Jahren nach den Mendelschen Gesetzen das deu tsche Volk wieder weitgehend reinblütig germanisch aussehen werde, die Geschichte ihm das danken und in tausend Jahren sein Lebenswerk genau so ver­ stehen würde, wie dies jetzt mit dem Werk König Heinrichs I. der Fall sei." Doch das Interesse Himmlers an seinem Namenspatron ging über die blo­ ße Verehrung und Instrumentalisierung hinaus: „An jedem Todestag des Königs machte sich der Reichsführer auf, mit dem anderen Heinrich stille Zwiesprache zu pfle­ gen - in der kalten Krypta des Doms pünktlich zur Zeit, wenn die zwölf dröhnenden Glo­ ckenschläge die Mitternachtsstunde verkündeten", wie Wagner zu berichten weiß. 95 Zit. nach Helzel (2008), S. 5. 96 Himmler, zitiert nach Wagner (1993). 42

Tatsächlich glaubte Himmler an spiritistische Vorgänge wie die Geisterbeschwörung. Zum Buch „Die Phänomenologie des Spitismus" des Münchener Philosophen Freiherr Dr. Carl du Prel (1839-1899), notierte Himmler in einer Anmerkung: „Ein wissenschaftliches Werkchen auf philosophischer Gru ndlage, das mich wirklich an den Spiritismus glauben läßt und mich erst richtig in denselben eingeführt hat.“97 So beschränkte Himmler seine spiritisti­ schen Kontakte nicht auf Heinrich, sondern nutzte seine Fähigkeit regelmäßig, Geister zu beschwören. Allerdings, „müsse man eine bestimmte Veranlagung dafür haben und es kä­ men nur die Geister von Menschen in Frage, die schon hundert Jahre tot seien“, wie der Reichs­ führer seinem Arzt Dr. Kersten anvertraut Heinrich-Gedenkplakette der SS haben soll.98 „Wenn er im Halbschlaf liege, be­ richtete Himmler, erscheine ihm der Geist König Heinrichs und erteile ihm wertvolle Ratschläge. Oft begann Himmler mit der Redensart:,König Heinrich hätte in diesem Falle folgendes getan.' Er beschäftigte sich mit seinem Helden so lebhaft, daß er sich allmählich für eine Reinkarnation des Königs hielt."99 Als Mittel zur Geisterbeschwörung bediente sich Himmler des Pendels. 1925 studierte er einen praktischen Leitfaden für „Pendelpraxis und Pen­ delmagie", der nach Auskunft des Untertitels als „Anleitung zum Gebrauch des siderischen Pendels zwecks Feststellung von Krankheiten und mensch­ lichen Charaktereigenschaften, Geschlechtsbestimmung und Befragung der Jenseitigen" fungierte. Ein wichtiges Rolle spielte dabei das sogenannte Od, eine Art Äther (in­ disch „Prana"), das fünfte Element neben Luft, Feuer, Wasser und Erde, das als kosmischer Energiespeicher diente.100 Sein spiritistisches Wesen zeigte sich jedoch auch in der Konsultation von Astrologen. Hierzu führte Kersten aus: „Vor wichtigen Entscheidungen ließ sich Himmler einen seiner beiden Astrologen kommen, um sich das Horoskop stellen zu lassen... Himmler hat öfters betont, daß die Astrologen einstimmig der 97 Heinrich Himmlers Leseliste 1919-1934, Nachlaß N 1126, NL 126/9 fol.l - zit. nach Wegener (2004), S.43. 98 Kersten (1952), S. 183. 99 Höhne (1981), S. 141 ff., wobei dieser vorgebliche Glaube Himmlers, eine Rein­ karnation Heinrichs zu sein, mittlerweile als Legende erkannt wurde. 100 So Wegener (2004), S. 43ff.

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Meinung seien, Deutschland könne erst dann aufsteigen und gesunden, wenn alle Juden ausgerottet seien."101 So kritisch dieses von dem über weite Strecken un­ glaubwürdigen Leibarzt Himmlers überlieferte Zitat zu betrachten ist, ist daraus zumindest ein großes Interesse Himmlers an der Astrologie, beson­ ders zum Kriegsende, herauszulesen. Von Mai 1944 bis April 1945 konsul­ tierte er den Astrologen Wilhelm Wulff zu verschiedensten Fragestellungen und ließ sich regelmäßig Horoskope erstellen.102 Ein der Geisterbeschwörung eng verwandtes Gebiet war die Telepathie, die Hellseherei, für die Himmler ebenfalls ein offenes Ohr besaß. Hierzu las er 1923 die Veröffentlichung Friedrich zur Bonsens und fügte als Anmer­ kung hinzu: „Es ist ein genaues Referat und Zusammenstellung über unbekannte und sagenhafte Gebiete. Ein kleiner Ausschnitt aus der unendlichen Terra incognita, alles Übersinnliche, was da sind Astrologie, Hypnose, Spiritismus, Telepathie usw. - Darstellung und Erklärungsversuche wissenschaftlich und gut verständlich."103 Über das Okkulte und Geschichtliche hinaus war der strenggläubige Leh­ rersohn auch an religiösen Fragen interessiert - insbesondere an der Frage, wodurch sich das Christentum zukünftig ersatzen lassen könnte. Gemäß Himmler waren die germanischen Religionsquellen durch das Christentum verschüttet worden. Es galt daher diese aus alten Sagen „wie durch einen Brunnenschacht wieder ans Licht zu heben“.104 Mangels germanischer Quel­ len befaßte er sich daher auch mit den indoarischen Überlieferungen, die in einem späteren Kapitel nähere Betrachtung erfahren.

1.3.

Die SS - Von der Schutzstaffel zum „Ritterorden"

„Ich bin überzeugt von der Weltanschauung, daß letzten Endes in der Welt nur das gute Blut, auf die Dauer gesehen, die beste Leistung hervorbringt. Danach muß­ te es richtig sein, daß wirklich nur das gute Blut nach unserer Kenntnis der Ge­ schichte als das führende, schöpferische und jeden Staat, vor allem jede soldatische Betätigung tragende Blut anzusehen ist, und zwar das nordische Blut. Ich sagte mir: Wenn es mir glückt, in einer Organisation möglichst viele Menschen, die zu einem namhaften Teil Träger dieses erwünschten Blutes sind, aus dem deutschen Volke zu erfassen und unter soldatischen Gehorsam zu bringen, sie allmählich mit dieser Erkenntnis vom Wert des Blutes und von der ganzen Weltanschauung, die daraus entspringt, zu erfüllen, dann müßte es möglich sein, tatsächlich eine Ausle­ seorganisation zu schaffen, die jeder Belastung standhält."105 101 Kersten (1952), S. 183. 102 Berndt (2011), S. 243 ff. 103 Leseliste, zit. nach Wegener (2004), S. 50. 104 Birn (2009), S. 70. 105 Heinrich Himmler (1948). S. 207. 44

Mit diesen Worten umschreibt Heinrich Himmler seine Vorstellung von der SS. Die am 4. April 1925 zum persönlichen Schutz Adolf Hitlers begrün­ dete Schutzstaffel der NSDAP (SS) unterstand seit 1926 der Sturmabteilung (SA) und wurde erst nach dem „Röhm-Putsch" 1934 zu einer eigenständigen paramilitärischen Organisation der NSDAP, die zugleich den parteiinternen „Polizeidienst" ausübte. Um in die SS eintreten zu können, mußte der Bewerber bestimmte rasse­ biologische und weltanschauliche Kriterien erfüllen und auch Ehefrauen der SS-Mitglieder wurden hinsichtlich ihrer „Rassenreinheit und Erbgesundheit" überprüft.106 Während die Beibringung des großen Ariernachweises - eines bis 1800 zu dokumentierenden Nachweises, daß sich keine jüdischen Vorfahren in der Ahnenreihe befanden - bei der NSDAP und ihren Unterorgansistionen relativ lax gehandhabet wurde, mußte der SS-Anwärter diesen Nachweis bis 1750 in jedem Fall führen107 und selbst Himmler erbrachte diesen Nachweis! Unter dem Einfluß Himmlers wandelte sich die ursprüngliche Schutzstaffel zu einem „Führungsorden" der nationalsozialistischen Weltanschauung, bei deren Aufbau sich der Reichsführer vom Jesuitenorden, mittelalterlichen Rit­ terorden und der Sagenwelt König Arthus gleichermaßen inspirieren ließ. 1935 kam es zur Umbennung der bisherigen Verwaltungseinheiten der SS in Allgemeine SS. Dadurch sollte sich der eigentliche SS-Orden von den bewaffneten Verbänden, der SS-Verfügungstruppe und den SS-Totenkopfverbänden, abgrenzen, die später die Waffen-SS bildeten. Diese Allgemeine SS, nun auch Heimat- oder Schwarze-SS genannt, unterstand nun dem neu­ en Kommandoamt der Allgemeinen SS in Berlin. Damit kam es zur klassischen Dreiteilung der SS, die informell bis 1945 Bestand hatte: 1. Allgemeine SS - 2. SS-Totenkopfstandarten - 3. SS-Verfü­ gungstruppe. Die SS umfaßte 1939/40 folgende Hauptämter und deren Unterabteilungen: - Das Führungshauptamt (FHA) war die betriebliche Stabsstelle (Hauptquar­ tier) der SS. Es leitete und verwaltete die Offiziers-Schulen, medizinische Versorgung, Transportvorgänge, Lohnzahlungen und Ausrüstungen. - Das Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) hatte die Aufgabe, eine „rassisch wertvolle" Führungselite herauszubilden. - Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) entstand aus der Zusammenle­ gung von SD und SiPo und war die zentrale Stelle zur Ausübung der polizeilichen Funktionen der SS. - Das SD-Amt Reinhard Heydrichs diente als Geheimdienst zur Bekämp­ fung äußerer wie innerer Gegner und zur „Bespitzelung" der Bevölke­ rung. 106 Hambrock (2009), S. 79. 107Nolzen (2009), S. 31. 45

- Die Sicherheitspolizei (Sipo) war für die Kriminal- und die Geheime Staats­ polizei (Gestapo) zuständig. - Militärischer Zweig der SS war die aus Verfügungstruppen und Totenkopfverbänden gebildete Waffen-SS - Das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) steuerte die Kon­ zentrationslager und deren Konstruktion und verwaltete die SS-eigenen Industrien, Gewerbe- und Landwirtschaftsbetriebe.108 Das Ausmaß dieser wirtschaftlichen SS-Unternehmungen gehört dabei zu den unbekanntesten Vorgängen in Zusamenhang mit der SS, vor allem da während des Krieges „nie darüber gesprochen wurde", wie Himmler in einer Rede 1940 bemerkte.109 Gegen Ende des Krieges (1944/45) zählte die SS formal über 840.000 Mit­ glieder, zu denen neben dem „SS-Führerkorps" (d. h. Führungsschicht in den SS-Hauptämtern und die Offiziere sowie die Unteroffiziere der WaffenSS) auch Polizeioffiziere gehörten, sobald ihr Dienstgrad einem SS-Rang entsprach. Die Zugehörigkeit der Offiziere von Waffen-SS und Polizei zur SS wurde von Amts wegen begründet; für die Mannschaften der Waffen-SS und Polizei war eine Übernahme in die SS erst für die Zeit nach Ende des Krieges vorgesehen. In der Zeit nach dem Kriegsende wurde das Wort vom „Staat im Staate" für die SS geprägt, was die Überhöhung der SS als monolithischem, von ei­ nem gemeinsamen Willen geprägten „Orden des Bösen" implizierte. Durch die Arbeiten Gerald Reitlingers und insbesondere Heinz Hohnes erfolgte die Entdämonisierung und Verdeut­ lichung des heterogenen Charak­ ters der SS, „freilich nicht ohne den verbrecherischen Charakter der SS als ganzes in Frage zu stellen", wie Jan Schulte es formuliert.110 Weltanschaulich wirkte neben Himmler selbst vor allem das seit 1931 von Richard Walther Darre geleitete „Rasse- und Siedlungs­ hauptamt" (RuSHA), das ne­ ben dem SS-Hauptamt und dem Hauptamt SD eines der drei ältes­ ten SS-Hauptämter war. Das „Ras­ seamt der SS" wurde bereits Ende SS-Stabswache in Berlin 108 Nach Schulte (2009). 109 Vgl. Georg (1963), S. 10; siehe hier auch zur Geschichte der SS-Wirtschaft. 110 Vgl. hierzu Schulte (2009), S. XIV. 46

Dezember 1931 gegründet und war zuständig für Rassenuntersuchungen und Ehegenehmi­ gungen für Angehörige der SS. Später wurde es als „Rasse- und Siedlungsamt" bezeichnet und ab Januar 1935 als SS-Hauptamt geführt. Im Zusammenhang mit der Bildung des Reichskommisariats für die Festigung deut­ schen Volkstums und der Ausarbeitung des „Generalplans Ost" übernahm es Aufgaben der Rassenselektion der Bevölkerungen der besetzten Gebiete sowie der Auswahl von Kandidaten für die geplante Ansiedlung ent­ Richard Walther Darre lassener SS-Angehöriger im Osten. Erster Leiter des RuSHA Für die Durchführung von nichtstaatlichen und inofiziellen Angelegenheiten sorgte der „Persönliche Stab RFSS", der dem SS-Obergruppenführer Karl Wolff un­ terstand. Dieser Stab, der sich aus der Adjutantur des RF-SS entwickelte, war eines der Berliner Hauptämter und für alle Himmlerschen Belange bestimmt, die nicht in den Bereich eines SS-Hauptamtes fielen, bearbeitet durch seine Sachbearbeiter den normalen Dienstverkehr, Hier wurde die Presseabteilung des Reichsführers SS sowie ein umfangreiches Kulturrefe­ rat geführt, dem unter anderem auch die SS-Porzellan-Manufaktur in Allach angeschlossen ist. Ferner unterstanden ihm die privaten Organisationen „Lebensborn", „Freundeskreis Reichsführer SS", „Ahnenerbe" und „För­ dernde Mitglieder der SS", sowie die Wewelsburg.111 Der Persönliche Stab RF-SS war eine Einrichtung, die es Himmler ermög­ lichte, eigene Forschungsinteressen an diesem Stab angehörende Mitarbeiter zu delegieren und zugleich Forscher, deren Arbeit dem Interesse Himmlers entsprachen, unter dem Schutz und - zumindest eingeschränkter Bezahlung - arbeiten zu lassen. Die Arbeit dieser von der akademischen Wissenschaft zumeist ausgegrenzten oder sich selbst von jener bewußt abgrenzenden For­ scher trug zu einem nicht unerheblichen Teil zum schlechten Leumund des Ahnenerbes bei, obgleich dieser nicht deckungsgleich mit jenem war. Ab dem Jahr 1936 wurde der Persönliche Stab RFSS von einem unterge­ ordneten Amt im RuSHA zum Hauptamt erklärt. Mitarbeiter des Ahnen­ erbes, das offiziell lediglich als unabhängiger Verein firmierte, inoffiziell jedoch personell dem RuSHA nahestand, wurden nach zunehmendem Zer­ würfnis zwischen dem RuSHA-Leiter Walter Darre und Himmler mehrheit­ lich in das neue Hauptamt aufgenommen um ihre Bindung an Himmler zu festigen, wobei es jedoch auch Ausnahmen von dieser Regel gab. 111 Vgl. Alquen (1939); siehe dazu: Wikipedia: SS.

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Der Großmufti von Jerusalem bei einem Besuch bosnischer SS-Freiwilliger Eine der für die vorliegende Untersuchung relevantesten Abteilungen in­ nerhalb des Persönlichen Stabes war die Abteilung „Ausgrabungen", neben der noch eine Reihe weiterer Forscher zwar in der selben Sache, aber diesem nicht unterstehend tätig waren. Entsprechend seines eigenen Lebenslaufes, der stark vom Glauben geprägt war und entgegen der propagandistischen These von der „Gottlosigkeit" der SS, legte Himmler großen Wert auf die Gläubigkeit seiner SS-Männer. Un­ ter dieser Gläubigkeit verstand er allerdings weniger die Zugehörigkeit zu einer Konfession, als einen grundsätzlichen „Gottglauben". Auf dieser Basis plante Himmler eine mittelfristige Ersetzung des Christentums durch einen arteigenen Glauben, auf den an anderer Stelle näher einzugehen sein wird. Diesbezüglich spielte die Frage auch in der Erziehung des SS-Mannes eine Rolle. In der SS-Publikation „50 Fragen und Antworten für den SS-Mann" steht als erste Frage: ,Wie lautet dein Eid?' Antwort: ,Wir schwören dir, Adolf Hitler, als Führer und Kanzler des Deut­ schen Reiches Treue und Tapferkeit. Wir geloben dir und den von dir bestimmten Vorgesetzten Gehorsam bis in den Tod. So wahr uns Gott helfe!' Zweite Frage: ,Also glaubst Du an einen Gott?' Antwort: ,Ja, ich glaube an einen Herrgott.' Dritte Frage: ,Was hältst Du von einem Menschen, der an keinen Gott glaubt?' Antwort: ,lch halte ihn für überheblich, größenwahnsinnig und dumm; er ist nicht für uns geeignet.' Himmler selbst führte dazu aus: „Ich habe Ihnen diese drei Fragen und Antworten mitgeteilt, um damit eindeutig unsere Stellung zur Religion darzutun. Seien Sie überzeugt, wir wären nicht fähig, dieses zusammengeschworene Korps zu sein, wenn wir nicht die Überzeugung und 48

den Glauben an einen Herrgott hätten, der über uns steht, der uns und unser Vater­ land, unser Volk und diese Erde geschaffen und uns unseren Führer geschickt hat. Wir sind heilig davon überzeugt, daß wir nach den ewigen Gesetzen dieser Welt für jede Tat, für jedes Wort und für jeden Gedanken einzustehen haben, daß alles, was unser Geist ersinnt, was unsere Zunge spricht und was unsere Hand vollführt, mit dem Geschehen nicht abgetan ist, sondern Ursache ist, die ihre Wirkung haben wird, die im unentwegten, unentrinnbaren Kreislauf zum Segen oder Unsegen auf uns selbst und auf unser Volk zurückfällt. Glauben Sie, Menschen mit dieser Über­ zeugung sind alles andere als Atheisten. Wir verbitten uns aber, deswegen, weil wir uns als Gemeinschaft nicht für diese oder jene Konfession, nicht für irgendein Dogmafestlegen, oderauch nur von irgendeinem unserer Männer dieses verlangen, unter Mißbrauch des Wortes Heide als Atheisten verschrien zu werden."112 Und er beschließt diese Ausführungen mit den folgenden Worten: „So sind wir angetreten und marschieren nach unabänderlichen Gesetzen als ein nationalsozialistischer, soldatischer Orden nordisch bestimmter Männer und als eine geschworene Gemeinschaft ihrer Sippen den Weg in eine ferne Zukunft."113 Bestandteil dieser Zukunft war zugleich eine Neuordnung der politi­ schen Landkarte Europas. Neben der geplanten Errichtung eines eigenen SS-Staates „Burgund" erwuchs innerhalb der SS im Zuge ihrer „Europäisie­ rung" durch Rekrutierung verschiedener Nationalitäten für die Waffen-SS, der Plan eines zentralregierten, aber regional verwalteten Europas das sich zwischen Atlantik und Ural erstrecken sollte. Mit der Idee nach Volks- und Stammeszugehörigkeit untergliederten Regionen, deren Verbundenheit sich aus der gemeinsamen germanischen Abstammung gespeist hätte, ent­ warf die SS somit einen Gegenentwurf zum heute existenten Europa der Bürokraten, in dem Wirtschaftsinteressen vorherrschen. „Das ganze Natio­ nalitätenproblem, das", wie Miguel Serrano resümiert, „von dem in den Westen eingeschleusten Kommunismus zur Erreichung seiner Ziele hochgespielt wird, wäre dann beseitigt als Ergebnis einer organischen, lebenswichtigen, nicht nur vernunft­ bezogenen Sinngebung. Die großen künstlichen Menschenzusammenballungen, welche die Völker gegenwärtig bilden, würde gegenüber freiwilligen Verbindungen der blutsverwandten Vaterländer' in den Hintergrund treten."114 Wenn sich dieser Gedanke auch erst im Laufe des Krieges manifestierte und auch dem zunehmend negativen Kriegsverlauf Tribut zollte, so handel­ te es sich bei diesem Gedanken eines germanischen Europas gleichberech­ tigter Stämme um eine Vision, deren Umsetzung durchaus möglich gewe­ sen wäre und deren Anvisierung vor allem die europäischen SS-Freiwilligen beflügelte. 112 Himmler (1937), S. 26. 113 Ebenda, S. 31. 114 Serrano (1978); S. 70. 49

2.

Wewelsburg & Erberinnerung - die SS-Burg und der mysteriöse Oberst Wiligut/Weisthor

„Ich habe es gefunden Herr Reichsführer - hier ist die Prophezeiung der großen Entscheidungs­ schlacht, über die wir uns unterhalten haben, sogar schriftlich niedergelegt. Soll ich sie ihnen vorlesen? Der Text ist in mittelhochdeutscher Sprache abgefaßt.115

2.1. Die Wewelsburg och über dem Almetal unweit Paderborns ragt auf einer Bergzunge eine Burg empor, deren Dreiecksge­ stalt in dieser Form einmalig in Deutschland ist - die Wewels­ burg. Mit diesem Namen verbin­ den sich zahlreiche Sagen und Legenden über Heinrich Himm­ ler, die SS und die okkulte Seite des Nationalsozialismus. Die am 27. Juli 1934 auf hundert Jahre für einen jährlichen Pachtzins in Höhe von einer Reichsmark erworbene Wewelsburg, benannt nach ihrem frühesten Besitzer Raubritter Wewel von Büren, wird von einem tiefen Burggraben umgeben, über den eine steinerne Brücke durch ein Tor in den dreieckigen Innenhof führt. Drei dreistöckige Burgflü­ gel aus Kalksteinen umgeben den Hof und führen zur Spitze hin, die von einem massiven Rundturm abgeschlossen wird, dessen Eingangsportal mit Stilmerkmalen der Renaissance geschmückt ist.116 In diesem wuchtigen Rundturm, dem Nordturm, befindet sich ein runder Saal, der sogenannte (Ober-)Gruppenführersaal,117 den Himmler als Ver­ sammlungsraum der SS-Führung vorgesehen hatte. Den Boden des Saals schmückt ein Sonnenrad, das aus 4 Hakenkreuzen gebildet wird, deren Bal­ ken auch als (insgesamt 12) stilisierte Sig-Runen gedeutet werden können. Mit malerischen Umschreibungen vermeintlicher Vorgänge auf der Burg lieferte Autor Heinz Höhne Ende der 60er Jahre die Grundlage für diverse

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115 Weisthor gegenüber Himmler nach Zeugnis Karl Wolffs; vgl. Mund (2011), S. 12. 116 Vgl. zu weiteren Details Frank (2007), S. 14 f. 117 Himmler selbst sprach von Gruppenführersaal - der erste Chronist der Burg, Karl Hilser (1982), nennt ihn Obergruppenführersaal.

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Spekulationen: „In Himmlers Gralsburg saßen die Auserwählten rund um des Reichsführers eichenhölzerne Tafel, jeder in einem schweinsledernen Ohrensessel mit einem silbernen Plättchen, das den Namen des jeweiligen SS-Ritters preisgab",118 Wie Daniela Siepe bemerkte, befanden sich im Obergruppenführersaal allerdings nie schweinsledernde Ohrensessel - diese waren vielmehr Bestandteil eines Nebenraumes im Ostflügel, der tatsächlich in etwa die Maße von 35 Meter x 15 Meter aufwies und von Höhne mit dem Saal im Nordturm verwechselt worden sein dürfte.119 „Jeder der Auserwählten besaß ein eigenes Gemach in der Burg, das jeweils in ei­ nem bestimmten historischen Stil eingerichtet und einer historischen Persönlichkeit gewidmet war. "12° Daß diese tatsächlich existenten Gemächer jeweils einem SS-Oberen gewidmet waren, ist dabei ebenfalls eine Interpretation Hohnes, denn offiziell fungierten die Räume lediglich als Studienzimmer ohne einer bestimmten Person zugeordnet zu sein. Vielmehr sollten die SS-Führer von Tagung zu Tagung - mit Ausnahme Karl Wolffs - die Räume wechseln, bis sie zu Lehr- und Studienzwecken mit allen Gestalten, die als Namenpatrone der Räume dienten, vertraut gewesen wären.121 Als Namensgeber dienten „Heinrich I.", „Friedrich II.", „Friedrich Bar­ barossa", „Widukind", „Heinrich der Löwe", „König Arthus", „Der heili­ ge Gral", „Arier", „Deutscher Orden", „Fridericus" und sogar „Christoph Kolumbus", dessen Frequentierung in Kreisen der SS überraschen mag.122 Neben thematischer Literatur sollen sich auch entsprechende Requisiten in 118 Höhne (1981), S. 142. 119 Siepe (2009), S. 492 f. 120 Höhne (1981), S. 142. 121 Helzel (2008), S. 128 (Anm. 51); Unklarheit besteht auch über die Anzahl dieser Zimmer, die zumeist mit 12 angegeben wird, wobei Moors (2009), S. 170,11 nennt, zzgl. eines Doppelzimmers für Himmler. 122 Vgl. Hiiser (1982), S. 33; leider gibt es keine Übersicht über alle Namen der Zimmer, so daß der 12. Name im Dunkeln bleiben muß; auffällig ist aber ein Schwerpunkt auf sächsische Herrscher bzw. Kaiser und die Gralslegende. Der wenig zuverlässige Ravens­ croß (1996), S. 312 f, meint demgegenüber, daß alle Zimmer nach Herrschern benannt gewesen wären, die irgendwann mal über den „Heiligen Speer" verfügt hätten und nennt noch Konrad IV. sowie Philipp von Hohenstaufen. In Himmlers Heinrich-Zimmer habe sich daher auch eine Kopie der Heiligen Lanze befiinden. Die Benennung nach Kolum­ bus, der im 3. Reich verschiedentlich auch als „Jude" herabgesetzt wurde, bleibt bislang ein Rätsel. Otto Hauser, Autor einer 1935 erschienenden „Geschichte des Judentums", bescheinigte Kolumbus zumindest eine germanische, vielleicht sogar deutsche Abstam­ mung. 1942 veranstaltete das Reichserziehungsministerium eine Kolumbus-Feier an der auch das Ahnenerbe laut Empfehlung des Freiherm von Lützelburg, Leiter derAE-Stätte für Botanik, teilnehmen sollte; vgl. Simon (ChrLuetz). 51

den jeweiligen Zimmern befunden haben. Gemäß der fragwürdigen Über­ lieferung Ravenscrofts hätte sich in Himmlers Raum eine Kopie der heiligen Lanze befunden, die 1935 angefertigt worden sei als „Himmler auf Hein­ rich I. stieß", wie Helzel bemerkt, der die Geschichte trotz der mangelhaften Quelle für glaubwürdig hält.123 Allerdings zitiert Helzel als weiteren Quel­ lenbeleg auch den Autoren Frischauer, der sich bei seiner Wewelsburgschilderung auf Zeugenaussagen beruft. Ebenso spekulativ ist die Annahme, Himmler habe die Zahl seiner hier empfangenen Gruppenführer zukünftig tatsächlich auf 12 begrenzt wissen wollen, wie es die Legende besagt: „Geschichtsromantiker Himmler wußte aus seinen Sagenbüchern, daß der Keltenkönig Artus (500 nach Christus) die zwölf tap­ fersten und edelsten Ritter um eine runde Tafel versammelt und mit ihnen zusammen Glaube und Freiheit der Kelten gegen die eindringenden Angelsachsen verteidigt hat­ te. Hier konnte man auch für die SS lernen. Die König-Artus-Sage muß den SS-Chef beeindruckt haben, denn er duldete an seiner Tafel stets nur zwölf Gäste. Und wie einst Artus die tapfersten Zwölf ausgewählt hatte, so bestimmte nun König Heinrich die zwölf besten Obergruppenführer zu oberen Hierarchien seines Ordens.124 Tatsächlich sind nur wenige Zusammenkünfte durch Quellen belegt: Die bekannteste vom 11. bis 15. Juni 1941, als Himmler im Vorfeld des Unterneh­ mens Barbarossa - das in den Planungen von Hitlers Generalstabschef Franz Halder 1940 noch „Plan Otto" hieß125 - zu einer SS-Gruppenführertagung auf die Wewelsburg einlud. Bei der Tagung habe er den Zweck des Angriffs auf die Sowjetunion, nämlich „die Dezimierung der Bevölkerung der slawi­ schen Nachbarländer um 30 Millionen" verkündet - so zumindest ein Groß­ teil der Autoren, die hier einer Aussage des SS-Führers Erich von dem Bach (Zelewsky) vor dem Siegertribunal der Alliierten in Nürnberg folgen.126 123 Dabei spricht Helzel selbst von einem „über weite Strecken, was Hitlers Okkultismus angeht, unglaubwürdigen Buch", S. 128 (Anm. 51); vgl. Ravenscroft (1996), S. 310 ff.; Hüser (1982), S. 33, spricht Franzius und Jordan die Ausstattung der Zimmer, darunter einen Globus für das Kolumbus-, und einen Bergkristall für das Gralzimmer zu. 124 So Höhne (1981) S 141 f. 125 Helzel (2008) vermutet nachvollziehbar in Anspielung auf Otto I., S.36 126 Helzel (2008), S. 29; dagegen verweist Schulte (2009), S. 15, darauf daß die Aus­ sage nicht nachweisbar sei. Karl Wolff hat diese Aussage sowohl gegenüber Frischauer (1953) als auch Hüser bestritten, und sprach von „Millionen von Toten als Folge" nicht aber Ziel des Kriegs; Hüser (1982), S. 3; Jedenfalls steht dieses Ziel auch im Gegensatz zum vielzitierten „Generalplan Ost" Himmlers, der die Umsiedlung eben jener Zahl von Menschen vorsah (Fassung von Mai 1942 bzw. „Generalsiedlungs­ plan von September 1942 - siehe u.a. Wikipedia: Generalplan Ost) - zur Einstellung Himmlers gegenüber den Ostvölkem siehe auch Höhne (1981), S. 47, der Kersten mit den Worten zitiert: „Im Grunde seines Wesens hätte Himmler die Völker des 52

Ölgemälde der Burg von Robert Kämmerer-Rohrig, 1940 Insgesamt ist die Quellenlage trotz zahlreicher Publikationen über die Burg relativ dürftig. Dies liegt vor allem daran, daß Himmler ein Verbot erließ, über die Wewelsburg zu berichten. Doch welche Rolle spielte die Burg - war sie Schulungszentrum, SS-Kultstätte oder Zentrum des neuen Reiches? Himmler selbst sprach lediglich da­ von, „die Wewelsburg ... als Reichsführerschule der SS auszubauen".117 Gesichert scheint daher nur die Anfangszeit der Nutzung: Mithilfe eines Kommandos des freiwilligen Arbeitsdienstes und eines Stabes von SS-Exper­ ten wurden sowohl die Inneneinrichtung als auch Teile der Außengestaltung der Burg verändert. Über dem Speisesaal im Südflügel des Festungsdreiecks wurden die Privatgemächer des Reichsführers eingerichtet, zu denen auch ein Saal für seine umfangreiche Waffensammlung und ein weiterer für eine Bibliothek gehörten. Im Südflügel wurde ein Museum eingerichtet, für das SS-Obersturmführer Wilhelm Jordan prähistorische und geologisch-paläon­ tologische Exponate zusammenstellte. Derweil arbeitete der Sippenforscher Rudi Bergmann an der Erstellung verschiedener Ahnentafeln für SS-Offiziere, darunter auch Himmlers Stammbaum, und Obersturmführer Dr. Bernhard 128 Frank an einer Arbeit über die Flurnamen der Umgebung Wewelsburgs.127 Entgegen anderslautender Stimmen stand das Wewelsburg-Museum auch für Besichtigungen durch Gäste der Burg zur Verfügung.129 Daneben entstanOstens lieber erzogen als ausgerottet"; vgl. dazu auch Longerich (2010), S. 273, der Himmler folgend zitiert: „Jedes gute Blut... das sie irgendwo im Osten treffen, kön­ nen sie entweder gewinnen oder sie müssen es totschlagen". Longerich folgert daraus, daß Himmler die größte Gefahr nicht mehr von einem „asiatisch-bolschewistischen Block unter jüdischer Führung" ausgehend sah, sondern von asiatischen Horden un­ ter arisch-germanischer Führungsschicht. Seit 1942 - so Longerich - „traten [daher] die Juden als Hauptgegner immer mehr zurück". 127 Vgl. Moors (2009), S. 170. 128 Vgl. Rüssel (2010), S. 7. 129 Hüser (1982) S. 32 f, hatte behauptet, an dem Museum konnten sich nur „Himmler 53

Himmler und Karl Wolff im Almetal - rechts: Der Innenhof der Burg heute den ein Sitzungssaal und ein Gerichtssaal für das oberste SS-Gericht, das sich im gleichen Trakt wie die Gästezimmer befand. Nachdem Himmler Manfred von Knobelsdorff zum Burghauptmann er­ nannt, ein Berichterstattungsverbot für die Presse und ein Besuchsverbot verhängt hatte, wurde der Aufbau der SS-Schule in Angriff genommen. Für diesen Zweck wurden bereits zwei Schulungsleiter, Karl Lasch und Wal­ ter Franzius, ernannt.130 Ein umfangreicher Lehrbetrieb war von Beginn an nicht vorgesehen, wie Schulte unter Verweis auf die auf einen kleinen Kreis von Besuchern zugeschnittenen Umbaumaßnahmen an der Burg bemerkt.131 Auch eine reichhaltige Bibliothek, die 1938 fast 16.000 Bände umfassen soll­ te, geleitet von Dr. Hans Peter des Coudres, befand sich im Aufbau und sollte der weltanschaulichen Bildung der SS-Führer dienen.132 Im Februar 1935 wurden die zunächst dem RuSHA Darres zugeordne­ ten Mitglieder der Burgmannschaft mitsamt der nun als „SS-Schule Haus Wewelsburg" firmierenden Burg in den Persönlichen Stab Himmlers über­ stellt.133 Mit der Entlassung von Knobelsdorfs, dem Schwager Darres, 1938, war der Bruch zwischen diesem und Himmler nun auch auf der Wewels­ burg vollzogen - wenige Monate später wurde Darre - auf eigene Initiative - als Leiter des RuSHA entlassen.134 selbst und eigens geladene Gäste erfreuen“; Rüssel (2010), S. 124 f. weist dagegen an­ hand von Tätigkeitsberichten Jordans nach, daß auch andere Gästegruppen wie BDMund Verwundetengruppen ebenso wie Fachwissenschaftler das Museum besichtigten. 130 Vgl. Frank (2007), S. 18; siehe auch Rüssel (2010), S. 9 131 Schulte (2009), S. 7, demnach standen maximal 50 Betten zur Verfügung. 132 Vgl. Frank (2007), S. 20 133 Goodrick-Clarke (2004), S. 162 134 Vgl. Schulte (2009), S. 8; siehe auch Moors, S. 175, der als offizielle Gründe der Entlassung „arrogante Ungeschicklichkeiten im Umgang mit der Dorfbevölkerung und disziplinarische Mißstände bei den Untergebenen“ anführt; diese kann aller­ 54

Der „Obergruppenführersaal" mit Bodenornament (links) - Die Gruft (rechts) Zum neuen Burghauptmann avancierte Standartenführer Siegfried Taubert, der als weltanschaulich gefestigter SS-Mann galt. Den Hintergrund für diesen Wechsel bildet der Forschung zufolge, die Auf­ gabe des anfänglichen Plans, die Burg zu einer SS-Schule auszubauen. Statt­ dessen sollte die Burg nun zu einem zentralen ideologischen Zentrum der SS werden. Auf der SS-Gruppenführertagung in Bad Tölz am 18. Februar 1937 kündigte Himmler die Errichtung eines Gruppenführer-Saals auf der Wewels­ burg an, der mit den Wappen verstorbener SS-Führer geschmückt werden soll­ te. Und am 8. November erwähnt er ab 1939 jährlich stattfindende Gruppenfüh­ rer-Treffen auf der Wewelsburg.135 Seit 1937 kam es auch zu einer engeren Anbindung der SS-Schule Wewels­ burg an das Ahnenerbe. Die Leitung der wissenschaftlichen Arbeiten auf der Wewelsburg übernahm 1938 offiziell der Ahnenerbe-Präsident Walther Wüst als „Wissenschaftlicher Stabsleiter". Im März 1938 hatte Wüst gemeinsam mit Himmler die Burg besucht, und über zukünftige Planungen gesprochen.136 dings der Zeitzeuge Frank nicht bestätigen. 135 Beide Himmler-Zitate bei Schulte (2009), S. 9. 136 Vgl. Rüssel (2010), S. 123. 55

Damit sollte die Forschung der Wewelsburg künftig als Teil der expandie­ renden SS-Wissenschaftsorganisation Ahnenerbe fungieren. Im Rahmen der Zusammenarbeit kam es auch zu Forschungsaufträgen an die Wissenschaftler der Wewelsburg, so etwa an Wilhelm Jordan „bestimmte Ausgrabungen" an den Externsteinen durchzuführen.137 Nachdem der bislang für die Arbeiten zuständige RAD zum Ausbau des Westwalls abgezogen wurde, erfolgte 1939 die Einrichtung eines Arbeitsla­ gers „Niedernhagen" um die - nun zunehmenden - Arbeiten durch Häftlin­ ge ausführen zu lassen.138 Helzel vermutet dahinter, die Erkenntnis der SS-Ideologen, „was sich mit einer chronologisch nicht genau fixierbaren sächsischen Wallburg anfangen läßt"; nämlich, „ die Umwandlung in eine Heinrichsburg. "139 In diesem Zusammenhang sieht Helzel auch die parallel zur Heinrichsfeier 1936 erfolgte Gründung der „Gesellschaft zur Förderung und Pflege Deutscher Kulturdenkmäler e.V." in München, deren Hauptzweck Erhaltung und Ausbau der Wewelsburg war: „Aus der Wewelsburg soll in der Himmlerschen Vision der Mittelpunkt ei­ nes „Großgermanischen Imperiums" werden, für dessen Ausbau der Chef-Archi­ tekt Hermann Bartels bis 1964 die Summe von 250 Mio. RM veranschlagt. .. Dort möchte er nach dem Krieg als,Reichsverweser' residieren."140 Tatsächlich blieb es bei 13 Mio Reichsmark die bis Kriegsende investiert wurden. Dabei übersehen die Autoren, allen voran Helzel, zumeist den Grundgedan­ ken der „Schulung" in Himmlers Augen - die Beibehaltung des Namens „SSSchule Haus Wewelsburg" weist darauf hin, daß der Schulungsgedanke kei­ neswegs „fallen gelassen wurde",141 sondern lediglich anders zu verstehen ist. Es sollten eben keine klassischen Schulungen in Hörsälen und Seminaren, etwa für den SS-Nachwuchs, stattfinden, sondern es spricht alles dafür, daß damit die persönliche weltanschauliche Schulung, also die geistige Reifung des SS-Offiziers ins Auge gefaßt war, für welche die Burg eine geeignete Kulisse bot. Fol­ gerichtig stand am Abschluß dieser geistigen Schulung die „quasiliturgische" Aufnahme in den Kreis der SS-Gruppenführer, die einmal jährlich ausschließ­ lich auf der Wewelsburg stattfinden sollte.142 Auch die Absetzung Knobelsdorffs hat nichts mit den neuen Plänen zu tim. Erstens erfolgt sie lange nach den ers137 Vgl. dazu Rüssel (2010), S. 94; unklar bleibt allerdings welche „bestimmte Externstein-Grabung" gemeint war, da diese in der Vita Jordans nicht auftaucht. Siehe auch Frank (2007), S. 38 f. 138 Rüssel (2010), S. 9; vgl. auch Schulte (2009), S. 7. 139 Helzel (2008), S. 28. 140 So Helzel (2008), ebenda. 141 So exemplarisch Helzel (2008), S. 27. 142 Schulte (2009), S. 9; vgl. dazu auch Serrano (2010), S. 7, der der Wewelsburg eine wichtige Rolle bei der „Initialisierung" der SS-Krieger einräumte. 56

ten Schritten auf dem Weg zur Ordensburg und zweitens bestand ein enges Verhältnis zwischen Wiligut und dem Burghauptmann, der beein­ flußt durch den alten Oberst seine Briefe in „irministischer Treue" abschloß - als Zeichen für sein Interesse an der alten Religion, wie sie von Weis­ thor gepredigt wurde, der ja wichtiger Berater bezüglich Himmler und Gefolge bei einem Besuch der bedeu­ der Neugestaltung der Burg tendsten Grabung Jordans: Der Freilegung eines germanischen Hauses bei Böddeken, 1937. war.143 „Es ist mein Ziel", so er­ klärte Himmler 1937, „daß möglichst im Bereich jeder Standarte ein solcher kul­ tureller Mittelpunkt deutscher Größe und deutscher Vergangenheit gezeigt werden kann, daß er wieder in Ordnung gebracht und in einen Zustand versetzt wird, der eines Kulturvolkes würdig ist."144 Doch für die Wewelsburg hatte Himmler noch weitergehende Pläne nicht nur geistiges Zentrum und Treffpunkt des „Neuadels der SS", sondern zugleich „Zentrum des neuen Reiches" sollte die Wewelsburg werden - mit dem Nordturm als symbolischem „Mittelpunkt der Welt". Der Architekt, Hermann Bartels, erinnerte sich in einem nach dem Krieg verfaßten Brief folgendermaßen an die Planungen: „Aus einem anfänglich kleinen Planungs­ gedanken mit einem Kostenaufwand von etwa 300.000 RM wurde nach jähren ein umfangreiches kühnes Projekt mit Forschungsinstituten der Vor- und Früh­ geschichte, der Astronomie mit Sternwarte, Bibliotheken und sonstigen kulturellen und wissenschaftlichen Gebieten von vielen Millionen Mark."145 Unbestritten hätte der gigantische Komplex auch an an eine Lanze erin­ nert - mit der Burg selbst als Lanzenspitze. „Ein weltanschuliches Zentrum in baulicher Ausgestaltung der Longinus-Lanze" in deren Mitte sich symbo­ lisch die Kraft des neuen Adels ergießen sollte. Die zu den Reichsinsignien zählende sogenannte heilige Lanze, Mauriti­ us-Lanze oder der Longinus-Speer soll Himmler genau wie seinen Namen­ patron Heinrich I. fasziniert haben. Letzterer hatte für ihren Erwerb vom König von Burgund sogar einen Teil seines Reichsgebietes hergegeben.146 143 Vgl. Goodrick-Clarke (2004), S. 163. 144 Zit. nach Höhne (1981), S. 144. 145 Hermann Bartels an Dr. Flächsner am 15.4.1948, zit. nach Rüssel (2010), S. 34. 146 Helzel (2008), S. 31 f. 57

Gemäß dem bekannten Mittelalterhistoriker Helmut Beumann, habe dessen Vater Otto I. die Lanze in einer Schlacht gegen die Ungarn dem Heer vorantra­ gen lassen, weil sie am Gedenktag des Longinus, am 15. März 933, stattfand. Bei der entscheidenden Schlacht gegen die Ungarn auf dem Lechfeld von 955 soll Otto die Lanze dagegen selbst in den Kampf geführt haben. In der Lanze lebte also - so Helzel - „die Tradition des Kampfes gegen die „asi­ atischen Horden" am sinnfälligsten fort." Weiter folgert Helzel: „Ihr Symbolgehalt fand bis in die endgültigen Ausbauplanungen des Äußeren der Wewelsburganlage von 1944 Ausdruck. Der dreieckige Burgkern war jetzt der äußerste Punkt einer Speerspitze, die sich gleichschenklig über einige hundert Meter erstreckte und die bis in die als Schaft gedachte schnurgerade Zufahrtsstraße kilometerweit architektonisch 148 ausgestaltet werden sollte."147 Dabei ähnelt die geplante Lanzenspitze in den ersten Entwürfen 1941 sehr genau der Reichslanze, während spätere Entwürfe eine gleichschenk­ lige Spitze bilden. Helzel zufolge sollte die Lanze damit „vom christlichen Hintergrund gelöst und in „germanische Kontinuität" eingepaßt wurde. Der dem „Ahnenerbe" nahestehende Prof. Otto Höfler, „... sah als einer der Hauptreferenten des Erfurter Historikertages von 1937 im Rahmen einer von ihm entwickelten „ger­ manischen Kontinuitätstheorie" in der Reichslanze den Speer Wotans, der in diesem Sinne,heilig' und seit 919 in Heinrichs Hand gewesen sei."149 In das mythologische Konzept des neuen Reiches paßt auch die Toten­ stätte des SS-Neuadels - die Gruft im Keller des Nordturms. Hier lag „das zukünftige SS-Walhall, wo die Asche der verstorbenen und gefallenen SS-Führer in einem Schrein gemeinsam mit dem SS-Totenkopfring aufbewahrt werden sollte", wie Höhne bemerkte.149 Das aus farbigem Naturstein herausgearbeitete Gewölbe, das durch 1,80 Meter dicke Mauern von der Außenwelt getrennt war, enthielt in seiner Mitte eine brunnenartige Vertiefung, in die zwei Stufen hinabführten. Vermutun­ gen besagen, daß im Zentrum einst eine steinerne Schale stand, in der die von Karl Diebisch zu entwerfenden Wappen toter Obergruppenführer verbrannt werden sollten. Ferner hätten die Urnen dann auf den zwölf steinernen So­ ckeln, die sich entlang der Wand der Gruft aufreihen, ihre letzte Ruhe finden 147 Helzel (2008), S. 32. 148 Helzel (2008), S. 32; vgl. auch Wikipedia: Heilige Lanze; Hitler ließ nach dem Anschluß Österreichs die seit der napoleonischen Besatzung Preußens in der Wie­ ner Hofburg aufbewahrte Heilige Lanze nach Nürnberg überführen, in die Stadt der Reichsparteitage. 1945 wurde sie von den US-Amerikanern erneut nach Wien ge­ bracht, wo sie heute als Teil der Reichskleinodien ausgestellt wird. Trevor Ravenscroft zufolge, wollte Hitler die Macht der Lanze für seinen geplanten Eroberungskrieg nut­ zen, tatsächlich aber schenkte er ihr nach 1936 keinerlei nachgewiesene Beachtung. 149 vgl. Hüser (1982), S. 70 f. 58

Pläne zum Ausbau der Wewelsburg: Links oben Entwurf 1941, der deutlich eine an die „Heilige Lanze" erinnernde Speerspitze zeigt, darunter Entwurf 1943 mit „germanischer" Lanzenspitze. Oben: Modell des Entwurfs von 1943. 59

sollen. Die Entlüftung durch vier faustgroße Löcher in der Kellerdecke, die ein stilisiertes Hakenkreuz schmückte, war so konstruiert, daß sich während der Verbrennungszeremonie der Rauch wie eine Säule im Raum hielt.150 Indes ist auch diese Version der Phantasie Hohnes entsprungen. Dennoch geht die Mehrzahl der Forscher heute davon aus, daß in der Vertiefung in der Mitte des Raumes eine Schale mit einer „ewigen Flamme" installiert werden sollte. Dagegen spricht jedoch, daß die „Entlüftungslöcher" in der Decke im Nichts enden. Einen weiteren Widerspruch ruft die Akustik hervor, die ge­ nau über der Vertiefung erzeugt wird. Die flüsternde Stimme einer dort ste­ hende Person kann in allen Ecken der Gruft deutlich wahrgenommen wer­ den. Für die Person selbst vervielfacht sich die eigene Stimme und gerät in Schwingungen, die ein leichtes Vibrieren erzeugen. Wenn die Akustik kein Produkt des Zufalls ist - was eigentlich ausgeschlossen werden kann - dann müßte auch der Zweck der Vertiefung damit in Zusammenhang stehen. Doch was sollte dort installiert werden, wo sich heute nur noch eine Rotun­ de findet, die auf eine Entfernung eines vordem existierenden Gegenstandes hinweist ? Bevor wir in einem späteren Kapitel darauf zurückkommen, sol­ len die unumstrittenen Funktionen Erwähnung finden. Der Raum selbst, oft als das „Allerheiligste des Ordens", seine „Kultstät­ te", oder „das Reich der Toten" bezeichnet, erinnert architektonisch an grie­ chische Kuppelgräber. Unzweifelhaft weisen Form, Akustik und Lichtfüh­ rung allesamt auf einen solchen Ort der „Totenehrung".151 Tatsächlich dürfte die Gruft, in dem die Asche gefallener SS-Führer auf­ bewahrt werden sollte, als heiliger Kultraum gedeutet werden. Einem Brief Jordans zufolge, sollte auch Himmler hier seine letzte Ruhestätte finden.152 Hier im Nordturm, mit dem Hakenkreuz an der Decke der Gruft und dem im Raum darüber liegenden Sonnenrad („Schwarze Sonne")153 lag nach Plänen des Architekten Bartels der Endpunkt der zentralen Achse des neuen Wewelsburg-Komplexes. Doch zur Ausführung der bis 1943 konzipierten Pläne kam es kriegsbedingt nicht mehr: Im April 1943 wurden die Bauar­ beiten eingestellt, obgleich die Planungen noch weiter fortschritten.154 Am 30. März sprengte ein von Himmler beauftragtes Kommando unter Heinz Macher die Burg, die jedoch nur leicht beschädigt wurde. Nach Abzug der SS nahmen Dorfbewohner zahlreiche vorhandene Artfakte aus der Wewels­ burg an sich - was noch übrig war, wurde von den einrückenden US-Truppen als Souvenir mitgenommen. 150 So Höhne (1981), S. 141. 151 Kreismuseum Wewelsburg, S. 8. 150 So Frank (2007), S. 38. 153 Zur Schwarzen Sonne siehe folgendes Kapitel 12. 154 Vgl. Rüssel (2010), S. 9; vgl. auch Hüser (1982), S. 276ff. 60

Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Wewelsburg fällt der Blick er­ neut auf Wiligut, der den Reichsführer regelmäßig bei Besuchen der Burg begleitete. Dieser hatte nämlich nicht nur den SS-Totenkopfring im Auftrag Himmlers entworfen und mit Runen geschmückt, deren Bedeutung er sorgfältig erörterte,155 sondern ebenso könnte Himmlers Berater auch verantwortlich für das Sonnenrad im Gruppenführersaal, die heute sogenannte „Schwarze Sonne" zeichnen. Umstritten ist bislang allerdings der Grund, der zur Auswahl der Wewels­ burg als Schulungszentrum führte. Am 3. November 1933 sah Himmler die Wewelsburg zum ersten Mal - in seinem Gefolge: Architekt Hermann Bartels und das Ehepaar Oeynhausen.156 Am Anfang desselben Jahres befand er sich mit Hitler auf Wahlkampftour im Lipper Land, unweit der Wewelsburg. Als Herberge diente damals die Grevenburg, die sich im Besitz der Familie Adolf und Jutta von Oeynhausen befand. Hier, im Burgidyll, fand die Gesellschaft­ seilschaft Ruhe von den Strapazen des Wahlkampfes, die auch Himmler für sich und seine Gruppenführer gewünscht haben mochte.157 Sowohl die Athmosphäre der dortigen Burg, als auch der Mythos des umliegenden ostwestfälischen Landstrichs mit seinen „wichtigen Kristillisationspunkten"158 dürfte Himmler bewogen haben, hier seine geplan­ te SS-Führerschule zu suchen. Ähnlich formuliert es auch der Völkische Beob­ achter vom 26.9.1934: „Mit dem heutigen Tage ist die alte trutzige Teste Wewels­ burg, an historischer Stätte im alten Sachsenlande gelegen, von der SS der NSDAP in ihre Obhut genommen worden.... Hier an dieser Stätte im alten Reich der Sachsen hat Widukind dem Frankenkaiser getrotzt - vielleicht sind hier vor fast 2000 Jahren auch die germanischen Freiheitshelden gegen Roms Machtgelüste zu Felde gezogen ... Nur wenige Kilometer weit liegen die sagenumwobenden Extemsteine mit der Irminsul und von Ferne mahnt die Gestalt Hermanns des Befreiers von der Grotenburg." Auch der Leiter des RSHA Darre dürfte den Standort in Westfalen aus­ weislich seiner Schrift „Neuadel aus Blut und Boden" (1930) begrüßt haben: „Hier und da in Westfalen" habe, so Darre in dieser Schrift, ein „Stamm kleinerer und mittlerer freier Gutsbesitzer und Bauern" überlebt, der typisch für das Ger­ manentum sei, das anderenorts mit dem 10. Jahrhundert mehr oder weniger flächendeckend untergegangen ist.159 155 Dagegen verneint Mund (2011), S. 102, allerdings Weisthors Urheberschaft, da die Runen den spezifischen Charakter Guido von Lists tragen würden und somit weit entfernt von Wiliguts Runenaussagen seien. 156 Schulte (2009), S. 6. 157 So zumindest Moors (2009), S. 162 f. 158 So Schulte (2009), ebenda. 159 Darre (1930), S. 32; vgl dazu Helzel (2008), S. 26. 61

Himmler an der Wewelsburg - im Bild Rechts: Wiligut-Weisthor, Schöpfer des SS-Totenkopfringes ? (links) Bevor die Wahl auf die Wewelsburg fiel, war im Juli 1933 ein anderes Ob­ jekt im Fokus Himmlers: Die Schwalenburg im lippischen Städtchen Schwa­ lenberg.160 Ehe es jedoch zur Vertragsunterschrift kam, wurde die Mietverein­ barung von Seiten der SS aufgrund vorgeblicher unhaltbarer Bedingungen der Hausherrin Gräfin Marie zur Lippe-Biesterfeld rückgängig gemacht.161 Offiziell sei Himmlers Interesse vom Ehepaar Oeynhausen und Architekt Bartels von der Schwalenburg weg und von „von einflußreichen Vertretern der ländlichen Führungsschicht des Kreises Büren" auf die Wewelsburg hin ge­ lenkt worden.162 Ausgrabungsbefunden von 1924 war zu entnehmen, daß die Wewelsburg offenbar anfänglich als sächsische Wallburg angelegt war und „in die Zeit der Abwehr kämpfe König Heinrichs I. um 930 gegen die Ungarn oder ,Hunnen'" fiel.163 Somit soll also die Verehrung Heinrichs das zentrale Motiv Himmlers gewesen sein, die Wewelsburg zu erwählen. Ähnlich spekuliert auch Bernhard Frank: „Wer dieses Land sieht, der sieht hinein in ein Kernland deutscher Geschichte. So ähnlich mag es auch Himmler er­ gangen sein, als er dieses germanische Kernland... bereiste, wo er nach langer Suche 160 So berichtete die Süddeutsche Sonntagspost am 23. Juli 1933 von einer Pach­ tung der Schwalenburg auf 99 Jahre um dort eine „Rasseschule der SS „ einzurich­ ten; siehe Moors (2009), S. 167. 161 Vgl. Moors (2009), S. 167, der den Grund der Weigerung des Aufziehens der Hakenkreuzfahne als vorgeschoben bezeichnet. 162 Vgl. Moors (2009), S. 168, der die Ernennung Adolf von Oeynhausens, der zuvor die Schwalenburg empfohlen hatte, zum Regierungspräsidenten von Minden zum 1. April 1933 als Grund annimmt (Minden lag im gleichen Regierungsbezirk wie Wewelsburg). 163 Helzel (2008), S.27f.

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sein Monsalvatsch, die Gralsburg seiner Träume gefunden hatte. Ob sich Himmler bei seiner Suche nach der Gralsburg dessen bewußt war...? Das glaube ich bei sei­ nem hohen Interesse für geschichtliche Vorgänge annehmen zu müssen. ... Lange hatte er in der Diözese Paderborn gesucht, die Burgen und Schlösser des Landes besichtigt, um sich schließlich für die Wewelsburg zu entscheiden."164 Das Paderborner Land als „Kernland deutscher Geschichte" als alleini­ ger Grund hier die SS-Burg anzusiedeln? Dies dürfte angesichts zahlreicher anderer, ebenfalls geschichtsträchtiger Orte in Deutschland etwas mager ausfallen. Denn für die Wahl dieses Gebietes und speziell der Wewelsburg spricht auch eine andere Begebenheit: „Ich habe es gefunden Herr Reichsführer - hier ist die Prophezeiung der großen Entscheidungsschlacht“, mit diesen eingangs zitierten Worten richtete ein äl­ terer Herr in SS-Brigadeuniform die Aufmerksamkeit des Reichsführers auf sich. Die Rede ist vom ehemaligen Ku.K-Obersten Karl Maria Wiligut, der unter dem Pseudonym Weisthor einen nicht unerheblichen Einfluß auf sei­ nen Dienstherren ausübte.165 Eine alte westfälische Sage von der „Schlacht am Birkenbaum" besagt, daß den nächsten Sturm aus dem Osten nur eine Burg in Westfalen überste­ hen werde. In dieser lokalen Ausprägung der seit dem Mittelalter bekannten Kaisersage ist von einer endgültigen Schlacht zwischen Ost und West oder zwischen „Hunnensturm" und westlichem „Weltmissionierungsauftrag" die Rede. Der „direkte Zugang zum Osten" sollte symbolisch gewährleistet werden, indem man mit einer acht Kilometer langen Allee Anschluß an den „Hellweg" suchte, die alte, aus vorrömischer Zeit stammende west-östliche Verbindungsstraße, wie Helzel spekuliert.166 Gemäß Goodrick-Clarke, prophezeite Wiligut gegenüber Himmler die erneute Bedeutung dieser Sage für die Zukunft. Die Wewelsburg sei „ein magischer Kraftpunkt der Deutschen im zukünftigen Konflikt zwischen Europa und Asien". Sie sei „das Bollwerk, an dem der neue Hunnensturm zerbrechen" würde.167 Gedanken, die Himmler, der ebenfalls von einer Ent­ scheidungsschlacht zwischen West und Ost in den nächsten 100-200 Jahren ausging, tief beeindruckt haben dürften.168 164 Frank (2007), S. 17. 165 Laut Mund (2011), S. 12, berichtete Karl Wolff, „je länger ich Heinrich Himmler kannte, umso sicherer war ich, daß er alles, was ihm aus diesen alten Überlieferungen bekannt wurde, wirklich glaubte.“ Vgl. auch Goodrick-Clarke (2004), der die Ent­ wicklung der Wewelsburg zur Ordensburg als „spektakulärsten Beitrag Weisthors zum Dritten Reich“ bezeichnet, S. 162. 166 Helzel (2008), S. 30. 167 Goodrick-Clarke (2004), S. 162 f. 168 Vgl. ebenda.

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Auch Wagner berichtet von dieser Begebenheit, die er allerdings als Le­ gende abtut. Wagner zufolge sei der Landrat des Kreises Büren, zu dessen Aufgaben auch die Instandhaltung der Burg gehörte, froh gewesen, „dem bur­ gennärrischen SS-Chef das Gemäuer abtreten zu dürfen. Der Romantiker Himmler hatte seine Marienburg gefunden, denn wie er in der SS einen zweiten Deutschen Rit­ terorden sah, so plante er auch die Wewelsburg als geistiges Zentrum, als Stätte der Inspiration des neuen Ordens, analog der Marienburg in Westpreußen, in der einst die Hochmeister der Deutschritter die Herrschaft über die Slawen konzipiert und ihre berühmtesten Toten unter dem Chor der Schloßkirche begraben hatten."169 Allerdings ist die Quelle der vermeintlichen Legende Karl Wolff, Leiter des Persönlichen Stabes RF-SS, der sicherlich kein Motiv hatte, der Nachwelt einen „Bären aufzubinden". Auch Schulte tendiert zu einer Glaubwürdig­ keit des Berichtes, allerdings nimmt er einen späteren Bezug der Sage auf die bereits erworbene Burg an: „Wiligut, der sich selbst Weisthor nannte, soll die Sage aktualisiert und auf die Wewelsburg bezogen haben".170 Allerdings spricht der Zeitpunkt der ersten Bekanntschaft zwischen Himm­ ler und Wiligut Mitte 1933 auf einer Tagung der Nordischen Gesellschaft171 für die Beeinflussung Himmlers vor dem Erwerb der Burg. Bereits im Novem­ ber 1933 - also zur gleichen Zeit als Himmler die Burg nach Schulte erstmals sah - trat Wiligut in die SS ein172 - und das wohl nicht ohne Grund! Deshalb kam es wahrscheinlich auch zu dem kurzfristigen Entschluß, die Zusage der Anmietung der Schwalenburg rückgängig zu machen - ebenfalls genau zum Zeitpunkt (etwa im Juli 1933) des ersten Treffens Himmler-Wiligut.173 Doch wer war dieser Wiligut eigentlich, von dem heute vielfach als „Scharlatan" die Rede ist?

2.2.

„Erberinnerung" & Runenmagie

Die Suche nach dem Hintergrund Wiliguts führt zu einer der okkulten Gruppen die nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland tätig waren: der Ed­ da-Gesellschaft. Diese zählte jenen Mann zu ihren Mitgliedern, der Wiligut mit Himmler auf der Tagung der nordischen Gesellschaft bekannt machte: Richard Anders (1894-1965). 169 Wagner (1993). 170 Schulte (2009), S. 8; Hiiser (1982), S. 2, bestreitet aber ebenso wie Höhne (1967), S. 141 f, daß die Sage oder Wiligut einen Einfluß auf den Erwerb der Burg gehabt hätten. 171 Lange (2010), S. 46. 172 Lange (2010), S. 42. 173 Die Beeinflußung Himmlers durch Wiligut zur Auswahl der Wewelsburg zieht auch Goodrick-Clarke (2004) in Betracht, hält sie aber anders als die Pläne zum Ausbau der Burg zum weltanschaulichen Zentrum für nicht beweisbar, S. 163. 64

Plan zum Ausbau des Nordturms und der Gruft - Blick in ein „Studierzimmer" Obgleich dieser bei Goodrick-Clarke als SS-Mitglied erscheint, ist seine Mitgliedschaft in der SS nicht belegt.174 Der aus Ludwigshafen stammende Architekt Anders war unter dem Ordensnamen Fra Ra Mitglied des ONT des Lanz von Liebenfels und befaßte sich vor allem mit „Großsteinskulptu­ ren", Menschen- und Tierköpfe bzw. Körpern, die seit der jüngeren Altstein­ zeit von Menschen aus Felsen herausgearbeitet worden sein sollen.175 Diese, „unsere germanischen Kultstätten aber, die Spiegler der exakten Himmelsortung, begründet im urgewachsenen Fels", so Anders, „wurden zum fundamentalen Aus­ gangspunkt aller Kultur".176 Richard Anders war ähnlich wie sein Freund Wiligut, von seiner Bega­ bung überzeugt, altes Urwissen aus einer Art „Erberinnerung" schöpfen zu können. Beider Freundschaft hielt Anders allerdings nicht davon ab, Wiligut in einigen Punkten zu kritisieren. In Bezug auf eine Erklärung des Wortes Gral in Runen kritisierte er: „Ich allein habe mir mein Wissen selbst erworben und dasselbe nur mit dem Urwissen Wiliguts verglichen. Dabei mußte ich feststel­ len, daß auch ihm bereits vieles verloren gegangen war, während - dank göttlicher Gnaden - ich das Glück habe, immer tiefer in dasselbe eindringen zu dürfen."177 Unbestritten stand Anders in direktem Kontakt mit Himmler. In einer Grabrede eines ONT-Bruders heißt es gar, „wer hätte es hinter diesem sich so 174 Goodrick-Clarke (2004), S. 158; Katholing (2001) verweist dagegen auf Rüdiger Sünner, der von einer Anfrage an das Bundesarchiv Berlin berichtet, die eine Mit­ gliedschaft von Anders in der SS für unwahrscheinlich halten; S. 120. 175 Zur Geschichte der Großskulpturen-Forschung siehe Katholing (2001) 176 Anders: „Der Schlüssel...", zit. nach Katholing (2001), S. 134. 177 Katholing (2001), S. 121

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bescheiden gebenden Menschen vermutet, daß er vor drei Jahrzehnten als Spiritus Rektor, als geistiger Berater der damaligen Reichsregierung fungierte? In esoteri­ schen Glaubenstiefen wurzelnd, setzte er all seinen Einfluß daran, dem deutschen Reich und seinen Menschen den äußeren Frieden zu erhalten. Er traf sich mit dem damaligen Reichsführer SS Himmler auf Burg Trifels in der Pfalz, offenbarte dem­ selben das Urweistum unserer Ahnen und beschwor ihn, niemals den Weg der Ge­ walt zu beschreiten."178 Auch wenn hier seine Rolle überwertet worden sein mag, so ist sein Ein­ fluß auf den SS-Führer unbestritten: Nach Rudolf Mund könnte Anders Himmler auch bei der Verfassung des Heiratsbefehls vom 31. Dezember 1931 beraten haben, da deren erster Punkt genau dem ersten Punkt der ONT-Ordensregeln entspricht.179 Auch bei der Entscheidung Himmlers, den Menhir Gollenstein im saar­ ländischen Blieskastel offiziell für die SS zu erwerben, dürfte Anders mit­ gewirkt haben. Dennoch vertraute der Reichsführer dem Felsbildforscher nicht blind. In einem Brief an Ahnenerbe-Kurator Walther Wüst, bittet Himmler diesen um Einholung von fachkundigen Stellungnahmen zu An­ ders Forschungen. Anders sei nämlich „in vieler Hinsicht nicht ernst zu neh­ men, liefert aber wie viele dieser Menschen, dieses und jenes Brauchbare." Diese kritischen Worte könnten indes ein Zugeständnis an den wissenschaftlich pedantischen Wüst gewesen sein, dem gegenüber sich Himmler vielleicht keine Blöße geben wollte. Denn weiter bekräftigt Himmler die von Anders vertretene These der Fertigung von Großsteinskulpturen in „atlantischer Zeit". „Was die Bilder angeht, so bin ich der Ansicht, daß in ganz frühen Zeiten ich denke hierbei an atlantische Zeiten - die letzten großen Steinbilder in die Berge hineingeform t wurden. “180 Trotz aller Skepsis innerhalb des Ahnenerbes an derlei „erberinnerten" Forschungen, bemühte man sich - vielleicht auch aus Rücksicht auf Himm­ lers bekannte Vorlieben - um eine sachliche Würdigung: So fiel die Beur­ teilung durch Dr. Werner Müller181 positiv aus und lobt, „was man auch aus wissenschaftlich nicht stichhaltigen Anregungen herausholen kann.“ Selbst Wal­ ther Wüst wollte die Möglichkeit der künstlichen Erschaffung von Groß­ skulpturen unter Verweis auf den hellenistischen Plan, den Berg Athos zu einem Alexander-Kopfbildnis umzugestalten und dem tatsächlich umge­ 178 Zitiert nach Katholing (2001), S. 121; auf der Reichsburg Trifels wurden im Mittelalter vorübergehend die Reichskleinodien aufbewahrt, zudem galt der Burg­ berg Trifels als Schlafstätte des deutschen Kaisers Friedrich II. bzw. Barbarossa. 179 Mund (2011), S. 86 f; ebenso Katholing (2001), S. 120. 180 Brief Himmler an Wüst vom 22.03.1939, zit. nach Katholing (2001), S. 135 f. 181 Ahnenerbe-Abteilungsleiter für Ortung & Landschaftsbilder - späterer Verfas­ ser mehrerer Veröffentlichungen über die Religion der Indianer.

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setzten neuzeitlichen Präsidenten-Bergportrait in den USA, nicht gänzlich ausschließen.182 Die Edda-Gesellschaft, der Anders neben dem ONT angehörte, wurde am 29. November 1925 in Dinkelsbühl von Rudolf John Gorsleben gegründet. Ihre Mitgliederzahl stieg innerhalb weniger Jahre auf mehrere hundert Mit­ glieder. Der Vorsitzende Gorsleben war ein klassischer Protagonist inner­ halb der völkisch-okkulten Bewegungen und wies einige Gemeinsamkeiten mit dem Thule-Gründer Rudolf von Sebottendorf auf. Im ersten Weltkrieg kämpfte er an türkischer Seite gegen die von den Briten aufgewiegelte ara­ bische Stämme - bemerkenswerter Weise befand er sich damit zur gleichen Zeit wie Sebottendorf in der Türkei.183 Nach dem Krieg zählte Gorsleben zu den bekannteren Vertretern der völkischen Bewegung und war unter dem Namen Fra Rig ebenso Mitglied des Ordo Novi Templi wie der Guido-vonList-Gesellschaft.184 Daneben trat er auch schon früh als Redner bei Veran­ staltungen der NSDAP auf.185 Seit 1933 bestanden auch Querverbindungen der Edda-Gesellschaft zur Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung die am 29. und 30. Juli 1933 in Eisenach gegründet wurde. Auf Einladung von Jakob Wilhelm Hau­ er kamen hier die wichtigsten freireligiösen, freiprotestantischen, religiös­ völkischen und deutschgläubigen Gruppen zusammen. Der der Einladung begleitende gemeinsame Aufruf „an die Männer einer germanisch-deut­ schen Glaubensbewegung" wurde unter anderem von Hauer, Ernst Berg­ mann und Arthur Drews sowie bekannten Vertretern des völkischen Lagers wie Ludwig Fahrenkrog, Bernhard Kummer, Gustav Neckel, Herman Wirth und Theodor Fritsch unterschrieben.186 Der Zusammenschluß umfaßte die Germanische Glaubensgemeinschaft (GGG - Ludwig Fahrenkrog), die Volkschaft der Nordungen, die Nordische Glaubensgemeinschaft, den Rig-Kreis, die Adler und Falken die Deutsch­ gläubige Gemeinschaft, die Nordisch-religiöse Arbeitsgemeinschaft sowie Mitglieder des Freundeskreises der Kommenden Gemeinde und der Bund freireligiöser Gemeinden welcher aus dem Volksbund für Geistesfreiheit ausscherte, der im Juli 1933 verboten wurde. An der Spitze dieser Arbeitsge­ meinschaft standen Hauer und ein Führerrat, dem der Philosoph Ernst Berg­ mann (1881-1945), der Rassenideologe Hans F. K. Günther, der Schriftsteller Ernst zu Reventlow, Arthur Drews, Hermann Mandel, der Historiker Herman Wirth sowie Ludwig Fahrenkrog und Lothar Stengel-von Rutkowski (Adler 182 Vgl. Katholing (2001), S. 136. 183 Vgl. Levenda (2007), S. 185. 184 Orzechowski (1987), S. 23. 185 So Willing (2001), S. 149. 186 Bartsch (1938), S. 44 f 67

Links: Der Runenstein von Busdorf, ca. 1000 u.Zt. Rechts: Lanzenspitze von Kowel, mit eingraviertem Hakenkreuz und Falken), zeitweise Johann von Leers und Mat­ thes Ziegler (Amt Rosenberg) angehörten.187 Das seit 1922 erscheinende Edda-Organ ,,Hagal" befaßte sich mit dem Gesamtkompendium „arischer Überlieferungen", worunter laut Un­ tertitel kosmische Technik, Sternen-, Schicksals, Runenkunde, Ursprache, Urschrift, Ursinn in Edda, Veden, Bibel und anderen Überlieferungen" verstanden wurde. Ab 1929 zählten nun „Alte Überlieferungen, Sagen und Märchen, Runenwissen, Geheimnis der Sprache, redende Bauwerke, heilige Berge, Haine und Quellen, Wappen, Namen, Zahlen und redende Zeichen, Brauchtum aus alter und neuer Zeit, Nähr, Wehr- und Lehrstand, Gau- und Stammeskunde, von Recht und Glauben, Ursprache, Urschrift, Ursinn" dazu188 - eine Auflistung, die stark an spätere Beschäftigungsfelder der Or­ ganisation Ahnenerbe erinnert. Das kurz vor seinem Tod erschienende Lebenswerk Gorslebens, „Die HochZeit der Menschheit", war in völkischen Kreisen weit verbreitet und bietet nicht nur einen guten Überblick über die umfassende Forschung der Edda-Gesellschaft, sondern liest sich über weite Strecken wie ein Inhalts­ verzeichnis der zukünftigen Forschungsschwerpunkte innerhalb der SS und ihrer Forschungsorganisationen. Besonders hervorstechend war in die­ sem Werk die erstmals als „Erberinnerung" bezeichnete Überlieferung al­ ten Weistums „innerhalb bestimmter Familien vom Vater zum Sohn", über deren Gabe auch Gorsleben selbst verfügt haben will.189 Parallel zu dieser mündlichen Überlieferungstradition, besteht nach Gorsleben die Möglich­ keit, altes Wissen, das die katholische Kirche versuchte auszumerzen, aus der „alten arischen Bilderschrift", den Runen und aus Märchen und Sagen, u.a. der Edda (von Gorsleben als „ehe da", also seit ältester Zeit existent ge­ deutet) zu erschließen. Diese bezeichnet Gorsleben als „Kahla", als versteck­ 187 Barth (2004), S. 382; im Mai 1935 beschloß man die Umwandlung in die „Deutsche Glaubensbewegung" (DG). 188 Aufzählungen nach Glowka (1981), S. 26 f 189 Gorsleben (1930), S. 2.

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te Überlieferungen.190 In Anlehnung an Guido von List, wären in germa­ nischer Zeit die Armanen für die Weitergabe der Überlieferung zuständig gewesen, nun aber, seien nur noch wenige Menschen Weistumsträger, näm­ lich die „Goten", jene Menschen, die nicht „arisch entseelt, allzuvermenschlicht und mit Affenblut zersetzt sind". Und diese bereiteten sich - so Gorsleben - vor, „wiederum zum deutschen Volk zu sprechen, um ihm die Geistesschätze seiner Vor­ fahren zu übermitteln".191 Die direkte Beeinflußung Himmlers durch Gorslebens Thesen wird sehr schön anhand eines in seiner Diktion von Gorsleben beeinflußten Schrei­ bens des Reichsführers an Prof. Wetzel vom 23.3.1939 deutlich, in dem die­ ser in Bezug auf Ausgrabungen im Lonetal von dortigen Sagen berichtet: „Die Kahllende und Gerichtslinde muß auch in späteren Zeiten noch ein verbotener Sammelplatz für heidnisches und frühes Wissen gewesen sein, denn es könnte hier­ auf der Begriff des „Verkahlens" - Verheimlichens -, das in der Gilde im Mittelalter gepflegt wurde, um trotz des Sieges des Christentums altes Wissen in verkühlter Form zu überliefern, zurückzuführen sein."192 Einer dieser angesprochenen Propheten war der bereits erwähnte Karl Ma­ ria Wiligut. Dieser verkehrte bereits nach dem ersten Weltkrieg in esoterischen Zirkeln Wiens,193 seine Bekanntschaft mit Gorsleben und Mitgliedern der EddaGesellschaft könnte diese hinsichtlich der Erberinnerungsgabe inspiriert haben. Bereits zu seiner Wiener Zeit soll Wiligut nämlich als „Geheimer König" („ Weiskunig") verehrt worden sein - freilich nur von den eingeweihten Esoterikern. Daher versuchte nach Mund 1920 Lanz von Liebenfels über den Ordensbruder Theodor Czepl Kontakt zum alten Oberst aufzunehmen. Dieser habe Wiligut dreimal in dessen Heimatort Morzg besucht und über allerlei Vergangenes aus­ gefragt, was dann Eingang in das ONT-Archiv gefunden habe.194 Nach dem Tod Gorslebens 1930 und beginnender finanzieller Schwierig­ keiten Anfang der 30er Jahre versuchte der neue Vorsitzende von Bülow aus den guten Verbindungen zur SS Kapital zu schlagen: Er bat Weisthor/ Wiligut um Hilfe, den Absatz der Zeitschrift Hagal und die Mitgliederlisten zu vergrößern, indem dieser beim Reichsführer-SS und Walter Darre Wer­ bung für Hagal machte. In der Folge traten mehrere SS-Abschnitte in die Edda Gesellschaft ein. Um 1937/38, als es der Zeitschrift abermals schlecht 190 ebenda, S. lf. 191 Gorsleben (1930), S. 2 ff.; dabei kämen nach Gorsleben nur solche in Frage, die Deutsch verstehen könnten, denn in dieser „ältesten Tochter der arischen Urspra­ che" liege der Schlüssel zum Verständnis des alten Weistums. 192 Himmler, zit. nach Heiber (1970), S. 77. 193 Über eine angeheiratete Cousine Wiliguts, Frau Baronin Thaler, bestanden gute Verbindungen in die esoterische Szene Wiens; vgl. Mund: (2002), S. 8. 194 So Mund (2002), S. 8. 69

ging, gab es Verhandlungen die Hagal durch das SS-Ahnenerbe übernehmen zu lassen, was jedoch aus finanziellen Gründen scheiterte. Das Ahnenerbe entschied sich stattdessen für die Zeitschrift „Germanien". Weisthor empfahl von Bülow dem Chef des RuSHA als Leiter des dortigen Abteilung VII. Später reichte Bülow seine Abhandlung über die „Irminsul" beim Ahnenerbe-Forschungswerk „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kultur­ geschichte" ein - allerdings erfolglos. Das vom Ahnenerbe initiierte Forschungswerk sollte die Rolle des Baumes (u.a. als Weltenbaum Yggdra­ sil, als Weltachse, als Irminsul, Questenbaum, Rudolf John Gorsleben usw.) bei indogermanischen Völkern religions­ wissenschaftlich untersuchen. Sogar noch in Kriegszeiten, 1942, versuchte v. Bülow das SS-Ahnenerbe für ein Manuskript zur Kalenderscheibe von Fossum zu interessieren, worin er einen Beweis für das Alter und die indogerma­ nische Verbreitung einer prä-runischen Sinnbildschrift sah. Eine weitere nachhaltige Beeinflußung der späteren SS-Forschung war Gorslebens Betonung der Namenpatronin seiner Zeitschrift, der Hagal-Rune. Diese spielet sowohl in Herman Wirths Lehre als auch in Wiliguts Ru­ nendeutung eine wichtige Rolle.195

2.3.

Wiligut/Weisthor - Himmlers „Rasputin"

Der am 10.12.1866 in Wien als Sohn eines ehemaligen Offiziers der KuKArmee geborene Karl-Maria Wiligut zählte zu den umstrittensten Persön­ lichkeiten im 3. Reich. Als Leiter der Abteilung Archive (Amt VII) im RuSHA (München)und ab 1935 der Abteilung Vor- und Frühgeschichte im Persönli­ chen Stab des RF-SS (Berlin) spaltete er die Meinungen seiner Zeitgenossen über seine Person in totale Ablehnung und offene Bewunderung. Der im ersten Weltkrieg als Frontoffizier ausgezeichnete Oberst der KuKArmee betätigte sich schon früh schritstellerisch unter den Pseudonymen „Jarl Widar" und „Lobesam".196 Das Interesse Wiliguts lag dabei auf der Mythologie und Geschichte. 1903 erschien seine Abhandlung über die alte Rabenstein-Sage unter dem Namen „Seyfrieds Runen".197 Wie bereits be­ 195 Wirth (1928); Lange (2010); S. 240 zitiert Wiliguts Deutung der Hag-All: „ Umhege das All in dir und du wirst das All beherrschen". 196 Zur Weltkriegszeit und frühen Biographie siehe Mund (2011), S. 18 ff. 197 Neu aufgelegt von Winfried Katholing, 2004. 70

schrieben, verkehrte Wiligut bereits 1919 in den esoterischen Zirkeln Wiens und machte 1920 Bekanntschaft mit dem ONT des Lanz von Liebenfels.198 Aufgrund einer Bürgschaft für einen ehemaligen Regimentskameraden beim Erwerb eines Sägewerkes geriet Wiligut Anfang der 20er Jahre jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, was in Zusammenhang mit einer schwierigen Situation in seiner Ehe dazu führte, daß er im November 1924 entmündigt, verhaftet und in die Salzburger Heilanstalt für Gemütskranke eingeliefert wurde.199 Nach seiner Entlassung 1926 wurde Wiligut unter die Vormund­ schaft seiner Frau gesetzt, reiste jedoch auf Einladung des ONT-Mitglieds Friedrich Schiller und dessen Gattin Emma Schiller-Delbrück nach Deutsch­ land, wo er bei Mitgliedern des ONT Unterkunft fand. Hier machte er Be­ kanntschaft mit Frieda Dorenberg, einer sehr früheren NSDAP-Anhängerin, dem Vorsitzenden der Edda-Gesellschaft Gorsleben und dessen Gefährten Richard Anders, Friedrich Schiller sowie Werner von Bülow (Nachfolger Gorslebens als Leiter der Edda-Gesellschaft). Ferner stand er noch in Kon­ takt mit den Österreichischen Freunden Ing. Friedrich Teltscher und Emil Rüdiger, der später als Wiligut-Schüler dessen Werk fortsetzen sollte.200 Hintergrund der Einladung aus dem Kreis des ONT war das Ziel, Wiliguts „Erberinnern für das junge Werden in Deutschland nutzbar zu machen", wie es Friedrich Schiller ausdrückte. So bereicherte Wiligut die Forschergemein­ schaft „Freie Söhne der Nord- und Ostsee" (FSNO) und gründete mit seinen Anhängern eine sogenannte „Pflanzstätte Jarl Widar", die zeitweise bei dem Mitglied der Edda-Gesellschaft, Frau Käthe Schäfer-Gerdau, im thüringi­ schen Mühlhausen angesiedelt war.201 Kontaktaufnahmen zu Forschern, deren Forschungsgebiete weniger ok­ kulter denn frühgeschichtlicher Natur waren, Herman Wirth und Wilhelm Teudt, blieben 1930 dagegen - noch - unbeantwortet.202 Im Sommer 1933 gehörte Wiligut auch zu dem Kreis von sieben Vertre­ tern der Edda-Gesellschaft, die der Einladung Jakob Wilhelm Hauers gefolgt waren, der zur Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbe­ wegung" aufgerufen hatte, in der sich die dem Christentum kritisch gegen-

198 Mund (2011), S. 25 f, nennt den Kreis um die Baronin Thaler, in dem nicht nur ONT-Mitglieder, sondern vielleicht auch Hitler selbst verkehrt hätten. 199 Vgl. dazu Mund (2011), S. 35 ff. 200 Vgl. Mund (2002), S. 10; ebenso Mund (2011), S. 54 ff. 201 So Mund (2011), S.55f. 202 Vgl. Lange (2010), S. 20; allerdings zitiert Mund (2011), S. 54, einen Brief Wiliguts vom Februar 1929, in dem dieser von einer gemeinsamen Reise Emil Rüdigers mit Wilhelm Teudt schreibt, die auf seine Veranlassung das „Studium des großen Goslaer Geheimnisses" zum Ziel gehabt hätte.

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Karl-Maria Wiligut - links in Zivil ca. 1933 - rechts mit Himmler am Kriemhildenstuhl (mit dem Rücken zur Kamera), ca. 1935 überstehenden Glaubensgemeinschaften zusammenschließen sollten.203 Irgendwann 1933, spätestens aber im Sommer, lernte Wiligut über die EddaKreise Heinrich Himmler kennen, der ihm, offensichtlich beeindruckt von des­ sen „hellseherischer Erberinnerung", einen Rang innerhalb der SS anbot.204 Im November 1933 trat Willigut unter dem Pseudonym „Weisthor" in die SS ein, wo er Mitte 1934 als SS-Standartenführer (Oberst) eine Unterabteilung im Ru­ SHA leitete, die später in den Persönlichen Stab RF-SS übernommen wurde. Wenige Wochen nachdem Weisthor Himmler bei der Findung der Wewels­ burg beeinflußt haben dürfte, bereisten der Reichsführer und sein Berater auch die nahe der Burg gelegenen Externsteine. Wo immer der Fachwissenschaft Antworten auf seine Fragen fehlten, zog Himmler seinen Begleiter zu Rate. So erinnert sich Freerk Haye Hamkens, damaliger Mitarbeiter Wilhelm Teudts und Grabungsteilnehmer der Extemsteingrabung von 1934, wie Prof. Julius Andree auf die Frage Himmlers nach dem Alter eines Trockenmauerwerkes vor den Externsteinen die Antwort schuldig blieb. Nicht so Weisthor, der dem Bauwerk aus dem Stegreif ein Alter von 4000 Jahren bescheinigte.205 Der Lebenslauf Wiliguts, der nach SS-Vorschrift für jedes Mitglied zu den persönlichen Akten genommen wurde, dürfte der ungewöhnlichste der ge­ samten Schutzstaffel gewesen sein. Er ist durchzogen von Legenden und Mythen, mit denen Wiligut die wenigen Fakten seiner Biographie anreicherte. Am 10. Dezember 1866 als Sohn eines königlich ungarisch-deutschen Hof-Accesisten geboren, begann Willigut demnach als Sohn eines Landwehrhauptmannes schon früh eine 203 So Lange (2010), S. 24. 204 Goodrick-Clarke (2004), S. 160; Mund (2002) spricht etwas abweichend nicht nur von Anders, sondern „insbesondere über Frl. Dorenberg und Friedrich Schiller und dessen Gattin" wäre Wiligut mit Himmler bekannt gemacht worden; S. 10. 205 Bericht von Hamkens, nach Lange (2010), S. 30. 72

Wiligut-Weisthor bei einer Wanderung im Deister 1930 (links) In Standarten­ führer-Uniform ca. 1934 (rechts)

Man statt Tyr Rune als Grab­ kreuz auf Empfeh­ lung Weisthors militärische Karriere in der K.u.K. Armee Österreichs, in welcher er als be­ währter Offizier bis zum Oberst befördert wurde. Nach der Auflösung des Österreichischen Kaiserreichs diente er nach 1923 im Freikorps „Oberland" bis er aufgrund einer Bürgschaft in Konflikt mit dem Gesetz geriet. Als Folge wurde er 1924 nach Diagnose einer paraphenen Psychose entmündigt und in eine Heilanstalt eingeliefert. Bereits zu dieser Zeit pflegte Willigut enge Kon­ takte zu völkisch-esoterischen Kreisen, denen Willigut aufgrund einer an­ geblichen Gabe der „Erberinnerung", über die er als „Ueiskuining" („Weiskönig"/„Wissenskundiger") verfügte,206 wertvolle Impulse zur Deutung der Vergangenheit vermittelte. Nach Willigut ist dieses Erberinnern Bestandteil einer Jahrtausende alten mündlichen Überlieferung der Familie Uiligotis, die dem gotischen Fürstengeschlecht der Asa-Uana-Sippe entstammt. Nach dieser Überlieferung soll die Geschichte der Arier viele Jahrtausende zu­ rückreichen, bis zu einer Zeit, da die Irminen als Herrschergeschlecht einen einzigen Gott (Got) verehrten, der von den asiatischen Wotanisten bei Gos­ lar als Baldur-Chrestos gekreuzigt worden wäre. Der Weisthor Schüler Emil Rüdiger führte dazu aus: „Demnach soll zur Zeit des Untergangs von Atlantis um ca. 9600 v.Chr. im Zuge der dauernden Kämpfe... zwischen den sich der Lenkung widersetzenden Wotanisten und Angehörigen des kristlichen Irminenglaubens, ... Baldur Krestos als Urgotheit und Voranschreiter der Irminen-Menschheit von den Wotanisten und den von ihnen gezüchteten Jötenbastarden auf dem Georgienberge 206 Vgl. Mund (2011), S. 28: Diese Bezeichnung erscheint auf dem Wiligutschen Familiensiegel, während das Wappen mit „Der Deutsche König" untertitelt ge­ wesen wäre. Den Runenkundler Wolfgang Krause zitierend schreibt Mund, daß „Ueiskuining“ auch als „Heiliges Geschlecht/Sippe" übersetzt werden kann (go­ tisch weihs = Dorf/Heilig; kuni - Geschlecht/Stamm). 73

(Goslar) ans Kreuz geschlagen worden sein, mit Hilfe der Runen habe er sich in der neunten Nacht seines Kreuzgangs vom Kreuz gelöst."207 Anschließend sei er über Rügen in die Wüste Gobi geflohen, wo er eine irminische Meisterschu­ le gründete, die nahe eines älteren wotanistischen „Kristallisationspunktes" lag. In dieser irminischen Tradition, gleichsam als Erbe der auf Balder-Kristus zurückzuführenden Königswürde, wähnte sich jedenfalls Wiligut, als er einmal bemerkte: „Meine Krone liegt in der Kaiserpfalz zu Goslar, mein Schwert in einem Steingrab bei Steinamanger."208 Der Kreuzigungsmythos hatte also Wiliguts Überlieferung zufolge seinen Ursprung in Germanien, und wurde erst später zur christlichen Heilslehre umfunktioniert.209 Wiliguts Erberinnerung & sein Einfluß auf Himmler Genau diese Legende des vorgermanischen Ur-Kristentums dürfte in Himmlers Einstellung gegenüber dem alten K.u.k. Obersten eine große Rol­ le gespielt haben, wie sich in einem späteren Kapitel zeigen wird. In den nächsten Jahren kommt es immer wieder zu Anfragen oder Aufträgen an den Berater, vor allem wenn die Fachwissenschaftler keine oder nur un­ befriedigende Antworten auf Himmlers Fragestellungen anbieten können. 1939 allerdings kommt es plötzlich zum Entlassungsgesuch Weisthors - of­ fiziell aus gesundheitlichen Gründen. Inoffiziell wird gemutmaßt, die nach dem Anschluß Österreichs zugänglich gewordenen Krankenakten Wiliguts hätten zu dieser Entscheidung geführt. Der Oberst hatte zwar seine Zwangs­ entmündigung und Einlieferung in eine Nervenheilanstalt angegeben, dies jedoch auf eine Verfolgung durch Kirchenkreise zurückgeführt.210 Obgleich sich durch die gesamten Akten nichts grundsätzlich an den sich gegenüber­ stehenden Darstellungen geändert hat, soll Weisthor dadurch „untragbar" geworden sein, insbesondere weil andere SS-Angehörige diese Tatsache ge­ gen Himmler hätten verwenden können. Trotz seines großen Einflußes auf Himmler wurde Weisthors Fähigkeit der Erberinnerung von den meisten Zeitzeugen keine allzu große Seriosität beschieden; die Urteile über Weisthor reichen von „senilem Erotiker" und „Hochstap­ ler" (Herman Wirth) über „grotesk" (J.O. Plassmann) bis hin zu „Idiot" (Walter 207 Nach Mund: „Der Rasputin Himmlers", zit. nach Katholing (2001), S. 157 208 Nach Mund (2011), S. 28 f. 209 Lebenslauf BArch; zum Balder-Irmin-Kreuzigungsmythos siehe auch Betha (1913), S. 245 ff., wo dieser seinen Ursprung haben dürfte; vgl. auch von Ricklin­ gen (2008). 210 Zur Verdeutlichung dieser vorgeblichen Verfolgung durch die katholische Kirche er­ wähnte Wiligut bereits in seinem Lebenslauf, von einem Jesuiten als Angehöriger der „ Famiglia Malatetta" (verfluchte Familie) bezeichnet worden zu sein; Lange (2010), S. 202.

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Die „ Ur-Kreuzigungsstätte" in Goslar nach Ernst Betha. Re.: Weisthor 1945 Wüst) - auch Weisthors Adjutant, Hans von Lachner, soll die Fähigkeiten seines Dienstherren bezweifelt haben.211 Dennoch scheinen gewisse magische Fähig­ keiten Weisthors in der Tat bestanden zu haben; so berichtet Else Baltrusch, wie Wiligut am Tag des Attentates auf den Botschaftsrat Rath in Paris auf ei­ ner Wanderung plötzlich stehenblieb und sagte: „jetzt ist irgenwo ein Botschafter erschossen worden."212 Vor allem aber wies Weisthor auf verschiedenen Dienst­ reisen nach „Eingebungen" auf verschiedene Orte hin, bei deren Ergrabung tatsächlich frühgeschichtliche Funde gemacht werden konnten. So beschreibt Rudolf Mund wie Weisthor auf einem Spaziergang durch Baden-Baden einen Eckstein eines Hauses als mit vordem unsichtbaren Ornamenten versehen er­ kannte und ebenso in der Burg von Krakau einen verborgenen Raum aufspür­ te, in dem sich nicht näher zu eruierende Gegenstände befunden haben sollen. Bereits einige Jahre zuvor hatte er bei einem Besuch der Wewelsburg Himmler aufgefordert, an einer bestimmten Stelle am Rande des Gemäuers nach einer Schatzkammer graben zu lassen. Zwar ist nicht überliefert, was sich in dem tatsächlich vorgefundenen Raum befunden hat, immerhin schien der Vorgang aber Weisthors Ansehen bei Himmler nicht zu schmälern.213 Auch dem späteren Leiter der Ahnenerbe-Abteilung Innerasien und Expeditionen, Ernst Schäfer, blieb Weisthor mit seinen tranceartigen Zuständen, die Schäfer von früheren Expeditionen von tibetischen Botenläufern kannte, in besonderer Erinnerung - erzählte er doch während dieser Zustände dem verwunderten Schäfer von 211 Nach Kater (2006), S. 364; zu v. Lachner, Lange (2010), S. 51; siehe auch der bei Mund (2011), S. 113, angeführte Brief Herman Wirths über Weisthor. 210 Nach Mund (2011), S. 115. 213 Vgl. Mund (2011), S. 110/116 f; siehe auch Katholing (2001), S. 149 f, der von „Findungen" Weisthors auf Fahrten berichtet. 75

Begebenheiten früherer Expeditionen, die nur dieser selber kennen konnte.214 Auch der später zum Islam konvertier­ te Johannes von Leers bestätigte in einem nach dem Krieg verfaßten Brief an den Autoren Rudolf Mund, daß Wiligut, „ein in jeder Hinsicht alter Wissender", „profun­ des Wissen über armanische Überlieferung" aufwies und „wenn man durch die Land­ schaft fuhr, sagen konnte, wo einst ein altes Heiligtum gelegen hatte."215 Während des Krieges kam es trotz Weisthors Dienstaustritt zu weiteren An­ fragen Himmlers; so etwa bezüglich der Familienwappen Wiliguts Frage der angemessenen Totenrunen für die Grabkreuze deutscher Gefalle­ ner, für die Weisthor die Man- statt der Tyr-Rune empfahl.216 Gegen Kriegsende wurde es still um den alten Oberst - nach einem Schlaganfall 1945 starb er schließlich am 3. Januar 1946 in Arolsen, wo er auch beigesetzt wurde. Zurück bleibt ein Vermächtnis, zu dessen Schau nur wenige Leute befähigt erscheinen. Else Baltrusch, Angehörige der EddaGesellschaft, die Weisthor seit 1936 betreute, wähnte sich nach dem Krieg als die Einzige, die seit 1936 „direkt in Geheimnisse hineinschauen und horchen durfte, welche nicht für die Nachwelt bestimmt sind."217 Unzweifelhaft jedenfalls waren die vorgeblichen Kontakte des alten Oberst nicht völlig aus der Luft gegriffen, wie sich bei seiner Beerdigung 1946 zeigte, wo allerlei seltsame Menschen, darunter Inder und Tibeter, Wi­ ligut das letzte Geleit gaben.218 Trotz aller Negativurteile über ihn, scheint von seinen „Hirngespinsten" zumindest so viel Bedeutung ausgegangen sein, als daß er auf verschiedene Entscheidungen Himmlers einen nicht unbedeutenden Einfluß ausübte und sich noch nach Kriegsende der britische Geheimdienst für den Wanderstock Wiliguts interessierte.

214 Unveröffentlichte Memoiren Ernst Schäfers, zit bei Siinner (1999), S. 50; siehe dazu Kapitel 10. 215 Vgl. Mund (2011), S. 114/122. 216 Siehe Lange (2010), S. 54. 217 Ebenda, S. 58. 218 Vgl. Mund (2011), S. 145, der spekuliert, daß die im Lebenslauf Wiliguts nicht nachweisbaren Besuche Asien möglicherweise „Astralreisen" gewesen seien. 76

3. Ahnenerbe & Urreligion: Das Vermächtnis des Herman Wirth „Möge die Wiedererstehung unserer geistigen Vergangenheit... unserem Volke die Selbster­ kenntnis und Selbstbestimmung wiedergeben und jene gottgewollten und gottgegebenen Kräfte wieder in uns wachsen lassen zur Erfüllung un­ serer Aufgabe in Gegenwart und Zukunft. Dazu helfe uns der Geist des Ahnenerbes, daß wir ein freies, einiges und großes Volk der Deutschen werden aus dieser Zeit der heiligen Wende"219

3.1.

Himmlers Privatforscher? Das SS-Ahnenerbe

hnenerbe-Forscher trafen den Panchen-Lama in Tibet, reisten in ge­ heimer Mission durch den Vorderen Orient, erkundeten Strandlinien in afrikanischen Wüsten, führten archäologische Grabungen in ganz Europa durch und arbeiteten an geheimen Waffenprojekten - bis heute zählt die Organisation „Ahnenerbe" zu jenen wenig bekannten Institutionen des Dritten Reiches, denen eine Schlüsselrolle in der okkulten Geschichte des 3. Reiches zugemessen wird. Doch was steckt wirklich hinter den abenteuerlichen Geschichten über das Ahnenerbe, die es in fiktionalem Gewand („Indiana Jones", „Hellboy" u.a.) sogar bis in die US-Filmindustrie Hollywoods geschafft haben? Bis zur Fertigstellung der ersten wissenschaftlichen Abhandlung über das Forschungsamt im Jahre 1974,220 aber auch - ungeachtet der „wissenschaftli­ chen" Erkenntnisse - darüber hinaus, haftete dem Ahnenerbe stets der Schlei­ er eines „Geheimbundes" an. Gemeinsam mit der Thule-Gesellschaft soll das Ahnenerbe den „exoterischen Teil" eines geheimen Bundes dargestellt haben, der hinter dem Dritten Reich stand: „Die Arbeiten des Forschungsamtes Ahnen­ erbe... bilden gewissermaßen die theologische Seite, während der Schwarze Orden den mystischen Aspekt der Religion der Herren von Thule verkörpert" geben Pauwels/ Bergier, die Schöpfer einer ganzen Reihe von Legenden um das Ahnenerbe, ihren Lesern kund.221 Die „sektiererischen Ursprünge" der NSDAP sollen im

A

219 Herman Wirth: Der Heilsbringer. 220 Kater (2006). 221 Pauwels/Bergier (1969); hier behaupten die Autoren auch, die Gründung des Ahnenerbes sei der Initiative Friedrich Hielschers zu verdanken, dem vermeintli­ chen geistigen Meister SieversHielscher sei über Sven Hedin mit der Geheimlehre Haushofers „infiziert“ worden, der wiederum - fälschlich - als Mitglied der ThuleGesellschaft bezeichnet wird. Hierdurch entstand die Legende der Verbundenheit 77

Links: Runenkunde für SS-Fahnenjunker. Rechts: Ahnenerbe-Haus in Berlin-Dah­ lem, ca. 1938 - das Haus wurde nach 1945 abgerissen. Ahnenerbe „Unterschlupf“ gefunden haben, weiß auch eine jüngere Veröf­ fentlichung zu berichten, die mit ihrer politisch motivierten Verquickung von Halbwahrheiten und Ungenauigkeiten ein gutes Beispiel für die Bewertung des Ahnenerbes in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen darstellt.222 Wie weit sich diese Gedankengänge spinnen, ist an einem weiteren „Stan­ dardwerk" der Verschwörungstheorien zum dritten Reich „Die heilige Lan­ ze" von Trevor Ravenscroft zu beobachten, das allerdings eifrig aus dem Fundus von Pauwels und Bergier schöpfte, welches wiederum stark von Rauschnings angeblichen Gesprächen mit Hitler beeinflußt wurde. Diese „Gespräche" geistern dabei - obgleich 1984 als wissenschaftlich unbrauch­ bar erwiesen - munter durch die gesamte Literatur der NS-Forschung.223 Andere Autoren bezeichnen das Ahnenerbe dagegen wahlweise als „pseudowissenschaftliches Forschungsinstitut" oder als „williges Werkzeug der verbrecherischen Hitlerdiktatur", wobei die Mehrzahl die Begründung für diese Werturteile schuldig bleibt.224 Ein besonderes Detail bezüglich der Rolle des Ahnenerbe schließlich, ist die Behauptung der Beteiligung an der Errichtung deutscher Geheimbasen im Ausland, insbesondere in „Neuschwabenland", sowie am Bau deutscher Flugscheiben, auf die in Kapitel 10 näher eingegangen wird.225 Bemerkenswert in Hinblick auf die Arbeiten des Ahnenerbes insgesamt gesehen, ist zweifellos der Versuch, verschiedene Wissenschaften und Teil­ wissenschaften ganzheitlich, aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, was aufgrund der Vielzahl der voneinander abgeschiedenen Wissenschafts­ bereiche zuvor versagt bleiben mußte.226 Zwar stand hier sicherlich ein zwischen Thule- Gesellschaft und Ahnenerbe als esoterischem Zirkel der SS; S. 388 f. 222 Heller/ Maegerle (1998). 223 Ravenscroft (1976); zur Entlarvung Rauschnings siehe Hänel (1984). 224 Siehe etwa http://www.bundesarchiv.de/oejfentlichkeitsarbeit/bilderdokumente/ 01831/index-16.1itml.de und Mandl (1999) 225 So etwa Feistle (2010), S. 14 oder Farrell (2010), S. 176. 226 Vgl. dazu Himmler zit. nach Heiber (1970), S. 100 f.

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Die Embleme des Almenerbe Links: Ahnenerbe-Stiftungsverlag - Mitte: IrminsulEmblem - Rechts Emblem zumeist in Büchern des Ahnenerbe bis 1939 politischer Anspruch hinter diesem neuen Weg der Wissenschaft, formell betrachtet stieß dieser Ansatz jedoch nicht nur bei damaligen Nationalsozia­ listen auf Zustimmung, sondern wurde auch von anderen Persönlichkeiten im Hinblick auf eine Neuausrichtung der Wissenschaft gefordert. Tätigkeitsbereiche des Ahnenerbe Offiziell sollte das Ahnenerbe als kulturpolitisches Referat der SS ver­ schiedene Wissenschaften „aus dem Blickwinkel der germanisch-deutschen Geschichte bündeln“ und als „Vorhut des NS-Regimes zur Aufwertung der deutschen Seele" nutzen. Es bestand aus verschiedenen wissenschaftlichen Abteilungen, die sich vornehmlich mit Germanenkunde, indogermanischer Sprachwissenschaft, indogermanischer Volkskunde, Kulturgeschichte und Archäologie beschäftigten, war aber bestrebt, die verschiedenen Fachgebiete in Hinblick auf eine indogermanisch-germanische Weltanschauung zu ei­ nem Gesamtergebnis zusammenzufassen, welches „den Forschungsstand als Ganzes erfaßt und begreifbar macht," wie der RF-SS formulierte. In zahlreichen Weisungen Himmlers an das Ahnenerbe wird deutlich, wie er sich diese Zusammenarbeit vorstellte: Nämlich als ein gemeinsames Wir­ ken von Fachleuten der verschiedensten Fachgebiete, wo angebracht, unter Hinzuziehung von Privat- und Laienforschern, die gemeinsam die oft von Himmler selbst gestellten Anforderungen erfüllen sollten.227 Heftige Kritik äußerte Himmler vor allem, wenn von ihm gestellte Forschungsaufträge seine Erwartungen sowohl vom Ergebnis als auch von der Art der Durchführung nicht erfüllten.228 So äußerte er anläßlich einer Höhlenergrabung in Busau: 227 Vgl. etwa Anweisung Himmlers an Sievers bezüglich des Helgoland-For­ schungsauftrags, bei Heiber (1970), S. 74 f. 228 Kater (2006), S. 19, meint grundsätzlich, daß Himmler nur dann zufrieden ge­ wesen wäre, wenn die Ergebnisse seine Erwartungen erfüllten und nimmt dies als 79

Links: Wolfram Sievers - Reichsgeschäftsführer des Ahnenerbe „Der Reichsführer erwartet, daß die Zusammenarbeit im Ahnenerbe umgehend so wird, wie er sich das vor­ stellt. Er wünscht zunächst einmal den Bericht über die Tropfsteinhöhle und weiterhin die Einschaltung der anderen beiden Abteilungen und dann möglichst bald einen Bericht über das, was sie dort gefunden haben. Den augenblicklichen Zustand vergleicht der RF-SS mit der eifersüchtigen Abkapselung eines je­ den wissenschaftlichen Gebietes, wie es ja auf den Universitäten und in der gesamten deutschen Wis­ senschaft bisher der Fall ist, daß jeder Kollege eifrig darüber wacht, sein Gebiet vor seinen Kollegen abzuschließen."229 Ein weiterer Zweck der Arbeit des Ahnenerbe lag in der Rekonstruktion des Ahnen- und Sippenkultes sowie der Glaubenswelt der frühen Germa­ nen. Letztere sollte auf längere Sicht wiederbelebt werden und langfristig auch eine Rolle als „Ersatzreligion" für das Christentum spielen. Dabei wurde allerdings nicht auf den Wotanismus, bzw. die Götterwelt der EddaÜberlieferung abgezielt, die einigen als „Religion der Verfallszeit" galt, son­ dern auf den Lichtbringerkult der frühgermanischen Zeit.230 Gegründet wurde das Ahnenerbe offiziell am 1. Juli 1935 als eingetrage­ ner Verein unter der Firmierung: „Deutsches Ahnenerbe. Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte". Zu Beginn bestand eine enge Anlehnung an das von Darre geführte RuSHA, die Himmler im Februar 1936 per Weisung als verbindliche Zusam­ menarbeit fixierte.231 Von sechs während der Gründungsphase bis zur Satzungs- und Namens­ änderung (seitdem nur: Deutsches Ahnenerbe) im März 1937 eingerichteten, sogenannten Pflegestätten („Schrift- und Sinnbildkunde" [Wirth - Juli 1935], „Germanenkunde" [Teudt - Oktober 1936], „(Indoarische) Wortkunde" [Wüst, Oktober 1936], „Märchen- und Sagenkunde" [Plassmann - Februar 1937], „Indogermanisch-Finnische Kulturbeziehungen" [von Grönhagen Februar 1937], „Wetterkunde" [„Welteislehre - Scultetus - Februar 1937]), erhöhte sich deren Zahl bis zum Jahr 1939 auf 34 verschiedene Forschungs­ Beispielfür das Wissenschaftsverständnis Himmlers schlechthin. Die Fakten sprechen jedoch dafür, daß es Himmler vor allem auf den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel und einer Zusammenarbeit aller Experten ankam; vgl. Heiber (1970), S. 100 f. 229 Brief Dr. Brandt an Ahnenerbe vom 9.10.1940, bei Heiber (1970), ebendort. 230 Siehe dazu Kummer (1972), S. 15 ff. 231 Vgl. Kater (2006), S. 455.

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abteilungen; 21 davon im Inland, sowie weitere außereuropäische Stätten. 1945 existierten schließlich 45 offizielle Forschungsstätten. Zu diesen zählten Themengebiete wie etwa Wetterkunde und Astrono­ mie, welche im Hinblick auf die Erforschung der Welteislehre Hörbigers tä­ tig wurden und rasch an Bedeutung zunahmen. Michael Kater weist darauf hin, daß einige der aufgeführten Abteilun­ gen (Osteologie, Volksmedizin, Tiergeographie, indogermanisch-deutsche Musikwissenschaft, Urgeschichte, Wurtenforschung, Geheimwissenschaf­ ten) lediglich auf dem Papier existierten, da sie nicht „nachgewiesen werden konnten".232 Gerade diese offensichtliche Lücke in der Dokumentation der letztgenannten Forschungsrichtungen, insbesondere in Bezug auf die Ge­ heimwissenschaften, dürften den Anstoß für zahlreiche Spekulationen in dieser Richtung geliefert haben. Im Rahmen der Ahnenerbe-Schriftenreihe wurden in den der SS naheste­ henden Verlagen Widukind-Verlag und Hase & Koehler, ab 1938 dann im eigenen Ahnenerbe-Stiftung-Verlag zahlreiche Schriften publiziert, die das Wirken der Vereinigung publizistisch unterfütterten.233 Zu Beginn lag der Schwerpunkt der Ahnenerbe-Arbeiten auf den per­ sönlichen Steckenpferden Wirths - der Sinnbildkunde - sowie der Germa­ nenkunde von Wilhelm Teudt, dem Wiederbegründer der modernen Ex­ ternsteinforschung.

3.2.

Wilhelm Teudt & die Zeitschrift „Germanien"

Die Ausgangslage vor Gründung spiegelte im Bereich der Frühgeschichte die heterogenen Verhältnisse in der gesamten Organisationsstruktur des 3. Reiches wider. In Bezug auf die Frühgeschichte hieß das, den Machtkampf zwischen dem Reichsbund für deutsche Vorgeschichte Hans Reinerth, als dem Vertreter Alfred Rosenbergs auf der einen, und Himmlers SS auf der anderen Seite. Dieser Reichsbund, der sich in der Tradition des eigentlichen Begründers der deutsch-germanischen Frühgeschichtsforschung Gustaf Kossinna sah, suchte unter Leitung des Kossinna-Schülers Dr. Hans Reinerth sämtliche deutsche Prähistoriker in einem „Reichsinstitut für Vor- und Frühgeschich­ te" unter dessen Ägide zusammen zu fassen und zugleich den Einfluß der als „Römlinge" bekämpften Anhänger der Forschungsrichtung Ca'rl Schuchhardts einzudämmen. Hintergrund der Differenzen war die - aus Sicht Kossinnas - zu einseitige Betonung der antiken Hochkulturen unter völliger Ignoranz der bronzezeitlichen Nordeuropäischen Kultur. Hier war es insbe232 Kater (2006), S. 113. 233 Vgl. Kater (2006), S. 457; siehe Liste im Anhang.

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„Sazellum" der Externsteine

Das „Felsengrab"

sondere der Präsident der Römisch-Germanischen Kommission Frankfurt, Staatsrat Theodor Wiegand, der als Anhänger der „klassischen" Deutschen Vorgeschichte - die in Abgrenzung zu Kossinnas „ostdeutscher Richtung" als „westdeutsche Richtung" bezeichnet wurde - den Plänen zur Gleichschaltung entgegentrat und durch seinen Einfluß auf den zuständigen preußischen Kul­ tusminister Rust zu verhindern wußte. Zugleich trat Wiegand Himmlers SS bei, wodurch er einen natürlichen Schutz vor dem Einfluß Rosenbergs suchte und auch fand - stand dieser doch in einem ständigen Konkurrenzkampf mit Rosenberg und dessen Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte.234 Eine der bekanntesten Gruppierungen an deren Übernahme Reinerth seit 1933 arbeitete, waren die „Freunde germanischer Vorgeschichte" unter ih­ rem Leiter Wilhelm Teudt (1860-1942). Wilhelm Teudt Der am 7. Dezember 1860 in Detmold geborene, ehemalige Pfarrer Teudt wurde als einer von vielen ebenfalls von Gustav Kossinna beeinflußt. Nach seinem Kirchenaustritt 1908 trat Teudt dem Keplerbund zur Förderung der Naturerkenntnis bei. Nach dem 1. Weltkrieg, den Teudt als Soldat an der Westfront erlebte, gründete der Detmolder 1921 den Cheruskerbund, eine 1923 etwa 1000 Mann zählende Zweigorganisation der „Organisation Escherich". Seit dem Frühjahr 1922 verfügte dieser Bund, dessen Gruß übri­ gens „Sieg und Heil" lautete, über eine paramilitärische Formation namens „Nothung".235 Ab Mitte der 1920er Jahre widmete sich Teudt der „völkischen Germa­ nenkunde", deren primärer Zweck für ihn in der Bekämpfung des Vorur­ teiles der primitiven germanischen Vorgeschichte lag: „Die Annahme, daß das Germanentum in Germanien erst durch die Berührung 234 Vgl. Bollmus (2002), S. 167ff. 235 Vgl. Loennecker (2004), S. 4 ff.

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„Kreuzabnahme-Relief' - Der „Hängende" - Dr. Wilhelm Teudt mit den Römern und Westfranken in die Reihe der Kulturvölker eingetreten sei, ist als ein grober Geschichtsirrtum anzusehen", bekannte er in seinem 1929 erst­ mals erschienenem Hauptwerk „Germanische Heiligtümer".236 In diesem führte er den Nachweis der kultisch-astronomischen Funkti­ on einer Reihe von Stätten in Westfalen deren Mittelpunkt die Externsteine bildeten, die im Grenzgebiet von verschiedenen Stämmen zu einem gemein­ samen Heiligtum erkoren worden wären. 1928 hatte Wilhelm Teudt zur Verbreitung seiner Thesen und zur Samm­ lung anderer Interessierter die „Vereinigung der Freunde germanischer Vor­ geschichte" gegründet, die bis 1935 etwa 1100 Mitglieder umfaßte. Grundla­ ge der Arbeit dieser Vereinigung war die Verteidigung der Germanen-Ehre gegen „Gegner, die alles Deutsche ausmerzen" wollten, wobei das Zentrum dieser Ehre in Gestalt der Externsteine erblickt wurde. Seine im „nationalen Pathos"237 vorgetragene These der Externsteine als Heiligtum der germanischen Stämme prägte den Blick auf die Germanen der damaligen Zeit und wirkt bis in die heutige Zeit nach. Obgleich Hans Reinerth noch 1933 Teudt in einem Atemzug mit Herman Wirth als „nationalen Phantasten" bezeichnet hatte, kam es im Oktober 1934 zu Gesprächen über den Beitritt der Vereinigung zum Reichsbund. Unter Zusi­ cherung der Selbständigkeit der Zeitschrift Germanien, dem Publikationsorgan des Vereins, und des Schutzes vor Angriffen der Fachwissenschaft - was sich vor allem auf die These Teudts der Externsteine eines germanischen Heiligtums bezog - erfolgte Anfang Mai 1935 der offizielle Beitritt zum Reichsbund.238 236 Vgl. Teudt (1929), S.llf. 237 So Loennecker (2004), S. 8. 238 Vgl. Bollmus (2002), S. 177.

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Doch bereits 1936 kam es aufgrund anhaltender, entgegen der Abma­ chung erfolgter, Kritik an dessen Arbeit insbesondere aus Reihen des Reichs­ bundes, zu einer Annäherung Teudts an Himmler, der seit März 1934 als Vorstand in der von der lippischen Landesregierung einberufenen Externsteine-Stiftung fungierte. Himmler sah in dem altgermanischen Kultplatz der Externsteine das Potential einer zukünftigen nationalsozialistischen Wallfahrtsstätte.239 Seit 1935 wurden auf einem provisorischen Kultplatz vor der Anlage Sonnenwendfeiern durchgeführt und noch im selben Jahr er­ klärte Himmler die Externsteine samt Umgebung zur „Weltanschaulichen Interessensphäre der SS".240 Aufgrund der dadurch entstehenden ideologischen Nähe zu Teudt, wur­ de dieser mitsamt seiner Vereinigung im Herbst 1936 offiziell als Leiter der Pflegestätte für Germanenkunde in das Ahnenerbe aufgenommen. Ein Jahr später übernahm das Ahnenerbe auch die Betreuung der Externsteine.241 Wenige Monate zuvor war die 1934 mit großen Hoffnungen auf die Auf­ findung germanischer Spuren eröffnete Grabungskampagne durch den Münsteraner Archäologen Prof. Julius Andree ausgelaufen, die zwar Zerstö­ rungsspuren an der Anlage eruiert, aber nicht die erhofften Funde erbracht hatte.242 Obwohl Teudt in der Folgezeit zahlreiche Ehrungen zuteil wurden (Professorentitel, Ehrenbürgerschaft der Stadt Detmold - beides 1935),243 wurde das Verhältnis zwischen Teudt und dem Ahnenerbe zusehends pro­ blematischer. Loennecker führt dies auf dessen mangelnde SS-Konformität und Wissenschaftlichkeit zurück.244 Teudt trat nach erheblichen Meinungs­ verschiedenheiten 1938 zurück. Himmler machte dafür Teudts angebliche „Unsachlichkeit und krankhafte Art, Streit zu suchen", verantwortlich.245 Dennoch standen Teudts Forschungen auch weiterhin in hohem Ansehen, noch 1940 wurde ihm anläßlich seines 80. Geburtstages von Hitler persön­ lich die „Goethe-Medaille" für seinen „kämpferischen Einsatz für die breitere 239 Loennecker (2004), S. 12; ebenso Bollmus (2002), S. 179. 240 Vgl. Loennecker (2004), S. 12. 241 Vgl. ebenda. 242 Uta Halle schreibt hierzu „die Suche nach dem angeblichen »germanischen« Heiligtum aus der Zeit vor der Christianisierung liefert in unbeabsichtigter Weise Befunde und Funde für die Mittelalterarchäologie" ohne auf die ausdrücklich doku­ mentierten, für eine Zerstörung eines tatsächlich germanischen Heiligtums durch christliche Franken sprechenden, Zerstörungsbefunde einzugehen. Insgesamt liegt der Hauptzweck ihrer stark tendenziösen Schrift in der Widerlegung des im 3. Reich unterstützten germanischen Charakters der Externsteine; Halle (2002), S. 502. 243 Nach Wikipedia: Wilhelm Teudt. 244 Loennecker (2004), S. 12; vgl. auch Halle (2002), S. 485 . 245 Wikipedia: Wilhelm Teudt.

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Wertschätzung der deutschen Vorgeschichte" verliehen.246 Ein Jahr zuvor hatte mit seinen Anhängern die Osningmark-Gesellschaft mit Sitz in Detmold gegründet, die dem Reichs­ bund unter Leitung von Hans Reinerth ange­ schlossen war. Auch die parteiamtliche Grabre­ de nach Teudts Tod im Jahr 1942 würdigt noch die Verdienste Teudts: „Wesentlich ist, daß Teudt in den Herzen un­ zähliger Deutscher [...] durch seinen begeisterten Aufruf germanische Heiligtümer schuf. Darin liegt das unvergängliche Verdienst Teudts für die deutsche Erneuerung [...] Es fehlt bei uns gewiß nicht an klugen Köpfen, aber die tapferen Herzen dürften in der Wissenschaft häufiger sein." Titelblatt „Germanien" Obgleich von der etablierten Wissenschaft bereits damals angefeindet, haben sich wesentliche Thesen Teudts - entge­ gen der oftmals geäußerten Einschätzung der heutigen Geschichtswissen­ schaft247 - als stimmig erwiesen: - Mit der Sachsen-Christianisierung um das Jahr 800, sei es zu einem Kul­ turbruch und einer einher gehenden Kulturvernichtung durch das Chri­ stentum gekommen, die aus heutiger Sicht den Blick auf die davor liegen­ de Zeit erschwere. - Die germanische Kultur sei eine Holzkultur gewesen, weshalb kaum Kunstdenkmäler aus der germanischen Vorgeschichte erhalten sind. - Die Externsteine seien eine germanische Kultstätte gewesen, die dortige Höhenkammer eine so genannte Sonnenwarte. - Der Hof Gierke in Oesterholz, die Hünnenkirche in Kohlstädt und die Erdwälle bei Langelau seien germanischen Ursprungs und Bestandteil eines größeren heiligen Bezirkes um die Externsteine herum. Auf dem Grund des heutigen Hof Gierke hätte sich eine „Kultburg" befunden, bei der Hünnenkirche möglicherweise um den „Turm der Veleda" (Tacitus) und bei den Erdwällen von Langelau um eine Rennbahn gehandelt. Während letztere Thesen heute aufgrund fehlender weiterer Forschungen nicht erhärtet werden können, erwiesen sich die drei Grundthesen als richtig: Die Forschung beweist, daß es ein primäres Anliegen der Kirche gab, heid­ nische Relikte und Kultorte zu zerstören oder zu übernehmen. Als Beispiel sei­ ne hier sowohl die Festtage als auch die ersten Kirchenbauten auf heidnischen Vorgängern (Stichwort „Kultstättenkontinuität") genannt. Wenn sich nicht 246 Vgl. Loennecker (2004), S. 12. 247 Auch Kater (2006) bezeichnete Teudt als „völkischen Dilettanten", S. 55.

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eine Abschrift der Germania des Tacitus im Mittelalter gefunden hätte, wäre die Geschichtsforschung heute allein auf die tendenziösen Überlieferungen Caesars angewiesen - andere nachgewiesene Schriften über Germanien gelten heute als verschollen, so etwa der Bericht Pytheas von Massilia. Die Unterwasserarchäologie in der Ostsee beweist, daß bereits die ErtebolleEllerbeck-Kultur (5800-4300 v.Zw.) Werkzeuge aus Holz und Geweih fertigte. Auch die sogenannte Bandkeramische Kultur verwendete zum Häuser- und Gerätebau Holz. Daß es dennoch eine hochentwickelte Zivilisation im Norden Europas , dem späteren Germanien, gegeben haben muß, beweisen die Stun­ de um Stunde anwachsenden Zufallsfunde der Spatenforschung. Spätestens die Untersuchungen Wolfhard Schlossers und Ulrich Niedhorns haben die These der germanischen Kultstätte an den Externsteinen erwiesen: Sowohl die Ausrichtung des Peilloches im Sazellum der Extern­ steine, als auch verschiedene Brandspuren innerhalb der „Kulthöhle" an den Externsteinen beweisen eine Nutzung in vorchristlicher, mithin germa­ nischer Zeit.248 Dazu gesellen sich zahlreiche Indizien, die auf einstige Be­ arbeitungen an den Steinen hinweisen, die offensichtlich nicht christlichen Ursprungs waren (diverse abbrechende Treppenstufen) sowie Zerstörungs­ spuren, die vermutlich vordem Gewesenes unkenntlich machen sollten. Dennoch gelten Teudts Thesen heute zumeist als Irrlehren und selbst konservative Kreise äußern sich distanziert zum Wirken Teudts, die hier häufiger zitierte Veröffentlichung aus burschenschaftlichen Kreisen fügt sich dementsprechend nahtlos in die Beurteilung ein, wonach Teudt ledig­ lich als Ideengeber für die „Esoterik-Szene" oder „neuheidnische Gruppen" tauge.249 Dagegen zeichnet sich in der etablierten Geschichtsschreibung be­ reits eine überfällige Rehabilitation Teudts ab - so schrieb der renommierte Wissenschaftsautor Martin Kuckenburg, der bereits in seiner Veröffentli­ chung „Lag Eden im Neandertal" eine überaus objektive Darstellung des frühesten menschlichen Geschichtsverlaufes präsentierte, in seiner jüngsten Veröffentlichung sogar: „Auch den Gedanken an einen der Sonnenbeobachtung dienenden Kultraum wird man heute vor dem Hintergrund der Entdeckungen von Goseck und Nebra kaum mehr so vehement und von vornherein ablehnen, wie dies in den vergangenen Jahrzehnten von archäologischer Seite mitunter geschah."250 Die Zeitschrift Germanien und ihr Schriftleiter Joseph Plassmann Eine Mitgift der Vereinigung Teudts beim Wechsel in Himmlers For­ schungsverein war das Publikationsorgan Germanien. Diese 1928 gegründete Zeitschrift enthielt Beiträge über die Germanenkunde, Kultstätten, Sinnbilder248 So Schlosser (1996), S. 124 f; Niedhorn (1995), S. 110 f. 249 Loennecker (2004), S. 21; siehe dazu Wikipedia: Wilhelm Teudt. 250 Kuckenburg (2007), S. 94.

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und Runen, die zumeist von Laienforschern stammten. Zu den frühen Auto­ ren zählen insbesondere Wilhelm Teudt, Herman Wirth und Otto Suffert, der als Schriftleiter der ersten Jahre fungierte. Trotz seiner Nähe zu Teudt, mit dem er die „Vereinigung der Freunde germanischer Vorgeschichte" mitbe­ gründet hatte und seiner fachlichen Qualifikation,251 wurde er 1936 als Schrift­ leiter durch den ebenfalls zum Mitbegründerkreis zählenden, aber als streng völkisch geltenden Joseph Otto Plassmann (1895-1965) ersetzt.252 Der verwundete Weltkriegsveteran und Volkskundler Plassmann gilt als ei­ ner der wichtigsten Forscher innerhalb der Organisation Ahnenerbe und war der führende Volkskundler innerhalb der SS. Als Schriftleiter der AhnenerbeZeitung „Germanien" stellte er die Weichen für die praktische Vermittlung der innerhalb des Ahnenerbe erarbeiteten Forschungsergebnisse. 1895 in Arnsberg als Sohn eines Oberlehrers geboren, absolvierte der streng katholisch erzogene Plassmann 1913 sein Abitur - rechtzeitig um bereits ein Jahr später als Freiwil­ liger am ersten Weltkrieg teilzunehmen. Hier wurde er im Rußlandfeldzug 1914/15 schwer verwundet. Nach teilweiser Genesung ging er 1917 - erneut freiwillig - als Hilfsreferent der deutschen Zivilverwaltung nach Brüssel, wo er mit dem späteren Ahnenerbe-Begründer Herman Wirth Bekanntschaft machte. Diese Begegnung übte großen Einfluß auf Plassmann aus und veranlaßte ihn, neben dem angestrebten Studium der Germanischen Sprache und Kulturge­ schichte auch die Religionswissenschaften mit einzubeziehen. Noch während seiner Studienzeit engagierte sich Plassmann 1919/20 in der Münsteraner Bürgerwehr gegen die Rote Ruhrarmee. Nach Beendigung seines Studiums mit dem Staatsexamen für das höhere Lehramt und an­ schließender Promotion 1921, verfaßte er zahlreiche Aufsätze zu germanenund volkskundlichen Themen bevor er 1923 zur Pressestelle Rhein Ruhr, des „Abwehrkampfes an der Ruhr" gegen die französische Ruhrgebietsbeset­ zung gelangte. Eine weiterführende Tätigkeit innerhalb des Staatsdienstes nach dieser Zeit blieb ihm als „Kriegsversehrter" nach seiner Verwundung im ersten Weltkrieg verwehrt.253 So hielt er sich in den nächsten drei Jahren mit diversen Aufsätzen für verschiedene Zeitschriften über Wasser, bevor er 1927 auf Wilhelm Teudt traf, den er bereits aus seiner Münsteraner Studien­ zeit kannte.254 Mit diesem zusammen gründete er 1928 die „Vereinigung der Freunde germanischer Vorgeschichte".255 251 Welche sogar die kritische Uta Halle einräumt, Halle (2002), S. 150; Suffert ge­ hörte daher auch zu den wenigen Wissenschaftlern, die nach 1945 ihren Posten - in diesem Fall die Leitung des Lippischen Landesmuseums - weiterführten. 252 Vgl. Loennecker (2004), S. 13. 253 Vgl. hierzu und zur ausführlichen Biographie Lixfeld (1994), S. 228 ff. 254 Loennecker (2004), S. 15. 255 Vgl. Bollmus (2002), S. 179.

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Aus diesem Verein heraus wurde kurz danach die Zeitschrift Germanien ins Leben gerufen, die vor allem Beiträge Wilhelm Teudts und J.O. Plassmanns, aber auch Artikel Herman Wirths abdruckte, dessen Forschungen einen hohen Stellenwert in Plassmanns Auffassung der Frühgeschichte inne­ hatten. Etwa zeitgleich erfolgte Plassmanns Annäherung an die NSDAP, der er 1929 beitrat und für die er ab 1934 hauptamtlich als Referent in der Reichs­ führung des Reichsbundes „Volkstum und Heimat", in der Amtsleitung der NS-Kulturgemeinde Alfred Rosenbergs und ab Oktober 1935 als Abteilungs­ leiter des Stabsamtes des Reichsbauernführers wirkte. Mit der Überführung der Zeitschrift „Germanien" in das 1935 neubegründete Amt Ahnenerbe, wurde er 1936 zum ehrenamtlichen Mitarbeiter des Amtes. Aufgrund seiner Unentbehrlichkeit, wurde auf Initiative Wolfram Sievers, dem Generalsekre­ tär und organisatorischem Leiter des Ahnenerbes, Plassmann zum 1. Januar 1937 vom Reichsnährstand in das RuSHA der SS überstellt, wo er offiziell als Abteilungsleiter des Rasseamtes II fungierte, tatsächlich jedoch ausschließ­ lich für das Ahnenerbe tätig war - im Gegenzug wechselte dafür Hans Strobel zum Reichsnährstand.256 Die mit der hauptberuflichen Ahnenerbe-Anstellung verbündenden Aufgaben Plassmanns bestanden primär, im Ausbau der Zeit­ schrift „Germanien" „zu einem stoßkräftigen Kampfblatt für die weltanschau­ liche Schulung nach den Grundsätzen der SS", die fortan in nichts dem von Hans Reinerth herausgegebendem Konkurrenzblatt „Germanen Erbe" des Rosenbergschen Volksbundes nachstehen sollte.257 Nach Übernahme der Zeitschrift Germanien durch das Ahnenerbe im März 1936 behielt Plassmann die Hauptschriftleitung und verfaßt eine Reihe von programmatischen Artikeln zur propagandistischen Ausrichtung des Ahnenerbes auf die Linie der NS-Führung. In den folgenden Jahren gelang es, zunehmend akademische Forscher für Beiträge zu gewinnen, auch wenn der Hauptanteil noch immer auf den Beiträgen von Laienforschern lag. Es wäre jedoch falsch, der Zeitschrift ein begrenztes Niveau zu bescheinigen, wie es etwa Kater tut.258 256 Nach Lixfeld, die einen Befehl Karl Wolffs zur Kommandierung Plassmanns zur Dienstleistung im Ahnenerbe von 1936 zitiert - allerdings stellt sich die Frage, warum dieser als Führer des Hauptamtes RFSS statt Darre als Amtschef des Ru­ SHA diesen Befehl erteilte? 257 Lixfeld (1994), S. 229. 258 Kater (2006), S. 118, schreibt dazu polemisch: „Die Zeitschrift Germanien war in jeder Hinsicht ein Blatt für Laien und solche, die sich politisch für dumm verkau­ fen ließen" und urteilt, in ihr „hätten vornehmlich die unteren wissenschaftlichen Ränge im Ahnenerbe publiziert... Spitzenkräfte wie ... Till ...überhaupt nicht" (S. 106); Lund (1995), S. 31, weist dagegen einen Beitrag Tills für die „Germanien"Ausgabe 15/1943 und damit Katers erneuten Irrtum nach.

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Im Gegenteil, für eine Zeitschrift, die sich nicht an ein Fach- sondern an ein Laienpublikum richtet, war das Niveau sogar so hoch, daß Himmler noch 1940 - als also kriegsbedingt weniger Forscher für Beiträge zur Verfügung standen - die ursprünglich geplante Verteilung von 5000 Exemplaren inner­ halb der Waffen-SS auf 2000 senkte. Der Grund: Die Lektüre sei teilweise „zu hoch" und zu „wissenschaftlich" für den einfachen SS-Mann.259 Aufgrund des großen Zuspruchs insbesondere durch den neuen Ahnen­ erbe-Präsidenten Walther Wüst, der Plassmann bescheinigte, „aufgrund sei­ ner Gesamtleistung unbedingt der alten Schule von Germanisten" zugerechnet werden zu müssen, „die von den Gebrüdern Grimm begründet worden ist",260 übernahm Plassmann nicht nur im Februar 1937 die Führung der neuge­ gründeten Ahnenerbe-Pflegestätte für Märchen- und Sagenkunde", sondern darüber hinaus noch die Schriftleitung von drei anderen Ahnenerbe-Publi­ kationen: „Nordland", „FM-Zeitschrift" und „Das Thema von Morgen". Weiterhin auffällig ist Plassmanns Schreib- und Arbeitsfleiß, der umso erstaunlicher scheint, als daß er für seine Tätigkeit lediglich mit einem gerin­ gen Einkommen entlohnt wurde. Zwischen 1925 und 1942 verfaßte er über 70 wissenschaftliche Artikel, davon 60 innerhalb der Zeitschrift „Germa­ nien", sowie zahlreiche Buchrezensionen.261 Jedoch scheint die hohe Arbeitsbelastung zwischenzeitlich ihren Tribut zu fordern: so bemängelte Wüst 1939 ein Abfallen des Niveaus der Zeitschrift. Insbesondere sei es wiederholt zum Abdruck nicht redigierter Texte gekom­ men, die bei einigen Lesern und auch Ämtern für Kritik sorgten.262 Innerhalb kurzer Zeit, scheint Plassmann dementsprechend reagiert zu haben, denn wenige Monate später wird er wieder ausdrücklich für seine Arbeit gelobt. Gekrönt werden sollte seine schriftstellerische Tätigkeit durch seine - schon vor Fertigstellung von Wüst überschwenglich gepriesene - Habi­ litationsschrift über die sächsischen Kaiser, die im Dezember 1938 an der Universität München eingereicht wurde. Wüst schreibt hierzu an Himmler: „Sie wird mit Hilfe einer geradezu verblüffenden und ergebnisreichen Methode das Geschichtsbild der Sachsenkaiser auf altgermanischer Grundlage aufbauen, dieses Geschichtsbild so der römischen Geschichtsklitterung endgültig entreißen und da­ mit die Absichten des Reichsführers SS in einer Weise und Stärke mit verwirklichen helfen, wie sie eindrucksvoller nicht gedacht werden kann."263 Hintergrund dieser Lobpreisung war dabei allerdings die drohende Entlassung Plassmanns aus dem Ahnenerbe durch ein im April 1937 ein­ 259 Schreiben Himmler-Wüst v. 23.6.1940,. Archiv Verfasser Nr. 11. 260 Zit. nach Lixfeld (1994), S. 230. 261 Vgl. Lixfeld (1994), S. 232. 262 So Schreiben Wüst an Plassmann v. 23.3.1938; Archiv Verfasser Nr. 10. 263 Lixfeld (1994), S. 234; siehe auch Plassmann: „Ehre ist Zwang genug"(1941). 89

geleitetes SS-Disziplinarverfahren nach einem Streit des Germanien-Schrift­ leiters mit Angehörigen der Hitlerjugend. Trotz der breiten Front an Unter­ stützung für Plassmann, wurde er aufgrund des Verfahrens tatsächlich im November 1937 für einen kurzen Zeitraum aus der SS entlassen. Während er seine Tätigkeit innerhalb des Ahnenerbe auf Himmlers persönliche Wei­ sung davon unbeeindruckt beibehielt, sprach ihn schließlich auch das SSEhrengerichtsverfahren noch Ende des Jahres von allen Vorwürfen frei und Plassmann wurde wieder in die SS aufgenommen. Zugleich erhielt er eine Festanstellung im Ahnenerbe, was sein bislang eher kärgliches Einkommen bedeutend verbesserte. Insgesamt ging der „Germanien"-Schriftleiter aus dieser Angelegenheit gestärkt hervor, sein Konkurrent Bernhard Kummer, Schriftleiter der Zeitschrift „Nordische Stimmen", der ihn des „Katholizis­ mus nahestehend" beschuldigt hatte, mußte sich in „Germanien" öffentlich entschuldigen und wurde seiner Tätigkeit - auch aufgrund eines damit in Zusammenhang stehenden Konfliktes mit Otto Höfler - enthoben.264 Weniger Glück hatte Plassmann indes mit seiner Habilitation - dort bahnte sich ein Streit zwischen dem Hauptgutachter Höfler und dem Zweit­ gutachter Erich Gierach an: weniger über die Arbeit des Doktoranden, denn über deren persönliches Verhältnis. Jedenfalls legte Wolfram Sievers Plass­ mann nahe, die Arbeit vorerst zurückzuziehen, was dieser mit dem Verweis auf eine von ihm gewünschte Erweiterung dann im März 1940 auch tat. Für Michael Kater, den Verfasser der Ahnenerbe-Monographie, war dieses vermeintliche „Scheitern" Anlaß, Plassmanns Fähigkeiten generell in Frage zu stellen.265 Daß dies fernab jeglicher Realität ist, räumt selbst die dem AhnenerbeMitarbeiter nicht allzufreundlich gesinnte Gisela Lixfeld ein: „Dieses Urteil - wohl auch in der von Kater immer wieder vorgenommenen strikten Scheidung in Koryphäen und Dilettanten begründet - läßt sich mit Hilfe der überlieferten Akten nicht erhärten."266 264 Vgl. dazu Kapitel 7.3. 265 Kater (2006), S. 135. 266 Lixfeld (1994), S. 234; ebenda, S. 252, werden drei Kategorien genannt, auf denen nach Kater gearbeitet wurde: „Die erste berücksichtigte Himmlers absurdeste Fragestel­ lungen', die .dilettantischsten Anfragen' des Reichsführers-SS; auf der zweiten wurde ideologische Zweckwissenschaft' betrieben, unter Anerkennung des ,Primats der nati­ onalsozialistischen Weltanschauung über die Wissenschaft'; auf der dritten wirkten .se­ riöse Wissenschaftler, die .zwischen der herkömmlichen Auffassung von Wissenschaft­ lichkeit und den ideologischen Erfordernissen einen Kompromiß zu schließen' bereit waren. Diese Scheidung der Ahnenerbe-Wissenschaftler in „seriöse" Forscher einerseits und Dilettanten andererseits erscheint problematisch und stimmt in dieser Form wohl kaum mit der Wirklichkeit überein: Denn die als Dilettanten eingestuft waren nicht

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Bevor Plassmann seine Habilitation weiter ver­ folgte, hielt er im Auftrag des Ahnenerbes landes­ weit Vorträge, organisierte und besuchte diverse Tagungen und arbeitete an verschiedenen Buch­ projekten. Diese Tätigkeit schien dem Ahnenerbe, obgleich aus seinen Reihen in Person des Präsi­ denten Wüst Plassmann zur Habilitationsanmel­ dung förmlich gedrängt wurde, von größerer Bedeutung, als die Aufwertung eines ihrer Prota­ gonisten durch einen akademischen Titel.267 Im Juni wurde Plassmann zur „Sicherung von Kulturgütern" in das besetzte Paris entsandt, wo er unter anderem französische Dokumente zum J. O. Plassmann Westfälischen Frieden entdeckte, die für eine ge­ meinsame Publikation mit Dr. Schulte/Münster Verwendung fanden. Seit August 1940 wirkte Plassmann ferner innerhalb des „Germanischen Wissenschaftseinsatzes" zur Gewinnung von europäischen Freiwilligen für den Nationalsozialismus in den besetzten Ländern Belgien und den Niederlan­ den und wurde aufgrund seiner Erfolge 1941 zum Ahnenerbe-Verbindungs­ mann zum SS-Hauptamt „Germanische Freiwilligen Leitstelle" ernannt. Durch den erzwungenen Rücktritt des seinerzeitigen Dekans des Volks­ kunde-Lehrstuhles in Bonn, Heinrich Harmjanz und den Tod dessen vorgese­ henen Nachfolgers Erich Röhr, wurde Plassmann als neuer Volkskunde Lehr­ stuhlinhaber vorgeschlagen und reicht seine Habilitationsschrift zum Thema „Untersuchungen zur germanischen Sagen- und Religionsgeschichte bei Wi­ dukind von Corvey" an der Universität Tübingen ein. Mit einigen Vorbehal­ ten wurde diese im Oktober 1943 angenommen. Nach Überwindung weiterer Widerstände im Bonner Universitätsbetrieb wurde Plassmann schließlich im Wintersemester 1944 zum ordentlichen Professor bestellt, nachdem er am 1. Mai aus dem hauptamtlichen Dienst des Ahnenerbe ausgeschieden war um bereits als Vertreter für den vakanten Volkskunde-Lehrstuhl zu fungieren.

so dilettantisch und die als seriös eingeschätzten waren nicht so seriös, wie es auf den er­ sten Blick erscheinen mag. Die Übergänge zwischen beiden Extremen sindfließend, und die generell ebenso dilettierenden wie wissenschaftlich vorgehenden Ahnenerbe-Forscher lassen sich eher nach dem Grad und den Gründen ihres Engagements für die nationalso­ zialistische oder,SS-Weltanschauung' unterscheiden." 267 So Lixfeld (1994), S. 235.

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3.3.

Herman Wirth & die Urreligion

Eigentlicher Initiator des Ahnenerbes war indes der Privatgelehrte Her­ man Wirth. Dieser zählt zu jenen Persönlichkeiten, deren Lebenswerk zu­ meist unter ausschließlichem Blick auf ihre Tätigkeit innerhalb des Dritten Reiches bewertet wird. Im Falle des Marburger Gelehrten, der noch bis ins hohe Alter hinein forschend tätig gewesen ist, und innerhalb seiner HermanWirth-Gesellschaft- später „Ur-Europa e.V." - früh- und geistesgeschichtlich Interessierte jeder politischen Couleur zu begeistern vermochte, gesellt sich der politischen Ächtung noch der Vorwurf einer „schwärmerischen Unwis­ senschaftlichkeit" bei, der bemerkenswerter Weise bereits während der 30er verschiedentlich geäußert wurde.268 Bei vielen negativen Urteilen über Wirth kann man sich dabei des Ein­ druckes nicht erwehren, daß jene „Inquisitoren" weder Wirth selbst noch dessen Werke zu kennen scheinen. Auffällig ist dies nicht nur in der anglo­ amerikanischen Forschungsrichtung der „okkulten Wurzeln des 3. Reiches" - innerhalb derer Herman Wirth rangiert -, sondern auch in der deutschen Literatur, obgleich hier verschiedene herausstechende objektivere Betrach­ tungen existieren. So begnügt sich der schottische Betrachter der okkulten Strömungen des 20. Jahrhunderts, James Webb, mit dem spärlichen Hinweis auf Wirths Zuständigkeit, „für die abstruseren Aspekte der Ur- und Frühge­ schichte", denen er versucht habe, innerhalb des Ahnenerbe-Institutes „einen offiziellen Rahmen zu geben."269 Grundlage dieser Einschätzung Webbs, war neben Wirths Eintreten für die als Fälschung geltende Ura-Linda-Chronik (ULH) - auf die noch einzugehen sein wird -, sein Glaube an ein nordisches Atlantis sowie seine Affinität zu immateriellen menschlichen Gaben, die bei Webb in der Bemerkung gipfeln, er hätte dem Gast Friedrich Hielscher Ge­ danken seiner Frau mitgeteilt, die er auf telepathischem Weg von ihr erfah­ ren habe.270 Der Beantwortung der Frage des Gehaltes dieser Vorwürfe, sei ein kurzer Blick auf Wirths Lebenslauf vorangestellt: Am 06.05. 1885 als Sohn des aus der deutschen Rheinpfalz stammenden Gymnasiallehrers Ludwig Wirth und seiner holländischen Ehefrau Sophie Gijsberta, geborene Roeper Bosch, in Utrecht geboren, absolvierte Wirth er­ folgreich seine Schullaufbahn und begann in seinem Heimatort ein Studium niederländischer Philologie, Germanistik, Geschichte und Musikwissen­ schaft.271 Nach einigen Semestern setzte er sein Studium in Leipzig fort, wo 268 Vgl. Bäumler (1932), S. 24 f. 269 Webb (2008), S. 375. 270 Webb (2008), S. 376, unter Berufung auf Hielscher, 50 Jahre unter Deutschen, S. 288. 271 So Alexander (Wirth).

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seine bereits durch den Vater geförderte Vorliebe für die deutsche Kultur weiter zunahm.272 Nach Utrecht zurückgekehrt, bestand Wirth 1908 sein Staatsexamen und promovierte 1910 mit der Arbeit „Der Untergang des niederländischen Volks­ hedes" an der Universität Basel beim dortigen Volkskundler John Meier zum „Dr.phil/'Darauf kehrte er als Dozent für niederländische Philologie an die Berliner Universität zurück, wo er sich neben volkskundlichen Studien273 auch für die niederländische Volksmusik begeisterte. Zusammen mit einer Gruppe begeisterter Anhänger gab er Veranstaltungen in denen früh-niederländische Musikdarbietungen mit Vorträgen kombiniert wurden. 1913 heiratete er eine beteiligte Musikerin, Margarethe Schmitt, Tochter eines damaligen bekannten Landschaftsmalers.274 Zu Beginn des Ersten Weltkrieges meldete sich Wirth freiwillig zum deut­ schen Militär. Aufgrund seiner niederländischen Staatsangehörigkeit setzte ihn das Militär in der Zivilverwaltung im deutsch besetzten Belgien in Gent ein, wo er als Verbindungsmann zu den - deutschfreundlichen - flämischen Separatisten fungierte. Hier engagierte er sich stark für die flämischen Belange. Nicht zuletzt wegen seines Engagements als gebürtiger Niederländer für Deutschland wurde er 1916 von Kaiser Wilhelm II. zum Titularprofessor ernannt. Allerdings ging einigen deutschen Offizieren sein Einsatz für Flandern zu weit, so daß er noch 1916 von seiner Position abberufen wurde.275 Nach dem Zusammenbruch 1918 gründete Wirth in den Niederlanden die hündische Organisation „Landsbond der dietsche Trekvogels", eine niederländische Variante des Wandervogels. In diesem Zusammenhang erkannte er, daß der deutschen Jugend bei allem völ­ kischen Enthusiasmus die eigentliche geistige Urgrundlage fehlte: „Denn daß die Edda keine „germanische Bibel" war - wie von gordischen Glau­ bensbewegungen' damals (und sogar noch heute) mit tragischer Ehrfurcht ange­ nommen wurde - das war mir soweit klar geworden. Aber was lag dahinter?"276 Mit dieser Fragestellung verband sich der Beginn des „Suchens und Tastens" Wirths zurück zur europäischen Geistesurgeschichte - lange vor dem Wal­ halla- und Götterglaube der Germanen.277 Zu dieser Zeit - 1924 - ließ sich Wirth in Marburg nieder und errichtete das Haus Eresburg als Studienort. 1925 trat er der NSDAP bei, doch be272 Pringle (2006), S. 57. 273 Dort entstanden seine ersten Bestandsaufiiahmen jener „Uleborden", Giebel­ zeichenfriesischer Bauernhäuser z.T. mit Jahrtausende alten Sinnbildern; vgl. Ale­ xander (Wirth). 274 Pringle (2006), S.57. 275 Wiwjorra (1995), S. 93. 276 Wirth (1960), S. 16. 277 Wirth, ebenda; vgl. Krüger (2011).

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Herman Wirth in seinem Arbeitsraum im Haus Eresburg, Marburg, ca. 1930 reits 1926 folgte sein Parteiaustritt, dessen Begründung umstritten ist. Wir­ th selbst führte an, durch diesen Schritt der Bewegung von größerem Nut­ zen gewesen zu sein, da er dem Nationalsozialismus entgegenkommende Thesen ohne Vorwurf der Parteilichkeit propagieren hätte können. Andere Stimmen behaupteten demgegenüber, Wirth hätte zu dieser Zeit jüdische Gelder angenommen und werten dies als Beweis für seinen vorgeblichen Opportunismus.278 Wie sich der Austritt auch immer erklären läßt, sticht hier bereits Wirths eigenwilliger Charakter hervor, bei aller unumstrittenen geistigen Nähe zur NS-Bewegung auch unpopuläre Maßnahmen zu ergrei­ fen, wenn er von deren Richtigkeit überzeugt war. Bereits seit 1921 mündete Wirths Interesse an den Grundlagen der germa­ nischen Kultur in volkskundlichen und frühgeschichtlichen Forschungen, in deren Mittelpunkt die Sinnbild- und Kultsymbolik stand. Mit seinem 1928 bei Eugen Diederichs in Jena veröffentlichten Werk „Der Aufgang der Menschheit" begeisterte er weite Kreise der völkischen Anhän­ ger und inspirierte auch führende NS-Protagonisten. Durch die Deutung des Hakenkreuzes als „arteigenem Heilszeichen" bereitete er auch - gemeinsam 278 Kater (2006), S. 13 - Ursprung der Vorwürfe war die Behauptung Bolko v. Richthofens gegenüber NSDAP-Parteigremien, die der Denunziation Wirths die­ nen sollten. Tatsächlich hatte Wirth eine beachtliche Spende des jüdischen „Ölmag­ naten" Ludwig Schindler angenommen; vgl. Alexander (Wirth).

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mit anderen Forschern - dem spä­ teren Symbol des Dritten Reiches ein theoretisches Fundament. Im gleichen Jahr erfolgte die Gründung der Herman-WirthGesellschaft" welche den grund­ legenden Thesen Wirths eine weitere Verbreitung verschaffen sollte - die Abstammung noch heute weltweit anzutreffender Sinnbildsymbolik von einer jungpaläolithischen Kultur, die bereits Umstrittene Schriften: „ Ura-Linda-Chronik" einen auf dem Sonnen-Jahreslauf (1934) und „Aufgang der Menschheit" (1928) basierenden (Ur-)Monotheismus und Lichtbringerglauben besessen hätte und identisch mit der atlantisch­ nordischen Rasse wäre, die ihren Ausgangspunkt aus einem arktischen „At­ lantis / Thule" genommen hätte. Die weltweit verbreiteten Zeichen deutete Wirth als „vergeistigte Urbilder", die zugleich Urschrift, Urkultur und Ur­ symbolik verkörperten. In Wirths Worten in einem Satz zusammengefaßt, „daß die Religion der nordatlantischen Tuatha-Völker, „jener „Leute" oder „Deutschen" der fernen Vorzeit eine monotheistische war, ein Glaube an den Welten- und Himmelsgott."279 1929 hielt Wirth einen Vortrag in München, bei dem auch Hitler mit eini­ gen Parteifreunden, darunter Alfred Rosenberg, sowie das Verlegerehepaar Bruckmann anwesend waren. Im Anschluß an den Vortrag übergab Hitler Frau Bruckmann Wirths Buch „Der Aufgang der Menschheit" mit folgender Widmung: „Wirth ist für mich der lebendigste Wissenschaftler. Ich warte nur da­ rauf daß dieser Mann zum Volke spricht. Nach der Machtübernahme werde ich sein und Klages' Werk durch Lehrstuhl und Institut sicher stellen."280 1932 führte Wirths Nähe zur NSDAP, die sich auch in einem Wahlaufruf Wirths zugunsten der Partei 1932 im Völkischen Beobachter widerspiegelte,281 zur Gründung des Forschungsinstitutes für Geistesurgeschichte in Bad Do­ beran auf Betreiben der nationalsozialistischen Landesregierung von Meck­ lenburg-Schwerin. Im März 1933 eröffnete Wirth in der Potsdamer Straße in Berlin die auf einen Monat angesetzte Ausstellung „Der Heilbringer - Von Thule bis Galiläa und von Galiläa bis Thule", in der er auf die Vorwegnahme des Christentums im Norden Europas anspielte. Die Ausstellung umfaßte von Wirth als „Denkmäler des nordischen Kulturkreises und Geisteserbes" 279 Wirth (1931), S. 12; siehe dazu auch Strohmeyer (1993), S. 32 ff. 280 Neumann (Begegnung), S. 7. 281 Vgl. Wiwjorra (1995), S.99. 95

erkannte Exponate und verdeutlichte, daß die „Edda zwar eine schöne Skal­ dendichtung war, aber nicht die germanische Religion darstellte."282 Aufgrund des großen Zuspruchs folgte im Mai 1933 mit Unterstützung des nationalsozialistischen mecklenburgischen Ministerpräsidenten eine Fortset­ zung der Ausstellung in Schwerin. Die Reaktionen auf die Präsentation von Wirths Forschungsergebnissen war jedoch auch unter Anhängern des Nationalsozialismus umstritten. Insbesonde­ re Wirths Ansicht, daß die Zukunft Deutschlands, Europas und im Grunde der ganzen Menschheit davon abhängt, ob der Mann der Frau ihre Stellung zurück gibt, die sie einst hatte, und die er ihr genommen hatte. Denn, so Wirth, „sie stand einst nicht nur neben ihm, sondern sie war auch seine Rätin“.283 Damit mußte er zwangsläufig auch den Widerspruch Rosenbergs herauf­ beschwören, der der Frau lediglich eine passive Rolle zugestehen wollte.284 Mit Wirths Eintritt für einen „wahren Quellenkern" der Ura-LindaHandschrift (ULH), die er 1933 mit einem Kommentar veröffentlichte, steigerte sich die Polarisierung um den umstrittenen Forscher weiter. Die Mehrzahl der akademischen Frühgeschichtsforscher wandte sich gegen Wirth, nur wenige anerkannte Fachleute nahmen ihn in Schutz - etwa der Prähistoriker Gustav Schwantes, der von einem „Funken echten Geniums" Wirths sprach. Hauptkritikpunkt der Kritiker Wirths waren dabei vor allem Passagen innerhalb der Chronik, die sich nicht mit dem herrschen­ den Frühgeschichtsbild nationalsozialistischer Frühgeschichtsforscher deckten sowie die vielen neuheidnischen ausgerichteten Forschern aufsto­ ßende Nähe zum Christentum,285 zugleich aber auch Wirths aus der ULH abgeleitete Überzeugung von der großen Bedeutung des Weiblichen in der 282 Neumann (Begegnung), S. 4; vgl dazu auch Kummer (1935), der darauf hin­ wies, daß in allen isländischen Sagen weder Wodan, Oin noch das Walhall erschei­ nen, sondern immer nur von Thor als einziger Gottheit gesprochen wird. 283 Herman Wirth während einer Führung durch die Ausstellung, zit. nach Neu­ mann (Begegnung), S. 4. 284 Vgl. dazu Rosenberg (1943), S. 321: „.. daß der Mann auf allen Gebieten der Forschung, Erfindung und Gestaltung dem Weibe überlegen ist, dessen Wert aber auf dem ebenso wichtigen, alles andere voraussetzenden der Blutserhaltung und Rassenvermehrung beruht, aber eben doch nur mittels ihres Leibes“; Neumann, S. 7, berichtet von einem Einspruch nach dem Münchener Vortrag 1929 durch Rosen­ berg: „Na, Herr Professor, das sind doch wohl alles nur Ihre persönlichen Meinun­ gen.“ Worauf der Herr Professor antwortete: „Herr Rosenberg, davon verstehen Sie nichts:“ Neumann ergänzt: Ob Herman Wirth wohl damals geahnt hatte, daß Rosenberg damit sein Todfeind geworden war? Im Juni 1934 erließ Rosenberg je­ denfalls ein Verbot, über Wirth zu berichten; Simon (ULChr,), S. 9. 285 Vgl. Wiwjorra (1995), S. 102 f.

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nordischen Frühzeit, die sich in einer matriarchal geprägten Gesetzgebung und Rechtsprechung manifestiert hätte. Trotz dieser den Plänen Himmers zur Errichtung eines SS-Männerordens auf den ersten Blick entgegenstehenden Ansätzen Wirths,286 war der SSReichsführer nach Bekanntschaft des Marburger Forschers durch Vermitt­ lung Johannes von Leers den Forschungen Wirths gegenüber empfänglich.287 Obgleich aufgrund der innerhalb der NSDAP ausgebrochenen Kontrover­ sen um Wirth das Forschungsinstitut für Geistesurgeschichte in Bad Dobe­ ran nach Streichung der Gelder 1934 wieder geschlossen werden mußte, un­ terstützte Himmler gemeinsam mit Richard Walther Darre die Einrichtung einer neuen Ausstellung „Der Lebensbaum im Germanischen Brauchtum" im Gebäude des Reichsnährstandes.288 Kurz danach mündete die neue Allianz am 1. Juli 1935 in der Gründung des Projektes Ahnenerbe, „Verein zur Erforschung der Geistesurgeschiche". Hier ging Wirth seinen Forschungen zu symbolkundlichen Überlieferungen nach und errang mit der Aufstellung einer Sammlung von Gipsabgüssen prähistorischer Felsbilder aus Bohuslän, die während einer offiziellen Ah­ nenerbe-Expedition angefertigt wurden, auch internationale Anerkennung. 1945 wurde Wirth nach Denunziation durch einen Nachbarn von den US-amerikanischen Truppen für zwei Jahre interniert. Nach seiner Freilassung als „Mitläufer" zog es ihn für einige Jah­ re nach Schweden. Bereits 1954 kehrte er jedoch in seine alte Heimat Marburg zu­ rück, wo er als Privatgelehrter lebte. Trotz seiner negativen Erfahrungen mit dem NSDAP-Parteiapparat trat er anläßlich sei­ ner Wiedergutmachungsklage wegen des Verlustes seiner Professur im 3. Reich aus Überzeugung auch öffentlich für seiner Ansicht nach richtige Aspekte des Dritten Reiches ein, weshalb er die Klage verlor und von verschiedener Seite als unverHerman Wirth in Skandinavien 286 Entgegen der weit verbreiteten Ansicht stand Himmler - anders als Alfred Ro­ senberg - der Betonung der bedeutenden Rolle des Weiblichen in der germanischen Urgeschichte positiv gegenüber, exemplarisch findet sich dies in der Schrift des Himmler beratenden Weisthors, „Die Maidenschaft'' (Hagal Nr. 8/1935). 287 Im Frühsommer 1934fand auf Vermittlung der frühgeschichtlich interessierten von Leers in deren Haus das erste Treffen zwischen Wirth, Darre, Himmler und Wiligut/Weisthor statt; vgl. Pringle (2006), S. 55. 288 Nach Wiwjorra (1995), S. 105. 97

besserlicher „Nazi-Anhänger" eingestuft wurde.289 Dennoch erhielten seine Lehren über „mütterlich geprägte Urkulturen" in den 1970er Jahren Reso­ nanz in der sich entwickelnden Alternativszene und in Unterstützergruppen für die nordamerikanischen Ureinwohner.290 1974 errichtete die Ur-EuropaGesellschaft in Fromhausen/Horn, in der Nähe der Extemsteine, eine kleine­ re Ausstellung mit über 700 Ausstellungsobjekten. Da die Ausstellungsfläche jedoch nicht genügend Raum für alle Exponate Wirths bot, kam es zu Plänen für eine größere Ausstellung in Thallichtenberg. Auf Vermittlung des WirthSchülers und SPD-Mitgliedes Roland Häke besuchte Willy Brandt 1979 Wir­ th in Marburg und die Rheinland-Pfälzische Landesregierung unterstützte zeitweise ein Projekt, in Kusel ein Museum mit der ethnographischen Samm­ lung Wirths einzurichten. Aufgrund einer gezielten Denunziationskampagne gegen Wirth, bei der auch die Zeitschrift „Der Spiegel" eifrig mitwirkte,291 zog sich die Landesregierung trotz vorhergehender Zusagen über 1,5 Mio Mark zurück.292 Alternativ kam es 1979 stattdessen zu einer kleinen „OsterMaien" Ausstellung in Thallichtenberg, wohin Wirth nach dem Tod seiner Gattin 1979 übergesiedelt war. Die Behauptung, derzufolge Wirths historische und ethnographische Thesen „von der wissenschaftlichen Fachwelt einhellig abgelehnt" wurden und werden und „.. durch keinerlei Quellen belegbar (sind)",293 ist allerdings falsch: So erlebte die von Wirth in Übereinstimmung mit Forschern wie Balgangadhar Tilak und anderen vertretene Auffassung, Grönland bzw. der arktische Raum sei ein wichtiges Ursprungsgebiet des nordischen Menschen gewesen, in den letzten Jahren einen neuen Aufschwung.294 Ebenso wurde unlängst die Existenz der von Wirth postulierten „UrSchrift" erhärtet: Die Forscherinnen April Nowel und Genevieve von Petzinger haben in einer im April 2009 auf dem Treffen der Paläanthropologischen Gesellschaft in Chikago präsentierten Studie festgestellt, daß an verschiedenen altsteinzeitlichen Fundstätten auftauchende Symbolzeichen eine frühe Form rudimentärer Schrift sein könnten. Wie die Mitarbeiter der Universität von Victoria in British-Columbia (Kanada) mitteilten, weisen die teilweise komplex gestalteten Zeichen sowie ihre an verschiedenen Orten nachweisbare Existenz auf eine frühe Kommunikationsform hin, die sich weltweit ausbreitete. Angefertigt wurden die insgesamt 26 verschiedenen 289 Vgl. Wirth (1960), S. 50; 290 Vgl. Löw (Karriere). 291 Der Spiegel 40/1980. 292 Bischoff (1981), S. 15; zur ganzen Affäre, siehe Häke: (1981), S. 55 ff. 293 So Wikipedia: Herman Wirth. 294 Unter http://www.zillmer.com/index2.htmfindet sich beispielsweise eine Auf­ listung von Indizien für eine teilweise eisfreie Arktis im Jungpaläolithikum.

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Zeichen - darunter Hände, Linien, Spiralen, Rauten usw. - in der Zeitspan­ ne zwischen 35 000 und 10 000 v. Zw. zumeist innerhalb bekannter Höhlen oder an Felswänden, wie etwa im südfranzösischen Chauvet oder in der Les-Trois-Freres Höhle in den Pyrenäen. Hier in Südfrankreich lokalisierten die Forscherinnen auch das früheste Auftreten der Zeichen, obgleich sie eine frühere Entstehung und zeitgleiche Ausbreitung mit dem modernen Men­ schen von Afrika ausgehend, nicht ausschließen wollen. Mit den Forschungsergebnissen werden auch die Erkenntnisse Wirths unterstützt, der bereits in seinem 1928 erschienenden Werk „Der Auf gang der Menschheit" von einer weltweiten Verbreitung einer altsteinzeitlichen Schriftform ausging, welche teilweise die gleichen Symbolzeichen enthält, wie die nunmehr im Rahmen der Studie vorgestellten.295 So mag man in der Bilanz durchaus Günter Bischoffs anläßlich der To­ tenfeier für Wirth geäußerten Worten beipflichten, daß nämlich Wirth „wil­ lens (war),einer fest gefahrenen Kathederwissenschaft in ihrer Unkenntnis und im Nichtwissen um das nicht beachtete Denkmälermaterial, wieder neues, ehedem altes Leben einzuhauchen. Ruht doch darin allein urgeschichtliche-geistige Überlegung, um nun auf diesem Wege den Vorstellungen um einen unpersönlichen, einst ge­ dachten Weltengott, Weltengeist,der als Ur-Vorstellung einer Urgemeinschaft ge­ schaut , gedacht und als solcher verehrt worden ist, wieder nahe zu kommen."296

Weltweite Verbreitung von Zeichen, die bereits Herman Wirth erkannt hatte; New Scientist 295 Siehe Trojaburg 2/2010, S. 5; Quelle: Newscientist, 20.02.2010. 296 Bischoff (1981), S. 3.

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4.

Indogermanisches Weistum statt „Germanentümelei"? Walther Wüst & der kommende SS-Glaube

„Das müßte ein Hundsfott sein, der als echter Nationalsozialist eine wissenschaftliche Fund­ grube, wie wir sie im Schrifttum der alten Arier zur Verfügung haben, nicht dem Nationalsozi­ alismus zur Verfügung stellte. Das ist lebens­ wichtig für uns und deswegen müssen wir uns zwangsläufig damit beschäftigen."297

4.1. Männerorden statt Urmuter chon zwei Jahre nach Gründung des Ahnenerbe sah sich Himmler zu einem radikalen Kurswechsel seines Institutes genötigt. Bereits 1936 war Herman Wirth wegen mangelhafter Verwaltung des knapp gefaß­ ten Finanzbudgets des Vereins in die Kritik geraten. Sein Forscherdrang überwog das kaufmännische Geschick um Längen. Gleichzeitig mehrte sich die Kritik an Wirths Auffassung über die grundsätzliche Ausrichtung des Ahnenerbe. Doch Herman Wirth war kein Forscher, der bereit war, seine Erkenntnisse bedingungslos einer politischen Doktrin zu unterstellen, was zwangsläufig zu Kontroversen führen mußte. Die Differenzen mit Vertre­ tern eines neuen Kurses des Ahnener­ be, der sich stärker an den politischen Erfordernissen der NSDAP orientie­ ren sollte, wurden schließlich unüber­ brückbar; Wirth wurde als Präsident des Ahnenerbe durch den Orienta­ listen und späteren Dekan der Mün­ chener Universität Walther Wüst er­ setzt und fungierte lediglich noch als „ Ehrenpräsident". Während die Forschung als Be­ gründung für diesen Schritt für ge­ wöhnlich dem Ahnenerbe-Experten Michael Kater folgte, erweisen sich die Gründe als weitaus vielschich­ tiger. Kater hatte argumentiert, „daß Wirth in den Augen der Fachwelt doch viel „Haus Atlantis" in der Böttcherstraße

S

297 Wüst (1936).

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Lächerliches anhaftete, war Himmler im Grunde peinlich, und je eher er den Geistesurgeschichtsforscher, dessen brü­ chiges Renomee beizeiten auch auf das Ahnenerbe abfärben mußte, durch einen allerseits akzeptierten Mann ersetzen konnte, desto besser."298 Dementsprechend dominiert innerhalb der Li­ teratur als Motiv der Ablösung Wirths, der Ver­ such, die Reputation des Ahnenerbe zu verbessern - zumeist mit dem irrigen Verweis auf das Eintreten Wirths für die Echtheit der Ura-Linda-Chronik, als vermeintlichem Auslöser für Himmlers Entschei­ Ludwig Roselius dung gegen Wirth.299 Ausschlaggebend für diese Entscheidung Himmlers waren tatsächlich jedoch verschiedene Faktoren. Zum einen war Wirth als Forscher „mit Leib und Seele" wenig den organisatorischen Angelegenheiten zugeneigt, die sich ebenfalls mit der Position als Präsident eines offiziellen Forschungs­ institutes verbanden. Schon immer hatte Wirth Probleme, sein finanzielles Budget angemessen zu verwalten, was nach dessen kostspieliger, im offi­ ziellen Rahmen des Ahnenerbe erfolgten Skandinavien-Fahrt zur Erstel­ lung von Gipsabgüssen von Felsbildern 1936 den Zorn Himmlers herauf­ beschwor, der seinem Präsidenten vorwarf, damit das Ahnenerbe „an den finanziellen Ruin" zu treiben.300 Daneben spielte auch Himmlers generelles Bemühen eine Rolle, „sein" Ahnenerbe-Institut wissenschaftlicher auszu­ richten, wozu als Präsident unbedingt eine wissenschaftlich integre Person gefunden werden mußte. Letztendlicher Auslöser der „Kaltstellung" Wirths war jedoch - worauf insbesondere Gert Simon hinwies301 - die Kritik von höchster Stelle. Diese erfolgte in Form einer Rede Adolf Hitlers gegen die Begleiterscheinungen der allerorten hervorbrechenden Germanenbegeiste­ rung. Im September 1936 ging Hitler mit den sogenannten Romantisierern hart ins Gericht: „Wir haben nichts zu tun mit jenen Elementen, die den Natio­ nalsozialismus nur vom Hörensagen kennen und ihn daher nur zu leicht verwech­ seln mit undefinierbaren nordischen Phrasen und die nun in einem sagenhaften Atlantischen Kulturkreis ihre Motivforschung beginnen. Der Nationalsozialismus 298 Kater (2006), S. 41. 299 So etwa Trimondi (2002), S. 39 und http://www.bundesarchiv.de/oeffentlichkeitsarbeit/bilder_dokumente/01831/index-5.html.de; Katholing (1999), S. 13, ver­ weist dagegen zurecht darauf, daß gerade dieses Eintreten erst den Ausschlag für Himmler gab, Wirth als Präsidenten zu nominieren. 300 Vgl. Pringle (2006), die beschreibt, wie bereits das Budget der SkandinavienExpedition Wirths knapp kalkuliert wurde und Wiwjorra (1995), S. 106. 301 Simon (Himmlerbibel), S. 10.

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lehnt diese Art von Böttcherstraßen-Knltur schärfstens ab." Damit richtete sich der Reichskanzler sowohl gegen den Bremer Kaufmann Ludwig Roselius als auch gegen dessen Protegee Herman Wirth. Roselius hatte 1931 in der Bre­ mer Böttcherstraße sein künstlerisch umstrittenes Haus Atlantis vom Archi­ tekten Bernhard Hoetger errichten lassen. 1933 und 1934 rief Roselius eine Reihe bedeutender Forscher und Historiker zu „Thing-Veranstaltungen" nach Bremen, darunter auch den italienischen Autoren Julius Evola sowie Walther Wüst, die beide 1934 sprachen. Doch bereits das Thing 1933 sorg­ te durch die Rede Herman Wirths, der zugleich die in Bremen gastierende Ausstellung „Der Heilbringer" eröffnete, für Kontroversen, die darin gipfel­ ten, daß zwei Forscher die Veranstaltung vorzeitlich verließen.302 Besonderen Anstoß nahmen „NS-treue" Gefolgsleute auch an architektoni­ schen Umsetzungen, wie etwa der „schauerlichen" Odin-Jesus-Skulptur am Portal des Hauses Atlantis, die auf Wirths Lebensring-Jahresrad Bezug nahm.303 Die Polemik Hitlers versetzte jedenfalls den „treuen Heinrich", wie Himmler in Anspielung auf seine Verbundenheit mit Hitler ironisch ge­ nannt wurde, in höchste Alarmstimmung. Damit waren bereits im Herbst 1936 die Weichen für den Wechsel gestellt, denn ein Wort Hitlers hatte in Himmlers Empfinden immer auch den Ton eines Befehls. Bislang hatte Hit­ ler Himmlers Privatforschungsattitüden stets toleriert, obgleich seine privat geäußerte Ablehnung der Ausgrabung „germanischer Lehmhütten" von Zeit zu Zeit offenkundig wurde: „Nicht genug, daß die Römer schon große Bau­ ten errichteten, als unsere Vorfahren noch in Lehmhütten hausten, fängt Himmler nun an, diese Lehmdörfer auszugraben.''304 Nunmehr sah sich Himmler im Zugzwang gegenüber seinem Dienst­ herren, mit dem Ahnenerbe für die Partei verwertbare Ergebnisse zu prä­ sentieren. Dies sollte zum einen mit der Steigerung der internationalen Re­ putation des Vereins, zum anderen mit der Änderung der Ausrichtung, hin zur Erforschung des Indogermanentums erfolgen. Neben Himmlers Zweifeln an der Eignung Wirths zur Verbesserung der Re­ putation des Ahnenerbe, spielte auch dessen fragliche Verwendung zur Kon­ struktion eines religiös-mythischen Unterbaus der SS eine Rolle. Zwar verstand Himmler die SS nicht als reinen Männerorden, sondern als Familienorden, den302 So Lutzhöft: Der nordische Gedanke, zit. nach Strohmeyer (1993), S. 62. 303 Artikel in der SS-Zeitung Schwarzes Korps vom 24. Oktober 1935, zit. nach Strohmeyer (1993), S. 72; auch Wirth empfand übrigens die Skulptur als wenig gelungen, was seine „Mithaftung" indes nicht verhinderte. 304 Nach Speer (1976), S. 108; allerdings muß dieses Zitat hinterfragt werden, denn der Autor nimmt es auch an anderen Stellen nicht so genau mit der Wahrheit; daß Hitler in der Öffentlichkeit durchaus den Wert des „Germanentums" anerkann­ te, beweist seine Rede vom 5.12.1934; siehe Lund (1995), S. 103.

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noch war die Ausrichtung auf das männerbündische Prinzip nicht zu leugnen. Exemplarisch dafür stehen Himmlers Überlegungen zur Er­ laubnis einer Mehrehe für den SS-Mann. Nach seinen Überlegungen sollte der SS-Mann neben seiner Frau auch weitere Frauen nehmen dür­ fen, sofern sich damit auch die Zeugung weite­ rer Kinder verband. Auch wenn der Vorwurf absurd ist, Himmler selbst hätte getreu dieser Überlegung eine weitere Frau genommen - tat­ sächlich trennte er sich von seiner ersten Frau Magda aufgrund persönlicher Differenzen be­ vor er eine neue Frau heiratete - so wäre den­ noch eine tatsächliche Umsetzung durchaus Prof. Walther Wüst denkbar gewesen. Folgerichtig stand Wirth, dessen stark mutterrechtlich beeinflußte Vorstellung einer Ur-Religion, die der Reichsführer SS zu Beginn als möglichen langfristigen Ersatz des Christentums betrachtet haben mag, dem Ordensgedanken der SS im Weg. Verschiedene Autoren haben die religionspolitischen Pläne Himmlers als „Renaissance eines heidnischen Glaubens"305 verkannt, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht. „Heinrich Himmler hatte erkennen müssen, daß eine Restaurierung des germanisch-religiösen Lebens aus den vielen Sekten und Bünden, die meist auf den Lehren des Wieners Guido von List und der Edda fußten, keine für die SS und das deutsche Volk verbindliche Religion zu schaffen war", wie bereits Rudolf Mund bemerkte.306 Mangels schriftlicher germanischer Quellen und eingedenk der Unbrauch­ barkeit der gut überlieferten Verhältnisse der spätgermanischen Zeit aufgrund ihrer diffusen Vielgötterwelt, wendete sich Himmlers Bück schließlich auf die indogermanischen Vettern der Frühgermanen: Die Indoarier. Damit richtete sich Himmlers Fokus zugleich auf einen Mann, der trotz seines jungen Alters als Koriphäe auf diesem Gebiet galt und überdies bereits als SS-Mann dem Ahnen­ erbe Schützenhilfe geleistet hatte: Walther Wüst (1901-1993). Neben seiner Verteidigung der Ura-Linda-Chronik als „im Kern echt" anläßlich der be­ reits erwähnten Podiumsdiskussion, erregte er insbesondere mit seiner viel­ beachteten Rede „Des Führers Buch Mein Kampf als Spiegel arischer Welt305 So vor allem die wenig differenzierenden US-Autoren; vgl. etwa Levenda: „Himmlers dream was to create, out ofthe SS, a new religion based on the pagan elements ofwhat he percieved to be the original, Ur-aryan religion ofancient India and Europe"; S. 215. 306 Mund (2011), S. 148

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308 anschauung" nicht nur das Interesse Himmlers.307 Wüst war in Vielem fast das Gegenteil von Wirth - pedantisch, organisatorisch perfektionistisch und vor allem wissenschaftlich ausgerichtet und als solcher auch im Ausland an­ erkannt. Mit Anfang 30 verfügte er bereits über einen eigenen Lehrstuhl an der Universität München. Die Berufung von Wüst versprach nicht nur eine bessere Reputation des Ahnenerbe, sondern auch neue Ansätze zur Kreie­ rung eines tatsächlichen „SS-Glaubens", der aus den Ur-Quellen schöpfte. Auch im Kreise der NS-Führerschaft genoß der Wissenschaftler Wüst ho­ hes Ansehen. Anläßlich der Ernennung Wüsts zum Rektor der Münchener Universität führte Gauleiter Wagner aus, daß dieser „zu den wenigen Gelehr­ ten gehöre, die das Wissen über Leben, Geist, Kultur der ältesten Arier bewußt aus den lebendigen nationalsozialistischen Voraussetzungen heraus erforschen und für die geistige Formung unseres Volkes nutzbar machen."303 Diese neue Ausrichtung stellte die Weiche für die geistige Unterfütterung des Anspruchs des neuen Deutschlands, das gemeineuropäische Erbe des Indogermanentums anzutreten. Der zunehmenden Kritik Wüsts an Wirths fortgesetzten Forschungen und Vortragsveranstaltungen, schlossen sich auch Wirths einstige Schüler und Anhänger Wolfram Sievers und Joseph Otto Plassmann an. 1939 wurde Wirth, der nicht daran dachte, seine öffentlichen Äußerungen den politischen Erwartungen unterzuordnen, mit einem Vor-

Walther Wüst während der Rede: „Des Führers Buch Mein Kampf', 1936. 307 Vortrag 1936; Wüst, ed. nach Simon, S. 1; die Parteinahme Wüsts für Wirth im Ura-Linda-Streit verdeutlicht erneut die Unhaltbarkeit der Behauptung, dieser Streit hätte Wirths Ende im Ahnenerbe besiegelt. 308 Zitiert nach Trimondi (2002), S. 40.

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trags- und Lehrverbot belegt Doch hielt dieser mit der Kritik an der neuen Ausrichtung „seines" einstigen Vereins nicht hinter dem Berg. Insbesondere kritisierte Wirth die Abkehr vom alteuropäischen Mütterglauben und warnte eindringlich vor der „männerbündlerischen Richtung", die Wüst vorschweb­ te und den „Schwarzen Orden" Himmlers fortan kennzeichnen sollte.309 Die Spannungen zwischen Wirth und Wüst führten schließlich im Dezember 1938 zum offiziellen Austritt Wirths, nicht ohne daß Himmler mit dem Gelehrten in Kontakt blieb und für finanzielle Forschungsbeihilfen sorgte. Unrühmlich war in diesem Streit vor allem die Rolle Wolfram Sievers, dem als früheren Sekretär Wirths die gesamte administrative Leitung des Ahnenerbes oblag. Er stellte sich gegen seinen einstigen Förderer und blieb auf seinem Posten. Daß Sievers trotz seiner persönlichen Kritik an seinem einstigen Vorgesetz­ ten zumindest dessen Arbeit fachlich würdigte, beweist jedoch ein Schreiben des Geschäftsführers an Plassmann, mit der Vorgabe den Forscher Wolfgang Krause wegen der Unterschlagung der Forschungen Wirths innerhalb eines Aufsatzes Krauses zu tadeln.310 Das im März 1937 neu organisierte Kuratorium des im November 1936 dem Persönlichen Stab RF-SS angegliederten Ahnenerbe umfaßte seitdem fol­ gende Mitglieder: 1. Reichsstatthalter Gauleiter Dr. Alfred Meyer, Münster/ 2. SS-Standartenführer Erwin Metzner, Berlin, Siegelbewahrer des Reichsbau­ ernrates / zum Präsidenten: SS-Hauptsturmführer o. Univ.-Prof. Dr. Walther Wüst, Dekan der philosophischen Fakultät der Universität München / zum stellv. Präsidenten: SS-Standartenführer Dr. Wilhelm Kinkelin, Berlin, Haupabteilungsleiter im Stabsamt des Reichsbauernführers / zum Reichsgeschäfts­ führer: SS-Untersturmführer Wolfram Sievers, Berlin. Der stellvertretende Kurator war wie bisher SS-Brigadeführer Dr. Hermann Reischle, Berlin, Stab­ samtsführer im Reichsnährstand. Außerdem hat der Reichsführer-SS den SSObersturmbannführer Prof. Dr. Herman Wirth, Marburg, als Mitbegründer des „Deutschen Ahnenerbes" zum Ehrenpräsidenten ernannt.311

4.2.

Walther Wüst und die Reform des Ahnenerbe

Der 1901 in Kaiserlautern geborene Wüst war ein sprachliches Multita­ lent: Während seines 1920 am Arischen Seminar der Universität München begonnenen Studiums erlernte er Gotisch, Mittelhochdeutsch, Sanskrit und Pali (altpersisch). Weitere Studienschwerpunkte bildeten die indogerma­ nische Sprachwissenschaft, die vergleichende Religionswissenschaft sowie deutsche und englische Geschichte. Seine Promotion schloß der gebürtige 309 Siehe dazu Neumann (Begegnung). 310 Schreiben Sievers-Plassmann v. 6.7.1938; Archiv Verfasser Nr. 12. 311 Vgl. Wüst (1937); siehe auch Kater (2006), S. 456.

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Wüst und Himmler in Quedlinburg - in der Kritik: Yro v. Grönhagen, Theodor Weigel Pfälzer in Indischer Philologie und den Nebenfächern deutsche und engli­ sche Philologie mit einer Dissertation über den „Schaltsatz im Rigveda" im Jahre 1923 mit der Bewertung „Summa cum laude" ab.312 Drei Jahre später hatte er bereits seine Habilitation absolviert und wurde als „Privatdozent" noch ohne eigene Universitätsprofessur - zugelassen. Während seines Studium besuchte Wüst auch Vorträge des als Honorar­ professor an der Münchener Uni tätigen Geopolitikers Karl Haushofer, für dessen Zeitschrift der junge Indologe auch Artikel verfaßte. Haushofer war es auch, der dem zum 1. Mai 1933 mehr aus Überzeugung denn aus Op­ portunismus der NSDAP beigetretenem Forscher 1935 Schützenhilfe bei der Ernennung zum Ordinarius des Lehrstuhls für arische Philologie und bei dessen späterem Eintritt in die Deutsche Akademie gab. 1934 wurde Wüst auch Vertrauensmann des SD der SS worauf eine Beru­ fung als Vermittler zwischen Schwarzen Korps und der Universität folgte. 1935 stieg der Indogermanist nicht zuletzt durch die tatkräftige Unterstüt­ zung verschiedener nationalsozialistischer Fürsprecher vom Privatdozenten zum ordentlichen Professor des Lehrstuhl für Arische Philologie (seit Wüsts Amtsübernahme firmierte dieser als „Arische Kultur- und Sprachwissen­ schaft") an der Uni München auf. Wenige Monate zuvor war er bereits zum kommissarischen Dekan der Philosphischen Fakultät ernannt worden.313 Im März 1941 wurde Wüst schließlich Rektor der Universität München. Seinen ersten Kontakt mit Himmler hatte Wüst derweil 1936 über Wolf­ ram Sievers, noch im gleichen Jahr konnte er sich erstmals dem Ahnenerbe empfehlen. Richard Walther Daree hatte sich bezüglich des Wortes „Odal" an den Sprachforscher gewandt, der diesem ein erstmaliges Auftauchen in 312 Vgl. Schreiber (2008), S. 29 f 313 Schreiber (2008), S. 66 f.

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der Bedeutung von „Erbhof" für 2000 v.Zw. bescheinigte.314 Bereits 1929 hatte sich Wüst kritisch gegen­ über Wirths Aufgang der Menschheit geäu­ ßert und vor allem dessen gewagte Sprach­ vergleiche bemängelt. Dennoch bescheinigte er dem Werk, in überarbeiteter und gekürz­ ter Fassung, insbesondere nach Rückname des „religiös-kämpferischen" Tons, eine der „Wissenschaft dienliche Funktion.315 Nach dem Machtwechsel fiel Wüsts Bewertung der Wirthschen Arbeit deutlich positiver aus. So zählte Wüst zu den Verteidigern des echten Quellenkerns der Ura-Linda-Chronik auf der bereits erwähnten Podiumsdiskussion. In sei­ nem dortigen Vortrag forderte Wüst eine „kri­ Festschrift anläßlich der „Salz­ tische Herausgabe" des Werkes um den „alten burger Wissenschaftswochen" Kern herauszupräparieren. Daß er in diesem Zusammenhang die Arbeit Wirths, den er we­ nige Jahre zuvor noch kritisiert hatte, als untadelig bezeichnet, weckt beim Wüst-Biographen Maximilian Schreiber den Verdacht des Opportunismus.316 Allerdings hielt Wüst seinen Kampf für die Echtheit des Quellenkerns der ULH auch noch nach seinem Eintritt in das Ahnenerbe 1936 aufrecht und be­ faßte sich gemeinsam mit seinem ehemaligen Lehrer Otto Mausser tatsächlich mit einer kritischen Neuausgabe der Chronik. Der Tod Maussers kurz danach verhinderte jedoch eine Umsetzung dieser Pläne.317 Im Juni 1936 hielt Wüst im Audimax der Münchener Uni seine Rede „Des Führers Buch mein Kampf als Spiegel indogermanischer Weltanschauung", in welcher er Hitler mit Buddha verglich und die gemeinsamen Rassegrundlagen beider betonte, die über Jahrtausende ähnliche Verhaltensweisen begründen würden.318 Der anwesende Ahnenerbe-Generalsekretär Sievers berichtete von 314 Vgl. Kater (2006), S. 43 f; sowie Schreiber (2008), S. 49; eine Publikation mit dem Namen Odal veröffentlichte 1936 Johannes von Leers, der Wirth mit Himmler bekannt gemacht hatte. 315 Siehe Wüst (1929); vgl. dazu Schreiber (2008), S. 45 f. 316 Schreiber (2008), S. 47f. 317 Vgl. Schreiber (2008), S. 49; vgl. auch Brief Himmler an Eckhardt vom 25.2.1937, in dem der RF von seinem Auftrag an Prof. Mausser berichtet, bei Heiber (1970), S. 56. 318 Vgl. Schreiber (2008), der eine von Wüst gezogene Koninuitätslinie von den Ariern über die Römer und Germanen bis zum Nationalsozialismus als „unwissen­ schaftlich und unhaltbar" bezeichnet; S. 153.

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anschließenden minutenlangen Ovationen. Grund genug, Wüst von Seiten des Ahnenerbe um eine Wiederholung dieses Vortrages vor SS-Männern zu bitten. Wüst kam diesem Ansinnen im Winter 1936/37 in insgesamt 13 Städten nach. Zwei Jahre bevor Himmler Wüst nicht zuletzt als Dank für seine Schützenhil­ fe für das Ahnenerbe im Oktober 1936 zum Leiter der Ahnenerbe-Forschungs­ abteilung für Wortkunde ernannte, war Wüst noch auf dem ersten nordischen Thing des Wirth-Freundes Ludwig Roselius als Redner aufgetreten.319 Zwei Jah­ re später war der Frühgeschichts-Kreis um den Bremer Kaufmann ebenso wie Herman Wirth von höchster Stelle ins Visier geraten und Wüst verbat sich ange­ sichts seiner Ahnenerbe-Tätigkeit eine Unterstellung unter Herman Wirth.320 Im Februar 1937 erfolgte dann die offizielle Ablösung Wirths als Präsident durch Wüst, der erst in diesem Jahr offiziell der SS beitrat. Fortan galt Wüsts Streben, die Indologie „fruchtbar zu machen, für den nati­ onalsozialistischen Staat".321 Diesbezüglich führte er im März 1937 aus: „Wir lassen nicht mehr jene lebensfremde und unserem Sein feindliche Irrlehre gelten, daß wir „Menschen" oder „Kulturmenschen" erst durch den Einbruch einer fremden Weltanschauung und Staatsauffassung geworden seien; daß die eigenen Ahnen, von denen uns kaum dreißig bis vierzig Geschlechterfolgen trennen, gewis­ sermaßen nur die eine Hälfte unseres Wesens hergegeben haben, während die ande­ re, und zwar die bessere, uns von irgendwelchen fremden Sendlingen aufgepfropft und zum untrennbaren Bestandteil unseres Wesens gemacht worden sei. Weil wir das ablehnen und weil wir dagegen mit aller Entschiedenheit die Bluts­ und Geisteseinheit aller Geschlechterreihen bejahen, darum verwerfen wir auch jene ausgeklügelte Lehrmeinung, daß wir „Deutschen" etwas ganz anderes sein sollen als die „Germanen“ von denen wir Deutschen abstammen, und daß den Deutschen vom Germanen grundlegende und wichtige, angeblich neu hinzugekommene We­ sensbestandteile scheiden. Mit solchen befangenen und böswilligen Behauptungen soll ja nur erreicht werden, daß der Deutsche die Einheit des Blutes vergißt und seine geistige und seelische Heimat überall anderswo suchen soll, nur nicht bei sei­ nen eigenen Ahnen. Und damit soll das Wort „deutsch" seines eigentlichen rein germanischen Inhaltes beraubt und im eigentlichen Sinne bastardisiert und das deutsche Volk auf eine Stufe mit solchen Völkern gestellt werden, von denen man sagen kann, daß sie weder Römer, noch Gallier, noch Germanen, sondern ein neues Erzeugnis aus der Retorte der Weltgeschichte seien. Für uns ist das Ahnenerbe eine blutsmäßige, geistige und seelische Tatsache, die alle Geschlechterreihen umfaßt, die ,deutschen', die germanischen' und darüber hinaus jenes Urvolk, daß wir als,Indo­ germanen' bezeichnen. Unser Ahnenerbe reicht also weit hinaus über jene Zeit, die man in willkürlicher Verengung des Begriffes als die „deutsche" bezeichnet; es um­ 319 Wüst (1934), S. 155 ff. 320 Kater (2006), S. 61. 321 Schreiber (2008), S. 71.

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faßt alle geistigen und seelischen Werte, die als Erbteil des Blutes von jenem Urvolk und seinen Abzweigungen im Laufe der Jahrtausende geschaffen worden sind. Als Bewohner und Bewahrer des indogermanischen Kernlandes erheben wir Anspruch auf die gesamte Erbmasse, die je aus diesem Kernlande in die Welt hinausgetragen worden und im Spiegel der indogermanischen Sprache und Kultur und der davon beeinflußten Sprachen und Kulturen wiederzuerkennen ist. “322 Trotz seiner unbestrittenen wissenschaftlichen Reputation wird Wüst al­ lerdings auch kritisch gesehen: Fachlich warf man Wüst vor, sein groß ange­ kündigtes „Wörterbuch des Altpersischen", das in der ersten und einzigen Lieferung lediglich drei Begriffe enthielt, als wissenschaftliches Feigenblatt verwendet zu haben. Tatsächlich jedoch bestätigen Zeitzeugen den großen Aufwand, den Wüst hierfür betrieb. Sein seit 1924 kontinuierlich anwach­ sender Zettelkasten, auf dem Einträge und Querverweise gesammelt wur­ 324 den, soll auf über 200.000 Zetteln 2 Millionen Einträge aufgewiesen haben.323 Daß die erste Lieferung dennoch mager ausfiel, lag vor allem an der um­ fangreichen Bibliographie und Einleitung - durch den Verlust der Arbeiten während des Krieges konnte das arbeits- und kriegsbedingt nicht fortgesetz­ te Wörterbuch dann auch nach dem Krieg nicht erscheinen. Von einigen Au­ toren wird Wüst zudem als der klassische Fall des Schreibtischtäters charak­ terisiert, der der nationalsozialistischen Weltanschauung zu universitären Weihen verholten habe. Diesbezüglich stellte Maximilian Schreiber in seiner Wüst-Biographie richtig, daß dieser zwar „seine eigene Fachwissenschaft für politische Zwecke instrumentalisierte", jedoch bemüht war, „den wissenschaftli­ chen Qualitätsanspruch der Universität weiterhin zu bewahren",32i Dazu zählte auch, daß er sich für die Autonomie der Hochschule gegen zu große Einflüsse der politischen NS-Stellen ebenso einsetzte, wie für Mit­ glieder des Lehrkörpers, die wegen „defätistischer Äußerungen" oder ihrer Abstammung von Parteinstitutionen verfolgt wurden.325 Unter Wüsts Dekanat konnten begabte junge Wissenschaftler der SS wie Rudolf Till, Franz Dirlmeier, Otto Höfler oder Fritz von Rintelen vorzeitig Karriere machen, Wissenschaftler, die er allerdings für ungeeignet hielt, ver­ hinderte er dagegen, selbst wenn es sich um SS-Angehörige handelte. Seine akademischen Prinzipien übernahm Wüst auch für das Ahnenerbe, in dem er im Februar 1937 offiziell den Präsidenten Herman Wirth ablöste. Seine ersten Amtshandlungen zielten darauf, die Arbeit des Ahnenerbe zum einen auf eine breitere Basis zu stellen, zum anderen strenger wissenschaft­ lich auszurichten. Fortan galt als Ziel der Organisation, „Raum, Geist und Tat 322 Wüst (1937). 323 So Schreiber (2008), S. 34. 324 Schreiber (2008), S. 352. 325 Ebenda, S. 352 f.

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des nordischen Indogermanentums zu erforschen, und die Ergebnisse in klarer, einfa­ cher Form dem deutschen Volk zu vermitteln". Die Durchführung dieser Aufgabe sollte unter Anwendung „exakt-wissenschaftlicher Methoden zu erfolgen" ha­ ben.326 Tatsächlich gelang es, weitere renommierte Forscher für das Ahnenerbe zu gewinnen, darunter den bekannten Archäologen Herbert Jankuhn und die von ihm schon an der Universität München protegierten Altertumswissen­ schaftler Franz Dirlmeier sowie Rudolf Till. Auch Victor Christian, ein aner­ kannte Wiener Frühgeschichtler, stieß später zum Kreis der Vorzeige-Wissenschaftler des Ahnenerbe. Ein Sponsorenkreis wurde ebenfalls eingerichtet: Der „Freundeskreis Heinrich Himmler", dem Wüst gemeinsam mit Ernst Schäfer und Wolfram Sievers seit Juni 1942 bis Mitte 1944 als Repräsentant des Ah­ nenerbe angehörte,327 sorgte fortan für eine bessere Finanzierung der hochge­ steckten Ziele des Vereins, auch wenn dadurch noch nicht alle Pläne Himmlers finanziert werden konnten. Nach fortgesetzten Meinungsverschiedenheiten zwischen Wüst und dem Ehrenpräsidenten Herman Wirth, der nicht daran dachte, sich an den Maulkorberlaß der SS zu halten, ersuchte er Himmler um die Kaltstellung des Marburger Forschers. Himmler hielt jedoch an seiner sprichwörtlichen Treue gegenüber alten Gefährten fest, denn ein Rücktrittsge­ such Wirths erübrigte eine Entscheidung des Reichsführers. Neben Wirth fielen den strengen Anforderungen des neuen Präsidenten auch andere altgediente Forscher zum Opfer: Wilhelm Teudt lehnte ähnlich wie Wirth eine Unterordnung unter die SS-Interessen ab und mußte gehen. Auf ei­ ner Ahnenerbe-Konferenz 1937 anläßlich der neuen Ausrichtung ließ sich Wüst von den Leitern der Forschungsstätten einen Bericht über die bisherige Tätig­ keit erstatten. Der Deutsch-Finne Yrjö von Grönhagen wurde für seinen Vor­ trag getadelt. Wüst empfahl ihm, seinen wissenschaftlichen Mängeln durch den Abschluß eines Studiums abzuhelfen. Die nicht über eine Promotion in ihren Fachgebieten verfügenden Karl Theodor Weigel (Landschaftssinnbilder) und Karl Konrad Ruppel (Hausmarken) wurden fortan primär als „Materialsamm­ ler" eingesetzt, während die wissenschaftliche Aufbereitung den Fachgelehrten überlassen wurde.328 Durch die Maßnahmen Wüsts, der ab 1939 unter Beibe­ haltung seiner Kompetenzen als Kurator firmieren sollte, schien es eingangs des Schicksalsjahres 1939, in dem das Ahnenerbe offiziell als Dienststelle der SS geführt wurde,329 als sei es tatsächlich auf dem Weg zur wissenschaftlichen Re­ spektabilität330 - wenn es nicht weiterhin Forschungsgebiete gegeben hätte, die 326 Wüst: Das Ahnenerbe, in: Germanien 1/1939, S. 91f. 327 Schreiber (2008), S. 211. 328 So Kater (2006), S. 76; so wurde Ruppel von Prof. Dr. Eckhardt als Leiter der Forschungsstätte für Hausmarken abgelöst und zum Referenten „degradiert". 329 Vgl. Krall (2006), S. 30. 330 So Kater (2006), S. 75; Schreiber meint dagegen, daß es Wüst nicht gelungen wäre,

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trotz Wüsts wissenschaftlicher Ausrichtung auf ausdrücklichen Wunsch des neuen offiziellen Präsidenten Heinrich Himmler beibehalten wurden: Die Er­ forschung der Welteislehre und die Erforschung der sogenannten Geheimwis­ senschaften, auf die noch einzugehen sein wird. Wüst akzeptierte offensichtlich den Kompromiß, einerseits streng wissenschaftlich zu arbeiten, andererseits Rücksicht auf die Wünsche Himmlers zu nehmen.331 1939 wurden in einer Denkschrift des Ahnenerbes die folgenden, „Pflege­ stätten" genannten Abteilungen aufgeführt: Lehr- und Forschungsstätte für332 - Indogermaniscli-arischeSprach- und Kulturwissenschaften (Wüst) - Germanenkunde (erst Teudt, dann Plassmann, danach Schweizer) - Germanische Kulturwissenschaft und Landschaftskunde - Ortung und Landschaftssinnbilder (Schzveizer, danach W. Müller) - Indogermanische Glaubensgeschichte (Huth) - Indogermanisch-deutsche Rechtsgeschichte (Ebel) - Schrift- und Sinnbildkunde (erst Wirth, dann Weigel) - Hausmarken und Sippenzeichen (Ruppel) - Volkserzählung, Märchen- und Sagenkunde (Plassmann) - Germanisch-deutsche Volkskunde (Wolfram) -Ausgrabungen (Schleif) - Germanisches Bauwesen (Rudolph) - Wtirtenforschung (Haarnagel) - Urgeschichte (Böhmers) - Mittlere und neuere Geschichte (Löffler) - Alte Geschichte (Altheim) - Klassische Philologie und Altertumskunde (Till/Dirlmeier) - Den Vorderen Orient (Christian) - Indogermanisch-finnische Kulturbeziehungen (von Grönhagen) - Indogermanisch- deutsche Musikwissenschaft (Quellmalz) Daneben gab es den Bereich der Naturwissenschaften, zu denen Themengebie­ te wie etwa Wetterkunde und Astronomie zählten, welche im Hinblick auf die Erforschung der Welteislehre Hörbigers tätig wurden und rasch an Bedeutung zunahmen. Im Einzelnen waren folgende Abteilungen geplant: - Forschungsstätte für die gesamte Naturwissenschaft (nur theoretisch) - Forschungsstätte für naturwissenschaftliche Vorgeschichte (Schiitrumpf) das Ahnenerbe„in eine emstzunehmende gelehrte Gesellschaft umzuwandeln; S. 207. 331 Vgl. dazu Pringle (2006), S. 121; ebenso Kater (2006), S. 73. 332 Abteilungsleiter in Klammern nach Kater (2006); Ergänzungen nach Koop (2012), S. 233 f.

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- Forschungsstätte für Karst- und Höhlenkunde (erst Steinhäuser, dann Brand) - Forschungsstätte für Biologie (Greite) - Forschungsstätte für Botanik (Frh. von Liltzelburg) - Forschungsstätte für Volksmedizin (vorgesehen: Berg) - Forschungsstätte für Geophysik (Scultetus) - Forschungsstätte für Astronomie in der Sternwarte Grünwald (Fauth) - Lehr- und Forschungsstätte für darstellende und angewandte Naturkunde „Haus der Natur" (Tratz) - Forschungsstätte für Osteologie - Forschungsstätte für Tiergeographie und Tiergeschichte (Anbindung an TibetInstitut, Schäfer) - Forschungsstätte zur Überprüfung der sogenannten Geheimwissenschaften Folgende Abteilungen kamen nach 1939 hinzu: - Lehr- und Forschungsstäte Nordafrikanische Kulturwissenschaft (Rössler) - Lehr- und Forschungsstätte für Mittellatein (Lehmann) - Lehr- und Forschungsstätte für keltische Volksforschung (Mühlhausen) - Lehr- und Forschungsstättefiir Pferdezucht - Lehr- und Forschungsstättefiir Pflanzengenetik - Lehr und Forschungsstättefiir Entomologie (Eduard May) - Lehr- undForscluingsstätte für Innerasien und Expeditionen (Sven-HedinInstitut, Schäfer) - Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung (Plötner/Hirt) - Abteilung Rasseforschung (Heberer) - Abteilung Rassenforschung (H.F.K. Günther) Nicht nur die Zweckforschung, sondern auch die vier davor genannten Ab­ teilungen zeigen dabei einen unverkennbaren Einfluß der anstehenden Kriegs­ erfordernisse. Kater weist jedoch darauf hin, daß einige der aufgeführten Abteilungen (Osteologie, Volksmedizin, Tiergeographie, indogermanisch­ deutsche Musikwissenschaft, Urgeschichte, Wurtenforschung, Geheimwis­ senschaften) lediglich auf dem Papier existierten, da sie nicht „nachgewiesen werden konnten".333 Gerade diese offensichtliche Lücke in der Dokumentati­ on der letztgenannten Forschungsrichtungen, insbesondere in Bezug auf die Geheimwissenschaften, die in der 1939 erschienenden Ahnenerbe-Denkschrift als existent aufgeführt wird und in der Stellenausschreibung 1938/39 eben­ falls erscheint, dürften den Anstoß für zahlreiche Spekulationen innerhalb der „romantisierenden" Sekundärliteratur in dieser Richtung geliefert haben.

333 Kater (2006), S. 113.

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4.3. Das indoarische Erbe: Hauer, Hielscher, Evola & der „SS-Glaube" 1937 ließ Himmler innerhalb seines Persönlichen Stabes eine Denkschrift zur Entwicklung einer artgemäßen Religion und Sittenlehre erstellen, in der es hieß: „Wir leben im Zeitalter der endgültigen Auseinandersetzung mit dem Christentum. Es liegt in der Sendung der Schutzstaffel, dem deutschen Volk im nächsten Jahrhundert, die außerchristlichen arteigenen weltanschaulichen Grund­ lagen für Lebensführung und Lebensgestaltung zu geben."334 Dieser „Ersatz-Glaube" ist trotz mangelnder Selbstdefinition durch ver­ schiedene Überlieferungen Himmlers in Teilen rekonstruierbar. Während - wie bereits erwähnt - viele Autoren von einer „Renaissance heidnischer Rituale" sprechen - gründete sich das Gerüst des, wenn man so will, „SSGlaubens", tatsächlich zu Beginn auf anderen Wurzeln: Nämlich aus der Prämisse eines europäischen oder früh-germanischen „Ur-Glaubens", der mehr mit dem Christentum als der Vielgötterwelt der germanischen Hoch­ zeit zu tun hatte.335 Als wichtige Protagonisten zur Wiederherstellung dieses Urglaubens be­ trachtete Himmler Anfang der 30er Jahre zwei Männer: Herman Wirth mit seiner These eines monotheistischen „Lichtbringerglaubens" der Frühzeit sowie Karl-Maria Wiligut alias Weisthor, der kraft seiner „Erberinnerung" verschüttetes Wissen beitragen sollte. Während letzterer also für die Esote­ rik des Glaubens zuständig war, sollte Wirth das Fundament wissenschaft­ lich absichern. Himmler hatte nämlich erkannt, und war sich darin mit Hit­ ler einig, daß eine Rückkehr zu irgendwelchen, ohnehin schlecht bewahrten heidnischen Glaubensvorstellungen mit dem deutschen Volk, das einem spezifisch deutschen Christentum anhing, nicht machbar sei. Ihm ging es darum, wie auch Rudolf Mund schreibt, „eine durch wissen­ schaftliche Forschung belegbare und durch einen anerkanntenüberlieferungsträger authentisierte Religion - die im Laufe von Jahrtausenden durch die Zeitläufe und eigensüchtige Priesterschaften in Vergessenheit geraten war - wieder ans Licht zu heben. Allein seine Bemühungen um ein gegenseitiges Verständnis zwischen Prof. Herman Wirth und Oberst Wiligut zeigen mit aller Deutlichkeit, daß es ihm nicht darum ging, eine Parteireligion zu schaffen,... sondern zu tatsächlichen, geschicht­ lich fundierten metaphysischen Erkenntnissen zu gelangen."336 334 So erstmals zit. bei Ackermann (1970), siehe Lange (2010), S. 43. 335 Vgl. dazu Hagal, Juli 1934, zit. nach Lange (2010), S. 32: „Im Sinne des irminischen Urglaubens bedeutet die Spätzeit des Germanentums, wie sie uns in der nordischen Überlieferung entgegentritt, den Verfall." 336 Mund (2011), S. 150; S. 99 ergänzt Mund: „Himmler jedoch, der Weisthor über alles verehrte und in ihm den Gründer und Verkünder der uralten, längst verges­

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„SS-Taufweihe" und „Eheweihe" auf der Wewelsburg, ca. 1936

Dabei war es zugleich notwendig behutsam vorzugehen, denn Hitlers Einstellung gegenüber der Religion war ambivalent. Einerseits „Gott-" und „Schicksalsgläubig" sowie die Leistungen der katholischen Kirche bewun­ dernd, spielte er selbst mit dem Gedanken, mittelfristig eine Staatskirche auf evangelischer Grundlage zu fördern.337 Andererseits erwartete Hitler lang­ fristig ein natürliches Absterben der Kirche: "Es ist also nicht zweckmäßig, uns in einen Kampf mit den Kirchen zu verwickeln. Das Beste ist es, das Christentum eines natürlichen Todes sterben zu lassen. Ein langsamer Tode hat etwas Tröstendes an sich. Das Dogma des Christentums wird mit den Fortschritten der Wissenschaft erledigt werden. Die Religion wird immer mehr Zugeständnisse machen müssen. Allmählich werden die Mythen zusammenbrechen. Alles, was noch verbleibt, ist zu beweisen, daß es in der Natur keine Grenzen zwischen dem Organischen und dem Nicht-Organischen gibt. Sobald die Erkenntnisse von dem Universum weit verbrei­ tet sind, sobald die Mehrheit der Menschheit weiß, daß die Sterne keine Lichtquel­ len, sondern Welten sind, vielleicht sogar bewohnte Welten wie die unsrige, wird die christliche Doktrin zur Absurdität verurteilt werden."338 Dabei lehnte Hitler aber strikt eine Rückkehr zum Heidentum ab und war der Ansicht, „daß nichts dümmer wäre, als die Anbetung von Wotan wieder ein­ zuführen. Unsere alte Mythologie hatte ihren Wert verloren, als es vom Christen­ tum verdrängt wurde. Nichts stirbt, wenn es nicht dem Untergang geweiht ist".339 senen germanischen Religion gefunden zu haben glaubte, fühlte die Verpflichtung in sich, diese sich ihm bietende einmalige Gelegenheit, einen Urweistumsträger zu seinen Mitarbeitern zählen zu können, vollkommen auszuschöpfen." 337 Zur Gottgläubigkeit des bis zu seinem Tod in der katholischen Kirche verblei­ benden Hitler siehe u.a. Speer (1976), S. 108 f; hier findet sich auch der im Gespräch geäußerte Satz Hitlers, „die evangelische Kirche könnte durch mich Staatskirche sein, wie in England" (ebenda, S. 109); an anderer Stelle bedauerte er, daß die Germanen nicht islamisiert worden seien, denn dann würden die Germanen heute an der Spitze eines islamischen Weltreiches stehen (ebenda, S. 110). Zur Bewunderung der kath. Kirche vgl. Lange (2010), S. 43: „Die katholische Kirche ist schon etwas großes.“ 338 Hitler zit. nach Picker (1997), S. 241. 339 Ebenda, S. 278.

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Zugleich kritisierte Hitler auch den im „Mythus des 20. Jahrhunderts" pro­ pagierten Vorstoß Rosenbergs zum Aufbau einer mystischen Ersatzreligion auf Blutsgrundlage, als „Rückfall ins Mittelalter“.340 „Das Einschleichen mystisch veranlagter, okkulter Jenseitsforscher", sollte nach Hitler in der Bewegung nicht geduldet werden, denn „an der Spitze un­ seres Programms steht nicht das geheimnisvolle Ahnen, sondern das klare Erkennen und damit das offene Bekenntnis."341 Erfolgsversprechender schien für Himmler daher von Beginn an, eine dem Christentum verwandte, aber mehr der eigenen Art entsprechende Religions­ form ausarbeiten zu lassen, die man zum richtigen Zeitpunkt Hitler unterbrei­ ten konnte. Genau diese fand Himmler nun in Wiliguts Ur-Kristentum, der Sage von der Kreuzigung des Irminen-Gots in Goslar. Mit dieser, vorgeblich ur­ sprünglicheren und arteigenen Version des Christentums, konnte in Himmlers Gedankenwelt das vorderasiatische Christentum mittelfristig ersetzt werden. Wiligut hatte parallel dazu bereits „Regeln zur Herstellung des Ur-Glaubens" erstellt, die seitens des Staates in kluger Aufeinanderfolge nötig" seien: 1. Vollster Denkmalschutz für alle Museen (auch sogenannte private), Kunsterzeugnisse aller Art (insbesondere solche aus vorgeschichtlicher Zeit bis ins 17. Jahrhundert), Bauten, Höhlen, Denksteine, Felsgebilde, Kirchen, Kapellen und Wallanlagen, sowie für alle Funde aus dem Boden. Die Denkmalvorschriften sind wiederholt und regelmäßig im Jahre überall zu verlautbaren. 2. Erfassung aller Kirchenbesitze .... 3. Allmähliche Aufhebung der Klosterschulen ... 4. Allen Berufsausbildungen zu Priestern hat stets die staatliche voranzugehen und darf vor dem 24. Eebensjahr überhaupt nicht angetreten werden! 5. Sodann hat die Auflösung aller männlichen und weiblichen Klöster platzzugrei­ fen... 6. Sodann sind auch die humanitären Zwecken dienenden Anstalten in staatlichen Besitz überzuführen, wobei man anfangs die dortselbst tätigen Personen bis zum Tod beläßt 7. Energische Maßregelung von Geistlichen, die „Proselyten" zu machen suchen, sich evtl. Kirchenaustritten entgegenstellen oder gegen Andersdenkende öffent­ lich oder von den Kanzeln auftreten. 8. Beschlagnahme aller Kirchenvermögen ohne Unterschied.... 9. Unschädlichmachung von Geistlichen aller Grade mittels der dem Staate Verfü­ gung stehenden Mittel... 340 Speer (1976), S. 110. 341 Zit. nach Mund (2011), S. 81; aufschlußreich, wenn nicht aus unglaubwürdi­ ger Quelle wäre auch das von Rauschning überlieferte Zitat: „Was wir tun sollen ? Was die katholische Kirche getan hat, als sie den Heiden ihren Glauben aufgepfropft hat: erhalten, was zu erhalten geht und umdeuten...“; Lincoln (2005), S. 171.

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10.Alle Glaubensvereinigungen haben ihre Funktionäre aus diesen jährlich neu zu bemessenden Mitteln selbst zu erhalten!342 Ungeachtet dieser rein auf Maßnahmen gegen die Kirchen gegründeten „Regeln", stellte natürlich die „Erberinnerung" Wiliguts alleine keine solide Basis einer solchen neuen Religion dar. Als sich abzeichnete, daß Wirth die wissenschaftlichen Grundlagen der urgermanischen Religion nicht in einer der SS-entsprechenden Weise würde liefern können, kam die Indologie ins Spiel. Hier sollten nunmehr Überlieferungen Wiliguts bestätigt oder ergänzt werden. Und in der Tat finden sich innerhalb des Rigveda Belege für ein mo­ notheistisches Grundgerüst der ältesten arischen Religion - also eine zumin­ dest partielle Bestätigung des Eingottglaubens irminischer Prägung. Dieses Zusammenspiel - Erberinnerung durch Weisthor und wissenschaftliche Indizien aus der Indoarischen Religionswissenschaft, wie sie von Walther Wüst oder auch Jakob Wilhelm Hauer betrieben wurde - sollten nunmehr als Synthese das neue „Kristentum" der deutschen Nachkriegsgeneration gebieren. Bereits Trimondi hatte diesen Aspekt Wüsts betont: „Mit Wüst kam ein Mann in das SS-Ahnenerbe, der konsequent und bewußt eine ,NS-Religiotisgründung' auf wissenschaftlicher Basis vorwärts trieb."343 Gemäß Trimondi wur­ de das Ahnenerbe somit zum „Vortrupp deutscher Religionsforschung mit dem Ziel der Religionsgründung, die als nordisch - arisch - völkisch beschrieben wird und diverse Elemente umfassen sollte: Götter- und Schicksalsglaube, der heilige Bund zwischen Führer und Gefolgschaft, Helden- und Ahnenverehrung, archaische Kultfeiern, kriegerische Männerbünde, ein indo-arischer Symbolkodex, Resakralisierung heiliger Plätze, Initiationsriten und die Schaffung von Wallfahrtsstätten."344 In der Tat haben die auf gezählten Elemente eine große Bedeutung inner­ halb der SS gespielt, allerdings sollte das Christentum eben nicht durch ei­ nen kruden Mix aus heidnischem Vielgötterglauben und archaischen Riten ersetzt werden, sondern durch einen „religiösen Realismus", der zwar Platz für einen Schöpfer, nicht aber für priesterliche Zeremonien hatte. Es wurde daher auch nicht der Göttertypus Indras, der in seiner berserkerhaften, unge­ zügelten Art dem germanischen Thor gleicht und exemplarisch für den männerbündischen Gedanken steht, sondern der dahinter stehende Lichtgedanke an der indoarischen Tradition besonders betont. Dies war der Stoff für die kommende Religion, die grundsätzliche Aspekte mit dem Christentum geteilt hätte. Diese Überlegung ist jedoch vor dem Hintergrund der Machbarkeit zu sehen - während der Übergangszeit ebenso wie der Kriegszeit war an eine An­ tastung des Christentums nicht zu denken. Himmler sprach daher davon, daß 342 BArch NS 19/3670fol. 1, zit. nach Lange (2010), S. 207f. 343 Trimondi (2002), S. 40. 344 Trimondi (2002), S. 40 f.

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bezüglich religiöser Formen „alles noch im Fluß" sei, war aber zugleich besessen davon, diese Alternative zu entwickeln. Zu Beginn begnügte er sich daher damit, christliche Kulthandlungen innerhalb seiner Schutzstaffel durch SS-Kulte zu ersetzen. Dazu zählten SS-Hochzeiten, Jugendweihen, Taufen und Beerdigungen. Daneben wurden schrittweise christliche Lieder und Gedichte durch SS-gerechte Kompositionen ersetzt.345 Ein anschauliches Beispiel bietet die im März 1938 erarbeitete Anweisung des RuSHA zur Gestaltung der Sommersonnenwend-Festspiele. Detailliert wird hier Prof. K. A. Eckhardt aufgeführt, wie ein erstmals 1937 von Himmler selbst eingeführter „Sonnentanz" ausgeführt wird, bei dem 52 Fackelträger Hakenkreuz und Sonnenrad formten.346 Eine wichtige Grundlage für die neuen Feste bildeten aber auch Ratschläge des Himmler-Beraters Weisthor, sowie Anregungen des Indogermanisten Ja­ kob Wilhelm Hauer, die dieser etwa in seiner Veröffentlichung „Fest und Feier aus deutscher Art" zusammenfaßte. Demnach sollten nicht Priester die Zere­ monien leiten, sondern Familienangehörige oder Gefährten. Hintergrund war auch die ausdrückliche Vorgabe Hitlers an eine neue Religion, nicht die alten christlichen Priester durch neue „SS-Priester" zu ersetzen.347 Statt einer neuen Priesterkaste sollten die gleichen Kämpfer, die Schulter an Schulter mit den nun Verstorbenen gerungen haben, auch die Zeremonie leiten, also die Umsetzung der Vorstellung des Kriegers und Priesters in einer Person. Exemplarisch wird diese Einstellung in einem Schreiben Himmlers an einen Sturmbannführer deutlich, in dem er diesen scharf kritisiert: „Ich habe Sie damals aus dem RuSHA versetzt, da sie sich selbst und damit auch andere zu dem Typ von Pfaffe entwickelten, den wir ja gerade dem deutschen Volk ersparen wollen. Pfaffe ist, wer berufsmäßig bei Geburt, Hochzeit und Tod sowie bei Feierstunden als Redner auftritt, ...(und) in spätes­ tens 10,20 oder 30 Jahren daraus einen neuen Beruf entwickelt und dem deutschen Volk, wenn wir vielleicht glücklich die christlichen Pfaffen los sein werden, neue, nämlich 345 Vgl. dazu u.a. Weisung Himmlers zur Verfassung von deutschen Liedern durch junge Dichter, bei Heiber (1970), S. 76; ebenso Forschungsauftrag an Dr. Otto Paul zu „Jahresfeiern im Indogermanentum"; Simon (ChrPaulO). 346 Siehe dazu Koop (2012), S. 96 ff.; insgesamt sollte die Sonne im neuen Glaubensskult eine bevorzugte Stellung nicht nur als Richtweiser des Jahreslaufs ein­ nehmen; siehe dazu die Frage nach der Ausschmückung der Kirchtürme mit einem Hahn, der als „Sonnenverkünder" angesprochen wird; ebenda, S. 127. 347 So erwähnte Hitler einmal, „der Gedanke, daß ich einmal zum ,SS-Heiligen' gemacht werde - ich würde mich im Grabe umdrehen" (Speer 1976), S. 108.

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SS- oder Parteipfaffen auf diese Art begründet und entwickelt. Ich habe deswegen schon seit Jahren festgesetzt: Berechtigt zur Abhaltung einer Feier bzw. einer Ansprache bei Geburt, Hochzeit oder Tod ist jeweils nur der in Frage kommende Kommandeur für die ihm unterstellten SS-Männer und niemand anders."348 Die Jenseits-Komponente der religiösen Vorstellung ist in diesem Kontext anhand der Veröffentlichung des Direktors des Deutschrechtlichen Instituts des Reichsführers SS, Prof. Karl August Eckhardt (1901-1979) abzuleiten. Das Werk des späteren Ahnenerbe-Abteilungsleiters für Hausmarken und Sippenzeichen, „Irdische Unsterblichkeit", ging von einem alten Glauben einer Seelenwande­ rung innerhalb der eigenen Sippe aus. Himmler war begeistert von dem Buch, bemängelte jedoch den Begriff „Seelenwanderung", den er mit „Wiedergeburt in der Sippe, im eigenen Blut" besser wiedergegeben wähnte.349 Dabei ist unklar, ob Himmler selbst auch den Glauben an diese Seelen­ wanderung hegte. In einer Rede führte er 1937 dazu folgendes aus: „Ich muß sagen, dieser Glaube hat soviel für sich wie viele andere Glauben. Dieser Glaube ist ebenso wenig exakt zu beweisen wie das Christentum, wie die Lehre Zarathustras, des Konfuzius usw. Aber er hat ein großes Plus: Ein Volk, das diesen Glauben der Wiedergeburt hat und das seine Ahnen und damit sich selbst verehrt, hat immer Kinder, und dieses Volk hat das ewige Leben. "35° Entgegen verschiedentlich geäußerten Gerüchten, äußerte sich Himmler auch nie öffentlich, sich für eine Reinkarnation Heinrichs I. zu halten, obgleich er grundsätzlich an die Möglichkeit einer Seelenwanderung glaubte.351 Trotz der von Eckhardt vorgenommenen Abgrenzung des „lebensbejahen­ den", wahren Wiedergeburtsglaubens der Germanen gegenüber dem lebens­ verneinenden Gedanken des Buddhismus und der damit implizierten Kritik an den indoarischen Glaubensvorstellungen, fiel auch Walther Wüsts Stellungnah­ me zur Veröffentlichung Eckhardts positiv aus: „Alles in allem eine ausgezeich­ nete Darstellung einer wesentlichen, man darfauch sagen, der wesentlichsten Seite germanischen Glaubens". Allerdings bemängelte Wüst das Bestreben Eckhardts, „Scheidewände zwischen rassengleichen Völkern aufzurichten", womit die ne­ gative Sicht auf den Wiedergeburtsgedanken bei den Indoariem gemeint war.352 348 Schreiben Himmler vom 16.04.1940, zit. nach Heiber (1970), S. 94. 349 Vgl. Schreiben Himmler an Eckhardt vom 12.2. 1937; Heiber (1970), S. 54. 350 Himmler zit. nach Helzel (2008), S. 34; ähnliches hatte bereits 1930 Darre ausgeführt: „Man glaubte, daß das,Blut' Träger der Eigenschaften eines Menschen sei, daß mit dem Blute die körperlichen und seelischen Eigenschaften des Menschen sich von den Vorfahren auf die Nachkommen vererben, daß edles Blut auch edle Eigenschaften übertrage; dementsprechend glaubte man auch an das , Wiedergebo­ renwerden' eines Vorfahren im Nachkommen." Ebenda, S. 34. 351 Vgl. Helzel (2008), S. 33; siehe auch Kapitel 1.2. 352 Vgl. hierzu Trimondi (2002), S. 48.

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Daß es sich bei diesem Gedanken um einen Völker- und zeitübergreifen­ den arischen Grundgedanken handelte, demonstrierte Wüst anhand seiner Veröffentlichung „Tod und Unsterblichkeit", in der diesbezügliche Sinn­ sprüche, Gedichte und Verse, angefangen bei den Veden über antike Texte bis hin zu mittelalterlichen und neuzeitlichen Verfassern enthalten waren.353 Den „krönenden" Abschluß bildeten dann Auszüge aus Reden Adolf Hit­ lers, der ja gemäß Wüst bereits in seinem „Mein Kampf" den arischen Ge­ danken in hervorragender Weise verkörperte.354 Jakob Wilhelm Hauer Der Mann, der neben Wüst Impulse für eine neue Religion vermittelte, war der Theologe und Indologe Hauer. Der studierte Philologe und Sanskrit- so­ wie Religionswissenschaftler, der 1918 an der Universität Tübingen promo­ viert und 1921 habilitiert (Religionswissenschaften und Indologie) hatte, be­ saß ebenfalls ein großes Interesse an der indischen Philosophie und Religion. Ab 1925 war Hauer kurzzeitig außerordentlicher Professor in Marburg, ehe er 1927 nach Tübingen zurückkam, wo er bis 1945 als Ordinarius für Reli­ gionswissenschaften und Indologie lehrte. Nachdem er sich in seinen ersten Wirkungsjahren für eine Reformation der evangelischen Kirche einsetzte, ent­ fernte er sich mit zunehmender Befassung mit der indoarischen Überlieferung von der christlichen Kirche und avancierte zum Verkünder einer neuen, der „kommenden Religion". „Die kommende Gemeinde" war auch der Titel ei­ ner von ihm herausgegebenen Zeitschrift (1928-33), mit der der bereits 1920 von Hauer gegründete evangelisch-reformatorische Köngerner Bund355 zur Kommenden Gemeinde ausgebaut wurde. Parallel leitete Hauer seit 1927 den Religiösen Menschheitsbund, der eine Rückkehr zu den eigenen religiösen Wurzeln propagierte, die in der indischen Religion zum Teil noch vorfind­ bar seien. Hauptgegner war für Hauer dabei die jüdisch-christliche Religion, die dem germanischen Volk „übergestülpt" worden sei.356 Im Juli 1933 erfolgte auf Hauers Initiative in Ei­ senach der Zusammenschluß einer Reihe freireli­ giöser und „völkisch-deutschgläubiger" Gruppen zur „Deutschen Glaubensbewegung". Als Leiter dieser Gruppe fungierten Hauer und Emst Graf T , , , ,, ° Jakob Wilhelm Hauer 353 Wüst/Schrötter (1942). 354 Wüst (1936). 355 Zu den Anhängern dieses an der Wandervogelbewegung orientierten Glauebensgemeinschaft zählten u.a. Hermann Hesse und Kark Poetel; vgl. Nanko (1993), S. 57ff. 356 Siehe hierzu und zur ausführlichen Biographie Hauers, Dierks (1986), S. 213 ff.

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zu Reventlow. Trotz seiner Mitwirkung in Alfred Rosenbergs „Kampfbund für deutsche Kultur" seit Mai 1933 zerschlugen sich in den nächsten Jahren Hau­ ers Hoffnungen, daß die Deutsche Glaubensbewegung neben den „Deutschen Christen" ebenfalls durch den Staat als offizielle Glaubensgemeinschaft Aner­ kennung finden würde.357 Hauer richtete sein Augenmerk daher auf Himmlers SS, der er im Au­ gust 1934 beitrat um innerhalb des Sicherheitsdienstes tätig zu werden.358 Im Rahmen dieser Tätigkeit trug er 1935 mit einem Gutachten, in dem er den Anthroposphen Walter Johannes Stein als „Juden" und die Anthroposphie selbst als „jüdisch indoktriniert" darstellte, entscheidend zum Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft bei.359 Fast alle Publikationen Hauers nach 1933 bemühten sich, die deutschgläubige Religion in die geistesge­ schichtliche Tradition des Indogermanentums einzuordnen, um ihr eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Belohnt wurde dieses Engagement durch Ausweitung seines ursprünglichen Lehrauftrages Indologie und All­ gemeine Religionsgeschichte an der Universität Tübingen auf die „Arische Weltanschauung". Parallel wurde Hauer zum Direktor des Arischen Semi­ nars ernannt. Dieses erhielt den Auftrag, Unterrichtsmaterialien für den in Württemberg geplanten Weltanschauungsunterricht zu erarbeiten. Hierzu gehörte die Erstellung von Schul- und Textbüchern sowie die Ausbildung der dafür benötigten Lehrer. 1938 kam es in einem ähnlichen Zusammen­ hang erstmals zu einer Zusammenarbeit mit dem Ahnenerbe. Bereits 1936 hatte Hauer als Leiter der Deutschen Glaubensbewegung bei Walther Wüst angefragt, ob dieser als Mitherausgeber der Zeitschrift „Deutscher Glaube" fungieren würde. Wüst hatte dies unter Verweis auf seine angehende Tä­ tigkeit im Ahnenerbe abgelehnt.360 Hauer erhielt aber im Gegenzug einen Forschungsauftrag, eine „Stoffsammlung aus der germanisch-deutschen Glaubensgeschichte für den weltanschaulichen Unterricht in Schulen" zu erstellen, was allerdings kriegsbedingt nicht abgeschlossen werden konnte. Ebenfalls über das Planungsstadium nicht hinaus kam der sogenannte Indogermanisteneinsatz, der Teil der Aktion Ritterbusch war.361 357 Vgl. Bartsch (1938), S. 53 f. 358 Vgl. Nanko (1993), S. 130, der über die Rolle der Glaubensbewegung als Experimentierfeld für den SS-Kult spekuliert. 359 Nach dem England-Flug von Rudolf Heß erneuerte er in drei Briefen an Heinrich Himmler seine Vorwürfe gegen die Anthroposphie und sprach von einem verhäng­ nisvollen Einfluß von Anthroposophen auf Heß. Bei der Anthroposophie handle es sich um eine „Gefährdung des deutschen Volkes im allerschlimmsten Sinne“ und eine „besonders gefährliche Form des Weltjudentums“; vgl. Junginger (1999), S. 197ff. 360 vgl. Schreiber (2008), S. 65 (FN: 182). 361 In der „Arbeitsgemeinschaft für den Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften" des

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Entworfen wurde der Einsatzplan von Walther Wüst in Zusammenarbeit mit Hauer, der innerhalb des Projekts Leiter der Gruppe „Lebensmächte und Wesen des Indogermanentums" war. Diese Beteiligung Hauers weist auf den hohen Stellenwert hin, dem man der indogermanischen Religion für die Zukunft des Reiches einräumte. Zur tatsächlichen Beteiligung Hauers kam es allerdings an dem Ahnenerbe-Projekt „Wald und Baum" für das eine ganz Reihe von Forschern Beiträge beisteuerten. Friedrich Hielscher Ein weiterer Protagonist, der über eine eigene Glaubensbewegung verfügte, war Friedrich Hielscher mit seiner unabhängigen Freikirche, der auch Wolfram Sievers angehörte. Im Rahmen seiner Dissertation hatte Hielscher sich intensiv mit den Werken Oswald Spenglers und Friedrich Nietzsches befaßt. Die daraus gezogenen Erkenntnisse Heß er in seine Arbeit als Publizist in der von Ernst Jünger herausgegebenen nationalrevolutionären Zeitschrift „Arminius" ein­ fließen. Seitdem zählte Hielscher zum Kreis der „Konservativen Revolution" und stand in regem Austausch mit Persönlichkeiten wie Emst Jünger, dessen Bruder Friedrich Georg Jünger, August Winnig, Franz Schauwecker, Friedrich Wilhelm Heinz und Ernst von Salomon. Ab Juni 1928 war er Herausgeber der Zeitschrift „Vormarsch", seit 1930 auch der Zeitschrift „Reich", die zu den wich­ tigsten Publikationen dieser Geistesströmung zählten. 1931 erschien Hielschers politisch-philosophisch intendiertes Buch „Das Reich", das lebhafte Debatten weit über das konservativ-revolutionäre Spektrum hinaus auslöste.362 Das dem Buch zugrundeliegende politische Konzept Hielschers sah eine Auflösung der Nationalstaaten zugunsten traditioneller Kulturregionen und -landschaften vor, wobei die Trennung zwischen Politik und Religion zugunsten eines „Reichskö­ nigs" entfallen sollte, der zugleich König und Priester wäre.363 1933 trat der evangelisch getaufte Hielscher aus der Kirche aus und begrün­ dete die weitgehend konspirativ wirkende - also nicht missionierende - Glau­ bensgemeinschaft, die „Unabhängige Freikirche (UFK)", in der sich panentheReichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und der „Reichs­ arbeitsgemeinschaft für Raumforschung", beteiligten sich freiwillig über 500 Wissen­ schaftler um fach- und universitätenübergreifend eine „neue geistige Ordnung Europas" entsprechend den deutschen Kriegszielen wissenschaftlich zu unterlegen. Wissenschaft wurde - in Abgrenzung zum internationalen Wissenschaftsverständnis - als „Wesens­ äußerung" des deutschen Volkes definiert. Altertumswissenschaft, Anglistik, Geographie, Germanistik, Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Orientalistik, Philosophie, Roma­ nistik, Staatsrecht, Völkerrecht und Zivilrecht sollten für die Durchsetzung eines völkisch hierarchisierten Europamodells nutzbar gemacht werden; nach Hausmann (1998). 362 Siehe hierzu und Hielschers ausführlicher Biographie, Bahn (2004), S. 50 ff. 363 Vgl. Trimondi (2002), S. 66.

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istische mit heidnischen Elementen verbanden: Kem von Hielschers Religionsbegriff war der Gedanke „alles ist eins", d.h. alles entspringt einem göttlichen Funken.364 Diesem übergeordneten Gottesbegriff, der „die Vielfalt alles Lebendigen umspannt", un­ terstellte er zwölf göttliche „Boten", die heidnischen Göttern entsprachen: Wode, Frigga, Fro, Sigyn, Loki, Freya, Ziu, Erke, Heimdall, Berchta, Thor, Sif.365 Die UFK verfügte in der Vorkriegszeit über etwa 40, in ihrer Blütezeit in den Fünfziger Jahren etwa 50 - 60 Mitglieder, darunter viele Akademiker und Amts träger. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialis­ Friedrich Hielscher ten 1933 wurde Hielscher als „regimefeindlich" ein­ gestuft, sein Buch „Das Reich" sowie die gleichnamige Zeitschrift verboten.366 In den folgenden Jahre initiierte Hielscher eigenen Angaben zufolge eine geheime Widerstandsgruppe, die plante, das Dritte Reich von innen zu unterwandern. Widerstandsgruppe und Freikirche überschnitten sich, von übereinstimmen­ den ethischen Motiven geprägt, personell in starkem Maße, ohne jedoch völlig identisch zu sein. Mitglieder des Hielscher-Kreises waren u.a. in Funktionen bei der Abwehr platziert und unterstützen in verschiedenen Fällen politisch Ver­ folgte. Durch den Reichsgeschäftsführer des SS-Ahnenerbe Wolfram Sievers wurde Hielscher bereits Ende der 30er Jahre mit dem Ahnenerbe-Präsidenten Walther Wüst bekannt gemacht, der sich für die Arbeiten Hielschers interessier­ te und ihm am 1. Februar 1940 einen offiziellen Forschungsauftrag im Bereich des Brauchtums verschaffte. Bestandteil seiner Arbeiten für das Ahnenerbe war die Suche nach einem Metrezept, welches im Judentum noch überliefert sei. Hierfür reiste er 1942 ins Getto Litzmannstadt, wo er zugleich im Rahmen sei­ ner Widerstandsbewegung ein jüdisches Ehepaar zu treffen hoffte.367 Friedrich Hielschers Arbeiten wurden innerhalb der SS dermaßen geschätzt, daß er eine eigene Forschungsstätte für Indogermanische Jahreslauffeiem er­ hielt und seine Gebete der Feste auch Eingang in die Planungen für die zukünf­ tigen Sonnenwendfeiern innerhalb des Persönlichen Stabes RF-SS fanden.368 Die konspirative Tätigkeit Hielschers unter dem Deckmantel des Ahnener­ be fand allerdings ein Ende, als sein Name nach dem Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 bei verhafteten Mitverschwörern gefunden wurde. Tatsächlich be­ 364 Bahn (2004), S. 205 ff. 365 Nach Bahn (2004), S. 217. 366 Vgl. Kater (2006), S. 317. 367 Vgl. Bahn (2004), S. 87 f. 368 Vgl. Schreiben Wüst an Hielscher; Stellenplan Ahnenerbe, Archiv d. Verfassers.

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standen enge Verbindung zwischen dem Hielscher-Kreis und dem Kreisauer Kreis um Graf Helmut von Moltke. Hielschers Freund Wolfram Sievers ge­ lang es jedoch die Vorwürfe gegen seinen Ziehvater zu entkräften, so daß die­ ser gegen Ableistung eines Militärdienstes wieder frei kam.369 Auch wenn umstritten ist, ob Sievers tatsächlich im Sinne Hielschers ge­ gen das NS-Regime wirkte,370 so ist doch ein Hintertreiben von SS-Plänen durch den Ahnenerbe-Geschäftsführer in einigen Bereichen, etwa in der Verschleppung der Umsiedlung der Südtiroler, mit der Sievers seit 1940 be­ traut war, erkennbar.371 Bemerkenswert ist jedenfalls, daß Hielscher trotz seiner feindlichen Ge­ sinnung gegenüber Himmler, die auch dessen Ermordung in Erwägung zog, nicht nur Forschungsaufträge des Ahnenerbe, das er als „unterirdische Burg" der Widerstandsarbeit bezeichnete,372 erlangte, sondern sogar zum Abteilungsleiter avancierte - offiziell wurde die Zusammenarbeit sogar erst am 8.11.1944 beendet.373 Julius Evola Eine Gemeinsamkeit mit dem Begründer der Freikirche läßt sich auch bei dem italienischen Philosophen Julius Evola ausmachen, der ebenso wie Hielscher den bereits im christlichen Glau­ ben angelegten herrschenden Nihilismus durch Rückbezug auf einen transzendenten Ursprung zu überwinden trachtete.374 Und ebenso wie Hielscher, unterhielt auch Evola Kontakte zu den Männern des Kreisauer Kreises. Am 19. Mai 1898 in Rom als Giulio Cesare Andrea geboren, geriet Evola, geprägt von seinen Erfahrungen als Artillerieoffizier im ersten Weltkrieg, bereits früh in Kontakt mit der kulturellen Restitution. Als Protagonist der avantgardistischen Kultur­ bewegungen des Dadaismus und Futurismus Julius Evola 369 Vgl. Kater (2006), S. 322f; zu Verbindungen Hiel­ schers zum Kreisauer Kreis siehe Graddon (2008), S. 191 f 370 Diesbezügliche Zweifel artikuliert insbesondere Kater, S. 316 f. 371 Vgl. Bahn (2004), S. 91 f. 372 Vgl. Bahn (2004), S. 87; siehe auch Fn. 203, die hanebüchene Behauptung Pau­ wels / Bergiers, derzufolge die Gründung des Ahnenerbe auf Hielscher zurückginge; ähnlich auch Nigel Pennick, der Hielscher als Okkultisten mit Verbindungen zu Sven Hedin und Karl Haushofer bezeichnet; dazu Graddon (2008), S. 192. 373 Schreiben Ahnenerbe an Hielscher; Archiv des Verfassers Nr. 31. 374 Vgl. Bahn (2004), S. 294ff.

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fertigte er eine Reihe von Bildern an, von denen eines sogar noch heute in der Nationalgalerie für moderne Kunst in Rom zu besichtigen ist.375 Unter Evolas Leitung formierte sich Ende 1926 in Rom die „Gruppe von Ur", die sich mit magischen Übungen sowie Initiationsriten befaßte und mit der Zeitschrift UR eine Publikation herausbrachte. Nach Zerfall der Gruppe im Jahre 1929 beschäftigte sich Evola mit den Grundlagen der Tradition und faßte seine Erkenntnisse in den Werken „Die hermetische Tradition" (1931), „Das Mysterium des Grals" (1937) und „Lo yoga della potenza" (1949) spä­ ter zusammen. Die Schriften der Gruppe von Ur wurden in der dreibändi­ gen „Magie als Wissenschaft vom Ich" herausgegeben. Nach einer streng katholischen Erziehung stieß Evola als Suchender be­ reits in früher Jugend inspiriert durch Meister Eckhart auf die Faszination der heidnischen Antike und wandte sich zunehmend vom Katholizismus ab. Eine andere Einflußquelle war der Taoismus, dessen Hauptwerk, das Tao Te King, Evola zweimal ins Italienische übersetzte. Als Essenz dieser Lehre schloß Evola auf die grundsätzliche Überlegenheit geistiger über materielle Kräfte, was auch Einfluß auf seine Haltung zum Faschismus ausübte. Obgleich kritisch gegenüber verschiedenen Elementen, hielt er den Fa­ schisums als solchen für eine der Zeit angemessene Gegenkraft zum Materi­ alismus, unter dem er Amerikanismus und Bolschewismus subsumierte, die dabei wären, sich die Welt aufzuteilen.376 Seine vor allem in seinem 1934 erschienen Hauptwerk „Revolte gegen die moderne Welt" manifestierten Gedanken sind zum einen geprägt durch den Traditionalismus, der von einer - römisch inspirierten - ruhmreichen und zugleich sakralen europäischen Antike und einem steten Niedergang dieser europäischen Schöpfungskraft ausgeht, zum anderen durch das aristokra­ tische Prinzip, welches für Evola als „Königtum" aus dem Geist und der Rasse des Herrschers erwächst. Mit dieser rassisch und antidemokratisch geprägten Geisteshaltung, die in der französischen Revolution und der aus ihr entspringenden Moderne die Wurzel späteren Übels erblickte, fand Evo­ la auch Zustimmung im nationalsozialistischen Deutschland. Jedoch stieß Evola mit seinem von der NS-Sicht abweichenden Rassebegriff, der nicht biologisch begründet wurde, sondern allein auf die sichtbaren Elemente der Kultur, Elite und Aristokratie abzielte, seiner Ablehnung des klassischen Volksbegriffs und seiner Geringschätzung des Weiblichen auf Ablehnung in nationalsozialistischen Führungskreisen; insbesondere Alfred Rosenberg, den er persönlich traf und der in seinen Schriften explizit kritisiert worden war,377 entwickelte eine Antipathie gegen den italienischen Denker. 375 Vgl. auch zur ausführlichen Biographie, Goodrick-Clarke (2009), S. 117jf. 376 Vgl. Evola (2010), S. 5 ff. 377In „Der Mythos des neuen deutschen Nationalismus" (1930) und „Ein Parado­

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Ebenso war Himmlers damaliger Intimus Walther Darre 1935 in einer Schrift Evolas angegangen worden,378 so daß Himmler seinerzeit das Ah­ nenerbe mit einem Gutachten über Evola beauftragt hatte, welches den ita­ lienischen Philosophen insgesamt in kein allzu gutes Licht rückte, obgleich ihm vom Leiter der Ausgrabungsstätte im Persönlichen Stab, Alexander Langsdorff, aufgrund Abstammung seiner Familie von Normannen „ein erstaunliches Wissen über arische Zusammenhänge" beschieden wurde379: Die Gesamterscheimmg (Evolas) ist geprägt von der aristokratischen Feudalität alten Stils. So erhält auch sein Gelehrtentum einen Zug ins dilettantisch-literatenhafte. Daraus ergibt sich, daß für den NS keine Veranlassung besteht, sich dem Baron Evola zur Verfügung zu stellen. Seine politischen Pläne eines römisch­ germanischen Imperiums sind utopischen Charakters und darüber hinaus geeignet, ideologische Verwirrung anzustiften. ...Es wird daher vorgeschlagen: 1. Den augenblicklichen Bestrebungen Evolas, die auf die Stiftung eines geheimen, überstaatlichen Ordens und auf die Gründung der dazu bestimmten Zeitschrift hinauslaufen, keine konkrete Unterstützung zu gewähren. 2. Seine öffentliche Wirksamkeit in Deutschland nach dieser Vortragsreihe ohne be­ sondere Maßnahmen stillzulegen. 3. Sein weiteres Vordringen zu führenden Dienststellen der Partei und des Staates zu verhindern 4. Seine propagandistische Tätigkeit in den Nachbarländern beobachten zu lassen."380 Neben dem Rassebegriff waren es vor allem Evolas Ablehnung der Kon­ stanten von Volk und Nation sowie seine Negation daraus entspringender sozialer Verpflichtung, welche dazu führten, daß Evola kritisch gesehen wurde. Nicht nur in Deutschland, auch in Italien wurde Evola zu dieser Zeit am­ bivalent betrachtet: Aufgrund seiner Kritik an Mussolinis Konkordat mit der Katholischen Kirche von einem Schreibverbot bedroht, näherte sich der „Duce" selbst den Gedanken des Philosophen zunehmend an und erwog nach 1935 sogar, Evolas Rassebegriff zur Staatsdoktrin zu erheben.381 Eine gewisse geistige Nähe entwickelte Evola, der deutsch sprach und eine Vorliebe für die deutsche Kultur hegte, zu Vertretern der „Konservativen xon der heutigen Zeit (1935); vgl. Hansen (1991), S. 77. 378 Vgl. Hansen (1991), S. 77. 379 Schreiben Langsdorff an Himmler vom 2.1.1938; bei Mund (2011), S. 278 380 Das Schreiben findet sich als Kopie bei einem Aktenbestand über Weisthor un­ ter BArch NS 19/1848 - zitiert bei Lange (2010), S. 53; könnte eventuell aber von Plassmann stammen ? 381 So Hansen (1991), S. 61.

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Revolution", in deren aristokratisch-konservati­ vem Umfeld sich Evola bei seiner ersten Vortrags­ reise 1934 in Deutschland bewegte. Die kritische Betrachtung dieses Personenkreises durch offizi­ elle Stellen des 3. Reiches dürfte dabei die Nega­ tivsicht auf Evola erhärtet haben. Zu dem Nega­ tivbild Evolas in gewissen Kreisen könnte auch sein Auftritt auf dem zweiten Nordischen Thing des Bremer Kaffeefabrikanten Ludwig Roselius in Bremen am 17. Mai 1934 beigetragen haben. Dort führte er seine Gedanken zum Vorrang der Tradi­ tion vor der Rasse in aller Deutlichkeit aus: „ Tra­ dition ist für uns die erste, Rasse die zweite Gegeben­ heit. Wie der Geist von innen heraus den Leib gestaltet, so formt die Tradition oder Kultur jene Elemente, die in einem höheren Sinne, mit Bezug auf den Menschen als solchen und nicht in seiner naturverhafteten Erscheinung, als Rasse bezeichnet werden können."332 Daß Himmler trotz dieser Negativbewertung durchaus Gemeinsamkeiten mit dem Weltbild Evolas ausmachen konnte, spiegelt sich in einer weiteren Stellungnahme, die weitaus wohlgesonnener ausfiel und interessanterweise von Himmlers Berater Wiligut-Weisthor stammt: „ Um sich ein endgültiges und abschließendes Urteil über Evola zu bilden, müßte man mit diesem Mann selbst einmal zusammenkommen. Es ist durchaus denkbar, daß mit vielgebrauchten Begriffen Imperialismus, König und Adel die Gedanken dieses Mannes falsch verstanden iverden und ich möchte dies nochmals besonders betonen. Meiner Auffassung nach kann es sein, daß Evola durchaus richtig orien­ tiert ist und daß nur der Übersetzer Friedrich Bauer diese falsche Gedankenrichtung hervorruft. Dies scheint mir insofern nahezuliegen, weil im übrigen Evola in seiner ganzen Auffassung mit wenigen Ausnahmen (Kastenwesen) germanisch-arisch ori­ entiert ist.......Ich würde gerne noch eingehend über das Buch (gemeint ist Heidni­ scher Imperialismus) mit dem Reichsführer sprechen." Dementsprechend erging eine Weisung Himmlers, die sich in einem Schreiben des Reichssicherheitshauptamtes (II. 2113) findet: „Der Reivchsführer SS hat angeordnet, das Buch des Baron Evola,Heidnischer Imperialismus' nach den von Brigadeführer Weisthor aufgefiihrten Gesichtspunkten zu überprüfen und 383 noch einmal durchzuarbeiten. "382 Die auch in diesem Buch evidenten Übereinstimmungen zwischen Evola und dem neuen nationalsozialistischen Deutschland, das dieser zwar par­ tiell als zu „modernistisch" und zu wenig elitär kritisierte, aber dennoch 382 Evola (1934), S. 94; hier lernte Evola übrigens auch Walther Wüst kennen, der ebenfalls als Referent in Bremen auftrat. 383 Zit. nach Mund (2011), S. 275.

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als Bündnispartner Italiens empfahl,384 entsprangen den Plänen der SS zur Errichtung eines männerbündisch ausgerichteten Ordensstaates, die der Ita­ liener ausdrücklich begrüßte: „Wir sind davon überzeugt, den Kern eines Ordens im höheren Sinne der Tra­ dition im „Schwarzen Korps" zu finden", schrieb er im August 1938 in „Vita Italiana". 1941 fügte er in Bezug auf ein künftiges Europa unter deutscher Führung hinzu: „Jenseits der Grenzen der Partei und jeder politisch-administra­ tiven Struktur, muß eine Elite in Form eines neuen Ordens - einer Art asketisch­ militärischer Organisation, verbunden durch die Prinzipien Ehre und Treue - die Basis dieses Staates bilden."385 Diese partiellen Übereinstimmungen sowie die esoterischen Züge inner­ halb Evolas Werk veranlaßten Himmler entgegen der offiziellen Linie der Parteiführung, seiner engeren Umgebung das Studium Evolas zu empfeh­ len. Dazu kam, daß sich Himmler nunmehr selbst von seinem von Evola einst kritisiertem Freund Darre gelöst hatte und auch sein Verhältnis zum ebenfalls gescholtenen Rosenberg von tiefer Konkurrenz geprägt war. Im Gegenzug verfaßte Evola auch einen positiven Artikel über die SS - „Wächter und Orden der Hakenkreuz-Revolution"- für den er 1938 um Material bei der SS selbst ersuchte.386 Im Juni 1938 hielt Evola einen schon länger geplanten Vortragszyklus in den Räumen der Deutsch-Italienischen Gesellschaft in Berlin, in deren Verlauf er drei verschiedene Vorträge refe­ rierte: „Die arische Lehre des heiligen Krieges", „Der Gral als nordisches Mysterium" sowie „die Waffen des geheimen Krieges".387 In seinem letzten Vortrag betonte Evola die Bedeutung des geheimen Ge­ genordens gegen die aktiven freimaurerischen Geheimbünde: „Besonders in Zeiten, die, wie die heutigen, Vorspiel zur letzten Entscheidung einer ganzen Kulturwelt sind, müssen wir die Forderung in uns spüren, in dieser Elite oder in diesem Orden, wovon in unseren Vorträgen schon so oft die Rede gewe­ sen ist, die Fähigkeit zu erwecken, den materiellen Kampf durch einen unsichtbaren, subtilen Kampf zu ergänzen, durch ein geheimes, unerbittliches Wissen, das jetzt jedoch nicht im Dienst dunkler Mächte, sondern des lichten, sonnenhaften Prinzips der arischen Geistigkeit steht."388 384 Bei Evola euphemistisch als „Zusammenschluß der beiden Adler" bezeichnet; vgl. dazu Hansen (1991), S. 81 ff. 385 Evola in: Vita Italiana, 15. August 1938 / August 1941; Graddon (2008), S. 201, bezieht auch ein früheres Gedicht Evolas auf die SS, in denen er von „Schwar­ zen Mönchen" schrieb, „welche die Stadt niederbrennen" und „wenn die Zeit ge­ kommen ist..., die Kräfte der Wiederauferstehung leiten werden". 386 Schreiben Evola; Archiv d. Verfassers Nr. 32. 387 Bei Godwin (2007), S. 73, heißt es, Evola „sei auf die Ordensburgen der SS gereist." 388 Evola: Die Waffen des geheimen Krieges, S. 16.

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Den Nährboden für einen solchen arisch-geistigen „Gegenorden" hatte Evola bereits 1934 mit der Zeitschriftenreihe „Diorama Filosofico" (Philoso­ phisches Schauspiel) erschaffen: Einer philosophisch-literarischen Plattform einer „europäischen Geisteselite". Innerhalb dieser bis 1943 erscheinenden Zeitschrift fanden sich so illustre Autoren wie Franz Altheim, Rene Guenon, Othmar Spann, Gottfried Benn und Karl Wolfskehl ebenso wie Vertreter des monarchischen Gedankens.389 Dementsprechend schwebte Evola noch nach 1945 als Endziel die Wiedererrichtung einer Habsburg-Monarchie als „Damm" gegen den Kommunismus und Materialismus vor.390 Nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes in Italien floh Evola 1943 ins Deutsche Reich und arbeitete in Wien erneut für die SS in Verbindung mit dem SD und dem Ahnenerbe. Hier schrieb er für das noch näher zu betrachtende Amt VII des RSHA an einer „Geheimen Geschich­ te der geheimen Gesellschaften" - ein erstaunliches Thema angesichts des nahenden Kriegsendes.391 Bestandteil dieser Arbeiten war die Übersetzung diverser esoterisch-okkulter Texte. Gleichzeitig war Evola jedoch auch propagandistisch für die SS tätig, in­ dem er die Verteidigung des alten Europa gegen Sowjetbolschewismus und US-Imperialismus beschwor.392 Nach Installation der faschistischen Sozial­ republik war Evola für einen Ministerposten vorgesehen - der Kriegsverlauf machte diese Pläne jedoch zunichte. 1945 wurde Evola durch einen sowjetischen Bombengriff auf Wien schwer verletzt und war seitdem von der Hüfte abwärts gelähmt. Nach dem Krieg avancierte der 1974 verstorbene ita­ lienische Philosoph zur Ikone der Neurechten, wurde aber auch von linken Kreisen adaptiert.

Evola in jungen Jahren. 389 Hansen (1991), S. 57. 390 Ebenda, S. 87. 391 Hansen (1991), S. 65. 392 Vgl. Graddon (2008), S. 193 f., der darauf hinweist, daß diese Arbeiten ebenso wie die über die geheimen Gesellschaften vor Fertigstellung bei Kriegsende durch die Russen beschlagnahmt wurden.

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5. Okkultismus, Ausgrabungen & Expeditionen Forschungsschwerpunkte & Kuriositäten im Ahnenerbe „Wir sind den Römern oder Griechen, den Galli­ ern oder Briten und ihren heutigen Nachfahren kei­ nen größeren Dank für irgendwelche Kulturgüter schuldig, als sie uns. .. Wir können vielmehr dar­ aufhinweisen, daß die Germanen schon 1000 Jah­ re bevor Rom gegründet wurde, einen kulturellen Hochstand erlebt haben. Wir können und müssen mit noch viel mehr Recht darauf hinweisen, daß fast alle europäischen Völker indogermanisch sind, wie nicht nur die deutsche, sondern wie auch die euro­ päische Vorgeschichtsforschung bewiesen hat.''393

Ausgrabungen 5.1.

& Germanenkunde

iese Worte des Reichskanzlers verdeutlichen den Stellenwert der Vorgeschichtsforschung im damaligen Deutschland. Ansporn genug für Himmler, entsprechende Belege zu Tage zu fördern mitunter auch zum Leidwesen seines Vorgesetzten.394 Zu den wichtigs­ ten Betätigungsfeldern auf diesem Gebiet zählten dementsprechend zu Beginn die Germanenkunde und damit verbunden archäologische Aus­ grabungen. Eine der wichtigsten Quellen zu den alten Germanen stellt dabei die „Germania" des römischen Autoren Tacitus dar. Himmler selbst las dieses Buch Anfang der 20er Jahre und notierte als Kommentar: „Eine wunderba­ re Darstellung, wie hochstehend, rein und umfangreich die Kultur unserer Ahnen war. So werden wir dereinst, zumindest ein Teil von uns, wieder werden"395 Auch dessen Überlieferung, derzufolge homosexuelle Männer als Volksschädlin­ ge im Moor versenkt worden wären, soll Himmlers Interesse auf sich gezo­ gen haben, obgleich - wie Graddon zutreffend beobachtete - sein nach außen getragenes rigoroses Vorgehen gegen Homosexuelle im Privaten harmloser ausfiel.396

D

393Adolf Hitler, Rede in Karlsruhe am 5.12.1934. 394 So äußerte Hitler andererseits: „Nicht genug, daß die Römer schon große Bauten errichteten als die Germanen noch in Lehmhütten hausten, fängt Himmler nun an, diese Lehmdörfer auszugraben und gerät in Begeisterung über jeden Tonscherben und jede Steinaxt, die erfindet..."; Speer (1976), S. 108; siehe dazu auch Fn. 280. 395 Nach Pringle (2006), S. 16. 396 Vgl. ebenda; so Graddon (2008), S. 117.

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Der 1940 der SS beigetrete­ ne Rudolf Till gab 1943 in der Ahnenerbe-Schriftenreihe die „Germania" des Tacitus neu heraus, versehen mit einer Wid­ mung an Heinrich Himmler.397 Die willkommene Aufnahme der Taciteischen Beschreibung der Germanen als „groß, blond und blauäugig", offensichtlich autochton und unvermischt, sorgte in der Nachkriegszeit Der „ Codex Aesinas", die älteste erhaltene Abschrift nicht nur für Kritik an den der „Germania" des Tacitus (15. Jahrhundert) Forschern, die sich mit Tacitus befaßten und so vermeintlich Grundlagen der rassischen Kategorisierung schufen, sondern auch an der Überlieferung selbst. So wurde nun behauptet, Tacitus hätte sein Wissen lediglich aus zweiter Hand und hätte es primär „auf literarischen Wandermotiven" aufgebaut - sprich er hätte irgendwelche Kli­ schees, die damals kursierten, niedergeschrieben.398 So wie die Tacitus-Rezeption im Dritten Reich, stößt auch die gesamte Ger­ manenforschung innerhalb des Ahnenerbe heute auf Kritik der akademischen Forschung, die sie in erster Linie als Tendenzwissenschaft bezeichnet.399

397 Vgl. Lund (1995), S. 31; Das Ahnenerbe hatte Till ermöglicht, in Rom den so­ genannten Codex Aesinas einzusehen, eine der wichtigsten handschriftlichen Über­ tragungen der Germania. Nach dem Sturz Mussolinis hatte sich das Ahnenerbe vergeblich um Sicherstellung des Codex bemüht, den der Duce 1936 als Geschenk versprochen hatte. Siehe Wikipedia(USA): Ahnenerbe. 398 So etwa Lund (1995) in Bezug auf Eduard Norden (bereits 1920), S. 35 399 Vgl. Lund (1995), weitere typische Beispiele finden sich bei Halle (2003) und jüngst bei Koop (2012), S. 10 ff., der sogar die germanische Herkunft der Goten in Abrede stellen möchte und sich gegen die Bezeichnung des Grabmals Gotenkönigs Theoderich in Ravenna als „germanisch" verwahrt; exemplarisch auch http://www. bundesarchiv.de: „Das Ahnenerbe sollte den „wissenschaftlichen" Beweis für die Überlegenheit des deutschen „Ariers" durch Forschungen - insbesondere zur ger­ manischen Vorgeschichte - erbringen. Zeit seines Bestehens war das „Ahnenerbe" wissenschaftliches Zentrum der NS-Ideologie und nicht - trotz wiederholter Beteue­ rungen seiner Führer und Abteilungsleiter sowie Himmlers - an den Grundsätzen bewährter sachlicher Wissenschaftlichkeit orientiert." 2013 erschien mit dem Be­ gleitband zur Ausstellung „Graben für Germanien" der bisherige Höhepunkt der politisch-korrekten Darstellung der SS-Ausgrabungen.

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Der hauptsächliche Vorbe­ halt gegenüber dieser Kritik betrifft vor allem die mangel­ hafte Kenntnis der tatsäch­ lichen frühgeschichtlichen Verhältnisse durch die Riege der Kritiker. Denn der heu­ tige Kenntnisstand, der sich gerade im Bereich der Früh­ geschichtsforschung auch außerhalb der akademischen Germanenforschung etab­ liert, beweist die Richtigkeit vieler damals vorgetragener Thesen, auch wenn sie heute anders formuliert werden. So bescheinigte jüngst der politisch unverdächti­ ge Carl-Heinz Böttcher, dem nordeuropäischen Kulturraum eine dominie­ rende Funktion in der Ausbreitung kultureller Elemente: Demnach seien die die südeuropäischen Bandkeramiker überlagernden nordischen Trichterbe­ cherleute Begründer eines losen „Reiches" gewesen, welches Keimzelle der europäischen Zivilisation wurde und aus der heraus verschiedene Kulturen, darunter die Schnurkeramische, entstanden, die wiederum als Verbreiterin des„Indogermanischen" bis nach Asien gilt.400 Daneben wären eine ganze Reihe von Forschern zu nennen, die von Nord- und Mitteleuropa ausgehen­ de Auswanderungswellen und damit verbundenen Kulturtransfer von hier in den Süden, Westen und Osten bestätigen und selbst die akademische For­ schung hat seit dem Fund der Bronzescheibe von Nebra zumindest den euro­ päischen bronzezeitlichen Kulturen einen hohen kulturellen Stand und enge Handelsbeziehungen nach Südeuropa und in den Nahen Osten eingeräumt.401 Die Ausgrabungen der SS Der Beginn der archäologischen Forschung innerhalb der SS ist in der Ab­ kommandierung freiwilliger Verbände zu archäologischen Ausgrabungen zu erblicken, wobei die SS-Kommandos unter der Leitung der jeweiligen Grabungsleiter zum Einsatz kamen. Erst 1935 wurde innerhalb des Persön­ lichen Stabes RF-SS eine eigene Abteilung „Ausgrabungen" eröffnet. Mit 400 Vgl. Böttcher (2006), S. 20, 62 ff. 401 Vgl. Jürgen Spamith („Atlantis bei Helgoland"), Berry Fell (Nordische Felsin­ schriften in Amerika), Kai-Helge Wirth („Erfindung der Sternbilder durch nordme­ galithische Seefahrer"), Gert Meier/Herman Zschweigert („Hochkultur der Mega­ lithzeit"). Zur akademischen Forschung siehe insbesondere Meller (2004)

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SS-Grabung am Glauberg

SS-Grabung Camburg

Professor Dr. Alexander Langsdorff und Dr. Hans Schleif konnte Himmler dabei auf zwei anerkannte Fachleute als persönliche Referenten zurückgrei­ fen. Langsdorff hatte 1927 in klassischer Archäologie promoviert und war danach Kustos am Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, bevor er zu Himmlers SS stieß und Artikel für die SS-Zeitung „Das Schwarze Korps" verfaßte. Schleif dagegen war zwar ursprünglich Ingenieur, beschäftigte sich aber, über das interesse an der Bauforschung der Antike angeregt, be­ reits seit einigen Jahren mit der europäischen Frühgeschichte.402 Beide verband die Sorge vor dem Druck, den Rosenberg seit seiner Ernen­ nung zum „Beauftragten für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP", aus der er auch den „Auftrag zur Reglementierung der deutschen Vorgeschichtsdisziplin ableitete", über seinen neu geschaffenen „Reichsbund für Deutsche Vorge­ schichte" auf die deutsche Frühgeschichts- und Archäologenzunft ausübte.403 Wiegand, der wie oben dargestellt, bedeutendste Gegenspieler von Hans Reinerths „Reichsbund für deutsche Vorgeschichte", hatte den Weg für die bei­ den Archäologen vorgezeichnet: Durch Eintritt in die SS konnte man sich dem Zugriff Reinerths entziehen - dadurch wurde Himmlers „Schwarzer Orden" zum Schutzreservat der objektiven archäologischen Forschung und verhin­ derte „paradoxerweise" - wie Bollmus es formuliert - „das Absinken der deutschen Vorgeschichtsforschung in die Niederungen der Germanophilie. "404 402 Vgl. Kater (2006), S. 20 f. 403 Vgl. Kater (2006); danach ging der Reichsbund auf die bereits 1932 geschaffene „Reichsfachgruppe für deutsche Vorgeschichte" zurück, S. 23. 404 Bollmus (2002), S. 168; Allerdings trifft diese Einschätzung von Bollmus heute auf Kritik, denn dieser Lesart zufolge kommt die Organisation Ahnenerbe „zu gut weg", was politisch inkorrekt wäre; vgl. dazu Krall (2006), S. 9.

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Links: Skizze des geplanten Schutzgebietes Externsteine - rechts: SS-Bauhelfer während der Externsteingrabung durch Julius Andree, 1935 Ausgrabungsstätten Erste Ausgrabungsorte der SS-Gruppe befanden sich an der Erdenburg bei Bensberg/ Köln, wo ein Ringwall aus der Zeit der Römerkriege freige­ legt wurde, an einem germanischen Dorf auf dem Bärhorst bei Nauen, an der spätgermanischen Burg bei Alt-Christburg sowie im Lontal bei Urspring, wo Hinterlassenschaften der Altsteinzeit ergraben wurden. 1936 folgten als Ausgrabungsorte Lichtenburg / Sachsen sowie 1937 die Ausgrabungen in Mauern bei Ingolstadt. Hier hatte der Begründer des Urgeschichtlichen Forschungsinstitutes in Tübingen, Robert Rudolf Schmidt,steinzeitliche Werkzeuge innerhalb eines Höhlensystems gefun­ den. Im August 1937 übernahm die SS unter Rolf Höhne die Ausgrabungen. Höhne beauftragte den niederländischen Forscher Assien Böhmers mit der Fortsetzung der Ausgrabung, die neue Erkenntnisse über den Cro-Magnon Menschen erbringen sollte. 1938 wurde Böhmers der Aufgabenstellung ge­ recht, indem er einen Ursprung dieser Rasse, die als früheste Vertreterin des modernen Menschen in Europa gilt, im eiszeitlichen Europa um 70 000 v.Zw. postulierte.405 Eine Reihe weiterer archäologischer Forschungen, die nicht offiziell von der SS geleitet wurden, standen personell ebenfalls in Verbindung mit dem 405 Vgl. Pringle (2006), S. 124 f; ebenso auf deutsch: Pringle (2007); Böhmers glaubte aber auch an eine Entwicklung des Cro-Magnon aus dem europäischen NeandertalerMenschen, ohne dies explizit in seinem Forschungsbericht darzulegen; vgl. ebenda, S. 82

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Ahnenerbe: Ausgrabung der Burg Altjoch am Kochelsee, Ausgrabungen in Fridolfing, Untersuchung der Roßtrappe bei Thale im Harz, Grabung beim Stoppelberg in Höxter sowie Grabungen an der Kyffhäuserburg406 Die bedeutendste archäologische Stätte der SS waren jedoch die Externstei­ ne bei Hom, die bereits nach Abschluß der Ausgrabungen Andrees 1935 zum „Interessengebiet der SS" erklärt wurden. An den Extemsteinen sollte ein zen­ trales Nationalheiligtum des germanischen Ahnenkultes geschaffen werden, das eine zentrale Umwallung beinhaltete. Im Jahre 1936 begann der Reichsar­ beitsdienst Abt. 64 Iburg/ Horn, im Auftrage der Externsteine-Stiftung diese Pläne in die Wirklichkeit umzusetzen.407 In den folgenden Jahren verschwan­ den die Externsteine allerdings fast gänzlich aus der öffentlichen Betrachtung, so daß verschiedentlich die These geäußert wurde, es habe einen „Schweige­ befehl" über die wahre Bedeutung der Externsteine gegeben. Grund hierfür sei die nicht haltbare Deutung als germanische Kultstätte gewesen, wie Ger­ not Geise spekuliert408 Auch Freerk Haye Hamkens, damaliger Mitausgräber Andrees bei der Externsteine-Grabung, gibt an, daß 1939 der Plan der Ein­ richtung eines Nationalheiligtums auf gegeben wurde. Daß dem nicht so war, beweist indes ein Befehl Himmlers an Oswald Pohl vom 20.2.1940. In diesem führt Himmler eine ganze Reihe von Dingen auf, die im Rahmen der Einrich­ tung dieser Nationalstätte noch erledigt werden sollen, darunter die Anferti­ gung hölzerner Treppenaufgänge, die Erstellung von Karten und Infomaterial für Besucher u.a.. Allerdings weist Himmler im Schlußsatz auf den Zeitpunkt der Umsetzung seiner Anregungen hin, ohne dies ausdrücklich anzuspre­ chen: „Ich bitte für den Frieden um Vorschläge, in welcher Form diese Aufgaben zwi­ schen dem Chef des V. und W. Hauptamtes und dem Ahnenerbe geteilt werden."409 406 Siehe dazu Online-Findbuch BArch NS 21/687. 407 Vgl. Moll (2007). 408 Geise bezieht sich bei seiner Spekulation, die seine eigene These der Externsteine als Bestandteil eines „keltischen Nachrichtensystems" stützen soll, auf einen Arti­ kel Otto Sufferts in Germanien, in dem dieser angab, daß weitere Untersuchungen durch die SS bei Strafe verboten worden seien (Germanien Nr. 8/1934, S. 231). Geise spekuliert: War man sich damals schon darüber im klaren, daß es sich bei den Extern­ steinen keinesfalls um ein „Heiligtum" handelte? Erkannte man in den Fundrelikten bereits die Nichthaltbarkeit der „germanischen" Theorie? Geise (2007), S. 23; Elke Moll meint dagegen in der selben Ausgabe der Zeitschrift, Teudt sei die Erwähnung der nahe den Externsteinen gelegenen Immenburg „von den nationalsozialistischen Machthabern untersagt worden", da diese nicht in die Pläne der Einrichtung des neuen Heiligtums durch die SS paßte. Dies könnte ihrer Meinung nach auch dazu beigetragen haben, die Externsteine gar nicht mehr zu erwähnen, obgleich diese Er­ klärung reichlich abwegig anmutet, siehe Moll, S. 22. 409 Brief Himmler an Pohl, zit, nach Heiber (1970), S. 97 f.

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Für Ende April 1940 ist ferner ein Schrei­ ben Plassmanns an den Münsteraner Archäolo­ gen August Stieren über­ liefert, in dem ebenfalls die Externsteine themati­ siert werden: „Wir haben hier an einem Felsen der Externsteingruppe zahl­ reiche Spuren künstlicher Herrichtung festgestellt, die bis in die vorgeschicht­ Herbert Jankuhn (Bildmitte) im Kreis seiner Kollegen liche oder frühgeschichtli­ che Zeit zurückzugehen scheinen. Flachwände, die mit dem Spitzmeißel behauen sind, sind ganz unverkennbar. Außerdem scheinen einige damit zusammenhängen­ de Erdbewegungen vorgenommen zu sein. Auffallend ist dabei, daß ein berühmter Felsbeschmierer des 18. Jahrhunderts namens Kieselack sich gerade an dieser Stelle verewigt hat. Wenn es Ihre Zeit einmal erlaubt, so wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie gelegentlich einmal hierin kommen und sich die Sache ansehen wollten. Der Reichsführer SS wird sich für positive Ergebnisse an den Externsteinen, die ja bisher nicht allzu reichlich waren, sehr stark interessieren.''410 Während der bereits angesprochenen, 1934 durch Dr. Julius Andree er­ folgten Ergrabung, waren seinerzeit bereits SS-Grabungshelfer und -Archäo­ logen zum Einsatz gekommen. Zu dieser Zeit -1935/36 - bestand noch eine Zusammenarbeit zwischen SS-Ausgräbern und dem Reichsarbeitsdienst Rosenbergs, deren Mitglieder ebenfalls oftmals als Grabungshelfer zum Einsatz kamen. Mit der Erschließung weiterer archäologischer Betätigungs­ felder am Glauberg und am Brunholdisstuhl vermochte Heinrich Himmler jedoch weiteren Boden gegenüber Rosenberg gut zu machen und gliederte schließlich im Februar 1938, dank eines „wohlwollend passiven" Hitlers, dem die Einbindung der westdeutschen Richtung mit ihrer Betonung der Kulturgröße des klassischen Roms und Griechenlands entgegen kam,411 die SS-Grabungen, die seit 1935 formell dem Persönlichen Stab unterstanden, offiziell dem 1935 begründeten Amt Ahnenerbe ein. Zugleich eignete sich das Ahnenerbe im Februar 1938 die RuSHA-Abteilung „Vor- und Frühgeschichte" (RA III b) an, das gemeinsam mit der Abteilung Ausgrabungen in die neu formierte Abteilung „Germanische

410 Zit. nach Halle (2002), S. 216. 411 So Bollmus (2002), S. 168.

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Ausschnitt aus der Karte Interessengebiete des Ahnenerbe, Denkschrift 1939 Archäologie" des Ahnenerbes fusionierte.412 Damit stellte das Ahnenerbe die führende Organisation zur Erforschung der Vor- und Frühgeschichte innerhalb des 3. Reiches dar - zum Ärger Alfred Rosenbergs, der diese als eigene Ägide betrachtete. Hintergrund der Einbindung dieser erfolgreichen SS-Grabungstätigkeit war das Bemühen Himmlers um eine effizientere Nutzbarmachung archäologischer Erkenntnisse für die nationalsozialisti­ sche Weltanschauung und zugleich die stetige Erhöhung der wissenschaft­ lichen Reputation des Amtes Ahnenerbe, das fortan als Aushängeschild der wissenschaftlichen Forschung innerhalb der SS fungieren sollte. Mit der Zeitschrift „Germanien", die bereits seit 1935 offizielles Publikati­ onsorgan des Ahnenerbes war, verfügte man zudem über ein auflagenstar­ kes Blatt, das trotz weiterer Themenfelder des Ahnenerbes seine Ausrich­ tung auf archäologische und frühgeschichtliche Themen beibehielt. Seit 1938 - dem Jahr der Anweisung, sämtliche Grabungen der SS fortan im Ahnenerbe weiterzuentwickeln und zugleich dem Zeitpunkt der Ablösung des bisherigen Leiters der SS-Ausgrabungen Dr. Rolf Höhne durch Dr. Hans Schleif - zählte mit der Gründung der Forschungsstätte für germanische Ar­ chäologie die Ausgrabung von bedeutenden historischen Stätten deutscher 412 Vgl. Kater (2006), S. 67.

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Geschichte neben der Erforschung der Welteislehre unter Dr. Scultetus zu den wichtigsten Forschungsfeldern des Ahnenerbes. Diese Ausgrabungen von Hinterlassenschaften aus der Früh- und Vorgeschichte Europas sollten dabei vor allem die Rolle der „Nordischen Rasse" für die Frühzeit Europas beleuchten und hervorheben, zugleich aber auch vergessenes Brauchtum und Wissen der vorchristlichen Zeit betonen, was zugleich als Kritik an der Kirche dienen sollte, die nach Himmlerscher Lesart die Hauptverantwor­ tung für die Auslöschung dieses alten Wissens trug. Insbesondere die Haithabu-Forschung des renommierten Prähistorikers Herbert Jahnkuhn, der 1937 in das SS-Ahnenerbe eintrat, sowie die gewis­ senhafte, wenn auch heute oft angefochtene Arbeit Schleifs am Kriemhildenstuhl, vermochten tatsächlich den Ahnenerbe-Anspruch auf „exakt wis­ senschaftliches" Arbeiten zu untermauern. Dagegen stießen die noch heute umstrittenen Arbeiten an der heidnisch-germanischen Gedenkstätte in Ver­ den an der Aller bereits damals auf vorsichtige Kritik. Der in Erinnerung an 4500 durch christliche Franken getötete Sachsen errichtete Sachsenhain ließ zum einen - entgegen den Plänen Hitlers auf einen vorläufigen Burgfrieden mit den christlichen Stellen - die antichristliche Position der SS offenbar wer­ den, und vermochte überdies nicht die selbst gestellten Ansprüche auf eine möglichst objektive Forschung aufrecht erhalten; vielmehr wird die Sach­ senhain-Tätigkeit des Ahnenerbes die einherging mit der Schaffung einer weltanschaulichen Kultstätte, noch heute als das Paradebeispiel der Verqui­ ckung weltanschaulicher und wissenschaftlicher Tätigkeit im NS-Staat ver­ wendet - obgleich die Forschungs- und Grabungsergebnisse für sich allein betrachtet durchaus einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.413 Mit Ausweitung des nationalsozialistischen Herrschaftsbereiches seit 1938 gesellten sich zunehmend auswärtige Grabungsstätten hinzu, die den bereits seit 1937 eingeläuteten Prozeß der Dezentralisierung des Ahnenerbes forcierten. Um das Ansehen des Ahnenerbe über die Landesgrenzen hinaus und damit dessen Anerkennung als ernsthaftes Forschungsinstitut weiteren Auftrieb zu verschaffen, war ein Ausgriff auf Forschungsziele im Ausland unvermeidlich. Dazu bediente Himmler sich der Hilfe bereits anerkannter Forscher, denen er eine unbeeinträchtigte Forschung innerhalb der SS anbot. Daneben hegte der Reichsführer mit einer weltweiten Forschung auch den Wunsch auf Verbreiterung der Basis der innerhalb des Ahnenerbe er­ arbeiteten Thesen, insbesondere bezüglich des Nachweises der Welteislehre als auch der weltweiten Kulturbefruchtung durch germanische Stämme. Zu diesem Zweck wurden eine ganze Reihe von Forschungsreisen und Expedi­ tionen geplant und zum Teil auch durchgeführt.

413 Vgl. dazu Kater (2006), S. 238f.

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5.2.

Forschungsreisen & Expeditionen

Michael Kater behauptete seinerzeit, daß keine der bis dato erwogenen For­ schungsreisen „in Regionen außerhalb des Reiches bis Kriegsende in Gang gesetzt werden konnte", auf Planungen zu Forschungsreisen während der Kriegszeit geht er gar nicht ein, sondern weist lediglich auf die Unmöglichkeit der Durchführung derlei Expeditionen zu Beginn des Krieges hin.414 Dieser Sichtweise folgte die Mehrzahl der Autoren, die sich mit diesem The­ mengebiet auseinandersetzten.415 Daß dies so nicht zutreffend ist, bemerkte jüngst Heather Pringle, die sich schwerpunktmäßig gerade mit diesen Expedi­ tionen des Ahnenerbe auseinandersetzt. Während Kater durchblicken ließ, daß die eine oder andere Forschungsreise im Auftrag des Ahnenerbes doch durch­ geführt wurde416, eruiert Pringle insgesamt acht vor Kriegsbeginn durchgeführte Ahnenerbe-Expeditionen ins Ausland sowie vier weitere geplante, die nicht mehr durchgeführt wurden:417 Skandinavien-Expedition(en) (Herman Wirth 1935 & 1936), Finnland (von Grönhagen 1936), Abessinien (Edmund Kiss 1939), Balkan / Kroatien (Altheim 1936), Vorderer Orient / Irak (Altheim 1938), Südfrankreich (Assien Böhmers, 1939), Griechenland (Hans Schleif, 1940), Tibet (Emst Schäfer 1938/39). Zu den geplanten Expeditionen zählen Island (Bruno Schweizer), Ka­ narische Inseln (Otto Huth 1939), Persien (Walther Wüst 1940) und Bolivien (Ed­ mund Kiß 1940), wobei innerhalb der Ahnenerbe-Korrespondenz von 1939 auch noch Mandschuko (Japan),418 Südnigerien und sogar Hawai genannt werden.419 414 Kater (2006), S.97. 415 Etwa Ludmilla Tüting (Tibet-Mythos), die mit allerlei historischen Unzuläng­ lichkeiten und tendenziösen Bewertungen aufwatet (Gobineau und Chamberlain wer­ den zu „Wegbereitern von Auschwitz", indogermanische Stämme werden zu Noma­ den, „die zur Zeit der großen hamitischen, semitischen und sumerischen Kulturen illaterate Barbaren waren, die kein Nutztier domestiziert und keine Pflanze kultiviert hatten" wohlwollend zit. von Ruth Römer). Hier wandeln sich Katers „keine" stattge­ fundenen Forschungsreisen in „nur wenige, die verwirklicht werden konnten". 416 So schrieb Kater (2006), S. 97: „Es ist jedoch bezeichnend, daß von all diesen For­ schungsreisen, ob geplant oder tatsächlich durchgeführt, keine einzige in der von C. Troll nach dem Kriege aufgestellten Liste wissenschaftlicher Expeditionen während des dritten Reiches enthalten ist." Befremdlich ist dabei, daß Kater die sich ausschließlich auf geogra­ phische Expeditionen beschränkende Veröffentlichung C. Trolls zur Richtschnur erhebt. 417 Pringle (2006), S. 11. 418 Mandschuko dürfte in Zusammenhang mit einer Himmler-Äußerung zu in­ dogermanischen Einflüssen hinweisen, die dort anhand von bis in die heutige Zeit überdauernden Modeeinflüssen zutage träten, beispielsweise von Arbeitshosen, die solchen aus Bayern ähneln. 419 Vgl. Kater, S. 96; siehe auch Karte Forschungsziele des Ahnenerbe, Denkschrift

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Herman Wirth in Skandinavien 1936 - Vorbereitung zum Felsbildabguß Weitere Interessengebiete ergaben sich aus bereits abgeschlossenen For­ schungen zumeist von Privatforschern, auf die das Ahnenerbe aufmerksam wurde und für die zukünftige Unterstützung zugesagt wurde, so im Falle Ludwig Kohl-Larsens, der 1936 Afrika bereiste. Daneben gab es archäolo­ gische Forschungen, die teils bereits vor dem Kriegsende anliefen und mit Anschluß (Österreich) oder Kriegseinbruch (Polen) in die Abhängigkeit des Ahnenerbe gerieten. Im Ausland standen die Expeditionen des Forschungsvereins oft im Ver­ dacht, als Deckmantel für deutsche Spionagetätigkeit zu dienen - das nicht ohne Grund: Tatsächlich wurden die der SS nahestehenden Forscher vom SD dazu angehalten, Beobachtungen politischer Natur sowie Einstellungen der Bevölkerung besuchter Gebiete gegenüber Deutschland und auswärti­ gen Mächten schriftlich festzuhalten. Skandinavien: Archäologische Forschungsreisen Herman Wirths Ende 1935, zu einer Zeit als das Ahnenerbe gerade im Aufbau begriffen war, unternahm Herman Wirth eine Forschungsreise zu den Felsbildern im schwedischen Bohuslän. Die heute als bronzezeitlich bezeichneten Felsbil­ der weisen eine Reihe von Petroglyphen und Symbolen auf, die Wirth mit seiner atlanto-arktischen Ursprache in Verbindung brachte, die sich welt­ weit von einem in Grönland vermuteten Ursprungsgebiet ausbreiteten.420 1939, die insgesamt 122 in- und ausländische Orte als Wirkungsstätten vermerkt. 420 Vgl. Wirth (1928).

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Nach seiner Rückkehr wenige Wochen später vermochte Wirth anhand eines Diavortrages Himmler von der Finanzierung einer größeren Expedi­ tion nach Skandinavien zu überzeugen. Diese sollte nicht nur die Felsbilder Bohusläns erfassen, sondern noch andere Stätten in Schweden und Nor­ wegen erforschen. Am 4. August 1936 startete die Expedition, welche die Gruppe um Wirth erst nach Rügen und dann weiter nach Backa / Schweden führte. Von hier ging es weiter nach Bohuslän. Mit einer besonderen Tech­ nik fertigten Wirth und sein Team Gipsabgüsse zur Archivierung der Bilder an, die anschließend nach Deutschland geschickt wurden.421 Eines der Fels­ bilder, eine Figur mit erhobenen Armen, bezeichnete Wirth als Symbol des Gottessohnes, eines arischen Vorläufers des urarischen monetheistischen Gottesbegriffs, von dem das Christentum die Vorstellung des Gottesvaters und -sohnes übernommen hätte. Nach Besichtigung des letzten Ziels der Ex­ pedition, der norwegischen Insel Lauvoylandet, kehrte die Forschergruppe drei Monate nach ihrem Aufbruch in die Heimat zurück.422 Nach Kaltstellung Wirths wurde 1938 der Schwede Hakon Fernholm als Mitarbeiter der Ahnenerbe-Abteilung Schrift- und Sinnbildkunde mit einem weiteren Forschungsauftrag in Schweden betraut. Im Rahmen des Auftrags sollten schwedische Runen- und Stabkalender gesichert und weitere Felsbil­ der untersucht werden.423 Finnland 1935 war Himmler durch die Lektüre eines Zeitungsartikels über die fin­ nische Sagensammlung Kalevala auf einen jun­ gen Autoren aufmerksam geworden: den DeutschFinnen Yrjö von Grönhagen. Nach einem ersten Zusammentreffen hatte Himmler von Grönhagen als Abteilungsleiter der Forschungsstätte für In­ dogermanisch-Finnische Kulturbeziehungen für das Ahnenerbe verpflich­ tet und mit der Durchfüh­ rung einer Forschungsreise Yrjö von Grönhagen (re.) in Finnland, 1936 421 Vgl. Kater (2006), S.78. 422 Zu Details siehe Pringle (2006), S. 65 ff. 423 Vgl. ebenda.

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Heinrich Himmler in Norwegen, ca. 1940 - Rechts: Hirsch-Gott-Darstellung beauftragt. Im Juni 1936 machten sichvon Grönhagen und der Musikwis­ senschaftler Fritz Bose auf den Weg nach Karelien. Dort stieß der finnische Zeichner Ola Forsell zu der Gruppe. Aufgabe der Expedition war es, finnische „Zauberkundige“ und Schamanen aufzusuchen, finnisches Sagengut und Ge­ dichte sowie Lieder zu sammeln bzw. aufzuzeichnen. Bei einem Treffen mit dem Volkssänger Timo Lipitsä trug dieser ein ebenfalls im Kalevala enthalte­ nes Lied vor, obgleich das Buch dem Sänger nicht bekannt war. Es folgten Zu­ sammenkünfte mit dem finnischen Sänger Hannes Vornanen und dem Scha­ manen Miron-Aku, der in der dortigen Bevölkerung einen guten Ruf als Seher genoß. Im Verlauf dieses Treffens wurden Film- und Tonaufnahmen einer okkulten Sitzung angefertigt bei der Miron-Aku vergangene und kommende Geschehnisse wiedergab, die er seherisch „empfing".424 Weitere Forschungs­ berichte bezogen sich auf die finnischen Saunas. Frankreich Nach Abschluß der Mauerner Grabung im Juli 1938, in der Assien Böhmers den „Beweis" für eine Indigenität des Cro-Magnon-Menschen in Europa er­ bracht zu haben glaubte, versuchte der niederländische Forscher seine im Ausland mit Skepsis aufgenommenen Forschungsergebnisse abzusichern. Dazu plante er die Aussprache mit den führenden europäischen Steinzeit­ forschern und die Begutachtung deren Skelettmaterials. Die erste Station führte Böhmers nach Brüssel, wo er die Sammlung steinzeitlicher Perlen und Werkzeuge des wallonischen Forschers Aime Rutot begutachtete. Von hier reiste Böhmers weiter nach Paris, um am „Institut de Paläontologie Humaine" Werkzeuge aus Feuerstein zu untersuchen, die der führende Fran­ zösische Steinzeit-Experte Abbe Henri Breuil (1877-1961) zusammengestellt hatte. Breuil hatte 1901 die Felsmalereien in der südfranzösischen Dordogne entdeckt und deren Entstehung in der Altsteinzeit nachgewiesen. Nun er­ 424 Vgl. Pringle (2007), S. 77ff.

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möglichte der Franzose seinem niederländischen Kollegen die Besichtigung der Höhlenmalereien von „Les Trois-Freres", der bekanntesten der Höhlen. Hier prangt auch das Bild des Schamanen, eines Mensch-Hirsch-Zwitterwe­ sens, das als eine der ältesten religiösen Darstellungen Europas gilt. Nach seiner Rückkehr referierte Böhmers im Winter 1938 auf einer SS-Gruppen­ führer-Tagung über die „Ur-Gottheit" der Cro-Magnon-Menschen. Himmler belohnte den emsigen Forscher mit der Ernennung zum Leiter der Forschungsstätte für Urgeschichte. Im August 1939 übernahm Böhmers in dieser Funktion die Grabungsstätte Dolni Vöstonice in Tschechien, wo der nun emeritierte tschechische Forscher Karel Absolon seit den 20er Jah­ ren bedeutende Funde zutage gefördert hatte. In drei Grabungskampagnen zwischen 1939 und 1942 konnten allerdings nur wenige Artefakte geborgen werden, die an Absolons Funde nicht heranreichten.425 Abessinien Im Februar 1939 führte Edmund Kiß im unter italienischer Verwaltung stehenden Abessinien (Äthiopien) („Welteis"-)Forschungen über Strandli­ nien durch. Innerhalb von zwei Wochen trug Kiß mit seinen Begleitern eine Reihe von Indizien für die einstmalige Existenz von gewaltigen Wassermas­ sen in der lybischen Sahara zusammen, die für ihn nur mit der Hörbiger­ sehen Theorie erklärt werden konnten (siehe folgendes Kapitel 6). Italien, Balkan & Vorderer Orient: Archäologische Forschungsreisen Franz Altheims und Erika Trautmanns Der damalige anerkannte Archäologe Franz Altheim wurde 1937 vom Ahnenerbe kontaktiert. Zu dieser Zeit bereitete er eine Reise ins italienische Val Camonica vor, um dort Felsinschriften und Runenzeichen zu studieren - als Beweis für die bronzezeitlichen Wanderwege nordischer Völker auf ih­ rem Weg nach Rom. Im Jahre 1938 unternahm Altheim dann mit Unterstützung des Ahnenerbe eine Forschungsreise, die ihn gemeinsam mit seiner als Fotografin assistie­ renden Begleitung Erika Trautmann auf den Balkan führte. Nach einem Tref­ fen mit dem Direktor des rumänischen Staatsmuseums Grigore Floresci und einem freundschaftlichen Austausch über die dortige faschistische „Eiserne Garde", folgte die Erfassung von Inschriften an Palastwänden in Kroatien.426 Nach weiteren Zielen in Serbien, der Türkei und Griechenland begab sich das Forscherpaar nach Damaskus, der Hauptstadt Syriens. Hier an der einstigen römischen Ostgrenze hoffte Altheim neue Erkenntnisse zu den Kämpfen der 425 Vgl. dazu Pringle (2007), S. 81 ff.; zur ausführlichen Biografie Böhmers, siehe Pringle (2006). 426 Vgl. Pringle (2006), S. 11.

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Altheim und Trautmann im Orient

Assien Böhmers

Bruno Schweizer

indogermanischen Völker mit semitischen Stämmen gewinnen zu können. Im Irak trafen sich die beiden auf Vermittlung des Botschafters Fritz Grobba mit einheimischen Forschern und besuchten Parfhische und Persische Ruinen in der Nähe Bagdads. Das Ahnenerbe unterstützte diese Forschungsreise mit 6800 RM, die aus der Kasse des persönlichen Stabes des RF-SS stammten.427 Gleichzeitig erfüllten Altheim und Trautmann aber auch Dienste für den SD, indem sie Berichte über die politische Situation und Einschätzungen von ihnen getroffener Personen vornahmen.428 Am 13.01.1941 vermerkt Ahnenerbe-Geschäftsführer Sievers einen An­ trag Altheims auf eine Forschungsreise in das damalige Jugoslawien, die eine Besprechung zwischen Sievers und Altheim am 2.3.1941 nach sich zog, auf der weitere Einsatzfelder Altheims besprochen wurden. Island-Studienfahrt & geplante Expedition Unabhängig von einer geplanten Ahnenerbe-Expedition nach Island kam es 1936 zu einer Studienreise von SS-Führern nach Island. Die Island-Fahrt von Juni bis Juli 1936 ist entgegen den Äußerungen Wagners und GoodrickClarkes, die sie als „Forschungsreise" bezeichnen, weniger eine Expedition mit konkretem Auftrag, als vielmehr der Versuch, einer Studienkommision von SS-Führern „durch gemeinsames Erleben die Wurzeln der germani­ schen Edda-Saga" zu vermitteln.429 Zu den Teilnehmern zählen neben Otto Rahn, Wewelsburg-Bibliothekar Hans Peter de Coudres sowie Island-Kenner Paul Burkert.430 427 Kater (2006), S. 79. 428 Pringle (2006), S. 102; hier auch Details zu Altheims Reisen. 429 Lange (1999), S. 62; Während Lange diese Reise für Anfang Juli ansetzt (S.62) geht aus einem Schreiben des Sekretärs Rahns, v. Kalckstein hervor, daß sich Rahn bereits Anfang Juni auf dieser Reise befindet, ebenda S. 178; Goodrick-Clarkes (2004) Äußerung dazu S. 165. 430 Lange (1999), ebenda.

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Der Plan einer Island-Expedition des Ahnenerbe stand demgegenüber in Zusammenhang mit Bruno Schweizer (1897-1958). Dieser war am 1. Dezem­ ber 1937 auf Grund seiner Bewerbung um die öffentlich ausgeschriebene Stelle zum Abteilungsleiter im Ahnenerbe der SS berufen worden. „ Obwohl Schweizer zunächst eingestellt war, um an Stelle von Erich Gierach unter der Lei­ tung von Walther Wüst das „Sachwörterbuch der Germanenkunde" zu betreuen, und das Ahnenerbe bis dahin bestenfalls Interesse an seiner Zimbernforschung gezeigt hatte," wie Simon es formuliert,431 kommt es nach einem Gespräch Schweizers mit der Ahnenerbe-Führungsspitze Sievers und Wüst am 10. März 1937 zur Vorlage des „Plan einer Island-Forschungsfahrt". Die drei Hauptaufgaben dieser für den Sommer 1938 vorgesehenen und auf 6 Wo­ chen veranschlagten Island-Forschungsfahrt sollten sein: 1. Landschaftsforschung: Aufsuchen von Thingstätten, Kampfbahnen Opferstätten, Kulturstätten (Tempel). Beschreibung der Lage und Ortung, Planaufnahme der Erdmarken und Lichtbild davon. Aufzeichnen der mündlichen Überlieferung da­ rüber. Sonnenmarken. 2. Hausforschung: Herstellung maßstäblicher Planskizzen von Rasenhäusem und ähn­ lichen alten Gebäuden; Wohnhöhlen, Häuser, Viehhäuser, innen und außen photo­ graphieren. Desgleichen Aufnahme der wenigen vorhandenen alten Hausgeräte. 3. Volkskundliches: Filmaufnahme von typisch isländischen Vorgängen. Familien echt bäuerlicher Lebensart bei den täglichen Arbeiten, bei besonderen Feierlich­ keiten. Begräbnis, Vergnügungen, Kinderspiele mit bemalten Kieferknochen, Hausbau, Schafsammeln, Pferde. Aufzeichnung von noch unbekannten Erzäh­ lungen, Sagen, Mythen, Bräuchen und Versen. Beobachtung sprachlicher Alter­ tümlichkeiten. Haus- und Familienmarken.432 Nach Zustimmung von Wüst und Himmler kommt es Anfang 1939 zu Schwierigkeiten: Trotz der strikten Anweisung, jeden direkten Kontakt nach Island zu vermeiden, um die Expedition nicht zu gefährden, verschickt Schweizer Dossiers an den deutschen Generalkonsul in Reykjavik, den er von seinen drei Reisen nach Island in den letzten Jahren persönlich kann­ te.433 Dazu kommt ein Artikel einer isländischen Zeitung, in dem bevorste­ hende Expeditionspläne der SS sarkastisch kommentiert werden. Als zudem noch die Planung einer Island-Fahrt durch Rosenbergs Reichsbund bekannt wird und das Ahnenerbe-Budget von Kürzungen betroffen ist, legt Himmler die Expeditionspläne ad acta.434 431 Simon (ChrSchweizer). 432 Plan Schweizer 10.3.38„ebenda. 433 Sievers reagierte mit einem empörten Schreiben: „Der Umfang Ihrer Welt­ fremdheit übertrifft alles normale Maß, das man schließlich einem Wissenschaftler zubilligen kann."; Brief Sievers an Schweizer vom 8.5.1939. 434 Vgl. Simon (Island).

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Heinrich Himmler trifft Franco, 1940

Erika Trautmann (links) bei einer Grabungin Spanien, ca. 1935

Kanaren & Spanien Mitte der Dreißiger Jahre führte das Frobenius-Institut Ausgrabungen in prähistorischen Höhlen Nordspaniens durch - mit dabei waren der Althis­ toriker Franz Altheim und Erika Trautmann.. Das Interesse des Ahnenerbe richtete sich derweil auf die Kanarischen In­ seln, wo die Ureinwohner, die Guanchen, als mutmaßlich letzte Vertreter der steinzeitlichen Europäer bis in die Neuzeit überlebt hatten. Durch die hellhäu­ tigen und oft blonden Guanchen wurde die Inselgruppe oft in Verbindung zu den „Ur-Ariern" gebracht, denen von diversen Autoren eine Urheimat auf der irgendwo im Atlantik versunkenen Atlantis unterlegt wurde. Als bester Kenner der Kanaren galt seinerzeit Dr. Dominik Wölfel, der über eine umfangreiche Materialsammlung verfügte. Wölfel hatte im Ver­ lauf seiner Forschungen die These vertreten, die Guanchen seien Nachfah­ ren des blonden Cro-Magnon-Menschen, der sich ursprünglich in Nordaf­ rika entwickelt habe.435 Zu dieser von der NS-Linie abweichenden Ansicht über die Urheimat der Europäer - die SS-Forscher favorisierten bekanntlich das arktisch-nordische Gebiet - kam Wölfels Heirat mit einer „halbjüdi­ schen" Frau, was die Einschätzung seiner Person als politisch unzuverlässig manifestierte. Um das reichhaltige Material Wölfels dennoch für die eigenen Zwecke nutzen zu können, bemühte sich das Ahnenerbe seit 1939, das Ar­ chiv des Kanaren-Experten in die eigene Obhut zu übernehmen.436 Zu diesem Zeitpunkt liefen auch die Vorbereitungen einer Ahnenerbe-Ex­ pedition auf die Kanaren die von Otto Huth geplant, und dessen Schwager, dem österreichischen Orientalisten Otto Rössler (1907-1991), durchgeführt werden sollte.437 Otto Huth, Leiter der Ahnenerbe Abteilung für Indoger­ 435 Vgl. Rohrbacher (2010), S. 3f. 436 Vgl. dazu Sievers an Victor Christian; Simon (ChrChristian). 437 Rössler war über den „Atlantis-Forscher" Albert Herrmann mit Himmler bekannt gemacht worden und trat 1939 der Ahnenerbe-Forschungsstättefiir Indogermanische

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manische Glaubensgeschichte, hatte sich bereits in seinem Manuskript „Die Gesittung der Kanarier als Schlüssel zum Indogermanentum" mit den Ureinwohnern der Kanaren befaßt und bemühte sich daher auch aus eige­ nem Interesse, Rössler den Weg für die Forschungsreise zu ebnen, jedoch ergebnislos. Nachdem die Expedition angesichts des drohenden Kriegsaus­ bruchs abgesagt werden mußte,438 gelang es Rössler, Wölfel, der sich weiter­ hin einer Übergabe seines Archivs an das Ahnenerbe widersetzte, von der Notwendigkeit eines Nachdruckes der bedeutendsten Guanchen-Quelle zu überzeugen. Diese dann 1940 erschienende, aus dem Privatarchiv Wölfels stammende „Torriani-Handschrift" nutzte Rössler schließlich für seine Ha­ bilitationsschrift über die „Sprache der Kanarier"1941. Nach erfolgreicher Habilitation wurde Rössler Leiter einer Kanaren-Abteilung innerhalb der Ahnenerbe-Forschungsstätte für den Vorderen Orient Victor Christians.439 Weitere Interessengebiete des Ahnenerbes in Spanien ergaben sich aus ei­ ner Zusammenarbeit mit dem spanischen Archäologen Julio Martinez Santa Olalla. Dieser war im Vorfeld des Hitler-Franco-Treffens 1940 abgestellt, den die Reise vorbereitenden Himmler in Madrid zu begleiten. Gemeinsam be­ sichtigten sie das archäologische Nationalmuseum. „Begeistert von der fach­ kundigen und germanophilen Betreuung", wie Nowak es formuliert, lud Himmler den von der Idee der „Arisierung" der spanischen Frühgeschich­ te beseelten Spanier nach Berlin ein.440 Ende 1940 hielt Santa Olalla einen Vortragszyklus über die Goten in Spanien in mehreren deutschen Städten. Himmler revanchierte sich mit der Bereitstellung von Aufklärungsflugzeu­ gen für archäologische Geländeerkundungen und der Unterstützung der Ausgrabung der westgotischen Nekropole Castiltierra, 100 Kilometer nörd­ lich von Madrid. Auf Einladung der spanischen Behörden stattete Herbert Jankuhn der Grabung einen Besuch ab und auch Ernst Schäfer soll sich vor Ort über die Grabungsergebnisse informiert haben. Aufgrund fehlender Möglichkeiten der Restaurierung geborgener Ar­ tefakte in Spanien, wurden einige bronzene Grabbeigaben nach Berlin ge­ Glaubensgeschichte von Otto Huth bei, mit dem er durch Heirat der Schwester Huths auch verwandtschaftliche Bande knüpft; siehe Simon (ChrRoessler), S.lf 438 Vgl. Simon (ChrRoessler); dennoch wird immer wieder von einer erfolgten Ex­ pedition berichtet, u.a. Nowak (2008): „Mythologie-Experte Otto Huth unternahm 1939 eine Expedition auf den Archipel, hoch motiviert durch Berichte über die religiö­ sen Riten der Ureinwohner und Funde von Guanchen-Mumien mit blonden Zöpfen". 439 Vgl. Rohrbacher (2010), S. 4; ebenso Simon (ChrRoessler), S. 18 f; nach Auf­ nahme einer besser bezahlten Tätigkeit für das „Institut zum Studium der Judenfra­ ge" 1939 wurde Rössler im Januar 1940 Assistent Jakob Hauers in Tübingen, wobei er als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Ahnenerbe geführt wurde; ebenda, S. 12 ff. 440 Nowak (2008).

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schickt. Noch im Jahr 1943 berichtete die spanische Zeitung „El Pais" von einem Versand von Knochenfunden nach Berlin, die ebenfalls in Zusam­ menhang mit der Grabung Santa Olallas stehen soll.441 Griechenland Ein Land, das traditionell im Fokus der deutschen Archäologie stand, war Griechenland - oft als „Mutterland" europäischer Zivilisation bezeich­ net. Spätestens seitdem Hitler sich mehrfach schwärmerisch über die grie­ chische Antike geäußert, zugleich aber auch ein älteres, von Norden kom­ mendes Erbe dieser griechischen Kultur impliziert hatte, war das Land auch für Himmler interessant geworden. Es galt, die anhand von Sagenüberlie­ ferungen naheliegende Verwandtschaft zwischen den alten Hellenen und den Germanen wissenschaftlich nachzuweisen - anhand anthropologischer und archäologischer Überlieferungen. Dies war die Ursache für eine Reihe von Maßnahmen, die heute verwunderlich erscheinen, insbesondere wenn sie während des Krieges initiiert wurden, als es sicherlich wichtigere Dinge gegeben haben dürfte, als etwa die Feststellung, wie viele der SS-Männer ein griechisches Profil aufwiesen.442 In diesem Fall war Himmler von dem Gedanken bewegt, der Zuneigung seines Führers zu den antiken Hochkul­ turen mit der Aufstellung eines SS-Verbandes zu huldigen, der - mangels ge­ eigneter griechischer Freiwilliger - aus griechischen „Rassetypen" bestehen sollte. Gleichzeitig war Himmler in Bezug auf Griechenland bestrebt, die sprachliche und kultu­ relle Verwandtschaft zwischen Hellenen und Norwegern mittels ei­ nes Forschungsauftra­ ges zu prüfen - dieser Auftrag wurde jedoch auf die Zeit nach dem Kriegsende verscho­ ben.443 Ebensowenig zur Umsetzung kam Modell des Burgbergs von Pergamon nach H. Schleif die geplante Einrich441 Siehe ebenda. 442 Vgl. Brief Meine an RuSHA, Heiber (1970) S. 150; vgl. auch Kater (2006), S. 205f. 443 So Himmler in einem Brief an Brandt, in dem er unter Verweis auf die Überrein­ stimmung alter norwegischer Ortsnamen mit griechischen einen solchen Forschungsaufirag anregt. Bei Heiber, S. 109; allerdings ging das Interesse am Hellenismus noch weiter: So wurde dem Lebensborn auferlegt, eine Kartothek aufzustellen, über Kinder und Mütter, die eine „griechische Nase" aufweisen; Heiber (1970), S. 149.

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tung einer Ahnenerbe-Forschungsstätte über die „Arisch-indogermanischen Zusammenhänge in Griechenland und Italien".444 Auf archäologischem Gebiet war bereits seit 1936 Emil Kunze auf An­ trag des Reichssportführers v. Tschammer und Osten mit einer sogenannten „Führergrabung" im griechischen Olympia befaßt. Im Herbst 1940 stieß Hans Schleif, der damalige Leiter der Ahnenerbe-Stätte Ausgrabungen hinzu und wurde für die Zeit der Grabung vom Ahnenerbe beurlaubt und als Leiter der Forschungsstätte durch Herbert Jankuhn abgelöst.445 Zuvor hatte Schleif bereits bei der Ausgrabung der antiken griechischen Stadt Pergamon (heute türkisch „Bergama") mitgewirkt, in deren Verlauf er auch ein Rekonstrukti­ onsmodell erstellte (Bild S. 143). Auf beide Grabungsbefunde, die 1944 ver­ öffentlicht wurden, wird noch heute in Fachpublikationen zurück gegriffen. Weitere Ahnenerbe-Forschungen erstreckten sich auf das griechische Ora­ kel-Heiligtum Delphi, das 279 v.Zw. von Kelten geplündert wurde, die aller­ dings einen Großteil des „Schatzes" (von Orakelbefragern gespendete Mün­ zen u.dgl.) auf dem überstürzten Rückzug zurückließen. Gerüchten zufolge, soll das Interesse des Ahnenerbes genau diesem Schatz gegolten haben.446 Eine weitere Untersuchung erstreckte sich auf das „Tor des Hades", eine Bezeichnung für ein bei Tainaro gelegenes Höhlensystem auf dem südlichen Peloponnes. Legenden besagten, durch dieses Tor seien germanische Völker auf der Flucht vor einer Naturkatastrophe direkt aus Nordeuropa nach Grie­ chenland gelangt.447 Hier soll Hans Reinerth zwischen April und Dezember 1941 für Rosenbergs Reichsbund geforscht haben, mit dem Ergebnis, daß tatsächlich neue Beweise für die nordische Einwanderung nach Griechen­ land erbracht worden seien.448 Südnigerien Neben offiziellen und halboffiziellen Expeditionen gab es allerdings noch eine Reihe weiterer Interessengebiete und Forschungsprojekte, für welche sich das Ahnenerbe interessierte. Zu diesen zählten eine Südnigerien-Reise des Forschers Dr. Ludwig KohlLarsen, an deren Finanzierung sich das Ahnenerbe 1938 beteiligen wollte. Dr. Kohl-Larsen, SS-Mitglied als Obersturmbannführer, hatte zwischen 1934 und 1936 die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika bereist und For­ schungen über vorgeschichtliche Felsmalereien im Nyarasa-Graben und die Tindiga, ein Jäger- und Sammlervolk in Afrika, angestellt. Berichte seiner 444 Vgl. ebenda. 445 Vgl. Kater (2006), S. 292; Bollmus (2002), S. 308 (Anm. 65). 446 „Ahnenerbe in Greece", ethniko.net (PDF). 447 So zumindest „Ahnenerbe in Greece", ebenda. 448 So Reinerth gemäß ebenda.

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Forschungstätigkeit wurden auch an das Ahnenerbe geleitet, welche daraufhin eine Unterstützung der weiteren Forschungs­ tätigkeit Kohl-Larsens beschloß. Sievers verfügte im August 1937 die Zahlung ei­ ner Summe von 500 RM und stellte die Vermittlung eines Geldbetrages von 30 000 RM durch andere Stellen in Aussicht.449 Einen Monat später bedankte sich KohlLarsen bei seinem Förderer Himmler mit einem von ihm verfaßten Buch über die afrikanischen Issansu-Märchen.450 Hieraus entstanden Pläne für eine sogenannte Südnigerien-Expedition, die aber über theore­ tische Erwägungen nicht hinaus kam.

Ludwig Kohl-Larsen (re.) 1936

Grönland Auch die Grönland-Forschungen von Prof. Paul Burkert, der als Unter­ sturmführer seit Mitte der 30er Jahre SS-Mitglied war, erregten das Interesse des Ahnenerbe. Zwischen 1931 und 1933 führte der Meteorologe eine Expe­ dition im arktischen Raum durch, von der er mehrere Exponate, darunter einen Inuit-Kajak mitbrachte. 1935 veröffentlichte Burkert seine Erlebnisse in dem Büchlein „Erlebtes Grönland". Für 1937 plante Burkert, der 1936 auch zu den Teilnehmern der Island-Reise der SS-Führer zählte, eine wei­ tere Forschungsfahrt nach Grönland, die unter anderem Beobachtungen des Verhaltens des Polarlichtes hinsichtlich der Welteislehre, Stern- und Wetterkundliche Untersuchungen sowie die Erforschung von Wikingersiedlungen vorsah. Das Ahnenerbe unterstützte diese Forschungen in der Vorbereitung mit 580 RM sowie der Bereitstellung von Waffen und Material. Wenige Wochen später dis­ tanzierte sich Sievers jedoch offiziell „aus besonderen Gründen" von der geplanten Expedition, da Burkert angeblich „un­ richtige Angaben über Forschungsauf­ träge Himmlers anläßlich der zurückhe­ genden Island-Fahrt verbreitet hätte.451 So führte Burkert die Expedition schließlich Paul Burkert (re.) 1937 449 Sievers an Ahnenerbe 20. 8. 1937; ArchivVerfasser Nr. 32. 450 Archiv Verfasser Nr. 33. 451 Vgl. Schreiben Galke an Dresdener Bank, Archiv Verfasser Nr. 34.

149

zwischen August 1937 und Mai 1938 ohne offizielle Mitwirkung des Ahnenerbe durch. Ein Bericht über diese Forschungsfahrt fin­ det sich in Burkerts 1938 erschienendem Buch „Weißer Kampf. Eigene Erlebnisse in Grönland". Hier berichtete er über geolo­ gische Entwicklung Grönlands: „Es muß hier einmal wie in den ge­ samten polaren Gebieten üppigstes Leben gewesen sein, es muß hier einmal der Wald aus Schachtel­ halmen gewaltiger Größe gestan­ den haben, die heute im arktischen Gebiete zur Steinkohle Grönlands und Spitzbergens geworden sind.... . Und wie lange ist es her, daß sie hier ihr Blattwerk grünen ließen? ... Tannen und Kiefern, Ahorn und so­ gar Linde, Buche, Walnuß, Zypresse und andere Arten schatteten in der Tertiärzeit - also vor rund 10 000 Reiseskizze Burkerts Jahren. Wodurch wurde der Wechsel des Klimas bedingt? .. Die wahrscheinlichste Ursache ist eine Veränderung in der Wärmemenge, die uns die Sonne zusendet. “ Die Frage ist, ob diese Antwort bei einer expliziten Untersuchung der Wirkung der Welteislehre im Auftrag des Ahnenerbe ebenso ausgefallen wäre? Allerdings, so Burkert weiter, sei „auch gar nicht ausgeschlossen, daß der Nordpol selbst seine Lage auf der Erdoberfläche geändert hat..." Auch die schon im Rahmen der anvisierten Ahnenerbe-Forschungsreise geplante Untersuchung der Wikingersiedlungen auf Grönland erwähnt Bur­ kert: „Was ist denn ausgegraben worden? Und wo sind denn die Normannen ge­ blieben? ... Man fand zum Beispiel kleine Messer mit Holzgrijfen; aber die Klinge war so abgenutzt, daß sie kaum mehr als 2 bis 3 cm lang war. Es hat also starker Eisenmangel bei den Siedlern geherrscht. Andererseits wissen wir aus den Sagas, daß die Verbindung mit der Heimat zu Anfang des 15. Jahrhunderts außiörte......... Der Viehbestand an Schafen, Rindern und Schweinen ging allmählich aus Mangel an Nahrung zugrunde. Das Verhältnis mit den eingeborenen Eskimos war nicht immer friedlich, es kam zu schweren Kämpfen. So trat eine Ursache zur anderen, den Untergang der normannischen Besiedlung herbeizuführen."452 452 Burkert (1938), S. 28 f, S. 58 f. 150

Tibet: Zur Ernst-Schäfer Tibet-Expedition 1938/39 siehe folgendes Kapitel 10

5.3.

Astrologie, Alchemie & Rutengänger

Eine Vielzahl der archäologischen und zweckwissenschaftlichen For­ schungen innerhalb des Ahnenerbe kam aufgrund der Initiative Himmlers zustande, der sich immer wieder mit Fragen und Forschungsweisungen be­ züglich der verschiedensten Themen an das Amt wendete. Dabei kam es auch immer wieder zu Aufträgen, die heute verwundern mögen, allerdings bei genauerer Betrachtung keine Erzeugnisse bloßer Langeweile des Reichsführers waren, sondern auch immer einem Zweck dienten, worauf im Zusammenhang mit der Kriegstätigkeit des Ahnenerbe noch einzugehen sein wird. Dennoch hielten sich bis heute eine Reihe von vorgeblichen Befehlen oder Anweisungen Himmlers, die gewisse Andeu­ tungen des Reichsführers phantasievoll ausschmückten: So berichtet das Autorentrio Lincoln / Baigent/ Leigh von einer Anweisung Himmlers an die SS, „Nachkommen auf den Grabsteinen edler Arier zu zeugen", da diese vom Geist der Toten inspiriert würden.453 Wegweisend was die heute zunehmend an Boden gewinnende „expe­ rimentelle Archäologie" betrifft, erwies sich Himmler hingegen mit der Anordnung von Nachbauten diverser alter Kulturerzeugnisse, wie den bronzezeitlichen Luren, die, trotzdem die vorgesehene Herstellung im Guß­ verfahren scheiterte und lediglich zusammengelötete Exemplare hergestellt wurden, noch als Belegstücke der hochstehenden bronzezeitlichen Kultur Norddeutschlands gelten können. Gleiches gilt für bronzezeitliche Rennwagen, bei denen der Wagenlenker auf der Deichsel stand. Die angefertigten Nachbauten wurden durch eine Einheit der SS-Hauptreitschule, die Pferde und Fahrer stellte, auf ihre Pra­ xistauglichkeit erprobt.454 Noch deutlicher als in den geisteswissenschaftlichen Bereichen, offenbar­ te sich die Diskrepanz zwischen akademischer und SS-Forschung im Bereich der Naturwissenschaften. Die naturwissenschaftliche Richtung innerhalb des Ahnenerbe war dabei von Beginn an auf alternative Forschungen ausge­ legt, die auch einige Forschungsfelder mit sich brachten, die heute als kurios gelten würden, aber in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen sind. Radiästhesie (Wünschelrute & Pendel) Eines der absonderlich anmutenden Steckenpferde Himmlers war dabei die Radiästhesie, d.h. Strahlenwirkungen auf Organismen. Während eines 453 Lincoln (2005), S. 174; siehe hierzu auch Kap. 11. 454 Siehe dazu Koop (2012), S. 105.

151

Experimentelle Archäologie im SS-Ahnenerbe: Luren und Rennwagen. Prozesses gegen den Generaloberst von Fritsch 1938 ließ der RF-SS zwölf seiner vertrautesten SS-Führer in einem dem Verhörzimmer nahegelegenen Raum versammeln und beauftragte diese, durch Willenskonzentration ei­ nen suggestiven Einfluß auf v. Fritsch auszuüben. Himmler erwartete, daß der Angeschuldigte unter dieser Einwirkung die Wahrheit sagen müsse und bekennen werde, ob er die Tat begangen habe. Im Laufe der Verhandlung stellte sich jedoch heraus, daß der General Opfer einer Namensverwechslung geworden war, wie er stets behauptet hatte.455 Tatsächliche Ergebnisse erbrachte das Interesse Himmlers dagegen für das Wünschelrutengehen. Im August 1942 verfügte er, aus geeigneten SSPionieren SS-Wassersucher-Brigaden aufzustellen, die später eventuell auch zur „Erzsuche", speziell zum Aufspüren von Gold, eingesetzt werden soll­ ten.456 Zu diesem Zweck rekrutierte das „Ahnenerbe" Dr. Josef Wimmer, einen Lehrer für Flugphysik an der Wittelsbacher Oberschule in München. Wimmer übernahm im „Ahnenerbe" die Abteilung für angewandte Geolo­ gie, richtete im Heilkräutergarten des KZ Dachau seine Ausbildungsstätte ein und schloß den ersten Wassersucherlehrgang am 13. Oktober 1942 ab. Nach einem weiteren Vertiefungskurs im November 1942, erging die An­ weisung, daß jedem SS-Wehrgeologietrupp ein Wünschelrutengänger zuzu­ ordnen sei. Zu diesem Zeitpunkt waren einer in Belgrad stationierten SS-Division bereits die ersten drei Wassersucher zugeteilt worden. Für den März 1943 wurden Doppelkurse vorgesehen, für die zusätzlich ein Hilfsausbilder eingestellt werden sollte.457 455 Nach Schellenberg (1981), S. 49. 456 Vgl. Kater (2006), S. 222; siehe auch Koop (2012), S. 133 f. 457 Kater (2006), S. 222.

152

Wie Wimmer später angab, wurden bis zum Kriegsende eine Reihe weiterer Kurse im Wün­ schelrutengehen durchgeführt, de­ ren Absolventen offizielle Urkun­ den vom Ahnenerbe erhielten.458 Angeblich beschränkte sich die Tätigkeit der ausgebildeten Ru­ tengänger nicht nur auf die Was­ sersuche. Sie sollen auch für das Aufspüren unterirdisch angeleg­ ter Gänge, Bunker und Depots, ja Illustration aus Willy Ley: „Pseudoscience" sogar für die Suche nach Minen eingesetzt worden sein. Selbst für „Schatzsuchen" verfügte Himmler offenbar noch Ende 1943 über Kapazitäten. So wurde Wimmer mit der Untersuchung des Hohenhöwen, eines Basaltberges im Hegau, auf dem sich eine Burgruine befindet, beauftragt. Hintergrund des Einsatzes war eine Legende, derzufol459 ge sich in diesem Berg ein „sagenhafter Schatz" befände.458 Über den Erfolg dieser Mission ist allerdings nichts bekannt. Neben der Wünschelrute wurde auch das Pendel zur Erlangung von Informationen eingesetzt. Bereits 1942 hatte das Oberkommando der Marine eine Gruppe von Pen­ delexperten in Berlin zusammengezogen, die zuvor als vermeintliche Mit­ schuldige am Scheitern der Heß-Mission 1941 in Konzentrationslagern inter­ niert waren. Diese sollten den Aufenthaltsort alliierter Schiffe mithilfe eines über einer Seekarte schwingenden Pendels bestimmen. Die Gründung dieser geheimen „SP"-Gruppe soll in Reaktion auf die alliierten Erfolge bei der Ver­ senkung von U-Booten seit Ende 1941 erfolgt sein. Während der Erfolg tat­ sächlich durch die Entschlüsselung des deutschen Enigma-Codes zustande kam, glaubten einige Offiziere auf deutscher Seite an übernatürliche Fähigkei­ ten, was möglicherweise durch die Allierten selbst suggeriert wurde.460 Nach katastrophalen Ergebissen wurde die Gruppe Ende 1942 aufgelöst. Diese Mißerfolge brachten Himmler nicht davon ab, an der grundsätzlichen Möglichkeit des erfolgreichen Pendeleinsatzes zu zweifeln. 458 So http://alpenfestung.com/ahnenerbe_rutengehen.htm. 459 So Brand wörtlich in seinem Schreiben an Sievers unter Bezug auf Himmler, bei Heiber (1970), S. 289f. 460 Vgl. Wulff (1968), der die Initiative britischen, vom Geheimdienst gestreuten Ge­ rüchten zuschreibt, denen zufolge die Briten selbst durch das Pendel große Erfolge bei der Aufspürung deutscher U-Boote erzielen würden. Allerdings haben die Briten tat­ sächlich auch Okkultisten mit ähnlichen Forschungen beauftragt; vgl auch http://www. astrologix.de/artikel/geschichte/hartmann05.html; siehe dazu auch Howe (1995), S. 317

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So ließ er im Herbst 1943 mehrere Hellseher, Astrologen und Pendler in einer Villa am Warmsee unterbringen, von wo aus sie den Aufenthaltsort des wenige Tage zuvor von der neuen sozialistischen Regierung festgesetzten Duce feststellen sollten. Ebenfalls beteiligt an dieser „Unternehmen Mars" genannten Aktion war der Astrologe Wilhelm Th. Wulff, der in seiner Bio­ graphie „Tierkreis und Hakenkreuz" von seiner Begegnung mit Himmlers Leibarzt Felix Kersten berichtet, über den er Kontakt zum RF-SS bekam. Im Rahmen des Mussolini-Ortungseinsatzes ermittelte er dessen Aufenthalts­ ort „höchstens 75 km südöstlich Roms''.461 Zu diesem Zeitpunkt befand sich Mussolini tatsächlich auf der Insel Ponza, etwa 120 Km südlich von Rom, bevor er in ein Hotel auf dem Gran Sasso / Abruzzen verbracht wurde. Dort wurde er schließlich durch ein Kommandounternehmen unter Führung von Otto Skorzeny befreit. Tatsächlich scheinen also in einigen Fällen der An­ wendung des Pendels oder der Wünschelrute durchaus positive Ergebnisse erzielt worden zu sein - nicht nur in diesem Fall.462 Alchemie Wie bereits erwähnt, bestand ein Ziel der Radiästhesie in der Auffindung von Goldadern. Die Suche nach Gold wurde jedoch auch durch einen ande­ ren, den okkulten Künsten zugerechneten Weg angestrebt, nämlich der Al­ chemie. Der alte alchimistische Traum der Verwandlung wertloser Substan­ zen in Gold war für Himmler anders als für die meisten seiner Zeitgenossen kein bloßer Wunschtraum, sondern potentielle Realität. Dabei dürfte er von verschiedenen Quellen beeinflußt worden sein, die von der tatsächlichen Fä­ higkeit einiger Alchemisten berichten, Blei in Gold zu verwandeln.463 So gelang es Himmler, den Alchemisten Franz Tausend für seine Zwecke einzuspannen. Tausend hatte zum Zeitpunkt des Interesses Himmlers be­ reits eine typische Hochstapler-Karriere hinter sich: Der 1884 in Krombach geborene Franz Seraph wurde bereits durch die Wunderheiler-Karriere sei­ nes Vaters, eines gelernten Klempner, inspiriert. Nach einer gescheiterten Volksschullehrer-Ausbildung und ebensolcher Militärlaufbahn wurde er ebenfalls Klempner, begann aber anschließend eine Drogisten-Lehre. Nach dem Weltkrieg gründete er einen „Bund der Familienfreunde" der gegen Geldeinlagen Lebensmittel beschaffen sollte. Tatsächlich wanderte das 461 Wulff (1968) S. 129; vgl. auch die online-Ausgabe (englisch) unter http://www. skyscript.co.uk/wuljf6.html; siehe auch ausführlich: Berndt (2011), S. 240ff. 462 Vgl. dazu Howe (1995), S. 314 ff.; ferner http://alpenfestung.com/ahnenerbe_ rutengehen.htm; vgl. auch Schellenberg (1981), S. 49. 463 Vgl. Wegener (2006), S. 27f, der hier drei, freilich sich heutiger Nachprüfung entziehende Fälle nennt: Helvetius (Johann Friedrich Schweitzer, + 1709), Berigado von Pisa (17. Jhrh.) und Johannes Baptista von Helmont (+ 1644).

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Geld in Tausends Tasche. Nach Ankauf eines Schloßgutes in Regensburg versuchte sich Tausend mit einer wissenschaftlichen Geigen-Prüfstelle und entwarf einen Geigenlack zur Klangverbesserung.464 Von der Möglichkeit fasziniert, mit derlei Schabernack Geld zu verdienen, wendete er sich der Goldmacherei zu. Zu diesem Zweck gewann er Förderer vor allem aus Krei­ sen der völkischen Bewegung, darunter Erich Ludendorff, denen er sich mit der Vorstellung andiente, durch die Goldmacherei „Deutschland aus den Fes­ seln des Leihkapitals zu befreien",465 Tausend hatte drei verschiedene Verfahren zur Umsetzung seiner Pläne vorgesehen, darunter das Quecksilberverfahren sowie das KOH-Verfahren. Und tatsächlich fand sich am Ende des jeweiligen Verfahrens ein Körnchen Gold in der Schlacke des verwendeten Ofens. Der Zeitzeuge Heinrich Schleff mutmaßt allerdings, das Gold habe sich schon vor den Versuchen in Tau­ sends Hand verborgen befunden. Die aufgrund seiner vermeintlichen Er­ folge in der „Tausend-Gesellschaft-GmbH" versammelten Industriellen und Förderer spendeten von 1925 bis 1929 mehrere Hundertausend Reichsmark, die vertraglich zu 75 % Ludendorff zuflossen, der wiederum die völkische Bewegung, u.a. die NSDAP, finanziell unterstützte.466 Nachdem der Erfolg ausblieb, kam es 1929 zu einem von Tausends Anle­ gern angestrengten Betrugsprozeß, bei dem Tausend nach zwei Jahren Er­ mittlung 1931 schuldig gesprochen wurde. Als Schwindel entlarvt worden war eines seiner Verfahren bereits 1928 vom italienischen Chemiker und Erfinder Quirino Sestini.467 Nach Verbüßung seiner Haftzeit wendete sich Tausend seit 1933 wiederum der Alchemie zu, wurde aber 1938 erneut we­ gen Betruges zu drei Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt.468 Zwischen 1934 und 1938 war er von Heinrich Himmler verpflichtet wor­ den, in einem in einem Nebengebäude des Prinz-Albrecht-Palais einge­ richteten Labor, Gold zu erzeugen - so zumindest Adolf Eichmann. Dieser erinnerte sich in seinen 1961 verfaßten Memoiren an einen von Himmler be­ schäftigten Goldmacher, der „merkwürdigerweise Tausend" hieß.469 Auch Wil464 Zur ausführlichen Biographie Tausends siehe Wegener (2006), S. 35 ff. 465 Zit. nach Wegener (2006), S. 40. 466 So Wegener (2006), S. 84 ff. 467 Siehe Tausend entlarvt? In: Sozialdemokratischer Pressedienst v. 31. Januar 1931, S. 9f. 468 So Wikipedia: Franz Tausend. 469 Vgl. Wegener (2006), S. 116 f; Wikipedia: Franz Tausend, hält die Aussage Eich­ manns allerdings für eine Verwechslung mit dem 1935 nachweislich in der Gestapozen­ trale, Prinz-Albrecht-Straße 8, in Berlin inhaftierten Goldmacher Heinz Kurschildgen. Die genaue Erinnerung an Tausends Namen spricht jedoch gegen eine Verwechslung.

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heim Wulff erwähnt eine 1943 ihm gegenüber erfolgte Aussage des Himmler-Adjutanten Suchanek: „Der Reichsführer läßt ihnen sagen, daß sie schneller arbeiten und sich mehr Mühe machen sollen, sonst könnte es ihnen so ergehen wie dem Goldmacher Tausend, der im KZ sitzt und solange sitzen wird, bis er Gold machen kann."00 So sehr die „Goldmacherei" den heutigen Leser auch befremden mag, befand sich Tausend damit in bester Gesellschaft: Dazu faßt Wikipedia zusam­ men: „Der Nobelpreisträger Fritz Haber versuchte in diesen Jahren Gold aus Meerwasser zu gewinnen und der Professor an der TH Charlottenburg Adolf Miethe erregte zwischen 1924 und 1926 Aufsehen mit seinen Versuchen, Gold aus Quecksilber zu synthetisieren. Dasselbe Ziel Franz Tausend verfolgte ab 1924 der japanische Physikprofessor Nagaoka mit starken elektrischen Feldern. In den USA schließlich war seit 1897 die Aktiengesellschaft,Argentaurum Company' des Metallurgen Stephen H. Emmens aktiv, die angeblich eine künstliche Goldsilbermischung produziert und an die United States Mint verkauft hatte."01 Gerüchte zur praktischen Anwendung der Hohlwelt-Theorie Immer wieder erscheint die Behauptung, das 3. Reich habe sich auch für die sogenannte Hohlwelttheorie begeistert. So sieht Ludmilla Tüting die Hohlwelttheorie als Element des „aberwitzigen Okkult-Cocktails" des 3. Rei­ ches, derzufolge „wir in einer nach innen gewölbten Erde lebten".02 473 472 471 Abgesehen vom US-amerikanischen Ursprung dieser Theorie470 stammt die Behauptung, „die Nazis" hätten sich damit befaßt, ebenfalls aus den USA. Neben Willy Ley, einem Raketenforscher, der im Zusammenhang mit der Vril-Gesellschaft noch eine Rolle spielen wird, war es unter anderem der Autor Gerard P. Kuiper, der eine solch waghalsige These aufstellte: 470 So Wulff (1968), S. 126 f; einen ähnlichen Fall schildert Koop (2012), S. 139, unter Berufung auf Sievers. Demnach hätte ein Mann in Düsseldorf behauptet, aus minderwertigen Stoffen Gold, und aus Wasser Benzin machen zu können. Trotzdem er den Beweis immer schuldig blieb, wandte er sich nach und nach an immer neue Partei-Stellen bis Hitler schließlich befahl, den Mann solange einzusperren, bis er tatsächlich aus Dreck Gold und aus Wasser Benzin gemacht hätte. 471 Wikipedia: Franz Tausend. 472 http://www.tourism-watch.de/node/63. 473 „In neuerer Zeit wurde diese Idee von einem Hauptmann der US-Armee na­ mens John Cleves Symmes jun. (1780-1829) vertreten". Wikipedia: Theorie der hohlen Erde.

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„Bestimmte Kreise der Deutschen Marine glaubten an die Hohlwelttheorie. Sie erachteten sie als hilfreich, um die Britische Flotte zu lokalisieren, denn die Wölbung der Erde würde die Beobachtung nicht behindern. Wegen der Lichtbrechung seien optische Strahlen nicht geeignet; doch Infrarot­ strahlen hätten eine geringere Brechung. Folglich wurde eine Gruppe von etwa zehn Mann unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Heinz Fischer, einem Experten für Infrarotlicht, von Berlin zur In­ sel Rügen gesandt, um mit Infrarotlichtausrüstung die Britische Flotte unter einem nach oben gerichte­ ten Winkel von etwa 45° zu fotografieren."474 Aufgegriffen wurden die Gerüchte von ver­ schiedenen Autoren - selbstverständlich auch von Pauwels/Bergier - allerdings ohne daß Titelbild des Lang-Werkes auch nur eine Primärquelle irgendwo genannt wurde. Eine tatsächlich befürwortende Aussa­ ge eines höheren NS-Protagonisten zu der Hohlwelttheorie - ob aus Marine oder Luftwaffe - ist jedenfalls nicht bekannt. Im Gegenteil, sprach sich Ah­ nenerbe-Präsident Wüst 1937 sogar für ein Verbot der Schrift „Vorgeschich­ te wird Geschichte. 10.000 Jahre Schrift und Kultur" von Johannes Lang aus. Dieser Astrologe, der auch zu den Bekannten Weisthors gehört haben soll,475 propagierte darin zusammen mit Karl Neupert eine Weitsicht, derzufolge der Mensch auf der Innenseite einer Hohlkugel lebt. Himmler lehnte jedoch ein Verbot ab, da man damit „erst das Buch bekannt machen würde."476 Auch Rosenberg verurteilte auf Anfrage die Hohlweltlehre als „völlig unwissen­ schaftliche Erklärung des Weltraums".477

474 Bericht Kuiper, nach Pauwels/Bergier (1967), S. 356 ff.; ebenso Moon (1999). 475 Lange (2010), S. 37, unter Verweis auf Gabriele Winckler-Dechend, zählte Lang zu den Gästen Weisthors in Berlin. 476 Siehe Kater (2006), S. 125. 477 So Webb (2008), S. 380.

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6.

Das Welteis, Edmund Kiss & Atlantis

„Die Unterzeichneten sind überzeugt, daß Hanns Hörbigers Welteislehre (WEL) in ihrer grundsätzlichen Gestaltung das geistige Ge­ schenk eines Genies ist, das von hohem Wert für die gesamte Menschheit in praktischer und welt­ anschaulicher Hinsicht ist, für uns Deutsche als ein echt arisches Gedankengut aber von ganz besonderer Bedeutung ist."478

6.1.

Die Welteislehre

m Jahre 1912 erschien in Kaiserslautern ein Werk, das die gesamte bis dato bekannte astronomische Weitsicht auf den Kopf stellte: „Hörbigers Glacial-Kosmogonie". Hanns Hörbiger, der Verfasser, war Ingenieur und Spezialist im Bereich der Wärme- und Kältetechnik, als der er zu einiger Bekanntheit gelangte. Als Laien-Astronom traf er mit Philipp Fauth zusam­ men, der sich als Lehrer ebenfalls für die Astronomie interessierte und dank jahrelanger beobachtender Himmelskunde bereits einige Erfolge - so die Be­ nennung eines Mondkraters nach ihm - aufweisen konnte. In Fauth fand Hörbiger einen begeisterten Anhänger seiner Theorien, und die Zusammen­ arbeit führte schließlich zur Herausgabe des erweiterten Manuskriptes Hör­ bigers durch Fauth 1925.479 Der wesentliche Kern der Glacial-Kosmogonie,die kurz darauf als Welteis­ lehre (WEL) Bekanntheit erlangen sollte, war ein „Widerstreit eines kosmi­ schen Neptunismus mit einem ebenso universellen Plutonismus", die zu einer neuen Entwicklungsgeschichte des Weltalls und Sonnensystems führe. Dieser aus dem Untertitel abgeleitete Wesenskern beinhaltete die Frage, ob Gesteinsschichten durch Sedimentationsvorgänge im Wasser eines Urmeeres entstanden seien (Neptunismus) oder ob sich die Erdformationen mittels vul­ kanischer Kräfte aus glühender Lava gebildet hätten - eine Frage, die sich ver­ kürzt mit dem Dualismus zwischen Glut und Eis auseinandersetzt. Die Geburt der neuen Lehre setzte Hörbiger in der Rückschau mit einem Ereignis 1894 gleich, als er erkannte, daß die Mondoberfläche mit einem Eis­ panzer von mehreren Kilometern Dicke überkrustet sei, woraus er die Exis­ tenz vieler weiterer derartiger Gebilde im Weltall ableitete. Diese Eisgebilde sollen nun nach Hörbiger regelmäßig zum Opfer von Heißgestirnen wer­ den, die sich erstere einverleiben. So sei unser Sonnensystem entstanden, als

I

478 Aus dem Pyrmonter Protokoll 1936, bei Nagel (2000), S. 117 ff. 479 Siehe dazu: Nagel (2000), S. 29 f.

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sich vor vielen Millionen Jahren eine Riesensonne von millionenfacher Sonnengröße bildete, die ein ver­ eistes Gestirn von der 40 000-fachen Größe unserer Sonne verschlang. Ein Teil des Einfänglings drang so weit in das Innere des Glutriesen ein, bis er dort auf Schichten seiner Dichte stieß. Dadurch konnte das Eis bzw. Wasser nicht sogleich verdampfen, sondern bildete um den Einfängling eine bimssteinartige Schlacke, die im Verlauf 10 000 er Jahre durch die Glut unter steter Bildung von Dampf zer­ stört wurde. Durch den entstehenden Siedeverzug aktivierte eine Druck­ veränderung den überhitzten Was­ Hanns Hörbiger serstoff zur Explosion, wodurch der Einpfängling zusammen mit Materie des Glutsternes ausgestoßen wurde. Während drei Viertel der Materie durch die Anziehungskraft wieder einge­ fangen wurden, entzogen sich 1/4 der Materie durch die hohe Geschwin­ digkeit von 3200 km/ sec. dieser Kraft, ordneten sich zu einem Glutkreisel und bildeten die heutige Sonne und ihre Planeten. Die den Glutkreisel umgebende Wasserdampfhülle dehnte sich nach Ver­ bindung mit Wasserstoff aus dem Äther aus, kühlte ab und führte zur Aus­ bildung einer immer dichter werdenden Eishülle: Danach seien alle Planeten ursprünglich mit Eis bedeckt, übriger Eisdunst habe die Milchstraße gebildet. Nach und nach würden nun diese Körper Opfer größerer Anziehungskräfte der Sonne oder benachbarter Planeten bis auch diese von der Sonne eingefanen würden - so sollen bereits 10 Planeten hinter Merkur Opfer unserer Sonne geworden sein und zugleich die Erde bereits mehrere Monde besessen haben, die ebenfalls nach und nach auf die Erde stürzten - danach wäre auch der Mars ein möglicher kommender Mond. Zyklisch würden diese Mondeinstür­ ze kosmische Katastrophen hervorrufen, die jeweils das Leben - insbesondere das menschliche - in seiner Entwicklung weit zurück würfen.480 Für die akademische Forscherwelt stellte dies ein Sakrileg dar, war die WEL doch eine Weltlehre, die in absolutem Widerspruch zu den offiziell anerkann­ ten Grundsätzen der Astronomie und Mathematik stand. So mißtrauten auch viele Forscher auf Seiten der Nationalsozialisten dieser Lehre, ungeachtet der Mythen verschiedener Völker, die mit Teilen der Lehre korrespondieren. 480 Vgl. Kiss (1933), S. 15 ff.; Nagel (2000), S.llff.

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Genau diese Mythen aber waren es, die vielen Anhän­ gern die Hörbigersche Leh­ re als letzten Mosaikstein der Erkenntnis der Welt dünken ließ. Rudolf Elmayer-Vestenbrugg (1888-1970) etwa, deutscher Schrift­ steller und Verteidiger der WEL über das Kriegsende hinaus, schrieb: „Hörbigers unvergängliches Verdienst ist es, die urferne Weisheit unse­ Broschüre von Hanns Fischer - Sintflut-Motiv rer Vorväter vom ewigen Wi­ derstreit des Feuers und Eises, wie ihn die Edda besingt, wieder aufgedeckt und wissenschaftlich in dem großarti­ gen Weltbilde der Welteislehre neu begründet zu haben."481 Auch Hitler war begeistert vom „deutschen Genie" Hörbiger und woll­ te, so Strohmeier, „das ist mehrfach bezeugt - auf dem Donauufer in Linz ein Gebäude errichten lassen, ,das insbesondere der katholischen Pseudowissenschaft zum Trotz die drei Weltbilder des Ptolemäus, des Kopernikus und der Welteislehre (Hörbigers) enthalten solle'. Auch eine Marmorbüste des Welteispropheten sollte aufgestellt werden, des Mannes, den Hitler für den , Kopernikus des 20. Jahrhun­ derts' hielt."482 Die Ablehnung selbst großer Teile des eigenen Lagers führte jedoch dazu, daß die WEL mit Kriegsende als widerlegte Irrlehre angesehen wurde. Nichtsdestotrotz treten mit wachsendem Wissen über das Zusammenspiel der Planeten immer wieder Details zutage, welche die WEL in bestimmten Punkten stützen - zu nennen wäre hier vor allem der folgende Kernsatz Hör­ bigers: „Der Weltraum kann nicht leer sein, in ihm muß eine fein verteilte, ver­ mutlich aus Wasserstoff bestehende Materie sein" der heute als unbestreitbare Tatsache angesehen wird und vielleicht nicht die letzte erkannte Wahrheit der WEL bleiben wird.483 Auch die Existenz von Riesensternen bzw. -sonnen wird mittlerweile eben­ so anerkannt, wie ein „jenseits des Neptuns befindlicher Planetoidengürtel.''484 481 Unter Pseudonym Elmar Brugg erschienen, Brugg (1952). 482 Strohmeyer (1997), S. 117f. 483 Noch kürzlich wurde die These Hörbigers bestätigt, derzufolge Eiskometen unaufhörlich in die Sonne stürzen würden - siehe http://science.nasa.gov/sciencenews/science-at-nasa/2OOO/astO7jul_l/ 484 http://cgi.wfg-gk.de/glacialkosmos44.html; hier auch weitere Beispiele.

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6.2. Edmund Kiss & das Pyrmonter Protokoll Die Befassung des Ahnenerbes mit der Welteislehre lag im Interesse Himm­ lers an der sogenannten „germanischen Naturwissenschaft" begründet, die seinem Verständnis nach gegen die vorherrschende „jüdisch versippte Wissen­ schaft" antrete. Hintergrund war die dominierende Stellung jüdischer Wissen­ schaftler in einigen Wissenschaftsbereichen, für die exemplarisch der als „Rela­ tivitäts-Jude" verspottete Albert Einstein stand. Die 1905 erstmals präsentierte Lehre über die Struktur von Raum und Zeit war ein theoretisches Konstrukt, das mit dem „sogenannten gesunden Menschenverstand" nicht nachvollzieh­ bar war und als Reaktion die Suche nach einer verständlicheren „Gesamtschau" wachrief, welche nunmehr die WEL zu präsentieren beanspruchte.485 Die von Hörbiger abgeleitete „göttliche Abstammung der Germanen", die, nach Himm­ lers Überzeugung, vor der Erdengeburt im „ewigen Eise des Weltraumes kon­ serviert gewesen seien", hob die WEL zugleich in den Status einer Art Ahnen­ überlieferung, die an Stelle vermeintlich nüchterner Betrachtung gewichtiger sei und damit in den Rang zu erhaltender Forschungszweige kommen mußte.486 Im „Pyrmonter Protokoll" vom 18. Juli 1936 unterzeichneten Alfred Hörbiger, der Verleger Dr. Herman von Hase, Dr. Hans Robert Scultetus, Dr. Voigt und Philipp Fauth - der erste Wegbegleiter Hanns Hörbigers - die Verpflichtung, die Welteislehre im Rahmen des Ahnenerbes zu verbreiten. Offiziell übernahm Himmler damit die Schirmherrschaft über die Welteislehre und installierte im Februar 1937 die Pflegestätte für Wetterkunde innerhalb des Ahnenerbe, die „durch eine neuartige Beobachtung der Wetterkunde die Richtigkeit der Welt­ eislehre beweisen sollte".487 Zum Vorsitzenden der Pflegestätte wurde entgegen ursprünglicher Pläne, die Hörbigers ältesten Sohn Hans Robert vorsahen, Ro­ bert Scultetus; einer der wichtigsten Mitarbeiter war der Schriftsteller und For­ scher Edmund Kiss. Im März 1938 wurde parallel zur Pflegestätte für Wetter­ kunde die Sternwarte Philip Fauths in München-Grünwald als Astronomische Pflegestätte mit Fauth als Leiter ins Ahnenerbe übernommen - damit existierten gleich zwei Abteilungen zur Unterstützung der Welteislehre. 485 Vgl. Nagel (2000), S. 57f.; allerdings muß berücksichtigt werden, daß die Ver­ urteilung der Relativitätstheorie als „jüdische Wissenschaft" ungenau ist, denn wesentliche Elemente plagiierte Einstein, der seinerzeit am Patentamt in Genf be­ schäftigt war, vom Franzosen Jules Henri Poincare (1854-1912), der 1904 bereits eine vorläufige Version der Theorie der speziellen Relativität skizziert hatte; vgl. http://www.iep.utm.edu/poincare/; ähnlich Wikipedia: Henri Poincare, wobei der Franzose hier lediglich zum „Mitbegründer“ wird, ohne daß er im dortigen Artikel zur Relativitätstheorie auch nur genannt würde. 486 Vgl. Nagel (2000), S. 73. 487 Vgl. Kater (2006), S. 86.

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Aufgrund anhaltender Gegenstimmen auch er­ wiesen pro-nationalsozia­ listischer Wissenschaftler suchte Himmler anerkannte Forscher für eine mittelfristi­ ge Zusammenarbeit zu bewe­ gen. So wies Himmler Wüst an, mit Heisenberg, einem scharfen Kritiker der WEL, Fühlung aufzunehmen, um ihn zu einer Zusammenar­ Edmund Kiss Philipp Fauth beit mit „unseren Leuten von der Welteislehre" zu bringen.488 Dazu kam es allerdings nicht - im Gegenteil, auch das Ahnenerbe rückte auch aufgrund ausbleibender Beweise für die Lehre seit 1939 nach und nach von einer öffentlichen Propagierung der WEL ab: Die WEL sei „ganz unter Windschutz zu halten ... und von ganz bestimmten und begrenzten Arbeitsgebieten aus einer kritischen Nachprüfung zu unterziehen" befahl Himmler 1938.4891942 erfolgte schließlich die Umbenennung der Pfle­ gestätte in „Abteilung für Geophysik" - die Erforschung der Welteislehre wurde aber - sofern es angesichts der Kriegslage überhaupt möglich war - im Verborgenen weiter geführt: Noch 1942 sind Eingaben Himmlers an das Ahnenerbe belegt, bestimmte Sachverhalte in Zusammenhang mit der WEL zu prüfen - allerdings sollten diese erst nach Kriegsende bearbeitet werden.490 Edmund Kiss „Nehmt Euch zusammen, meine jungen Freundei Heute spricht ein Verführer der Jugend zu Euch. Glaubt ihm nichts, kein Wort, was er in diesem Büchlein schreibt, sondern prüft und forscht selbst. .. Auch die Welteislehre ist deutsche Revolution, Revolution des Geistes. Ob sie Bestand hat, wird die Zukunft lehren."491 Der Ver­ fasser dieser Worte war der 1886 geborene Kasseler Baurat (zeitweise Leiter 488 Zit. nach Nagel (2000), S. 74. 489 Schreiben Sievers an Brandt, zit. nach Longerich (2010), S. 290. 490 Siehe Nagel (2000), S. 83 ff.; Longerich (2010), S. 291, der auch von Plänen be­ richtet, an jedem Standort der SS eine (Volks-)Sternwarte einzurichten, um dadurch „zum Teil einen Ersatz für das von uns zu überwindende Christentum zu finden". Dazu zählt auch die Einrichtung einer Sternwarte auf der besetzten italienischen Insel Lussinpiccolo, die ebenfalls auf die Zeit nach dem Kriegsende verschoben wurde; vgl. Koop (2012), S. 82. 491 Kiss (1933), S. 3.

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Steinskulptur in Tihuanaku: „Sternenweiser Godda Apacheta“ - Ruinenstadt des Preußischen Hochbauamtes) und Autor Edmund Kiss. Als einer der Un­ terzeichner des Pyrmonter Protokolls ist er eine der schillerndsten Figuren des Ahnenerbe. Mit einer Körpergröße von knapp 2,10 m bei einem Gewicht von 110 Kg, war er die Art von Mann, „deren Gegenwart Himmler suchte", wie die USAutorin Heather Pringle bemerkte.492 Im ersten Weltkrieg wurde er als Sol­ dat mehrfach verwundet und mit dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse ausgezeichnet. Nach dem Krieg wurde er Architekt und ließ sich im westfälischen Münster nieder, wo er sich für die Welteislehre Hörbigers zu interessieren begann.493 Bereits zu Beginn der 30er Jahre war sein Name durch einen auflagenstarken Weltentstehungsroman bekannt geworden („Das gläserne Meer", 1930), dem ersten Teil einer Tetralogie über Atlantis („Die letzte Königin von Atlantis" 1931, „Frühling in Atlantis", 1933, „Die Singschzväne von Thule", 1937). Zu diesem Zeitpunkt war Kiss bereits überzeugter Anhänger der Welteislehre, die er in seinen Romanen durch die Beschreibung der durch Mondeinstürze ausgelösten Naturkatastrophen plastisch verbildlichte, obgleich er in meh­ reren Artikeln der Zeitschrift Germanien durchaus nüchterne wissenschaft­ liche Abhandlungen über Themenkreise des germanischen Brauchtums ver­ faßte - etwa einen Artikel über „Altgermanische Bodenvorratswirtschaft"494 - die keinerlei Bezug zur WEL aufweisen. Anders präsentierte sich Kiss in seinen Büchern, in denen er die Mondeinsturzszenarien Hörbigers mit der Atlantis-Überlieferung Platos und der Vorgeschichte der Germanen ver­ band. Schon 1933 erschien seine Kampfschrift für die Welteislehre, in der er 492 Pringle (2006), S. 179. 493 Pringle (2006), S. 178 f 494 In „Germanien" 1937.

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die neue Lehre leiden­ schaftlich verteidigte. Im Jahre 1936, kurz nach Unterzeichnung des Pyrmonter Proto­ kolls, erging eine An­ weisung Himmlers, Kiss inoffiziell durch das Ah­ nenerbe in seinen For­ schungen zu unterstüt­ zen.495 Als dem damaligen Reichsführer während Deutscher Forscher (Posnansku?) in Tihuanaku, ca. 1930 eines Fluges über das lybische Hochland Strandlinien auffielen, die für ihn ein möglicher Beweis der Welteislehre waren, ersuchte er Kiss eine Forschungsreise nach Libyen zu un­ ternehmen. Obgleich etwa Hans Behm bereits 1930 von zurückliegenden For­ schungen von Kiss in Abessinien schreibt,496 fand die Reise erst Anfang 1939 statt. Im Februar 1939 erreichte der Forscher zusammen mit einem Assistenten und einem Kameramann die unter italienischer Verwaltung stehende Haupt­ stadt Libyens, Tripolis. Dort wurden ihm vom italienischen Gouverneur ein LKW sowie ein Flugzeug zur Verfügung gestellt. Innerhalb von zwei Wochen trug Kiss mit seinen Begleitern eine Reihe von Indizien für die einstmalige Existenz von gewaltigen Wassermassen in der libyschen Sahara zusammen, die für ihn nur mit der Hörbigerschen Theorie erklärt werden konnten.497 Kurz vor Antritt der Reise war der Abenteurer auf Anweisung Himmlers und begleitet von einem positiven Gutachten des SD-Professors Franz Alf­ red Six im Jahr 1938 offiziell in das Amt Ahnenerbe übernommen worden,498 obwohl seine publizierten Forschungsergebnisse umstritten waren und er somit auch nicht zur angestrebten Steigerung des wissenschaftlichen An­ spruchs des Ahnenerbes beitragen konnte. Vor seiner Übernahme in das Ahnenerbe wurde Kiss jedoch ebenso wie Willigut bereits als Mitglied des persönlichen Stabes Himmlers geführt.499 Neben der bedingungslosen Unterstützung der WEL trat Kiss ebenfalls für die Echtheit der Ura-Linda-Chronik ein - überdies vertrat er in einem 495 Kater (2006), S. 52 zit. nach Denkschrift Kiss, T-580, 207/733 (alte Signatur!) 496 Behm, Nachwort in: Kiss (1930). 497 Siehe dazu Pringle (2006), S. 374; demgegenüber erweckte Kater (2006) den Ein­ druck, daß es zu keiner Expedition kam, S. 69. 498 Kater (2006) ,S. 69. 499 Sünner (1999), S. 46.

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kurz zuvor erschienendem Buch über das „Sonnentor von Tihuanaku" (1937) die Ansicht einer Millionen Jahre alten Kultur in Südamerika was auch nicht gerade auf Zustimmung der herrschenden Wissenschaft stoßen konnte. Der Versuch Himmlers, Kiss an der „Tibet-Forschungsreise Ernst Schä­ fers 1938/39" zu beteiligen, um insbesondere Forschungen zur Welteislehre durchführen zu können, scheiterte jedoch. Mit Verweis auf die schwindende wissenschaftliche Reputation der Expedition lehnte Schäfer die Teilnahme des Welteisforschers ab. In seinen unveröffentlichten Memoiren hielt Schä­ fer über Kiss fest, daß dieser behauptet habe, am Titicaca-See „Welthäfen von Außerirdischen" gefunden zu haben.500 Kiss Forschungserkenntnisse gingen auf einen längeren Aufenthalt in Bolivi­ en im Jahr 1928 zurück. Dank des Gewinns eines Preisgeldes von 20.000 Reichs­ mark in einem Autoren-Wettbewerb, verfügte er über die nötigen Mittel, um einen längeren Aufenthalt in Südamerika zu finanzieren. Hier erforschte er auf den Spuren Arthur Posnanskys die Ruinenstädte auf der Insel Marajo und am Titicacasee, das Mausoleum Puma Punku sowie die Sternwarte Kalasaya.501 Während dieser Zeit, in der er nach unbestätigten Angaben auch als Leiter eines Museums in La Paz tätig war,502 festigte sich seine Überzeugung einer uralten arisch-atlantischen Kultur, die sich bis nach Südamerika erstreckte. Veröffentlicht wurden die Erkenntnisse des Forschers, denen zufolge die Südamerikanischen Frühkulturen von nordischen Menschen beeinflußt wa­ ren, in einem Aufsatz, „Nordische Baukunst in Bolivien" in der Zeitschrift „Germanien" sowie in seinem bereits erwähntem Buch „Das Sonnentor von Tihuanaku und Hörbigers Welteislehre". Für das Jahr 1940 war eine Expedition nach Südamerika geplant, die unter Leitung von Kiss Grabungen in Bolivien, Peru und Kolumbien durchführen und dabei Erkenntnisse aus Knochen- und Kalksegmenten, Fauna und Flora sowie aus Strandlinien und kinematographischen Aufnahmen gewinnen soll­ te. Für diese Expedition, die sich aus Archäologen, Zoologen, Botanikern, Ast­ ronomen, Karthographen, Geologen sowie einem Filmteam zusammensetzen sollte, waren bereits modernste Geräte bereitgestellt worden: Zur Durchfor­ schung des Titicaca-Sees nach alten Ruinen stand ein Tiefsee- PhotographieGerät zur Verfügung und die Firma Zeiss stellte ein Luftbild-Aufnahmegerät bei, mit dem prähistorische Strukturen aufgespürt werden sollten. Offiziell abgesagt wurde sie nach Kater mit Hinweis auf die Kriegslage Anfang 1940.503 500 Mierau (2006), S. 342. 501 Bestätigung finden diese Angaben sowohl bei Behm (1930) sowie bei Sünner (1999), der Kiss Aufenthalt in Südamerika für das Jahr 1928 ansetzt. 502 Landig (1980), der als vage Zeitangabe „vor dem Krieg" nennt (S. 121). 503 Kater (2006), S. 69.

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Entgegen der verbreiteten Annahme mangelnder Seriosität der geplanten Expedition, belegt Mierau anhand einiger Teilnehmer und der zugesagten Unterstützung durch das Münchener Volkskundemuseums den wissen­ schaftlichen Charakter der Unternehmung. So sollte auch ein Karthograph der Technischen Hochschule Hannover sowie der SS-Mann Schulz-Kampf­ henkel teilnehmen, der zwischen 1935 und 1937 bereits die deutsche Ama­ zonas/Jary Expedition als Geograph begleitet hatte.504 Trotz der Überlegung, die Expedition nach einem schnellen Sieg Deutsch­ lands kurzfristig nachholen zu können, war die endgültige Absage Ende 1941 besiegelt. Kiß selbst war bereits im Oktober 1939 im Range eines Haupt­ manns in den aktiven Wehrdienst berufen worden.505 Nach vierjährigem Kriegseinsatz und anschließendem Dienst im Wach­ bataillon am Führerhauptquartier Wolfsschanze geriet Kiss 1945 in alliierte Kriegsgefangenschaft und wurde ins Gefangenenlager Dachau bei München überstellt. Von hier gelangte er in ein Internierungslager bei Darmstadt, aus dem er aufgrund seines sich durch eine frühere Malariaerkrankung rapide verschlechternden Gesundheitszustandes 1947 entlassen wurde.1948 wurde er in einem Entnazifizierungsverfahren als „Mitläufer" eingestuft und gegen die Zahlung einer Geldstraße von 501 DM frei gesprochen. Im Dezember 1960 starb Edmund Kiss.506

6.3.

Atlantis & die vorgeschichtlichen Zivilisationen

Ein wichtiges Element innerhalb der Welteis-Katastrophentheorie Hörbi­ gers spielte auch der sagenhafte Kontinent Atlantis. Gemäß Hörbiger ist der Kosmos einem konstanten Werden und Vergehen ausgesetzt; große Him­ melskörper fangen kleinere Planeten ein, die dann als Monde das größere Gestirn umkreisen bis sie auf den Planeten stürzen und dadurch gewaltige Katastrophen auslösen. Hörbigers Lehre zufolge, hat sich dieses Szenario bereits mehrfach in der Erdgeschichte ereignet und in Form kollektiver Erin­ nerungen innerhalb der Sagenwelt der Völker erhalten.507 Die nachhaltigste literarische Umsetzung dieser kosmischen Katastrophen findet sich inner­ halb der populären Roman-Tetrologie von Edmund Kiss. Bereits bei Helena Blavatsky war Atlantis die Heimat der menschlichen Wurzelrassen, deren bedeutendste die Arier gewesen seien.508 Auch die Ari504 Vgl. Mierau (2006), S. 344; zu Schulz-Kampfhenkel siehe Kapitel 10 dieses Buches 505 Mierau (2006), S. 345. 506 Vgl. Pringle (2006), S. 310; vgl. auch Mund (2002), der von einer persönlichen Begegnung mit Kiss im Gefangenenlager in Dachau berichtet. 507 Vgl. Körber (2003) 508 Blavatsky lokalisiert Atlantis dabei im Atlantik, schreibt aber bereits von einem

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osophen übernah­ men diesen Gedan­ ken. Einer der frühen Apologeten eines arischen Atlantis ist der völkische, dem ariosophischen Ge­ danken nahestehen­ de Autor Karl Georg Zschaetzsch, der 1920 im entsprechenden „Arier-Verlag" seine „Herkunft und Ge­ schichte des arischen Stammes" veröffent­ Hypothetische Lage von Atlantis bei Edmund Kiss 510 lichte.*509 Demnach wären die Arier durch Rassenmischung und anschließende Naturkatastrophen - als göttlicher Strafe - zur Auswanderung aus Atlantis gezwungen gewesen. Über die Ariosophen List und Lanz von Liebenfels fand der Atlantis-Mythos auch Eingang in die Gedankenwelt führender NSProtagonisten. Franz Wegener bezeichnet Atlantis gar als „Sprungbrett für eine rassisch fundierte germanische WeltkultuR' Während die Theosophen ebenso wie Anthroposophen noch von einer Atlantis im Atlantik ausgehen, kommt es innerhalb der ariosophischen Strö­ mungen zu einer Vermengung mit dem Nordmythos, der sich bei Lanz in Form eines untergegangenen Nordkontinentes Arktogäa manifestiert. Die­ se Identifikation von Atlantis mit dem verlorenen Nordland läßt sich über Herman Wieland, Rudolf John Gorsleben und den späteren SS-Ahnenerbe Mann Frenzolf Schmid („Urtexte der ersten göttlichen Offenbarung", 1931) nachvollziehen, die verschiedene Sagenmotive zum Atlantis-Thule-Mythos zusammensetzen.511

Festland jenseits des Polarmeeres, „das immer grün" und „die Heimat der im fernen Norden geborenen Arier" sei; vgl. Wegener (2003), S. 68. 509 Zschaetzsch (1920); die seit 1922 in mehreren Auflagen erschienende Zusam­ menfassung „Atlantis- die Urheiamt der Arier" wurde sowohl von der Schrifttums­ kammer 1935 als auch innerhalb einer Rezension des Ahnenerbe-Organs „Germani­ en" verrissen; Germanien 2/1937; vgl. auch Wegener (2003), S. 63 f. 510 Wegener, S. 106, der an anderer Stelle (S. 114) hinzufügt, daß der „Atlantismy­ thos die Geschichte des Rechtsradikalismus durchzieht wie ein roter Faden". 511 Wieland (1925), Gorsleben (1930), Schmid (1931).

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Atlantis-Darstellung bei Albert Hermann Doch wie kamen sowohl Politiker wie Alfred Rosenberg, der in seinem Mythus des 20. Jahrhundert Atlantis als die Ausgangsstätte des Ariertums darstellte, ebenso wie Forscher auf den Gedanken, Atlantis, das doch für gewöhnlich irgendwo im Atlantischen Ozean lokalisiert wird, nach Nord­ europa zu verlegen? Ihren Anfang nahm die Suche nach einem nordischen Atlantis bereits im 17. Jahrhundert. 1675 wähnte Olof Rudbeck Atlantis in Skandinavien, 1799 folgte Jean Bailly Rudbecks Spuren und verlegte Atlantis nach Norwegen. Wieder­ um fast 100 Jahre später behauptet der Geologe Eduard Süß, Spuren von At­ lantis auf Grönland gefunden zu haben.512 1936 schließlich brachte erstmals Heinrich Pudor den Gedanken auf, Helgoland wäre ein Rest der einstigen Atlantis, die sich zwischen Schottland und Südnorwegen erstreckt hätte.513 Für frühgeschichtlich interessierte Politiker wie Rosenberg und Himmler war Atlantis dabei auch stets Projektionsfläche einer urgermanischen Hoch­ kultur, deren Spuren sich in Nordeuropa nur rudimentär nachweisen ließen. Mit der Idee, daß sich Spuren einer frühgeschichtlichen ariogermanischen Hochkultur auf dem Meeresboden, gar vor den deutschen Küsten finden ließen, rannten Heimatforscher bei dem „ariophoben" Himmler offene Tü­ ren ein. Auch er war geprägt von der Gleichsetzung der arischen Urheimat mit Atlantis und besessen von der Idee, ebenso Belege für die Urheimat als auch Spuren der weltweiten Verbreitung des Ariers ausfindig zu machen.514 1935 korrespondierte er mit Albert Hermann, Autor der auf die Ura-Lin512 Olof Rudbeck: Atland eller Mannheim. Uppsala 1675; Jean Bailly: Eettres sur l Antide. 1799; Eduard Süß: Das Antlitz der Erde; vgl. dazu Wegener (2003), S. 17. 513 Pudor (1936); vgl. dazu Wegener (2003), S. 39 f. 514 Vgl. dazu Sünner (1999), S. 48 ff.; ebenso Mierau (2006), S. 337ff.

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da-Chronik gestütz­ ten Veröffentlichung „Unsere Ahnen und Atlantis", die das atlantische Zent­ rum in Nordafrika lokalisierte, dem allerdings eine Aus­ wanderung aus Nordeuropa vorangegangen wäre.515 1937 schrieb Himm­ Kivik-Grab Schweden,ca. 1400 v.Zw. ler an Walther Wüst: Er glaube, daß Chinesen und Japaner „einmal Kolonialvölker eines zentralen Staates und Volkes - wie ich annehme - Atlantis gewesen sind, also aus Völkern be­ standen haben, die Jahrhunderte oder Jahrtausende eine, nennen wir es einmal eine atalantische Herrenschicht gehabt haben. Diese atalantische Herrenschicht hat wohl der Kultur und Sprache dieser Völker ihren Stempel aufgedrückt.''516 Von Pudors Thesen angeregt, richtet Himmler seit 1938 sein Augenmerk auf Helgoland.517 Schon vor dem Ersten Weltkrieg war der Helgoländer „Steingrund" als untermeerische Erhebung bekannt. Damals hatten Taucher in dieser Gegend zahlreiche behauene Steine vorgefunden, nachdem dort ein deutsches Kriegsschiff auf Grund gelaufen war.518 Ebenso existierten auch ältere Berichte von Helgoländer Fischern, die bei günstigen Sichtver­ hältnissen von ihren Booten aus die Ethischen Strukturen am „Steingrund" ausgemacht und dem Areal daher diesen Namen gegeben hatten.519 Es folgen mehrere Forschungsaufträge an das Ahnenerbe:520 In einem Sch­ reiben vom September 1938 bemerkte der RF-SS: „Lieber Wüst! Bei meinem letzten Besuch auf Helgoland stellte ich fest, daß über die Geschichte Helgolands fast nichts bekannt ist. Die meisten Dinge über die Geschichte Helgolands befinden sich wohl in dänischen Archiven. Ich bitte Sie, einmal alles, was in den Sagen über Helgo­ land zu finden ist, zusammenzu tragen. Veranlassen Sie doch ferner, daß die Berech515 Vgl. Kater (2006), S. 51; Hermann (1934), S. 10 ff. 516 Himmler an Wüst, zit. nach Kater (2006), S. 51. 517 Pudor selbst schrieb noch 1937, daß Hitler persönlich ihm Unterstützung zur Fortsezung seiner heimatkundlichen Helgoland-Forschung bewilligt hätte.; vgl. Strohmeyer (1997), S. 134. 518 Gadow (1973), S. 47/S. 143. 519 Vgl. http://wiki.atlantisforschung.de/index.php/J._Spanuth,_das_SS-Ahnenerbe_und_die_Atlantisforschung_vor_Helgoland#cite_ref-17. 520 Vgl. Strohmeyer (1997), S. 118; ebenso Kater (2006), S. 71.

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nungen des Ortungsnetzes, das dieser eine Mann in Hamburg aufgestellt hat, auch auf Helgoland ausge­ dehnt wird. Man kann vielleicht auf diese Art fest­ stellen, wie groß die Insel war, wo sich der wirkliche Mittelpunkt befand und wo die heilkräftigen Quellen gewesen sind. Wasser gibt es heute auf Helgoland nicht mehr. Ich nehme jedoch bestimmt an, daß auf der Insel, die sicher einmal 5 bis 6 x so groß war wie sie heute ist, ein Brunnen vorhanden war..."521 Im November 1938 wird der Fehmarner Hei­ matforscher Peter Wiepert mit der Vorberei­ tung von Tauchgängen beauftragt und erhält zu diesem Zweck drei Seekarten der Kriegs­ Jürgen Spanuth mit Elfen­ marine, aus denen sowohl die Lotungen über beinfund vom Steingrund den unter Wasser liegenden Inselfuß, als auch die Tiefenverhältnisse in der weiteren Umgebung hervorgehen.522 Im April 1939 folgt ein weiteres Schreiben Himmlers an den Reichsgeschäftsführer des Ahnenerbe, Wolfram Sievers: „Es müßte dann unseren Ortungsleuten mög­ lich sein, durch die Feststellung eines Ortungsnetzes, in das Haithabu Schleswig, Hamburg, vielleicht englische Heiligtümer und noch viel weiter entferntere, wie Thorshafen auf den Färöern einbezogen werden, mathematisch genau den früheren Mittelpunkt und damit auch den vermutlichen Platz der früheren Quellen finden zu können..... Hierzu wären letzten Endes auch noch geologische Fachleute, soweit sie überhaupt etwas wissen, heranzuziehen."523 Zwischen 1938 und 1943 kommt es dann zu mehreren Tauchgängen, an denen der Heimatforscher Peter Wiepert beteiligt ist. Dieser berichtete später über die Forschungen, „daß man damals etwas von ei­ nem sagenhaften, vor vielen Jahren in der Nordsee untergegangenen Land, auch einer vorgeschichtlichen Burg, die zwischen Eiderstedt und Helgoland gelegen haben sollte, erfahren hatte.“524 Im Frühjahr 1943 fand in Anwesenheit Wieperts am Stein­ grund vor der Ostküste Helgolands ein letzter Tauchgang im Auftrag der SS statt: „Die Taucher ... machten sich fertig. Zuerst wurde der jüngere herabgelassen, doch er gab schon nach kurzer Zeit das Signal zum Hochfieren. Er behauptete, die Strömung sei viel zu stark, er könne sich nicht halten. Dann ging der ältere Taucher, der längere Zeit unten war. Als er - ziemlich mitgenommen - wieder an Deck war, erzählte er uns, daß er eine Anzahl Steine und Steinplatten, die von Menschenhand 521 Vgl. Wegener (2003), S. 40. 522Gadow (1973), S. 142 f; innerhalb der Ahnenerbe-Akten findet sich auch das Manu­ skript Wieperts, „Lebenserinnerungen eines Fehmarner Seefahrers" BArch NS 21/367. 523 Zit. nach Wegener (2003), S. 40. 524 Gadow (1973), S. 143.

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aufgesetzt sein müßten, gesehen habe und zuletzt in eine Art von Steingewölbe oder Höhle hineingeraten sei, am Ende der Steinsetzung. Einen Stein an diesem Gewöl­ beeingang könne er fast mit einer behauenen Steinsäule vergleichen. Die Strömung hätte ihn aber immer wieder abgetrieben, auch hätte er den Sand aufgekratzt und das Wasser getrübt und es zuletzt unten nicht mehr aushalten können."525 Von diesen Forschungen inspiriert wurde der studierte Althistoriker und Heimatforscher Jürgen Spanuth, der 1953 die Gleichsetzung Atlantis mit Helgoland erstmals einem größeren Publikum bekannt machte. Seitdem tobte ein erbitterter Streit zwischen Spanuth und seiner stetig wachsenden Anhängerschar und der akademischen Frühgeschichtsforschung, die starr an den alten Lehrsätzen der nordischen Rückständigkeit festhielten und di­ verse Indizien konsequent ignorierten.526 Dennoch scheinen wissenschaftliche Befunde heute zu bestätigen, daß am Ende der Bronzezeit, etwa um 1220 v.Zw., ein großer Teil der Westküste von Schleswig-Holstein und Dänemark sowie viele vorgelagerte Inseln in einer verheerenden Sturmflut versanken. Diese Sturmflut könnte durch den Einschlag eines Kometen, des Phaeton der griechischen Sage, verursacht worden sein. Apollonios von Rhodos berichtet, daß der Phaeton in die Mün­ dung des Eridanos stürzte. Der Eridanos wiederum, soll laut Jürgen Spanuth identisch mit der holsteinischen Eider sein. Dadurch wurde die vermutliche Königsinsel Basilea, nahe der Hauptbernsteininsel Althelgoland, verwüstet und versank teilweise unter dem Meer. Vieles von Plato beschriebene deckt sich mit der tatsächlich anzunehmenden Lage Helgolands: - Die im Atlantisbericht erwähnte große Ebene mit einer Ausdehnung von 2000 mal 3000 Stadien (etwa 370 mal 560 km) läßt sich in das einstige Land-Gebiet zwischen Helgoland (Steingrund), Sylt und Britannien einfügen - Sie lag an der Mündung großer Ströme - Auf der Insel gab es rotes, weißes und schwarzes Gestein - An der Spitze der Insel befand sich ein aufragender Felsen (Helgoländer Kliff/ „Wittenklyppe" - die Reste des weißen Felsens versanken 1771) - Vor der Insel befand sich nach dem Untergang unpassierbarer Schlamm (Wattenmeer) - Die Insel bot alles was zum Leben benötigt wurde, auch Kupfererze - Der Geo­ loge W. Witter und andere stellten zweifelsfrei eine bereits zu Beginn der Jung­ steinzeit anzusetzende Kupfergewinnung fest, - Die Insel trug noch in frühmittelalterlicher Zeit verschiedene Tempel, unter anderem einen des Apollon und des Forseti, die ursprünglich ein - und dieselben Himmels und Schutzgott von Helgoland/Atlantis verkörperten ( Phol/Fosite/Poside) - Die Insel (Silende - Sylt) trug in frühester Zeit eine Himmelssäule, welche als UrHimmelssäule im äußersten Norden das Firmament trug (Atlas als Himmelsträger) 525 Ebenda, S. 143. 526 Spanuth (1953), (1956), (1976).

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- Auf Helgoland wurde Bernstein gewonnen (das Oreichalkos Platos?) - Mit dem Bernsteinhandel gelangte die Kun­ de von Atlantis nach Ägypten, dort finden sich auch eindeutige nordische Schwerter - Der Sonnenkult hat im Norden Europa eine lange Tradition und scheint aus der Zeit eines kalten Klimas zu stammen - in der Bronzezeit entwickelte sich in Nordeuropa ein nie wieder erreichtes Klimaoptimum, welches zur Entfal­ tung der Kulturblüte im Norden beitrug. - Pferdewagen und Rennbahnen haben eben­ falls im megalithischen Europa eine lange Tradition (Stonehenge/ Externsteine ?) Freigelegte Steinsetzung - Der Name Basilea läßt sich als germanische am Steingrund. Stammform nachweisen: Ba = leuchten, erhaben - Sil = Säule - eyja = Insel; was Basilea als „strahlende/ obers­ te Säuleninsel ausweist, woraus die Königsinsel wurde. Bis heute hat sich eine Reihe von Forschem der Nordsee-Atlantis-Hypothese in vorsichtiger Form angeschlossen.527 Angesichts der Fülle der hier von den verschiedenen Autoren vorgetra­ genen Argumente für ein Nordsee-Atlantis, ist es absurd, von bloßen Spin­ nereien hinsichtlich der Lokalisierung der Atlantis in Nordeuropa oder gar von einer „Widerlegung des Atlantismythos" überhaupt zu sprechen.528 Tauchfahrten zum Steingrund vor Helgoland 1911, 1943 und zwischen 1950 und 1953 (Spanuth) erbrachten dabei neben bearbeiteten Wegesteinen, und mehreren Kupfer- und Bronzeobjekten auch Reste von Steinbauten, was allerdings bis heute unbestätigt blieb. Zusätzlich erhärten aber Philister-und Mykenische Funde im Wattenmeer die enge Kulturverbindung zwischen Norddeutschland und Mittelmeerraum zur Bronzezeit.529 527 Vgl. hierzu Trojaburg Sonderausgabe Atlantis, S. 10; für Spanuths Thesen bzw.für eine Nordsee-Lokalisierung: Erlingsson, Ulf: Atlantis from a Geographer's Perspective: Mapping the Fairy Land, Miami/USA 2004; Kehnscherper, Günther: Auf der Suche nach Atlantis, Leipzig 1978; Steuerwald, Hans: Der Untergang von Atlantis, Berlin 1983; Strohmeyer (1997); Rathjen, Hans-Wilhelm: Atlantis war Westeuropa - Die Einheit Westeuropas zur Bronzezeit, Diepenau 2004; Meier, G. /Zschweigert, H: Die Hochkultur der Megalithzeit. Verschwiegene Zeugnisse aus Europas großer Vergangenheit. Tübingen 1997; Helmut Tributsch: Die gläsernen Türme von Atlantis - Erinnerungen an Megalith-Europa, Frankfiirt/Berlin 1986; Harald Braem: Das Geheimnis der Pyramiden. Berg.-Gladbach 1989. 528 So etwa Kater (2006), S. 51. 529 Vgl. Duerr, in: Trojaburg Sonderausgabe Atlantis, S. 39 f.

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7. Gegnerforschung, Hexen-Kartothek & Männerbünde „Wenn wir bereits zwischen der kirchlichen und jüdischen Überlagerung des deutschen Volks­ tums Berührungspunkte, ja zum Teil gemeinsa­ me Wurzeln feststellen mußten, so findet diese Erscheinung ihren kennzeichnenden Ausdruck in der dritten großen Gegenbewegung völki­ scher Lebensordnung, der Freimaurerei."530

7.1.

Die Freimaurerei im Visier Himmlers

iese Sätze entstammen der Feder eines der wesentlichen Akteure der SS im Bereich der „Gegnerforschung" - Franz Six. Diese stellte eines der wichtigsten Betätigungsfelder der SS dar, um der Bekämpfung der weltanschaulichen Gegner ein Arsenal weltanschaulicher Argumente bereitzu­ stellen, aus dessen Fundus dann eine Legitimation für das jeweilige Vorgehen gegen die Gegnergruppen geschöpft werden sollte. Ein wichtiger Aspekt der Gegnerforschung betraf die Freimaurerei. Diese war bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts ins Visier verschiedenster Autoren gerückt, die hinter dieser nach außen oft folkloristisch auftretenden „Altherrenbünde" wichtige Faktoren ei­ ner internationalen Verschwörung von hinter den Kulissen agierenden Perso­ nen sahen, die zumeist als „jüdisch" klassifiziert wurden. Hintergrund dieser Anklagen waren in vielen Fällen die klassischen Erklärungsmuster, allerdings trugen freimaurerische Bünde selbst nicht gerade dazu bei, das vorherrschende Bild zu entkräften. So war beispielsweise der serbische Attentäter, der mit sei­ nen Todesschüssen auf den Österreichischen Erzherzog Franz Josef 1914 den 1. Weltkrieg mit einläutete, Mitglied der logenähnlichen Verbindung „Schwarze Hand". Weitere vorgebliche Morde durch Freimaurer finden sich bei Friedrich Wichtl, darunter ein Mordanschlag auf den Österreichischen Justizminister Dr. Ritter von Hochenburger durch den Serben Njegus 1911 oder der Mord am Ös­ terreichischen Ministerpräsidenten Graf Stürgkh durch Fritz Adler, Sohn des Freimaurers und Führers der Sozialdemokraten, Dr. Victor Adler.531 Im August 1935 wurde die Freimaurerei in Deutschland offiziell verbo­ ten, weil sie „eine politische, überstaatliche Organisation unter dem Einfluß eines übernationalen Judentums" sei, wie Six zur Begründung ausführte.532

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530 Six (1937). 531 Vgl. Wichtl (1939), S. 3; bemerkenswert in diesem Zusammenhang auch die von Wichtl erwähnte freimaurerische Praxis, den Tod von unliebsamen Personen im voraus anzukündigen. 532 Six, zit. nach Wikipedia: Geschichte der Freimaurerei.

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Himmler, zu dessen Lek­ türe viele der einschlägigen Anti-Freimaurer Werke der 20er Jahre zählten, bemerk­ te gegenüber seinem Leib­ arzt Kersten diesbezüglich: „Alles, was eine Loge ist, hat geheime Obere, von denen die, die nach außen hin sichtbar in Erscheinung treten, gesteuert werden."533 Um die Bekämp­ fung der Freimaurerei zu G. Schwartz-Bostunitsch Erich Ludendorff forcieren, scharte er inner­ halb der SS einen Kreis von Autoren um sich, welche die agitatorische Un­ termauerung der polizeilichen Maßnahmen gegen die Logen zum Auftrag hatten. Einer der bekannteren dieser Autoren war der Landwirt Friedrich Hasselbacher, der bereits eine Reihe von antifreimaurerischen Traktaten verfaßt hat­ te. Hasseibacher bezog dabei auch die katholische Kirche in seine Kritik ein, der er vorwarf, von Freimaurern unterwandert zu sein. Dies sorgte angesichts des brüchigen Burgfriedens Hitlers mit dem Vatikan für einiges Aufsehen und führte 1936 zu einem Verbot, weiterhin öffentliche Vorträge zu halten. Doch gerade das aggressive Auftreten machte Hasseibacher für Himmler in­ teressant. 1935 erhielt der Autor den Auftrag, eine Publikation über die Ar­ beit der Feldlogen im Weltkrieg zu verfassen, für die er Material vom SD der SS auswerten durfte, das seit 1933 in Logenhäusern beschlagnahmt worden war.534 Nachdem der erste Entwurf der Schrift auf Kritik gestoßen war, ge­ lobte Hasseibacher, der die schlechte Umsetzung dem Einfluß des Lektors Wulf Sörensen zuschrieb, Besserung: In der neuen Fassung des Buches habe er nunmehr „grundsätzliche Feststellungen und Untersuchungen über die Freimau­ rerei getroffen, die bislang niemand fand und die daher auch noch niemals gezeigt werden konnten. Sie sind für den Kampf gegen die Freimaurerei von geschichtlicher Bedeutung und stellen", so Hasseibacher weiter, „den Beginn einer ganz neuen Epoche dieses Kampfes dar."535 Bereits Erich Ludendorff hatte mehrere Schriften über freimaurerische Aktivitäten vor und während des Weltkrieges verfaßt, an die Hasseibacher nun hauptamtlich anknüpfen konnte.536 533 Zit. nach Wegener (2004), S. 54; zur Leseliste ebenda, S. 75. 534 Siehe dazu Heiber (1970), S. 53 535 Schreiben Hasseibacher an Gahlke v. 9.2.1937, Archiv Verfasser Nr. 34. 536Vgl. u.a. Ludendorff: „Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Ge-

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Feldloge „Stern von Brabant" aus Hasseibacher „Hochverrat der Feldlogen" Für Kritik aus den „eigenen Reihen" sorgte dagegen Hasseibachers „Ver­ ächtlichmachung von Sinnbild-Gut" das im Rahmen der Publikation „Hagal" der Edda-Gesellschaft vorgestellt worden war. Der Vorstand der EddaGesellschaft wandte sich diesbezüglich an seinen alten Mentor Weisthor, um dagegen aktiv zu werden.537 Neben Hasseibacher sparte auch Walther Lienau trotz seiner guten Kontakte zu Weisthor,538 die völkischen Bünde bei seiner Freimaurer-Kritik nicht aus: „So entstanden bereits vor dem Krieg Germaheimnisse" und „Wie der Weltkrieg 1914 gemacht wurde"; Ludendorff hatte sich als einstiger NSDAPler bereits 1928 von Hitler entfernt und betätigte sich hauptsächlich als Freimaurer-Kritiker, wobei er ebenfalls sämtliche Kirchen in die Kritik miteinbezog. Seine zunehmend anti-Hitleristische Einstellung wurde auch auf den Einfluß der Frauenrecht­ lerin Mathilde von Kemnitz, geb. Spieß zurückgeführt, eine einstige Verehrerin Hitlers. Himmler veranlaßte eigenhändig die Feststellung, ob sich bei ihr ein jüdischer Blutein­ schlag feststellen lasse, was jedoch negativ beschieden wurde: „Dagegen ist es auffällig, daß... unter den Vorfahren nicht weniger als 16 Theologen erscheinen. Eine entsprechende Schlußfolgerung ist damit ohne weiteres gegeben."Brief Sippenamt der SS an Darre, Hei­ ber (1970), S. 55. 537 Siehe Lange (2010), S, 39. 538 Gabriele Winkler-Dechend nennt Lienau „aus dem Stabsamt Darre" als einen der häufigen Besucher Weisthors in Berlin 1934; Lange (2010), S. 37.

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Von Six zum Hauptquartier des SD umfunktioniertes Logen-Haus in Berlin, nenlogen die sich übrigens genau so undurchsichtig nach Ziel und Aufbau tar­ nen wie die Freimaurer selbst. Wälsungenorden, Eddagesellschaft, der Ordo Novi Templi (Neuer Templerorden), später auch der Skaldenorden sind die bekanntesten dieser germanischen Logen"539, schrieb Lienau 1934. Besonderer Kritikpunkt an der Edda-Gesellschaft war dabei das „Festhal­ ten an der Ellerbekschen Biorhythmik", wie Lienau in einem Brief an den Edda-Vorsitzenden Werner von Bülow schreibt.540 Schließlich schließt aber Lienau - vermutlich ebenfalls auf Einfluß von Weisthor, den von Bülow um Vermittlung gebeten hatte - in der 2. Auflage die Edda-Gesellschaft ausdrücklich aus der Kritik aus: „In der Behandlung der Germanenlogen erwies sich eine erhebliche Umarbei­ tung als notwendig, da es nicht im Sinne der Schrift liegt, deren Mitglieder ohne weiteres als Logenbrüder zu stempeln.... Die Edda-Gesellschaft paßt in diesen Zu­ sammenhang nicht hinein. Sie ist ein offener Verein und arbeitet in rein völkischem Sinne."541 Ein weiterer Autor von Rang war Gregor Schwartz-Bostunitsch (1883?).542 Der gebürtige Deutsch-Ukrainer studierte ursprünglich Jura und 539 Zit. nach Lange (2010), S. 45. 540 So Lange (2010), S. 44 f. 541 Lienau (2009), S. 5. 542 Siehe dazu Goodrick-Clarke (2004), S. 149 f.

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wurde 1914 Professor für Thea­ ter- und Literaturwissenschaften. 1917 war er als antikommunisti­ scher Agitator tätig und schloß sich den Weißgardisten an. Im selben Jahr wurde er von den Kommunisten in Abwesenheit zum Tode verurteilt und floh zu­ nächst nach Bulgarien und von hier 1922 nach Deutschland. Hier gelangte er in Kontakt mit völki­ Buchtitel Hasselbachers - Franz Alfred Six schen Kreisen, unter anderem dem „Coburger Kreis" um den Baltendeut­ schen Max Erwin von Scheubner-Richter und zeigte sich sowohl der Ariosophie als auch der Anthroposophie gegenüber aufgeschlossen. 1929 brach er allerdings mit der Lehre Rudolf Steiners und bezeichnete seitdem die Anthroposophie als „jüdisch indoktriniert".543 In München knüpfte er Kon­ takt zu Alfred Rosenberg, der wie er deutsch-baltische Wurzeln hatte, und lernte durch diesen auch Hitler kennen. Mit Vorträgen und Büchern über okkultistische und freimaurerische Themen, in denen er insbesondere „die jüdische Weltverschwörung" anprangerte, wurde er zu einem bekannten Akteuer der völkischen Szene. Innerhalb Rosenbergs Monatsschrift „Welt­ kampf" veröffentlichte Schwartz-Bostunitsch regelmäßig Artikel. Mitte der 30er Jahre näherte er sich Himmlers SS an, der er im April 1935 im Rang eines SS-Hauptsturmführers beitrat. Hier wurde der Emigrant ehrenamtli­ cher Mitarbeiter im Amt VII des SD, wo er die Gründung eines Institutes für Verschwörungsfragen plante, für das er auch seine private Bibliothek zur Verfügung stellen wollte. Daneben arbeitet er auch am Aufbau einer Frei­ maurerkartei sowie im 1935 im SD-Hauptamt eingerichteten Museum für be­ schlagnahmtes Freimaurer-Inventar mit, das unter Leitung von Hans Richter (1901-?) stand.544 Trotz diagnostizierter Persönlichkeitsstörungen wurde er 543 Vgl. Werner (1999), S. 41; vgl. auch Carmin (2005), S. 623. 544 Vgl. Werner (1999), S. 45; oft wird fälschlich behauptet, Schwartz-Bostunitsch sei Leiter des Museums gewesen, unter Wikipedia findet sich dagegen unter dem Eintrag „Hans Richter" folgendes: „Im SD-Hauptamt leitete Richter zeitweise das 1935 eingerichtete Freimaurer-Museum, in dem unter anderem auch Adolf Eich­ mann im Rahmen seiner SD-Ausbildung eine Zeitlang als Untergebener Richters Dienst tun mußte. Eichmann erinnerte sich später: ,Ich wurde abgestellt an einen Oberscharführer Richter, ein Berlin, der einige Semester Hochschule hinter sich hat­ te, durch die politischen Ereignisse nicht weitermachte und dort gewissermaßen als Museumsdirektor figurierte. Seine Aufgabe war es, das in verschiedenen Freimau­ rerlogen in Deutschland sichergestellte Material [...] museumsartig aufzubauen.'"

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1942 zum „SS-Ehrenprofessor" und 1944 zum SS-Standartenführer befördert. 1945 wurde die ca. 40 000 Bände fassende Bibliothek Schwartz-Bostunitschs zum Schutz vor Fliegerangriffen in das Schloß Gneisenau in Erdmanndorf/ Schlesien ausgelagert.545 Im November 1944 traf sich der russische SS-Mann in Prag im Rahmen der kurz zuvor gegründeten „Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der bol­ schewistischen Weltgefahr" mit Rosenberg. Man plante, ein großes „Hand­ buch des Bolschewismus" zu erstellen. Ob auch Schwartz-Bostunitsch daran beteiligt war, ist zwar nicht bekannt, kann aber vermutet werden. Die letzten Briefe Schwartz-Bostunitschs stammen von 1945, danach verliert sich seine Spur. Vermutlich floh er vor dem russischen Einmarsch in den Westen und wurde dort von US-Truppen interniert, die ihn möglichweise an die Sowjets auslieferten; jedenfalls taucht sein Name auf einer US-Gefangenenliste auf, die in Moskau gefunden wurde.546 Was Schwartz-Bostunitsch für die Verfechter einer okkulten Fremdbe­ stimmung gewisser Kreise des 3. Reiches und insbesondere der SS inte­ ressant macht, sind seine okkulten Weltbilder und Kontakte. James Webb zufolge, soll „dieser erleuchtete SS-Mann" 1918 in Bulgarien Schüler des be­ rüchtigten Okkultisten Gurdjieff gewesen sein.547 Darüber hinaus interessierte sich das Amt aber auch für eine Reihe von Astrologen und Okkultisten, die an der Auswertung der Freimaurer-Archive beteiligt waren.548 Zu den eingesetzten Astrologen zählte der Sanskrit-kun­ dige Lehrer Dr. Heinrich Fesel (1890-1958), der 1934 von Walther Schellen­ berg, Leiter des Amtes VI (Auslandsgeheimdienst) rekrutiert worden war. Über Fesel wurde 1939 auch der Astrologe Karl Ernst Krafft, ein Schweizer Staatsbürger mit deutschen Wurzeln, für das Amt angeworben. Sein Auf­ trag lag in der Erstellung frei zu wählender Berichte und Kommentare, die mit Spekulationen und Bezügen zu planetarischen Konstellationen und an­ deren astralen Phänomenen angereichert werden sollten.549 Angesichts der wenig ergiebigen Arbeit Kraffts für einen Geheimdienst, könnte der wahre Grund seiner Beschäftigung darin gelegen haben, den Schweizer Astrologen für spätere Einsätze „warm zu halten", wie Ellic Howe spekuliert.550 Mit Six, einem intelligenten linientreuen SS-Mann, machte Himmler 1937 545 So Goodrick-Clarke (2004), S. 150. 546 Vgl. Hagemeister (1995), Seite 209 ff. 547 Webb (2008), S. 316f; zu Gurdjieff, S. 220ff; vgl. auch Carmin (2005), 623f. 548 Vgl. Howe (1995), der den britischen Autoren Charles Wighton mit der Aussa­ ge zitiert: „Das Amt VII war der Mülleimer des RSHA. Dort fanden die Verrückten der SS Unterschlupf, die selbst Himmler zuviel waren."; S. 226. 549 So Howe (1995), S. 227. 550 Ebenda, S. 227.

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einen Fachmann für Freimaurerfragen zum defacto Leiter des SD-Inlandsgeheimdienstes. 1939 erfolgte dann die Einrichtung eines eigenen Amtes zur Gegnerforschung - Amt II - zu dessen Leiter Six berufen wurde.551 Der 1935 als Chef des Presseamtes zum SD-Hauptquartier in Berlin ge­ wechselte Six publizierte seit 1936 regelmäßige antifreimaurerische Artikel in Ernst Kriecks Zeitschrift „Volk im Werden" und verfaßte 1938 sowie 1940 zwei Monographien zu dem Thema.552 Auch Six war durchdrungen von der jüdischen Unterwanderung der Lo­ gen: „Wenn wir bereits zwischen der kirchlichen und jüdischen Überlagerung des deutschen Volkstums Berührungspunkte, ja zum Teil gemeinsame Wurzeln fest­ stellen mußten, so findet diese Erscheinung ihren kennzeichnenden Ausdruck in der dritten großen Gegenbewegung völkischer Lebensordnung, der Freimaurerei", in der sich „schon bei äußerlicher Betrachtung ihre vorderasiatisch-orientalischen, vor allem aber ihre jüdischen Wurzeln" erwiesen. „In dem Widerspruch verschiedener Entwicklungssysteme treten diese Quellen, ihre geistige und weltanschauliche Aus­ richtung, ihre Symbole und ihre Rituale, vor allem die Grundzüge ihrer Lehre aus dem judentum und den orientalischen Mysterien hervor“, bemerkte Six 1937.553 Mit Kriegsbeginn wurde der Kampf gegen die Freimaurerei fast vollstän­ dig in das Vorgehen gegen Juden integriert. So wurde die mittlerweile als Amt VII geführte Gegnerforschungsabteilung mit der Einstufung von zwei Tartarenvölkern auf der Krim beauftragt. Auf Grundlage dieses Gutachtens wurden die aus Persien stammenden Karaimen, trotzdem sie den jüdischen Glauben angenommen hatten, von Verfolgung verschont, während die ta­ tarischen Krimtschaken als „Nachfahren sephardischer Juden" wie Juden behandelt wurden.554 1942 griff auch Six aktiv in die Gegnerverfolgung ein, nämlich als Leiter ei­ ner Einsatzgruppe, die neben Partisanen auch Juden als vorgebliche Anstifter des Widerstandes, im Visier hatte.555 Zugleich war Six auch mit der Beschlagnahung freimaurerischer Archive und Bibliotheken in Rußland befaßt.556 551 Vgl. Wildt (2009), S. 56; ab März 1941 firmierte dieses als Amt VII unter Franz Six (Weltanschauliche Forschung und Auswertung - SD-Ausland), während Hein­ rich Müller im Amt IV die Gegner-Erforschung und -Bekämpfung oblag. 552 Vgl. Rudolph (2000), S. 82; Franz Six: „Freimaurerei und Judenemanzipation" (1938), „Freimaurerei und Christentum" (1940). 553 Six (1937). 554 Vgl. Wildt (2009), S. 56 f. 555 Dazu heißt es bei Wikipedia: Franz Alfred Six: Am 22. Juni 1941 übertrug ihm Heydrich die Leitung des Vorkommandos Moskau (VK Moskau /SK 7c) in der von Nebe geführten Einsatzgruppe B. Deren Aufgabe war es, „Partisanen, Saboteure, kommunistische Funktionäre im rückwärtigen Heeresgebiet" zu erfassen. 556 Vgl. Behringer (2000), S. 116 f.

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7.2. Der H-Sonderauftrag Im Jahre 1935 wurde auf Himmlers Veranlassung innerhalb des Sicher­ heitsdienstes (SD) der SS eine Sonderabteilung, der „H-Sonderauftrag", ein­ gerichtet, der ab 1939 im Reichssicherheitshauptamt, Amt II und ab 1941 im Amt VII („Weltanschauliche Forschung und Auswertung"), eine eigene Dienststelle bildete. Das Amt II des 1939 aus dem SD hervorgegangenen Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) befaßte sich unter dem Kommando von Franz Six mit der „Überwachung der Erkenntnisse des Gegners und seines politischen Verhaltens",557 worunter auch das Sonderkommando in seiner Aufklärung der kirchlichen Hexenverfolgung gezählt wurde. Aufga­ be dieser von Six geleiteten Abteilung war die Sammlung und Bereitstellung wissenschaftlichen Materials für das RSHA und die Dokumentation dieser Ergebnisse in eigenen Schriftenreihen. Der H-Sonderauftrag, der auch als sogenanntes Sonderkommando-H (für Hexen) in der Literatur bekannt ist, befaßte sich zu Beginn in erster Linie mit der Erforschung der Hexenverfolgung und legte im Rahmen der For­ schung eine Hexenkartothek an. Unter Leitung der SS-Führer Six, Spengler und Levin (der seit 1941 als Leiter des H- Sonderauftrages in der Abteilung VII C3- Wissenschaftliche Sonderaufträge fungierte) wurden zumeist Laien-"Hexen-Forscher" mit regionalen Recherchen beauftragt, daneben waren jedoch auch eine Reihe renommierter hauptamtlicher und ehrenamtlicher Mitarbeiter involviert, die ihre Forschungen sogar bis nach Mexiko oder In­ dien ausweiteten. Auch mehrere Forscher aus den Reihen der SS, die ihre Recherchen überwiegend verdeckt durchführten, waren an dem Projekt be­ teiligt. Bis 1944 suchten sie in über 260 Archiven und Bibliotheken nach den Spuren der Hexenprozesse und werteten dabei sowohl Akten als auch For­ schungsliteratur aus. Es handelte sich also um ein vergleichsweise großes Unternehmen mit wissenschaftlichen Ansprüchen, wie schon der quantifi­ zierende Versuch zeigt, die Hexenprozesse zumindest innerhalb des Alten Reiches möglichst vollständig zu erfassen.558 Die über 30 000 erstellten Karteikarten enthalten soweit wie möglich Na­ men und Herkunft der im Zuge von Hexenprozessen Hingerichteten sowie den Grund für die Verurteilung. Der „Projektleiter" der SS-Hexenforschung, Rudolf Levin, gab als Zweck des „H-Sonderauftrag" an: „Erforschung der rassen- und bevölkerungsge­ schichtlichen Wirkung der Hexenprozesse sowie der wirtschaftsgeschichtlichen Folgewirkungen der Hexenprozesse; Bewertung der Frau in den Hexenprozessen 557 Zit. nach Werner Best, Der Aufbau der Sipo und des SD ..., 29.01.1940. Bun­ desarchiv Dahlwitz-Hoppegarten, ZR 592/10, Bl.38-50. 558 Vgl. zur ausführlichen Geschichte des H-Sonderauftrags: Rudolph (2000), S. 47 ff.

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und schließlich ein Überblick über das bisherige Schrifttum zu den Hexenprozessen sowie das Ver­ fertigen einer thematischen Bibliographie". Hin­ tergrund der Errichtung des Sonderauftrages war indes Himmlers Bemühung, den Einfluß der christlichen Kirchen, die er als „Stoßtrupp des Weltjudentums" charakterisierte, auf die deutsche Bevölkerung zurückzudrängen und zugleich die politische Tätigkeit des RSHA auf die geistige Durchdringung der Bevölke­ rung mittels Aufsätzen und Publikationen zu erweitern. Auf die Hexenproblematik gesto­ ßen wurde Himmler dabei weniger - wie oft behauptet - durch seine persönliche Betrof­ fenheit aufgrund der Existenz eines Opfers in seiner Ahnenreihe,559 sondern durch eine 1935 im Zuge der Kontroverse um Rosenbergs im Mythus verkündete „9-Mio-Opfer" der Hexenverfolgung aufkommende Auseinandersetzung mit der Kirche, bei der sich das Fehlen handfester Beweise für die NS-These offenbarte. Daher sollten nun die Ver­ brechen der Kirche anhand der Hexenverfolgung aufbereitet und akribisch dokumentiert werden.560 Der H- Sonderauftrag sollte daher einerseits ver­ wertbares Material gegen die katholische Kirche sammeln, andererseits je­ doch auch vorchristliche Überlieferungen der sogenannten Hexen eruieren und sichern; einerseits als Bestandteil der Aufarbeitung eigener Geschichte, andererseits auch um dieses Wissen wo möglich für die auf lange Sicht das Christentum zu ersetzende „Ersatzreligion" nutzbar zu machen. Trotz der persönlichen Interessen Himmlers, wurde die offizielle Arbeit der Sonderabteilung-H ihren Ansprüchen nicht in vollem Maße gerecht, die Grundlage der wissenschaftlichen Erforschung der Hexenverfolgung zu lie­ fern - vielmehr scheiterte sowohl die Erstellung eines Grundlagenwerkes, als auch der persönliche Versuch Levins, sich mit diesem Thema zu habilitieren.561 Der Grund für dieses „Scheitern" lag jedoch auch in der sinkenden Bedeutung der Hexenforschung seit Beginn des Krieges 1939. Neben der Hexenforschung gewann die Aufklärung der „Freimaurer-Umtriebe" eine weiter wachsende Bedeutung, da hier eine jüdische Einflußnahme leichter nachgewiesen werden konnte als in Bezug auf die Hexenverfolgung. Seit 1942 trat jedoch auch die Frei­ maurerforschung hinter die Aufklärung über das Judentum an sich zurück. 559 Margareth Himbler, die 1629 als Hexe ermordet wurde - die entsprechende Akte der Kartothek wurde erst am 12.11.1938 erstellt; vgl. Rudolph (2000), S. 53. 560 Vgl. hierzu Behringer (Hexen), S. 12; ebenso Rudolph (2000), S. 53 ff. 561 Vgl. Matthäus (2000), S. 107.

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Der „H-Sonderauftrag" war bis zum April 1936 gemeinsam mit der „SSSchrifttumsstelle Leipzig" in der bekannten Deutschen Bücherei unterge­ bracht. Danach zog die Kartothek gemeinsam mit weiteren Abteilungen des Amtes VII des RSHA in das von den Nationalsozialisten konfiszierte Freimaurer-Logenhaus nach Berlin-Wilmersdorf, bis sie kriegsbedingt 1943 nach Niederschlesien, in das Schloß des Grafen Haugwitz, ausgela­ gert wurde. Gegen Kriegsende bezog ein Teil des Amtes VII Quartier bei Rudolstadt/ Thüringen. Der größte Teil der zuerst nach Posen verbrachten Akten des Amtes VII befindet sich heute in den Beständen der Universitäts­ bibliothek Posen; Teile wurden 1989/90 aber auch im „NS-Sonderarchiv" der DDR-Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen entdeckt. Die neben der Hexenkartothek in Posen aufgefundenen Logenbibliotheken und weite­ re Freimaurerliteratur schienen aufgrund der zahlreichen mit okkulten oder geheimen Riten und Praktiken gefüllten Bände einen Zusammenhang zur Erforschung geheimer Wissenschaften offenbar zu machen, offiziell jedoch beschränkte sich das Interesse der Abteilung auf die Verwertung der Schrif­ ten gegen die Umtriebe der Freimaurerlogen, also der Auseinandersetzung mit dem weltanschaulichen Gegner. Seit 1942 wurde entsprechend des militärisch geführten Vernichtungskampfes gegen den jüdischen Bolsche­ wismus als Hauptfeind der Jude angesehen, weshalb sich der Schwerpunkt der Gegneraufklärung des Amts VII, welches ja erst aus dem Sonderauftrag hervorgegangen war, nun von der Freimaurerei auf den Juden verlagerte, obgleich Überschneidungen zwischen beiden Gruppierungen seit Beginn hervorgehoben werden sollten. Damit trat die Erforschung der Hexenver­ folgung weiter in den Hintergrund, wurde jedoch als untergeordnete Ab­ teilung weitergeführt, obgleich sich mit Schriften zur Hexenfrage befaßte Mitarbeiter nun „judenbezogenen" Projekten widmeten. Folgende Schriften waren im Rahmen des H-Sonderauftrags vorgesehen, kamen aber zumeist nicht zur Umsetzung:562 1. Murawski: Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des H-Komplexes 2. Rudolf Levin: H-Prozesse in volksgeschichtlicher Sicht (Voraussichtliche Beendigung Ende 1942) 3. Schmidt: Die zvirtschaftlichen Folgen der H-Prozesse (Voraussichtliche Beendigung Ende 1942) 4. Merkel: Die volkskundlichen Grundlagen des H-Wahns (im Wesentlichen fertig - Änderungen n. Rückkehr des Bearbeiters aus dem Wehrmachts­ dienst) 5. v. Schrenck: Die Folter in den H-Prozessen 6. Jantra: Die vorgeschichtlichen Grundlagen des H-Wahns (nurgeplant auf­ grund Wehrmachtsdienst Jantras) 562 Nach Matthäus (2000), S. 101.

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7. Gemeinschaftsarbeit: Neubearbeitung Soldan/Heppe: Die Geschichte der Hexenprozesse 8. Levin: Quellenwerk über den H-Komplex (geplant) 9. Richter: Kritische Neuausgabe des Malleus (Hexenhammer) (gepl.) 10. Patin: Die kirchengeschichtlichen Quellen für die H-Forschung (fertig Überarbeitung notwendig) 11. Prof. Eckardt: Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der H-Forschung (gepl.) 12. Reißmann: Grundbuch der H-Forschung (vorauss. Ende 1943) 13. Richter: Bibliographie des H-Schrifttums (als Kartothek fertig) Verbindungen zwischen Sonderauftrag und Ahnenerbe Die zumeist verdeckte Tätigkeit der Mitarbeiter des SonderkommandoH, welches vereinzelt von Mitarbeitern selbst aufgrund der über 30.000 Ein­ träge umfassenden Karteikarten Kartothek genannt wurde, sorgte in der späteren Literatur für ausschweifende Spekulationen. So besteht im ame­ rikanischen Raum die Legende, es sei „unter Zuführung weiterer Mitarbeiter eine Abteilung namens Karothechia gegründet worden sein, welche später sogar als offizielle Abteilung des Ahnenerbes fungiert hätte". Während das Sonderkommando-H sich lediglich mit der Hexenverfolgung beschäftigt habe, soll sich die „Karothechia" vor allem mit der Untersuchung vielfältiger okkulter Praktiken befaßt haben, wobei sie ihre Forschungen weltweit und zumeist im Geheimen durchführte.563 Indes offenbaren die Quellen die Haltlosigkeit derartiger Behauptungen. Diese Aussagen dürften in der geistigen Vermischung der Tätigkeit der „Kar­ tothek" und der Ahnenerbe-Abteilung zur Überprüfung der sogenannten Geheimwissenschaften begründet liegen, für die es keine ernstzunehmende Quelle gibt, vielmehr besagen diese, daß die Hexenverfolgung auf besondere Anweisung Himmlers nicht in den Bereich des Ahnenerbes fallen sollte: „Er (Himmler) bittet, davon Kenntnis zu nehmen, daß sich das Ahnenerbe mit Hexenprozeß-Angelegenheiten nicht beschäftigen soll, da diese Aufgabe ausschließ­ lich dem SD zukäme."564 Bestrebungen des Ahnenerbes, das sich bislang ausschließlich auf Aspekte der Vor- und Frühgeschichte beschränkte, die in den Bereich der Neuzeitlichen Geschichte fallende Hexenverfolgung thematisch aufzugreifen, stießen 1938 auf die Ablehnung Himmlers, obgleich innerhalb des Ahnenerbes eine Forschungs­ stätte für mittlere und neuere Geschichte existierte. Dem voran gingen zwar im Juli 1938 geheime Gespräche zwischen Sievers und Six über einen Anschluß 563 Die von verschiedenen Autoren weitergesponnene Legende entstammt eigent­ lich dem Online-Rollenspiel „Delta Green", in dem Fakten mit Fiktion vermischt werden - die Zitate finden sich unter dem Stichpunkt „History ofthe Karotechia". 564 Vgl. Kater (2006), S. 69; ebenso Rudolph (2000), S. 65.

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einer Abteilung „Politische Geistesgeschichte" an das Ahnenerbe, die eine ver­ besserte Zusammenarbeit insbesondere in der politischen „Begutachtung" neu­ er Ahnenerbe-Kandidaten durch Six zeitigten, jedoch entschied sich Himmler schließlich gegen eine solche engere Zusammenarbeit.565 Stattdessen sollte die Hexenverfolgung als Aufklärung über weltanschau­ liche Gegner Bestandteil des RSHA, bzw. des diesem untergeordneten HSonderkommandos bleiben.

7.3.

Höfler, Kummer & die Männerbünde

Entsprechend dieses Kompetenzkonfliktes zwischen Ahnenerbe und RSHA existierte auch eine wissenschaftliche Kontroverse, die sich um die Bewertung der Hexenverfolgung rankte. Innerhalb der dem Ahnenerbe na­ hestehenden Autorenschaft gab es Stimmen, die dem vor allem von Rosen­ berg und seinem Umfeld gepredigten Ursprung der Hexenverfolgung aus orientalischem Ungeist nicht vorbehaltlos folgen wollten: So faßte der mit dem Ahnenerbe verbundene Otto Höfler die Hexenverfolgung als Einfluß der Tradition der altgermanischen Männerbünde auf, war sich jedoch inso­ weit mit Himmler und dem Sonderkommando einig, als daß die Verfolgung eine „Ausrottung wertvollen deutschen Blutes bedeutete."566 1935 bezeich­ nete Rosenberg den auch von einer katholischen Gegenschrift gegen seinen Mythus des 2O.Jahrhunderts geäußerten Verdacht der Entstehung des He­ xenwahns aus dem „germanischen Charakter" als „Höhe der Anmaßungen" und lag damit bemerkenswerter Weise auf der gleichen Linie wie Himmler. Bernhard Kummer, Schriftleiter der Zeitschrift „Nordische Stimmen", verfaßte mehrere Zeitschriftenartikel die ebenfalls auf die Wissenschafts­ kontroverse zwischen ihm als Anhänger der Rosenbergschen Richtung und dem Germanisten Otto Höfler hinweisen.567 Der in Wien geborene Höfler war ein früher Anhänger der Österreichi­ schen NSDAP und engagierte sich Anfang der 20er Jahre bei der dortigen Ordnertruppe, einem Pendant zur deutschen SA.568 565 Rudolph (2000), S. 66. 566 Vgl. dazu Rösler (2008) S. 9: „Ein weitverbreitetes Motiv der Kampfraserei des Totenheeres sah Höfler in der Jagd und dem Nachstellen weiblicher Wesen oder genau­ er: weiblicher Dämonen. Diese magischen Männerbünde, die Hexen und Dämonen feind sind, hätten sich rudimentär in den Bräuchen der alemannischen Fastnacht oder anderer Fastnachtsbräuche im süddeutschen Raum, in denen Männergruppen eine große Rolle spielen, erhalten, so in der Schweiz. Somit stehe die Hexenverfolgung in Deutschland zumindest teilweise in einem nordisch-germanischen Zusammenhang." 567 Vgl. hier Behringer (1998), S. 285 ff. 568 Zur ausführlichen Biographie siehe Simon (NordistikChr).

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Nach Promotion im Fach Germanistik in Wien 1925 arbeitete Höfler kurzzeitig in Marburg und folgte 1928 einem Lehrauftrag für Germanistik in Schweden. Nach seiner Rückkehr nach Deutsch­ land verfaßte er seine Habilitationsschrift „Die kultischen Geheimbünde der Germanen" Dieses Werk sorgte bald für erhebliche Diskussionen, in deren Mittelpunkt er als Protege des Ahnenerbe und der dem Reichsbund Rosenbergs naheste­ hende Bernhard Kummer die Hauptrollen spiel­ ten und der auch in die Betrachtung der Hexen­ verfolgung hineinspielte. Höfler hatte nämlich die Hexenverfolgung als mögliche Folge der seit frühester Zeit existenten kultischen Männerbün­ de charakterisiert. Der mit einer Vermittlung zwi­ Otto Höfler schen den Kontrahenten beauftragte Eberhard von Löw zu Steinfurth, Mitglied des Reichssicherheitshauptamt III B (Volkstum) unter Hans Ehlich, faßte die Gegensätze folgendermaßen zusammen: „Die Kummer-Reinerth-Günthersche Richtung sieht den nordischen Menschen als einen bäuerlichen Menschen, dessen Lebenshaltung erschöpfend bestimmt wird durch die Aufgaben der Erhaltung der Sippe und der Schaffung der Nahrung und eines beque­ men Lebensstandards. Die Götter sind dazu da, die Erhaltung der Sippe zu überwa­ chen und eine fruchtbare Ernte zu garantieren. ... Dagegen lehne diese Richtung das Vorhandensein aller Kräfte im Germanentum ab, die nicht unmittelbar rationalistisch als dem obenbezeichneten Trieb dienend erklärt werden könnten. So lehne sie insbesonderejede Beschäftigung mit dem Tode, jeden Totenkult und jede Anerkennung des Furchtbaren in der Natur als ungermanisch ab. Sie gehe sogar so weit, zu behaupten, daß der Drang zur Staatsbildung, als einer Bildung von über den engeren Sippen­ verbänden hinausgehenden Gemeinschaften, die das ganze Volk umfaßten, nicht ur­ sprünglich germanisch, sondern erst von den Römern anerzogen sei. Deshalb werde auch der diesen Staatsbildungen und der Verteidigung des Volkes dienende Hang zur Bildung von kriegerischen Verbänden der jungen Mannschaft eines Volkes als nicht ursprünglich germanisch abgetan. Demgegenüber behaupten Höfler und die ihm nahestehende Gruppe, daß sich aus der germanischen vorchristlichen Geschichte und der germanischen Sagenlitera­ tur nachweisen lasse, daß die Germanen von Ursprung her staatsbildend gewesen seien und damit aus ihrer rassischen nordischen Veranlagung heraus den Drang gehabt hätten, sich über die engsten Sippengemeinschaften hinaus zu größeren Ge­ meinschaften des Volkes zusammenzuschließen. Träger dieses Dranges seien die germanischen Kriegermannschaften gewesen. Sie hätten im Totenkult, in dem die unmittelbare Verbundenheit mit den Ahnen als Kraftquelle des völkischen Lebens wirksam gemacht worden sei, und in der Bejahung des Kampfes und des Furcht­

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baren in der Natur (die letzten Endes nur der Stärkung für den Kampf um die Erhaltung der Art und den Sieg über fremde Wesensart diente) einen Ausdruck unnordischen Wesensdargestellt: Höfler wirft der Gegenseite vor: 1. Sie mache aus dem Germanentum ein Schäferidyll im Stile des 18. Jahrhunderts,.. 2. Sie erweise damit Deutschland gegenüber dem angelsächsischen Westen und dem skandinavischen Norden einen sehr schlechten Dienst..., indem gerade auf Grund dieses Germanenbildes der angelsächsische individualistische Händlergeist und der skandinavische Pazifismus gegenüber dem in der Organisationen der Bewegung und des Staates straff zusammengefaßten deutschen Volke sich als die Vertreter echten nordischen Germanentums fühlen können. 3. Erweise diese Richtung auch im Kampfe gegen das Christentum und politisches Kirchentum einen schlechten Dienst, indem sie einfach in jedem Falle nur sich auf die absolute Negation der kirchlichen Thesen und Behauptungen beschränken und sich damit die Frontziehung von der Kirche insbesondere vom Katholizismus her vorschreiben lasse. ...In ihrer Ablehnung des Staatlichen und Kämpferischen als nordische Eigenschaft sehe sie sich genötigt, den germanischen Gott, der Vertreter dieser Eigenschaft sei, Wodan, den Königsgott der Germanen, ebenfalls bereits als eine Entartungserscheinung des ursprünglichen Germanentums zu bezeichnen zu dem kirchlicher und christlicher Propaganda durchaus entgegenarbeitenden Schluß, daß die germanische Religiosität zu dem Zeitpunkt, als sie mit dem Christentum zusammenstieß, bereits seit 1000 Jahren entartet gewesen sei.."569 Interessanterweise konnte sich in diesem Streit Otto Höfler durchsetzen, obgleich die Stellung des Rosenberg-Reinerthschen Kampfbundes, der ja Kummer im weiteren Sinne zuzurechnen war, zu dieser Zeit vergleichs­ weise stärker war, als die des noch im Aufbau befindlichen Ahnenerbes. Grund hierfür war die auch innerhalb des Ahnenerbe eingeschlagene neue Richtung, in der die Bedeutung der Männerbünde (wie exemplarisch von Wüst vorgetragen) gegenüber dem friedlichen, auch mütterrechtlich organi­ siertem Ur-Germanentum (für das stellvertretend der kaltgestellte Herman Wirth stand) an Bedeutung gewann (siehe hierzu Kapitel 4). Gerd Simon urteilt über den Ausgang des Konfliktes: „Obwohl sich früh auch das Amt Rosenberg zugunsten Kummers einmischte, und sich nach einiger Zeit auch Höflers Verhältnis zu Wüst abkühlte, profitierte über lange Zeit allein Höfler von diesem Streit. Er verstand es, sich im Sicherheitsdienst der SS - spätestens im 2. Weltkrieg ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor im Hintergrund - eine neue Operationsbasis zu schaffen, den Umstand ausnutzend, daß seine Deutung der altnordischen Geschichte, - und damit verbunden - seine 569 Aktennotiz Eberhard von Löw zu Steinfurth 25.11.37, BA ZM 1582 A 4 Bl. 42-46; bei Simon (nordloew).

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„Modernisierung“ des nordischen Gedankens, als Ideologen! für die Militarisierung und Aufrüstung Deutschlands nach 1935 zunehmend an Bedeutung gewann und bis Ende des 2. Weltkrieges eine zentrale Stellung in der nationalsozialistischen Weltanschauung behielt.“570 Trotz der unterschiedlichen Auffassungen zwischen Ahnenerbe und Au­ toren aus dem Umfeld des Sonderkommandos gab es eine ganze Reihe per­ soneller Verflechtungen zwischen dem Forschungsverein und dem H-Son­ derauftrag. Zu nennen ist hier insbesondere Günther Franz, der als Mitglied des Ahnenerbes die verschiedenen Erträge zur Hexenforschung koordinie­ ren sollte. Franz, der seit 1937 Ordinarius für Geschichte an der Universität Jena war, profilierte sich vor allem durch Schriften zu den Bauernkriegen und gelangte über seine Einbindung innerhalb des RSHA zur Thematik der Hexenverfolgung. Hier sollte Franz als erfahrener Akademiker und zugleich langjähriger SS- Veteran zur „Evaluierung" der bis dato wenig effektiven Arbeit der Sonderkommandos H beitragen, gleichzeitig wurde er auf Empfehlung des RSHA- Chefs Six im Mai 1939 in das Ahnenerbe übernommen. Seit 1941 fungierte er offiziell als wissenschaftlicher Beauftragter des SD im RSHA und war im Rahmen dieser Position maßgeblich an der Beschlagnahme jüdischer und freimaurerischer Bibliotheken in der Sowjetunion beteiligt. Inwieweit nun diese Sicherstellung und die Arbeit von Franz auch in den Bereich des Ahnenerbes fällt, kann aufgrund mangelnder Quellen nicht nachvollzogen werden. Festzuhalten bleibt allerdings, daß das vornehmli­ che Anliegen der Arbeiten von Franz in der Aufklärungsarbeit im Rahmen der Gegnerforschung durch den SD des RSHA lag, dennoch bleibt die Frage bestehen, warum Franz 1939 offiziell auch in das Ahnenerbe übernommen wurde, wo doch Himmler selbst eindeutig dem Ahnenerbe die Zuständig­ keit im Bereich der Hexenforschung als auch der Gegnerforschung an sich - in der Franz nunmehr tätig wurde - absprach. Mit Franz als Koordinator der Arbeit des Sonderauftrages wurde jedenfalls seit 1941 der Schwerpunkt der Gegnerforschung auf „den Juden" gelegt.571 Allerdings traten, wie Lon­ gerich bemerkte, seit Ende 1942 wiederum „die Juden als Hauptgegner immer mehr zurück".572

570 So Simon (NordistikChr). 571 Vgl dazu Behringer (2000), S. 116. 572 Vgl. Fn. 125.

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8. Auf der Suche nach dem heiligen Gral Otto Rahn & die Gralsmission der SS „Was die Germanen in heidnischer Zeit als Götter­ heim Asgard und als Reich der Totengöttin Hel ver­ ehrt haben, wurde im Mittelalter von Ketzern und Minnedichtern als Gralsberg, Rosengarten, Artusrunde, Venusberg und als jener feurige Berg Bel be­ sungen. .. Ihr aller Ursprung war der „Berg der Ver­ sammlung in der fernsten Mitternacht", wie Jesaja ihn nennt."573

8.1. Der heilige Gral - das indoarische Erbe an hat sich nur zu sehr daran gewöhnt, die Sage vom heiligen Gral als eine christliche Legende zu betrachten, welche von Chrestien de Troyes, Wolfram von Eschenbach und anderen bis auf Richard Wagner herauf vielfach bearbeitet wurde, so daß man darüber beinahe vergaß, den altmythischen Ursprung der Sage aufzusuchen, da die Evangelien und Schriften der Kirchenväter von der Gralssage so gut wie nichts wissen" - mit diesen Worten begann Guido von List seine Darstellung der Sage vom Heiligen Gral.574 Tatsächlich verbindet man heute den Gral mit der christlichen Deutung als Schüssel oder Kelch des letzten Abendmahls, in dem Joseph von Arimathea auch das Blut Jesu nach dem Stich mit der Longinus-Lanze aufge­ fangen habe.575 Nach Wolfram von Eschenbach war der Gral ein Edelstein, der magische Kräfte barg - analog der Mythe des Juwels, welcher aus Lu­ zifers Krone auf die Erde fiel. Eschenbachs Grals-Umschreibung „Lapsit Exillis"3 könnte demnach „lapis ex coellis" (Stein vom Himmel) gemeint haben, denn die ältesten verehrten Steine entstammten oft Meteoriten, also „ Himmelsboten" .576

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573 Rahn (2004), S. 123. 574 In Krüger (2007), S. 26 ff. 575 So Robert de Boron (Geschichte des Grals), der als Begründer dieser Gralsdeu­ tung gilt. Der Legionär Longinus stach Jesus mit dem Speer in die Seite, um seinen Todfestzustellen - nach anderer Deutung, um ihn von seinem Leid zu erlösen... 576 Vgl. Häuf (2004); Das Wort Gral/graal selbst wird vom lateinischen „gradale" = Schale / Becher oder „garalis" abgeleitet, einem Aufbewahrungsgefäß für Fisch­ sauce; teils auch vom arabischen gar = Höhle al = der/die. Anderen Quellen zufolge sei der Gral weniger eine Schüssel, denn ein transzendentes Heiligtum gewesen, welches nur dem erscheint, der würdig ist, es zu schauen.

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Von der Kirche - inoffiziell - als GralReliquie anerkannt, ist ein zusammenge­ setzter Kelch aus smaragdgrünem Achat, der mit einer edelsteinbesetzten Halterung auf einem Onyx-Fuß befestigt ist. Der heute in der Kathedrale von Valencia befindliche Kelch wurde im Mittelalter im berühmten Höhlenkloster San Juan de la Pena aufbe­ wahrt - das aus Achat bestehende Oberteil stammt aus der Zeit der Zeitenwende und soll der römischen Kirche zufolge tatsäch­ lich die Schale des letzten Abendmahles darstellen, während der wohl im 10. Jahr­ hundert hinzugefügte Fuß erst kurz zuvor hergestellt wurde. Daß der obere Teil tat­ sächlich von Jesus verwendet wurde oder sogar sein Blut auffing, ist jedoch mehr als Gral-Bühnenbild Richard Wagners zweifelhaft - dennoch kann dieses Arte­ fakt gegenüber weiteren als Gral bezeich­ neten Gegenständen noch die größte Authentizität beanspruchen. In der von fast allen Autoren berichteten magischen Sättigung durch den Gral finden wir dagegen einen der deutlichsten Hinweise auf den vorchrist­ lichen Charakter des Grals. Bereits in keltischen Mythen erscheint der Kessel des Dagda vom Stamm der Tuatha de Danaan, der ebenfalls auf wundersa­ me Weise nie leer wird und die Hüter des Kessels sättigt. Dieses Element findet sich - noch weiter zurückliegend - sogar bei den indogermanischen Völkern wie etwa im indoarischen Rigveda in Gestalt des kupfernen Kes­ sels des Sonnengottes Vivasvant. Von dieser ältesten Zeit fand es Eingang in die deutsche Märchenwelt, wo es als unerschöpfliches Breitöpfchen oder als „Tischlein-Deck-dich" überlebt.577 Im Sanskrit heißt die Entsprechung dieses Tisches Mani, ein Speis und Trank spendender Steintisch. Zugleich stehe Mani aber auch für die deutsche Minne, dem „Gedenken in Liebe", dem sich sowohl deutsche Ritter („Minne­ dienst") als auch die französischen Katharer („Manisola") verschrieben hatten und das sich letztlich aus dem altgermanischen Maibrauch ableiten soll.578 Letztlich stehen diese Mythen in Zusammenhang mit der Sonnen- und Mondverehrung der alten indogermanischen Kulturen, welche die Gestirne als segen- und nahrungsspendende Gefäße ansahen.579 577 Vgl. Schröder (2005), S.109 f. 578 Vgl. Rahn (2004), S. 33. 579 Sielte dazu Schröder (2005), S. 17ff.

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Eine weitere, und zuletzt wohl am meisten diskutierte These stammt von den Autoren Baigent, Lincoln und Leigh: Nach diesen ist der Gral weniger materieller Natur, denn die Umschreibung eines Geheimnisses, welches das Potential birgt, die Grundfesten der kirchlichen Mauern einzureißen - zu­ mindest wenn man Dan Brown glauben möchte, der mit seiner romanhaften Umsetzung und Ausschmückung der Gralserben-Theorie des Autorentrios zum erfolgreichsten Romanautoren jüngerer Zeiten wurde: Jesus war nicht nur verheiratet mit Maria Magdalena sondern hatte auch einen Sohn mit ihr: Also einen blutmäßig legitimierten Erbfolger, der durch seine möglichen Nachkommen die Stellung der Päpste innerhalb der christliche Kirche nach­ haltig in Frage stellen würde. Und tatsächlich soll sich die Blutlinie zum angeblich jüdisch dominierten - germanischen Geschlecht der Merowinger und dem König Dagobert II. zurückverfolgen lassen, deren Ansprüche in neuerer Zeit die mysteriöse Organisation „Prieure de Sion" weiterverfolgt und nichts weniger als die Absetzung der Päpste zugunsten der noch exis­ tenten Blutlinie verfolgt. Der Gral wäre dabei die direkte Umschreibung Ma­ ria Magdalenas, deren Schoß den göttlichen Samen empfing, wie der Kelch das göttliche Blut. Die Bezeichnung würde also nicht „san graal" (Heiliger Gral) sondern „sang real" (Heiliges Blut) lauten.580 Pikanterweise betreiben die Autoren damit eine Einverleibung und diame­ trale Entgegensetzung des bereits im letzten Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Gral geprägten Begriffes des heiligen Blutes. Jörg Lanz von Lieben­ fels und den deutschen Ariosophen galt dieser Begriff in Anlehnung an Eschenbach, der der „Gralsgemeinschaft" eine gemeinsame Blutlinie zugrunde legt, als Bezeich­ nung des „heiligen arischen Blutes", welches es galt ge­ genüber den „minderwertigen Rassen" reinzuhalten.581 Auch die Symbolisierung des Grals als seit dem Mittelalter bestehender Wunsch nach gesellschaftli­ cher Neuorganisation, wie sie die Prieure verfolgen würde, findet sich ebenfalls bereits in diesem Kon­ text: Julius Evola zufolge zielte diese Symbolik auf eine bestimmte Führungsschicht im Mittelalter, die das Abendland auf spiritueller Grundlage neu organisieren wollte.582 Mit der These Baigents und Browns wäre also nicht mehr das „arische Blut" das heilige, sondern Der Dämon Asmoaeus als das „jüdische". Wächter in Saunieres Kirche 580 Lincoln (1984); Brown (2004). 581 Siehe Lanz v. Liebenfels (1930), S. 74 f. 582 Vgl. Lange, Vorwort zu Rahn (2000); S. XIV.

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Doch welchen Wahrheitsgehalt birgt diese fan­ tastische Geschichte? Sicher ist, daß sich die Autoren hauptsächlich auf Spekulationen stützen und bei dem Versuch, ihre Thesen zu untermauern, verschiedentlich andere Autoren falsch zitieren, um ihre Thesen zu bestätigen. Was die „Prieure de Sion" anbe­ langt, so scheint es sich hierbei lediglich um ein Produkt der Neuzeit zu handeln, das durch den französischen Adligen Pierre Plantard (seit 1975 „Plantard de Saint-Claire") in den 50er Jahren ins Abbe (Pater) Sauniere Leben gerufen wurde. Allerdings gibt es Hinwei­ se auf eine mittelalterliche Verbindung die auf eine Augustiner-Abtei mit dem Namen Notre Dame du Mont de Sion zurückgeht. Der Name dieser Gesellschaft soll „Chevalier de l'ordre de Notre Dame de Sion", kurz „Ordre de Mont Sion" gelautet haben.583 Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt auch der mysteriöse Pater Berenger Sauniere, der Mitglied oder Beauftragter der Prieure de Sion gewesen sein soll.584 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelangte der Pfarrer in dem kleinen Örtchen Rennes-le-Chäteau zu sagenhaftem Reichtum, dessen Quelle bis heute ungeklärt ist. Einiges spricht dafür, daß er bei Umbauarbei­ ten der kleinen Dorfkirche auf mysteriöse Schriften stieß, die offiziell eine Abschrift eines Teils des Neuen Testamentes waren - ob sich hier jedoch ein geheimnisvoller Hinweis auf einen versteckten Schatz verbarg, der Sauniere zu Wohlstand, Ansehen und Verbindungen zu diversen Gesellschaften ver­ half, ist bis heute Stoff für zahlreiche Veröffentlichungen.585 Zu den regelmäßigen Besuchern des Landpfarrers gehörten Johann Salvator von Habsburg, Cousin des Österreichischen Kaisers, der Fran­ zösische Kulturminister, die Okkultisten Joseph Peladan (Gründer der Martinisten) und Papus sowie der Schriftsteller Jules Verne. Aus diesem Personenkreis setzte sich auch der Kreis der Trauergemeinde nach Sau­ nieres plötzlichem Tod am 22. Januar 1917 zusammen - scheinbar spielte der Krieg für die Angehörigen der verschiedensten europäischen Nationen dabei keine Rolle.586 583 So Ritter (2002), S. 92, der - ebenso wie die Schöpfer der Mythen um die Prieure de Sion, Lincoln / Baigent/Leigh - auch ein kontinuierliches Bestehen dieses Ordens für möglich hält und in den Fürstenhäusern Lothringen und Habsburg filhrende Vertreter dieser Gesellschaft sieht; vgl. Wikipedia: Pierre Plantard. 584 So Lincoln (1984), S. 161. 585 Vgl. Lincoln (1984), S. 161 ff.; ebenso Ritter (2002), S. 65 ff. 586 Ritter (2002), S. 96/106; vgl. auch Carmin (2005), S. 366 f.

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Otto Rahn - vor Katharer-Inschriften in den Höhlen des Sabarthez, 1931 Ohne auf die Verstrickungen der Logen und bedeutender Familienge­ schlechter näher eingehen zu wollen, erscheint zumindest ein Zusammen­ hang der Tempelritter, auf die sich das neuzeitliche Freimaurertum ver­ schiedentlich bezieht, zum Gral nicht völlig von der Hand zu weisen zu sein. Während ein derartiger Zusammenhang in der seriösen Forschung vollstän­ dig ausgeblendet wird, scheinen die Templer in sämtlichen populistischen Veröffentlichungen geradezu die Schlüsselrolle als Gralshüter einzuneh­ men, als die sie bereits von Wolfram von Eschenbach bezeichnet wurden (in der Formulierung „Templeisen"). Das Wirken der 9-köpfigen (auch die 9-Zahl weist auf heidnische Verbindungen !) Anfangsformation zwischen der Gründung 1119 (bzw. 1120) auf Veranlassung des (heidnisch inspirier­ ten?) Bernhard von Clairvaux und dem plötzlichen Ende 1307 und vor allem die Anklagepunkte, die zum Verbot des Ordens führten, bergen viel Raum für Spekulationen: Wer war der von ihnen angebetete Götze Baphomet, wa­ rum bespuckten Neuanwärter rituell das Kreuz Jesu und spiegelten Darstel­ lungen wirklich homosexuelle Praktiken des Ritterordens? Auch hier scheint vieles in den Anklagepunkten frei erfunden oder bewußt falsch dargestellt worden zu sein. Die besagten Bilder wiesen lediglich auf die Bruder- und Kameradschaft der Ordensmitglieder hin, Baphomet dürfte eine Verkörperung vorchristlicher Elemente sein, die auch mit der Urmutter in Verbindung stehen - vergleichbare Bilddarstellungen finden sich auch bei Germanen, Kelten und Slawen, deren Himmelsgottheiten oft mehrköpfig dar­ gestellt wurden. In der jüdischen Schreibweise ergibt das Wort Baphomet zu­ dem Sophia, dieses wiederum war eine Bezeichnung der Urmutter, als deren Variation auch Maria Magdalena angesehen wurde.587 587 Siehe hierzu Terhart (2001), S. 70 f.

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Ebenso scheint die Ablehnung der Kreuzesverehrung als Todes- und Martersymbol auf ein differenziertes Bild der christlichen Lehre bei den Templern hinzuweisen, die sie mit den Katharern teilten. Ungeklärt ist jedoch nach wie vor, was die Tempelritter in ihrer zugewie­ senen Heimstätte am Tempelberg bei unterirdischen Grabungen fanden und ob diese Funde die Grundlage für die Macht, das Ansehen und den Reich­ tum des Ordens bildeten, der zu Beginn kaum seiner eigentlichen Aufgabe, dem Schutz der Pilger, nachkam - oder angesichts seiner Stärke von sieben Rittern und einer Handvoll Knechte, überhaupt nachkommen konnte. Auch die besagten Katharer werden mit dem heiligen Gral in Verbindung gebracht. Der gnostischen Sicht zufolge, waren die Katharer die Erben des Geheimnisses des Grals, welches von eingeweihten Christen zu den Katha­ rern und von diesen zu den Tempelrittern gelangte - als Indiz lassen sich zumindest personelle Verflechtungen zwischen Katharern und Templern vor allem in Südfrankreich anführen.588 Unweit der Festung Montsegur, in einer Kirche im nordspanischen Taüll, findet sich auch die wohl älteste bildliche Darstellung des Grals in Gestalt ei­ ner Marienabbildung mit einer Strahlen aussendenden Schale. Diese aus dem 12. Jahrhundert stammende Darstellung verweist erneut auf den engen Zu­ sammenhang zwischen Gral und Marienverehrung, wobei hier Maria gleich­ bedeutend mit Maria Magdalena als Synonym der Urmutter erscheint.589 Unzweifelhaft aber steht der Grals in Verbindung mit dem vorchristlichen Bezug auf eine übernatürliche Quelle des Lebens, ein transzendentales Hei­ ligtum, das die wundersame Entstehung des Lebens an sich symbolisiert. So wurde auch seine Rolle bei der Mehrzahl der mittelalterlichen Autoren interpretiert. Erst mit der christlichen Besetzung dieses Mythos wurde der Gral materialisiert - wie alles, was das Christentum für seine Zwecke um­ formt, seinen geistigen Verhalt verliert - es entstehen die Assoziationen mit einer tatsächlich existierenden Schale oder eines Gefäßes.590 588 Vgl. Rahn (2000), S. 206, der auch ein Gründungsmitglied der Templer als Katharer bezeichnet. 589 Vgl. Terhärt (2001), S. 51 f. 590 Vgl. Rahn (2004), S. 64, „die Kirche hat, ihrer Taktik entsprechend, den Mythus vom Gral in jüdischem und christlichem Sinne umgedeutet.", S. 35 ebenso: „Die Kir­ che, sich sehr wohl bewußt, mit dem Kreuzzug gegen die Albigenser einen Krieg des Kreuzes gegen den Gral geführt zu haben, ließ die Gelegenheit nicht vorübergehen, wieder einmal ein unkirchliches Glaubenssymbol sich aneignen und ihren Zwecken dienstbar machen zu können. Aber nicht genug damit, daß sie den Gral für den Kelch erklärte, darin Jesus seinen Jüngern das Abendmahl gereicht habe, und darin sein Blut aufGolgotha aufgefangen worden sei. Sie ließ sogar das Benediktinerkloster Montser­ rat, im Süden der Pyrenäen gelegen, den Tempel des Grals sein".

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Doch unter dieser heute Oberhand haltenden „Lehrmeinung" hegt noch immer das Geheimnis der heidnisch-arischen Wurzeln des Gralsmythus ver­ borgen und harrt seiner Wiederentdeckung. Anfang der 30er Jahre machte sich ein deutscher Forscher auf, diese Wurzeln frei zu legen.

8.2. Der Gralssucher Otto Rahn im Land der Katharer Otto Rahn, in Anlehnung an eine be­ kannte Hollywood-Filmreihe im USamerikanischen Raum oft als der „wahre Indiana Jones" bezeichnet,591 wurde am 18.02.1904 in Michelstadt geboren. Nach Ablegung des Abiturs 1922 begann Rahn ein Jurastudium in Gießen, wechselte je­ doch schnell zum ihm näher liegenden Studiengang der Philologie, in dessen Verlauf er sich mehr und mehr für die Geschichte der Ketzer und Mystiker zu interessieren begann. Nach Abbruch des Studiums und Umzug nach Paris 1929, verkehrte Rahn in Akademiker-Kreisen Otto Rahn mit seiner Mutter (?)591a und lernt die Künstler Albert Rausch, in Ussat-le-Bains, 1931 Paul Ladame und Maurice Magre kennen. Von diesen inspiriert, vertiefte der junge Deutsche sein Studium der euro­ päischen Ketzerbewegungen und reiste im August 1930 zur Erforschung der Katharer in das südfranzösische Languedoc.592 Hier schloß er Freund­ schaft mit dem französischen Forscher Antonin Gadal und der Gräfin de Pujol-Murat,593 einer Nachfahrin der Gräfin Esclarmonde, der „Herrin des Grals"594, die in Kontakt mit einer französischen Okkultgesellschaft stand, die bis heute Rätsel aufgibt: Den „Polaires". Auch diese befaßten sich mit Forschungen zu den Katharern und zum Gral. Die örtliche Zeitung „La Depeche" berichtete in ihrer Ausgabe vom 6. März 1932 über deren „Goldsuche": „In der Nähe von Massat leitet ein Deutscher die Ausgrabungsarbeiten einer Gruppe 591 Untertitel bei Graddon (2008). 591a Die Angabe stammt von H. J. Lange - bemerkenswert ist jedoch Rahns Erwäh­ nung der Angewohnheit der Gräfin Pujol, „zu stricken", Rahn (2004), S. 34. 592 Vgl. Lange (1999), S. 33; Graddon (2008), S. 45, sieht dagegen die Begeisterung Rahns für die Katharer erst nach Ankunft in Südfrankreich im November 1931 reifen. 593 Vgl. Rahn (2000), S. 220f; Rahn (2004), S. 34 f. 594 Rahn (2004), S. 35.

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von Polaires. Unsere Leser werden sich vielleicht an unseren Bericht im vergangenen Sommer erinnern, in dem wir über den Aufenthalt einer Schar ausländischer Vertreter einer theosophischen Gesellschaft mit Sitz in Paris in der oberen Ariege berichteten: die Polaires. Es würde zu weit führen, wenn man den Ursprung und das Ziel dieser Gesell­ schaft erklären würde, die im Ausland, vor allem in England, große Popularität genießt. Was haben die Polaires nun im letzten Sommer in der Ariege gemacht? Wie wir bereits damals genau beschrieben hatten, handelt es sich um Ausgra­ bungen in der Burg Montsegur, deren Ziel ist es, die Schätze der Albigenser zu Tage zu fördern, die im 13. Jahrhundert vermutlich in der Festung und den Höhlen zurückgelassen wurden. Es ist ein Anliegen der Polaires, dort Hinweise auf eine katharische Reliquie zu finden, zu der auch das Evangelium des heiligen Bartholomäus gehört, von dem angeblich Abschriften im Britischen Museum existieren. Insgesamt gesehen verfolgen die Polaires mit ihren Nachforschungen dasselbe Ziel wie zur Zeit der Ingenieur Arnaud, der gegenüber einem unserer Mitarbeiter vor einigen Wo­ chen alles über zukünftige und sensationelle Entdeckungen ausposaunt hat. Wie es scheint, hat er erklärt, daß er die von den Polaires im letzten Sommer in der Gegend von Lordat unternommenen Recherchen ignoriere, und daß er in keiner Weise für die Belange dieser Gesellschaft tätig sei, sondern vielmehr aus eigenem Interesse. Nun sind die Polaires, die lange Zeit verschwunden waren, ganz überraschend in die Ariege zurückgekehrt.... Zur Zeit halten sie sich in Ussat-le-Bains auf, um von dort aus alle Höhlen der Gegend zu untersuchen. Der Leiter des Unternehmens ist ein gewisser Rams, ein Ausländer, der nach eigenen Angaben Deutscher ist.... Au­ ßerdem ist von Interesse zu erfahren, welcher der beiden Konkurrenten, Herr Arn­ aud, der französische Ingenieur in Montsegur, oder der deutsche Polaire Herr Rams in Ornolac, als erster die katharischen Schätze und Manuskripte finden wird...“595 In Reaktion auf diesen Artikel schreibt der als „Rams" im Artikel genannte Rahn einen Leserbrief, in dem er sich über die Bezeichnung als deutschen Po­ laire und seine angebliche Goldsuche beschwert, ohne die Zugehörigkeit aber zu dementieren: „...um verstecktes Gold zu finden, braucht man Schaufeln, Pickel und andere derartige Werkzeuge: Man muß „Forscher“ oder noch besser „ Theosoph“ sein... Ich bin ein simpler Schriftsteller., der seinen Lebensunterhalt mit Schreiben ver­ dient! Aus diesem Grund bitte ich Sie... sich noch vierzehn Tage zu gedulden, bis sie erfahren, was ich von dem „katharischen Schatz“und dem „Goldrausch“ denke, den sie ankündigen und dem sie mir fälschlicherweise die Patenschaft anhängen."596 In „Luzifers Hofgesind" kommt Rahn auf diese Episode zurück: Der ge­ nannte Ingenieur, der ein Haus im Weiler Montsegur neben der Dorfkirche bewohnte, wäre mehr am Gold und Silber interessiert gewesen als am „un­ verfälschten Evangelium Johannis", das ebenfalls Bestandteil des Katharer­ schatzes gewesen sei.597 595 La Depeche, 6. März 1932, zit. nach Lange (1999), S. 36 f. 596 Rahn zit. nach Lange (1999), S. 38 597 Rahn (2004), S. 24; hier erwähnt Rahn auch die Aussage des Ingenieurs, wo­

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Rahn selbst steht dem nach eigener Aussage skeptisch gegenüber. Sei­ ne Suche sei weniger materieller Natur als geistiger. Der Gral symbolisie­ re das „Reich der paradiesischen Freuden", zugleich das reine, katharische Christentum, das identisch mit der mittelalterlichen Minnekirche war. Seine Vorstellung vom Heiligen Gral als transzendentem Geheimnis der Katharer wurde von dem Ingenieur dagegen verspottet. Dennoch erfährt Rahn von Einheimischen von einem zumindest der Sage nach tatsächlich existieren­ den Schatz: Er befände sich in einer Höhle des Taborwaldes, „von einer über­ aus schweren Steinplatte gegen Eindringlinge geschützt, und im inneren der Höhle hielten Vipern Wacht". Er könne nur am Palmsonntag geborgen werden, doch wenn ein Eindringling die Höhle nicht bis zum Ende der traditionellen Mes­ se verlassen hätte, wäre sie wieder verschlossen und er würde Opfer der wiedererwachten Vipern werden.598 1932 verläßt Rahn aufgrund des Verdachtes einer Spionagetätigkeit für die Deutschen und persönlicher Schulden überstürzt das Languedoc - offiziell für immer.599 Vor seiner Abreise hatte er jedoch das Manuskript zu seinem späte­ ren Bestseller „Kreuzzug gegen den Gral" fertiggestellt, welcher 1933 erschei­ nen sollte. In dieser Hommage an die Katharer, stellte Rahn die Theorie der Identität der letzten Katharerfestung Montsegur mit der von Wolfram von Eschenbach als Gralsburg bezeichneten Munsalvatsche (Moun = Berg, sauvage= wild - Richard Wagner machte daraus den Mont Salvat = heiligen Berg - beide können synonym für einen Berg der Ruhe, Sicherheit = Mont Segur stehen) auf. Hier sollen wenige Tage vor der Erstürmung der Festung durch die päpstlichen Kreuzzügler vier Männer das Geheimnis der Katharer - „den Schatz der Kirche" - in Sicherheit gebracht und dem verbündeten Ritter Poins Arnold, Graf vom Kastell Verdun im Sabarthes übergeben haben. Rahn zufol­ ge, den Gral, das Mani, als „Wunsch nach dem Paradies".600 Doch war Rahns Vorstellung vom Gral wirklich nur rein geistiger Natur? Der Deutsche orientierte sich an Wolfram von Eschenbachs Überlieferung: Dieser beschreibt den Gral als Stein, der aus Luzifers Krone auf die Erde ge­ fallen wäre, wo er von den Katharern gehütet worden sei - dies könnte für Meteorgestein sprechen wie etwa das Kaaba-Heiligtum in Mekka. Doch da­ rüber hinaus glaubt er auch an eine materielle Komponente des Grals, eben jenen Katharerschatz, der aus Montsegur gerettet worden war. In diesem Zusammenhang mutmaßt Rahn auch über die Möglichkeit, daß es sich bei nach dieser einem Geheimbund angehöre, der Stillschweigen von seinen Mitgliedern verlange; vgl. auch den Kommentar von Graddon (2008), S. 45. 598 So Rahn (2004) Zitat, S. 47. 599 So u.a. Lange (1999) - allerdings verbringt Rahn Pfingsten 1934 in Paris; Brief Rahn an Gadal, in ebenda, S. 153. 600 Rahn (2000), S. 125 / 202 f.

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diesem Schatz um einen Stein mit Inschriften gehandelt haben könnte, wo­ möglich alten Runenschriften, die altes arisches Weistum vom nordischen Ursprung enthalten? Bei seinen Erkundungen erforschte Rahn die Höhlen des Sabarthes und fand zwei Grotten, die bereits bei Wolfram Erwähnung finden: Eine birgt die Keule des Herkules, die andere den Altar: „Ein 107 m hoher Saal war die eigentliche Ketzerkathedrale. Dort liegt ein riesiger Felsblock, auf den das tropfende Wasser einen Stalagmiten in Form einer Keule gezaubert hat, und den die Bauern von Ornolac das,Grabdenkmal des Herakles' nennen."601 So wurde gemäß Rahn, das „Hofgesind Luzifers", die Hüter des Grals, durch einen blutigen Kreuzzug der Papisten vernichtet - doch ihr Geheim­ nis überdauerte die Zeiten. Und einiges spricht dafür, daß dieses Geheimnis mit jener von Lincoln, Baigent und Leigh behaupteten Blutlinie Jesu zusam­ menhing - wenn auch nicht in deren genauem Sinn der Legitimation einer jüdischen Erbfolge der römischen Kirche, sondern vielmehr einer heidni­ schen Wurzel des Grals. Neben einigen Katharer-Überresten die er an Antonin Gadals Privatmu­ seum in Ornolac übergibt, liegen dem deutschen Gralsforscher insbesondere Inschriften und Zeichnungen am Herzen, die er für sich auf Papier bringt. Doch weitere Funde, gar ein Schatz, tauchen in seinen Aufzeichnungen nicht auf - im Gegenteil: In „Luzifers Hofgesind" bekennt Rahn wehmütig über den Schatz: „Ich hätte ihn gerne gefunden."602

8.3.

Die SS und der Gral

„Herr Reichsführer, dieses Buch sollten sie sich näher anschauen" - mit die­ sen Worten stellte der inoffizielle Berater des SS-Chefs Heinrich Himmler die Weichen für eine bis heute von Mythen umrankte Zusammenarbeit. Von seiner Sekretärin, Frau Winkler-Dechend, auf das Buch aufmerksam geworden,603 sah der alte Oberst im Autoren des Werkes ein großes Poten­ tial. Mit der von Rahn aufgestellten Traditionslinie die von den Katharern über die Westgoten bis zu Kelten und Hyperboräern zurückreichte, griff er genau auf die historischen Ansätze zurück, denen auch Weisthor als ver­ meintlicher Nachfahre eines gotischen Königsgeschlechtes folgte. Himmler lernte den Autoren Otto Rahn kurz darauf im Hause Gabriele Winkler-Dechands kennen und war fasziniert von der Rekonstruktion der germanisch­ inspirierten Religion eines alternativen Christentums.604 Er rekrutierte Rahn 601 Rahn (2000), S. 70 f. 602 Rahn (2004), S. 49. 603 Lange (2010), S. 35. 604 Vgl. die Aussage Rahns gegenüber Hans Grebe: „Ich bin bei Rosenberg und soll an der deutschen Religion mitarbeiten" Lange (1999), S. 69, wobei Lange die Nen­

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Der „Keltische Kessel" als Gral-Ersatz vor der Krypta der Wewelsburg 1935 für die SS, wo er zu Beginn als Referent in der Abteilung Weisthor im RuSHA tätig wurde bevor er im März 1936 in den Persönlichen Stab Himmlers wechselte.605 Ohne feste Funktion stand er für verschiedene Sonderaufträge Himmlers zur Verfügung , bekam aber in dieser Stellung auch jeden Spielnung Rosenbergs als einen Irrtum Grebes annimmt; Graddon (2008), S. 64, spricht dagegen davon, daß Rahn zu Rosenberg beordert worden sei, um über ein Geniein­ schaftsprojekt zur Deutschen Religion zu sprechen. Unglaubwürdigen Spekulationen zufolge, die auf Paul Ladame als Gewährsmann verweisen, habe Rahn bereits 1933 während eines Aufenthaltes in Paris 1000,- Mark monatlich für die Verfassung einer Fortsetzung des Gralsbuches von Himmler versprochen bekommen, ebenda, S. 70 f. 605 Vgl. Lange (1999), S. 57.

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raum, sich auf seine Forschungen zu konzentrieren. Nach Recherchen für die Erstellung des Stammbaums Himmlers - mit dem er über viele Ecken sogar verwandt war606 arbei­ tete Rahn an verschiedenen Buchma­ nuskripten und unternahm - oft mit seinem Mentor Weisthor gemeinsam - verschiedene Exkursionen zu deut­ schen Gralsburgen.607 Die Burg Wildenberg / Amorbach Eine besondere Bedeutung maß Rahn dabei der Burg Wildenberg bei Amorbach im Odenwald zu, die er als deutsche Gralsburg bezeichnete. Übersetzt hat ihr Name dieselbe Bedeutung wie Munsalvasche - Wilder Berg. Nach Rahn soll Wolfram von Eschenbach die Grals- bzw. Parzifalsage aus der Provence - wo sie ihm vom Dichter Guiot von Provence vermittelt wor­ den wäre (Wolframs Kyot) - nach Deutschland gebracht haben. Auf der Burg Wildenberg verfaßte Wolfram dann später einen Teil seines Parcival-Epos.608 Auch für das 3. Reich generell und Himmler im speziellen, spielte der My­ thos des heiligen Grals eine große Rolle. Überliefert ist etwa Hitlers Begeiste­ rung für die Gralsinszenierungen Richard Wagners, die ihn zum Ausspruch animiert haben sollen, „aus dem Parsifal baue ich mir meine Religion".609 Auch die Ariosophen Guido von List und Lanz von Liebenfels lieferten in ihren Werken Versatzstücke für die Gralsbegeisterung der Nationalsozialis­ ten. Beide wiesen auf den ursprünglichen Zusammenhang des Grals mit der indogermanisch-heidnischen Vorstellung vom magischen Gefäß aus dem sich das Leben stets erneuert - ursprünglich in Zusammenhang mit der Son­ ne gesehen, später symbolisiert als magischer Kessel bei den Kelten. Auch der italienische Kulturphilosoph Evola griff den Gralsgedanken auf: Für diesen ist der Gral symbolischer Ausdruck der Hoffnung und des Willens einer adligen mittelalterlichen Führungsschicht, das Abendland in einem auf heiligen spirituellen Grundsätzen basierenden Reich neu zu errichten. Erste diesbezügliche Überlegungen werden dem deutschen Kaiser Friedrich II. zugesprochen. Dieser soll die Schaffung eines von Rom unabhängigen Staates mit Hilfe des Tempelordens und unter Einbeziehung westlicher und östlicher Geistesströmungen angestrebt haben.610 606 Vgl. Graddon (2008), S.110. 607 Lange (1999), S.57/61. 608 Vgl. zur Burg Wildenberg, Katholing (1999), S. 177 ff.; Rahn (2000), S. 219. 609 Zitat von Hans Frank nach Lange (2000), S. XL 610 Evola (1978), S. 9.

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Die Burg Montsegur - rechts: SS-Kommandoführer Otto Skorzeny Praktisch umgesetzt wurden die Gralsvorstellungen Himmlers, der im November 1935 das Ahnenerbe mit einer Darstellung der Entwicklung des christlichen aus dem heidnischen Gralskelch beauftragte,611 innerhalb der Wewelsburg: Ein Gral-Studierzimmer, eine ganze Reihe hier vorhandener Bilder unter anderem Gustav Dores zur Gralssuche Parzifals, 12 Sockel in der Gruft des Wewelsburg-Nordturms in Anlehnung an die Gralsritterschaft des Königs Arthus, um nur die auffälligsten Adaptionen zu nennen. Dazu kommt das Symbol der Longinus-Lanze, wie es architektonisch umgesetzt werden sollte, nämlich als transzendentes Symbol des „arischen Blutes", das sich von hier in die Welt ergießt.612 Noch im August 1938 kam Himmler auf die Gralssage zurück und for­ derte seine Forscher auf, der Frage nach der Entwicklung des christlichen Gralskelches in Zusammenhang mit den Herkunftssagen deutscher Herr­ scher nachzugehen. In der entsprechenden Ausarbeitung heißt es, daß der christliche Gral „zweifellos auf den Kelch des Melchisedek im Alten Testament zurück" gehe. Doch zweifellos bestehe eine Verbindung zu vorchristlichen Auffassungen. So dürften bei den Germanen Kelche „in späterer Zeit viel­ fach an die Stelle des Lebenswasser-Gefäßes getreten sein, das man häufig, auch unter dem Namen Tränenkrüglein, in germanischen Gräbern findet. Auch im Grals-Mythos, der in seiner Urform vielleicht auf den germanischen Mythos des Sippen- und Königsgrabes zurückgeht, hat der Kelch mindestens Züge davon an­ genommen. Denkbar wäre es, daß der Kelch seiner Form wegen an die Stelle eines früheren Sinnbildes getreten wäre; wie es zum Beispiel die Sanduhr des Todes zu sein scheint, die wohl einfach eine Konkretisierung der Dag-Rune ist, deren Zu­ 611Vgl. Kater (2006), S. 71 - das Ergebnis ist nicht in den Akten enthalten. 612 Wobei zugleich die Richtung der Lanze nach Westfalen, zum Ort des Westfälischen Friedens 1648, symbolisch als heilender Stich -für das die Longinus-Lanze synonym ist - in die „schwärende Wunde, die es zu heilen galt", nach Helzel (2008) bestand, S. 32.

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sammenhang mit dem Bilweiss-Reiter und dem damit nahe verwandten ,Gevatter Tod' feststeht.“613 Auch an anderer Stelle erkannte Himmler eine Aneignung älteren Sa­ genstoffes durch die christliche Kirche. So beauftragte er im Februar 1940 das Ahnenerbe festzustellen, woher die christliche Deutung der Herkunft des Stammes Jesajas (bzw. Davids) herrührt, wie sie im Lied „Es ist ein Reis (Ros) entsprungen" erscheint. Insbesondere wunderte sich der Reichsführer, „daß die Überlieferung erzählt, daß Könige von Atlantis aus dem Stamm Jesse wä­ ren, und daß der letzte dieser Könige Jesse Bokkika geheißen haben soll.“614 Seiner SS-Tätigkeit angemessen, wechselte auch Rahn in seinem zweiten Werk „Luzifers Hofgesind" seinen Standpunkt: Während er noch im „Kreuz­ zug" von der irdischen Welt als Werk Luzifers und von Luzifers Heerscha­ ren schreibt, die den Montsegur belagern, erkennt er nunmehr die christlich inspirierte Verdrehung der Geschichte. Luzifer, der Luzibel der Katharer, war die Verkörperung des Göttlichen auf Erden - Gottes ursprünglicher Sohn, der Lichtbringer, identisch mit dem katharischen Christus (zusam­ mengesetzt aus Loki und Bel(enus) / Abellio / Apoll, der hier bereits von den Kelten verehrt wurde). Die römischen Christen waren für ihn nunmehr Anhänger Satans, El Schaddais, des jüdischen Gottes. Einige Autoren ge­ hen von einer antijüdischen Inspiration durch das Umfeld der SS aus, der Rahn damit gehuldigt habe. Erkennbar ist jedoch, wie Rahn aus eigener For­ schung zu dieser Schlußfolgerung gelangt: „Ich habe die Bibel vorgenommen und wieder einmal jene Verse im Buch vom Propheten Jesaja durchgelesen, die die Verfluchung Luzifers und seiner Kinder durch Jahwe, den Gott der Juden verkün­ den. Da habe ich mich entschlossen, diesem Buch, für das ich reise und schreibe, den Titel „Luzifers Hofgesind“ zu geben. Darunter möchte ich jetzt schon diejenigen verstanden wissen, ...welche eigenmächtig und stolz nicht vom Berg Sinai Hilfe erwarten, sondern zu einem ,Berg der Versammlung in der fernsten Mitternacht', wenn auch unbewußt, gegangen sind, um Hilfe zu holen und den Menschen ihres Blutes zu bringen;... diejenigen, welche erkannt haben, daß Jahwe nie und nimmer ihre Gottheit sein kann, Jesus von Nazareth nie und nimmer ihr Heiland."615 Doch inwieweit die SS direkt in eine wie auch immer geartete Gralssuche verstrickt war, ist bis heute Gegenstand von Spekulationen. Überliefert ist ein Besuch Himmlers im Benediktiner-Kloster Montserrat 1940, wo sich der inoffiziell anerkannte katholische Gral befand. Über den Glauben des SS-Führers heißt es in einem Zeitungsartikel, der SS-Führer 613 Schreiben Wüst an Himmler BArch NS 21/224, zit. nach Koop (2012), S. 92. 614 Zit. bei Heiber (1970), S. 88; vgl. dazu Koop (2012), S. 90 f; das Lied wurde übrigens 1943 „nationalsozialistisch" umgedichtet. 615 Rahn (2004), S. 44; Graddon (2008), S. 46, spekuliert dagegen über eine SSBeeinflußung.

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„soll von der arischen Abstammung von Jesus Christus überzeugt gewesen sein und in dem Kelch - wie treffend in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" be­ schrieben - tatsächlich Kräfte vermutet haben, die zum Sieg des Weltkrieges führen würden".616 Auch wenn Himmler wie dargelegt, zweifellos ein Interesse an der Grals-Überlieferung hatte und auch das spanische Kloster in Montserrat, in dem der christlichen Legende zufolge der Gral gehütet werde, besucht ha­ ben dürfte, sind die weiteren Mutmaßungen weniger tatsächlichen Fakten als einer allzu lebhaften Phantasie des Autoren geschuldet. Was Otto Rahn betrifft, so ist dieser, seitdem er in Diensten der SS stand, offiziell nicht mehr nach Südfrankreich gereist. In französischen Veröffentlichungen ist dennoch die Rede von einem 618 weiteren Aufenthalt Rahns im Languedoc im Jahr 1937.617 Der deutsche Autor Thomas Ritter spekuliert von einer gescheiterten Suchaktion der SS 1943 und 1944 und erwähnt sogar Pläne innerhalb des Persönlichen Stabes Himmlers noch im April 1945, „eine erneute Expedition nach Südfrankreich zu entsenden "6iS Allerdings ist diese Version angesichts der zu diesem Zeitpunkt bereits laufenden Friedensverhandlungen mit den Westalliierten mehr als unwahrscheinlich. Größere Glaubwürdigkeit können dagegen Ritters Schil­ derungen der 1931 unternommenen Besuche Rahns bei Marie Dernaud, der Haushälterin und Erbin des 1917 verstorbenen Saunieres beanspruchen, die ihm durch Dorfbewohner bestätigt worden sein sollen. Doch auch 1943/44 sollen sich SS-Angehörige auf ihrem Anwesen aufgehalten haben.619 Carmin, der hier dem bereits erwähnten Autorentrio folgt, spricht eben­ falls davon, daß „Anfang 1944 von Berlin aus eine Sondereinheit nach Gisors mit dem Auftrag entsandt worden war, dort Ausgrabungen vorzunehmen."620 Zu dieser Zeit wäre aufgrund Rahns Scheitern SS-Kommandoführer Otto Skorzeny von Himmler mit dem Auftrag betraut worden, den Katharerschatz bei Montsegur aufzuspüren. Fünf Jahre nach Rahns offiziellem Ableben habe dieser im Juni 1944 eine Operation geführt, die auf den Tag des 700-Jahre Gedenkens der ermordeten Katharer fiel. Auf den Spuren der vier vor dem Tag der Erstürmung Montsegurs geflohenen Katharer hätte er diesen Berichten zufolge eine Festung auf einer Bergspitze erreicht, die als tatsäch616 Nowak (2009); bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist eine Aussage eines frü­ heren Freundes von Otto Rahn, Joachim Kohlhaas, der berichtet, Rahn habe im April 1935 die „vage Hoffnung" gehegt, „mit Hilfe eines katalanischen Adeligen weitere Nach­ forschungen zum Gral in den Pyrenäen unternehmen zu können"; Lange (1999), S. 56. 617 Angebert (1974):, S. 46; ebenso Buchner (1991), S. 171 f; ebenso Graddon. (2008), S. 119 ff. 618 Ritter (2002), S. 121. 619 Ritter (2002), S. 115. 620 Carmin (2005), S. 301; in Gisors soll sich ein Templer-Schatz befunden haben.

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liche letzte Rückzugsort gedient hätte (vermutlich sind hier die Spulgas im Sabarthes gemeint). Unweit dieser Festung soll Skorzeny den „Schatz" tat­ sächlich geborgen und nach Deutschland verbracht haben.621 Weitere Mutmaßungen besagen, er wäre daraufhin eine gewisse Zeit auf der Wewelsburg versteckt worden, von wo er bei Kriegsende nach Bayern, in die „Alpenfestung" gelangt wäre. In Skorzenys Kriegserinnerungen sucht man diese Episode allerdings vergeblich. Grundlage der Verbindung des Katharer-Grals mit Bayern könnte allerdings der Fund eines keltisch anmu­ tenden Gefäßes sein, das 2001 aus dem Chiemsee geborgen wurde. Hier hat­ ten es vermutlich die Nationalsozialisten 1945 versenkt.622 US-Autoren ließen angesichts des Fundes ihrer Phantasie freien Lauf und sprachen vom wahrhaftigen Gral, der gefunden worden sein soll. Neue Nahrung erhalten die Spekulationen um den Gral aus dem Chiemseee durch einen Artikel, der kürzlich in einer populärwissenschaftlichen Zeitung erschien. Demnach soll das 1945 versenkte und in den 80er Jahren geborgene Gefäß, das an den keltischen Gundestrup-Kessel erinnert, von NS-Kreisen als Ersatz für das nicht auffindbare tatsächliche Gralsgefäß an­ gefertigt worden sein, um den Mittelpunkt der Krypta der Wewelsburg zu schmücken.623 In dieser unterhalb des Obergruppenführersaals Hegenden Grotte findet sich in der Tat eine gemauerte Rotunde, die in ihrem Zentrum eine Vertiefung birgt. Doch Historiker gehen davon aus, daß hier eine Art „ewiger Flamme" instaHiert werden sollte. Ein nachgemachter Keltenkessel dürfte jedenfalls auch bei UntersteHung eines kitschigen Kunstverständnisses der NSDAPFührungsriege als Ersatz für einen echten Gral an diesem heüigen Ort regel­ recht blasphemisch anmuten. Dagegen spricht auch die besondere Akustik, die genau an dieser Eintiefung erzeugt wird und Geräusche - wie das Rau­ schen einer Flamme - verstärkt und nach oben kanalisiert. Für einen goldenen Kessel wäre ein solcher Effekt dagegen nutzlos. Wahrscheinlicher wäre die Verwendung des Gefäßes als Schmuckstück für das Gral-Studierzimmer, al­ lerdings wäre ein Goldkessel für diesen Zweck wohl überproportioniert, zu­ mal für das Zimmer bereits ein anderer Gegenstand vorgesehen war. Zu denken gibt allerdings ein von Hans-Jürgen Lange überlieferter Aus­ spruch Weisthors: So äußerte dieser kurz vor seinem Tode, „Der Chiemsee trägt und birgt den Gral".624 Hat Weisthor also von der Versenkung des Kes621 Angebert (1974), S. 47f; ebenso Buchner (1991), S. 184 ff. 622 So soll Skorzeny Bernadac gegenüber in einem Interview geäußert haben,, Ende des Krieges hätten „seine Männer den ganzen Trödel von Himmler in Bayern ver­ senkt"; P.M. History Special 2/2009, S. 105 f. 623 Ebenda, S. 100 ff. 624 Lange (2010), S. 55; in diesem Zusammenhang von Interesse ist ferner, daß

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Kristallschädel und Auszug aus der Depositarliste aus „Mysteries"2/2011 sels an diesem Ort gewußt, oder handelt es sich hier um ein weiteres uner­ klärliches Zusammentreffen von Weissagung und Realität? Auch hier bleibt die Wissenschaft eine Antwort schuldig - sicher scheint nur, daß weder in Südfrankreich noch anderswo ein tatsächlich als „Gral" bezeichnetes Gefäß geborgen und nach Deutschland verbracht wurde. Otto Rahn und der Kristallschädel Wenige Tage vor Drucklegung dieser Schrift gewann die Frage nach der Herkunft des Gralkessels neue Aktualität. In ihrer März/April-Aus­ gabe 2011 präsentierte die Zeitschrift „Mysteries" eine vorgebliche Origi­ nal-,, Depositarliste" vom 11. April 1945. Auf dieser durch die Gauleitung Schwaben vorgenommenen Abschrift einer vierseitigen Liste aus dem SSRSHA sind 35 Kunstgegenstände aufgeführt, die von SS-Jagdverbänden von Bayern ins südböhmische Strakonitz verbracht werden sollten. Unter den aufgeführten Gegenständen befanden sich neben „drei Metallkisten der Forschungsabteilung Ing. Kammler", mehrere Aluminumkisten des RF-SS mit „Katharer-Schriften" und einem „Originalbehälter Hugo de Payens" (Letzter Großmeister des Templer-Ordens) auch ein Kristallschädel, der laut Liste zur „Sammlung Rahn" gehörte und ursprünglich aus den „Kolonien Südamerika" stammte. Ein solcher, ebenfalls dem Magazin Mysteries prä­ sentierter Totenkopf aus Quarz, wird hier erstmals mit Otto Rahn in Verbin­ dung gebracht, wurde aber seltsamerweise von diesem nie erwähnt. Weiter­ hin wird auch ein „Goldkessel, keltisch" aufgeführt, der mit dem Vermerk Rudolf Mund Rahns Verleger Otto Vogelsang mit der Frage konfrontierte, ob Rahn jemals irgendwelche Andeutungen zum Gral in Verbindung mit dem Chiemsee ge­ macht habe; Graddon (2008), S. 69; Graddon vermutet daher eine gemeinsame dies­ bezügliche Forschung zwischen Rahn und Weisthor.

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„Wewelsburg, Otto Gahr" erscheint. Dieser dürfte - die Echtheit des Schrei­ bens vorausgesetzt - mit dem Chiemsee-Kessel identisch sein und würde demnach aus der Werkstätte Otto Gahrs stammen. Die vom im Januar 1932 verstorbenen Münchner Goldschmied - einem frühen Hitler-Vertrauten gegründete Werkstätte wurde von dessen Frau Karoline weitergeführt und fertigte unter anderem den Totenkopfring der SS. Allerdings spricht einiges gegen die Authentizität des Schreibens: So die in der Abschrift übernomme­ ne Unterschrift, „gez. von dem Bach-Zelesky". Der Name des SS-Offiziers lautete jedoch richtig „von dem Bach-Zelewsky". Dieser nannte sich aller­ dings seit 1940 „von dem Bach", und wird in anderen Dokumenten stets nur so angesprochen.625 Ferner ist die Bezeichnung „Depositarliste" ebenso unüblich wie die Verwendung von „Pergamentpapier". Desweiteren, wie Thomas Ritter zurecht bemerkte, sei die Verschickung von Unterlagen Rammlers nach Böhmen Unsinn, da ja dort Rammlers Denk­ fabrik ursprünglich angesiedelt war.626 Dem Artikel zufolge stammen sowohl Liste als auch Kristalltotenkopf aus dem Nachlaß einer alten Dame, die beides von einem Rittmeister Ernst von Alten, einem ehemaligen SS-Mann erhalten haben soll. Die Existenz dieses Rittmeisters wird durch ein Interview, das die Zeitschrift „Quick" Anfang der 50er Jahre mit diesem führte, verifiziert; jedenfalls existiert die Familie, in deren Besitz sich das Gut Groß Golfern befindet. Über diese Merkwürdig­ keiten hinaus, kursiert eine andere Herkunftsgeschichte über die vorgebli­ che Depositarliste. Demnach soll sie sich im Besitz eines ehemaligen unga­ rischen Waffen-SS Mannes befinden. Ingesamt scheint diese Befundlage in Verbindung mit dem scheinbar guten Erhaltungszustand der Liste gegen deren Echtheit zu sprechen - zumindest bis eine Untersuchung des Schrift­ stückes das Gegenteil beweisen würde.

625 Zwischen 26. Januar und 11. Februar 1945 war von dem Bach-Zelewski (18991972) Kommandant des X. SS-Armeekorps (Oderkorps), das wenige Wochen nach Aufstellung nicht mehr existent war. Allerdings wurde der SS-General am 1. Au­ gust 1945 beim Versuch der Absetzung ins Ausland durch US-Truppen festgenom­ men; siehe Wikipedia.com: von dem Bach-Zelewsky; Was ihn verdächtig macht, mit den Amerikanern zusammen zu arbeiten, war die Tatsache, daß er als Kronzeuge gegen ehemalige Kameraden diente und zwar 1951 zu 10 Jahren Haft verurteilt ivurde, diese aber nicht antreten mußte, da die Hälfte als bereits verbüßt betrachtet und der Rest nie vollstreckt wurde. Von dem Bach war es auch, der nach eigenen Angaben Göring die Zyankali-Kapsel zuspielte, mit der dieser sich vor der Voll­ streckung des verhängten Todesurteils selbst richtete; siehe: http://www.spiegel.de/ spiegel/print/d-42624229.html. 626 So Ritter in einem Schreiben an den Verfasser; zu Kammler siehe Kap. 10.

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„Indiana Jones" und die Spekulationen über Rahns Weiterleben nach 1939 In der anglo-amerikanischen Verschwörungsliteratur wird die vorgebli­ che Gralssuche der Nazis immer wieder mit der Bundeslade in Verbindung gebracht, die sich bei dem Jerusalemer Tempelschatz befunden hätte, der 68 von den Römern erbeutet und in ihre Stadt verbracht worden sein soll.627 Von hier hätten ihn Alarichs Westgoten bei der Eroberung Roms 410 in ihre neue Heimat, das Languedoc, mitgeführt. Legenden zufolge sei er hier ir­ gendwo versteckt worden, bis ihn die Katharer, die Erben der Westgoten, übernommen hätten. Spanischen Überlieferungen zufolge lag das Versteck in der bereits erwähnten Grotte des Herkules. In dieser gigantischen Höhle habe Rahn dann den „Schatz" geborgen. Ritter äußert dagegen die Vermu­ tung, daß der Gotenkönig Roderich diesen bereits lange Zeit zuvor an sich genommen und in der Nähe des Ortes Rhedae verborgen habe. Hier wäre er schließlich Ende des 19. Jahrhunderts vom Abt Berenger Sauniere gefunden worden, der dadurch nicht nur zu ungeheurem Reichtum sondern auch zu einer gewissen Machtstellung gelangte.628 Eine besondere Popularität gewannen diese Mythen im Zuge der Indiana-Jones-Filmreihe des Regisseurs Steven Spielberg. Hier verkörpert ein gewisser Major Ernst Thot den skrupellosen deutschen Naziarchäologen, der nicht nur äußerlich wenig mit der Person Otto Rahns gemein hat. Eine besondere Anekdote hierbei ist, daß nach Aussage eines bekannten Gralsau­ toren der damalige Indiana-Jones-Regisseur Steven Spielberg ein Haus im Languedoc besitze. Auch Baron Edmonde de Rothschild interessiere sich im übrigen für die Gegend und hätte gar eine aufwendige, jedoch ergebnislose Suche nach dem vermeintlichen Schatz der Katharer finanziert.629 Das Pro­ blem dieser durchaus spannenden Gerüchte: Es gibt keinerlei Dokumente, die ihren Wahrheitsgehalt bestätigen könnten. Ganz anders die französischen Autoren, denen sich in den letzten Jahren immer mehr US-Forscher anschlossen, die ja Sensationsbüchern nie abge­ neigt waren. Hier sind es vor allem Christian Bernadac und das Autorenduo unter dem Pseudonym Jean-Michel Angebert, sowie der US-Amerikaner Col. Howard Buchner welche die Gralssuche Rahns und der Nazis mit phan­ tasiereichen Details anreicherten. Jüngste Veröffentlichung aus diesem Kreis ist Nigel Graddons Otto Rahn-Biographie in dem vor allem Ungereimthei­ ten zum Selbstmord Rahns aufgegriffen werden. Neben der Ablehnung der These des durch die SS erzwungenen Selbst627 Siehe u.a. Buchner (1991), S. 26 ff. 628 Ritter (2002), S. 92; eine andere These zum Verbleib lautet, daß die Mauren den Jerusalemer Tempelschatz eingeschmolzen hätten, um daraus Münzen zu prägen. 629 Persönliche Aussage eines Forschers gegenüber dem Verfasser.

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mordes Rahns nach Bekannt­ werden seiner Homosexu­ alität, unterstellt Bernardac auch weitere Forschungsrei­ sen Rahns ins Languedoc. Dabei soll dieser in geheimer Mission nach vorgetäusch­ tem Selbstmord die bereits oben erwähnte vorgebliche Der Rechauerhof in Söll/Stockach, Eiberg Gralsmission des SS-Komoffizieller Todesort Rahns mandoführers Otto Skorzeny nach Frankreich begleitet haben.630 Doch was auf den ersten Blick als leicht durchschaubare Legende anmu­ tet, wird durch verschiedene Merkwürdigkeiten geschürt. Auffällig beim Tod Rahns sind die Umstände der Auffindung und Identifikation seiner Leiche. Demnach soll die „stark verweste Leiche" am 11. Mai 1939 durch die Kinder des ortsansässigen Bauern Josef Mayer aufgefunden und vom örtlichen Gendarmen - fast zwei Monate nach seinem Tod - identifiziert worden sein631 - und zwar anhand des Mantels und des darin befindlichen Reisepasses, der auf Otto Rahn ausgestellt war. Dem Gendarmen war Rahn weder persönlich bekannt noch stand ihm ein Foto des als vermißt gemelde­ ten Rahn zur Verfügung. Ferner ist die Vorgehensweise hinsichtlich der Todesmeldung und die fehlende Mitteilung des Todes an Rahns Geburtsort durch den Vater un­ gewöhnlich. Hinzu kommt, daß die angeblich nach Wörgl zur Beerdigung überführte Leiche dort nicht unter dem Namen Rahn beerdigt worden sein kann, wie Nachprüfungen bei der zuständigen Friedhofsverwaltung in Wörgl ergaben. Dort war keine Beerdigung unter diesem Namen im frag­ lichen Zeitrahmen erfaßt worden, so daß vermutet wird, der Leichnam sei in Kirchbichl begraben worden.632 Schließlich ist das von Rahn selbst zitierte Gebot der Katharer, denen nachzueifern er ja allen Anlaß hatte, demzufolge Selbstmord nicht aus Angst oder Schmerz gestattet sei, für Graddon gewich­ 630 Daß ein vorgetäuschter Tod zur Durchführung geheimer Kommandounternehmen durchaus Himmlers Gedankengängen entsprach, beweisen dabei diesbezügliche Überle­ gungen zu einem Unternehmen Schäfers während des Krieges; vgl. Haie (2008), S. 312. 631 Lange (1999), S. 79 f. 632 Vgl. Wikipedia: Otto Rahn; ein verschiedentlich geäußerter Zusammenhang des Todesortes Rahns mit der am etwa 50 Km entfernt liegenden Tiroler Vomperberg angesiedelten „Gralssiedlung" kann ausgeschlossen werden. Die von Oskar Ernst Bernhardt („Abd-ru-shin") begründete Gralsbewegung wurde bereits 1938 verboten und die Gebäude beschlagnahmt; vgl. Wikipedia:Gralsbewegung.

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tiges Argument gegen Rahns Freitod-These.633 Mutmaßungen, Gerüchte, Le­ genden - doch was ist die Wahrheit? Für Hans-Jürgen Lange, den führenden deutschen Biographen Rahns, ist die amtliche Version unzweifelhaft: „Er (Rahns Verleger Albert von Hal­ ler) sei bei Eggers (SS-Dichter Kurt Eggers) gewesen, mit einem Male sei Rahn heringetaumelt, in einem fürchterlichen Zustand, abgemagert, wahnsinnig nervös. Rahn sagte: „Ich bin am Ende. Ich werde verfolgt von der SS. Ich bin angeklagt wegen Homosexualität. .. Man hat mir die Wahl gelassen: entweder komme ich ins KZ oder eben ich wähle den Freitod, Heldentod in den Bergen. Anderes ist nicht möglich."634 Ebenso eindeutig sieht Lange den Todesort Rahns an einem Aus­ siedlerhof am Eiberg. Anders die Autoren Kadmon und Katholing, die von einer „hochalpinen Todestätte" am Totenkirchle beim „Wilden Kaiser" aus­ gehen.635 Ersterer zitiert einen Einheimischen, der als Mitglied einer dama­ ligen Suchmannschaft Rahns Leichnam ebendort mit geborgen haben will - entgegen der amtlichen Version, in der es gar keine Suchmannschaft gab. Ein Höhepunkt der Spekulation des weiteren Werdegangs des Totgesagten ist dabei die Behauptung einer neuen Identität Otto Rahns als deutscher Bot­ schafter in Italien, Rudolf Rahn.636 Abgesehen vom Namen (der angesichts einer beabsichtigten neuen Identität Rahns nicht allzu intelligent ausgewählt worden wäre!), einigen gemeinsamen biographischen Details und einer äu­ ßerst geringen Ähnlichkeit, wird damit die Gutgläubigkeit der Leser doch arg strapaziert.637 Dennoch verbleiben Zweifel. Was meinte etwa Rahns Verleger Albert von Haller mit der Nutzung Rahns durch Himmler „bei irgendwelchen ver­ deckten Geschäften" sowie der Eindruck seines ersten Verlegers Vogelsang, demzufolge dieser kurz vor seinem Tod „zukunftsfreudig und heiter wirk­ te". Dadurch beeinflußt, reiste der frühere Bekannte Rahns, Pehmöller, nach Südfrankreich ohne jedoch auf Spuren späterer Besuche seines ehemaligen Freundes zu stoßen. Was eine während des Krieges durchgeführte Forschungsreise des Ah­ nenerbes nach Südfrankreich betrifft, so kann diese jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Anläßlich eines Beitrages über die Katharer und den Montsegur in der Zeitschrift „Koralle" vom 19. Okto­ ber 1941 (Nr. 42), wird von der Ahnenerbe-Forschungsstätte für Karst- und 633 Graddon (2008), S. 145. 634 So Albert von Haller gegenüber Lange (1999), S. 82. 635 Katholing (1999), S. 171 f; hier auch der Verweis auf Kadmon: „Katharsis“. 636 So Christian Bemadac, zit. nach http://www.rose-croix-veritas.com/otto_rahn.htm 637 Bereits 1979 hatte Armin Mohler (1979) in einem Zeitungsartikel die These Bernadacs widerlegt: Sowohl physiognomische (Form der Nase und des Schädels, Körper­ größe) als auch biographische Gründe führen die behauptete Identität ad Absurdum.

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Höhlenkunde eine Richtigstellung verfaßt, in der auf die umfangreichen Forschungsarbeiten Otto Rahns hingewiesen wird, der im Artikel nicht ge­ nannt worden war. Am Ende heißt es, „für das Ahnenerbe wäre es eine dankbare Aufgabe, wenn es nach dem Krieg die Arbeiten des 1939 in den Bergen verunglück­ ten SS-Kameraden wieder aufnehmen und zu einem wertvollen Abschluflergebnis bringen könnte“.638 Zwar wird damit nicht ausgeschlossen, daß sich Himmler zwei Jahre später anders entschieden haben könnte, allerdings trägt dieses Dokument nicht zur Erhärtung der Legenden bei. Trotz aller scheinbar gesicherter Erkenntnisse über Rahn scheint doch die Forschung über ihn und die Gralssuche der Nationalsozialisten noch immer nicht endgültig abgeschlossen zu sein. Solange jedoch Akten unter Verschluß gehalten werden, bleiben die alternativen Erklärungen Spekula­ tion. Ein Schlüssel zur Lösung des Rätsels ohne weitere Aktenfunde dürfte allerdings in den Erinnerungen der Einheimischen und dem Archiv der bis heute mysteriös gebliebenen Geheimgesellschaft der Polaires zu finden sein - dieses soll jedoch 1940 im Auftrag Alfred Rosenbergs oder - was ebenso möglich wäre - durch die SS unter Franz Six konfisziert worden sein und ist seitdem nicht wieder aufgetaucht.

Bild aus dem Nachlaß Rahns: Zeigt es ein Mitglied der Polaires im „Pentagramm" der Grotte von Bethlehem (Sabarthes)? 638 Schreiben 14.1.1942, Archiv Verfasser Nr. 41; Buchner (1991), S. 181 f, er­ wähnt ebenfalls diesen Artikel und wirft die Frage auf, ob nicht Rinderknecht, der Verfasser des Artikels, mit Rahn gemeinsam das Languedoc besuchte; vgl. dazu auch Graddon (2008), S. 156.

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9. Die verschwundene Akte SS-Okkultforschung & das Geheimnis Gaston de Mengeis „Heute Nacht habe ich mit Freunden telefo­ niert... in Abessinien und Amerika, in Japan und Tibet, ... mit allen die aus der anderen Welt kommen , um das neue Reich zu errich­ ten...... Eine neue Ära wird kommen, ... einer der Schlüssel liegt beim Dalai Lama und in den tibetischen Klöstern." iese Worte von Karl-Maria Wiligut anläßlich einer Besprechung zur Tibet-Expedition Ernst Schäfers wurden von letzterem überliefert. Zumeist als Beleg für die Phantastereien des alten KuK Obersten an­ geführt, werfen sie dennoch Fragen auf. Abgesehen von der Tatsache, daß alle genannten Länder Ziel von For­ schungsreisen bzw. geplanten Expeditionen des Ahnenerbe waren, stellt sich primär die Frage, wer denn diese Freunde in Abessinien, Amerika, Ja­ pan und Tibet waren? Hirngespinste Wiliguts oder steckt doch mehr dahin­ ter? Es gibt einige Gründe die letzte Frage mit Ja zu beantworten und diese Antwort führt uns zu einer der bislang am wenigsten literarisch gewürdig­ ten Geheimgesellschaften - den Polaires.

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9.1. Die Polaires Die Bruderschaft der Polaires entstammt dem franko-okkulten Milieu des 19. Jahrhunderts. Hier fand sich der Nährboden für die Gründung diverser spirtistisch-okkulter Orden und Gesellschaften, von denen die Martinisten des Okkultisten und Kabbalisten Papus und die neubegründete Rosenkreu­ zer-Bewegung Joseph Peladans wohl die bekanntesten waren. Nach Auskunft des Österreichischen Ingenieurs Lambert Binder (19051981) waren die Polaires ein okkulter Rosenkreuzer-Orden mit Stammsitz in Frankreich, dem vor dem Zweiten Weltkrieg 63 Mitglieder angehörten. „In der obersten Leitung saßen noch 9 besonders ausgewählte und befähigte Mitglieder, Martinisten, Kabbalisten, Gnostiker usw." Besonderes Augen­ merk legt Binder dabei auf die Zahl 63, die er mit 9x7 erklärt, also zwei Ziffern, die in der freimaurerischen Kabbalistik eine Rolle spielen.639 Einer der wenigen Hinweise auf die geheime Bruderschaft der Polaires findet sich beim französischen Autor Pierre Geyraud. Dieser berichtet in seiner Darstel­ 639 Binder (1951); Wegener (2004), S. 103, sieht die Polaires hingegen als „Neu­ auflage der katharischen Sapientes", der Weisen der Katharer.

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lung geheimer Orden und Sekten in Paris von einer Begegnung mit einem Mitglied der Polaires, das ihm anvertraute, daß alle Polarier sich zu gewis­ sen Zeiten des Tages, und zwar um 8,12 und 21 Uhr bestimmten Gedanken­ konzentrationen zu widmen hatten, und daß diese Vereinigung der Gedan­ kenströme aller Polarier eine bedeutende Rolle spielte. Die Erkennungskarte der Ordensmitglieder trug den Schriftzug: „HIC ADSUM FRATER TUUS SUB POLISIGNO. LUTETIAE MILLESIMO NONGENTESIMO ET TRICESIMO ANNO POST J. CH." (Der dies vorweist, ist dein Bruder unter dem Zeichen des Pols. Paris im Jahre 1930 n. J. Ch.).640 Zu den Mitgliedern der Polaires, deren Veröffentlichungen im Impressum die Adresse der Theosophischen Gesellschaft in Paris aufwiesen und deren Gründung um 1929 erfolgt sein dürfte, zählten einige bekannte Forscher und Schriftsteller; darunter die Franzosen Jeanne Canudo, Victor Blanchard, Maurice Magre, Jean Marques-Riviere sowie für eine gewisse Zeit auch Rene Guenon.641 Während dieser sich bereits in den 30er Jahren ebenso wie Magre gegen den Nationalsozialismus äußerte, sorgte die Tätigkeit von MarquesRiviere und Jeanne Canudos für die SS im Vichy-Frankreich für den Vorwurf, die Polaires verträten einen „germano-okzitanischen Synkretismus" für den exemplarisch der Germanen-Orden und die Thule-Gesellschaft ständen.642 Im August 1940 hatte die Vichy-Regierung ein Verbot aller Geheimgesell­ schaften in Frankreich erlassen und unter Aufsicht von Prof. Bernhard Fay den Service des Societes Secretes - SSS - unter direkter Leitung Admiral Pla­ tons gegründet, um dieses Verbot zu überwachen. Dem SSS unterstanden drei weitere Abteilungen: Der „Service Speciale des Associations Dissoutes" (Spe­ zialabteilung aufgelöster Gesellschaften - Inspector Moerschell), das „Cen­ tre d'Action et de Documentation" (Aktions- und Dokumentationszentrum - Henry Coston) und die „Service de Police" SPSS (Polizei-Abteilung - Jean Marques-Rivieres). Die bekanntesten Aktivitäten Marques-Rivieres waren in diesem Zusammenhang die Organisation der Ausstellung „Der Jude und Frankreich" im September 1941 sowie der Dokumentarfilm „Okkulte Mäch­ te". Pläne zum Aufbau eines „Museums der Geheimgesellschaften", aus dem er womöglich auch eigenen Nutzen für seine okkulten Studien ziehen wollte, wurden nicht umgesetzt.643 Bezüglich seiner Motivation schrieb Marques-Rivieres: „Wenn wir eine Generation weiter sind, wird die Freimaurerei ohne Frei640 So Binder (1951). 641 Vgl. www.rose-croix-veritas; zur Gründung siehe www.naderlibrary.com/cult. martinist.htm; Wegener (2004), S. 140 nennt das Gründungsjahr 1926; Schwarz (Re­ zension Wegener), dagegen 1928/29 und weist daraufhin, daß Guenon nie PolairesMitglied war, sondern lediglich in Verbindung zu diesen stand. 642 Christian Bernadac: La Mystere de Otto Rahn, zit. nach www.rose-croix-veritas. 643 Trimondi (2002), S. 282 ff.

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Polaires-Gefährten ? Otto Rahn - Maurice Magre - Rene Guenon maurer zu einer Witwe ohne Kinder und ... es bleibt ihr Ideen- und Arbeitgeber, der Jude... ohne die Freimaurerei verliert er viele seiner Mittel."644 Oberhaupt des Ordens der Polarier war der Italiener Cesar Accomani, der das Pseudonym Zam Bhotiva führte. Bhotiva wohnte seit 1931 Seancen bei, bei denen mit Hilfe des Londoner Mediums „Grace Cook" der kurz zu­ vor verstorbene berühmte englische Kriminalautor Sir Arthur Conan Doyle angerufen wurde, der ihm übermittelte, die Polaires seien dazu bestimmt, „die Zukunft der Welt zu formen" Eine weitere Seance brachte Bhotiva in angeblichen Kontakt mit einem Tibeter, der den verheißungsvollen Namen „Weißer Adler" trug und verkündete, er selbst - Bhotiva - sei aus Tibet in den Westen gesandt worden, um dort geistig tätig zu sein.645 Der Name der Polaires („Die Polaren") weist indes auf einen alten esoteri­ schen Glauben über die Herkunft der Weisheit hin: Nämlich vom äußersten Norden, der Arktis, die Schauplatz des ersten, des „goldenen" Zeitalters ge­ wesen sein soll, wie später ausführlich erläutert. In einem Bulletin vom 9.6.1930 haben die Polaren ihren Namen selbst so erklärt: „Die Polaren führen ihren Namen darauf zurück, daß zu allen Zeiten der Heilige Berg, das heißt der symbolische Platz der Initiatischen Zentren, von den ver­ schiedenen Traditionen immer als,polar' qualifiziert worden ist. Und es kann wohl sein, daß dieser Berg wirklich ,polar' im geographischen Sinn des Wortes gewesen ist - wie dies von der borealen Tradition - oder Primordialen Tradition, Quelle aller Traditionen - immer behauptet wurde, die zuallererst ihren Sitz in den hyperboräeischen Regionen hatte." Diese Erklärung klingt Martin Schwarz zufolge, wie von Guenon geschrieben, allerdings sei sie uns „nur in einer Zitierung des nicht immer glaubwürdigen Jean Parvulesco überliefert, der den ,polaren' Topos 644 Marques-Rivieres, zit. nach Wegener (2004), S. 105. 645 Trimondi, (2002), S. 270; siehe dazu Cooke (1997), S. 17ff.

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auch in seinen phantastisch-esoterischen Romanen immer wieder entfaltet hat."646 Der Führer der Polaires, Cesar Accomani alias Bhotiva, trat anläßlich einer weiteren Begebenheit in das Licht der Geschichte: Im Juli 1931 war er im Langue­ doc - gemeinsam mit weiteren Polaires - an der Suche nach dem „Schatz der Katharer" beteiligt. Der deut­ sche „Gralsforscher" Otto Rahn erwähnt zwar einen „Ingenieur, dessen Bekanntschaft er gemacht habe", jedoch trug dieser den Namen Arnaud. Wie der Inge­ nieur suchte allerdings auch Accomani für seine Zwe­ Antonin Gadal cke den Kontakt mit einer außergewöhnlichen Dame, die Mitglied der Gnostischen Kirche und dem Blute nach ein Abkömmling der berühmten albigensischen Ketzer-Päpstin Esclarmonde de Foix war. Die­ se geheimnisvolle Dame, deren Namen streng geheim gehalten wurde, dürfte gleichwohl identisch sein mit jener Gräfin Pujol-Murat, von der Otto Rahn berichtet, daß „ihre Vorfahren bei der Verteidigung der Albigenser-Burg Montsegur ihr Leben für die vom Feind überflutete Heimat ließen und welche Hugues de Payens, den Gründer des Templer-Ordens und vor allem die große Esclarmonde de Foix zu ihren Vorfahren zählen darf". Zam Bhotiva versuchte nun mit Hilfe dieser Dame und seiner „Wünschelrute" im Ruinengebiet der Burg Montsegur den Schatz der Katharer zu heben, den er mit dem Jerusalemer Tempelschatz identifi­ zierte, den die Westgoten einst ins Languedoc gebracht haben sollen. „Nicht um persönliche Vorteile daraus zu ziehen, sondern weil dieser Schatz zu den okkulten Heilstümern der Menschheit zählte. Aber die Wünschelrute schlug nicht aus und so dürfte die alte Tradition richtig sein, daß der Schatz noch vor Erstürmung der Burg von waghalsigen Cathari in abenteuerlicher Kletterei nach den kilometerlangen gefah­ renvollen Höhlen von Ornolac in den Pyrenäen geschafft und dort verborgen worden sei", resümiert Binder diese Episode.647 In Reaktion auf seine erfolglose Suche im Languedoc soll jedenfalls Po­ laires-Vorsitzender Accomani den Orden verlassen haben,648 der sich fort­ an mehr esoterischen Fragen widmete - ausgenommen eines Zweiges, der schon damals mit deutschen Institutionen zusammenarbeitete: Wie zuvor geschildert, nannte die südfranzösische Zeitung „La Depeche" Otto Rahn einen „deutschen Polaire der eine Gralssuche im Languedoc leiten würde". Otto Rahn hatte sich über seine Nennung in diesem Zusammenhang in einem Leserbrief verwahrt. 646 Schwarz, Martin A.: Rezension Wegener; aufeisernekrone.blogspot.com. 647 Binder (1951); vgl. dazu Cooke (1997), S. 27f. 648 Vgl. Godwin (2007), S. 110, der als Zeitraum der Suche Accomanis ebenfalls 1929/1930 ansetzt und die zeitgleiche Suche Rahns nicht für einen „Zufall" hält.

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Doch war Rahn tatsächlich nicht bereits Mitglied der Polaires wie ver­ schiedene Autoren mutmaßen? Ein im Juni 1934 verfaßter Brief Rahns an einen alten Freund - den französischen Katharer-Forscher Antonin Gadal - regt die Wiederaufnahme der gemeinsamen Arbeit an und ergänzt: „Sehr ranghohe Mitarbeiter werden uns unterstützen. In erster Linie der Baron Evola.... In Deutschland, in der Schweiz und in Holland ebenso wie in Frankreich haben wir Verbündete."649 Wen meinte Rahn mit „wir" bzw. „uns"? Bezieht sich der deutsche Forscher damit bloß auf einen losen Verbund von Grals- bzw. Katharerforschern oder hat er eine spezielle Gruppierung im Auge, der er womöglich bereits angehört?650 Es scheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß Rahn doch engere Kontakte zu den Polaires unterhielt als nach außen bekannt war und sich vielleicht als Bestandteil dieser Vereinigung begriff.651 Graddon mutmaßt ferner über eine Verbindung zwischen Rahn und dem OKW-Abwehrchef Admiral Canaris (1887-1945), der im Widerstand gegen Hitler eine undurchsichtige Rolle einnahm. Demnach soll Rahn in seiner Funktion als „Agent" innerhalb des Persönlichen Stabes RF-SS einer unbe­ stimmten Widerstandsgruppe, 15 jungen Juden zur Flucht verhülfen haben und sei daher zum Selbstmord gezwungen worden, wie Graddon unter Ver­ weis auf einen Brief des Rahn-Bekannten Albert Rausch spekuliert.652 Was die Vermutung eines Geheimbundes erhärtet, in dem sowohl Gadal als auch Rahn tätig waren, ist die belegte Mitgliedschaft Antonine Gadals in ei­ nem solchen. Der französische Forscher, der Rahn bei dessen Suche nach dem 649 Zit. nach Lange (1999), S. 154. 650 Graddon (2008), S. 42, vermerkt zwar, daß Rahn sich den „Herren von Belisse", einer Gruppe von Poeten in den Pyrenäen, angeschlossen habe, die hier gemeint sein könnten, geht aber, S. 224ff„ selbst auch von einer anderen, weitaus bedeuten­ deren Organisation aus, die Rahn rekrutiert habe. Dabei soll es sich um den dem Rosenkreuzer-Gedanken verbundenen „Orden vom Goldenen Vlies", auch „Argonauten-Orden", handeln, dessen souveräner Großmeister seit 1930 der sich um eine Wiedererrichtung der Habsburg-Monarchie bemühende Otto von Habsburg war. 651 Bereits Christian Bernadac hatte über Rahn gemutmaßt, innerhalb der SS ei­ nen „esoterischen Zirkel" initiiert zu haben, Bernadac, zit. nach Freund (1995), S. 87; allerdings verknüpft Bernadac dies mit der angeblichen Gralssuche im Auftrag der SS; trotz der Kritik an der Rudolf-Otto Rahn Behauptung Bernadacs (Fn 606), hatte Mohler (1979) Rahn ebenfalls als „Stifter einer Art von Geheimorden (mit Verzweigungen von Holland über Frankreich und Deutschland bis in die Schweiz)" bezeichnet und das Buch Bernadacs als bedeutendes Werk hinsichtlich der „gehei­ men Geistesgeschichte" empfohlen. Siehe dazu Hayward (2012), S. 21/31 f. 652 Graddon (2008), S. 154, hier auch der Irrtum Graddons, der aus dem WeltArtikel Mohlers (1979) auf einen Aliasnamen Rahns = „Wonnegut" spekuliert, ob­ gleich Mohler damit lediglich den Namen Wiliguts fälschlich wieder gab.

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Gral im Languedoc regelrecht instrumentalisiert haben soll, stand in enger Ver­ bindung zum „Lectorium Rosicrucianum", einem 1924 in den Niederlanden begründeten Zweig der „Rosicrucian Fellowship" des in die USA emigrierten Max Heindls. 1935 trennte sich die Gruppe von ihrer US-Mutterloge und wurde von Frau Henriette Stok-Huizer (alias Catharos de Petri -1902-1990) und den Brüdern Leene geleitet.653 Zwei Jahre später -1937 - traf sich Gadal mit Walter Birks, einem Angehörigen einer ungenannt bleibenden „Geheimgesellschaft", wie dieser anläßlich eines Interviews für einen Dokumentarfilm über den Gral verriet.654 Bei diesem Treffen habe Gadal 1937 als „das Jahr des Grals" bezeich­ net und dem Gesandten der Geheimgesellschaft verraten, ein Katharergefäß geborgen zu haben, das er als „Katharer-Gral" bezeichnete. Dazu paßt auch die Unterstützung Evolas, der zwar nicht dem Bund di­ rekt angehörte, sich geistig allerdings auf der Polaires-Linie befand, obgleich er im dritten Band der „Einführung in die Magie" der römischen Gruppe von UR unter dem Pseudonym „Arvo" das Orakelsystem der Polaires kri­ tisierte: „Die absolute Mechanizität und Impersonalität der Methode, bei der die Person des die Frage stellenden keinerlei Rolle spielt, führt nur zu einer unter- und nicht überpersönlichen Ebene, insgesamt also ein Beispiel für die materialistische Fehlauffassung des höheren Bewußtseins und der traditionellen Symbolik." Evola bestätigte in einem kleinen Aufsatz nach dem Krieg die Kontakte zu Rahn: „Nun nimmt man an, daß Rahn, mit dem wir seinerzeit in Briefwechsel standen und dem wir die Unhaltbarkeit seiner Thesen beweisen wollten..." heißt es in „Hitler und die Geheimgesellschaften" - erneut bleibt aber die Identität der Gruppe, die hier „wir" genannt wird, offen.655 Just im Zeitraum der Verfassung des Briefes durch Otto Rahn - 1936 - be­ ginnt sich auch die NS-Regierung näher für den italienischen Kulturphiloso­ phen zu interessieren. Wenige Jahre später führt Evola mehrere Vortragsreisen in Deutschland durch - unter Beobachtung der SS Heinrich Himmlers. Zwar wird offiziell eine Unterstützung Evolas abgelehnt, dennoch sah Himmler ge­ nügend Gemeinsamkeiten um den Kontakt aufrecht zu erhalten.656 War der von Rahn in seinem Brief suggerierte Bund vielleicht identisch mit jenem „geheimen, überstaatlichen Orden", den Evola laut des ableh­ nenden Gutachtens zu stiften plante und für den „keine konkrete Unter­ stützung" empfohlen worden war? Eine solche Verbindung zwischen dem Evola-Bund und Rahn scheint jedenfalls nicht ausgeschlossen. 653 Vgl. http://www.rosenkreuz.de/artikel/geschichte-und-heutige-organisationdes-lectorium-rosicrucianum. Jener Heindl wurde bereits als Thule-Gründer be­ zeichnet; siehe oben S. 29. 654 Vgl. DVD Mythen & Mysterien: Der heilige Gral, Min. 32 ff. 655 Evola (2009), S. 12; vgl. dazu Hayword (2012), S 23 f. 656 Vgl. Kapitel 4.3.

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Eine weitere Spur in diesem Zusammenhang stammt aus einer Quelle, die mehr als zweifelhaft ist, aber dennoch Erwähnung verdient: Demnach soll es 1943 Pläne zur Wiedererrichtung des venezianischen Ordens „Ordo Imperio Nuovo", auch als „Ordo Bucintoro" bezeichnet, gegeben haben, die vom italienischen Fürsten Junio Valerio Borghese 657 und von Otto Skorzeny ausgegangen wären; also erneut eine Verbindung zwischen Italien und der SS in Bezug auf eine Ordensgründung.658 Bereits 1919 hatte sich in Frankreich eine theosophisch inspirierte Grup­ pe unter Leitung des Apothekers Rene Schwaller de Lubicz (1887-1961) formiert, die eine Zeitschrift namens „L'Affranchi" herausgab. Neben ei­ ner theosophisch ausgerichteten Strömung existierte innerhalb der Gruppe auch eine „Mystische Gruppe Tala" („Die Verbindung"), die sich auch mit dem Hakenkreuz befaßte und verschiedene Parallelen zu deutschen Bün­ den aufwies: Einen stark ausgeprägten Antijudaismus, eine vorherrschen­ de Kriegermentalität sowie dunkle Militäruniformen. Eine erstaunliche Anekdote ist ferner, daß sich der Leiter der sich später in „Les Veilleurs" (Die Wächter) umbenannten Gruppe, den Decknamen „Pytheas" (Pytheas von Massilia war der Begründer des Thule-Mythos) zulegte.659 Einem an­ deren Autoren zufolge - Werner Gerson, der einen „bisweilen sorglosen Um­ gang mit Quellen" an den Tag legte, wie Godwin meint - soll der spätere stellv. NSDAP-Vorsitzende Rudolf Hess ebenfalls der Gruppe angehört haben.660 Schwaller ging jedoch bereits Anfang der 20er Jahre mit seiner Frau in die Schweiz, wo er ein „Zentrum für wissenschaftliche und alchimistische Stu­ dien" gründete. Mitte der 30er Jahre unternahm er eine Reise nach Ägypten, die seine Vorliebe für Pyramiden-Mysterien bestärkte und seinen nachhalti­ gen Ruf als Mystiker begründete.661 657 Römisches Adelsgeschlecht, das 1605 in das Patriziat Venedigs aufgenommen wurde, vgl. Wikipedia: Borghese. 658 So Sajaha, S. 170; der genannte Orden begegnet uns noch im 12. Kapitel in Verbindung mit der angeblichen Überlieferung von prophetischen Keilschriften aus Babylon - zur Glaubwürdigkeit siehe ebendort; allerdings bestanden in der Tat enge Verbindungen zwischen Skorzeny und Borghese, wie Georg (2009), S. 304, bemerkt - ebenso wie zwischen letzterem und Evola, für den Borghese 1953 das Vorwort zu „Menschen inmitten von Ruinen" verfaßte. 659 Vgl. Godwin (2007), S. 64 f. 660 Godwin (2007), S. 65; vgl. ebenfalls http://www.unitedearth.com.au/lubicz.html; allerdings gibt es in der Biographie von Hess, der nach 1918 in München studierte, keine Hinweise auf regelmäßige Aufenthalte in Frankreich. 661 Vgl. http://www.unitedearth.com.au/lubicz.html; viele der Werke Schwallers sind erst posthum veröffentlicht worden.

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Ein Bezug zu den Polaires läßt sich auch über die Zeitschrift „Vancaires" herstellen, die im Vichy Frankeich zwischen 1941 und 1943 erschien. Die Inhalte der von Pierre Plantard nach dem Krieg euphemistisch als „Resis­ tance-Blatt" verklärten Zeitschrift entsprachen den Themen, mit denen sich die Polaires befaßten: Esoterik, Mythen und „Eingeweihte aus Tibet" sowie verborgene Städte im Himalaya.662 Plantard, der spätere „Prieure de Sion"Gründer, hatte bereits seit 1937 Treffen mystisch orientierter Kreise von Nationalisten veranstaltet, die sich antifreimaurerisch und antisemitisch betätigten und als „Französische Union" firmierten. Nach der Etablierung des Vichy-Regimes unter Marschall Petain empfahl er sich diesem als Mitar­ beiter der Logenbekämpfungsbehörden, gründete aber selbst die „Franzö­ sische Nationale Erneuerung" und den Bund Alpha Galates (1942), der ca. 40 Sympathisanten aufgewiesen haben soll.663 Aufgrund dieser nicht geneh­ migten Betätigungen erhielt Plantard eine 4-monatige Haftstrafe, die er für die Konstruktion einer Resistance-Karriere nach dem Krieg nutzte. Zuvor allerdings habe er, eigenen Aussagen zufolge, das Angebot Heinrich Himm­ lers ausgeschlagen, im Gegenzug für eine Treueerklärung zum 3. Reich bzw. zur SS den Titel eines Herzogs der Bretagne anzunehmen.664 Die Ziele der Alpha Galates jedenfalls waren nach Selbstauskunft in „Vaincre": 1. Die Einheit Frankreichs - 2. Die Mobilisierung aller französischen Ener­ gien und Mittel für die Verteidigung der Nation - 3. Die Schaffung einer neuen westlichen Ordnung eines jungen europäischen Rittertums, dessen Hauptgedanke „Solidarität" sein solle. Diese Organisation - Solidarität müßte das erste Stadium der Vereinigten Staaten des Westens darstellen.665 Zu weiteren Autoren der Zeitschrift Vaincre zählten Robert Amadou, An­ gehöriger der Martinisten und der Großloge Alpina sowie Autor diverser Freimaurer-Literatur, Professor Louis le Für, Publizist und Kulturkommen­ tator innerhalb des Vichy-Regimes, und Gabriel Trarieux d'Egmont, Verfas­ ser esoterischer Schriften. Eine weitere Verbindung zwischen Polaires, Martinisten und Alpha Ga­ lates ergibt sich über einen sogenannten „Pakt der Synarchisten" bei dem Polaires-Mitglied Jeanne Canudo eine wesentliche Rolle spielte. Aufgrund dieser Verbindung hatten bereits andere Autoren gemutmaßt, die Polaires seien ein „Deckmantel" der Prieure de Sion gewesen.666 662 So Lincoln (2004), S. 320f 663 Nach Wikipdeia.org: Pierre Plantard. 664 Lincoln (2004), S. 250; vgl. auch Carmin (2005), S. 280, der dieses Angebot in Zusammenhang mit der Errichtung eines eigenen SS-Staates Burgund sieht. 665 Zit. nach Lincoln (2004), S. 325. 666 vgl. http://univercia22.blogspot.com/2010/02/gladio-octopus-le-cercle-and-safari.html 217

Der Begründer des Synarchismus,667 Saint-Yves d'Alveydre (1842-1909), gilt als wichtiger Wegbereiter diverser rosenkreuzlerischer Bünde in Frank­ reich und beeinflußte vor allem Papus (Begründer des „Kabbalistischen Ordens der Rosenkreuzer")668 und Josphin Peladan (Wiederbegründer der Rosenkreuzer), soll anderen Quellen zufolge aber auch die Bruderschaft der Polaires mitbegründet haben.669 An anderer Stelle wird dagegen Victor Blanchard als Begründer des „Ordre Martiniste et Synarchique" (OMS - 1921) genannt, der auch bei der Entstehung der Polaires 1929 mitwirkte.670 Gemäß Guy Patton, sei der Synarchismus als Herrschaftssystem einer intellektuel­ len und spirituell erleuchteten Elite, ein vielen rechtsausgerichteten Bünden vertrautes Element,671 jedoch gibt es auch Verbindungen zu freimaurerisch­ internationalistischen Verbindungen, wie dem Pan-Europa-Bund bei dem Otto von Habsburg eine wichtige Rolle spielte. Bemerkenswerterweise be­ zieht Evola noch 1928 die Pan-Europa-Idee Richard Coudenhove-Calergis in seine Überlegungen hinsichtlich eines neuen Europas ein, ohne auf den freimaurerischen Hintergrund des Österreichischen Adeligen einzugehen.672 667 Wikipedia schreibt zum Synarchismus: Synarchie (vom griechischen cmvapyia) ist eine Herrschaftsform, bei der viele Personen gemeinsam die Herrschaft ausüben. Der Begriff wurde von Saint-Yves d'Alveydre geprägt und hat seinen Ursprung in der Mystik. In den 1920er Jahren fand sie in den Hochschulen Frankreichs durch die Esoterik des Theosophen Claude de Saint-Martin (1743-1803) große Resonanz. Das Ziel der Synarchisten war es, eine gerechte Politik für alle Klassen „weder rechts noch links“ zu schaffen. In einem verschwörungstheoretischen Geschichtsbild ver­ steht man unter Synarchie eine geheime Weltregierung, die je nachdem mit der Bilderberg-Konferenz, der Trilateralen Kommission, Skull & Bones, der Freimaurerei, dem Illuminatenorden usw. in Verbindung gesetzt wird. 668 Papus und die Martinisten gelten dabei trotz ihrer antijudaistischen Einstel­ lung einigen als „jüdischster“ aller okkulter Orden; vgl. Webb (2008), S. 302. 669 So Autor Guy Patton („Web of Gold“) in: http://quintessentialpublications. com/twyman/?page_id=51. 670 www.naderlibrary.com/cult.martinist.htm; hier auch der Hinweis, daß der als Hauptquartier der Polaires genutzte „Tempel“ auf der Junot Avenue 36 in Mont­ martre, Paris, später vom OMS genutzt wurde. 671 Guy Patton, ebenda. 672 Vgl. Evola (2009), S. 88 ff; Coudenhove gilt heute in völkisch-nationalen Kriesen als klassischer Wegbereiter einer freimaurerisch beeinflußten, US-hörigen EU der Bürokratie, siehe etwa „Richard Graf Coudenhove-Kalergi als Freimaurer"; Otto v. Habsburg, Vorsitzender des Pan-Europa-Bundes zwischen 1973 und 2004, war 1944 aus den USA nach Frankreich gekommen und spielte hier eine bislang kaum beleuchtete Rolle, siehe Wikipedia: Otto von Habsburg; vgl. auch Kapitel 4.3. bezüglich Evolas Verbindungen zu monarchischen Kreisen.

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Ebenso bestanden direkte Verbindungen der Synarchisten zu Jean Monnet, dem maßgeblichen Wegbereiter der Europäischen Gemeinschaft, und der Alpha Galates zu vom Pan-Europa-Gedanken beeinflußten Protagonisten, wie Robert Schuman, dem Vater des EU-Vorläufers „Europäische Gemein­ schaft für Kohle und Stahl" (EGKS). Schuman war nämlich Mitglied des von Vaincre-Autor Louis de Für gegründeten „Energie"-Bundes, der sich für eine europäische Vereinigung einsetzte.673 Daß Alpha Galates mehr als nur ein loser Zusammenschluß gleichden­ kender Europa-Freunde war, wird durch einen Kommentar Louis le Fürs in Vaincre (Nr. 5) bestätigt, in dem dieser „einen deutschen Meister unseres Ordens" mit der Würdigung des neuen Großmeisters des Bundes zitiert.674 Gerade im Vichy-Frankreich der damaligen Zeit offenbart sich somit ein kaum zu durchschauendes Geflecht von Okkultisten und Politakteuren, die verschiedensten Zielen entgegenarbeiteten - sicher scheint indes nur, daß auch die Polaires Bestandteil dieses weitverzweigten okkulten Untergrun­ des waren;675 ebenso sicher scheint aber auch, daß die rechtsgerichteten Europa-Bünde systematisch von freimaurerisch beherrschten Gruppen in­ filtriert wurden und dadurch ihr Wirken ins Gegenteil verkehrt wurde, wie die Geschehnisse nach 1945 beweisen. Bereits 1929 hatte das Ordenshaupt Bhotiva das Buch „Asia Mysteriosa" veröffentlicht, versehen mit einem Vorwort von Rene Guenon, Maurice Magre und Marques-Riviere. Dieses enthielt die Ziele des Ordens, die Ge­ schichte seiner Gründung und eine Sammlung von Orakelsprüchen. Der bedeutendste dieser Sprüche war das „Orakel der Astralen Kraft" (auch „Orakel Astraler Energie"). Dieses stammte von einem weiteren Italiener namens Mario Fille, der 1908 während eines Urlaubs in Bagnaia bei Rom einen Einsiedler mit dem Namen „Vater Julian" kennenlernte, der ihm einige vergilbte Blätter schenkte, die aus dem Buche der „Wissenschaft vom Leben und Tode" stammen sollten und „eine sichere Methode der Zukunftserforschung auf arithmetischer Grundlage" enthalten hätten. Nachdem Fille, anfangs ungläubig, einige Jahre später das Orakel erfolgreich testete versuchte er den alten Einsiedler aufzusuchen, dieser war jedoch verschwunden. Als der Italiener das Orakel 673 Siehe http://univercia22.blogspot.com/2010/02/gladio-octopus-le-cercle-andsafari.html; vgl. hierzu Lincoln (2004), S. 315 ff. 674 Carmin (2005), S. 329, der diesen Meister als Hans Adolf von Moltke identifi­ ziert, der hier seine Treue gegenüber Alpha Galates schwor. 675 So findet sich unter http://www.gailallen.com/theo/PrioryOfSionTheFactsTheTheoriesTheMystery.html diew Behautpung, die Polaires hätten dem MartinistenMitglied und Freimaurer-Großmeister Constant Chevillion eine „synarchistische Falle" gestellt, die dieser 1944 als Geisel der Gestapo mit dem Leben bezahlte.

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Alexandre Saint-Yves dAlveydre (1842-1909) Links: Der berühmte französische Okkultist Gerard Encausse alias Papus (1865-1916) in einer Martinisten-Loge erneut befragte, diesmal nach dem Aufenthaltsort des „Vater Juhan", erfuhr er, daß jener wieder in sein Kloster im Himalaya zurückgekehrt sei. „Dieser einfache und bescheidene Einsiedler, der von den Menschen verlacht in einer pri­ mitiven Holzhütte in der Umgebung von Rom gehaust hatte, schien also einer der Großen Eingeweihten gewesen zu sein, die in der Verborgenheit das Geschick der Menschheit lenken", faßt Binder die Geschehnisse zusammen.676

9.2.

Agarthi, Shambhala & der polare Mythos

Die hier von Binder angesprochenen „Eingeweihten" begegnen dem Le­ ser auch im Untertitel des Werkes: „Asia Mysteriosa. L'Oracle de Force As­ trale comme moyen de communication avec ,Les Petits Lumieres' d'Orient, Paris 1929". Im Vorwort der Schrift heißt es: „Wir haben diese Notizen mit dem Titel „Asia Mysteriosa versehen, denn dies war der Wille der „kleinen Lichter", mit denen wir uns in Kommunikation befinden, dank des Orakels der Astralen Macht... . Die kleinen Lichter sind die Weisen und Führer der esoterischen Gruppen und Klöster, die sich in Agarthi befinden, und welche von der Tradition und von den Legenden genau in die geheimnisvolle Region Asiens verlegt werden: den Himalaya, dort lebten die Rosenkreuzer, die Weisheitsritter, die Initiierten des großen Rades, die Europa dereinst verlassen mußten und nach Tibet flüchteten."677 Während Rene Guenon 1929 noch ein Vorwort verfaßt hatte und den Polaires nahestand, äußert er sich in einer Besprechung der ersten Nummer des „Bulletin des Polaires" vom Mai 1930, die in „Voile d'Isis" im Februar 1931 erschienen ist, überaus kritisch zum Polaires-Orakel: „Wenn dies das Ergebnis der Kommunikation 676 Binder (1951). Hayword (2012), S. 19, zufolge spekuliert Ivan Cooke Vater julian sei eine Inkarnation des Grafen von St. Germain (1712-1784). 677 Zit. nach Trimondi (2002), S. 272.

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mit den ,Großen Initiierten' im Himalaya oder anderswo, ist, ist das äußerst kümmer­ lich.“ „(...) die Regeln, diktiert von der ,Methode' beinhalten unglaubliche Kindereien. (...) wir werden nicht überrascht sein, wenn all dies im Abstieg zu dem vulgärsten Spi­ ritismus enden wird. Wir bedauern daß einige der traditionellen Ideen, die wir in ,Der König der Welt' dargelegt haben, in diese Affaire gemengt worden sind (,..)"678 Neben Agarthi wird indes auch Shambhala im Buch genannt: „Shambhala ist nach zentralasiatischer Tradition eine heilige Stadt, die in sehr alten Zeiten ver­ schwand und dann unterirdisch weiterexistierte; einige nehmen an, daß es sich um eine Stadt handelt, die unter der Wüste Gobi eingegraben wurde, während andere wissen wollen, daß sie in Sibirien liegt. In Wirklichkeit soll Shambhala im Hohen Norden zu suchen sein, und die Verbindung, die man unter diesem Aspekt mit ande­ ren Traditionen machen kann, erlaubt es, Shambhala mit dem hyperboräischen Tula (Thule) gleichzustellen, dem Ausgangspunkt der ursprünglichen Traditon unseres Manvantara (Zeitalters).“679 Unter den „Drei kleinen Lichtern" (Les Petits Lumieres) verstehen die Polarier jene verborgenen drei Meister, die von Asien aus die Wiedererrichtung der Brüderschaft der Polarier angeordnet haben. So unglaublich es westlichen Ohren auch klingen mag, genießt der Glau­ be an höhere Eingeweihte in Indien, China, Tibet und weiten Teilen Asiens große Beliebtheit. Und auch für die Polarier waren die Eingeweihten real: „Die Meister existieren, sind aber keine Götter. Sie sind lediglich Men­ schen, erfüllt mit Weisheit." In ihnen manifestieren sich drei Aspekte des Königs der Welt, die hier als drei tibetisch-weiße Götter beschrieben wer­ den, - Gouban, Zourghan und Bourkhan - die auf Erden die Funktion des Panchen Lama, Dalai Lama und Bogdo Khans erfüllen, also die weltliche, geistige und kriegerische Macht. Der Sitz dieser eingeweihten Meister oder Magi wird als Agarthi oder Shambalah angegeben. Beide Orte sind, wie be­ reits angesprochen, Synonyme für das ursprünglich polare Urzentrum. Über den drei Meistern steht des Orakels zufolge jedoch ein Messias der als „der, der da wartet" bezeichnet wird. Er ist der Gesandte der Asia Mysteriosa und gemäß Binders Angaben, „ein Europäer, der zugleich der oberste Chef der Polarier ist.... Heute ist er unbekannt und weit fort, aber morgen wird er ein großer sein nach dem Willen der Allerhöchsten. ... Es werden noch viele, viele Monde vergehen, bis ihr den, der da wartet, treffen werdet. Dieser höchste spirituelle Kommandant ist ein Avatar und der zukünftige Manu (Gesetzgeber), eine Inkarna­ tion des Sonnen- und Lichtgottes und reitet auf einem weißen Pferd“680 - eine ge­ naue Entsprechung des Kalki-Avatars der indischen Mythen, der auch von Miguel Serrano in Bezug auf Adolf Hitler aufgegriffen wurde!681 678 Zitiert nach Feydel, bei Martin Schwarz (Rezension Wegener). 679 Zit. nach Trimondi (2002), S.272. 680 Zit. nach Binder (1951). 681 Vgl. Serrano (2010), S. 5 / 98; vgl. Hayword (2012), S. 33 f.

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Der Sitz dieser eingeweihten Meister oder Magi wird als Agarthi oder Shamballah angegeben. Beides sind - je nach Autor - verborgene Städte oder Reiche, die für gewöhnlich in Asien, zumeist im Himalaya oder in der Wüste Gobi angesiedelt werden. Bei Wilhelm Landig, dem Verfasser der den Neuschwabenland-Mythos prägenden Thule-Trilogie, sind es die Wächter Agarthas, die den menschen­ freundlichen Weg gegen den Widerstand der Shambalah-Menschenfeinde beschreiten.682 Der Begriff Shambalah weist dabei eine größere Authentizität und ein weitaus höheres Alter als der Begriff Agartha auf. Verschiedentlich wird er auch mit dem Shangi-La gleichgesetzt. Gemäß des tibetisch-buddhistischen Kalchakra-Tantra, einem Einweihungsritual zur Erlangung von Reinheit für Geist und Körper, existiert in Asien ein Königreich Shambalah mit 96 Regi­ onen und ebenso vielen Unterkönigen. Einer Erklärung des Dalai Lamas zu­ folge, handelt es sich um „ein reines Land, das man nicht unmittelbar sehen oder aufsuchen kann - es sei denn, Karma und Verdienst eines Menschen sind dement­ sprechend gereift. ... Obgleich Shambalah ein wirkliches Land - ein wirklich reines Land - ist, haben gewöhnliche Menschen keinen unmittelbaren Zugang zu Shambhala....... " Hierzu ergänzt Godwin: „Dafür den Buddhisten jegliche Existenz, sogar die der Götter in ihren Himmeln, Illusion ist, läßt sich eine wirkliche Stadt, auf die man auf der Landkarte oder am Ende der Straße stößt, von einer „unwirk­ lichen" wie Shambalha nicht so deutlich unterscheiden, wie es dem Materialisten scheinen mag." Aber zugleich betont Godwin auch, daß dies nicht bedeutet, daß dies schon immer so gewesen sei - mit anderen Worten, hält er ein einst­ mals existentes Land unter der Bezeichnung durchaus für möglich.683 Eine frühe Apologetin des Agartha-Mythos war die Russin Helena Petrovna Blavatsky. Zwischen 1848 und 1858 bereiste sie die Welt und besuchte Südamerika, Ägypten, Syrien und auch Tibet. In Ägypten wurde sie durch den alten koptischen Weisen Metamon in die Magie eingeführt und machte Bekanntschaft mit der Hermetischen Bruderschaft von Luxor. In London traf sie einen Meister Morya, der sie über die „Meister der Weisheit" aufklärte, die auf dem spirituellen Pfad sehr weit fortgeschritten sind und die geistige Welt zu beherrschen, zu meistern gelernt haben. Nach weiteren Begegnungen mit Mystikern und Okkultisten an verschiedenen Orten der Welt gründet Blavats­ ky angeregt von einem spirituellen Meister 1875 in New York gemeinsam mit John Steel Elcott und weiteren Freunden die Theosophische Gesellschaft. 1888 erscheint ihr bedeutendstes Werk, Die Geheimlehre, in der die Grundlagen der Theosophie festgehalten werden. Hier erwähnt Blavatsky auch die „Wei­ ße Bruderschaft" als Orden der Eingeweihten von Shambalah: 682 Landig (1980). 683 Godwin (2007), S. 116 f.

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„Die letzten Überlebenden des schönen Kindes der weißen Insel ( des ursprüng­ lichen Sherva-dvipa) waren Zeitalter vorher zu Grunde gegangen. Ihre (Lemuriens) Auserwählte hatten Zuflucht außer Heiligen Insel (jetzt dem fabelhaften Shambhalah in der Wüste Gobi gefunden, während einige von ihren verfluchten Rassen, die sich von dem Hauptstamm trennten, jetzt in den Dickichten unter der Erde (,Höh­ lenmenschen') lebten, als die goldig-gelbe Rasse (die vierte) ihrerseits „schwarz vor Sünde" wurde..." Diese heilige Insel, soll Blavatsky zufolge „bis zur gegen­ wärtigen Stunde als eine Oase, umgeben von der schrecklichen Wildnis der großen Wüste Gobi" existieren.684 Innerhalb der Theosophischen Gesellschaft wurde der Shambalah-Mythos weiter ausgeprägt. Im Buch „Man: Whence, How and Whither" (Der Mensch: Woher, Wie und Wohin, 1913) heißt es, Shambalah sei um 70.000 v. Zw. durch den Manu (Priester-König-Gründer) der arischen Rasse an den Ufern der Gobi-See gegenüber der Weißen Insel gegründet worden. Ebenfalls inspiriert von der Theosphischen Gesellschaft bereiste Nicolas Roerich mit seiner Familie zwischen 1925 und 1928 China und die Mongolei bis zur Grenze Tibets und hielt seine Eindrücke in mehreren Büchern fest, deren bekanntestes den Titel „Shambhala" trug. Hier schrieb er: „Shambhala ist der Heilige Ort, an dem die irdische Welt sich mit den höchsten Zuständen des Bewußt­ seins verbindet. Im Osten ist man sich bewußt, daß es zwei Shambhalas gibt - ein ir­ disches und ein unsichtbares. Über die Lage des irdischen Shambhala ist viel spekuliert worden. Nach gewissen Andeutungen liegt dieser Ort im äußersten Norden; demnach sind die Strahlen des Nordlichts die Strahlen des unsichtbaren Shambhala."685 Mit dieser Aussage verweist Roerich auf die wahrscheinliche Herkunft des Mythos aus dem äußersten Norden. Anders als Shambalah, ist der Be­ griff Agarthi dabei überaus jungen Ursprungs und reicht lediglich bis ins 19. Jahrhundert zurück. Die mutmaßlich erste Erwähnung Agarthas findet sich bei Louis Jacolliot (1837-1890). In „Le Fils de Dieu" (Der Sohn Gottes, 1873) berichtet der Franzose von indischen Brahmanen die ihn mit der Legende von Asgartha vertraut gemacht hätten. Diese prähistorische Sonnenstadt war Sitz des „Brahmatma", des obersten Priesters der Brahmanen, welche Indien seit 13.300 v.Zw. regiert hätten.686 Unterstützung fand die allzu phantastische Beschreibung Jacolliots in ei­ nem Buch mit dem Titel „Mission de linde", dessen Manuskript sich unter den Papieren des verstorbenen Schriftstellers von Saint-Yves d'Alveydre befunden hatte. Ursprünglich hatte Saint-Yves das Buch bereits drucken lassen, vernichtete vor der Erscheinung jedoch aus bislang ungeklärten 684 Blavatsky (1969/2), S. 333. 685 Nicholas Roerich 1930, zit. nach Godwin (2007), S. 123. 686 Vgl. dazu Guenon (1987), S. 13 ff.

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Bild des russischen Abenteurers Nicholas Roerich - Tibetischer König Gautsa Gründen die gesamte Auflage bis auf zwei Exemplare, deren eines bei ihm verblieb und das andere widerrechtlich vom Drucker selbst einbehalten wurde. Spekulationen zufolge, soll Saint-Yves nach Bekanntwerden der Veröffentlichungspläne mit dem Tod bedroht worden sein. Die posthum veröffentlichte Auflage enthielt jedenfalls die Schilderung einer mystischen Geheimgesellschaft, deren Namen „Agarta" [Agarttha] war. Neben allerlei merkwürdigen Beschreibungen dieser angeblichen Reise durch Zentralasi­ en mutet am unwahrscheinlichsten die tatsächliche Existenz einer unterir­ dischen Welt an, deren Verzweigungen sich überallhin erstrecken, unter Erdteile und Meere, und durch deren Kraft sich unsichtbare Fäden durch alle Gegenden der Erde ziehen. Sein Wissen soll der Franzose von dem indi­ schen Lehrer Haji Sharif bezogen haben, der sich selbst als „Guru Pandit der großen Argathischen Schule" bezeichnete und dessen Sanskrit-Manuskripte noch in der Bibliothek der Pariser Sorbonne liegen sollen.687 Der russische Abenteurer Ferdinand Ossendowski scheint verschiedene Elemente aus „Mission de Finde" in seinem 1924 erschienendem Buch „Tie­ re, Menschen und Götter" aufgegriffen zu haben. So berichtet er von mongo­ lischen Erzählungen über ein geheimnisvolles unterirdisches Reich namens Agarthi, die ihm während eines Aufenthaltes in Zentralasien erzählt wur­ den. Dieses Reich soll der Legende zufolge unterhalb des Himalayas liegen und von einem „König der Welt" regiert werden. Dieser König wiederum stünde mit allen bedeutsamen Menschen (Könige, Priester usw.) in Verbin­ dung und lenkt deren Geschicke abhängig davon, ob sie sich gottgefällig verhalten oder nicht.688 687 Vgl. dazu Godwin (2007), S. 99 ff. 688 Ossendowski (1923), S. 345 f. weitere interessante Details, die Ossendowski berichtet, beziehen sich auf den Ursprung der Zigeuner, die einst in „Agarta" gelebt

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Rene Guenon, der bekannte französische Traditionalist und Mystiker faßt die Mythen über Agartha in einer grundlegenden Veröffentlichung zu­ sammen: „Agarta war, wie man sagt, nicht immer unterirdisch und wird es nicht immer bleiben. Es wird eine Zeit kommen, in welcher nach den von Ossendowski wiedergegebenen Worten „die Völker von Agarti ihre Höhlen verlassen und auf der Oberfläche der Erde erscheinen werden". Ehe Agarta von der sichtbaren Erde ver­ schwand, hatte dieses Zentrum einen anderen Namen, denn „Agarta", was „unzu­ gänglich" bedeutet, wäre nicht passend gewesen. Ossendowski gibt an, daß Agarta vor mehr als sechstausend Jahren unterirdisch geworden ist, und diese Zeitangabe stimmt ziemlich genau mit dem Beginn des Kali-Yuga oder des „Schwarzen Zeital­ ters“ der alten Völker des Abendlandes überein; ihr Wiedererscheinen muß mit dem Ende derselben Periode zusammenfallen. Saint-Yves hätte zweifellos diese Symbolik erklären können, aber er hat es nicht getan, und hierdurch erhalten gewisse Teile seines Buches den Anschein von Trugbildern. Ossendowski war sicher unfähig, sich vom Buchstaben zu lösen und in dem, was man ihm erzählte, etwas anderes zu se­ hen als den einfachen Inhalt im unmittelbarsten Sinne."689 Obgleich Ossendowski in seinem Bericht panslawistische Tendenzen an­ klingen ließ, fand sich das Buch auch in der Bibliothek Heinrich Himmlers und dürfte diesen wie viele andere Leser der 300 000 Exemplare des Buches in der Sicht auf das geheimnisvolle Tibet beeinflußt haben.690 Innerhalb der Polaires wird der Mythos vom König der Welt und den eingeweihten Meistern ebenfalls reichlich rezipiert. In Maurice Magres „The Return of the Magi" befaßt sich der Autor mit verschiedenen Eingeweihten des Mittelalters, darunter Apollonios von Tyana und Christian Rosenkreutz, dem Begründer der gleichnamigen Geheimgesellschaft. In einem Kapitel mit der Überschrift „Der unbekannte Meister der Albigenser" geht Magre der Frage nach, inwieweit die französischen Ketzer (Katharer, in Eigenbezeich­ nung Albigenser) durch die bulgarischen Bogumilen-Bewegung beeinflußt wurden. Dabei kommt er auch auf die Rolle der südfranzösischen Gräfin Esklarmonde zu sprechen, von der die Gräfin Pujol abstammen soll - ein vor der engen Verbindung der Gräfin mit den Polaires überaus interessanter Aspekt, der nahelegt, daß die Polaires den direkten Kontakt mit der Gräfin gesucht haben.691 haben sollen sowie „unterirdischen Feierlichkeiten“ der „Misteri cosmici" [kosmi­ sche Mysterien] Augenblicke, in denen die in der Wüste Reisenden stehen bleiben, in denen sogar die Tiere verstummen; Ossendowski versichert, daß er selber einem derartigen Augenblick allgemeiner Sammlung beigewohnt habe. Ferner berichtet er von einer verschwundenen Insel, auf der merkwürdige Menschen und Tiere lebten. 689 Guenon (1987), S. 67f. 690 Vgl. Wegener (2004). 691 Magre (1975), S. 43 / 65 ff.

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Rene Guenon, der Marquäs-Riviöre zufolge in seinen Werken stets an die westlichen Eliten appellierte, nach dem eigentlichen Sinn der wahren Tradition zu suchen, der im Westen in Vergessenheit geraten ist, geht noch einen Schritt weiter: „Nimmt man den Titel,König der Welt' in seiner höchsten, umfassendsten und gleichzeitig strengsten Bedeutung, so bezeichnet man damit eigentlich ,Manu', den Urgesetzgeber des Universums, dessen Name sich in verschiedener Form bei vielen alten Völkern findet. Dieser Name ist übrigens der Ausdruck für ein Weltprinzip und nicht für eine geschichtliche Persönlichkeit, aber dieses Prinzip kann sich durch ein geistiges Zentrum auf Erden manifestieren, durch eine Organisation, deren Aufgabe darin be­ steht, die heilige Tradition rein zu bewahren; und das Haupt einer solchen Organisati­ on, welches in gewisser Weise Manu selbst verkörpert, wird zu Recht seinen Titel und seine Kennzeichen tragen dürfen. Das ist wohl der Fall in „Agarta", falls jener Kreis, wie Saint-Yves behauptet, die Erbschaft der alten Sonnen-Dynastie (Suryavanscha) an­ getreten hat, die einst in Ayodha ihren Sitz hatte und in ihrem Ursprung wieder auf Vaivaswata, den Manu des heutigen Kreises zurückgeht...... Im Mittelalter gab es eine Erscheinung, in welcher diese beiden verschiedenen Machtsphären in einer Weise ver­ einigt waren, die wohl der Erwähnung wert ist: man sprach zu jener Zeit oft von einer geheimnisvollen Gegend, dem,Reich des Priesters Johannes'."692 Der auch Priesterkönig Johannes benannte mythische Herrscher soll ein christliches Königreich in Asien regiert haben, das sich nie lokalisieren ließ. Anläßlich eines Kreuzzuges des römischen Papstes war ein angeblicher Brief publik geworden, in dem Johannes seine Hilfe bei dem bevorstehen­ den Kreuzzug anbot. Seine Selbstbeschreibung als „König der Könige" rückt ihn unzweifelhaft in die Nähe des Königs der Welt Agarthis. Wenn man sich jedoch die wahrscheinliche etymologische Entstehung des Begriffs Agartha aus Asgartha betrachtet, kommt man nicht umhin, die Lo­ kalisierung in Asien in Frage zu stellen. Tatsächlich handelt es sich dabei um Übernahme eines uralten Paradies-Mythos, der als Asgard, Hyperboräa, Thu­ le, Atlantis usw. in den äußersten Norden weist: „Aber die schwarzen Zyklen der Zeit haben den Meister des Westens verjagt und er ist in den Orient gewandert... das Hakenkreuz ist alleine geblieben, Symbol der Zentralmacht des ,Himmelsjuwels'", beschreibt Jean Marquäs-Rivieres die Legende.693 „Meister des Westens" oder „Nordischer Chakravartin (Himmelsdreher)" - wo liegen nun die tatsächlichen Wurzeln des „Königs der Welt"? Das arktische Paradies und der Polarstern Wie bereits angedeutet, weisen sowohl der Shambhala-Mythos mit sei­ ner „weißen Insel" und der „weißen Bruderschaft" als auch der Agharta/ 692 Guenon (1987), S. 19 ff. 693 Zit. nach Trimondi (2002), S. 279; über einen Botschafter „nordischen Typs" gibt er seine Befehle an die Völker Asiens, wie Wegener (2004), S. 144 ergänzt.

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Asgartha-Mythos auf eine Herkunft weit im Norden, genauer gesagt auf ein Gebiet eingehüllt von Eis - die Arktis. „Die Arktis soll", so Binder, „der Schauplatz des ersten, des „goldenen" Zeital­ ters gewesen sein, so wie nach einem, möglicherweise durch kosmische Katastrophen verursachten Klimawechsel dann das „silberne" zweite Zeitalter auf der Rieseninsel Atlantis begonnen haben soll: dem Geheimnis des Nordens wäre also das Geheimnis des Westens gefolgt. Die Sprache bewahrt solche Erinnerungen noch sehr lange. Noch im lateinischen Kulturkreis hieß das äußerste nordische Meer, in welchem das Land Thule lag, das „Mare Cronium", nach Kronos, dem Gott des goldenen Zeit­ alters. Wer erinnert sich hiebei nicht auch des Landes der mythischen Hyperboräer im äußersten Norden, des Landes, aus dem die archaischen Urstämme den delphi­ schen Apollon mitbrachten? Viele Jahrhunderte später finden sich bei Jakob Böhme verschiedene Hinweise auf das gleiche Thema und auch sein Schüler Postel sagt ausdrücklich, und zwar in seinem „Compendium Cosmographicum", daß sich das Paradies unter dem arktischen Pol befinde. Hierher gehört auch die alte theosophi­ sche Behauptung, daß im Gegensatz dazu „unter der Fläche des südlichen Polarkontinents (der Antarktis) sich die Schwarzmagier ein unerhörtes Reich gebaut hätten"; wie denn überhaupt die Lehre von der Welt als Hohlkugel, die aber nicht mit der Hohlwelttheorie zu verwechseln ist, höchst überraschende Ausblicke gestattet."694 Guenon unterscheidet das „Tula der Atlantis-Zeit" - gleichbedeutend mit dem Reich des Westens - vom ursprünglichen „Tula der Hyperboräer". Die­ ses Tula, „das die Griechen in Thule umwandelten" war für Guenon gleichbe­ deutend mit der heiligen oder weißen „Insel der vier Meister", jenem „ersten und höchsten Zentrum des gesamten jetzigen Manvantara" (Weltentages bzw. Zeitalter eines Manu). Die Bezeichnung „Tula" leitet Guenon dabei aus dem Sanskrit („Waage") ab, was sich auf das Tierkreiszeichen bezöge, das einst als „Großer Bär" bekannt war. Dieser - identisch mit dem großen Wagen - ist das klassische Sternbild des Nordpols. In der Mitte der heiligen Insel erhebt sich den Mythen zufolge der „weiße Berg", auch „Sonnenberg" genannt, der dem Berg Meru der Indoarier, dem Berg Aztlan der Südamerikanischen Indios sowie dem nordischen Mitternachtsberg entspricht und das Zentrum bzw. den Nabel der Welt verkörpert.695 Auch das Hakenkreuz, als Heilszeichen der Hyperboräer, habe hier sei­ nen Ursprung: Als Verkörperung der Drehung des kleinen Wagens um den Großen über die Achse der Polarsterns entsteht sinnbildlich das Haken­ kreuz. Von hier ging seine Verbreitung über die Welt aus.696 Wie der indische Forscher Balghangadar Tilak ausführte, existieren inner­ halb ältester vedischer und avestischer, also alter indoarischer Überlieferun­ 694 Binder (1951). 695 Guenon (1987), S. 79 ff. 696 Vgl. dazu Godwin (2007), S. 181 f. 227

gen, Berichte über das einstige Paradies „Airyana Vaejo", in dem ein König Yima über ein sorgenfreies Land regierte. Durch den Einbruch eines harten Winters mit seinen naturfeindlichen Elementen wäre das Land für den Men­ schen unbewohnbar geworden und hätte so den Auszug der alten Arier aus dem arktischen Paradies ausgelöst. Für Tilak war dies unzweifelhaft ein Phä­ nomen, das in Zusammenhang mit dem Einbruch einer Eiszeit bzw. einer Zwischeneiszeit oder eines Kältemaximums stehen mußte - ein Vorgang, der uns bereits in der Lehre Herman Wirths begegnete, der ebenfalls von Tilak inspiriert wurde.697 Gemäß Julius Evola wurde trotz der lange zurückliegenden Auswan­ derung der polare Mythos und die Sehnsucht nach dem Polarstern in den Nordmenschen bewahrt: „Die Lokalisierung des Urzentrums oder des Ursitzes der olympischen' Kultur des goldenen Zyklus in einem borealen bzw. nordisch-bo­ realen, heute verschwundenen Land ist ein Motiv, das in den alten Überlieferungen immer wiederkehrt.... Unter seinen zahlreichen Namen ... hatte der hyperboräische Mittelpunkt die Bezeichnungen Thule, weiße Insel bzw. Insel des Glanzes,, Ursamen der arischen Rasse' (airyanem-vaejo), Sonnenland und Land Apollos, Avallon."698 Die Polarier scheinen sich der Herkunft des Mythos und der Verlegung nach Asien gewahr gewesen zu sein und schufen eine geistige Brücke zwi­ schen den magischen Landschaften Tibet und dem Pol. Innerhalb ihrer ok­ kulten Praxis stand der Polarstern im Mittelpunkt. „Es ist eine uralte Lehre der Brahmanen Indiens", wie Binder bemerkte, „daß jeder der großen Rishis, oder Wei­ sen der Vorzeit, einen Stern des ,Großen Bären' bewohnt und daß der Polarstern Sitz ihres Oberhauptes ist (Sedir)."699 Mit diesem Wissen ausgestattet, suchten die Polarier offenbar die geis­ tige Wiederherstellung der Verbindung zwischen polarer Urheimat und asiatischem Refugium. Noch 1951 berichtet die Zeitschrift „Neues Europa" (Neujahrsnummer 1951) über eine merkwürdige Botschaft aus dem Reiche der Polarier. „Wir werden uns", so heißt es in dieser durch ein Medium ver­ mittelten Botschaft, „bald mit den Menschen des Westens in Verbindung setzen, wenn sie die ihnen auferlegte letzte Prüfung bestanden haben. Dann hebt das neue Zeitalter an, das erste des Wiederaufstiegs der gefallenen Menschheit." Und über all der geheimnisvollen Aura der Gesellschaft steht der Grund­ satz: „Wenn jemand aus bloßer Neugierde mit uns Zusammentreffen will, so wird ihm dies niemals gelingen. Aber wenn ihn in der Tat der ehrliche Wille beseelt, sich einzufügen in die Reihen unserer Brüderschaft, so werden wir, die wir seine Gedan­ ken lesen, ihm die Wahrheit all unserer Versprechungen sehen lassen; und zwar, ohne daß wir ihm den Sitz unseres Ordens weisen müßten, da schon allein seine 697 Tilak (2010), S. 129 f; Wirth (2010). 698 Evola (1978), S. 33 f. 699 Binder (1951); vgl. dazu Godwin (2007), S. 108.

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Gedanken, zusammen mit seinem ernsthaften Willen, genügen werden, ihn zu uns zu führen und uns zu ihm."700 Einer der zu den Polaires geführt wurde, war zweifellos Gaston de Men­ gel, der in unserem Kontext eine besondere Bedeutung einnimmt.

9.3. Gaston de Mengel und die Geheimwissenschaften im Ahnenerbe Auch wenn diverse Behauptungen, wonach im Ahnenerbe „alle Mitglieder von Crowleys ominösem Tempelorden sowie der Vril- und Thulegesellschaft" ein­ bezogen worden wären,701 als Unfug bezeichnet werden können, beweist die Gründung einer Ahnenerbe-Abteilung zur „Erforschung der sogenannten Geheimwissenschaften", die in einer Denkschrift des Ahnenerbe von 1939 bereits als existent bezeichnet wird, daß die Befassung mit okkulten Dingen innerhalb der SS durchaus offiziellen Status besaß.702 Die Untersuchung der Geheimwissenschaften im Rahmen des Ahnen­ erbes nehmen insofern eine besondere Stellung ein, als daß sie oftmals als hinter den wissenschaftlichen Expeditionen stehende Antriebskräfte gelten. Dabei sollen die Arbeiten der Abteilung zur Untersuchung der Gesellschaf­ ten nicht nur selbige wissenschaftlich erforscht haben, sondern auch eine Nutzbarkeitsmachung derselben angestrebt haben.703 Wie bereits angesprochen, geht der führende Experte, Kater, hier von einer bloßen Papier-Existenz aus, da kein einziges Dokument innerhalb der Akten angelegt ist, jedoch erscheint gerade das Fehlen jeglicher Dokumente gera­ dezu auffällig angesichts der Konfiszierung zahlreicher Bestände freimaure­ rischer Archive, in die auch das Ahnenerbe involviert war. Zumindest hätte man Dokumente zur Eröffnung der Abteilung oder zu vorgesehenen Mitglie­ dern erwartet, doch auch diese fehlen zur Gänze. Antworten hierauf könnten Akten liefern, die sich auch mehr als 60 Jahre nach Kriegsende in den Beute­ archiven der Siegermächte befinden. Daß dies tatsächlich so ist, legt die Lektü­ re englisch-sprachiger Veröffentlichungen nahe, die trotz oftmals ausschwei­ fender Spekulationen dennoch immer wieder Akten aus dem Nationalarchiv in Washington erwähnen, die interessante Aspekte enthalten, zumeist aber zufällig in anderen Zusammenhängen gefunden werden. Erhärtet wird die 700 Zit. nach Binder (1951).

701 So Ravenscroft (1976). 702 Vgl. dazu auch Trimondi (2002), S. 112 f. 703 So etwa Ravenscroft (1976); wobei trotz der Unzuverlässigkeit dieser Quellen eine Verwendung von Literatur etwa zu alchemistischen oder esoterischen Themen durchaus glaubhaft wäre.

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Annahme eines einstmals existenten Aktenbestandes durch die wenigen vor­ handenen Dokumente, die mit der Okkultforschung in Verbindung stehen. Die „Okkult"-Forschung Gaston de Mengeis Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang ein weiterer Pro­ tagonist aus dem Umfeld der Polaires, der enge Kontakte mit der SS un­ terhielt. Die Rede ist von Gaston de Mengel, einem mysteriösen britischen Forscher, der sich mit verschiedenen esoterischen Forschungen befaßte und 1937 auf den SS-Führer Himmler traf. Nach Angaben des Autoren Gerard De Sede war De Mengel von 1928 bis 1931 Mitarbeiter der Zeitschrift „Voile d'Isis"und veröffentlichte ein Buch im Verlag Paul Chacornac. Gemeinsam mit Israel (Georges) Monti gründete er 1924 eine Studiengesellschaft für westliche Esoterik.704 De Mengeis Partner Monti war eine überaus schillernde Persönlichkeit: Schon vor dem ersten Weltkrieg als deutscher Geheimagent geführt und als solcher von den Nationalsozialisten übernommen, verkehrte er auch mit Papus und war zeitweise Sekretär des berühmten Neo-Rosenkreuzers Peladan bevor er zum Judentum konvertierte und hochgradiges B'nai B'rithMitglied wurde. Wenige Monate bevor De Mengel nach Deutschland auf­ bricht, wurde Monti am 21. Oktober 1936 durch Gift ermordet und „in aller Stille beerdigt".705 Zu den publizierten Themen De Mengeis zählen die Alchemie bzw. „Trans­ mutation" (1913), „Traditionelle Elemente des Gnostizismus" (1930) sowie At­ lantis (1931).706 Ein besonderes Interesse bei Himmler dürfte ein 1935 in „Mercure de France" erschienender Artikel de Mengeis hervorgerufen haben, der sich mit der Freimaurerei befaßt. In diesem kam der Brite zu dem Schluß, daß sich die ursprünglich hehre Freimaurerei vom rechten Pfad entfernt habe und daher zu 70-80 % zu eliminieren sei (nicht physisch sondern organisatorisch) - mit dem Rest, sei eine neue hermetische (Gegen-)Organisation zu gründen. Denn, so führte De Mengel aus, „in jeder Hinsicht wäre ein Geraderichten der Freimaurerei im Sinne der Tradition besser", als eine Vernichtung.707 Aufgrund der sich mit den Forschungsgebieten des Ahnenerbe über­ schneidenden Themen de Mengels, reiste dieser auf Einladung Yrjö von Grönhagen im Februar 1937 nach Berlin. Hier kommt es zu zwei längeren Gesprächen zwischen De Mengel, von Grönhagen und Karl-Maria Wiligut, der seinem Dienstherren folgende Zusammenfassung zuleitet: 704 So Schwarz (Rezension Wegener); vgl. ebenso Wegener (2004), S. 81. 705 So Wegener (2004), S. 83, der sich auf Gerard De Sede (Rennes-le-Chateau. Paris 1988) beruft. 706 So Wegener (2004), S. 68. 707 Dazu, einschließlich der übernommenen Zitate: Wegener (2004), S. 77.

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„Wie dem Reichsführer durch Herrn von Grönhagen bekannt geworden ist, hält sich zur Zeit Herr de Menget in Berlin auf. Er kam auf Vorschlag und Veranlassung des Herrn v. Grönhagen zu zwei Besprechungen, wobei dieser einen kurzen Über­ blick über seine Forschungen, Studien und weiteren Absichten gab. Nach seiner und den Angaben des Herrn v. Grönhagen verfügt er über eine ungewöhnlich reich ausgesuchte Literatur, die in ihrer Art Seltenheit besitzen dürfte. ... Seine Studien erstrecken sich auf vorchristliches, indisches, persisches und teilweise chinesisches Schrifttum, behandeln die Entwicklung verschiedener Geistes- und Religionsfragen; unter anderen interessiert er sich eingehend für die Edda, die Veden, die Kabala usw. Sonderstudien befassen sich mit Berechnungen über den Pyramidenbau, über alte Baugeheinmisse mittelalterlicher Bauhütten usw.... an einer dieser Besprechungen nahm auf meine Veranlassung hin SS-Oberscharführer Otto Rahn teil, weil dieser ein großes Interesse für die verschiedenen angegebenen Gebiete besitzt und fließend französisch spricht. Soweit SS-Oberscharführer Rahn auf einer seiner früheren Reisen über die von Herrn de Mengel berichteten Forschungen eigene Beobachten machen konnte, bestätigte er deren Richtigkeit."708 Darauf reagiert Himmler mit einem Schreiben seines Stabes, in dem Weisthor beauftragt wird, für die Fotokopie und Übersetzung der Werke de Mengeis zu sorgen. Ferner wird Weisthor das Einverständnis für weitere Besprechungen mit dem britischen Autoren gegeben, denen sich Himmler gelegentlich anschließen würde.709 Dem Wunsch Weisthors entsprechend, werden Rahn und von Grönhagen als Übersetzer der Werke De Mengeis nominiert, Dr. Fritz Bose, Abteilungs­ leiter der Ahnenerbe-Stätte für Indogermanische Musik soll die musikwis­ senschaftlichen Arbeiten, Frenzolf Schmid die mathematisch-astronomi­ schen Ausführungen begutachten.710 In Schmids Stellungnahme vom 21. März 1937 werden die „magischen Rechnungen" De Mengeis als „auf alten Erkenntnissen aufgebaut und richtig" bewertet, wobei Schmid sicher ist, daß „die Feststellungen de Mengeis bewußt oder unbewußt durch die bezogene Vorliteratur, sowie auch auf die Gedanklichkeit der Attalantiner, .... damit auf den arischen Weltkreis zurückreichen, der nicht nur von den Germanen, sondern auch von anderen arischen Völkern übernommen wurde."711 Zur gleichen Zeit erhält de Mengel den Auftrag einen Bericht über Ge­ heimbünde für die SS zu erstellen - dieser Bericht fehlt jedoch in den sonst erhaltenen Akten.712 Mit seinen bereits im Artikel von 1935 erfolgten Spe­ kulationen über Geheimgesellschaften und selbst politische Bewegungen, die nichts anderes seien als „Instrumente, manipuliert von Gruppen ausgestattet 708 BArch NS 19 3974 Bl. 2 ff. 709 BArch NS 19 3974 Bl. 5. 710 vgl. Wegener (2004), S. 78 f. 711 BArch NS 19 3974 Bl. 9. 712 So Wegener (2004), S. 77.

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mit einer ungeahnten Kraft, die auf ein einzigartiges und schreckliches Ziel abzielen“713 dürfte er jedoch bei dem okkultgläubigen Himmler offene Türen eingerannt haben. Der SS-Chef jeden­ falls verpflichtet den Bri­ ten für die SS im Rahmen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten.714 Am 22. Mai 1937 reist dieser, finanziert Nicholas Roerich: „The Command ofRigden von der SS, nach Finnland, Djapo der „Herrscher Shambalahs wo sich bereits Yrjö von Grönhagen aufhält. Von Helsinki aus sendet De Mengel am 23. Juni einen Bericht an Weisthor in Ber­ lin, der überaus obskur anmutet: Demnach habe er ein „Schwarzzentrum" in Sin-Kiang (Mongolei) lokalisiert, welches durch eine „Kraftachse" mit Murm (Finnland) in Verbindung stehe.715 Überraschenderweise ist der Brief mit der Unterschrift De Mengeis in deutsch verfaßt, obgleich ja Rahn offiziell in Deutschland noch als Übersetzer fungierte. Den „Kraftlinien und -Zent­ ren", die den Hintergrund dieser Forschung darstellten, liegen Annahmen zugrunde, denen zufolge es auf unsichtbaren sogenannten Kraftlinien ver­ bundene Orte gibt, die eine physikalisch nicht meßbare Kraft bergen. Diese Kraft würde an einem Ort gebündelt und für bestimmte Zwecke nutzbar ge­ macht. Dabei unterschieden sich die zwischen Weißen und Schwarzen Zen­ tren, wobei erstere in Zusammenhang mit arischen, letztere mit judäischen bzw inzwischen freimaurerischen Zirkeln stehen würden. Sowohl bei den Alliierten als auch den Deutschen existierten jedoch Hellsichtige, welche diese uralten Orte ausfindig machen könnten, die auch für Kriegszwecke einsetzbar wären. Spekulationen zufolge, soll sich auch Otto Rahn 1937 in Finnland aufgehal­ ten haben. So erwähnte Arfst Wagner für dieses Jahr eine „Finnland-Expediti­ on Rahns" für die allerdings keine Quellen vorliegen. Unbestritten war Rahn jedoch im Jahr 1937- vor dem 1.9.1937, als er einen 4-monatigen Strafdienst im KZ Dachau antrat716 - im Auftrag des Reichsführers Himmler mit einer For­

713 De Mengel in „Mercure de France", Ausg. VII/1935, zit. nach Wegener (2004), S. 77. 714 So Wegener (2004), S. 81. 715 BArch NS 19 3974 Bl. 45. 716 Vgl. Lange (1999), S. 185; Lange hält nach wie vor eine von Wagner nahegelegte Finnland-Reise Rahns für ausgeschlossen, so eine pers. Mitteilung an den Verfasser.

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schung im Ausland betraut, was aus einer Mitteilung des Adjutanten Himm­ lers an das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS, welches für die Überprü­ fung des Ariernachweises von SS- Angehörigen zuständig war, deutlich wird. Hier wird mit Hinweis auf die Forschungsreise Rahns dessen die bis dato aus­ gebliebene Aushändigung seines Abstammungsnachweises entschuldigt.717 Aufgrund der vorherigen Beteiligung Rahns - gemeinsam mit dem sich nach­ weislich in Finnland aufhaltenden von Grönhagen - an den Forschungen De Mengeis scheint die Möglichkeit jedenfalls nicht ausgeschlossen und würde auch dem Zitat Sinn verleihen, Rahn habe für Himmler irgendwelche gehei­ men Aufträge ausgeführt718 - die naheliegenderweise nicht in irgendwelchen Akten dokumentiert sind. Weisthor berichtet Himmler über De Mengeis Mitteilungen und fügt hin­ zu: „Ich bringe dieses Schreiben deshalb zur Kenntnis, weil Gaston de Mengel mich fragt, was ich davon halte. - Ich halte diese Information für immerhin beachtenswert und bitte ihr entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken. Meiner Vermutung nach werden dort von den Russen nach Übereinkunft mit Frankreich und England Flug­ stützpunkte errichtet. Ob diese Vermutung zutrifft, könnte der SD zu ergründen versuchen."719 Wenige Wochen nach seinem ersten Schreiben legt De Mengel nochmals nach und schreibt: „Vor einigen Jahren erhielt mein russischer Freund (er half uns 1933 im Kampfe gegen Oung Mong und war so verwegen, uns unter falschen Vor­ wänden zu schreiben) aus Cuba ein Paket mit von Oung Mong herrührenden Doku­ menten, welche dazu dienen sollten, sogenannte,Buddhistische Zentren' in verschie­ denen Ländern zu gründen. In der Anlage seines Briefes, der mich vor einigen Tagen erreichte, schickte er mir eine Zusammenfassung eines dieser Dokumente. Auszug einer von Oung Mong 1934 veröffentlichten Erklärung: Das geheime Hauptzentrum der ganzen buddhistischen Welt, das unter dem Namen ,Einsied­ lerreich der Welt' und buddhistisches Zentrum Ch'An Cheng Cob' bekannt ist, ist, wie man behauptet, zerschlagen worden. Nicht ist falscher als dies. Es ist nur an einen sichereren Ort verlegt worden, weil da, wo es früher lag, in Urumchi in Sin-Kiang die politischen Konflikte und andere Unruhen das Führen unseres hei­ ligen Sitzes ,Päpstlicher Stuhl' an diesem Ort unmöglich machten. Vor kurzem ist das , Einsiedlerreich der Welt',Nomade' geworden und hat sich augenblicklich am Thibet niedergelassen .... Man hat in der Welt sich widersprechende und irrige Kommentare verbreitet, die von einer schlecht unterrichteten Presse sowie von Ge­ sellschaften, die der Gegenwart des erwarteten Messias in dieser Welt, des neuen Beiehrers der Welt, dem Herrn Maitreya, von dem man annimmt, er sei die letzte 717 Siehe Lange (1999), S. 183; dies erhärtet die Annahmen, daß er sich 1937 ent­ weder in Südfrankreich oder aber in Finnland aufhielt. 718 Siehe Kap. 9.3. 719 Barch NS 19 3974 Bl. 48.

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Reinkarnation des Buddha nicht freundlich gegenüberstehen, herrühren; man ver­ sichert schließlich, daß er (Maitreya?) der Prior des buddhistischen Zentrums von Ch'an Cheng Cob, das in Asien mehr unter dem Namen von Hutulktu Krang Hsi und in der ganzen Welt bis vor kurzem unter ,Ehrwürdiger (Meister vom Stuhl) Anagarik Chasshekankraknja alias Oung Mong, Cherenski usw., bekannt ist, sei. Dieses Dokument bestätigt das Ergebnis meiner Erfahrungen und ebenso unsere Ansicht, daß Oung Mong wenn nicht der oberste Chef des „Zentrum der Schwar­ zen" so doch wenigstens einer seiner Hauptbeauftragten ist. Der Autor dieses Do­ kuments hat das Geschick, den Eindruck zu erwecken, das dieses Zentrum das „Gro­ ße Zentrum der Weißen", das „Aghartta" (mongolisch Agharti) sei, er gibt ihm zu diesem Zweck den gleichen Namen und macht die, die evtl, die Angelegenheit bezweifeln könnten, glauben, daß es sich nicht mehr an diesem Platz befinde (wäh­ renddem es noch immer dort ist). Er kann jedoch die, die wissen, daß das Aghart­ ta geheim ist, daß seine genaue Lage (im Umkreis von 1500 km vom schwarzen Zentrum entfernt) und sein Eingang für alle, ausgenommen die, die das Recht des Eintritts besitzen, unauffindbar ist, daß, wenn jemand durch Zufall hereingeriete, er nie wiederkäme, nicht täuschen. Vor einigen Jahren haben die Engländer zu diesem Versuch eine irrsinnige Summe ohne Erfolg ausgegeben.“ Die Existenz eines solchen Berichtes, offiziell verfaßt für den SD der SS bzw. Himmler persönlich, ist natürlich Wasser auf die Mühlen jedes Okkultautoren. Der Bericht vom 2. Juli 1937 wurde erst am 19.8. von Frau Schlarb, der Sekretärin von Grönhagens, an Kurt Ruppmann, Sekretär im Persönlichen Stab RF-SS, übermittelt - ein Hinweis darauf, daß die Übersetzung erst in Berlin vorgenommen wurde und zugegebenermaßen gegen eine Anwesen­ heit von Rahn in Finnland spricht. Frau Schlarb stellt darin keineswegs - wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre - den ganzen Inhalt in Frage, sondern meint, „daß eine ganz große Portion Wichtigtuerei dies schreiben ließ, denn die Ge­ genseite wird Reichsführer doch nicht ganz als Idioten werten und sich solcher un­ geschickten Dummheiten bedienen, um ihn auf falsche Fährte zu locken.... Glauben Sie, daß eine Organisation, die im Geheimen wirken will, sich einen so einsamen Ort wie hier beschrieben, aussuchen wird, um bei jedem Kongreß von so und so vielen Detektiven beobachtet zu werden? Ist dieses in einer Weltstadt nicht viel günstiger? Außerdem sind die Berichte so, daß man nichts daraus entnehmen kann, was für den SD von Bedeutung wäre."720 Mit anderen Worten glaubt auch Frau Schlarb und mit ihr von Grönhagen und Himmler durchaus an eine okkulte schwarze Macht, bezweifelt lediglich die dortige Lokalisierung. Auch Günther Kirchhoff, ein auf Vermittlung Wiliguts mit dem Ahnenerbe in Verbindung stehender Autor, befaßte sich mit den hier angesprochenen „Kraftzentren". In einer nach dem Krieg veröffentlichten Schrift über „Das 720

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Barch NS 19 3974 Bl. 47.

politische Rätsel Asien aus Ortung erschlossen" nann­ te er „Lhassa mit dem Potala" und „Urga, heute Ulan-Bator, die Mongolen-Kirche", als „wichtige Lama-Zentren“ und „Hauptanhaltspunkte für das Zusammenwirken von Europa und Asien.“721 Von hier sei in der Ge­ schichte immer wieder der Vorstoß der Horden Asiens nach Europa, vor allem mit Alexander Kerensky Karl-Maria Wiligut Stoßrichtung Wien, inspiriert worden.722 Sicher ist, daß derlei Okkultphantasien zur damaligen Zeit weit verbreitet waren, denn just zur Zeit der Forschungen De Mengeis schreibt auch Her­ mann Rehwaldt über okkulte Zentren in Ulan Bator: „Ein unter dem Decknamen Iwan Narodny sich verbergender russische Emi­ grant enthüllt in längeren Ausführungen in der Dezembernummer 1936 dieser Zeitschrift [„Asia", New York] die geheimen Bewegungen, die sich in den Bergen, Hochebenen und Wüsten des geheimnisvollen mittelasiatischen Landes regen. ... Der heute berühmteste Wahrsager (Sung-Ma) in Mittelasien ist der in Urga, jetzt Ulan Bator, lebende Priester Gaimar. ... Die Erinnerung an die ehemalige Größe in den Tagen des Tschingis Chans .. lebt noch im Mongolenvolk.. . Daran knüpft ge­ schickt der weissagende Agent des „Herrn der Welt" an und predigt die neue kom­ mende Weltreligion als Erbe der verflossenen mongolischen Weltherrschaft:, Unsere neuen galoppierenden Legionen werden das Banner der Brüderlichkeit und Liebe tragen..... Lhassa wird nicht länger das heilige Heim unseres zukünftigen Prophe­ ten und ein Dalai Lama wird nicht länger der hohe Magier unseres Lebens sein. Es wird ein neuer Theos der Wüste erstehen, ein hoher Führer unserer sich erhebenden goldenen Horde. Von jetzt an wird Gobi das heilige Land aller Pilger der Welt sein, das Hauptquartier der künftigen lichtverbreitenden Legionen. ... Unsere Wüsten­ zelte und die New Yorker Wolkenkratzer werden die letzten Endes entscheidenden Tempel in den kommenden Wirren einer verrückten Welt sein'"723 721 Kirchhoff, zit. nach Mund (2011), S. 264. 717 Ebenda, S. 265ff. 723 Rehwaldt (1938), S. 12 f. / S. 15.; vgl. dazu Charroux (1967), S. 65 ff., der dem Herrscher der Gobi, „Bogdo Khan oder Hutuktu", der jetzt unter dem Namen „Djebtsung" als „Herr der Welt" fungiert, ebenfalls eine große Macht bescheinigt und nicht nur die Erfolge Dschingis und Kublai Kans auf ihn zurückführt.

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Rehwaldt folgert daraus, daß der Zeitpunkt zu nahen scheint, „da der Herr der Welt hinter dem ihn umgebendem Schleier des Geheimnisses hervortritt und sich der staunenden Welt als neuer Führer und Gott vorstellt." Ebenso berichtet der Autor von einem weiteren Propheten, „Tseiben-Hegen", Abt eines Gobi-Klosters, der ähnliches wie Gaimar verkündet und eine neue „Tibetische Bibel" niederschreiben wollte.724 Wie es scheint, gab es von verschiedenen Seiten Bestrebungen, die alten Mythen und westlichen Adaptionen durch Theosophen und Neo-Rosenkreu­ zer in eine bestimmte Richtung zu kanalisieren, die einen völligen Umsturz der tibetisch-asiatischen Verhältnisse anstreben und so viele Asiaten ebenfalls für eine „neue Weltordnung der Brüderlichkeit und Liebe", freilich unter Vor­ spiegelung des Wiedererstehens der „Goldenen Horde", zu mobilisieren. Dies war zumindest die Deutung De Mengeis, dem Himmler hier durchaus ge­ folgt sein dürfte. Überliefert ist jedenfalls sein zustimmender Kommentar zu den Thesen des Freimaurer-Autoren Karl Heise bezüglich des Zusammenspiels zwischen russisch-bolschewistischen und anglo-amerikanischen Kreisen.725 Wegener identifiziert den von De Mengel Cherenski genannten Meister vom Stuhl als den jüdisch-russischen Revolutionsminister Alexander Kerenski,726 der gemäß Heise, Mitglied des B'nai Brith Ordens war und als „Beschützer des Bolschewismus" galt.727 Kerenski war im Oktober 1917 als Ministerpräsident der Übergangsregierung von den Bolschewiki gestürzt worden und nach Paris emigriert, von wo aus er nach der deutschen Besetzung 1940 in die USA floh.728 In die USA weist auch ein weiterer Akteur, ein US-Architekt, der als Ein­ siedler unter dem Namen „Donaldo Lama" mit seinen Anhängern an der Errichtung eines Tempels 300 Meilen südlich von Ulan Bator für den kom­ menden Propheten arbeitete.729 Ungeachtet dieser Spekulationen und Mythen sind spätestens mit Kriegs­ beginn, dem die Entlassung Weisthors kurz zuvor ging, keinerlei Aktivitäten Himmlers in dieser Richtung mehr nachweisbar. Scheinbar stellte das Ahnen­ erbe bezüglich der Eingaben de Mengeis keinerlei eigene Forschungen an. Aus einem Schreiben Ruppmanns an Wolff geht hervor, daß das Ahnenerbe für die (fotokopierten und übersetzten) Arbeiten de Mengels keine Verwendung hatte, so daß diese schließlich sogar im Archiv der Wewelsburg gelandet sein sollen, wo sie jedoch bei Kriegsende „verloren" gingen.730 Denkbar wäre aber, 724 Rehwaldt (1938), S. 13. 725 Wegener (2004), S. 109. 726 Wegener (2004), S. 108. 727 So Heise (1921), S. 64 f; siehe auch Carmin (2005), S. 56/664. 728 Vgl. Wikipedia: Alexander Fjodorowitsch Kerenski. 729 Rehwaldt (1938), S. 15 f. 730 Vgl. Schreiben Ruppmann an Wolff vom 21.6.1939, in dem der Vorschlag zur

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daß in Reaktion auf das Desinteresse der beteiligten Ahnenerbe-Mitarbeiter die Gründung jener Ahnenerbe-Forschungsstätte vorangetrieben wurde, die 1939 als existent bezeichnet wird, von der aber jede Spur in den Akten fehlt: Die Abteilung zur „Überprüfung der sogenannten Geheim Wissenschaften" Wie ist aber die Arbeit de Mengeis heute einzuschätzen? Noch im Jahr 1947 bezeichnet Guenon den Briten als „den armen de Mengel, der seinerseits beauftragt war, das Reich Karl des Großen wiederzuerrichten!"731 Damit spielt er auf den Zusammenhang de Mengels mit Monti und den entsprechenden okkulten Kreisen an. Aufgrund dieser Bemerkung besteht die Möglichkeit, daß De Mengel vielleicht noch andere Ziele außer der Auf­ klärungsarbeit für die SS verfolgte. Bereits 1922 hatte der umtriebige Monti versucht, Okkultisten für die „Erneuerung des Templerordens" zu gewin­ nen, hinter dem sich tatsächlich der „Ordo Templis Orientis" (OTO) ver­ barg, der von Theodor Reuß gegründet und vom berüchtigten Okkultisten Aleister Crowley geleitet wurde, der wiederum ebenfalls im Verdacht der Spionage für Deutschland stand.732 Die Gründung der esoterischen Studi­ engruppe gemeinsam mit De Mengel 1924 dürfte in dieselbe Richtung ge­ zielt haben. Auch wenn zwischen dieser Zusammenarbeit mit Monti und De Mengeis Tätigkeit für die SS 13 Jahre vergangen waren und Monti ein Jahr zuvor verstarb, wäre es nicht verwunderlich, wenn De Mengel im Auftrag der Polaires oder einer anderen Gruppe Kontakte mit Deutschland und hier speziell mit Himmler gesucht hätte.733 In Frage käme, da De Mengel trotz seiner französischen Kontakte Brite war, die 1936 aus der 1934 in England begründeten britischen Polaires-Gruppe hervorgegangene „White Eagle Lodge"734, oder aber die hinter den Polaires wirkende Martinisten-Synarchisten-Gruppe (OMS) Blanchards, der seit 1933 Präsident der Polaires war und 1934 in Belgien einen Zusammenschluß „initiatorischer Logen" (FUDOSI) gegründet hatte und sich selbst als „Universellen Großmeister der Rosen­ kreuzer" bezeichnete.735 Die FUDOSI (Föderation Universelle des Ordres et Societes Initiatiques) umfaßte diverse Rosenkreuzer- und Martinisten-Gruppen sowie die Bruderschaft der Polaires.736 Leitung der Akten an die Wewelsburg gemacht wird - ob sie tatsächlich dort eingin­ gen ist allerdings ungewiß. 731 Brief an Rene Allar vom 31.12.1947, zitiert nach Schwarz (Rezension Wegener) 732 Pasi (2006), S. 124 Webb (2008), siehe S. 564ff. zur hier als abwegig erkannten These, Crowley habe Hitler getroffen bzw. sogar beeinflußt. 733 Vgl. dazu Wegener (2004), 84 f. 734 Vgl. ebenda, S. 140. 735 Vgl. www.naderlibrary.com/cult.martinist.htm; ergänzend: http://www.hermanubis.com.br/artigos/EN/ARENVictorBlanchard.htm. 736 Vgl. auch Wikipedia: FUDOSI. 237

Angesichts dieser Gemengelage verschiedenster „okkulter" Verbindun­ gen und Gruppen bleibt festzuhalten, daß der Sachverhalt keineswegs so klar ist, wie man nach Lektüre der Gralsbücher Baigents / Leighs oder der Romane Dan Browns meinen könnte: Auf der einen Seite die katholische Kirche, auf der anderen die in der Tradition des alten heidnischen Wissens stehenden Geheimgruppen der Illuminaten oder der Prieure de Sion - viel­ mehr verfolgen die vielen Gruppen allesamt individuelle Ziele, überschnei­ den sich oft jedoch personell und gehen Bündnisse miteinander ein, um sich im nächsten Moment wieder zu bekämpfen. Im Zenit dieser Machtkämpfe standen in den 30er und 40er Jahren viele Protagonisten, die eng mit dem Nationalsozialismus verwoben waren: Otto Rahn, Karl-Maria Wiligut und Julius Evola, wobei der wichtigste Handlungsraum zu dieser Zeit unzwei­ felhaft in Frankreich lag. Symbolisch für dieses Ringen steht das von der französischen Exilregierung Charles de Gaulles zum Erkennungszeichen ge­ wählte „Kreuz von Lothringen". Dieses auf das Fürstenhaus von Anjou zu­ rückgehende Zeichen wurde von Plantard und der Prieure de Sion als Wap­ pen Jesu angesehen, findet sich jedoch auch auf dem Titelumschlag zweier Bücher, die im 3. Reich eine hohe Auflage hatten und auch bei Himmler in hohem Ansehen standen: Den Büchern des Otto Rahn.737 Im Zentrum dieses Wirkens jedoch steht stets die auch mit dem Wirken Jesu - ob als mythologische oder reale Person - verbundene Suche sowohl nach Ursprung als auch nach dem „Urgrund" menschlichen Wirkens, das in dieser Zeit mit dem Mythos des Ariers als erstem „Kulturbringer" verknüpft war. Und auch wenn dieser Ursprung wie dargelegt im arktischen Norden zu suchen ist, so weisen doch Indizien auf eine Erhaltung der in Europa nahezu ausgetilgten Überlieferung in Asien und speziell in Tibet hin. Und eben dieses Land lag auch im Fokus von Himmlers Ahnenerbe.

Das Lothringer Kreuz, links auf einem Wappen der Exilregierung Frankreichs, rechts Buchcover von Rahns „Kreuzzug" 737 Gemäß Carmin (2005), S. 370ff., könnte die Prieure de Sion in ihrem Bestreben der Wiedererrichtung eines merowingischen Königshauses vom „Stamm David“ gar Urheber der in den Protokollen der Weisen von Zion enthaltenenen Pläne zur Erringung der „Weltherrschaft" sein.

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10. Geheimnis Tibet - Rätsel Paraguay Ernst Schäfer & die SS-Expeditionen „Ob ich in Tibet Menschen mit blonden Haaren und blauen Augen begegnet sei, wollte er wissen.Als ich dieses verneinte, fragte er mich, wie denn nach mei­ ner Meinung der Mensch entstanden sei. Ich gab die exakten Ergebnisse anthropologischer Forschung wider.... Himmler hörte ruhig zu. Dann schüttelte er den Kopf: Akademische Lehrmeinungen, Schul­ weisheit, Arroganz der Universitätsprofessoren, die wie Päpste auf ihren Lehrstühlen sitzen... aber von den wirklichen Kräften, die die Welt bewegen, haben sie nicht die leiseste Ahnung. Nun ja, für die min­ deren Rassen mag das allenfalls zutreffen, aber der nordische Mensch ist beim letzten tertiären Mond­ einbruch direkt vom Himmel gekommen."738 as Interesse des Ahnenerbe am Vorabend des Krieges richtete sich zu­ nehmend auf exotischere Länder - neben Tibet stand auch Südameri­ ka auf der Agenda der Forscher Himmlers. Die Neugier des Reichsführers bezüglich Tibets soll bereits 1924 durch die Erzählungen Ossendowskis über Agarthi geweckt worden sein. Dane­ ben spielte Tibet auch in den okkult-phan­ tastischen Veröffentlichungen der OkkultPioniere Blavatsky und Bulwer-Lytton (1803-1873), auf die sich auch Ossendowski bezog, eine große Rolle. Ausgehend vom Interesse Himmlers und anderer Persön­ lichkeiten des 3. Reiches an Tibet behauptet die spekulative Theorie, daß eine Verbin­ dung des Nationalsozialismus zu Tibet be­ reits seit 1928 bestanden haben soll. Draht­ zieher dieser Kontakte seien vor allem die Thule-Gesellschaft und das Ahnenerbe ge­ wesen, wobei letzteres als „okkultes Büro" des Nationalsozialismus für die Knüpfung geheimer Verbindungen zuständig geweErnst Schäfer in Tibet 1932

D

738 Emst Schäfer: Unveröffentlichte Memoiren, zit. nach Sünner (1999), S. 48 Sünner gibt zwar den Namen des Verfassers der unveröffentlichten Memoiren nicht preis, jedoch zitiert Hans-Jürgen Lange aus der gleichen Quelle mit Schäfers Namensangabe.

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sen sei739 - eine Behauptung, die angesichts der zuvor genannten Fakten einer Überprüfung überflüssig scheint. Tatsächlich stand das Interesse des 3. Rei­ ches an Tibet primär in Zusammenhang mit dem Forscher Emst Schäfer.

10.1. Ernst Schäfer & das Treffen des westlichen und östlichen Hakenkreuzes Ernst Schäfer wuchs in Waltershausen (Thüringen) auf und studierte von 1928 bis 1934 in Göttingen und Hannover Zoologie und Botanik, aber auch Geologie, Mineralogie, Chemie, Physik und Völkerkunde. Sein Spezialge­ biet lag jedoch auf der Ornithologie, der Vogelkunde. Augenscheinlich läßt sich eine frühe Verbindung des Ahnenerbes mit Ti­ bet insoweit rekonstruieren, als daß Schäfer, der 1933 in die SS eintrat, bereits 1930/31 als Student der Zoologie an einer amerikanisch-deutschen TibetExpedition teilgenommen hatte. Damals wurden biologische Forschungen bezüglich der tibetischen Fauna, speziell des Panda Bären, durchgeführt. Die Leitung oblag dem erst 21-jährigen US-Amerikaner Brooke Dolan, den Schäfer auf Vermittlung seines Lehres Hugo Weigold kennengelernt hatte.740 Der Titel des Berichtes Schäfers über diese Expedition trägt dementspre­ chend den Titel: „Berge, Buddhas und Bären" (Berlin 1933) Nach seinem Eintritt in die SS nahm er 1934 bis 36 an einer zweiten deutsch-amerikani­ schen Tibet-Expedition teil, die ebenfalls unter der Leitung des Amerikaners Brooke Dolan stand. Obwohl der Auftraggeber die „Academy of Natural Sciences" in Philadelphia war, wurde sie zum Teil von Himmler, dem Leiter des SS-Hauptamtes in Berlin SS-Obergruppenführer Heißmaier sowie der I.G. Farben finanziert.741 Im Vorwort des Berichtes über diese zweite Expedi­ tion- „Unbekanntes Tibet"- dankt Schäfer daher ausdrücklich den genann­ ten.742 Das Ziel dieser Expedition lag ebenfalls auf zoologischem Gebiet, vor allem sollte die Erforschung der Lebensweise und Verbreitung verschiede­ ner Großtiere in Innerasien, speziell in Tibet, durchgeführt werden. Dabei wurden 3600 präparierte Tiere (Vögel und Säugetiere) zu Untersuchungs­ zwecken aus Tibet mitgebracht. Daneben diente die Forschungsreise jedoch auch der „Erfassung des (innerasiatischen) Lebensraumes als Ganzes" und dem Zweck, „den Weg für eine großzügige Forschung auf anderen Wissensgebieten im 739 Ravenscroft (1976), S. 23. 740 So Mierau (2006), S. 314; vgl. auch Greve (1995), S. 170 f, der auch auf an­ thropologische Untersuchungen der Bevölkerung durch den US-Amerikaner G.T. Bowies hinweist, die man ja gewöhnlich als deutsche „Pseudowissenschaft" abtut. 741 Greve (1995), S. 171; ebenso und zur ausführlichen Beschreibung der Fahrt, siehe Mierau (2006), S. 318 ff. 742 Schäfer (1938), S. V.

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Ernst Schäfer - Bruno Beger - Karl Krause - Edmund Geer tibetischen Lebensraum zu bahnen“, wie es Schäfer selbst formulierte.743 Ob­ gleich die Leitung dem Amerikaner Dolan oblag, fungierte Schäfer als wis­ senschaftlicher Leiter. Schäfer war es auch, der zu Beginn der Reise Kontakte zum Panchen-Lama, dem damaligen höchsten geistlichen Würdenträger Ti­ bets knüpfte, und die Expedition nach der vorzeitigen Abreise der anderen Teilnehmer alleine fortsetzte.744 Schäfers Expeditionspartner Brooke Dolan hingegen, sollte ebenfalls noch eine Rolle spielen. 1943/44 soll er - einer unbestätigten Quelle zufolge - eine gemeinsame Forschungsreise mit Ilja Tolstoi, Enkel von Leo Tolstoi, unter dem Befehl des OSS - dem US-Geheimdienst und Vorläufer der CIA - nach Tibet geführt haben, die Kontakt zum Dalai Lama aufnahm und vermutlich die Tätigkeit der Ernst-Schäfer-Expedition 1939 eruieren sollte.745 Das Treffen des westlichen und östlichen Hakenkreuzes Nach seinen Erfahrungen der letzten Expedition plante Schäfer für 1938/39 eine weitere Forschungsreise, die unter seiner eigenen Leitung stehen sollte. Dabei wollte er vor allem die Fehler und Unzulänglichkeiten der vorherge­ henden Expeditionen vermeiden, die seiner Ansicht nach in der mangelnden Gesamtbewertung der wissenschaftlichen Tibet- Forschung lagen. Um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, plante Schäfer eine größere Anzahl von Expeditionsteilnehmern einzubinden, die sich mit den Bereichen Erde, Pflanze, Tier und Mensch auseinandersetzen sollten. Aller­ dings räumt Schäfer in seinem Expeditionsbericht auch die Verfolgung poli­ tischer Ziele insofern ein, als daß er auch den Zweck verfolgte, „dem Ausland zu zeigen, daß es fruchtbar ist, unserer Weltanschauung gemäß zu forschen; daß es möglich ist, Wissenschaftler der verschiedenen Geistesrichtungen in unberührten 743 Schäfer (1938), S. IV/1. 744 Vgl. Mierau (2006), S. 316. 745 Vgl. die allerdings wenig zuverlässige Quelle Moon (1999), S. 174 ff.

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Das „Treffen des westlichen und östlichen Hakenkreuzes" -Tibet 1939 Gebieten zu einer großen Idee, einer einheitlichen Blickrichtung und einer festen Kampfeskameradschaft zusammenzuschweißen. "746 Himmler, der Schäfer nach dessen Rückkehr aus Tibet 1936 zum SSObersturmführer ernannt hatte, suchte hingegen die Expedition offiziell unter die Leitung des Ahnenerbes zu stellen, um so einerseits Einfluß auf die Forschungen ausüben zu können und andererseits die Reputation des Ahnenerbes zu verbessern. Zu diesem Zweck vermittelte Himmler Gesprä­ che zwischen Schäfer und den Ahnenerbe-Leitern Wüst und Sievers, die je­ doch scheinbar nicht den gewünschten Erfolg erbrachten: Schäfer beharrte auf der Unabhängigkeit seiner Expedition und lehnte die von Himmler be­ absichtigten Forschungsprojekte zumindest zum Großteil ab. Von der vom Ahnenerbe für die Expedition vorgeschlagene Mannschaft, zu der neben je einem Runenforscher, Urgeschichtlicher und Religionswissenschaftler auch der renommierte Atlantis- und Welteisforscher Kiss zählen sollte - obgleich dieser zur betreffenden Zeit noch nicht dem Ahnenerbe angehörte,747 nahm schließlich kein Vertreter teil; ausdrücklich lehnte Schäfer die Mitnahme von Kiss ab, da er den wissenschaftlichen Ruf der Expedition durch dessen Welteis-Forschungen bedroht sah.748 746 Schäfer (1938), S. 3. 747 So Sünner (1999), S. 49; vor seinem Eintritt ins Ahnenerbe war Kiss allerdings schon SS-Mitglied. 748 So Greve (1995), S.171.

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Regent Reting Rimpoche - König von Gautsa - der englische Agent Yatung Der Zoologe beharrte auf seinen ursprünglichen wissenschaftlichen For­ schungszielen und nominierte den Geophysiker und Erdmagnetiker Karl Wienert, den Anthropologen und Ethnologen Bruno Beger, den Entomolo­ gen und Kameramann Ernst Krause sowie als technischen Leiter und Kara­ wanenführer Edmund Geer als Teilnehmer der Expedition. Damit verzich­ tete er zugleich auf eine Finanzierung der Forschungsreise durch Himmler bzw. das Ahnenerbe, was allerdings auch dem Leiter Sievers entgegenkam, der die Expedition für „zu teuer" befand.749 Himmler blieb lediglich die of­ fizielle Schirmherrschaft und die Übernahme der Rückflugkosten der Ex­ pedition, die dennoch offiziell als „Tibet Expedition Ernst Schäfer. Unter der Schirmherrschaft des Reichsführers SS Himmler und in Verbindung mit dem Ahnenerbe e.V. Berlin" firmierte.750 Obgleich der Reichsführer SS sich genau wie Sievers durch Schäfer brüskiert hätte fühlen können, blieb er in fast freundschaftlichem Kontakt zu Schäfer, während Sievers sich offiziell von der Expedition distanzierte. Himmler dürfte dadurch zufrieden gestellt worden sein, daß zumindest der Teilnehmer Bruno Beger, wie Schäfer ein späteres Mitglied des Ahnenerbe, mit seinen rassekundlichen Untersuchun­ gen von Tibetanern, die etwaige nordische Einwanderungen beweisen soll­ ten, seinen Forschungsansprüchen entsprach.751 Andererseits bleibt die Fra­ ge offen, warum Schäfer, der doch erst kürzlich von seinem Dienstherren 749 Greve (1995), S. 171. 750 Diese dürften aus dem Sonderkonto des Freundeskreises gezahlt worden sein; siehe Vogelsang (1972), S. 120; daneben unterstützte das Ahnenerbe jedoch auch die Gewinnung von privaten Geldern sowie die Bereitstellung von Ausrüstungsgegenständenfür die Expedition, vgl. Mierau (2006), S. 346 f. 751 Sünner (1999), S. 51.

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befördert wurde, eine Verärgerung Himmlers in Kauf nahm. Ging es ihm, wie von Greve angenommen, allein um seine wissenschaftliche Reputati­ on, die doch durch Forschungen anderer Teilnehmer in anderen Fachgebie­ ten nur indirekt betroffen gewesen wäre? Anzunehmen ist vielmehr, daß Schäfer zwar die Beistellung bestimmter Teilnehmer ablehnte, Beger jedoch auf Anraten Himmlers mitnahm, da dieser Mitarbeiter des Rasse- und Sied­ lungshauptamtes der SS war und erst durch Schäfers Gespräche mit dem Ahnenerbe die Bekanntschaft mit Schäfer machte.752 Dazu kommt, daß das Ahnenerbe zu dieser Zeit nach Angaben Katers durchaus finanzielle Prob­ leme hatte und sich wohl deshalb offiziell von der Expedition distanzier­ te.753 Doch war die Mitnahme Begers der einzige Grund für Himmler Schäfer „jede Hilfe zu versprechen, die dieser benötigen" würde754 und außerdem Schäfer nach dessen Rückkehr noch zum Leiter der Innerasien-Abteilung des Ahnenerbes zu machen? In jedem Fall regen diese Vorgänge zu Speku­ lationen an - wäre es möglich, daß Schäfer neben seinen offiziellen, rein wis­ senschaftlichen, Forschungszielen, die durch die Ablehnung der Ahnenerbe Mitarbeiter nach außen dokumentiert wird, geheime Aufträge Himmlers durchführte, die diesen zur Vorzugsbehandlung Schäfers veranlaßten? Fest steht, daß sowohl Schäfer als auch Beger vor ihrer Tibetreise Unterredungen mit Himmler und Weisthor, dem seherische Veranlagung in Bezug auf die Vorgeschichte zugesprochen werden, hatten. Himmler unterwies Schäfer bezüglich einer weltumspannenden Atlantiskultur deren Reste u.a. in Tibet zu finden seien.755 Auslöser für die Hoffnung Himmlers dort „arische Spu­ ren" zu finden könnte auch eine wenige Jahre zuvor durchgeführte Expedi­ tion Prof. Römers und des Naturwissenschaftlers Scheibe gewesen sein. Auf dieser „Deutschen Hindukusch-Expedition 1935" hatte Scheibe von blau­ äugigen Menschen berichtet, die er oft bei den entlegensten Bergstämmen Zentralasiens angetroffen hatte, und die er als Reste von Ur-Ariern ansah.756 Während seines Besuches bei Weisthor hat Schäfer miterlebt, wie sein Gast­ geber während der Unterredung in einen „tranceartigen Zustand" fiel, den er schon bei seinen ersten Forschungsreisen bei „Botenläufern im tibetischen Hochland" erlebt hatte. Während dieses Zustandes erwähnte Weisthor Na­ men von tibetischen Klöstern und deren Äbten, die eigentlich nur ihm be­ kannt gewesen sein konnten. Darüber hinaus sprach er von einem „Schlüs­ sel eines Schöpfungsgesetzes, der beim Dalai Lama zu finden sei.757 752 Diese Annahme findet sich auch, allerdings versteckt, bei Greve (1995), S. 172 f. 753 Kater (2006), S. 80. 754 Zit. nach Greve (1995), S. 172. 755 Nach Sünner (1999), S. 48. 756 So Mierau (2006), S. 15. 757 Lange (2010), S. 68; ebenso Sünner (1999), S. 50.

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Bereits einige Monate zuvor kam es zu den zuvor erörterten Gesprächen zwischen Weisthor und dem französischen Okkultautor Gaston de Men­ gel, in deren Verlauf auch Tibet thematisiert wurde. Unbestritten dürften die Ansichten des britischen Okkultisten, denen zufolge Tibet als Teil der „arisch-attalantischen Kraftachse" von Bedeutung sei, auf diesem Weg Ein­ gang in Weisthors bzw. Himmlers Vorstellungen bezüglich der Forschung in Tibet gefunden haben.758 Gegenüber Beger soll Weisthor dagegen konkre­ te Forschungshinweise gegeben haben, die der Anthropologe jedoch nach dem Krieg als „lachhaft und abstrus" bezeichnete.759 Zumindest untersuchte Beger tatsächlich Bevölkerungsgruppen des Himalayas auf Hinweise nor­ discher Rasse sowie die Einflüsse der nordischen Art auf die seinerzeitige tibetische Bevölkerung, was auf eine Übereinstimmung mit den Thesen Himmlers hinweist. Ebenso könnte der Erforschung der Tierwelt Tibets die Frage nach der Widerlegung der Abstammungstheorie Darwins zugrunde gelegen haben, die ja mit der Vorstellung eines uralten „arisch-atlantischen Kulturkreises" insofern kollidiert, als daß Himmler das Hervorgehen dieser aus einem in Afrika beheimateten „Affenmenschen" ablehnte. Neben den anthropologischen Forschungen Begers, die klar im Anliegen des Ahnenerbe bzw. Himmlers lagen, sind auf einem 1994 der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemachtem Dokumentarfilm („Geheimnis Tibet") über diese Expedition auch tibetische Zeremonien und Rituale dargestellt, welche die Vermutung eines okkulten Hintergrundes der Expedition gestützt haben könnten, für die es im Ahnenerbe ja ebenfalls eine Abteilung gab.760 Die erste öffentliche Aufführung des Filmes, der die drei höchsten Auszeichnungen er­ hielt, die der NS-Staat für Filme zu vergeben hatte: „staatspolitisch wertvoll, künstlerisch wertvoll und kultu­ rell wertvoll", erfolgte, begleitet von „Richtlinien für die Propa­ ganda" erst am 16. Januar 1943 in der Münchner Ludwig Maximili­ an Universität zur Eröffnung des Sven-Hedin-Institutes. Vormittags wurde vom Institutsrektor Wal­ ther Wüst die Ehrendoktorwürde der Naturwissenschaftlichen Fa­ Schäfer, Himmler und Beger nach kultät an den schwedischen AsiRückkehr der Expedition aus Tibet 758 Siehe vorangehendes Kapitel 9. 759 Lange (2010), S. 68. 760 Auch das Autorenduo Röttgen („Victor & Victoria Trimondi'') verwies auf den Tibet-Film zur Untermauerung seines Versuchs, okkulte Hintergründe der Be­ ziehungen zwischen dem 3. Reich und Tibet aufzudecken.

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enforscher Sven Hedin verliehen. Sven Hedin war völlig hingerissen. „Groß­ artig, wunderbar, was wir hier gesehen haben!" - rief er aus und schüttelte dem jungen SS-Untersturmführer Ernst Schäfer immer wieder die Hand: „Sie sind der Mann, der meine Forschungen fortsetzen sollte und muß!" soll der schwedische Forscher gemäß Trimondi gegenüber Schäfer geäußert haben.761 Spekulationen ranken sich auch um geheime tibetische Bücher, die Schä­ fer eingesehen und womöglich mit nach Deutschland gebracht habe. Tat­ sächlich jedoch ist aus Schäfers Reisebericht keinerlei Anhaltspunkt dafür auffindbar. Allerdings lassen sich bei Schäfer Hinweise auf ein „108 seifiges heiliges Dokument der Tibeter, den „Kangschur"" finden, der von der Expe­ dition mitgebracht wurde.762 Belegt sind ferner direkte Kontakte der Schäfer-Expedition zur tibetischen Regierung: In Lhasa kam es zu einem sogenanten „Treffen des westlichen und östlichen Hakenkreuzes“, welches auf den Argwohn des dortigen briti­ schen Gesandten, H.E. Richardson, stieß. Insbesondere sah Großbritannien seine Vormachtstellung in Tibet gefährdet. Schäfer bemerkte dazu in sei­ nen Aufzeichnungen, daß das Hakenkreuz ihnen in Tibet die Tore geöffnet habe: „Wie mir ein einflußreicher Tibeter trefflich sagte, war es das erste mal in der Geschichte Tibets, daß sich das westliche und östliche Hakenkreuz ... auf der Basis 764 kulturellen Austausches und wissenschaftlicher Erkenntnis treffen."763 Auch ein offizielles Schreiben Reting Rinpoches an Hitler wurde den For­ schungsteilnehmern mitgegeben. In diesem Schreiben erwidert der tibetische Regent das Angebot der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutsch­ land und Tibet mit folgenden Worten: „....... Deshalb erstrebt jetzt der Leiter der deut­ schen Tibetexpedition, der Sahib Schäfer, zumal keine Schwierigkeiten im Weg stehen, bis zu einem unmittelbaren Verkehr mit Tibet nicht nur das Ziel der Festigung der (persönlichen) freundschaftlichen Beziehungen, sondern hegt darüber hinaus auch den Wunsch einer künftigen Ausdehnung des vorgenannten gegenseitigen freundschaft­ lichen Verkehrs auf (unsere beiderseitigen) Regierungen. Nehmen Sie nun, Euer Ex­ zellenz, Führer (wörtlich König) Herr Hitler, zu diesem Verlangen auch gegenseitiger Freundschaft, wie sie von Ihrer Seite ausgesprochen wurde, unsere Zustimmung."76* Dieses Schreiben beweist, daß auch Hitler mit der Expedition durchaus politische Zwecke verknüpfte, die in der Anknüpfung freundschaftlicher Kontakte zwischen Tibet und Deutschland lagen und auch den Aspekt „ge­ heimdienstlicher Aktivitäten" insofern umfaßte, als daß Lageberichte über 761 So Trimondi (2002), S. 125. 762 Hakl, in Goodrick- Clarke (2004), S. 204; vgl. auch Charroux (1967), S. 67, der meint, Hitler habe sich durch den Kan(d)gschur die „Magie der Mongolen" zunutze machen wollen, „um seine Welteroberungspläne durchzusetzen". 763 Trimondi (2002), S. 565, Fn 74. 764 Reting Rinpoche an Hitler nach Greve (1995), S. 175; Trimondi (2002), S. 130.

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Bruno Beger und der junge Reting Rimpoche -1939 Land und Leute auch an den SD weitergereicht wurden. Daneben erwähnt Schäfer Geschenke des Regenten an Hitler, darunter eine silberne Teekanne, einen weißen Kathag-Seidenschal sowie einen Lha­ sa- Apso-Hund. Weitere Geschenke und ein Brief unbekannten Inhaltes wur­ den Schäfer für Himmler übergeben.765

10.2.

Weitere Asien-Planungen

Nachdem Schäfer 1939 aus Tibet zurück gekehrt war, plante Himmler einen Sonderauftrag unter der Leitung des jungen Wissenschaftlers. Dieser sah das Vordringen eines Spezialtrupps durch das - damals noch verbündete Rußland - bis in den fernen Osten vor, wo dieser den Sturz der englandtreuen afghanischen Regierung Mohamed Haschid Khans betreiben sollte. Das sollte dann die nordindischen Grenzstämme zu Aufständen bewegen, um die Herr­ schaft der Briten in Indien zu destabilisieren und schließlich - gleichsam dem Vorbild des Lawrence von Arabien- zu einem Volksaufstand führen. Daneben sollte die tibetische Armee mit Waffen versorgt werden, um sich ebenfalls am Aufstand gegen die Briten zu beteiligen. Insgesamt war für diesen Auftrag eine Gruppe von 30 SS-Männern unter Führung Schäfers vorgesehen.766 765 Vgl. Trimondi (2002), S. 130. 766 Kater (2006), S. 212; Greve (1995), S. 177. 247

Nach Indiskretionen Schäfers in Bezug auf die geplante waffentechnische Ausbildung seiner Gruppe gegenüber dem noch nicht genau in Kenntnis gesetzten Abwehrchef Gehlen, bekam Rosenberg Wind von der Sache und habe Hitler zur Absetzung des Plans bewogen, da er selber eine ähnliche Operation mit Hilfe afghanischer Söldner vorbereitete.767 Nach eigener Aussage soll Schäfer bereits 1941 aufgrund vorgeworfener „mangelnder Treue zur NS-Weltanschauung" ein Strafkommando an der finnischen Front erhalten haben. Zu dieser Zeit plante sein Ahnenerbe-Kol­ lege Beger für die Zeit nach dem Sieg gegen England, eine Expedition zur Erforschung der nordischen Rasse in Zentralasien.768 Den Aussagen Schäfers bezüglich seiner schwindenden Anerkennung in­ nerhalb der SS stehen jedoch Erörterungen bezüglich der Aussendung neuer Expeditionen nach Tibet und die Frage der Tätigkeit der Innerasien-Abteilung während der AbwesenheitSchäfers entgegen. Während Bruno Beger, dem auch die wissenschaftliche Auswertung der „Erfahrungen während der SS-Tibetex­ peditionen" angetragen wurde, offensichtlich größeren Einfluß innerhalb der Abteilung erlangen sollte, ist eine Herabsetzung Schäfers - die auch aus wis­ senschaftlicher Perspektive ungeraten schien - nicht zu bestätigen. Vielmehr war ein Fronteinsatz auch verdienter und hohe Ränge bekleidender Forscher innerhalb der SS gang und gäbe, nur in seltensten Fällen wurde eine Unab­ kömmlichkeit für Angehörige der SS ausgesprochen, da gerade diese mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Dementsprechend ist auch Schäfers Einplanung in das sogenannte „K-Projekt" zu verstehen, welches eine neue Expedition un­ ter seiner und Begers Führung nach Zentralasien vorsah, bei der die Bereiche „Erde, Pflanze, Tier und Mensch" wissenschaftlich und ganzheitlich erfaßt wer­ den sollten. Wichtigstes Teilgebiet des Projektes, welches sich im August 1942 erst einmal auf den Kaukasus beschränken sollte, war die rassekundliche Erfas­ sung der Kaukasus-Völker, um eine Entscheidung hinsichtlich der Behandlung dieser Völker nach ihrer militärischen Unterwerfung zu erleichtern. Abgesagt wurde das Projekt nach Greve aufgrund der Niederlage der deutschen Heere im Osten, vor allem bei Stalingrad, obgleich sich dies erst einige Monate nach dem ursprünglichen Termin im August ereignete.769 Ungeachtet dieser Fakten erscheinen in der Okkultliteratur Spekulatio­ nen über weitere Tibet-Expedition, auch während der Kriegszeit. So läßt der unter dem Pseudonym schreibende Autor Rüssel Mc Cloud in einem fiktiv­ esoterischem Roman „Die Schwarze Sonne von Tashi Lhunpo", einen Karl Steiner auftreten, der im Jahre 1942 mit 12 weiteren SS-Männern eine Reise nach Tibet im Auftrag Himmlers und unter Mitwirkung Karl Haushofers an767Greve (1995), S.177. 768 Greve (1995), S. 179. 769 Zum K-Projekt siehe Greve (1995), S. 181 f.; ebenso Mierau(2006), S. 458 ff.

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getreten habe. Die am 7. Juli 1942 begonnene Expedition - die Steiner als „letzte mehrerer Expeditionen" bezeich­ net, die „vor allem auf Veranlassung des Ahnenerbes" durchgeführt wurden - hätte die Verbindungsaufnah­ me zu einer buddhistischen Sekte namens „Gelbmüt­ zen" zum Ziel gehabt.770 Die einzige tatsächliche Verbindung zwischen Karl Haushofer und dem Ahnenerbe bestand dagegen in der Übernahme der Präsidentschaft der von Hausho­ fer mitgegründeten „Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums - Deutsche Heinrich Harrer Akademie" durch den Ahnenerbe-Vorsitzenden Prof. Wüst.771 Eine Mitgliedschaft Haushofers im Ahnener­ be oder auch in der Thule-Gesellschaft, die ebenfalls als geheime okkulte Zentrale des dritten Reiches bezeichnet wird, läßt sich, wie bereits zuvor dargestellt, trotz hartnäckiger Gerüchte nicht feststellen.772 Zwar hatte Himmler noch im Frühjahr 1942 angekündigt, daß „die Ti­ bet- und die gesamte Asienforschung stärkstens ausgebaut werden soll", jedoch sprechen die Akten gegen eine weitere Tibet-Expedition während der Kriegszeit: Ein Aktenvermerk Sievers verlegt ausdrücklich weitere dies­ bezügliche Forschungen auf die Zeit nach dem Krieg.773 Unabhängig von der Expedition Ernst Schäfers waren im Sommer 1939 vier Deutsche Bergsteiger, darunter Heinrich Harrer, in den Himalaya aufgebro­ chen, um den „Deutschen Schicksalsberg", den Nanga Parbat zu besteigen.774 Himmler hatte Harrer anläßlich einer Ehrenfeier zur Erstbesteigung der Eiger-Nordwand durch den Österreichischen Bergsteiger, der seit 1938 SSMitglied war, bereits eine Teilnahme an Schäfers Tibet-Expedition angeboten. Allerdings plante Harrer seine eigene Bergtour, die dann schließlich aufgrund des ausgebrochenen Krieges in britischer Gefangenschaft endete. 1944 gelang Harrer die Flucht, die ihn nach Tibet führte, wo er 1946 zum Lehrer des inzwi­ schen inthronisierten Dalai Lamas wurde.775 770 McCloud (1997), S. 150 ff.; der Name Karl Steiner erinnert sowohl an Rudolf Steiner, den Begründer der anthroposophischen Lehre, mit dem gewisse esoterische Spekulationen verbunden sind, die beispielsweise in dem Machwerk „Die heilige Lanze- Der Speer von Golgotha" von Trevor Ravenscroft auftauchen. 771 Vgl. Kater,(2006) S. 281. 772 Siehe Pauwels/Bergier (1967), zur Richtigstellung Rose (2003), S. 173ff. (vgl. Kapitel 1). 773 Sievers, S. 126. 774 Zu Harrer vgl. Mierau (2006), S. 179 ff. 775 Vgl. Trimondi (2002), S. 169; der Aufenthalt Harrers wurde 1997 unter dem

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Obgleich Harrer, der in Tibet auch die Armee ausbildete, während seiner Gefangenschaft kaum von weiterreichenden Plänen für SS-Unternehmun­ gen im Himalaya wissen konnte, wird er desöfteren in einen solchen Zu­ sammenhang gebracht. Auch Harrers Erlebnisberichte über „Geister und Dämonen", mit denen er u.a. in Tibet Bekanntschaft machte, sorgten für Spekulationen, die sich in das Themenfeld SS-Tibet-Okkultismus einfügen ließen.776 Auch wenn Harrers spätere Beteuerungen, sich vom nationalsozi­ alistischen Gedanken bereits während des Krieges entfernt zu haben, eine Schutzbehauptung darstellen dürften, ist eine Tätigkeit Harrers in Tibet im Sinne Himmlers oder gar im Auftrag der SS auszuschließen.

10.3. Das Ahnenerbe & die Südamerika-Planungen Neben Asien war Südamerika ein weiterer Kontinent, der auch nach 1939 eine nicht unbedeutende Rolle in den Planungen der SS-Forscher spielte. Das Interesse deutscher Wissenschaftler an Südamerika reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Zwischen 1896 und 1924 unternahm der Völkerkund­ ler Theodor Koch-Grünberg mehrere Reisen nach Brasilien, auf deren letzter er auf der Suche nach der Quelle des Orinoco-Flußes an Malaria erkrankte und verstarb.777 1935 folgte Otto Schulz-Kampfhenkel den Spuren Koch-Grünbergs: Das Ziel der Expedition, an der auch der Pilot Gerd Kahle sowie der Flugzeug­ mechaniker Gerhard Krause mitsamt eines von Heinkel zur Verfügung ge­ stellten Wasserflugzeuges teilnahmen, war die Durchquerung des nördlichen Amazonasbeckens. Bei ihrer Rückkehr im Mai 1937 führten die Forscher tau­ sende Tierschädel, Indianerschmuck- und Werkzeuge sowie umfangreiches Film­ material mit sich. Die Er­ lebnisse publizierte SchulzKampfhenkel in dem Buch „Rätsel der Urwaldhölle" das 1938 fast zeitgleich mit einem Ufa-Dokumentarfilm Schulz-Kampfhenkel und sein Team in Paraguay „Großfilm deutscher ForTitel „Sieben Jahre in Tibet" mit dem Hauptdarsteller Brad Pitt verfilmt. 776 Vgl. zu Harrers Erlebnissen dessen gleichnamige Veröffentlichung, Harrer (1993), S. 156ff./183 ff.; vgl. auch Trimondi (2002), S. 170 ff. 777 Siehe Sternhoff (2010), S. 165.

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Karte des von Schulz-Kampfhenkel untersuchten Gebietes schung" erschien.778 Heinrich Himmler war dadurch auf den Forscher auf­ merksam geworden und hatte ihn - vermutlich 1939 - in die SS übernom­ men.779 Neben dem wissenschaftlichen Interesse Deutschlands an Südamerika gab es seit dem sich abzeichnenden Kriegseintritt der USA in den Weltkrieg auch ein militärisches. Bereits kurz vor Ausbruch des Krieges in Europa, be­ suchte der Oberkommandierende der US-Streitkräfte George C. Marschall im Juni 1939 Brasilien, um Gespräche über die „lebenswichtige Rolle Brasili­ ens für die Verteidigung der USA" bei einem Kriegseintritt gegen Deutsch­ land zu führen.780 In Übereinstimmung mit der brasilianischen Regierung wurde auf der Konferenz von Panama 1939 die Errichtung amerikanischer Stützpunkte in Brasilien beschlossen, die bis 1940 angelegt wurden. Diese proamerikanische Haltung Brasiliens, die schließlich zur Kriegs­ erklärung Brasiliens an Deutschland 1942 führte, gefährdete die deutschen U-Boot Operationen vor dem amerikanischen Kontinent erheblich, so daß sich das OKW mit Maßnahmen Brasilien betreffend auseinandersetzte. Ein 778 Vgl. Sternhoff (2010), S. 166; zur ausführlichen Expedition vgl. Glüsing (2008), S. 158 ff. 779 So Glüsing (2008), dem gemäß der genaue Eintrittszeitpunkt unbekannt sei, S. 194. 780 So Brügger (2002), S. 230f.

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Grabkreuz des verstorbenen Expeditionsmitglieds Joseph Greiner. Oben: Expeditionsboote

von Keitel und Rosenberg befürworteter Plan soll sogar eine Landung in Brasilien vorgesehen haben. Legenden zufolge, soll dies schließlich in Form der Absetzung kleinerer Truppenkontingente tatsächlich umgesetzt wor­ den sein.781 Aufgabe dieser wäre es demnach gewesen, in Zusammenar­ beit mit Südamerikanischen Exildeutschen die Möglichkeiten einer größe­ ren Landung zu sondieren. Auch die amerikanischen und brasilianischen Dienststellen hielten ein solches Unternehmen für möglich und errichte­ ten vorsorglich Verteidigungsstellungen, die von einem Heer von bis zu 65 000 Mann überwacht wurden. Dennoch soll es den Deutschen möglich gewesen sein, bis Kriegsende 2000 Soldaten ins brasilianische Hinterland einzuschleusen, wo sie in Verbindung mit einem indianischen Stamm die Errichtung einer zweiten, inländischen Front im Fall einer deutschen Inva­ sion vorbereitet hätten.782 Indes räumt der Verfasser dieser Spekulation den Mangel an Fakten ein, die diese Version bestätigen könnten. Lediglich vage Hinweise auf Augenzeugen, welche die Landung deutscher U-Boote vor der Küste von Rio de Janeiro beobachtet haben wollen sowie ein nicht näher bezeichneter Artikel über eine deutsche Waffen-SS Kolonie im Matto Grasso in der brasilianischen Zeitschrift „Realidade" erhärten vorgeblich diese An­ gaben. Allerdings büßt Brügger durch die als typisch für die Verfasser un­ beweisbarer Angaben zu bezeichnende Zitierung nachweislich spekulativer Autoren ebenso erheblich an Glaubwürdigkeit ein, wie durch die Präsenta­ 781 Brügger (2002), S. 231. 782 Ebenda, S. 168 ff.

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tion eines mittlerweile entlarvten Betrügers als Nachfahr eines weißen In­ dianerstammes. Neben dem „Dauerbrenner" der esoterischen NS-Literatur, der Geschichte der toten Tibetaner in Berlin, die 1945 von der roten Armee vorgefunden wurden, zitiert er Rauschnings Gespräche mit Hitler, die mitt­ lerweile zum größten Teil als pure Fiktion entlarvt wurden.783 Daß es tatsächlich deutsche Pläne für eine Südamerika-Expedition gab über die bereits erwähnte Kiß-Expedition nach Bolivien hinaus -, beweisen Akten im Zusammenhang mit eben jenem Schulz-Kampfhenkel, der mittler­ weile SS-Mitglied war. Im Schlußteil seines Expeditionsberichtes schrieb der deutsche Forscher: „Damit wird ein Grundstock zu einem weitgespannten Ar­ beitsplan gelegt sein". Tatsächlich war Schulze-Kampfhenkel, der 1938 an der Amerika-Abteilung des geographischen Institutes der Universität Würzburg auch seine Dissertation abgeschossen hatte, ein unverzichtbarer Experte für künftige SS-Unternehmungen in Südamerika.784 1939 schlug Sievers ihn da­ her auf persönliche Empfehlung Himmlers, als Mitglied der Kiss-Expedition vor.785 Kurz nach dem Scheitern der Paraguay-Expedition, traf im April 1940 im SS-Hauptamt ein Schreiben eines gewissen Heinrich Peskoller ein. Dieser Österreichische Abenteurer empfahl dem Deutschen Reich die Eroberung von Französisch- und Britisch-Guyana, da allein „der Gold- und Diamanten­ reichtum dieser Länder genügen würde, um in wenigen Jahren Deutschlands Fi­ nanzreserven zu sanieren". Als Empfehlung gab Peskoller an, „fünf Jahre lang als Offizier in der mexikanischen Kavallerie und als persönlicher Adjutant eines mexikanischen Kriegsministers mit geheimen Aufträgen betraut gewesen zu sein" und dabei auch einen 21.000 Kilometerritt von Mexico nach Rio de Janeiro durchgeführt zu haben.786 Himmler beauftragte den SS-Südamerika-Experten Schulz-Kampfhenkel mit der Begutachtung dieses Plans. Dieser hielt zwar die Angaben über die wirtschaftlichen Tatsachen für glaubwürdig, bezweifelte aber die Eignung Peskollers als Führer einer solchen Expedition und legte nun seinerseits Himmler einen Expeditionsentwurf unter dem Namen „Guyana-Projekt" 783 Brügger (2002), S. 235 f; vgl. zur Entlarvung des vermeintlichen „weißen Häuptling der Ugha Mogulala Tatunca Nara", http://www.mysteria3000.de/ wp/2005/die-chronik-von-akakor/, wo dieser als der 1968 nach Südamerika ausge­ wanderte Günther Hauck identifiziert wird. 784 So Glüsing (2008), S. 192 f. 785 Glüsing (2008), S. 194; Schulz-Kampfhenkel hatte seine Linientreue in einem geheimen Positionspapier für die SS unter Beweis gestellt, in dem er in Bezug auf China „vor der Gefahr der gelben Weltherrschaft eines 600 Mio Volkes" warnte, die, „in ihren Anfängen zu bannen, Sendung des Führers der künftig in Europa geeinten weißen Rasse sein" würde. 786 Zit. nach Glüsing (2008), S. 200.

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vor, in dem er die Leitung einer solchen Expedition anbot.787 In diesem skiz­ zierte er die Errichtung eines deutschen „Brückenkopfes" in Südamerika, der sowohl politisch-strategische als auch kolonialwirtschaftliche Gründe beinhaltete: „Hier kann nach Praxis unserer geheimen Hilfskreuzer in mehrfachen nächtlichen Landungen ein unsichtbarer Stützpunkt geschaffen werden, von dem aus eine mit leichten Schnellfeuerwaffen ausgerüstete Kolonialtruppe von 150-300 Mann im entscheidenden Augenblick über Land auf Cayenne vorstößt.... die Tatsa­ che der Neutralitätsverletzung kann in diesem völlig unerschlossenen Urwaldregi­ onen auch für die Zukunft geheim gehalten werden. ... Alle Einzelheiten eines der­ artigen Planes wären im Einvernehmen mit taktischen Fachleuten auszuarbeiten." Himmler reagierte jedoch reserviert auf die Vorschläge und empfahl, diese Gedanken „zu gegebener Zeit" wieder vorzulegen.788 In den folgenden Jahren stieg der Südamerika-Experte zum Leiter der mit Aufklärung beauftragten „Kampfgruppe Schulz-Kampfhenkel" innerhalb der Luftwaffe auf und wurde 1943 dem Forschungsrat der SS unterstellt.789 Bis 1945 hatte er Aufklärungsmissionen in mehr als einem Dutzend Ländern durchgeführt, vor allem im Baltikum, Rußland, Griechenland und Jugosla­ wien. Während er also für die weitere Südamerika-Planungen keine Rolle mehr spielte, gibt es weitere Querverbindungen des Ahnenerbe nach Südameri­ ka. Diese führen zu Philipp von Luetzelburg, einem angeheirateten Vetter Himmlers. Der in Brasilien lebende deutsche Forscher hatte zwischen 1927 und 1930 ebenfalls mehrere Expedition durch das brasilianische Amazonien durchgeführt und dabei auch indianische Heilkräuter gesammelt.790 Die letzte der Expeditionen „ging vom Kriegsministerium aus und hatte in erster Linie militärische und strategische Ziele im Auge wie Grenzbesich­ tigungen und französische Übergriffe".791 1938 war Luetzelburg auf Drän­ gen Himmlers nach Deutschland zurückgekehrt, wo er 1939 zum Leiter der Ahnenerbe-Forschungsstätte für Botanik ernannt wurde.792 Hier war der Botaniker mit der Züchtung von ölhaltigen Pflanzen, „die für spätere deutsche Kolonien sehr wichtig sein können", und mit der Nutzbar­ machung indianischer Kräuter und Naturheilmittel befaßt. In diesem Zu­ sammenhang arbeitete er an einer Darstellung der botanischen Erforschung Brasiliens und bemühte sich in diesem Zusammenhang um die Übersetzung 787 Glüsing (2008), S. 200. 788 Glüsing (2008), S. 206. 789 Vgl. Sternhoff, (2010) S. 167f. 790 Simon (ChrLuetzelburg), S. 7 f. 791 Schreiben Luetzelburg an v. Moers, nach Simon (ChrLuetzelburg) 792 Simon (Himmlersplaene), S. 1; in die SS wurde von Lützelburg dagegen erst im März 1940 als Hauptsturmführer auf genommen.

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und Kommentierung des aus dem 17. Jahrhun­ derts stammenden portugiesischen Atlas von Joao Teixeira.793 Zu diesem Zweck führte der Forscher zwischen Juni und Juli 1941 eine Dienstreise nach Paris „zur Klärung der Atlantenfrage des portu­ giesischen Kosmographen des 17. Jahrhunderts in der Nationalbibliothek zu Paris" durch.794 1938 wurde sein Name erstmals in Zusammen­ hang mit einer Südamerika-Expedition genannt, der später abgesagten Kiss-Expedition. Ab 1940 war Luetzelburg an der Planung einer ParaguayExpedition beteiligt. Philipp von Luetzelburg 1939 kam es zu gemeinsamen Erörterungen zwischen von Lützelburg und Ahnenerbe-Vertretern der Welteislehre Scultetus, Fauth sowie Josef Wimmer bezüglich der Frage des Einflusses des Mondes und geomagnetischer Einwirkungen auf das Pflanzenwachstum. Diesen Zusammenhang hatte Himmler persönlich ins Spiel gebracht; ent­ sprechende Versuche verliefen jedoch ohne Erfolg. Im Dezember 1941 traf sich von Lützelburg zu einem Gespräch über in­ dianische Heilpflanzen mit Hauptmann Emmerich von Moers. Letzterer hielt sich zwischen 1924 und 1932 in Bolivien und Paraguay und beteiligte sich als Kavallerie-Kommandant für die paraguayanische Armee an einem Konflikt mit Bolivien. Als Dank für seinen Einsatz erhielt von Moers damals ein großes Stück Land. In den folgenden Jahren führte er mehrere Reisen in unbekanntes Indianerland durch und konnte das Vertrauen der Stämme gewinnen, bei denen er sich mehrere Jahre als Zauberer bzw. Medizinmann aufhielt. Im Rahmen dieses Aufenthaltes lernte er von den Indianern Heilund Nutzpflanzen kennen, welche durch von Lützelburg später als wirt­ schaftlich wichtig erkannt wurden: darunter Blättchen mit Süßkraft, die um ein Vielfaches größer als Zucker war (Stevia?), malariaheilende Pflanzen, Aphrodisiaka mit temporärer Verhütungswirkung, Heilmittel gegen Syphi­ lis und mehrere Hautkrankheiten. Kurz darauf wurde von Moers ebenfalls in die Expeditionspläne für Paraguay einbezogen, um die genannten Pflan­ zen für das Ahnenerbe sicherzustellen. Am 27. September teilte von Lützelburg von Moers jedoch mit, daß der RFSS „großes Interesse an der Sache bekundete und den Befehl gab, ihn kurze Zeit nach Kriegsbeendigung an die baldigste Expedition nach Paraguay zu erinnern." Von Moers solle sich daher ebenso wie wie er selbst darauf vorbereiten. Am 9.10.1942 informierte Himmler auch das Ahnenerbe offiziell über den 793 Simon (ChrLuetzelburg), S. 16 f. 794 Ebenda.

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Stand der Paraguay-Expeditionspläne: „Die Expedition zu den Indianern Süd­ amerikas ist eine der ersten Friedensexpeditionen des Ahnenerbes. Insbesondere hat diese Expedition den Zweck, das Malaria-, das Syphilismittel, die Süß- und Öl­ 796 pflanzen zu studieren und mitzubringen.''795 Doch ist dies tatsächlich der letzte Stand - oder gab es nach 1942 weitere Pläne, die womöglich auch umgesetzt wurden? So spekuliert etwa Sternhoff mit Verweis auf ein Schreiben Luetzelburgs an Sievers, in dem er „größere gemeinschaftliche Pläne" des Ahnenerbe erwähnt, für die er seine volle Unterstützung ankündigt: „Wenn heute ein unanfechtbarer Beweis auch noch nicht erbracht werden kann, so spricht nach meiner Meinung alles dafür, daß Mitte 1942, auf dem Höhepunkt der deutschen militärischen Erfolge, von Luetzelburg in die Planung und Durchführung eines Unternehmens einbezogen wer­ den sollte, das nach den Vorarbeiten Schulz-Kampfhenkels die Errichtung eines mili­ tärischen Stützpunktes in Brasilien zum Ziel hatte." Und tatsächlich seien Stern­ hoff zufolge, „in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 durch U-Boote erste Vortrupps an der Küste Brasiliens abgesetzt worden.“795 Der Haken an diesen Spekulationen ist jedoch, daß von Luetzelburg nach seinem Paris-Aufenthalt nicht an Expe­ ditionsplanungen nach Südamerika, sondern an medizinischen Forschungen beteiligt war, wie das folgende Kapitel zeigen wird. Auch die Memoiren Walther Schellenbergs, des Chefs des deutschen Geheimdienstes, lassen eine größere deutsche Militäroperation in Südame­ rika unrealistisch erscheinen: Zwar stand in Südamerika, so Schellenberg, „eine große Anzahl geschulter Mitarbeiter zur Verfügung“, die insbesondere im deutsch-freundlichen Argentinien, aber auch anderen südamerikanischen Ländern bis auf Brasilien, eine „reibungslose Arbeit bis Mitte 1944“ ermöglich­ te, allerdings bezieht sich das lediglich auf geheimdienstliche Tätigkeiten.797 Sollte tatsächlich ein Kommandounternehmen in Südamerika durchgeführt worden sein, so dürfte Schellenberg, der nach dem Krieg keine sonderlich enge Bindung an ehemaligen Kameraden und damit kein Schweigemotiv hatte, dies erwähnt haben.798

795 Himmler an das Ahnenerbe, zit. nach Heiber (1970), s. 195 f; hier verweist Himmler auch auf die mangelnde Zuverlässigkeit v. Moers, gegen den ein Ermitt­ lungsverfahren der Wehrmacht lief. Zwar sei er sehr versiert und als Kenner Süd­ amerikas wertvoll, allerdings muß die Führung der Expedition, an der v. Moers beteiligt werden sollte, ein Mann der SS haben. 796 Sternhoff (2010), S. 172. 797 Schellenberg (1981), S. 324. 798 Nach dem Krieg entging der 1952 verstorbene Schellenberg trotz seiner hohen SS-Position einer längeren Haftstrafe durch Kooperation mit den Alliierten.

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11.

Kriegswichtige „Zweck"- und Waffenforschung Bruno Beger, Hans Rammler & das SS-Ahnenerbe

„Die Vorsehung stehe uns bei, daß diese Kriegs­ treiber erfolglos bleiben, denn wir würden in der Lage sein, uns dank neuen Waffenentwicklungen so zu wehren, wie es in der bisherigen Geschich­ te noch nie möglich war. In meiner Schreibtisch­ schublade verfüge ich über Unterlagen zur Her­ stellung neuester, modernster Waffen, wozu mich nur ein Wunsch beseelt, sie nie zur Anwendung bringen zu müssen, weil sie alles übersteigen, was bisher als Kriegswaffe zur Verfügung stand."799 iese Sätze Hitlers noch vor dem Krieg wurden seinerzeit als reine Propaganda belächelt - solange bis die alliierten Sondereinheiten zur Sicherstellung deutscher Technologie Ende des Krieges nach und nach das Ausmaß der deutschen Hochtechnologie erfaßten und einen Mantel des Schweigens über ihre Funde breiteten, der sich erst in den letzten Jahren langsam hebt. Auch auf diesem Bereich war es die SS, die in von der Außenwelt abgeschotteten Einrichtungen an Waffen- und Maschinen arbei­ tete, die noch heute als revolutionär gelten müssen. Federführend war hier eine unter dem Kommando des SS-Generals Hans Kammler stehende Ent­ wicklungsgruppe, die im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren arbeitete. Während bis Anfang 1943 Ahnenerbe-Forscher in vielen Fällen noch mit der Bearbeitung von rassekundlichen und archäologischen Sonderaufträgen ihres Dienstherren befaßt waren, hatte Himmler seit Kriegsbeginn Vorberei­ tungen für die Erschaffung einer unabhängigen SS-Truppe ergriffen. Dazu standen seit Anfang 1942 die Produktionsstätten der vordem tschechischen Skoda-Werke zur Verfügung. Im August 1943 beauftragte Himmler den für seine organisatorische Effizienz bekannten Kammler mit der Verlagerung der kriegswichtigen Produktion in unterirdische Werke und ordnete auch sämtliche Ahnenerbe-Aktivitäten der Waffenforschung unter.800

D

799 Adolf Hitler in einem Interview am 20.4.1939, zit. nach Georg (2009), S. 19. 800 Exemplarisch hierfür sei eine Antwort Himmlers an das Ahnenerbe vom 25.1.1943 zitiert, mit der er auf eine Anfrage Jankuhns nach Weiterführung archäologischer Ar­ beiten in Rußland antwortet: „... denn in den kommenden Monaten haben weder wir noch ... Rosenberg..die Zeit, Ausgrabungen zu machen. Jetzt sind alle Kräfte nur da­ rauf zu konzentrieren, den Krieg zu gewinnen." Zit. nach Hufen (1998), S. 89.; hier wurde der Text der früheren Auflage neueren Erkenntnissen angepaßt [d. Verf.J. 257

11.1. Das Ahnenerbe im Krieg Mit Kriegsbeginn hatte sich das Ahnenerbe fortan ebenfalls mit kriegs­ wichtigen Aufgaben zu befassen, wobei die Kriegswichtigkeit von Himm­ ler relativ großzügig ausgelegt wurde.801 Unverkennbar war jedoch der Ausbau des naturwissenschaftlichen Zweiges, dessen Grundlagen bereits 1937 gelegt wurden. Dieser stand faktisch unter dem Oberbefehl des TibetForschers Ernst Schäfer, während die eingeschränkte Tätigkeit des geistes­ wissenschaftlichen Zweiges ebenso wie die gesamte offizielle Leitung der Obhut von Walther Wüst unterlagen. Nachdem das Unternehmen-K kriegsbedingt abgesagt werden mußte, sah sich Schäfer vor allem mit drei Aufgabenschwerpunkten konfrontiert: 1. der Auswertung der Tibet-Artefakte, 2. dem Aufbau der Forschungsab­ teilung Innerasien und Expeditionen, die fortan als Zentrale für sämtliche Expeditionen nach Asien dienen sollte, 3. Überwachung des gesamten na­ turwissenschaftlichen Bereiches um Walther Wüst zu entlasten.802 Ernst Schäfers Forschungsstätte für Innerasien und Expeditionen wurde aufgrund einer sich zunehmend verschlechternden Kriegslage im August 1943 nach Schloß Mittersill verlegt. Himmler Primärziel der naturwissen­ schaftlichen Arbeiten des Ahnenerbes lag seitdem auf der Erschließung neu­ er Lebensmittel-, Bekleidungs- und Energiequellen, die allesamt zur Neige gingen. Dabei verfiel Himmler immer wieder auf unorthodoxe Methoden: Noch 1943 kam Himmler auf die aberwitzig anmutende Idee, einen Ahnen­ erbe-Mitarbeiter nach Jütland zu schicken, um eine „kimbrische Stricktech­ nik" zu erlernen und nutzbar zu machen.803 Daneben unterhielt Himmler an den KL-Stätten 31 SS-eigene Zuchtstationen von Angora-Kaninchen, die zur Herstellung von Angora-Wolle dienen sollten.804 Ernst Schäfer forschte derweil in Mittersill an wetterfesten Pferdearten, die er auf seinen Expeditionen kennengelernt hatte und die im eroberten Ostgebiet zum Einsatz kommen sollten.805 In enger Abstimmung mit Schäfer führte Dr. Heinz Brücher in Graz Versuche mit kälteresistenten Weizensorten und einer Speiseölpflanze durch, die trotz der ihr zugemessenen Bedeutung nicht vor 1945 Ergebnisse zeitigten. 801 Vgl. Kater (2006), S. 191. 802 So Kater (2006), S. 215. 803 Heiber (1970), S. 243 f. 804 Vgl. Kater (2006), S. 216. 805 Kater (2006), S. 217.

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Ernst Schäfer und das „winter­ feste" Steppenpferd in Tibet, 1939

Auch wenn viele Forschungsansätze keine Resultate erbrachten und viele aberwitzig anmutende Forschungsaufträge im Sande verliefen so kann man Himmler zumindest den Versuch nicht absprechen, durch unorthodoxe Mittel Schwierigkeiten bekämpfen zu wollen. Dabei zeugen viele der damaligen An­ sätze trotzdem sie heute oft als Spinnereien verlacht werden, von weit voraus­ blickenden Einsichten, die gerade erst nach und nach wiederentdeckt werden. So erließ Himmler aufgrund der im Kriege knapper werdenden Ressour­ cen den Befehl, Konservendosen wiederzuverwenden, was ihn zu einem Pi­ onier der seit einigen Jahren vornagetriebenen Recycling-Wirtschaft macht. In einem Schreiben des seit 1939 den Persönlichen Stab des RF-SS leitenden Dr. Rudolf Brandt vom 12.12.1944 heißt es: „Der Reichsführer-SS schlägt zu der Anregung des SS-Kraftfahrers Matzka vor, die unzähligen Konvervendosen in den Gefangenlagern so öffnen zu lassen, daß sie später wieder verwertet werden können."™6 Auch der bereits beschriebene Einsatz der Wünschelrutengänger ist als Antwort auf die Ressourcenknappheit zu begreifen. So schreibt wiederum Dr. Brandt am 25.11.1944 in Reaktion auf einen Artikel über „Meteorspu­ ren in Europa" an Ahnenerbe-Geschäftsführer Sievers: „Der Reichsführer-SS wünscht, daß von Seiten des Ahnenerbe einmal in dieser Richtung nachgeforscht wird, besonders sollen Meteorspuren in den Ötztaler Alpen sein. Es müßten dort dann Wünschelrutengänger zur Untersuchung darüber eingesetzt werden, ob in den Tiefen dieser Krater nicht Magneteisen zu finden ist."™7 In die gleiche Richtung zielen Nachfragen Himmlers bezüglich der mo­ dernen Bronzegießtechnik eines ukrainischen Volksstammes sowie der in Michael Prawdins Buch „Tschngis Chan" überlieferten Konservierungs­ 808 807 technik von Lebensmitteln.806 Letztere sollte den Truppen in Stalingrad er­ möglichen, Fleisch von verstorbenen Pferden ebenso haltbar zu machen, wie Milchprodukte. Auf die Nahrungsmittelversorgung zielte auch ein Vorstoß ab, mittels eines neu entwickelten Bazillus aus der bei der zellulose-Herstellung anfallenden Sulfitlauge das Eiweiß zu gewinnen und zu einer „unerhört nahrhaften und wohlschmeckenden wurstartigen Paste" zu verarbeiten.809 Und selbst die Erforschung des Ahnenbrauchs zur Kinderzeugung, die insbesondere der Frage nachgehen sollte, wie mehr männliche Nachkom­ men gezeugt werden könnten, war trotz der Empörung heutiger Forscher durchaus nachvollziehbar - nicht als „Kanonenfutter", sondern um den in Kriegszeiten üblichen Frauenüberschuß auszugleichen.810 806 Zit. bei Heiber (1970), S. 375. 807 Zit. nach Heiber (1970), S. 372; vgl. Koop (2012), S. 135. 808 Vgl. Heiber (1970), S. 322/232. 809 Heiber (1970), S. 254. 810 Vgl. Koop (2012), S. 83 ff.; dazu Himmler bei Heiber (1970), S. 355 ff.

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Archäologische Tätigkeit Mit Kriegsbeginn 1939 und der zügigen Eroberung von Gebieten im Süd­ osten Europas ergaben sich auch für die Archäologen des Dritten Reiches zahlreiche neue Betätigungsfelder. Da im Vorfeld keine Pläne zur entspre­ chenden Zuständigkeit der konkurrierenden archäologischen Ämter vorbe­ reitet waren, ging es darum, möglichst frühzeitig Grabungskonzessionen auszuhandeln und zu beantragen. Himmler erwies sich dabei als sehr er­ folgreich, insbesondere in der Erringung von Grabungsbefugnissen in Län­ dern befreundeter Regierungen. Seit 1939 hatte Himmler mit der neugeschaffenen Slowakei ein exklusives Grabungsrecht für die SS ausgehandelt, das den Prähistoriker Prof. Dr. Lo­ thar Zotz in seiner Funktion als Dozent an der Deutschen Karls-Universität in Prag im Auftrag des Ahnenerbes in die Lage versetzte, archäologische Ausgrabungen im Bezirk Pystian durchzuführen, die der Erforschung ger­ manischer Fürstengräber galten. Daneben befaßte er sich auch mit der Er­ grabung von Aurignacien-Siedlungsplätzen von Mammutjägern in Straze. Auch Kurt Wilvonseder beteiligte sich an den Ausgrabungen in der Slowa­ kei, wie aus einem gemeinsamen Arbeitsbericht vom 12.3.1941 hervorgeht. Auch in der seit 1939 (wieder) dem Reich zugehörigen Provinz Posen wurden Grabungen durchgeführt: Hier war es Hans Schleif, der eine 1934 von polnischen Archäologen begonnene Grabung fortführte, die das früh­ geschichtliche Verhältnis zwischen Germanen und Slawen aufdecken sollte, woraus auch Rückschlüsse auf für Kriegszwecke wichtige historische An­ sprüche gezogen werden konnten. Ab 1940 wirkte Schleif dann auch an Spatenforschungen im norditalie­ nischen Ravenna am Grab Theoderichs mit, bevor er im November 1941 zu Ausgrabungen im griechischen Olympia aufbrach. 1941 wurde Schleif in seiner F unktion als Leiter der Abteilung Grabungen innerhalb des Ahnen­ erbes durch Herbert Jankuhn abgelöst, offiziell weil dieser für seine Arbeit beurlaubt wurde, zugleich konnte aber dadurch der renommierte Jankuhn in eine repräsentativere Funktion im Ahnenerbe eingebunden werden..811 Am 10. Juni 1941 erging eine Anfrage des Auswärtigen Amtes an Franz Alt811Hufen (1998), S. 76, sieht darin einen Erfolg Jankuhn gegenüber Schleif (hier fälsc h­ lich als „Heinrich" statt „Hans" firmierend), der „die pseudowissenschaftlichen Ambiti­ onen Himmlers und ein Interesse Hitlers für Wikingerforschung in Frage gestellt hatte".

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heim bezüglich der Durchführung einer Forschungsreise nach Afghanistan, die aufgrund des bevorstehenden Rußland-Feldzuges nicht stattfinden konnte. Am 8.9.1941 stellte Prof. Schmidt an das Ahnenerbe den Antrag auf die Bewilligung von Grabungen im damaligen Jugoslawien, dem stattgegeben wurde - am 7.10. erfolgte eine Besprechung zwischen Sievers und Schmidt bezüglich der bisherigen und über künftige Grabungen. Am 25.10. wurde dem Ahnenerbe eine alleinige Grabungskonzession für Serbien zugesprochen. Weitere vorgeschichtliche Forschungen waren für das befreundete Kroatien sowie weitere Gebiete des Donauraumes vorge­ sehen. Neben Schmidt wurden 1941 auch Kurt Willvonseder und Wilhelm Unverzagt für das Ahnenerbe in Kroatien und Serbien archäologisch tätig. Weitere Grabungsziele lagen in der Bretagne und im Elsaß. Mit der sich verschlechternden Kriegslage wurden die Ausgrabungstätig­ keiten der SS vollständig eingestellt, Einsatzfelder ergaben sich fortan nur noch vereinzelt in der denkmalpflegerischen Sicherung von durch Errich­ tung von Verteidigungsstellungen bedrohten frühgeschichtlichen Stätten, die Himmler, wie es Michael Kater nannte, in der „paradoxen Rolle als Feld­ herr und Denkmalschützer zugleich" sahen.812 Herbert Jankuhn & der Wandteppich von Bayeux Der 1905 geborene Herbert Jankuhn hatte bei den Archäologie-Koriphäen Wilhelm Unverzagt und Carl Schuchhardt studiert und 1931 promoviert. Im gleichen Jahr erhielt er vom Kieler Museum die Leitung der Grabung am Wikingerdorf Haithabu in Schleswig übertragen. Bereits in diesem Jahr war Jankuhn der von Hans Reinerth geleiteten Ge­ sellschaft für Deutsche Vorgeschichte - dem späteren Reichsbund - beigetre­ ten. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zum sogenannten „Westkreis" kam es in den folgenden Jahren zu Konflikten mit Reinerth und Peter Paulsen (Leiter der Kieler Sektion des Reichsbundes), die Jankuhns nationalsozialistische Gesinnung in Frage stellten.813 Der durch die gemeinsame Herausgabe der Zeitschrift Offa mit Gustav Schwantes und durch seine Habilitation („Die Wehranlagen der Wikingerzeit zwischen Schlei und Treene") nunmehr auch international anerkannte Jankuhn stellte darauf 1936 Antrag auf Aufnahme in 812 Kater (2006), S. 218. 813 Pape (2001). S. 55 ff.

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die SS. Da seine Haithabu-Grabung bereits seit 1934 unter Schirmherrschaft der SS und Heinrich Himmlers stand, bevor sie 1938 offiziell vom Ahnener­ be übernommen wurde,814 und ein Aufnahmegutachten positiv ausfiel, wur­ de er im März 1937 in die SS aufgenommen und wenige Monate später zum stellvertretenden Leiter der Forschungsstätte Ausgrabungen im Ahnenerbe ernannt. 1938 wurde der Kieler Archäologe unter Mithilfe Himmlers zum Direktor des Kieler Museums vorgeschichtlicher Altertümer erkoren und organisierte die Kieler Pfingsttagung des Ahnenerbe 1939. Diese mit hochka­ rätigen Vortragsrednern durchgeführte Veranstaltung gilt als Markstein des Ahnenerbes auf dem Weg zu nationalem und internationalem Ansehen.815 Jankuhn, der bereits an diversem Grabungen des Archäologischen Ins­ titutes des Deutschen Reiches auf dem Balkan, im Orient und in Ägypten teilgenommen hatte, wurde somit zum Vorzeigearchäologen des Ahnener­ be. Nachdem er 1940 Schleif als Abteilungsleiter der Forschungsstätte Aus­ grabungen im Ahnenerbe abgelöst und zum ordentlichen Professor in Kiel ernannt worden war, führte ihn sein nächster Auftrag nach Frankreich, wo er die Untersuchung des Teppichs von Bayeux leitete. Der in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstandene, ca. 52 cm hohe und fast 69 m lange Stickteppich zeigt in 58 Einzelszenen die Erobe­ rung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm den Eroberer. Die Bildfolge beginnt mit einem Zusammentreffen von Harald Godwinson, Earl of Wessex, mit dem englischen König Edward und endet mit der Schlacht von Hastings am 14. Oktober 1066. Wegen seiner Fülle an detail­ lierten Einzeldarstellungen, der durchdachten Ikonographie und der hand­ werklichen Qualität gilt der Teppich von Bayeux als eines der bemerkens­ wertesten Bilddenkmäler des frühen Mittelalters.816 Jankuhn ließ den Teppich zunächst in die Abtei von Juyae-Mondaye brin­ gen, 1941 wurde der Teppich dann in ein Kunstdepot nahe Le Mans verlegt. Dort blieb der Teppich bis 1944, dann wurde er vermutlich auf Befehl von Heinrich Himmler nach Paris gebracht und in einem Keller des Louvre de­ poniert, um ihn vor Kriegsschäden zu bewahren. Jankuhn erhob den Teppich zum Gegenstand von zwei Vorträgen: Im April 1941 vor dem Freundeskreis Himmler und im August 1943 vor der Deutschen Akademie in Stettin.817 Am 21. August 1944 versuchten SS-Offiziere ebenfalls auf Befehls Himm­ lers den Teppich noch aus dem Louvre zu holen und nach Berlin zu ver­ bringen. Die Straßen rund um den Louvre waren jedoch zu dem Zeitpunkt 814 So Jankuhn (1943), S. 3. 815 Vgl. dazu Kater (2006), S. 115. 816 Vgl. Wikipedia: Der Teppich von Bayeux. 817 Wikipedia: Herbert Jankuhn.

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Veit-Stoß-Altar von Krakau Bild aus dem Nachlaß Jankuhns schon in der Hand französischer Widerstandskämpfer, so daß die Evakuie­ rung des Teppichs scheiterte.818 Im Januar 1943 hatte von Mühlhausen, Leiter der noch jungen Ahnener­ be-Abteilung für Keltische Studien, eine Forschungsreise in die Bretagne ge­ leitet, für die ursprünglich Herbert Jankuhn vorgesehen war.819 Dieser war jedoch auf einem anderen Schauplatz voll und ganz eingespannt. „Regermanisierung" & „Sicherstellung" von Kulturgütern 1941 bildete das Ahnenerbe auf Initiative Jankuhns das sogenannte „Son­ derkommando Jankuhn", in dessen Rahmen in sowjetischen Museen befind­ liche Objekte erfaßt und geborgen werden sollten. Einige der interessantesten Objekte wurden bereits Mitte des Krieges nach Deutschland ausgeführt. Im Juli 1942 beauftragte Himmler seinen Vorzeige-Archäologen, auf die kurz zuvor besetzte Halbinsel Krim zu reisen, um dort Spuren der Ostgoten aufzuspüren, die sich hier im 3. Jahrhundert niedergelassen hatten. Doch gerade auf der Krim trat die SS in Konkurrenz mit dem von Rosen­ berg zur Sicherung und Erforschung der vorgeschichtlichen Fundbestände des Ostraums entsandten Hans Reinerth.820 Aufgrund eines Führererlasses vom 1. März 1942 hatte Rosenberg grünes Licht für die Beschlagnahme von Kulturgütern im Ostraum erhalten - allerdings lediglich sofern sie der „Be­ kämpfung von Juden und Freimaurern" dienten, was jedoch weit ausgelegt werden konnte. Himmler war im Zuge einer Annäherung an Rosenberg im Winter 1942 geneigt, seinen Forschern Zurückhaltung aufzuerlegen.821 Dennoch konnte Jankuhn dort aktiv werden, wo Reinerth sein Interessen818 Bridgeford (2004). 819 Vgl. Lerchenmüller (1997), S. 404 f. 820 Vgl. Freitag/Grenzner (1998), S. 48. 821 Ebenda, S. 37/49.

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gebiet nicht absteckte. So gelangte Jankuhn mit den Assistenten Dr. Karl Kersten und Wolf von Seefeld im Gefolge der 5. SS-PzDivison Wi­ king nach Maikop, wo sie Bestände aus dem örtlichen Museum, die in einem Schuppen gelagert wurden, sicherstellten. Dr. Kersten besuch­ te die Bergstädte Eski-Kermen, Tepe-Kermen und Katschi-Kalion, um ostgotische Siedlungen archäo­ Sonderkommando Jankuhn auf der Krim logisch zu erkunden. Ebenso wie diese Forschungen blieb zwar auch die weitere Suche nach ostgotischen Artefakten - so etwa im Juni 1943 im Dnjeprbogen bei Kursk - weitgehend erfolglos, dennoch gelang die Bergung zahlreicher Funde ostgermanischer und skythischer Provenienz - trotzdem viele Artefakte zuvor von den Sowjets teils evakuiert und versteckt, teils von marodierenden Rotarmisten geplündert worden waren.822 Trotz der dem Ahnenerbe im Allgemeinen und Jankuhn im Besonderen vorgeworfenen Tatbestandes des „systematisch betriebenen Raubes von Kunst- und Kulturgütern", kommen die so urteilenden Autoren nicht umhin einzuräumen, daß insbesondere die musealen Sammlungen von Plünderun­ gen und Zerstörungen bedroht waren, so daß Jankuhn und andere hier reinen Gewissens eine Sicherstellung zum Schutz in Anspruch nehmen konnten.823 Bemerkenswert ist jedenfalls Jankuhns persönliche Einschätzung der Ost­ völker, mit der er innerhalb des Ahnenerbes und der SS ingesamt eine Vor­ reiterrolle einnahm: „Wenn wir in Zukunft in stärkerem Maße die geistige Führung in Europa aus­ üben wollen, so können wir nicht ausschließlich das germanische Element betonen und dadurch von vornherein eine Scheidewand zwischen uns und den anderen Völ­ kern errichten, sondern wir müssen in viel stärkerem Maße als das bisher geschah die indogermanischen Wurzeln betonen, die uns mit den meisten europäischen Völ­ kern gemeinsam sind. Wir müssen weiterhin nach meinem Dafürhalten betonen, daß das deutsche Volk, bei dem das germanische Element überwiegt, doch auch an­ dere Völker in sich aufgenommen hat, und daß wir dabei keineswegs die anderen Völker als von vornherein zweitrangig betrachten."824 Neben dem Einsatzstab Jankuhn waren auch weitere SS-Männer an der Sicherstellung von Kulturgut beteilt, etwa der Wewelsburg-Archäologe 822 Vgl. dazu Knaack (2010), S. 105 f. 823 Vgl. insbesondere Hufen (1998), S. 84f./87. 824 Schreiben von Jankuhn an Sievers vom 5.12.1941, zit. nach Hufen (1998), S. 81. 264

Wilhelm Jordan. Dieser ver­ mochte zwischen Dezember 1942 und Oktober 1943 im Ge­ biet von Kiew, Dnjeprpetrowsk und Poltawa überwiegend im Tausch gegen Lebensmittel eine ganze Reihe mehr oder wenige eindrucksvolle Funde zu erste­ hen, deren Wert bei der einhei­ mischen Bevölkerung nicht allzu hoch veranschlagt wurde.825 Eski Kermen - Skythenhelm von Maikop Doch nicht nur das Ahnenerbe, sondern auch das RSHA von Franz Six beteiligte sich für die SS an der Suche nach Kulturwerten. Bereits 1939 sandte der Leiter den SS-Untersturmführer Peter Paulsen auf eine Spezialmission. Paulsen sollte den berühmten, vom deutschen Künstler Veit Stoß gebauten Altar sicherstellen, der sich in Kra­ kau befunden hatte. Obgleich die Polen den Altar vorsorglich in 32 Teilen an verschiedenen Orten versteckt hatten, war Paulsen erfolgreich und es gelang ihm, den kompletten Altar nach Deutschland zu überführen, wo er in Nürn­ berg eine vorübergehende Bleibe erhielt.826 Südtirol-Umsiedlung 1941 rückte aufgrund der Vereinbarung zwischen Deutschland und Itali­ en auf Aussiedlung der Deutschen aus Südtirol das Gebiet in das Blickfeld des Ahnenerbe. Unter Führung von Wolfram Sievers sollte zwischen 1940 und 1943 das „gesamte dingliche und geistige Kulturgut aller umzusiedelnden Volks­ deutschen" registriert und ins Reich überführt werden.827 Dabei sollte zum einen der durch die Aussiedlung entstehenden Gefahr des Vergessens alter Volksbräuche vorgebeugt werden, was bereits seit 1937 zu den Aufgaben­ bereichen des Ahnenerbe zählte. Zum anderen mußte neben der Erfassung und Verschickung des deutschen Kulturgutes in Südtirol auch eine Einstu­ fung der Bevölkerung auf deutsche Abstammung erfolgen, woran das Ah­ nenerbe ebenfalls beteiligt war. Am 3.1.1941 erfolgte ein die Arbeit vorbereitender Besuch des Geschäfts­ führers Sievers in Bozen. Am 17.3. 1941 folgte eine gemeinsame Reise Sie­ vers mit Dr. Posse, dem Sonderbeauftragten des Führers für alle ins Reich verbrachten deutschen Kulturgüter nach Südtirol. 825 Vgl. Freitag/Grenzner (1998), S. 49; ebenso Huismann (2009), S. 210 f. 826 Vgl. Pringle (2006), S. 199 f. 827 So Probst-Effah (1994), S. 165.

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Im März 1941 vereinbarten Sievers und Franz Altheim, eine schon länger geplante Forschungsreise nach Südtirol anzusetzen (siehe Kap. 5). Am 8.9.1941 brach Altheim gemeinsam mit seiner Begleiterin Erika Trautmann nach Kärn­ ten mit nicht genau zu verifizierendem Auftrag auf. Bereits am 6.11.1941 war die Forschungsreise abgeschlossen und es erfolgte ein Bericht an Sievers.828 Auch Bruno Schweitzer wurde in Südtirol aktiv. Ende 1940 fertigte er im Rah­ men der dem Ahnenerbe unterstellten Kulturkommission Aufnahmen Südti­ roler Dialekte an.829 Die für „Volksmusik" zuständige Arbeitsgruppe stand unter Leitung von Alfred Quellmalz. Zwischen 1940 und 1942 engagierte sich ein Forscherteam in den Bereichen Volkslied und Instrumentalmusik, Volkstanz, Kinderlied, Kinderspiel und Musikgeschichte. Wie es der Zeitgeist heute innerhalb der akademischen Forschung verlangt, wird auch auf diesem unpolitischen Feld den Forschern heute vorgeworfen, „Ergebnisse von Befragungen öfter im Sin­ ne der Ahnenerbe-Ideologie manipuliert" und „die Bevölkerung ideologisch beeinflußt zu haben", um „die nationalsozialistische These von der rassischen Kontinuität untermauern und propagandistisch verwerten" zu können.830 Doch auch in anderen Teilen Europas war das Ahnenerbe mit der Erfas­ sung von Volksliedgut beschäftigt. So übernahm Richard Wolfram als Leiter der Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde in Salz­ burg auch die Aufgabe, deutsche Sprachinseln in Südeuropa, u.a. den Karpa­ ten, volkskundlich zu erforschen.831 Karstforschung Ein weiterer mit Kriegsausbruch aufrecht erhaltener Forschungszweig war die Höhlen- und Karstforschung, die im Oktober 1938 in Salzburg unter Lei­ tung Robert Steinhäusers gegründet worden war. Hier ging es neben der ar­ chäologischen Erschließung von steinzeitlichen Fundstätten auch um die Fra­ ge der künftigen Nutzung von Höhlen als Lager- und Produktionstätten.832 Zu den untersuchten Karststrecken zählt die Höhle von Busau bei Olmütz / Tschechei833 1942 ging aus der inzwischen unter Kommando Hans Brands stehenden Karstforschung im Ahnenerbe ein SS-Karstwehrbataillon hervor, das vor al828 Vgl. Schreiben Altheim an Sievers v. 6.11.1941, Archiv Verfasser. 829 Simon (ChrSchweizer), S. 17f. 830 Schwinn (1989), S. 95 f. 831 Probst-Effah (1994), S. 164 f; hier der Verweis auf Wolfram: Volkstänze aus Deutsch-Mokra, in: Das deutsche Volkslied, Jg. 41, 1939, S. 30-33, S. 30. 832 Vgl. etwa Schreiben Dr. Brandt an Sievers vom 8.8.1943, über Aufstellung einer Liste von Höhlen zur Aufbewahrung von Lebensmitteln. Heiber (1970), S. 287. 833 siehe dazu Heiber (1970),S. 100 f.

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lern für die Partisanenbekämpfung in Stollensystemen Istriens Verwendung finden sollte.834

11.2.

Von Tibet nach Dachau

Die Hauptanklagepunkte, die das Ahnenerbe in die Reihe der verbreche­ rischen Organisationen rückte, bezieht sich zum einen auf die Durchfüh­ rung von Menschenversuchen für medizinische Zwecke, zum anderen auf die Aufstellung einer Skelettsammlung, für die gezielt Menschen getötet worden sein sollen. Rassenkunde Im Gegensatz zu anderen Forschungsfeldern gewann die Rassenkunde innerhalb des Ahnenerbe mit Kriegsbeginn nicht weniger, sondern mehr Be­ deutung. Nachdem der seit 1937 im Persönlichen Stab RF-SS tätige Anthro­ pologe Bruno Beger bereits auf der Tibet-Expedition rassekundliche Unter­ suchungen für das Ahnenerbe anstellte, avancierte er mit Kriegsbeginn zum führenden Ahnenerbe-Anthropologen. 1941 erging ein Forschungsauftrag Himmlers an das Ahnenerbe, mit dem Beger sich weitere Sporen verdienen konnte: Es ging um den sogenannten Fettsteiß, der bereits Lanz von Lieben­ 836 fels bewegt hatte.835 Diese beim afrikanischen Volk der Hottentotten auftre­ tende Fettlage am Gesäß der Frauen erinnerte Himmler an die Venusstatu­ etten der Altsteinzeit, die in Österreich und Deutschland gefunden worden waren. Himmler ordnete daher eine gemeinschaftliche Untersuchung zwi­ schen Ahnenerbe und RuSHA an, um folgende Fragen zu eruieren: 1. Wo wurden, kartenmäßig aufgezeichnet, solche Venusfiguren überall gefunden? 2. Wie war das Klima an diesen Stellen zur Zeit, als das betreffende Volk lebte? 3. Gibt es Hinweise, daß entweder Völker ähnlich wie die Hottentotten damals in den Fundgegenden lebten oder ist anzunehmen, daß eine gemeinsame Ahnenschicht in den Fundgegenden und in den heutigen Hottentotten-Gegenden lebte, und daß diese Art Menschen bei uns durch irgendwelche Umstände - sagen wir durch Kli­ mawechsel - oder durch die Cromagnon und die späteren nordischen Menschen ver­ trieben und vernichtet wurde? 4. Genauestens wäre in diesem Zusammenhang nachzuprüfen, wie lange man von den Hottentotten und anderen Völkern, die solche Fettsteiße haben, diese Art des Körperbaues bereits weiß, und weiterhin, woher die Hottentotten und diese anderen Völker in jedem einzelnen Fall stammen. Insgesamt also, wie weit man sie zurück­ verfolgen kann...."S36 834 Vgl. Koop (2012), S. 139 f. 835 Lanz von Liebenfels (1906), S. 7. 836 Himmler an Ahnenerbe, 2.9.1941, zit. nach Heiber (1970), S. 118. 267

Eine Motivation dieses Auftrages sieht Kater in dem rassekundlichen Nachweis, der Überlagerung der ehemaligen Negerrasse in Europa durch die Cro-Magnon-Rasse was die Überlegenheit der weißen gegenüber der 838 schwarzen Rasse erwiesen hätte.837 Während Otto Huth auf die Verwendung der altsteinzeitlichen Figuren als „Idole ohne reales Vorbild" hinwies, lehnte Assien Böhmers eine gene­ relle Verbindung zwischen den europäischen und russischen Fettsteißfiguren ab. Lediglich Beger entsprach mit seinen Ausführungen der Intention Himmlers und räumte die Möglichkeit lebendiger Vorbilder ebenso ein, wie eine Verwandtschaft zwischen diesen potentiellen Hottentotten-Vorfahren und den Juden: „Unter Jüdinnen sind mitunter auffallend starke Gesäßentwick­ lungen zu beobachten, die womöglich auf die gleiche fettsteißbildende Erbanlage wie bei Hottentotten und Buschmännern zurückzuführen sind. Im Judentum sind ja außer den Grundrassen (orientalisch und vorderasiatisch) auch Bestandteile der af­ rikanischen Rassen aufgegangen."333 1943 wurde Beger auf Wunsch von Prof. August Hirt mit der anatomi­ schen Aufnahme von jüdischen Skeletten für eine Skelettsammlung der Universität Straßburg betraut. Während seines Einsatzes nutzte er die Gele­ genheit, auch an Mongolen anatomische Untersuchungen anzustellen.839 Die Verwicklung Begers in die Einrichtung der Skelettsammlung führte 1969 zu einer Verurteilung zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe, die vor allem auf Aussagen Katers beruhte, in denen dieser Details aus seinen Interviews mit Beger preisgab und entsprechende Interpretationen mit detektivischem 841 Spürsinn gleich mitlieferte.840 Noch vor dem Kriegsende regte Beger einen weiteren rassekundlichen Vorstoß an: Eine Studie über die „Rassen im Kampf". Konkret ging es um die Fragestellung, „welcher Art die Unterschiede in den Verhaltensweisen der Rassen im Kampf sind, und welche praktischen Folgerungen und Anwendungs­ möglichkeiten zur wirksameren Bekämpfung eines fremdrassigen Gegners sich aus derartigen Unterschieden ergeben können."341 Als Mitarbeiter sah Beger seinen 837 So Kater (2006), S. 206. 838 Beger, zit. nach Kater (2006), S. 208. 839 Vgl. Kater (2006), S. 209. 840 Damit entpuppte sich Kater nicht nur als Hobbyagent, sondern erwies zugleich der wissenschaftlichen Forschung einen „Bärendienst" - die fragwürdige Vermi­ schung wissenschaftlicher Befassung mit persönlichen Rachemotiven führt nämlich zwangsläufig zu einer Verweigerung von Zeitzeugen-Aussagen gegenüber nach­ folgenden Forschern - Beger beispielsweise gab erst dem US-Autoren Christopher Haie - 35 Jahre nach seinen Negativerfahrungen mit Kater, wieder Einblick in seine Tätigkeiten; vgl. dazu Haie (2008), S. 3 ff. 841 Himmler an Bormann, zit. nach Kater (2006), S. 209.

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früheren Ordinarius Prof. Ludwig Clauss vor, der obzwar durch mehrere Veröffentlichungen bekannt, in Parteikreisen in Ungnade gefallen war.842 Aufgrund der Negativentwicklung des Krieges seit Ende 1943 kam es indes nicht mehr zur Umsetzung dieses Forschungsvorhabens. Anders als gegenüber den Juden, erwies sich Himmler gegenüber einer anderen verfolgten Gruppe wesentlich milder: So ordnete der Reichsfüher nach Aussage Sievers im September 1942 die Aufnahme einer näheren und sehr positiven Verbindung des Ahnenerbe zu den noch in Deutschland leben­ den Zigeunern an.843 Hintergrund war die Zugehörigkeit der Zigeuner zur indogermanischen Sprach- und nach Meinung verschiedener Forscher auch Völkerfamilie. Bereits Weisthor hatte eine relativ wohlwollende Meinung ge­ genüber den Zigeunern geäußert, als deren geheimer König er sich als letz­ ter Sproß seines irministischen Familienzweiges wähnte.844 Weisthor zufolge seien die Zigeuner aufgrund der Kreuzigung des Kristos verfluchte Wodans­ anhänger, die einmal in ihrem Leben zur Klus nach Goslar - der vermeintli­ chen Kreuzigungsstätte Baldur-Krestos - pilgern müßten. Walther Wüst be­ scheinigte den Zigeunern hingegen weitaus wissenschaftlicher den Status als „Nachfahren der indogermanischen Urvölker in direkter Linie."845 Allerdings bezog sich Himmlers Milde lediglich auf die wenigen reinrassigen Zigeuner, die seßhaft gemacht werden sollten, während die Mischlinge, also der Groß­ teil der Zigeuner, nicht vor den Konzentrationslagern bewahrt blieb.846 Medizinische Forschung In Bezug auf die durch Ahnenerbe-Mitarbeiter durchgeführten Men­ schenversuche in den KL war es vor allem Sigmund Rascher, der in Koope­ ration mit dem Ahnenerbe für die Luftwaffe Höhenexperimente mit Häftlin­ gen durchführte, denen mehrere Probanden zum Opfer fielen. 842 Zu seinen Veröffentlichungen zählen: „Die nordische Seele, eine Einführung in die Rassenseelenkunde" sowie „Rasse und Seele"; Kritikpunkt war die Übertragung des Begriffs der nordischen Rasse auf das Geistige, auf Grund derer Dr. Walther Groß meinte, mit Clauss „würde unsere ganze Rassenlehre in sich Zusammenfäl­ len"; demgegenüber nahm Himmler den Gelehrten in Schutz: „Es sei bedenklich, einen Mann wie Prof. Dr. Clauss, der doch immerhin einiges wissenschaftlich ge­ leistet hat, nun durch restlose Ablehnung zur Verzweiflung und damit irgendwie in das Lager unserer Gegner zu treiben." Vgl. Kater (2006), S. 210. 843 So Kater (2006), S. 206. 844 Vgl. Winkler-Dechend bei Flowers (2001), S.143: „Der Oberst war der „Ge­ heime König“ der Zigeuner, so wie es andere ungarische Fürsten vor ihm waren". 845 Wüst (1937), S. 33 ff. 846 Vgl. Kater (2006), S. 206 f.

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Auch Himmlers Interesse an der Naturheilkunde forderte ihren Tribut: So wurden Häftlinge unter Aufsicht von SS-Arzt Prof. Robert Grawitz mit ver­ schiedenen Krankheiten, darunter Sepsis infiziert, um die Wirksamkeit diverser homöopathischer Mittel zu testen. Zum Leidwesen der Opfer erfüll­ ten die Arzneimittel nur in wenigen Fällen ihren Zweck - mehrere Probanden verstarben während der Tests.847 Entgegen der landläufigen Meinung finden sich je­ doch innerhalb der Ahnenerbe-Akten zahlreiche Be­ lege für Ziele Himmlers, die bislang kaum Eingang in SS-Arzt Robert Grawitz die akademische Literatur zum Ahnenerbe-Komplex fanden. Dabei handelt es sich um wissenschaftliche Einrichtungen, die mit der Schädlingsbekämpfung betraut waren. Auf den ersten Blick handelt es sich dabei um ein typisches SS-Ansinnen, Juden und andere Gruppen „auszumerzen". In diese Richtung zielt auch Franz Wege­ ner, wenn er sich mit der Seuchenhexe Nasav befaßt, die in der AhnenerbeKorrespondenz Erwähnung findet und als Verbreiter(in) von Seuchen galt. Wegeners Fazit: „Eine Seuche, gegen die die eigene Bevölkerung rechtzeitig geimpft würde, wäre in der Lage, große Gebiete im Osten vergleichsweise unauffällig zu ent­ völkern, um so für die Kolonisatoren ,Raum im Osten' zu schaffen."848 Indes scheint die Sachlage bei genauerem Hinsehen diametral den Interpre­ tationen Wegeners entgegenzustehen. So dominiert innerhalb der gesamten Korrespondenz Himmlers mit den Seuchenbekämpfungsstellen der Wunsch, die Häftlingssterblichkeit innerhalb der KL zu senken. Hintergrund war eine große Sterblichkeit, die auch durch Seuchen ausgelöst wurde und insbesonde­ re das Lager Auschwitz betraf, welches aufgrund eines hohen Grundwasser­ spiegels von verschiedensten Mücken- und Fliegenarten heimgesucht wurde, die tödliche Krankheiten verbreiteten, insbesondere Typhus. Dieses mit der Seuchenhexe verbundene Anliegen Himmlers - nämlich die Bekämpfung der Ausbreitung von Seuchen - wird auch deutlich anhand eines weiteren Schrei­ bens des SS-Arztes Dr. Brand an Wolfram Sievers. In diesem wird Himmlers Frage bezüglich der biologischen Bekämpfung der Stubenfliege (die Himmler als Verbreiter von Seuchen identifiziert zu haben glaubte) erwähnt, ob „nicht an eine Züchtung von Schlupfwespen oder ähnlichen Insekten herangegangen werden könnte, die Mücken oder Fliegen vertilge".849 Es ging also nicht um eine Nutzung oder gar Züchtung dieser „Seuchenfliege", sondern um deren Bekämpfung! 847 Vgl. Wegener (2006), S. 124 ff.; siehe hierzu auch Koop (2012), S. 207ff. 848 So Wegener (2004), S. 37. 849 Vgl. Heiber (1970), S.371. 270

Der Wunsch Himmlers spiegelt dabei keine Menschenfreundlichkeit wider, sondern ist vielmehr dessen Ansinnen geschuldet, mehr Häftlinge für Arbei­ ten zur Verfügung zu haben, die an verschiedenen SS-Großprojekten einge­ setzt werden sollten: Ende 1944 waren etwa 400.000 KL-Häftlinge in rüstungs­ wichtigen Betrieben beschäftigt.850 Die Auswertung der Akten läßt den Schluß zu, daß das Ziel der Bemühungen Himmlers tatsächlich auf die Senkung der Sterblichkeit ausgelegt war.851 Einen wichtigen Grund dafür dürfte der bei Auschwitz angesiedelte IG-Farben-Industriekomplex spielen. Dieser produzierte nämlich keineswegs Buna, wie offiziell angegeben, sondern könnte - wie der einer pro-nationalsozialisti­ schen Tendenz unverdächtige US-Autor Joseph Farrell nahelegt - der deutschen Atomwaffenforschung als Urananreicherungsstätte gedient haben. Auch wenn tatsächliche Beweise fehlen, sprechen einige Indizien für diese Theorie: Die gro­ ße Zahl von Arbeitskräften (Häftlingen), die strikte Geheimhaltung sowie die infrastrukturell gute Lage nahe den Uranerzvorkommen des Sudetenlandes abgesehen von der Tatsache, daß während der gesamten Betriebszeit der ver­ meintlichen Buna-Produktionsstätte kein einziges Gramm Buna erzeugt wurde. Wobei letzteres Argument bislang jenen zupaß kam, die Auschwitz als reines Vernichtungslager betrachteten. Allerdings wurden tatsächlich Häftlinge zu Arbeiten herangezogen, was diese These zum Einsturz bringt.852 Überdies pro­ duzierte die IG-Farben in den Leunawerken Merseburg auch das zur Isolation des Uranoxids notwendige feste Kohlendioxid. Im Jahre 1944 übernahm Kurt Plötner die Leitung des Instituts für wehr­ wissenschaftliche Zweckforschung in Dachau. In seiner Abteilung „P" (=Plötner) setzte er die Forschungsarbeiten des im März 1944 verhafteten Sigmund Rascher fort.853 In dieser Funktion führte Plötner im KZ Sachsen­ hausen eine Reihe von Menschenexperimenten durch, um die blutstillende Wirkung des Medikaments Polygal zu untersuchen. 850 So Höß, zit. nach Kater (2006), S. 219. 851 Dies räumt auch Kater (2006), S. 227 f, ein, der die Aussagen des ehemaligen Kommandanten Höß, demzufolge die Häftlingssterblichkeit durch Seuchen Teil des Himmlerschen Judenausrottungsplans gewesen wäre, anzweifelt. Kater zufolge hätte Himmler durchaus ein Interesse an der Gesunderhaltung eines Teils der Häftlinge als Arbeitssklaven gehabt, außerdem widerspräche das unkontrollierte Sterben dem Plan der organisierten Tötung. 852 Vgl. Farrell (2010), S. 41 f; man beachte auch die durch Zeugenaussagen belegte Behautpung, bei Auschwitz habe ein Atomwaffentest stattgefunden, bei dem 20.000 Juden in einer künstlich errichteten Stadt umkamen; Mayer/Mehner (2004), S. 224 853 Rascher wurde im März 1944 aufgrund einer Kindesentführung seiner Frau und damit verbundener „Charakterschwächen" aus der SS entlassen und später hingerich­ tet; vgl. Kater (2006), S. 103; ebenso zuletzt Koop (2012), S. 175 ff.

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Zur Fortführung der Versuche und Produktion des Blutstillmittels auf der Grundlage von Pektin ließ er sich ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau einrichten und zu Forschungszwecken Dachauer KZ-Häftlinge zu­ teilen, die ansonsten in der Produktion mitwirkten. Nach einem Jahr wurde das Lager am 7. April 1945 aufgrund heranrückender französischen Trup­ pen aufgelöst und von Plötner im benachbarten Vorarlberg als Außenlager Lochau für knapp einen Monat wieder eröffnet. Weitere Schwerpunkte lagen auf der Entwicklung medizinischer Arznei­ en, vor allem von Blutgerinnungsmitteln wie Styptorol. Auch der bereits erwähnte von Lützelburg war in die medizinische For­ schung involviert, für die er auf seine in Südamerika gewonnenen Erkennt­ nisse zurückgriff. Er stand in enger Verbindung mit Dr. Rascher bezüglich der Erprobung eines von ihm entwickelten Krebsheilextraktes aus einer al­ pinen Pflanze anhand von Menschenversuchen. Im September 1943 dank­ te Himmler seinem Schwager in einem Brief: „Ich bin sehr froh, daß du jetzt in Dachau bist, da u dort mit Rascher sowie mit unseren Heilkräuter-Instituten in engster Fühlung lebst. Der Krebsforschung messe ich allergrößten Wert bei."85i 1944 wurde die Krebserforschung auf den Wirkstoff Colchizin ausgewei­ tet und in Zusammenarbeit mit Eduard May, dem Leiter des entologischen Ahnenerbe-Institut in Dachau, durchgeführt. Im Januar 1945 erstattete von Luetzelburg der Reichsgeschäftsführung einen positiven Bericht, dessen De­ tails jedoch nicht - zumindest offiziell - erhalten geblieben sind. Während die medizinische Forschung bereits umfangreich wissenschaft­ lich behandelt wurde, ist in einem anderen Bereich der Sonderforschung, in die das Ahnenerbe involviert war, ein überraschender Mangel feststellbar: Der Sonderwaffenforschung.

11.3.

Kammler, die deutsche Atombombe & die Geheimwaffenforschung

Wenn heute von deutschen Wunderwaffen die Rede ist, so denken die Meisten an die VI und V2, die seit 1943 bzw. 1944 als „Vergeltungswaffen" gegen England eingesetzt wurden. Während die unbemannte VI als erster Marschflugkörper der Geschichte bei einer Maximalgeschwindigkeit von 650 Km/h noch relativ leicht abgefangen werden konnte, gab es gegen die V2, die erste Rakete mit Sprengkopf, keine Abwehrmöglichkeit. Daß jedoch die V2 nur den Anfang einer viel weiter fortgeschrittenen GeheimwaffenForschung des Dritten Reiches darstellte, wurde zumeist übersehen. Unter dem Projekttitel V3/ A9 firmierte eine Weiterentwicklung der V2, die in der Lage sein sollte, selbst Amerika erreichen zu können. Daneben gab es eine * 854 Simon (ChrLuetzelburg), S. 23. 272

Real existierende Wunderwaffen: Focke Wulf Triebflügel - Strahlbomber Junkers 287 ganze Reihe von ferngesteuerten Raketen, Nurflügel- und Deltaflugzeugen sowie andere Waffensysteme, die in den verschiedensten Entwicklungssta­ dien standen - unter anderem mehrere Strahlflugzeuge, die als „AmerikaBomber" vorgesehen waren. In jüngster Zeit sickern dabei mehr und mehr Informationen über bereits existente Flugzeugtypen an die Öffentlichkeit, die bislang als lediglich geplant oder auf dem Reißbrett existent bezeich­ net worden waren.855 Während die Ankündigung neuer Vergeltungswaffen durch Propagandaminister Goebbels und auch Heinrich Himmler lange Zeit als Bluff angesehen wurden, scheint nun sicher, daß zahlreiche Projekte kurz vor dem Einsatz standen.856 Eines der erstaunlichsten ist dabei ein Deltaflug­ zeug mit der Bezeichnung „P 13 A" des Konstrukteurs Alexander Lippisch, das eine Geschwindigkeit von Mach 1,2 erreicht haben soll und ausweislich einer US-Dokumentationsliste aus den sogenannten „Lusty-Akten" erbeutet wurde.857 855 Bereits 1956 hatte der ehemalige Patentamtsmitarbeiter Rudolf Lusar ein Buch veröffentlicht, das zahlreiche geheime Waffenprojekte vorstellte. Der Inhalt wurde jedoch nicht sonderlich beachtet, bis sich 30 Jahre später herausstellte, daß die alliier­ ten selbst das Buch so ernst nahmen, daß sie eine Expertenkommission einrichteten, um die Angaben zu überprüfen; vgl. Georg (2009), S. 126. 856 Vgl. dazu insbesondere Georg (2009) sowie Witkowski (2008); exemplarisch für den Optimismus selbst in engsten Parteikreisen ist der Brief Bormanns an seine Frau vom 2. April 1945, in dem er seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, „daß die Produktion der Jäger, wie von Kammler noch geplant, groß genug sein werde und daß die erhofften Erfolge nicht zu spät kämen", zit. nach Kater (2006), S. 220 ; ebenso berichtet Kersten von einer Aussage Himmlers im Dezember 1944. in der er davon spricht, daß man „bald die letzte Waffe zum Einsatz bringen werde, welche die Kriegssituation dramatisch ändern wird; zit. nach Pringle (2006), S. 283 f. 857 Vgl. Farrell (2009), S. 21 - die „Lusty-Dokumente" umfassen Berichte zu deut­ schen Geheimtechnologien und -Waffen, die anhand von Geheimdienst- und diver­ 273

Hintergrund dieser geheimen Waffenentwicklungen war die zunehmen­ de Verlagerung deren Produktion im Verlauf des Krieges in die Hände der SS. Im August 1943 beschloß Hitler auf Vorschlag Himmlers, Arbeiter für die Rüstungsproduktion aus den Kl zu rekrutieren. Bereits im März 1942 hatte Himmler die Zusammenarbeit der Skoda-Werke bei Prag sowie der Waffenwerke Brünn bei der Entwicklung neuer Waffensysteme mit der SS angeordnet.858 1943 erfolgte die Einrichtung einer eigenen SS-Fliegertruppe. Seit dieser Zeit war die SS dadurch faktisch unabhängig, nicht nur in der Entwicklung, sondern auch im Einsatz neuer Waffen. Zugleich verfügte die SS auch über die Mittel, ihre Forschungen und ihre Produktion unter stren­ ger Geheimhaltung und abgeschottet von der Außenwelt durchzuführen. Im Juli 1944 wurde Himmler zum Befehlshaber des Ersatzheeres ernannt und im September erhielt SS-General Kammler das Kommando über die bis­ her dem Heer unterstehenden VI und V2 Raketeneinheiten.859 Der promovier­ te Ingenieur Hans Kammler hatte sich beim Aufbau der Wehrmacht Anfang der 30er Jahre erste Sporen verdient und war Ende der 30er Jahre im Auftrag 861 der Luftwaffe als Militärberater bei den Sowjets tätig.860 1942 trat er als Baube­ vollmächtigter in die SS ein und leitete den Aufbau des KL Auschwitz. In den darauffolgenden Jahren erhielt er den Oberbefehl über die SS-Baudivision und stieg bald zum Verwalter des SS-Wirtschaftsimperiums auf, das über mehrere Millionen Zwangsarbeiter aus den Konzentrationslagern verfügte. 1944 unter­ stand ihm der Einsatz der VI und V2 Waffen gleichzeitig der Ausbau der unter­ irdischen Produktionsstätten in Nordhausen (Dora-Mittelbau) und im Jonastal (Sonderbauvorhaben S-III) sowie die Entwicklung aller neuen Waffensysteme. Am 27. März 1945 schließlich übertrug Hitler dem als äußerst akribisch und durchsetzungsfähig geltenden SS-Bürokraten unbeschränkte Vollmachten für das Strahljäger-Notprogramm. Hans Kammler wurde damit zu einem der ein­ flußreichsten Männer des 3. Reiches, gar zum „mächtigsten Mann Deutschlands außerhalb des Kabinetts", der sogar befugt war, „jedermann ohne Rücksicht auf Rang und Stellung zu verhaften, der der Durchführung seiner Befehle im Wege stand."961 Albert Speer, der zugunsten von Kammlers Aufstieg an Macht einbüßte, schrieb über seinen Rivalen: „Gerüchteweise sollte Kammler als Himmlers Nachfolger aufgebaut werden. Ich lernte Kammler als hervorragenden, jedoch eiskalt berechnenden und rücksichtslos intrigierenden Fachmann kennen, der von seiner Aufgabe besessen und fanatisch in sen weiteren Berichten zentral gesammelt wurden. 858 Schreiben Voss an Himmler vom 30. März 1942, in dem dieser den Befehl Himmlers bestätigt. Agoston (1993), S. 24. 859 Vgl. Kater (2006), S. 219. 860 So Agoston (1993), S.17. 861 Agoston (1993), S. 17.

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der Durchführung seiner Ziele war.... Als Partner in mancherlei Aufgabenbereichen, in seiner Vor­ stellung vielleicht sogar mein Rivale, war er in sei­ nem Werdegang wie auch in seiner Arbeitsweise und manchem anderen Wesenszug mein Spiegel­ bild. Auch er kam aus einer soliden Mittelklasse­ familie, hatte die Universität besucht, wurde dann durch seine Konstruktionen bekannt und fand sich schnell und sicher auch auf Gebieten zurecht, für die er überhaupt keine Ausbildung hatte."862 Der bürokratische Offizier schuf innerhalb SS-Brigadeführer Hans der SS eine Organisation, die heute als Denkfab­ Rammler (links außen) rik bezeichnet werden würde und sich aus einer Vielzahl von Spezialisten und Forschem zusammensetzte, deren gemeinsames Ziel in der Entwicklung neuartiger Waffensysteme bestand. Dazu zählten so­ wohl raketen- und strahlgetriebene Flugzeuge als auch alternative und atomare Antriebstechnologien und schließlich auch Laser- und optische Projekte.863 Bis heute konnten zahlreiche deutsche Forschungen eruiert werden, die sich mit geheimen Waffenentwicklungen befaßten und vor allem innerhalb der SS-Einrichtung „Forschung, Entwicklung, Patente“ (FEP) vorangetrieben wurden. Aufgrund der Entwicklung innerhalb der SS und der damit verbun­ denen hohen Geheimhaltungsstufe waren diese weder in Patentdokumenten noch in irgendwelchen Aktenbeständen aufgeführt, so daß viele Details erst im Laufe vieler Jahre durch Augenzeugenberichte und andere Indizien zu­ sammen getragen werden konnten.864 Darüber hinaus wurden insgesamt über 750.000 Patente, mehr als 20.000 Wa­ renzeichen, 50.000 Farbformeln und 146.000 Patentvorschläge von den Allüerten geraubt, die als Grundlage vieler US-amerikanischer Nachkriegserfindun­ gen dienten. Unter den sichergestellten Dokumenten befanden sich auch 204 Kubikmeter Akten des Reichsluftfahrtministeriums, die zahlreiche waffentech­ nische Entwicklungen enthielten, die in vielen Fällen bis heute geheim gehalten werden.865 Trotzdem auch die Engländer Sonderkommandos („T-Forces") ein­ setzten, um deutsche Hochtechnologie sicherzustellen,866 hatten die US-Ameri­ kaner, die bereits im Vorfeld über eine Vielzahl von Informationen verfügten, stets die Nase vom, wenn es um die Sicherstellung dieser Güter ging. 862 Speer (1976), S. 376 f. 863 Vgl. Agoston (1993), S. 7; ebenso Georg (2010), S. 74 f. 864 Vgl. Georg (2010), S. 75 ff.; die FEP konnte erst kürzlich eruiert werden. 865 Ebenda, S. 69 ff.; vgl. auch Mayer / Mehner (2007), S. 190 ff. 866 U.a. „30 Assault unit RN" bzw. „30 Advanced Unit" unter Kommando des späteren James Bond Schöpfers Ian Fleming; vgl. Cook (2006), S. 83. 275

Neben Hans Kammlers „Forschungsimperium" hatte Himmler allerdings auch sein Forschungsinstitut Ahnenerbe mit Waffenforschungen beauftragt, um seine schwindende Bedeutung gegenüber dem aufstrebenden SS-Gene­ ral wettzumachen. Die Strahlenkanone des Oberst Schröder-Stranz Das einzige exklusive Ahnenerbe-Waffenprojekt war dabei das sogenann­ te „Strahlengerät" des Obersten Schröder-Stranz, obgleich auch hier Ramm­ ler bemüht werden mußte, um Bohrgerät samt Mannschaften zur Verfügung zu stellen.867 Dieses Gerät sollte den Aussagen seines Erfinders zufolge, in der Lage sein, sowohl als Mutungsgerät Erdölvorkommen aufzuspüren, als auch in Form einer Strahlenkanone Lebewesen zu töten oder wahlweise zu „heilen".868 Nachdem die Luftwaffe eine Entwicklung des Gerätes 1943 abgelehnt hatte, bat Himmler im Juli 1944 um Abkommandierung des Erfinders zur SS, um dessen Arbeiten durch das Ahnenerbe begutachten zu lassen. So schrieb Sievers an eden Leiter der Fachsparte für Bodenforschung: „Um keine Möglichkeit, dringend benötigte Bodenschätze, insbesondere Ölvorkommen zu erschließen, außer Acht zu lassen, hat der Reichsführer-SS auf Antrag von Oberst Schröder-Stranz angeordnet, die Zuverlässigkeit eines neuentwickelten geophysikalischen Un­ tersuchungsgerätes nach Johannes Brandt auf Grund systematisch-planmäßig durchgeführter Versuche und Untersuchungen nachzuprüfen und für die dazu notwendigen Bohrungen die erforderlichen Hilfsmittel gestellt."869 In Stapel­ burg wurden die Geräte einer näheren Prüfung unterzogen, zu der nach und nach weitere Fachgutachter hinzu­ gezogen wurden.870 Trotzdem mit dem Gerät nach Mitteilung von Sie­ vers bereits ein Kupfervorkommen festgestellt worden sein soll,871 kam im Oktober 1944 einer der eingesetz­ ten Fachleute, Prof Blome, zu dem Entschluß, daß die Maschine nicht einsatzfähig sei.872 Dennoch wurde bis Februar 1945 weiter geforscht.873 867 Vgl. Koop (2012), S. 136. 868 Siehe Kater (2006), S. 220; die der Maschine zugeschriebenen Eigenschaften werden in einem nachfolgenden Kapitel noch von größerer Bedeutung sein. 869 Sievers zit. bei Koop (2012), S. 137f. 870 Vgl. Kater (2006), S. 220. 871 So Sievers nach Koop (2012), S. 137. 872 Vermerk Sievers vom 20.10.1944, nach Kater (2006), S. 220. 873 Die Zahlungen für den Stranz-Mitarbeiter Johannes Brandt liefen sogar bis 276

Karl Schappeller In diesem Zusammenhang ist die Erprobung der Theorien Karl Schappellers (1875-1947) überliefert. Der in einem Armenhaus geborene Schappeller war eigentlich Postmeister, ließ sich aber bereits mit 44 Jahren frühpensionieren.874 Seitdem forschte Schappeller an einer freien Energieform, die er „Raumkraft" nannte. In relativ kurzer Zeit gelang es ihm, einen Kreis von Förderern in Wien und Umgebung zu mobilisieren, der sich aus Personen verschiedenster Herkunft zusammensetzte. Dazu zählten etwa „der Führer der Arbeitslosen in Wien", Schloßnagel, Fabrikanten wie Eduard Solderer, aber auch Angehörige des Klerus, die vor allem durch den Neffen des Linzer Bischofs, Ingenieur Louis Gföllner rekrutiert wurden, der Mitverfasser eines „Gutachtens" über Schappellers Arbeit war.875 Aber auch in völkischen Krei­ sen wurde der Erfinder bald bekannt und umgarnt. 1925 erwarb Schappeller das Schloß Aurolzmünster nahe von Linz, welches zuvor im Besitz der ihn unterstützenden Familie des Grafen zu Arco Valley war.876 Hier soll er auch nach dem „Hunnen-Schatz König Attilas" gesucht haben, wobei der nähe­ re Hintergrund dieser Suche offen bleiben muß.877 Zum Kreis der Anhänger Schappellers zählten auch der ariosophische Verleger Herbert Reichstein und dessen guter Bekannte Jörg Lanz von Liebenfels, der viel von Schappeller ge­ halten zu haben schien, bezeichnete er diesen in der Zeitschrift „Ariosophie" 1930 doch als ,,Ein[en] Titanejn] auf technischen-physikalischem Gebiet".878 „Ein mehr als 30Jähriges Studium der Natur, unbeeinflußt von aller Schulwis­ senschaft, und eine ganz ungewöhnliche Erkenntniskraft ließen ihntiefer als wohl je einen Menschen vor ihm in das Wesen der Materie und der Energie eindringen. Was die modernste Atomphysik und Elektrochemie allmählich in Teilergebnissen gefaßt hat, war Schappeller schon vor mehr als zehn jähren geläufig. In Hunderten von Experimenten erprobte er seine durch Studium gewonnenen Erkenntnisse auf 31.3.1945; Interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein Eintrag Speers (1976), S. 468, der von einem ähnlichen Waffenprojekt spricht, das Robert Ley vorantreiben wollte - auch hier blieb ein Erfolg aus. 874 Gerüchten zufolge handelte es sich dabei um eine Zwangspensionierung auf­ grund amtlich festgestellter Geisteskrankheit so etwa http://www.berlinonline.de/ berliner-kurier/politik/betrueger_teil4/; Bahn (1997) weist allerdings auf die geringe Glaubwürdigkeit der Gerüchte hin, S. 120 f 875 Siehe Bahn (1997), S. 122 f. 876 Einer anderen Sichtweise zufolge, sei ihm das Schloß „überlassen" worden, http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/politik/betrueger_teil4/; Zur Familie von Arco Valley gehörte auch der Eisner-Attentäter Anton Graf von Arco auf Val­ ley, der selbst bis 1927 als Folge der Tat in Haft saß; vgl. Bahn (1997), S. 123 f. 877 So Bahn (1997), S. 129. 878 So Wikipedia: Karl Schappeller; zu Reichstein, Goodrick-Clarke: (2004), S. 153. 277

Karl Schappeller (re.) Funktions­ prinzip des Meta-Magneton (li.)

ihre praktische Verwendbarkeit und so fand er in der Tat die Grundlage einer völlig neuen Technik, deren Wesensmerkmal die Erkennt­ nis der dynamischen Einheit der Welt ist. Es ist damit die Technik aus der Mechanik in die Dynamik übergeführt worden.....Denn was Schappeller uns bringt, ist nicht mehr und nicht weniger als die Urkraft, welche die Mutterkraft aller Materie und Energie zugleich ist"879, schwärmt das Gutachten, das Schappeller über seine Arbeit in Auftrag gegeben hatte. Mitverfasser neben Gföllner, war der damals bekannte Dr. Ing. Franz Wetzel, einer der „führenden Radiästhesisten" der damaligen Zeit.880 Die hier angesprochene „Urkraft" wird auch als magnetostatische Kraft be­ zeichnet, die als „Kohäsionskraft (konzentrische Wirkung des Atmosphären­ drucks), als Magnetismus, als Spannung (irrtümlich Luftdruck genannt), im Kraftfeld der Erde und schließlich in jedem Vakuum sichtbar werde.881 Schappeller verwendete zur Nutzung dieser Energie einen kugelförmigen Apparat mit zwei Polen. Als Einsatzzweck der neuartigen Energie wurden genannt: „Neue Motoren für alle Zwecke und Leistungsgrade, neue Automobile und Lokomotiven, neue Flugzeuge und sämtliche Starkstrommaschinen sind mit der neuen Kraft ebenso leicht, billig und zuverlässig zu bedienen als die gesamten Apparate der Schwachstromtechnik wie neuartige, individuell abgestimmte Fern­ sprecher, Fernmelder, Kinematographen, die Ton und Bild gleichzeitig und plas­ tisch übertragen, neue Beleuchtungskörper und vieles andere mehr. Von besonderer Bedeutung für die Landwirtschaft sind die Maschinen zur Förderung des Pflanzen­ wachstums, die in der Tat zwei Ernten im Jahr ermöglichen." Doch auch für militärische Zwecke sollte die Kraft Anwendung finden: „Dieses Meta-Magneton war so konstruiert, daß die beiden Pole innerhalb einer 879 Gföllner/Wetzel (1928), S. 8. 880 So Bahn (1997), S. 124. 881 Vgl. Gföllner/Wetzel (1928), S. 9.

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metall-isolierenden Kugelschale gegeneinander gerichtet waren wie die Kohlenstifte einer elektrischen Bogenlampe. Zwischen diesen beiden introvertierten, metamagne­ tischen Polen, entstand ein Kraftzentrum, von dem aus, wie von einem Leuchtturm, Todesstrahlen ins Weite gesteuert werden konnten. Diese Todesstrahlen waren nicht nur imstande, ganze feindliche Bataillons und Tankgeschwader von der Tafel des Lebens hinwegzuschieben (...), sie konnten auch an allen deutschen Grenzen eine unsichtbare, alle elektrischen Motorzündungen paralysierende und alle Geschoßladungen zur Explosion bringende Wand bilden... ,"882 Obgleich bereits 1930 ein Gutachten des Wiener Profossors Hans Thiring die Ansichten Schappellers als „grotesken Unsinn" bezeichneten,883 scheint das Versprechen Schappellers, mit seinen „Urkraft-Stoffgewinnungsaggre­ gaten" Silber oder Platin aus dem Erdinneren in reinster Form nach oben zu fördern und durch „Stoffveredelungsmaschinen" „biomagnetisch" Blei oder Eisen in Gold zu verwandeln, bei Himmler auf offene Ohren gestoßen zu sein. Bereits 1933 soll sich der Reichsführer in München mit Schappeller ge­ troffen haben.884 Nachdem ein 1935 bei Hitler vorgesehener Termin platzte, setzte Himmler schließlich sein Ahnenerbe auf den Fall an.885 Allerdings vermochten auch die eingesetzten Ahnenerbe-Fachleute die For­ schungen nicht nachzuvollziehen und gaben eine Negativbewertung ab.886 Wenige Jahre zuvor - 1932 - hatte sich auch die englische Marine für Schappellers Arbeiten interessiert und soll einen auf Raumkraft basierenden Schiffsmotor in Auftrag gegeben haben, der jedoch nie fertiggestellt wurde. Etwa zur gleichen Zeit der Ahnenerbe-Prüfungen gründeten ebenfalls Bri­ ten, ein gewisser Cyril Davson sowie ein Mr. Cooper, sogar ein „Syndikat zur weiteren Finanzierung" der Arbeiten Schappellers. Dies konnte aller­ dings den Niedergang des Raumkraft-Werkes nicht aufhalten - Schappeller versank schon vor Kriegsbeginn in Bedeutungslosigkeit und verstarb 1947 auf Schloß Aurolzmünster.887 In jüngerer Zeit wurden Schappellers Forschungen allerdings wieder auf­ gegriffen und zumindest ein Teil seiner theoretischen Erwägungen rehabili­ tiert: So sei die Geschichte von Schappellers Raumkraft-Aggregaten die „Ge­ schichte des ersten echten europäischen Energie-Konverters, der seinen Nachfolgern von heute um mehr als ein halbes Jahrhundert voraus war."888

882 Adrian Turel: Bilanz eines erfolglosen Lebens, zit. nach Bahn (1997), S. 127. 883 So http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/politik/betrueger_teil4/ 884 Bahn (1997), S. 130. 885 Zu diesem Termin siehe Heiber/Longerich (1983), S. 121. 886 Vgl. BArch NS21/819. 887 Vgl. Bahn (1997), S. 131. 888 So der Euergieforscher Rolf Schafftanke, zit. nach Balm (1997), S. 119.

Viktor Schauberger Bis heute spurlos verschwunden sind dagegen offizielle Akten über den Wissenschaftler Viktor Schauberger (1885-1958), obgleich eine Zusammen­ arbeit der SS mit dem Österreichischen Ingenieur als gesichert gilt. Schauber­ ger wurde als Erfinder einer Holz­ schwemmanlage bekannt und forschte an allerlei „an der Natur orientierten" Dingen, darunter zentripetalen Wirbel­ Viktor Schauberger strömungen des Wassers. Die Beobach­ tung der Natur und Ableitung von Erkenntnissen aus diesen Beobachtungen führten ihn zur sogenannten „Implosionstechnik", die im Gegensatz zu den herkömmlichen Explosions- bzw. Verbrennungsmotoren im Einklang mit der Natur stände. Anfang der 30er Jahre wurde Hitler auf den Forscher aufmerk­ sam und lud ihn 1933 zu einem Gespräch ein, an dem auch der Physiker Max Planck teilnahm.889 Nach dem Anschluß Österreichs geriet Schauberger erneut ins Blickfeld der Politik: Einige seiner Geräte wurden durch die Wehrmacht beschlagnahmt, er selbst seit 1941 für die Flugzeugproduktionsfirma Messerschmidt verpflichtet, wo er an Kühlsystemen für Flugzeuge arbeitete. 1943 ar­ beitete er im KL Mauthausen an einem U-Boot Antrieb. Unbestätigten Quellen zufolge war Schauberger jedoch auch an der Forschung über fliegende Scheiben beteiligt, auf die noch zurück zu kommen sein wird. N-Stoff Als N-Stoff („Normal-Stoff") wird ein chemisches Brand- und Zündmittel auf Basis einer Chlortrifluorid-Verbindung genannt.890 Die 1929 an der Techni­ schen Hochschule in Breslau zufällig entdeckte Verbindung hatte die Fähigkeit, ebenso organische Stoffe wie auch Wasser und sogar Metalle explosionsartig beim ersten Kontakt zu entzünden. Als Einsatzmöglichkeiten des von der IGFarben weiterentwickelten N-Stoffs wurde daher unter anderem vorgesehen: - Inbrandsetzung der schwer entzündlichen Dieselbarrieren vor der Küste Großbritanniens angesichts einer deutschen Invasion der Insel. - Steigerung der Brandwirkung von V2-Raketen - Entfachung von Bränden innerhalb von Panzern durch Koppelung des N-Stoffes mit Projektilen 889 Cook (2006), S. 259. 890 Die Alliierten fürchteten, daß es sich beim N-Stoff, von dem sie über Spione erfahren hatten, um eine Anthrax-Bakterienladung handelte, da im englischen „N" für Anthrax steht, Georg (2009), S. 427f; zum N-Stoffsiehe insbesondere Schmaltz (2005), S. 143 ff.

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Nachdem die Wehrmachtsstellen nach ausführlichen Prüfungen und Gutachten die Verwendbarkeit des Stoffes nicht eruieren konnten, übertrug Hitler im Juli 1944 die Entwicklungsarbeiten auf die SS.891 Hier erhielt der bereits erwähnte Kurt Plötner im September 1944 über den Reichsarzt-SS Ernst-Robert Grawitz den Auftrag, als einer von zwei Sachverständigen die toxischen Wirkungen der Wunderwaffe zu untersuchen. Nach einem ersten Versuch, über den keine Ergebnisse bekannt sind, wurden im KZ Sachsen­ hausen fünf angeblich zum Tode verurteilte Häftlinge angefordert, um „zur abschließenden Klärung der physiologischen Wirkung des N-Stoffes auf und durch die menschliche Haut nunmehr einige Versuche am Menschen durchzuführen".892 Auch das Ahnenerbe war in die Forschungen eingebunden. So ersuchte Sievers Oswald Pohl für ein N-Stoff Werk, das auf Befehl Albert Speers in Falkenhagen eingerichtet wurde, Wachmannschaften zu stellen. In seinem Schreiben an Pohl bezeichnete Sievers den N-Stoff als „kriegsentscheidend" ,893 Bevor im Oktober 1944 die Produktion beginnen konnte, bescheinigte ein Prüfungsbericht der Waffen-SS trotz eines angeblich erfolgreichen Tests die Untauglichkeit des N-Stoffes als Brandmittel - lediglich als Zündmittel sei ein Einsatz in Erwägung zu ziehen.894 Neben dem N-Stoff wurden in Falkenhagen auch die Nervengase Tabun und Sarin durch die IG Farben produziert, deren Einsatz aufgrund fehlender Gegenmittel allerdings nicht in Erwägung gezogen wurde. Auch hier war die SS vermutlich aus eigenem Antrieb mit dem Ziel tätig geworden, chemische Waffen als Gefechtsköpfe der V-Raketen zu ver­ wenden.895 Mathematische Abteilung Um das geistige Potential innerhalb der Konzentrationslager für Deutsch­ land zu nutzen, wurde im Mai 1944 Oswald Pohl beauftragt, in den Lagern wissenschaftliche Häftlingsgruppen zusammenzustellen. Diese wurden im KL Sachsenhausen unter Oberbefehl des SS-Untersturmführers K.H. Boseck im Rahmen des Ahnenerbe als mathematische Abteilung eingesetzt, in die auch jüdische Häftlinge aufgenommen wurden. Der Einsatzschwerpunkt der ab 1944 als „Sonderabteilung M" firmierenden Einheit, lag auf der Be­ rechnung komplexer mathematischer Formeln sowie der Ausarbeitung von Einzelkonstruktionen, wie des EO2-Gerätes.896 891 Vgl. Stevens (2009), S. 132; ebenso Schmaltz (2005), S. 171. 892 Zit. nach Wikipedia: Kurt Plötner. 893 Schmaltz (2005), S. 167f. 894 So Schmaltz (2005), S. 173; zum Test siehe Stevens (2009), S. 132. 895 Georg (2009), S. 427ff.; vgl. auch Schmaltz (2005), S. 159. 896 Vermutlich ein Kampfstoffdetektor, vgl. Schmaltz (2005), S. 181 u. 186.

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Akten belegen, daß die Angehörigen der mathematischen Abteilung so­ gar Geldbeträge erhielten, um die Arbeitsmoral zu steigern.897 Darüber wurden aus Häftlingsgruppen auch eine chemische, eine physika­ lische, eine eklektrotechnische sowie eine Kunstruktionsabteilung eingerichtet, die im Kl Plaszow (Krakau) und im Kl Flossenbürg untergebracht waren.898 Elektrostopp-Forschungen Eine weitere der von Himmler erträumten Wunderwaffen basierte auf der Idee, mittels starker elektrischer Strahlung Motorzündungen außer Kraft zu set­ zen. Anfang 1944 wurden im Rahmen des Heeres Versuche mit Flüssigkeiten durchgeführt, welche Motoren von Fahrzeugen außer Kraft setzen sollten: „Bei den Versuchen zur Entwicklung eines Motorstoppmittels sind jetzt Stoffe gefunden worden, die, durch thermische Schwelverfahren ausgebracht, in der Lage sind, Motoren bis zu 2,5 l innerhalb weniger Minuten zum Stillstand zu bringen. Die Störungen sind derartig tiefgreifend, daß die gestoppten Motoren zum Teil völ­ lig überholt werden mußten. Bei der Übertragung der Ergebnisse auf Großmotoren (12 l) waren die Ergebnisse noch nicht befriedigend. Es traten zwar erhebliche Leis­ tungsminderungen ein, die jedoch noch nicht zum Motor stopp führten. Die Versu­ che werden fortgesetzt."899 Da sich die Versuche nicht erfolgversprechend entwickelten, kam es im Juni 1944 zu Tests mit chemischen Mitteln: „Bei der Besprechung am 15. 6. 1944 in der Forschungsführung wurde festge­ stellt, daß sich aus Konzentrationsgründen lediglich diejenigen chemischen Stoffe zum Einsatz gegen feindliche Flugzeuge befinden, die ein Klopfen im Motor durch Herabsetzung der Oktanzahl der Brennstoffe zur Folge haben. Vorversuche, die die Lebensdauer eines Motors beim Zuführen von Brennstoffen mit niedriger Oktan­ zahl feststellen, sollen vom Erprobungskommando 25 in Verbindung mit der K.d.E. durchgeführt werden.“900 Im November 1944 wandte sich diesbezüglich die Firma Elemag mit einem Plan eines elektronischen Motorstoppmittels an die Wehrmacht. Himmler, „beeinflußt von den alten nordischen Sagen über den magischen Hammer des Thor",901 wies noch im gleichen Monat seine Fachleute an, eine solche Waffe zu entwickeln. 897 Vgl. Schreiben aus dem Pers. Stab RF-SS an Boseck vom 6.12.1944, Archiv Verfas­ ser Nr. 42; vgl. auch Kater (2006), S. 255f, der dieses Detail bezeichnenderweise ebenso unerwähnt läßt wie Koop (2012), S. 58 ff. 898 Vgl. Koop (2012), S. 59. 899 „Arbeitsnachrichten“ Wfl Prüf (B. u. M.) Nr. 50/45 g.Kdos. vorri 31.12.1944; zit. nach Waffenrevue Nr. 48. 900 Ebenda. 901 So spekuliert Pringle (2006) über Himmlers Motivation, S. 282.

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Himmler selbst glaubte aus den Überlieferungen über germanische Götter, insbesondere aus Darstellungen des Thorshammer, aus dem Blitze zucken, die damalige Kenntnis der Elektrizität ableiten zu können. So glaubte Himmler, daß es sich bei dem Dargestellten „nicht um natürlichen Donner und Blitz han­ delt, sondern daß es sich um ein früheres, hoch entwickeltes Kriegswerkzeug unserer Vorfahren, das selbstverständlich nur im Besitz weniger, nämlich der Asen, der Göt­ ter, war und das eine unerhörte Kenntnis der Elektrizität voraussetzte, handelte."902 Die Versuche an der eigenen elektrischen Wunderwaffe indes sollen den Angaben Speers zufolge im Sande verlaufen sein: Dr. Werner Osenberg, Lei­ ter der Rüstungsforschung, habe demnach geäußert, daß die von der Elemag vorgeschlagene Wirkungsweise derzeit technisch nicht durchführbar sei und Verständnismängel seitens der Firma selbst erkennen lasse.903 Offizi­ ell bedeutete dies das Ende der elektromagnetischen Forschung. Es sei denn, Speer hätte gelogen. Dafür sprechen Berichte, die der britische Wissenschafts­ autor Nick Cook in einem Feldbericht über deutsche Lenkwaffentechnologi­ en ausfindig machte: So wird unter der Bezeichnung „Windhund" über eine Aufspürvorrichtung feindlicher Flugzeuge berichtet, die einen unbemann­ ten Flugkörper in Richtung dieser Flugzeuge lenken konnte. Weiterhin wird eine Drohne erwähnt, die mittels eines Infrarot-Systems Flugzeugabgase ortete und anpeilte. Über den Standort Wien heißt es: „ Versuche mit Strahlen­ waffen zur Flugabwehr", und über Daimler-Benz, Untertürkheim: „Aktivität: Geheimwaffe. .. Setzt angeblich das Zündsystem eines Otto-Motors außer Kraft... (nicht aber eines mit Batteriezündung)." Schließlich in Bezug auf das HermannGöring-Institut für Elektrophysik in Landsberg: „Aktivitäten: Forschungen in den Bereichen Treibstoff, Flugzeuge, unbemannte Flugzeuge, Fernsteuerung." Alle diese Einträge weisen auf den Einsatz elektrischer Motorstoppwaffen hin, die auch von der Firma Elemag angeregt worden waren, aber offiziell nie weiter verfolgt wurden.904 Daß Speer es mit der Wahrheit nach dem Kriegsende nicht allzu genau nahm, bemerkte bereits Matthias Schmidt.905 Daß er jedoch gute Gründe für seine partielle Amnesie haben könnte, wird verständlich, wenn man sich eine kürzlich präsentierte Version der letzten Kriegswochen näher betrachtet, die mit der deutschen Atombombe in Zusammenhang steht. Die deutsche Atombombe Anfang der 1990er Jahre begab sich ein deutscher Forscher auf die Spur von Legenden über eine deutsche Atombombe. Was Harald Fäth - so der 902 Brief Himmler an Wüst, Mai 1940, zit. nach Koop (2012), S. 110. 903 Vgl. Speer (1967), S. 146; vgl auch Pringle (2006), S. 282. 904 Zitate nach Cook (2006), S. 95 ff. 905 Schmidt (1982).

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Name des Forschers - herausfand, stellte die bisherige Ansicht, derzufolge Deutschland die Entwicklung einer Atombombe nicht vorangetrieben habe, in Frage: Seinen Erkenntnissen zufolge wurde an einer V-2 Nachfolgerrakete gearbeitet, die einen nuklearen Gefechtskopf nach Amerika transportieren sollte.906 Jahrzehntelang hieß es, daß die Entwicklung einer deutschen Atom­ bombe während des Krieges eingestellt wurde, da die Ausgangsstoffe , u.a. Schweres Wasser durch die Sprengung einer norwegischen Produktionsfab­ rik am 28. Februar 1943, nicht mehr zugänglich waren.907 Überdies gab Wer­ ner Heisenberg an, daß das deutsche Atomprogramm bereits 1941 offiziell eingestellt wurde. Daß jedoch neben der offiziell bekannten Forschergruppe um Werner Heisenberg, Carl Friedrich von Weizsäcker und Otto Hahn am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin noch weitere Wissenschaftlergruppen exis­ tierten, die sich mit der Kernforschung befaßten, war zwar bekannt, wurde aber aufgrund offenkundiger Bedeutungslosigkeit vernachlässigt: Neben einer von Kurt Diebner geleiteten Einrichtung des Heereswaffenamtes in Kummersdorf, später Stadtilm, arbeitete auch Paul Harteck an der Universi­ tät Hamburg am Bau eines Uran-Versuchsreaktors.908 Thomas Mehner und Edgar Meyer fanden angeregt von Fäth in jahrelangen Recherchen nunmehr heraus, daß daneben noch eine Forschergruppe unter Befehl der SS existiert haben muß, die in ihrer Arbeit weiter fortgeschritten war, als die offiziell präsentierte Expertengruppe. Bereits seit 1939 hatte die SS demzufolge im Köln-Bonner Raum eine „Denkfabrik" zur Entwicklung atomarer Waffen eingerichtet, die während des Krieges mit anderen geheimen Einrichtungen in Ohrdruf / Thüringen und Böhmen - vielleicht auch bei Auschwitz - zu­ sammenarbeitete, um bereits 1943/44 erste „einsatzbereite Waffensysteme liefern zu können."909 Auch das Ahnenerbe war an der Kernforschung beteiligt. In Anbindung an das Amt sollte an der Reichsuniversität Straßburg 1942 ein Lehrstuhl für Kernphysik eingerichtet werden, dem auch ein Cyclotron zur Verfügung ge­ stellt werden sollte. Ergänzend sollte die Karstwehr-Abteilung des Almenerbe das in Höhlen entstehende Neueis auf die Anreicherung mit schwerem Was­ ser untersuchen, was allerdings verneint wurde.910 Bestätigt wurden die Forschungen durch den Berliner Historiker Rainer Karlsch: In den beiden letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs sollen bei „nu­ klearen Versuchsexplosionen" in Thüringen und auf Rügen mehrere hundert 906 Fäth (1994); vgl. dazu Fäth (1999), S. 9. 907 So etwa Kater (2006), S. 219; vgl. ebenso Hahn (1987), S. 131. 908 Vgl. Wikipedia: Uranprojekt. 909 Mayer/Mehner (2007), S. 80f; zur Entwicklung siehe insbesondere S. 37f./55; vgl. ebenso Georg (2009), S. 39, der als SS-Verantwortlichen Dr. Seiffert nennt. 910 Vgl. Koop (2012), S. 55 f.

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Kriegsgefangene und Häftlinge ums Leben gekommen sein, wie er seinem Buch „Hitlers Bombe" unter Berufung auf bisher unbekannte Quellen in russischen Archiven und auf Ergebnisse von DDR-Amateurforschem angibt.911 Laut ZeitOnline sollen insgesamt fünf Physikprofessoren durch Messungen bestätigt ha­ ben, daß „in Ohrdruf Spuren eines nuklearen Ereignisses vorhanden" seien.912 Trotz aller Zweifel an einem erfolgreichen deutschen Atomwaffen-Programm - erfolgreich zumindest was die Herstellung von Atombomben be­ trifft - ist die dafür sprechende Beweislast zu erdrückend: Neben Augenzeu­ genberichten über deutsche Atomwaffen-Tests und Kleinstatomwaffen, die in Stadtilm sichergestellt worden sein sollen, sind es vor allem alliierte Militärbe­ richte, die für den erfolgreichen Abschluß des Atombombenbaus sprechen.913 Allerdings verbleibt die Frage, warum diese Waffe nicht eingesetzt wurde? „Operation Avalon" - Verschwörung gegen Hitler Eine mögliche Erklärung weist zugleich auf das bislang weitgehend kontu­ renlos gebliebene Atomprogramm der SS hin. Wie Thomas Mehner und Edgar Mayer nahelegen,914 gibt es gute Gründe für die Annahme einer Verschwörung gegen Hitler und auch Himmler durch Partei- und SS-Kreise, in der die deut­ sche Atombombe eine wesentliche Rolle spielte. Beteiligt waren neben Karl Wolff insbesondere Martin Bormann, Albert Speer und Hans Kammler - drei der wenigen vorgeblich Überlebenden des Krieges aus Hitlers engstem Um­ kreis.915 911 Karlsch (2005); allerdings fanden sich die Hinweise darauf bereits bei Mayer/ Mehner, die allerdings nur in Fußnoten erwähnt werden; ein weiterer Test soll bei Auschwitz stattgefunden haben, siehe Fn.778. 912 Kettenreaktion der Geschichte? http://www.zeit.de/2005/12/A-Bombe_Pro; allerdings hat sich auch hier Widerstand formiert: So hätten von der Physikalisch-Technischen Bun­ desanstaltentnommene und untersuchte Bodenproben aus Jonastal keinen Hinweis auf Nu­ klearexplosionen, sondern lediglich auf Kontamination durch den Tschernobyl-Störfall er­ geben, stehe: http://wunu.ptb.de/de/aktuelles/arcluv/presseinfos/pi2006/pitext/pi060215.htni 913 Hier insbesondere Aussage Major Alexander de Seversky, wonach das Flächen­ bombardement der Alliierten auch dem Zweck diente, eine Fertigstellung der Atom­ bombe durch die „Nazis" zu verhindern (Chicago Daily Tribüne 28.09.1945), sowie Bericht des US-Generalstabschef George C. Marshall, demzufolge die Landung in der Normandie erforderlich wurde aufgrund der deutschen Entwicklung atomarer Sprengstoffe (Daily Mail 10.10.1945, ebenso Biennal Report ofthe Chief of Staff of the US-Army -1945); Mayer/Mehner (2007), S. 110 ff. 914 Mayer/Mehner (2004), S. 236 f. 915 Indizien für Kammlers Überleben bei Agoston (1997), S. 113 ff.; für Bormann siehe Farell (2010), S. 269 ff.; ebenso - wenn auch als Quelle ungeeignet - Serrano (1987), S. 7 ff.; dagegen soll ein DNA-Test eine in Berlin aufgefundene Leiche als

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Bildmontage: Atomexplosion in New York - Atombombe vom Typ „Little Boy" mit Heckflossen deutscher Produktion Das von den Autoren unter dem Decknamen „Operation Avalon" skizzierte Szenario umfaßt die Existenz einer einsatzfähigen Atombombe in den letzten Kriegswochen. Dies würde sowohl Hitlers Enthusiasmus als auch den seiner Vertrauten Himmler und Goebbels erklären. Denn die lang angekündigten „kriegsentscheidenden" Wunderwaffen erschöpften sich nicht in konventio­ nell bestückten V2- oder ähnlichen Raketen, sondern bezogen sich auf ato­ mare Waffen, entweder als Sprengkopf einer A-10 Amerika-Rakete oder als atomar bestückter Langstreckenbomber. Doch anstatt die Waffe gegen die Al­ liierten einzusetzen, sollen sich die drei genannten Protagonisten zusammen­ getan haben, um die Waffe als Pfand gegenüber dem Feind zu verwenden - im Austausch für die eigene Immunität. Dies könnte wiederum den plötzlichen Stimmungswechsel Hitlers nach Speers letztem Besuch in Berlin am 20. März 1945 erklären. Der These zufolge habe Speer Hitler entweder reinen Wein ein­ geschenkt, zumindest aber dem Reichskanzler die Mitteilung überbracht, daß die Atomwaffe definitiv nicht mehr zum Einsatz kommen werde. Speer selbst verbüßte zwar 20 Jahre Haft, konnte aber sowohl seine Identität als auch sein bisheriges Leben in seiner Heimat beibehalten. Die Freiheitsstrafe wäre ihm wohl erspart geblieben, wenn er sich wie Kammler und Bormann entschieden hätte - beide verschwanden von der Bild­ fläche, ohne Spuren zu hinterlassen. Doch nicht nur das: Für beide wurden im Vorfeld Legenden ihres Todes konstruiert, die von zurückbleibenden Kamera­ den erzählt werden sollten.916 Im Falle des vorgeblichen Todes Bormanns - auf der Flucht aus dem Bunker in Berlin - hat dies besser funktioniert, als im Falle Kammlers, denn über Letzteren kursierten bald drei verschiedene Todeslegen­ den. Haben hier einige Beauftragte etwas durcheinander gebracht? Sei es wie es sei, Fakt ist, daß Kammler trotz seiner gewichtigen Rolle bei der Leitung des Sonderwaffeneinsatzes und seiner Verantwortung für den Tod vieler Zwangs­ arbeiter bei keinem der Nachkriegs-Tribunale nähere Beachtung fand. Statt dessen gibt es merkwürdige Indizien, die auf eine deutsche Herkunft des ame­ Bormann identifiziert haben, vgl. Wikipedia: Martin Bormann. 916 Auffällig ist auch, daß die USA Jahrelang Gerüchte streuten, beide Akteure seien zu den Sowjets übergelaufen, vgl. Knaack (2010),S. 63.

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rikanischen Plutoniums der beiden eingesetzten US-Atombomben sprechen: Demnach soll das Uranium (spaltbares Uran 235) von Bord des U-Bootes U-234 stammen, das sich im April 1945 auf dem Weg nach Japan befand.917 Eine in der Tat abwegig scheinende Geschichte - wenn es nicht eine ganze Reihe heute unbestrittener Friedensverhandlungen seitens verschiedenster deutscher Kreise mit den Alliierten gegeben hätte. Sicher ist, daß es in den letzten Kriegsmonaten auch Kreise der SS eine rege diplomatische Tätigkeit entfalteten: Sowohl Gottlob Berger, Chef des SS-Hauptamtes, als auch Hein­ rich Himmler selbst streckten Fühler für einen Seperat-Waffenstillstand mit den westlichen Allierten aus.918 Berger hatte bereits in einem vertraulichen Brief an Himmler vom 26.9.1944 vorsichtig Verhandlungen mit der sowje­ tischen Seite vorgeschlagen, „um im Osten den Rücken frei zu bekommen". Er spekulierte als Reaktion auf einen englischen Kriegsaustritt.919 Als dieser Vorschlag ohne Reaktion blieb, richtete Berger sein Augenmerk auf die Westalliierten und schickte Anfang 1945 Emissäre in die Schweiz, um dort Verhandlungen mit US-Vertretern zu führen. Im April 1945 einigte er sich mit Eisenhower auf die Übergabe von prominenten Gefangenen, die angeblich auf Befehl Hitlers erschossen werden sollten.920 Im „Wilhelmstraßen-Prozeß" 1949 wurde er zwar zu 25 Jahren Haft ver­ urteilt, kam aber bereits 1951 wieder auf freien Fuß - zusätzlich stifteten ihm die Amerikaner als Dank für die Rettung der Gefangenen eine bronzene Dankestafel auf seinem Grab in Gerstätten. Ebenso wie Berger zählten auch Richard Hildebrandt, letzter Chef des RuSHA, und Georg Erbrecht, SS- und Polizeichef in Königsberg, zum Kreis der Verschwörer. Letzterer hatte sich allerdings an die Sowjets gewandt und diesen scheinbar einen Dienst erwiesen, wurde er doch später in den Stasi-Akten als „Friedenskämpfer" geführt.921 Die wichtigsten Verhandlungsobjekte, um den Alliierten Zugeständnis­ se abzupressen, waren entweder Gefangene, vor allem jüdischer Herkunft, Hochtechnologie und Waffen sowie Kunstschätze, die im Osten sicherge­ stellt worden waren. Hierzu zählten etwa eine Ikonensammlung aus Kiew und vielleicht sogar das sagenumwobende Bernsteinzimmer, das seit seiner 917 Siehe u.a. Agoston (1997), S. 46. 918 Vgl. Knaack (2010), S. 38, der Gerüchte nennt, die die SS gar als Zentrale ei­ ner nationalsozialistischen Opposition gegen Hitler bezeichneten; Hitler selbst habe aber bereits 1943 den Amerikanern einen Separatfrieden angeboten, für den er im Gegenzug ein ukrainisches Protektorat anbot; S. 56 f. 919 Brief Berger an Himmler, bei Heiber (1970), S. 362. 920 Vgl. Knaack (2010), S. 41; zu den SS-Verhandlungen mit den Alliierten vgl. auch Schellenberg (1981), S. 364 ff. 921 Siehe Knaack (2010), S. 40. 287

Evakuierung aus Ostpreußen als verschollen gilt.922 Eine weitere Spur im Zusam­ menhang mit Kunstschätzen als Pfand bei geheimen Friedens­ verhandlungen mit den Alliier­ ten führt zu Martin Bormann. Dieser deckte den Gauleiter von Ostpreußen Erich Koch bei der Sicherstellung der be­ sagten Ikonen-Sammlung vor Martin Bormann (Bildmitte) Alfred Rosenberg. Und auch Hans Kammler war involviert: Gemeinsam mit Himmler und dessen Aus­ landsspionage-Chef Walter Schellenberg traf er sich im Oktober 1944 in der Schweiz mit einem Vertreter orthodoxer amerikanischer Rabbiner, um über die Auslieferung von 600 000 Juden gegen 5 Mio Schweizer Franken oder Traktoren und Landwirtschaftsgeräte zu verhandeln.923 Was eine Zusammenarbeit zwischen Kammler und Bormann darüber hi­ naus nachvollziehbar erscheinen läßt, ist die Tatsache, daß sich beide aus ihrer gemeinsamen Kampfzeit Anfang der 20er Jahre im Freikorps Roßbach kannten.924 Kammler war - noch bevor die Allierten das tatsächliche Ausmaß der Forschungen des Kammler-Stabes überblicken konnten - aufgrund sei­ ner Bedeutung für die V-Waffen Produktion in den letzten Kriegsmonaten tatsächlich ein Angebot von US-Seite unterbreitet worden, in den USA am Aufbau der Raketenindustrie mitzuarbeiten, wie Kammlers Frau nach dem Krieg angab!925 Um sich abzusichern, habe Kammler aber von sich aus zeit­ gleich Kontakt zu den Sowjets aufgenommen, um Verhandlungen über die Auslieferung von Waffenmaterial zu führen. Dies sei, so Georg, auch der Grund, warum nach dem Krieg beide Seiten die jeweils andere verdächtig­ ten, Kammler aufgenommen zu haben.926 Sicher ist jedenfalls, daß eine gan­ 922 Vgl. Knaack (2010), S. 41 ff. 923 So Knaack (2011), S. 58; demzufolge habe Himmler Landwirtschaftsgeräte bevorzugt, da man über genügend Geld verfügte - unverkennbar scheint Himm­ ler keinen Zweifel an einem Endsieg gehegt zu haben, denn Traktoren lassen sich schlechter auf der Flucht mitführen als Geldkoffer; zu Bormanns Rolle als Initiator des Evakuierungskommandos, vgl. auch Farrell (2010), S. 276 ff. 924 Knaack (2011), S. 58. 925 Vgl. Georg (2010), S. 75. 926 So Georg (2010), S. 76, letzten - allerdings eher abwegigen - Spekulationen Mayer/Mehners (2007), S. 276, zufolge könnte Kammler auch geplant haben, sich selbst samt kriegsentscheidender Waffen versteckt zu halten, um dann bei einem

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ze Reihe von Forschern aus dem Kammler-Stab bei der Besetzung Pilsens Anfang Mai 1945 durch Kräfte unter dem Befehl General Pattons gefangen gesetzt und später in amerikanische Dienste übernommen wurde.927 Ein anderer Teil hatte sich ebenso wie die Raketentechniker um Wernher von Braun nach Bayern abgesetzt. Auch Kammler, der am 3. April seinen Abschiedsbesuch bei Hitler antrat, hatte bereits ein Quartier bei München eingerichtet und teilte Albert Speer mit, warum es besser für diesen sei, sich ihm anzuschließen.928 Tatsächlich liefen bereits seit einiger Zeit Bestrebun­ gen, in Südbayern ein letztes Verteidigungsbollwerk gegen die Alliierten aufzubauen, die sogenannte Alpenfestung. Heute wird diese - ebenso wie die tatsächlichen Vergeltungswaffen - als Mythos bezeichnet. Dennoch gibt es Hinweise, daß erst Vorkommnisse in den letzten Kriegstagen eine Akti­ vierung der Alpenfestung verhinderten.929 Abzug der Alliierten, diesen „in den Rücken zu fallen". Im Juni 2014 enthüllte der Filmemacher Andreas Sulzer, daß Kammler am 9. Mai vom US-Geheimdienst CIC arrestiert und später in die USA verbracht wurde, wo sich seine Spur verliert, vgl. R. Karlsch, in „Zeitschrift f. Geschichtswissenschaft", 6/2014. 927 So Agoston (1997), S. 7. 928 So Speer (1976). 929 Bei Wikipedia: Alpenfestung, findet sich folgender aufschlußreicher Eintrag: „Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelte Deutschland den vom Gaulei­ ter Franz Hofer entworfenen und maßgeblich von Heinrich Himmler sowie Joseph Goebbels getragenen Alpenfestungsplan, sich angesichts der unmittelbar bevorste­ henden militärischen Niederlage in den letzten Wochen des Krieges, insbesonde­ re nach der Teilung des deutschen Staatsgebiets durch Berührung der von Osten und Westen anrückenden alliierten Truppen, in befestigte Anlagen in den Bergen der bayerischen, österreichischen und italienischen Alpen zurückzuziehen. Von dort aus wollte das Deutsche Reich der unausweichlichen, so die eigene ideologi­ sche These, militärischen Konfrontation zwischen der Sowjetunion und den USA auf deutschem Boden widerstehen und der Siegerseite als Verhandlungspartner zur Verfügung zu stehen, um die absehbare totale militärische Niederlage doch noch in einen Teilsieg umzuwandeln beziehungsweise die Niederlage abzumildern. Unter anderem Ernst Kaltenbrunner als Chef des Reichssicherheitshauptamts hatte bereits in diesem Sinne Kontakte zu den Amerikanern aufgenommen. Vom Widerstand, darunter auch Fritz Molden, wurde jedoch laufend an die Amerikaner über die Bau­ fortschritte berichtet. Die Amerikaner führten zu keinem Zeitpunkt Verhandlungen mit Kaltenbrunner in dem von den Nationalsozialisten gewünschten Sinn. Obwohl Adolf Hitler am 24. April 1945 in einem Führerbefehl sämtlichen noch verfügbaren Kräften den Rückzug in die Alpenfestung anordnete, hatte er sich jedoch darauf fest­ gelegt, bis zur endgültigen Niederlage in Berlin zu bleiben. Die Pläne zur Errich­ tung einer Alpenfestung waren ihm als im Wesentlichen fiktiv bekannt, da er selbst

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Ebenjene gegen Hitler gerichtete Verschwörung durch drei der mächtigs­ ten Männer dieser letzten Kriegstage? Unabhängig von Mehner und Mayer bestätigt auch Nick Cook genau diese Verschwörung: „Dann aber teilte Kammler dem Reichsminister für Bewaffnung und Munition mit, es seien Bestrebungen im Gange, den Führer zu beseitigen. Er habe vor, Kontakt mit den Ame­ rikanern aufzunehmen und ihnen im Austausch für seine persönliche Frei­ heit alles anzubieten - Strahlflugzeu­ ge, die A4-Rakete und andere bedeut­ same Entwicklungen."930 Speer selbst habe - wie er nach dem Krieg beteuerte - dieses An­ gebot abgelehnt. Jedenfalls ge­ hörte er nicht zu den Akteuren, die sich absetzten - indes scheint angesichts der vorliegenden Fak­ ten seine ursprüngliche Beteili­ gung an dem Komplott durchaus glaubhaft zu sein. Vielleicht stieg er erst aus als klar war, daß die Amerikaner nicht über ein wei­ terbestehendes Reich mit ihm als wichtigem Akteur verhandelten, sondern lediglich um die persön­ liche Freiheit im Gegenzug für die geheimen Waffentechnologien. Links: Wirkungsbereich einer Atom­ waffe auf Manhattan - von den Alli­ ierten sichergestellte deutsche Karte. Unten: Schlagzeile aus „Grazer Samstag", 1956 es war, der alle mobilen und verfügbaren Einheiten nach dem Ruhrgebiet und in die Schlacht um Berlin befohlen hatte. Die Alpenfestung umfaßte nach den Planungen mehrere Teile: Wehrmachts- und SS-Einheiten, Waffen- & Falschgeldproduktionen, Festhalten von sogenannten Sonderhäftlingen; Georg (2009), S. 682 f, verweist auch auf den britischen Air-Force-Gesandten Roy Fedden, der über einen geplanten Einsatz von Nuklearwaffen aus der Alpenfestung ab Oktober 1945 spekulierte. 930 Cook (2006), S. 207f.

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12. Von Neuschwabenland nach Aldebaran: Spekulationen um SS-Geheimprojekte „Am 8. Mai kapitulierten die drei Wehrmachtsteile auf Grund einer nicht zu beschreibenden Häufung von Verrat vor der vermeintlichen Übermacht der Feinde - doch damit war und ist noch nicht alles vorbei gewesen1. Das Raum­ schiff Vril-Odinflog kurz vor dem 8. Mai mit den maßgeb­ lichen Personen des Vril-Ordens nach Aldebaran. Zudem gab es noch ein zweites Weltraumunternehmen aus der Zeit des Deutschen Reiches in der zweiten Aprilhälfte 1945. Das im Durchmesser 71 m große Raumschiff „ Thor" des Typs Haunebu III flog zum Mars, wo die Vorbereitungen für den Aufbau eines Stützpunktes getroffen wurden..."931 o beschreibt Reiner Feistle in „Aldebaran - Die Rückkehr unserer Ah­ nen" den Höhepunkt der Weltraumforschungen des 3. Reiches - reine Phantasie, wäre wohl noch eine freundliche Umschreibung des Kom­ mentars aus Sicht des nüchternen Wissenschaftlers. Um so erstaunter dürfte dieser sein, wenn man ihm Beweise vorlegt, die für tatsächlich die Grenzen der Vorstellungskraft sprengende Forschungen im 3. Reich sprechen.

S

12.1.

Der Flugscheiben-Mythos

Hintergrund dieser Mythen ist die angebliche Entwicklung von futuristischen Fluggeräten, die heute unter dem Begriff der Flugscheiben firmieren, Nachdem eine Fertigstellung solcher Flugscheiben bereits früh in verschiedenen Zeit­ schriftenartikeln und Veröffentlichungen thematisiert wurde, fehlen bis heute eindeutige Dokumente, die dies verifizieren würden, so daß die akademische Forschung bislang einen weiten Bogen um diesen Sachverhalt machte. Nicht so jedoch die Laienforschung, die dabei sehr oft in den Bereich kaum nachzuvoll­ ziehender Spekulationen abdriftete. Sehr oft schrieb dann der eine vom anderen Autoren ab, so daß man sich gegenseitig als Quelle zitieren konnte, ohne den Wahrheitsgehalt der Spekulationen dadurch zu erhöhen. Die „offizielle" Version? Anhand der spärlichen Quellen und im Vergleich der zahlreichen Veröf­ fentlichungen zu diesem Thema, ergibt sich folgender Sachverhalt: Bereits vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges gab es verschiedene For­ scher, die sich mit der Frage des bestmöglichen Flugsystems befaßten und 931 Feistle (2010), S. 14.

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aufgrund der Flugeigenschaften wie er etwa beim Frisbee oder dem ange­ drehten Bierdeckel zu beobachten ist, vermutlich unabhängig voneinander, auf die Möglichkeit eines diskusförmigen Fluggerätes, einer Flugscheibe, stießen. Während es eigentlich weltweit theoretische Befassungen mit diesem Problem gab, wurden die ersten praktischen Versuche in Deutschland un­ ternommen. 1939 wurde anläßlich des 1. nationalen Wettbewerbes für Flug­ modelle der sogenannte Nurflügler A.S. 1 des Konstrukteurs Arthur Sack vorgestellt, der jedoch sehr schlechte Flugeigenschaften aufwies und nicht selbständig starten konnte. Auf Ermunterung des damaligen LuftwaffenGeneralluftzeugmeisters Ernst Udet entwickelte Sack den Prototypen AS 6/ VI (letzteres als Bezeichnung des 1. Prototypen), der als konventionelles Flugzeug lediglich runde Flügelformen aufwies und bei Flug-Versuchen im April 1944 aufgrund des zu schwachen Propeller-Triebwerkes nicht von der Startbahn abzuheben vermochte. Dieses von der Luftwaffe selbst geförderte Projekt dürfte aufgrund der schlechten Erfahrung dann eingestellt worden sein, beweist aber, daß sogar die Luftwaffe selbst mit diskusförmigen Flug­ geräten experimentierte.932 Auch der Konstrukteur Andreas Epp, der selbst an solchen Fluggeräten arbeitete, übergab Ernst Udet eigenen Angaben zu­ folge 1941 ein Modell eines Flugdiskus, das nach Peenemünde gelangt sein soll, ohne daß Epp offiziell mit weitergehenden Plänen beauftragt wurde.933 Ein Forscherteam, bestehend aus Dr. Richard Miethe, Projektleiter und Fachmann für Aerodynamik, Dr. Ing. Otto Habermohl, Experte für Senk­ rechtstart und Autogyro, Dipl. Ing. Guiseppe Belluzo, Spezialist für wärme­ beständige Legierungen und Dipl. Ing. Rudolf Schriever, Chef-Testpilot, soll schließlich einen Durchbruch mit einem „Flügelrad-Konzept" erzielt haben. Zwischen 1939 und 1945 wurden verschiedene Prototypen des sogenannten BMW-Flügelrades entwickelt, das mit Strahltriebwerken ausgestattet war und aus einem Rotor mit 16 trapezförmigen Blättern, die sich um einen zent­ ralen Cockpit-Körper drehten, bestand. Der Jungfernflug des letzten Protoypen, BMW Flügelrad II VI soll am 14. Februar in Prag stattgefunden haben, bei dem aber lediglich eine geringe Flughöhe erreicht worden wäre.934 Allerdings ist diese Geschichte - zumindest was die beteiligten Forscher anbelangt - kaum glaubhafter als noch abstruser erscheinendere. Denn der 1952 verstorbene Belluzo hatte zwar genau wie Epp an Flugscheibenentwür­ fen gearbeitet, leitete jedoch von 1939 bis 1943 die Kommission für nationale Erziehung und Volkskultur im faschistischen Italien. Auch Rudolf Schriever, der zwar durch die Veröffentlichung von Berichten über die Flugscheiben­ projekte einige Bekanntheit in Deutschland erlangte, spielte nach eigenen 932 Vgl. Miranda / Mercado (1991), S. 7. 933 Vgl. Gehring/ Rothkugel (2001), S. 20.

934 So Miranda/ Mercado (1991), S. 8.

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Aussagen für die Konstruktion der Fluggeräte keine größere Rolle.935 Lediglich der Konstrukteur Miethe, der in den 50er Jahren in die USA ging, könnte tatsächlich am Bau der Flügelräder mitgewirkt haben. In Ame­ rika jedenfalls war er an der Entwicklung des Avro-VZ 9 Flugdiskus betei­ ligt, der jedoch nach negativen Testreihen offiziell eingestellt wurde.936 Habermohl soll dagegen im April 1945 von den Sowjets gefangen genommen worden sein, jedenfalls fehlt von ihm seither jede Spur. Damit endet eigent­ lich die herkömmliche Darstellung der Flugscheibentechnologie, soweit sie aus verschiedenen Quellen rekonstruierbar ist. Alternative Theorien und Spekulationen Indes gibt es über diese spärlichen Fakten hinaus noch viele Fragen: Unter welchem Kommando arbeitete Miethes Konstruktionsteam und warum gab es mit dem Sack-Entwurf parallele Forschungen? Warum interessierten sich die Alliierten für Forschungen, die sich angeblich als nutzlos herausstellten - und warum wurden über 700 Wissenschaftler im Rahmen der Operatio­ nen „Overcast" und „Paperclip" - darunter auch mehrere Forscher, die an Flugscheiben arbeiteten, eigens in die USA geholt? - Woher kommen die zahlreichen seit 1945 einsetzenden Sichtungen unbekannter Flugobjekte, die oft als diskusförmig beschrieben wurden? Woran wurde im US-Geheimforschungslabor S-4, in der berüchtigten Area 51, seit 1945 wirklich geforscht

Konstruktionszeichnung Rudolf Schrievers für die Zeitschrift Der Spiegel 13/1950 935 Zu Belluzo siehe Wikipedia: Giuseppe Belluzzo; vgl. auch „Der Spiegel" 13/1950 936 Mittlerweile belegen freigegebene US-Dokumente, daß die Forschung an dieser Flugscheibe intensiver betrieben wurde, als bislang zugegeben.

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- vor allem vor dem Hintergrund, daß es in Deutschland im Raum Jonastal ein S-III Programm gab, während Vorläufer des S-4 in den USA fehlen?937 Auf die erste Frage gibt es eine klare Antwort So wie in anderen Bereichen der Militärtechnologie gab es auch im Bereich der Luftfahrt gleichzeitig laufende Erprobungen verschiedener Typen, jedoch weist die Forschung der Luftwaffe an einem Propeller-betriebenen Typ bis 1944 darauf hin, daß die Erprobungen des düsengetriebenen Flugkörpers im Auftrag einer anderen Organisation durch­ geführt wurden. Dabei kennt man aus der heutigen militärtechnologischen For­ schung etwa der USA genau dieselbe Vorgehens weise, nach der ein vielverspre­ chendes neues System, das so lange wie möglich geheim gehalten werden soll, offiziell eingestellt wird, um dann im Geheimen die Forschung voranzutreiben.938 In diesem Fall hätte man der Öffentlichkeit und der alliierten Aufklärung das Sack-Modell und die mangelnde Zukunftsträchtigkeit offen präsentiert, während andere Projekte im Geheimen weiter entwickelt worden wären. Die weiteren offenen Fragen könnten erhellt werden, wenn man einen vor­ sichtigen Blick auf die alternative Darstellung der Flugscheibenforschung des 3. Reiches wirft. Demnach hätte im Februar 1945 nicht ein Prototyp des BMWFlügelrades, sondern eine funktionsfähiger Flugdiskus vom Typ V7 abgehoben, der eine Flughöhe von 12 400 Metern und eine Geschwindigkeit von 2000 Km/h erreicht haben soll.939 Weitere Flugscheiben mit Bezeichnungen Vril I-II und Haunebu I-III wären zudem in Planung gewesen. Zur Unterstreichung dieser Ver­ mutung werden oftmals eine Reihe von Konstruktionszeichnungen und Plänen präsentiert, die insbesondere im Internet kursieren, deren Herkunft jedoch nicht zweifelsfrei geklärt werden kann. In vielen Publikationen wird dessen ungeach­ tet munter spekuliert, so etwa, daß Andreas Epp „von Zeit zu Zeit auch der Wis­ senschaftlergruppe" angehört hätte, welche diese Typen entwickelt haben soll.940 Glaubwürdiger sind dagegen Vermutungen, die von getrennten For­ schergruppen, eine um Otto Habermohl, und eine um Dr. Miethe ausge­ hen, die zeitweise zusammen gearbeitet haben könnten. So soll Habermohl (allerdings gemeinsam mit Schriever, was jedoch ausgeschlossen werden kann) das Modell Epps, das Ernst Udet übergeben worden war, in Prag er­ probt und einen darauf basierenden Prototypen eines Flugkreisels gebaut haben, der dann nach Aussage eines ehemaligen Testfliegers in Peene­ münde getestet wurde, bevor die Erprobung nach Wien verlagert worden sei.941 Darauf bezieht sich auch ein Artikel in der schwedischen Zeitung „Aftonbladet" vom 10. 10. 1952, in dem der Probeflug unter Kommando 937 Vgl. hierzu Zunneck (2000),S. 189. 938 Vgl. etwa Cook (2006). 939 Vgl. Lusar (1959), S. 151; ebenso von Gottberg (1981), S. 226. 940 So Stoll (2004), S. 99. 941 So Rothkugel (2001).

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Links: Angebliche Haunebu-Flugscheibe.

Rechts: BMW-Flügelrad VI im Flug.

von Wernher von Braun 1944 stattgefunden hätte. Im Sommer 1944 seien Epps Erinnerungen zufolge, zwei Prototypen, geflogen von den Piloten Heinz Dittmar und Otto Lange gegen einen amerikanischen Bomberan­ griff bei Leuna / Merseburg eingesetzt worden, was angeblich durch eine amerikanische Zeugenaussage bestätigt wird.942 Mit der Ernennung SSBrigadefühers Hans Kammlers zum Sonderbevollmächtigten für die Pro­ duktion aller Strahlflugzeuge im März 1945 soll eine Serienproduktion des Flugkreisels Habermohls und eines von Miethe entwickelten Flugdiskus in Prag befohlen worden sein. Nach Aussage des beteiligten Technikers Heinrich Fleißner hätten am 24. April 1945 vier Flugscheiben unter schwerem Beschuß von Berlin mit unbe­ kanntem Ziel abgehoben - dies bringt uns dann in die Nähe der Spekulation, nach der Hitler mit Hilfe von Flugscheiben geflüchtet sei, wie sie etwa von Mattern vertreten wurde.943 Während also die Identität von Forschern, die letztendlich tatsächlich an Flugscheiben gearbeitet haben unklar ist, weisen doch Zeitzeugenberichte auf tatsächlich existente derartige Fluggeräte hin: Mit dem Testflieger Hans-Joachim Röhlke benennt etwa der Autor Rothkugel einen Augenzeugen für den fortgeschrittenen Stand der Flugschei­ bentechnik. So soll Röhlke seiner Tochter nach dem Krieg anvertraut haben, „die Erde von oben gesehen zu haben" - womit wohl ein Flug jenseits der Hemisphäre gemeint ist.944 Daneben gibt es eine ganze Reihe von Zeugen­ aussagen, die für eine tatsächliche Existenz flugfähiger und auch eingesetzter Flugscheiben sprechen: Neben ehemaligen deutschen Soldaten auch alliierte Kriegsgefangene.945 So etwa die Aussage Georg Kleins, die jedoch als fehler942 Rothkugel, ebenda. 943 Mattern,S. 42 ff. 944 Rothkugel (2001),S. 26. 945 Siehe Gehring/Rothkugel (2001), S. 27ff.

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„Flugscheiben-Pioniere"? Andreas Epp - Belluzo - Richard Miethe - Rudolf Schriever haft entlarvt wurde, zumindest was den Zeitraum anbelangt946: „Am 14. Feb­ ruar 1945, morgens um 6.30 Uhr, war auf dem Messegelände von Holice der Start erfolgt. Gespannt blickte der Sonderbeauftragte Klein auf Habermohl, der sich von seinen Mitarbeitern Mühlens und Schreiber sowie sechs Werksangehörigen, die die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen hatten, abwendete und mit dem Einflieger Röhlke auf den Flugring zuging. ...Habermohl und seine Mitarbeiter starrten auf ihre Armbanduhren, Röhlke winkte mit der Hand, und schon setzte sich der Flugring mit einem ohrenbetäubenden Rauschen in Bewegung. Er schwang sich senkrecht in die Luft und schnellte dann im Steilflug kerzengerade weiter nach oben...." Nachvollziehbarer erscheinen allerdings die von Rothkugel präsentierten Aussagen in einem Brief von Herrn Prof. Phys.-Ing. Friedrich Lachner an ei­ nen befreundeten Wissenschaftler: „Besten Dank für Ihren Brief mit den Flugkreiselablichtungen. Im Krieg hörte ich davon in Fachkreisen. In der Wiener-Neustädter Flugzeugfabrik, die ein Filialbetrieb der Messerschmitt-Werke war, wurde ein Versuchsmodell von 5 m Durchmesser her­ gestellt, das vermutlich auch Versuchsflüge bis nach Wien gemacht hat." Es wird außerdem geschildert, daß seine Ehefrau den Flug eines solchen Gerätes beobachten konnte. Ihr war aufgefallen, daß das Flugverhalten die­ ses Objektes ganz anders war als sonst üblich, es konnte nämlich unvermittelt plötzliche Richtungsänderungen durchführen. Sie erkannte auch, daß bei dem Flugkörper in der „Mitte noch etwas dran war". Prof. Lachner schreibt weiter: „Gleich nach dem schweren Bombenangriff auf die Flugzeugfabrik, den ich vom Berg bei Fischau aus sah, war mein Vetter der Medizinalrat Oskar L. drinnen, um Verletzten zu helfen. Dabei sah er ein solches arg beschädigte Modell und wußte damals aber nicht was es war." Eine ehemalige Konstruktionsberechnerin, die bei WNF (Wiener Neustäd­ ter Flugzeugwerke) arbeitete, konnte ebenfalls bestätigen, daß sich im Werk eine Flugscheibe befand, heißt es in dem Schreiben. Prof. Lachner erwähnt 946 Aus Aufzeichnungen des Kriegstagebuchs der 8. Luftflotte ergibt sich für den 14.02.1945 im angeblichen Erprobungsraum eine sehr niedrige Wolkendecke, was die Ersterprobung einer solch revolutionären Waffe unwahrscheinlich macht, vgl. http://www.reichsflugscheiben.de/einleit.htm.

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weiterhin, daß ein Ing. Kühnelt, der Flugzeugtechniker war, ein solches Gerät mit 15 m Durchmesser gese­ hen habe. Er hörte auch von einem 30 m Durchmesser großen Gerät. Lachner schreibt, daß er einen Flugingenieur Klein kennen gelernt hatte, der in die Erprobung von Flugscheiben verwickelt war: „Einmal ist er (Klein, Anm. d. A.) wenige Meter vor mir abge­ stürzt. Obwohl das Flugzeug zerbrach, ist ihm nicht viel geschehen. Ich führte ihn damals gleich zum Flugchef."947

Schauberger-Repulsine

Unkonventionelle Antriebsarten Andere Quellen sprechen von einem weiteren Forscher, der sich mit der Frage alternativer Energiegewinnung und neuer Antriebsarten beschäftigte: dem bereits erwähnten Viktor Schauberger. Demnach habe Schauberger 1939 einen Energiegenerator gebaut, der mit einem Sog- statt eines Druckprinzips arbeitete. Dieses 1940 beim Reichspatentamt angemeldete Antriebssystem hätte sowohl in U-Booten als auch Flugzeugen Anwendung finden können.948 1940 habe der Ingenieur dann in Wien ein Flugscheiben-Modell aus Kupfer angefertigt, um verschiedene Energieeinwirkungen zu testen. Auf Grundla­ ge seiner bisherigen Arbeiten, habe Schauberger seit 1940 an einer Maschine gearbeitet, die auf einem „Anti-Gravitations-Prinzip" basiere. Diese „Umkeh­ rung" der Schwerkraft, die physikalisch eigentlich gar nicht möglich ist, soll gemäß den Forschungen des englischen Autoren Cook inzwischen durch ver­ schiedene Forscher nachgewiesen worden sein - zwar nur mit einer Aufhe­ bung von 1-5 % des Gewichtes, jedoch wäre dies zu steigern, wenn erst einmal das richtige Prinzip gefunden ist. 1941 sei Schauberger dann der Durchbruch gelungen und eine von ihm bei der Firma Kertl in Wien angefertigte Scheibe sei in der Lage gewesen, auf Grundlage dieses Prinzips tatsächlich abzuhe­ ben, dabei aber gegen die Decke des Labors gestoßen und beschädigt worden. Daraufhin verpflichtete die Gestapo bzw. die SS Schauberger für geheime Ar­ beiten an einem Standort im tschechischen Gablonz (heute Jablonec), der sich Cook zufolge, „im Herzen von Kammlers High-Tech-Reich befand."949 947 Gehring/ Rothkugel (2001), S. 29. 948 So Cook (2006), S. 261, unter Berufung auf Jörg Schauberger, Enkel des For­ schers; zu dieser Zeit soll Schauberger einen Brief an seinen Cousin geschrieben ha­ ben, in dem er schreibt, er habe ein Flugzeug entwickelt, das vollkommen lautlos sei. 949 Cook (2006), S. 264, der von einem BriefSchaubergers an seinen Sohn berichtet, 297

Parallel hätten aber auch die Heinkel-Werke Schaubergers Patent - das nur auf die Anwendung als Wasserkraftwerk patentrechtlich geschützt war - auf­ genommen und in Rostock weiterentwickelt, bis auch dieses Heinkel-Projekt 1943 in das Gebiet Tschechiens verlegt wurde. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Entwicklung wurde Schauberger beauftragt, mit den Heinkel-Wissenschaftlern an einem Antriebssystem auf Grundlage seines Patentes zusammen zu arbeiten, was Schauberger aber aufgrund der heimlichen Verwendung sei­ ner Arbeit durch Heinkel ablehnte. Im Juni 1944 wurde Schauberger dann nach Breslau beordert - offiziell um in einer Volkssturmeinheit Dienst zu tun, tatsächlich jedoch - so Cook - hatte die SS unter Leitung Rammlers bereits Fortschritte bei der Nutzbarmachung von Schaubergers Antriebstechnologie erzielt und zog nun den Ingenieur selbst hinzu, um die abschließenden Ar­ beiten an mindestens vier Maschinen zu koordinieren, die auf Schaubergers Plänen basierten: Einem Gerät zur Wasserreinigung, einer Energiemaschine zur Erzeugung von Starkstrom, einer Maschine zur Herstellung von Kraft­ stoff auf Wasserstoffbasis und schließlich einer Repulsine bzw. „Fliegenden Scheibe".950 Von August 1944 bis zum Ende des Krieges arbeitete Schauberger nun in Wien mit Hilfe eines Mitarbeiterstabes, den er im KL Mauthausen rekrutiert hatte. Hier wurde bis zum 6. Mai ein flugfähiger Prototyp einer Re­ pulsine hergestellt, deren Jungfernflug aufgrund der Flucht des SS-Wachkom­ mandos nicht mehr zustande kam951 In diesem Zusammenhang von Bedeutung ist ebenso der auch bei Schau­ berger erzielte „Coanda-Effekt", der auf Versuche des in Frankreich leben­ den Rumänischen Luftfahrtingenieurs M. Coanda zurückgeht und die Be­ schleunigung eines Luftstroms über die Peripherie einer konkaven Scheibe beinhaltet, was bereits 1938 als Patent angemeldet wurde. Tatsächlich soll Coanda nach der deutschen Besetzung Frankreichs für die deutsche Luft­ fahrtforschung verpflichtet worden sein, ohne daß sich jedoch hier verläßli­ che Quellen finden lassen würden.952 Unbestritten wurde indes an sogenannten „Absaugeprinzipien" mit Flüs­ siggas oder Nuklearantrieb gearbeitet, die Flugscheiben in die Lage versetzt hätten, auch außerhalb des Luftraumes der Erde zu operieren.953 Hierzu ist ein Forschungsauftrag des OKHs an die Forschungsgruppe der Deutschen Reichspost nachweisbar, der auf den 15. Oktober 1942 datiert. in dem dieser von der geheimen Arbeit für die Gestapo erzählt, „bei der es sich auf­ grund von Schaubergers Ausdrucksweise ebensogut um eine andere SS-Abteilung gehandelt haben könnte". 950 Cook (2006), S. 266ff. 951 Cook (2006), S. 268. 952 Miranda / Mercado (1991), S. 32. 953 Vgl. Rothkugel (2001).

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Zeichenstudien des Orbital-Gleiters von Eugen Sänger und einer Haunebu-Flugscheibe In diesem Zusammenhang begegnet uns erneut der visionäre Alexander Lippisch, der nach seiner Verpflichtung für die US-Rüstungsindustrie nach dem Krieg fertige Pläne für eine Weltraumstation präsentierte.954 Daneben wirkte Lippisch auch in Prag an diversen Waffenentwicklun­ gen, zu denen auch Flugscheiben gehört haben könnten. Tatsächlich waren zumindest theoretische Erwägungen zum Nuklearantrieb von Flugzeugen weit fortgeschritten: Darunter die Planungen für die nuklearbetriebenen Projekte Messerschmidt P-1073 - einem Langstreckenträgerflugzeug mit drei Bordflugzeugen - als auch für den Skoda-Kauber-Überschallbomber, der kurz vor dem Bau gestanden haben soll. Und den Erinnerungen Otto Skorzenys zufolge sei ein Prototyp des Henschel 8-122 mit Nuklearantrieb sogar fertiggestellt, bei Kriegsende aber gesprengt worden.955 Als Standorte für den Bau und die Erprobung von derartigen Fluggeräten kommen Wiener Neustadt, Breslau, das Jonastal und Peenemünde in Fra­ ge.956 Peenemünde, das unter dem Kommando Wernher von Brauns stand, sei dabei nach vermehrten alliierten Bombenangriffen nur zum Schein völ­ lig geräumt worden, um die geheimen Forschungen weiter zu führen. Die unterirdischen Anlagen im Jonastal beim thüringischen Ohrdruf galten da­ gegen lange Zeit als Projekt eines Führerhauptquartiers bevor sich das Aus­ maß der unterirdisch betriebenen V- und Geheimwaffenproduktion Stück für Stück abzeichnete. So soll hier im Auftrag Kammlers neben V-Waffen auch die Forschung an Flugscheibenprojekten957 sowie die Erprobung klei­ nerer atomarer Waffen vollzogen worden sein.958

954 Farrell (2009), S. 36. 955 Skorzeny (1993), S. 117; vgl. Georg (2009), S. 161 f, der den Fehler Skorzenys, der von einem Projekt Henschel 0-122 spricht, berichtigt. 956 So behauptet der Romanautor Landig in Wien mit Flugscheibenprojekten in Kontakt geraten zu sein, vgl. Landig-Interview in DVD Geheimgesellschaften. 957 Siehe hierzu Zunneck (2000), S.152 f. 958 Vgl. Mayer/Mehner (2004), S.33.

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Die Projekte „Feuerball" und „Kugelblitz" Eine weitere Forschungsrichtung in Zusammenhang mit Flugscheiben bestand in der Erprobung speziell zur Abwehr von Bombern entwickelter Waffen mit den Bezeichnungen „Feuerball" und Kugelblitz", im englischen auch als „Foo-Fighter" benannt. Zumeist wird in Verbindung mit dem „Ku­ gelblitz" von einem unbemannten runden Fluggerät ausgegangen, das die Elektronik feindlicher Flugzeuge stören sollte. Darauf verwiesen insbeson­ dere Aussagen von US-Piloten, die von derartigen Erfahrungen berichteten. Dagegen ist in der Zeitschrift „Flugzeug-Profile" ein Kapitel „FlugschnitteiKonzept" enthalten, in dem der Kugelblitz als Flakmine bezeichnet wird. Die erstmals gebaute Flakmine V7 „Feuerball" bestand aus einem Zentralkörper mit Treibstoff, Vergaser und Sprengstoff (250 - 500 Kg) mit umlaufenden Ro­ torblättern und wurde funkgesteuert. Der Kugelblitz soll als Weiterentwick­ lung bis zu 10 000 Kg. Sprengstoff getragen haben, der zudem in Form einer mit Wasserstoff und anderen Elementen angereicherten Wolke erst nach Passage durch ein Flugzeug zur Explosion gebracht wurde. Hierauf bezie­ hen sich auch verschiedene alliierte Reporte, u.a. über „Flugabwehrbomben aus Feuerdampf" über dem Gardaseee 1945.959 Dagegen sollen die als zur Störung der Elektronik eingesetzten Systeme weitaus kleiner und eventuell sogar immaterieller Natur - in Form etwa von Lasersignalen o.ä. - gewesen sein. Indes verweisen Dokumente auf tatsächliche Forschungen an Geräten zur Beeinträchtigung der Elektronik feindlicher Flugzeuge.

12.2.

Neuschwabenland & die 3. Macht

In direkter Verbindung mit der Flugscheiben-Entwicklung des Dritten Rei­ ches existiert bis heute die Legende, nach der die Deutschen eine oder mehrere Geheimbasen außerhalb Europas errichtet hätten, von wo aus der Krieg nach der offziellen Kapitulation fortgesetzt worden sei. Als Hauptsitz einer solchen Basis, genauer der Basis 211, wird die Antarktis genannt. Die offizielle Antarktis-Expedition 1938/39 Hintergund der Spekulationen ist eine deutsche Antarktis-Expedition 1938/39, auf der weite Teile der nördlichen Antarktis kartographiert und durch Abwurf von Reichsfahnen aus Metall, was völkerrechtlich den An­ spruch auf ein staatenloses Gebiet besiegelt, für Deutschland beansprucht wurden. Offiziell wurden die reklamierten Gebiete als „Neuschwabenland" benannt, in Anlehnung an das Hauptschiff der Expedition, die MS „Schwa­ benland" . Durchgeführt wurde die Expedition im Auftrag Hermann Görings durch die Deutsche Antarktische Gesellschaft. Verantwortlicher Komman­ 959 Miranda / Mercado (1991), S. 28.

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deur war Kapitän Alfred Ritscher. Als Zweck der Reise wurde die Erschlie­ ßung von Walfanggebieten angegeben, zugleich sollten jedoch völkerrecht­ liche Ansprüche auf Teile der Antarktis erhoben werden, da hier eine große Konzentration von Edelmetallen und Rohstoffen festgestellt worden war. Während der Expedition wurden 200 000 km2 karthographiert und weite Gebiete durch die Begleitflugzeuge „Boreas" und „Passat" erkundet, wobei auch eisfreie Seen und Gebirge entdeckt wurden, die im antarktischen Som­ mer unterirdisch erhitzt werden („Schirrmacher-Oase" u.a.) In der offiziellen Dokumentation der Reise „Deutsche Antarktische Expe­ dition 1938/39", herausgegeben von Kapitän Alfred Ritscher, heißt es dem­ entsprechend, daß die Expedition „mit ihren Erfolgen die Voraussetzungen für eine Beteiligung Deutschlands bei künftigen internationalen Auseinandersetzungen über Hoheitsfragen in der Antarktis geschaffen (habe)". Es folgt eine akribische Auflistung der Ergebnisse der Luftbildauswertung, der fliegerischen Erkun­ dung sowie der verfaßten geographischen Arbeiten.960 Insbesondere letztere Aufnahmen weisen auf einen der Expedition oft un­ terstellten Zweck hin, nämlich Forschungen bezüglich der Welteislehre bzw. zur Frage nach der Existenz einer hohlen Erde, deren Eingänge an den Polen zu finden seien. Mit dieser Fragestellung verbunden, erschien eine Mitwirkung des Ahnenerbes nicht ausgeschlossen, da diese Organisation ja die Untersuchung der Welteislehre seit 1937 zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben zählte. Daneben gibt es Gerüchte, nach denen auch eine Untersuchung zur Frage der Möglich­ keit der Existenz alter Kulturspuren unter dem antarktischen Eis Bestandteil der Expedition gewesen sein könnte, was ebenfalls in den Einflußbereich des Ahnenerbes fallen würde. Insbesondere soll es sich bei möglichen archäologi­ schen Untersuchungen um die Suche nach Atlantis und Spuren der nordischen Rasse gehandelt haben. Hierzu fehlt allerdings jeder Hinweis in den erhaltenen Akten; auch dessen ungeachtet dürften derartige Untersuchungen reine Speku­ lation sein, da es zwar Thesen zur Herkunft der „Nordischen Rasse" und der einstigen Existenz eines „Atlantischen Reiches" in der Arktis gegeben hat, für die Antarktis eine solche These allerdings nicht ernsthaft diskutiert wurde. Da­ neben fehlen im Bericht der Expedition Hinweise und Namen entsprechender Forscher auf der offiziellen Teilnehmerliste - eine diesbezügliche Geheimhal­ tung von archäologischen Forschungen durch Nichtaufführen verantwortlicher Forscher ist dabei nahezu ausgeschlossen, insbesondere unter Berücksichtigung des Anspruches des Ahnenerbes, die eigene Reputation durch öffentlichkeits­ wirksame Forschungen zu steigern.961 Darüber hinaus halten sich bis heute hartnäckig Gerüchte, denen zufolge es über die Antarktis-Expedition von 1938/39 hinaus noch weitere, geheime For­ 960 Ritscher (1942), S. X,ff. 961 So etwa Farrell (2010), S. 257.

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schungsfahrten zum Südpol gegeben hätte. Im Verlauf dieser Expedition(en) sollen auch unterirdische Basen angelegt worden sein. Diese seien wiederum während des Krieges in unglaubliche Dimensionen ausgebaut worden und dien­ ten der Legende zufolge am Ende des Krieges als Auffangbasis verschiedener Marine- und Lufteinheiten der SS, darunter den sagenumwobenen Flugschei­ ben. Diese ganze Basis hätte unter dem Kommando ehemaliger SS-Einheiten und Offiziere gestanden und als 3. Macht den Kampf inoffiziell fortgeführt.962 Spekulationen um eine deutsche Neuschwabenland-Basis Wo letztendlich der Ursprung der Legende liegt, derzufolge in der Ant­ arktis eine deutsche Basis errichtet worden sei, ist heute nicht mehr zu ve­ rifizieren. Einer der ersten, der diese Geschichte verbreitete, war der Süd­ amerikanische Journalist Ladislao Szabo, der 1947 ein Buch mit dem Namen „Hitler lebt“ verfaßte; hier beschreibt der Journalist Hitlers angebliche Flucht in eine unterirdische Basis in Neuschwabenland, die mit modernster Technik ausgestattet gewesen wäre. Da so kurz nach dem Kriegsende die These von Hitlers Freitod noch nicht überall angenommen wurde, stieß die Aussage auf großes Interesse. Hinzu kamen Gerüchte, nach denen zwei ehe­ malige Antarktis-Expeditionsteilnehmer ausgesagt hätten, auch nach 1939 weitere Fahrten zum Südpol unternommen zu haben. Nachdem nun auch ein angebliches Zitat Dönitz auftauchte, in dem dieser von einer „für Hitler errichteten uneinnehmbaren Festung am Rande der Welt berichtete", waren wei­ teren Spekulationen Tür und Tor geöffnet.963 Weitere Nahrung erhielt diese These indes durch ein 1947 von den USA durch­ geführtes Unternehmen mit der Bezeichnung „Ope­ ration Highjump"; dieses Unternehmen, das unter Beteiligung des berühm­ ten Polarforschers Richard Evelyn Byrd als einem der Kommandanten stattfand, sollte offiziell militärisches Gerät unter antarktischen Bedingungen testen. Insgesamt über 4000 Mann mit Deutsches Forschungsschiff „Schwabenland" mehreren Zerstörern, Tor1938/39 962 So u.a. Landig (1980), S. 29 ff. 963 Vgl. Farrell (2010), S. 249.

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pedobooten und Flugzeugen, in drei Gruppen unterteilt, näherten sich aus südlicher Richtung dem Eiskontinent und stießen an den Küsten bis zum Queen-Maud-Land vor, in dem sich auch das deutsche Neuschwabenland befindet.964 Während einigen Autoren zufolge die Expedition nach dem Verlust meh­ rerer Flugzeuge und eines Torpedobootes „überhastet" abgebrochen werden mußte, schreibt Byrd in einem großen Bericht im „National Geographie" vom Oktober 1947 lediglich über einen Flugzeugunfall. Tatsächlich gab es jedoch weitere Unfälle, u.a. einen Hubschrauberabsturz, die Byrd offensichtlich ver­ schwieg. Während es ungewöhnlicherweise nach der Expedition keine sonst übliche Pressekonferenz gab, wurde stets eine angebliche Aussage Byrds wie­ dergegeben, derzufolge er von zukünftigen Flugzeugen warnte, die von einem Pol zum anderen fliegen könnten, und ferner die Antarktis eine Bedrohung für den Frieden darstelle. In Schöns Dokumentation ist dagegen lediglich die Rede davon, daß „die kürzeste Entfernung zwischen der Neuen und der Alten Welt quer über den Arktischen Ozean und die Nordpolarzone" verlaufe und daß vorherzusehen sei, „daß die hier in der Antarktis gewonnen Erkenntnisse auch für kriegerische Auseinandersetzungen in der Artkis von großem Nut­ zen seien."965 Diese glaubwürdigere Aussage bezieht sich offensichtlich auf die bevorstehende Auseinandersetzung mit der Sowjetunion und nicht auf eine Auseinandersetzung mit einer „Dritten Macht", wie die reichsdeutschen Verteidiger einer angeblichen Basis auch genannt werden. Auch die angebli­ che Aussage Dönitz stellte sich als Märchen heraus, zumindest stritt Dönitz diese selbst nach dem Krieg ab.966 Die „3. Macht" Nichts desto trotz entwickelte sich seit den 50er Jahren eine rege literari­ sche Neuschwabenland-Szene, die vor allem verbunden ist mit dem Namen Wilhelm Landig, der in einer Romantrilogie, die auf wahren Fakten basieren soll, der Geschichte Farbe verlieh.967 Diesem zufolge soll gegen Kriegsende ein Geschwader des neuesten U-Boot Typs XXI, der in der Lage war durch einen Schnorchel und selbstaufladende Elektomotoren weite Strecken ohne Auftauchen zurückzulegen, begleitet von einigen Flugscheiben eine Gruppe von SS-Männern zur reichsdeutschen Ba­ sis 211 in Neuschwabenland verbracht haben, wobei auf dem Weg noch ein US-Geschwader vernichtet worden wäre. In einem Interview kurz vor seinem Tode bekräftigte Landig den Wahrheitsgehalt der Existenz dieser Basis und 964 Vgl. zu Details von „Highjump“, Gehring/Zunneck (2005),S. 106 ff. 965 Zit. nach Schön (2006), S. 129. 966 So Schön (2006), S. 115. 967 Landig (1980).

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Deutsche Expeditionsteilnehmer Die eisfreie Schirrmacher-Oase in der Antarktis behauptete, sie wäre nach 1939 angelegt und erst Mitte der 50er Jahre zuguns­ ten einer weiteren Basis in Südamerika aufgegeben worden.968 Inwieweit Landig hier glaubwürdig ist, muß dahingestellt bleiben, jeden­ falls scheint er tatsächlich seit 1943 in deutsche Geheimwaffenforschungen in Wien involviert gewesen zu sein. Verschiedene Autoren schließen generell die Möglichkeit der Anlage un­ terirdischer Festungen in der Antarktis angesichts des den Küsten vorgela­ gerten Packeises aus,969 andererseits könnten U-Boote durchaus mit dem Pazifik verbundene, eisfreie Seen angesteuert haben, die im Inneren des ant­ arktischen Kontinentes lagen. Auch das Ankern von U-Booten während der US-Expedition „Highjump" direkt an der antarktischen Küste scheint diesen Einspruch zu widerlegen (siehe Bild oben). Gerade für eine Absatzbewegung gegen Kriegsende kommen indes eine ganze Reihe von U-Booten in Betracht. Sternhoff listet etwa 10 verschiedene U-Boote auf, die gemäß diverser Zeu­ genaussagen gegen Kriegsende mit verschiedenen Zielen von Kiel und vom Norwegischen Kristiansand ausliefen.970 Das bekannteste dieser Boote war U-234, welches mit verschiedenen Plänen und Mustern fortschrittlicher Waf­ fensysteme in Begleitung zweier japanischer Offiziere Kurs auf Japan nahm, sich jedoch nach Erklärung der Nichtigkeit der deutsch-japanischen Abkom­ men nach der deutschen Kapitulation am 19. Mai in Portsmouth selbst stellte. Nach verschiedentlich geäußerter Meinung soll die ebenfalls an Bord befindli­ che Uranium-Verbindung für die ersten US-Atomwaffen Verwendung gefun968 Interview mit Wilhelm Landig in „Geheimgesellschaften" - DVD. 969 So etwa Schön (2006), S. 128. 970 Sternhoff (2007), S. 64.

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Operation „Highjump"1947: Admiral Richard Byrd - US-U-Boot an der Küste den haben.971 Zwei weitere zu Bekanntheit gelangte Boote waren U-530 und U-977, die sich im Juli und August in Argentinien stellten, und Gegenstand von Spekulationen über Zwischenstopps in Neuschwabenland oder der vor­ angehenden Absetzung hochrangiger NS-Persönlichkeiten wurden; mancher nahm sogar Hitler selbst als Passagier an. Dazu paßten auch Berichte von Be­ gegnungen ziviler Schiffe mit deutschen U-Booten, lange nach Kriegsende, die eine Absatzbewegung - eher jedoch nach Südamerika, denn zu einer Ba­ sis in Neuschwabenland - durchaus plausibel erscheinen ließen; zumal der seit 1946 amtierende Argentinische Ministerpräsident Peron als ehemaliger Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der SD wirkte und viele deutsche Emig­ ranten ganz offiziell einreisen ließ.972 An Flugzeugen standen für eine Flucht neben den konventionellen, als „Amerika-Bomber" konzipierten Fernflug­ zeugen Me-264 und Junkers Ju 390, deren einer Prototyp tatsächlich spurlos verschwand,973 auch düsengetriebene Prototypen der Baureihen Ju 287 zur Verfügung. Zumindest spricht einiges dafür, daß gegen Kriegsende Kammler eine Evakuierung geheimer Waffenprojekte mittels der Führerbegleitstaffel durchführen ließ, der eine Ju 390 zugeteilt war.974 „Hitler lebt" - der Mythos vom „Kaiser im Berg" Ein Element dieses 3. Macht-Szenarios ist wie bereits angedeutet, die These, Hitler hätte seinen Selbstmord nur vorgetäuscht und wäre ebenfalls geflohen. Was heute realitätsfern wirkt, war nach dem Krieg fester Glaube einer Vielzahl von Menschen. Insbesondere Stalin mißtraute den Berichten 971 Vgl. Mayer /Mehner (2007), S. 28. 972 Vgl. Sternhoff (2007), S. 68 ff. 973 So Georg (2009), S. 43. 974 Witkowski (2008), S. 234 ff.

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von Hitlers Tod und ließ eine umfangreiche Untersuchung durchführen. Genährt wurden die Gerüchte eines lebendigen Hitlers vor allem durch wi­ dersprüchliche Zeugenaussagen, die sowohl über den genauen Ort als auch die Ursache dessen Todes variierten. Presseberichte über Augenzeugen, die Hitler nach 1945 an den verschie­ densten Orten begegnet sein wollten, taten ihr Übriges zur Untermauerung dieser Legende. Nachdem aber Sowjetrußland bekannt gab, die sterblichen Überreste Hitlers und seiner Frau Eva Braun 1945 aufgefunden zu haben, verstummten die Gerüchte nach und nach. Tatsächlich ergab auch eine 2006 durchgeführte Untersuchung des in Moskau aufbewahrten Gebisses, das Hitler zugeschrieben wird, eine Übereinstimmung mit dem Zahnbild des Reichskanzlers, wie es vor dem Krieg angefertigt worden war. 2010 gab es jedoch erneut Anlaß für Zweifel: Eine durchgeführte anthropologische Untersuchung von in Moskau aufbewahrten Fragmenten des vorgeblichen Hitler-Schädels ergaben, daß sie weiblichen Ursprunges waren !975 Dieses Ergebnis läßt zwei Schlußfolgerungen zu: Entweder wurden Ske­ lettreste vertauscht, so daß eventuell Eva Brauns Schädel als der Hitlers registriert wurde. Oder aber, die aufbewahrten Reste stammen tatsächlich nicht von Hitler, so daß damit der einzige physische Beweis der damaligen Todesumstände des Reichskanzlers entfallen würde. In einem kürzlich publizierten Artikel stellt der australische Autor Giordan Smith die Theorie auf, Hitler sei von Hanna Reitsch, der Testpilotin, die den Reichskanzler noch am 26. April gemeinsam mit General Ritter von Greim in Berlin besuchte, ausgeflogen worden.976 Reitsch berichtet in ihrer Biographie zwar von diesem Angebot an Hitler, dieser habe aber entschie­ den, in Berlin zu sterben. Allerdings führt Smith als Zeugen den damaligen Volkssturm-Angehörigen D. Protsch an, der miterlebt haben will, wie ein Waffen-SS Funker die Flucht Hitlers bestätigte.977 975 Der US-Forscher Nick Bellantoni, Professor für Anthropologie und. Staatsar­ chäologe des US-Bundesstaates Connecticut, hatte nach Untersuchung von DNAResten, die er aus einem Stück Hitlers vorgeblichen Schädels gewinnen konnte, bi­ lanziert: „Der Knochen umschloß einst ein weibliches Gehirn"; http://www.spiegel. de/wissenschaft/mensch/0,1518,652024,00.html; im Dezember 2009 wies der Mos­ kauer Archivleiter Christoforow dies zurück. „An uns haben sich diese Forscher nicht gewandt und womit hätten sie die DNA auch vergleichen sollen?" Außer in Moskau gebe es keine sterblichen Überreste des Nazi-Diktators; http://www.azonline.de/aktuelles/aus_aller_welt/aus_aller_welt/1230409_Allgemeine_Zeitung_ Aus_Aller_Welt.html; scheinbar übersieht Christoforow aber die Tatsache, daß zur Geschlechtsbestimmung keine Vergleichs-DNA notwendig ist. 976 Smith (2008), S. 55. 977 Ebenda, S. 55.

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Ungeachtet des Wahrheits­ gehaltes dieser Spekulationen, erinnern sie stark an eine Sage, die sich kontinuierlich durch die vergangenen Jahrhunderte hindurch verfolgen läßt: Die Sage vom „Kaiser im Berg" oder, wie Julius Evola sie be­ zeichnet: „Die Sage von dem gibellinischen Kaiser, der im, Berg' Wilhelm Landig - (Phantasie?(Emblem DHvSS der Wiedererweckung harrt, um mit seinen Getreuen die letzte Schlacht zu schlagen."978 Die bekannteste Variante dieser Sage steht in Zusammenhang mit Kaiser Friedrich I. „Barbarossa": Dieser soll in einem unterirdischen Schloß - der Barbarossa-Höhle im Kyffhäuser-Gebirge - solange schlafen, bis Zwietracht und Unglück seiner Heimat ein Ende gefunden haben - oder einer anderen Deutung zufolge, bis Deutschland geeint ist. Sein Bart wächst um einen run­ den Tisch. Bis jetzt reicht er zweimal herum, doch wenn er die dritte Runde beendet hat, beginnt das Ende der Welt oder Barbarossa wacht auf und be­ ginnt seine Herrschaft erneut. Und es heißt, bis dahin wird kein guter Kaiser mehr kommen. Alle 100 Jahre beauftragt er einen Zwerg - in anderer Vari­ ante einen Hirten, der sich in die Höhle verirrt hat - nachzuschauen, ob die zwei Raben noch um den Berg kreisen. Ist dies der Fall, so schließt der Kaiser seufzend die Augen, schläft und träumt abermals 100 Jahre. Erst, wenn der Bart ganz um den runden Marmortisch gewachsen ist und ein mächtiger Adler in stolzem Flug sich aufschwingt, den Berg umkreist und den Raben­ schwarm verscheucht, erst dann wird der Kaiser mit seinen gleichfalls ver­ zauberten Getreuen erwachen.979 Neben Barbarossa wurde die Sage auch auf dessen Enkel, Kaiser Fried­ rich II. - aufgrund seiner vielseitigen wissenschaftlichen Interessen auch „das Staunen der Welt" genannt - bezogen. Während diese Sage im deutschen Sprachraum von Beginn an das Kyffhäuser-Gebirge als Ruheort ansah, war es in Italien der Vulkanberg Ätna, in dem Friedrich II. als König von Sizili­ en ruhe.980 Hintergrund dieser Variante war Friedrichs Auseinandersetzung mit dem damaligen Papst, die zur Folge hatte, daß noch zu Lebzeiten der Klerus eine Lehre vom Antichrist verbreitete und die Erwartung eines ge­ waltigen Strafgerichtes hegte. Da das erwartete Unheil aber ausblieb, glaub­ ten Anhänger des Papstes nicht an ein plötzliches Verschwinden Friedrichs. 978 Evola: (1928), S. 109. 979 Grimm (2006), S. 48 f.; Friedrich Rückert: Barbarossa-Sage, bei Arndt, S. 6. 980 Vgl. dazu Wikipedia: Friedrich II. (HRR).

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Sie vermuteten, der König lebe in geheimnisvoller Weise weiter. Der Chro­ nist Johann von Winterthur berichtete 1348: „Er (Friedrich) wird mit der Herr­ lichkeit des Reiches zurückkehren... und alle Gerechtigkeit erfüllen. Die Pfaffen aber wird er furchtbar verfolgen und die Mönche ... von der Erde vertilgen."981 Eine andere Variante bezieht sich auf den Untersberg bei Salzburg, in dem Kaiser Karl der Große in gleicher Weise ruhe.982 Indes reicht die Sage noch weiter zurück und ist verwandt mit dem Gralsmythos sowie der Arthus-Sage. Gemäß dieser sei Arthus bei seinem nahenden Tod auf die Elbeninsel Avallon gebracht worden, wo er seiner Gesundung harrt. Ebenso wartet der dahinsiechende Gralskönig Amfortas auf einen Recken, der ihm die richtige Frage stellt und ihn somit erlöst. Eine Verwandtschaft besteht auch zum Odin-Mythos, der am Baum hängt und Nachrichten von seinen beiden Raben erhält. Dahinter steht stets die alte indogermanische Mythe der im Winter schlafenden bzw. gefangenen Sonne und dem sie befreienden Sonnen- bzw. Lichtbringergott, der im Winter in die Unterwelt hinabsteigt, um diese zu befreien.983 In diese uralte Tradition wird nun Hitler gerückt, wenn er als in einer unterirdischen Basis in der Antarktis ausharrend beschrieben wird, bis er mit seinen Flugscheiben erscheint, um Deutschland aufs neue zu erretten. Zur Anwendung dieses Mythos ist es aber unverzichtbar, daß sein Schicksal un­ geklärt bleibt, sein Selbstmord also nicht tatsächlich nachweisbar ist. Miguel Serrano, der Begründer des sogenannten „esoterischen Hitlerismus" schreibt dazu: „Seit beinahe 40 Jahren wiederhole ich, daß Adolf Hitler nicht im Bunker in Berlin gestorben ist. Die geheimen Führer des esoterischen Hitlerisnius sind mit ihm in Richtung der polaren Zufluchtsstätten der Weißen Götter auf­ gebrochen, genauso wie es früher die unbekannten Führer der wahren Rosenkreu­ zer, der Wikinger, der Westgoten, der Trojaner und der hyperboräischen Siddhas getan haben." Doch der chilenische Autor, der den neben Hitler wirkenden unbekannten Eingeweihten die Einweihung gewisser Kreise der SS auf der Wewelsburg zuschreibt, geht noch einen Schritt weiter: Für ihn ist Hitler der 10. Avatar Vishnus, der gemäß der indoarischen Überlieferung als „Kalki Avatar" erscheinen und das dunkle Zeitalter seinem Ende zuführen wird : „Und so wird es kommen, denn sein Sieg (des Demiurgen Yahwe) hat schon begon­ nen sich zu neigen, weil sich am Mittag des längsten Tages die Mitternacht bereits ankündigt.... Im Synchronismus der Hitlerschen Einweihung, wenn der Virä sich in einen Divya verwandelt hat, öffnet sich das Fenster der Venus, die kreisende Tür der Schwarzen Sonne, des „Schwarzen Lochs" in der Mitte des Swastika Levogria und der Divya oder Siddha verschwindet für immer aus der Sicht der Sterblichen.... 981 Vgl. http://www.kyffnet.de/Geschichte/Sagen/sagen.html. 982 http://www.salzburg.com/wiki/index.php/Kaiser_Karl_im_Untersberg. 983 Vgl. Das Symbol der Trojaburg. In: Trojaburg 3/2006.

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Er ist zur Region des Tulku übergegangen, zu dem, „der dort ist" und auch hierher zurückkehren kann. Der auf einem weißen Roß, auf seinem Schwan, in einem Vimana zurückkehrt, die Feinde zu richten und die Seinen zu befreien."984 Einige Indizien sprechen sogar dafür, daß Hitler selbst dieser Legende den Boden berei­ tet hat. Dafür sorgte seine - freilich umstrittene Äußerung, „Ein Volk, das einen solchen Wider­ stand hat leisten können wie das Deutsche, bereitet den Boden für ein neues Aufblühen der Menschheit. Am Ende dieses Krieges wird das letzte Bataillon ein deutsches sein."985 Und auf die Frage seines Barbarossa-Denkmal am Dieners Heinz Linge, für wen sie dann, nach Kyffhäuser Hitlers nahendem Tod kämpfen würden, soll dieser geantwortet haben: „Für den, der da kommen wird.“ Das deutet gemäß Serrano darauf hin, „daß er wußte, daß der Krieg damals dort nicht zu Ende war, und daß die letzten Bataillone sich bereits in der anderen Erde, im Inneren befanden, und daß er sich dort mit ihnen vereinigen würde. Wie der Prophet Enoch in der Sage, entschwindet Hitler in einem Feuerwagen, ohne... irgend­ welche Spuren zu hinterlassen".986

12.3. Die Schwarze Sonne & die Vril-Gesellschaft Die hier von Serrano erwähnte Schwarze Sonne ist ebenso wie die Exis­ tenz eines geheimen Zirkels innerhalb der SS, der sich selbst als „Schwarze Sonne" oder die „Herren vom Schwarzen Stein" (DHvSS) bezeichnet haben soll, ein besonderes Detail der Neuschwabenland-Mythen. Diese Herren vom Schwarzen Stein sahen sich demnach in der Traditionsfolge eines vor­ geblichen Geheimbundes des 13. Jahrhunderts gleichen Namens.987 984 Serrano (2010), S. 5/98. 985 Zit. nach Serrano (1987), S. 155; vgl. dazu Smith (2008), S. 49, der berichtet, Himmler hätte die Legendenbildung um Hitler geplant. 986 Ebenda, S. 156. 987 Vgl. Feistle (2010), S. 15; Unter www.causa-nostra.de heißt es dazu ohne Quel­ lenangabe: „Wir alle, die wir uns mit den „Herren vom Schwarzen Stein“ beschäftigt haben, und dies noch weiterhin tun, stützten uns dabei bisher in erster Linie auf die Forschungsarbeit von Dr. H. Reiterich, welche dieser in den 1920er und 1930er Jah­ ren intensiv betrieb. Fest steht wohl soviel: Ein Ritter namens Hubertus, der in den Kreuzzügen war, bildete eine Gruppe von anderen Rittern und Getreuen um sich, und assoziierte diese mit dem Templerorden.... Das Credo des Hubertus und seiner Schar

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Das Erkennungszeichen dieser Gesellschaft sei dem Bodenmosaik des Nordturms der Wewelsburg entlehnt, das auch von Weisthor inspiriert worden sein soll. Trotz fehlender Quellen über dieses Bodenornament und insbesondere über den tatsächlichen Zusammenhang mit der Schwarzen Sonne findet sich diese Gleichsetzung heute in vielen Veröffentlichungen. Hintergrund des Mythos der Schwarzen Sonne sind Ausführungen von Weisthor und dessen Schüler Emil Rüdiger über eine verloschene Sonne, genannt Santur. Diese wechsele mit der weißen, also der aktiven, ihre Pola­ rität, so daß die beiden Sonnen abwechselnd als schwarze und weiße fungie­ ren.988 Im erloschenen Zustand sei die Strahlung der Schwarzen Sonne „eine gänzlich andere": Sie versorge „völlig unterschiedliche Bereiche (Dimensionen) des Makro- sowie des Mikrokosmos mit ihrer Energie", wie Haasler den Mythos ergänzt.989 Und weiter heißt es: „Im wesentlichen kann man von drei in sich über­ greifenden Zuständen (im Hinblick auf das Auftauchen in verschiedenen Kulturen) der Schwarzen Sonne sprechen. Da wäre zum einen die Schwarze Sonne als reine Materie, sprich als ein im Universum existierender Körper, und zum anderen als eine (in einer anderen Dimension), im metaphysischen Sinn, vorhandene Energie. Der dritte Zustand liegt genau zwischen diesen beiden Formen. Im Wesentlichen ist sie jedoch immer gleich; sie sendet eine Strahlung aus, welche auf die innerste Kraft im Menschen, eines Volkes oder auch eines Zeitalters wie ein Katalysator wirkt. So hat die Schwarze Sonne in den Mythologien der Völker zwar verschiedene Erschei­ nungsformen, aber ihr Prinzip ist immer das Selbe."990 Der Ursprung der Vorstellung einer Schwarzen Sonne liegt dabei im Dun­ keln. Es wird spekuliert, daß das Wissen über die Schwarze Sonne „vor 10 000 Jahren aus dem Norden nach Mesopotamien gelangte". Hier, genauer im per­ sischen Susa, findet sich jedenfalls der älteste Bildbeleg: Auf der Siegesstele des Babylonischen Königs Naram-Sin (ca. 2200 v.Zw.) findet sich neben der war die Verehrung der „Göttin Isais" ... Wir haben also wohl davon auszugehen, daß die Bezeichnung, „Die Herren vom Schwarzen Stein", bzw. „The Lords of the Black Stone", sich zwar auf die Isais-Gemeinschaft um den Ritter Hubertus beziehen, die Namensgebung aber durchaus von neuzeitlicherer Prägung sein könnte. Die mit dieser Bezeichnung gemeinte Gemeinschaft hat es aber natürlich dennoch gegeben, und das im wesentlichen sicherlich auch so, wie es überliefert ist - die Anfänge dürften um 1220 liegen. Im Jahre 1438 sind die letzten konkreten Spuren der Gemeinschaft erkennbar. Im Jahre 1925 gründete sich in Salzburg die ,Archivgenieinschaft DHvSS', welche vermutlich durch Dr. Reiterich inspiriert war, im Gegensatz zu diesem jedoch auch und besonders an der esoterischen Seite des Ganzen interessiert war. Im Frühjahr 1945 beendete diese Archivgemeinschaft ihre Tätigkeit und löste sich auf“. 988 Vgl. Feistle (2010), S. 78. 989 Hasler (2002), S. 2. 990 Ebenda, S.2ff.

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Sonne eine weitere als Sonne gedeutete Darstellung, die der Schwarzen Son­ ne entsprechen soll.991 Dieser König sah sich in der Nachfolge des alten Reiches der Sumerer, deren Herkunft bis heute ungeklärt ist.992 „Somit kann man von der Annahme ausgehen, daß sich das Wissen um die Schwarze Sonne aus der Hochkultur Altsu­ mers in die akkadische Besatzerzeit gerettet hat", resümiert Haasler und zitiert eine Inschrift aus Bab-Ilu („Pforte Gottes"), einer im 18. Jahrhundert v.Zw. gegründeten Stadt im Norden des alten Sumererreiches: Am Oben der Welt steht der Mitternachtsberg Ewiglich wirkt sein Licht. Des Menschen Auge kann Ihn nicht sehen Und doch ist er da. Über dem Mitternachtsberg strahlt die Schwarze Sonne. Des Menschen Auge kann sie nicht sehen Und doch ist sie da: Im Inneren leuchtet Ihr Licht. Einsam sind die Tapferen und die Gerechten; Doch mit Ihnen ist die Gottheit.993 „Wie aus diesem Text deutlich zu erkennen ist, wird die Schwarze Sonne als ein göttlich durchwobenes Objekt aufgefaßt, welche ihre Kraft im Innersten der Menschen freisetzt. Ihre Strahlen erreichen nur die seelischen Werte der Menschen - im Innern von uns leuchtend. Ihre Strahlen kommen vom Mit­ ternachtsberg (Kharsak Kurra), aus dem hohen Norden der Hyperboreer, welche im Menschen das selbe Bewußtsein wachrufen, wie einst bei den Atlantern, den Söhnen des Mitternachtsberges. Die Schriften der Babylonier zeigen uns die gleichen Vorstellungen auf, die auch schon 1000 Jahre zuvor, auf der bereits angesprochenen Naram Sin - Stele, behandelt wurden."994 Eine andere Inschrift lautet: Weiße Sonne, über der Welt Erde strahlend du gibst des Tages Licht. Schwarze Sonne, im Inneren von uns leuchtend du schenkst die Kraft der Erkenntnis. Besinnend des Reiches von Atland, das hoch bei der Himmelssäule lag ehe des Meeres Wut es verschlang. Besinnend der klugen Riesen, die jenseits von Thule kamen und lehrten 991 Vgl. Hasler (2002), S. 8. 992 U.a. hält Dieter Braasch (1997) diese für nordische Einwanderer. 993 Hasler (2002), S. 6 ff. 994 Hasler (2002), S.. Zur tatsächlichen Relevanz des Mitternachtsberges und seiner Lokalisierung im Norden (Nordeuropa oder Grönland) siehe Landig (1971),S. 228.

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Die „Schwarze Sonne" ist also eine „esoterische Metapher für das Licht des eigenen Inneren, der Seele der Menschen von Atlantis, den Ariern, welche die Weis­ heit alles Wissens von Anfang und Ende der Zeit in sich birgt und anderen davon kündet" und „gilt somit als die arische Gotterkenntnis, die Erleuchtung und das absolute Wissen über die Zusammenhänge des gesamten Lebens aus einem arteige­ nen, germanischen Denken und Gefühlslebens heraus. Die ursprüngliche Farbe der ,Schwarzen Sonne' ist ein tiefes Dunkelrot oder ein tiefdunkles Purpur, sie wurde jedoch - um sie als Kontrast zur ,Weißen Sonne' des Tageslichtes gegenüberzu­ stellen, als eine schwarze Sonne dargestellt, was ihr auch letztendlich den Namen gab."995 Doch wie authentisch ist diese Prophezeiung? In „Sajaha - die Prophezei­ ungen für ein neues Jahrtausend" erfahren wir über deren unklare Herkunft. Sajaha soll jedenfalls eine Priesterin zur Zeit Nebukadnezars II. (18. Jh) ge­ wesen sein. Die Prophezeiung sei eine von insgesamt 19 erhaltenen Keil­ schriften dieser Art gewesen und soll über Isais-Bünde, zumeist von Frauen dominierte Geheimbünde der Gnosis-Ära, zu den Tempelrittern gelangt sein. Ein Ableger der Templer, die „Herren vom Schwarzen Stein" (DHvSS) habe im 13. Jahrhundert in Bayern die Überlieferungen bewahrt, von wo sie zum venezianischen Ordo Bucintoro (auch Ordo Imperio Nuovo) gelangten und schließlich den Weg zur „Panbabylonischen Gesellschaft" und von hier zur „Vril-Gesellschaft" fanden.996 Die Bezeichnung Vril findet sich dabei in der Moderne erstmals in dem 1871 erschienenen utopischen Roman „The coming Race" des englischen Schriftstellers Edward Bulwer-Lytton (1803-1873). In diesem Roman be­ gegnet der Erzähler einer unter der Erde lebenden Überrasse, den Vril-ya, die über eine geheimnisvolle Kraft namens Vril verfügten. Diese verleiht ihnen Macht über jede Form belebter oder unbelebter Materie und kann zur Heilung, zur Erweckung Toter oder zur Zerstörung eingesetzt werden. Ursprünglich ein Volk, das an der Erdoberfläche lebte, wurden die Vril-ya durch eine Naturkatastrophe vom Rest der Menschheit abgeschnitten und 995 So Schumacher auf „www.argardsrei.de". 996 So Sajaha (2009), S. 151 ff.; ergänzend findet sich der Hinweis, daß „der Man­ gel an definitiv original zu nennenden Teilen des Sajaha-Buches schon frühzeitig dazu geführt (hat), daß dessen Texte leider erst gar nicht angefaßt wurden. Die offizielle Wissenschaft hat sie daher auch kaum näher wahrgenommen, obschon ein­ zelne namhafte Assyriologen wie etwa Peter Jensen oder Hugo Winckler sich sehr wohl mit ihnen auseinandergesetzt haben"; S. 187. Leider werden aber auch hier keine direkten Verweise genannt. Beinahe erklärend findet sich im selben Text fol­ gende Einsicht: „Doch solche Deutungen erfordern immer bis zu einem gewissen Grade die Unterstützung durch unsere Intuition und den Einsatz der Phantasie."; ebendort, S. 171; vgl. auch http://thuletempel.org/wiki/index.php/Ordo_Bucintoro.

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zogen in ein unterirdisches Höhlensystem, in dem sie eine neue Heimat fan­ den. Dort entwickelten sie sich in einer von Kriegen und gesellschaftlichen Umbrüchen gezeichneten Geschichte schließlich durch die Entdeckung ei­ ner neuen Naturkraft - der Vril-Kraft - zu einer egalitären, Eugenik prak­ tizierenden Gesellschaft, die allen anderen Rassen überlegen ist. Durch den Kontakt mit dem Erzähler des Romans erfahren die Vril-ya von den Men­ schen, die an der Erdoberfläche leben und befragen ihn eingehend über die menschliche Gesellschaft. Dem Erzähler gelingt die Flucht aus dem Reich der Vril-ya und er warnt seine Leser am Ende des Romans vor der Gefahr, die von den Vril-ya für die Menschheit ausginge, sollten sie jemals an die Oberfläche zurückkehren.997 Helena Blavatsky griff die Vril-Kraft in ihrem 1888 veröffentlichten zwei­ ten Buch „Die Geheimlehre" auf und brachte sie mit Atlantis in Verbindung: Die Einwohner von Atlantis hätten diese Kraft zum Bau kolossaler Bauwer­ ke eingesetzt, doch mit dem Untergang von Atlantis sei das Wissen um ihre Nutzung verloren gegangen. Nur eine kleine Gruppe überlebender Priester bewahre dieses Wissen noch und gebe es von Generation zu Generation an Auserwählte weiter. Diese psychische Energie soll demnach die Beherr­ schung der gesamten Natur erlauben.998 Im Jahre 1904 wurde in London eine Gesellschaft gegründet (der Vril-yaClub), die sich mit derartigen Themen beschäftigt zu haben scheint und es erschienen in der Folge auch mehrere Bücher über diese Thematik.999 Willy Ley, der nach Amerika emigrierte deutsche Raketenwissenschaft­ ler, brachte nach dem Krieg erstmals die Legende einer deutschen Vril-Geselschaft auf und identifizierte sie als eine „Wahrheitsgesellschaft", die nach dem VRIL suche. Daneben verbreitete Ley eine Reihe weiterer Legenden, wie etwa über die Pendelexperimente des OKM, oder die angeblichen Hohl­ welt-Versuche von Fischer auf Rügen: „Die nächste Gruppe gründete sich buchstäblich auf einen Roman. Diese Gruppe, die sich, glaube ich, selber Wahrheitsgesellschaft nannte, und die mehr oder weniger ihren Sitz in Berlin hatte, widmete ihre freie Zeit der Suche nach dem Vril. Ja, ihre Überzeugungen gründeten sich auf Bulwer-Lyttons „Das kommende Geschlecht", „The Coming Race." Sie wußten, daß dieses Buch Fiktion war, .... Bulwer-Lytton hätte dieses Mittel gewählt, um die Wahrheit über diese „Kraft" erzählen zu kön­ nen. Die unterirdische Menschheit sei Unsinn, Vril sei es nicht, und es habe mögli­ cherweise die Briten befähigt, welche dies als Staatsgeheimnis behandelten, ihr Ko­ lonialimperium zusammenzutragen. Mit Sicherheit hätten es die Römer in kleine metallene Bälle eingeschlossen, welche ihre Häuser bewachten und die sie Laren 997 Nach Wikipedia: Vril-Gesellschaft. 998 Vgl. Goodrick-Clarke (2004), S. 25 f. 999 So Wikipedia: Vril-Gesellschaft.

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nannten, gehabt. Aus einem Grund, der sich mir nicht erschließen mochte, könne das Geheimnis des Vril ge­ funden werden, indem man über die Struktur eines Apfels kontempliere, der in zwei Hälften geschnitten sei. Nein, ich mache hier keine Witze, dies wurde mit großer Feierlichkeit und unter Geheimhaltung erzählt. Solch eine Gruppe existierte tatsächlich, sie brachten sogar eine erste Ausgabe eines Magazins heraus, in dem ihr Glaubensbekenntnis proklamiert wurde. (Ich wünschte ich hätte einige dieser Dinge behalten, doch ergab es sich, daß ich genug Bücher herusschmuggeln mußte.)"1000 1960 weiteten die französischen Autoren Lou­ is Pauwels und Jacques Bergier die Thesen Leys Buchcover von zur Legende aus, die NS-Führungsriege habe Norbert-Jürgen Ratthofer versucht, Allianzen mit übernatürlichen Mächten einzugehen. In diesen Bestrebungen habe die okkulte Geheimgesellschaft „Vril-Gesellschaft" oder auch „Die Loge der Brüder vom Licht" eine zen­ trale Rolle gespielt. Die „Vril-Gesellschaft" habe enge Kontakte zur Theo­ sophischen Gesellschaft, den Rosenkreuzern und insbesondere zur ThuleGesellschaft unterhalten und sei eine wichtige NS-Organisation gewesen.1001 Norbert Jürgen Ratthofer, einer der Pioniere der Flugscheiben-Aldebaran-Legenden, verband in Anlehnung an Wilhelm Landig den Mythos der Schwarzen Sonne mit dem Ursprung der Flugscheibentechnologie. Die eigentliche Inspiration zum Bau einer Flugscheibe stamme demnach ebenso wie die Vorstellung der Schwarzen Sonne aus dem Altertum. So sol­ len die in sumerischen und indischen Texten beschriebenen Luftschiffe der Götter tatsächlich Raumfahrzeuge der Aldebaraner - Bewohnern eines an­ deren Sternensystems - gewesen sein, deren Kunde sich in den esoterischen Gesellschaften erhalten hätte. Über eine deutsche Sektion der Tempelritter sei dieses Wissen schließlich bei einer Okkultgruppe gelandet, die sich spä­ ter Vril-Gesellschaft nannte.1002 Diese wäre ursprünglich eine Unterorganisa­ 1000 Ley (1947). lOOlPauwels/ Bergier, S. 302; vgl. dazu Goodrick-Clarke (2009), S. 234; Gehring (2005),S. 73ff, dem es offensichtlich an einem kritischen Blick mangelt, berichtet von einer „Gruppe Thule", die als „reformierter Nachfolger“der Thule-Gesellschaft diesbezügliche Verbindungen verkörpert hätte. 1002 Während dieselbe Überlieferung für die Sajaha-Prophezeiungen (siehe oben) noch halbwegs glaubwürdig anmutet, erscheint die Bewahrung von Plänen zum Bau einer Flugscheibe doch reichlich weit her geholt, obgleich jüngst Mathias Kappel die Existenz von weniger weit fortgeschrittenen Luftschiffen bereits in der Bronze­

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tion der Thule-Gesell­ schaft gewesen bevor sie sich abgetrennt hätte. Bereits seit den 20er Jahren habe sie sich mit der Konstruk­ tion von Flugscheiben befaßt und erstmals 1934 eine flugfähige Flugscheibe gebaut. Nach Ratthofer sei die aus Zagreb (Kro­ atien) stammende „Pandemonium" von John Martin (1789-1854):, ca. 1825. Bulwer-Lytton vergleicht die Architektur der Maria Orsic an der Vril-Ya mit den Bildern John Martins Gründung der „VrilGesellschaft" beteiligt gewesen und habe auch den spiritistischen Kontakt zu den Bewohnern von Aldebaran hergestellt.1003 Als Belege des Autoren dienen qualitativ mangelhafte Fotographien und Dokumente, deren Au­ thentizität nicht nachprüfbar und mehr als fraglich ist.1004 Am Ende der Ausführungen Ratthofers steht die Ankündigung des Ein­ treffens der von der Vril-Gesellschaft herbeigerufenen Raumflotte der Aldebaraner, die den „in innerirdischen Basen ausharrenden irdischen Hütern der sumerisch-templerischen Vril-Tradition" im Kampf gegen die Siegermächte des 2. Weltkrieges zu Hilfe eile.1005 In einem später im Internet verbreiteten Text ohne Verfasserangabe wird die Figur der Maria Orsic von einer Nebenfigur zu einer zentralen Protago­ nistin. Danach habe die aus Wien stammende Orgie 1919 oder 1921 in Mün­ chen die „Alldeutsche Gesellschaft für Metaphysik" gegründet, die mit der „Vril-Gesellschaft" verknüpft gewesen sei. Die ursprünglich ausschließlich weiblichen Mitglieder dieser Gesellschaft hätten sich diesem Text zufolge mit magischen Energien befaßt, die in Verbindung zur „Vril-Kraft" stünden. In Zusammenhang mit der Nutzung jener „schwingungsmagischen" Energien habe der Protest gegen die Kurzhaarmode der zwanziger Jahre und das Tragen von Langhaarfrisuren eine bedeutende Rolle gespielt. Diese Energien sollten zeit zugestehen möchte; vgl. Sternhoff (2010). 1003 Ratthofer (1992), S.12ff; ebenso Feistle (2010), S. 14 f. 1004 Vgl. dazu Bahn (1997), S. 84; Gehring (2005), S. 69, spricht dagegen davon,daß es „lediglich dem Autoren Norbert Jürgen Ratthofer vergönnt war, einige wenige Dokumente über Flugscheiben für seine Veröffentlichungen zu verwenden" und suggeriert damit deren Authentizität. 1005 Vgl. Ratthofer (1992), S. 113; siehe dazu Bahn (1997), S. 85.

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auch zum Antrieb von sog. „Jenseitsflug­ maschinen" dienen, in deren Konstrukti­ on sie involviert gewesen seien. Dem Text zufolge hätten sich aus der „Alldeutschen Gesellschaft für Metaphysik" später die „Antriebstechnischen Werkstätten" ge­ bildet. Dort seien weitere Wissenschaftler und Techniker, darunter ein Münchner Professor namens „W. O. Schumann", an der Entwicklung von Reichsflugscheiben und anderen Rüstungsvorhaben beteiligt„Reichsflugscheiben" & „Isis-Damen": Ästhetisierung bei causa-nostra.com gewesen.1006 Heute findet sich neben der genannten noch eine weitere Quelle, die allerhand Informationen über die Vril-Gesellschaft alias „Alldeutsche Gesellschaft für Metaphysik" und die verwandte, vorgebliche „Kampfmagische Vereinigung Isais-Bund", die sich von der Vril abspaltete, verbreitet.1007 Hier finden sich neben Texten, die über vermeintliche Hintergründe der Vril-Gesellschaft aufklären, auch jede Menge Bilder von hübschen Models, teils vor Flugscheiben drapiert. Allen Ernstes wird hier spekuliert, ob es sich um Originalfotos von Vril- bzw. Isais-Damen handeln könnte, obgleich jeder Laie die Montage der Bilder erkennen kann: sowohl was die Art der darge­ stellten Frauen im Stile moderner Modehäuser1008 als auch die Kleidung oder Frisur betrifft, ganz zu schweigen von der Fotoqualität, deutet aber auch 1006 Mental-Ray.de, Das Vril-Projekt; vgl. dazu wikipedia: Vril-Gesellschaft. 1007 Siehe www.causa-nostra.com; hierbei handelt es sich um eine andere Gruppe als bei den Machern von Mental-Ray, denn letztere warnen vor Falschdarstellungen über die Vril-Frauen in Zusammenhang mit kurzen Frisuren, wie sie bei causa nostra beschrieben werden. Mental Ray beharrt dagegen darauf, daß die Frauen lange Haare trugen. Ein Kommentar zu diesem „Glaubensstreit" erübrigt sich angesichts fehlender Fakten bei beiden Gruppen. Das frühere Schweigen der Autoren - gemeint dürfte hier insbesondere Ratthofer sein - über den Isais-Bund wird hier so erklärt: „Den ,Vril-Damen‘gehörte eine voreingenommene Sympathie. Vielleicht auch, weil man da von einigen hübsche Bilder kannte, während von den Abweichlerinnen noch keine zur Verfügung standen (!!). Als dann später solche auftauchten und sich zeig­ te, daß auch diese „Isais-Damen" hübsch und sympathisch waren, hatten sich die ablehnenden Schriften der „Vril-Damen" bereits verfestigt. Erst mit Verfügbarkeit der Schriften des Isais-Kreises wandelte sich das Gesamtbild erheblich." 1008 An anderer Stelle der Seite finden sich auch aktuelle (Kurz-)Haarmoden einer bekannten Firma im angeblichen „Vril-Damen"-Stil - dies dürfte zugleich einen Hinweis auf die Herkunft der meisten Bilder liefern.

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jedes Detail auf eine Manipulation der Bilder hin. Nichts desto trotz spinnen die Schreiber einen regelrechten Roman zusammen, ohne auch nur einzige Quelle zu nennen, abgesehen von dem vagen Hinweis auf „noch lebende Zeitzeuginnen" oder ein Stück Papier mit Skizze unbekannter Herkunft:1009 „Im allgemeinen beginnt für interessierte Menschen, welche die diesbezüglich greifbaren Quellen für sich zu erschließen verstanden, die Geschichte der „Vril-Gesellschaft" im Mai 1919 in München, basierend auf Ideen, die bereits im Jahre 1917 in Wien mit an der Sache beteiligten Personen besprochen worden waren. Der erste Rahmen in München war der Thule-Orden, aus dem sich der Kreis aber noch im sel­ ben Jahr verselbständigte. Es entstand die „Alldeutsche Gesellschaft für Metaphysik VRI-IL". So lautete die vollständige Bezeichnung, und das VRI-IL zeigt, wie nahe doch die Panbabylonische Gesellschaft war." Und an anderer Stelle heißt es: „Der Begriff Vril, von dem wir sprechen, hat einen ganz anderen, einen viel äl­ teren Ursprung. Es ist aus den akkadischen (babylonischen) Worten „vri“ (wie/ gleichend) und „II" (absolute Gottheit) gebildet. Vri II bedeutet also in etwa so viel wie: Der absoluten Gottheit gleich. So ist die erste Schreibweise dieser sumerischen Worte im Deutschen auch „Vri-Il" gewesen, dann zusammengezogen zu, „Vrill", und schließlich, erst um etwa 1900, kam es im Kreise der Panbabylonischen Gesell­ schaft (Berlin-Wien) zu der vereinfachten Schreibform, „Vril". Dies sind zugegebenermaßen interessante und teilweise auch nachvoll­ ziehbare Aussagen, was aber nicht davon ablenken kann, daß das ganze ins­ gesamt an eine inszenierte Romanhandlung erinnert, die mithilfe realer alter Überlieferungen auf authentisch getrimmt werden soll. Stets lassen die Au­ toren, wie übrigens bereits Ratthofer, durchblicken, daß es keine oder kaum Quellen gibt, weshalb es sich auch anders als dort beschrieben abgespielt haben könnte. Allein stellt sich die Frage, welchen Zweck die Autoren ver­ folgen. Ein den Nationalsozialismus verklärendes Motiv, wie es noch Ratt­ hofer unterstellt wurde, scheint jedenfalls auszuscheiden.1010

1009 Zu weiteren Quellen findet sich folgendes: „Offenbar gibt es noch mehrere Exemplare der frühen Vereinszeitungen, sowohl der „Vril-Post" wie auch des Ge­ genblattes „Isaisruf", welche sich im Besitz einer alten Dame befinden, die in den 1930er Jahren zu den „Rebellinnen" stieß. “ An anderer Stelle ist die Rede von „exis­ tierenden Isais-Gruppen" und von „zwei Damen, die aktiv beteiligt waren und sich trotz ihres hohen Alters noch bester Gesundheit erfreuen". 1010 so wird desöfteren von einem vorgeblichen engen Kontakt der Vril-Damen zu Admiral Canaris fabuliert - von dem freilich die Liste seiner Biographen nichts bemerkt hat. Seine Funktion als Widerständler schließt ebenso wie die Bezeichnung des 3. Reiches als „der kapitalistischste Staat (...), den es überhaupt gab" eine solche Motivlage aus. Auch kommerzielle Anliegen sind - zumindest auf den ersten Blick nicht erkennbar, denn es fehlen direkte Verweise auf Kaufprodukte.

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Schriften der „Reichsarbeitsgemeinschaft“ - rechts Diagramm Erde - „Weltapfel" Ist also die Vril-Gesellschaft lediglich ein Mythos? Wahrscheinlich nicht, wie Dr. Peter Bahn, der bislang einzige Verfasser ei­ ner seriösen Darstellung der Vril-Thematik, herausfand. Tatsächlich befaßte sich Bulwer-Lytton mit okkultistischen Themen und dürfte um 1850 als „Ad­ ept in Abwesenheit" in die seit dem 18. Jahrhundert bestehende Frankfurter Rosenkreuzer-Loge „Karl zum aufgehenden Licht" aufgenommen worden sein.1011 Dabei unterhielt er auch persönliche Kontakte zu dem bekannten Okkultisten Eliphas Levi sowie zur englischen Rosenkreuzer-Gründung „Societas Rosicruciana in Anglia (S.R.i.A.)1012 Ein Mitglied dieser Organisa­ tion berichtete als Verbindungsmann zu anderen Logen-Bünden von einem in Paris ansässigen „Orden der Brüder des Lichtes", der mit einem ebenfalls genannten „Orden der Brüder des Hakenkreuzes" identisch sein könnte.1013 Die Kenntnisse, die Bulwer-Lytton aus seinen okkulten Verbindungen er­ langte, verwendete er zweifellos auch als Stoff seiner Romane. Die von ihm beschriebene Vril-Kraft, ein „Fluidum, mit dem man auf alles Seiende in der Na­ tur, ob leblos oder lebendig, den mächtigsten Einfluß ausüben“ könne, war dabei ein Element dieser Erkenntnisse. Sie soll sowohl heilende, als auch zerstöre­ rische Kräfte enthalten haben, ermöglichte die Erzeugung künstlichen Lich­ tes und versetzte den Anwender in die Lage, zu fliegen1014 - ein Grundkon­ zept, das uns bereits bei der Betrachtung des „Strahlengerätes" des Obersten Schröder-Stranz begegnet ist, der sich wohl hier inspirieren ließ. 1011 so Bahn (1997), S. 48. 1012 vgl. Bahn (1997), S. 50f; Levi gilt als Begründer des modernen Okkultismus (Wikipedia) - der im Todesjahr Levis geborene Aleister Crawley sah sich als dessen Inkarnation und war später Mitglied des Hermetic Order ofthe Golden Down, der aus der S.R.i.A. heraus gegründet worden war. 1013 so Bahn (1997), S. 51. 1014 Bulwer-Lytton (1886), S. 37ff.

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Der Grundgedanke einer solchen Kraft, eines Fluidums, war unter ver­ schiedenen Begriffen im 19. Jahrhundert bekannt. Sowohl als „Mesmeris­ mus" bzw.„animalischer Magnetismus", einer magnetischen Kraft, die Störungen der harmonischen Verteilung der das gesamte Weltall durchzie­ henden Feinstoffe beseitigen sollte,1015 als auch unter der Bezeichnung „Od", die von Karl Freiherr von Reichenbach stammt und als „das ganze Weltall um­ spannende Kraft“ bezeichnet wurde.1016 Insbesondere innerhalb der alchimistischen Bünde befaßte man sich einge­ hend mit der Konzeption dieser Urkraft. Der Begriff Vril könnte sich daher von der alchimistischen Formel „Vitriol" herleiten - „Visita Interiora Terrae Rectificando Invenies Occultum Lapidem" („Suche das Untere der Erde auf, vervoll­ kommne es, und du wirst den verborgenen Stein finden" - d.i. der „Stein der Weisen"). In Deutschland wurde diese Vril-Kraft in zwei Broschüren der „Reichs­ arbeitsgemeinschaft Das kommende Deutschland" näher erläutert: „Welt­ dynamismus" und „Vril. Die kosmische Urkraft". Bei dieser Gruppierung handelt es sich gemäß Bahn mutmaßlich um jene von Ley genannte „Wahr­ heitsgesellschaft". So erwähnte Ley als spezifische Eigenheit dieser Gruppe, die Nutzung eines aufgeschnittenen Apfels, um den Geheimnissen der VrilTechnik näher zu kommen. Dieses sowohl von Pauwels und Bergier als auch späteren Adepten blumig ausgeschmückte Detail begegnet dem Leser auch in der Schrift der Reichsarbeitsgemeinschaft „Weltdynamismus": „Nun nehmen wir ein Messer und schneiden den Apfel vertikal auf. Dieser Schnitt wird in der Richtung Stengel-Narbe geführt. Vor uns liegt ein zweipoliges (bipolares) Kraftfeld, dessen Kraftlinien von einer Indifferentialzone (Verbindungs­ linie zwischen Stengel und Narbe1.) gegen die Peripherie (Apfelumfang) doppelkreis­ förmig verstreben. Das Fruchtfleisch des Apfels führt uns dies in sei­ nem Aufbau sinnfällig vor Augen! ....... Unser Erdball besitzt dieselbe Struktur, wie wir sie im vertikal aufgeschnitte­ nen Apfel vor Augen ha­ ben. Welt - Fruchtfleisch ... ist die atmosphärische Globen-Hülle! Narben Willy Ley (re.) mit Wernher von Braun (Mitte) in den USA 1015 Ein auf den Arzt Franz Anton Mesmer zurückgehendes Konzept, vgl. dazu Balm (1997), S. 26 ff. 1016 vgl. Bahn (1997), S. 31 f.

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und Stengelpol sind analog dem Nord- und Südpol der magnetischen Erdachse, wobei der Nordpol die Anode (positiv) und der Südpol die Kathode (negativ) repräsentiert. Aus einem „relativen Nichts" wurde vor Urzeiten - wie eingangs dieses Kapitels be­ reits besprochen - die physische Schöpfung unserer Welt ermöglicht. Dieses „Nichts" ist der mit psycho-physischen Energien gespannte kosmische Stoff-Leerraum, aus welchem durch den Impuls des schöpferischen Allgeistes (Logos) alle Welten in ihrer stofflichen Bipolarität geboren wurden."1017 „Wer das Geheimnis des „Weltapfels" richtig zu enträtseln vermag," so die Verfas­ ser, „hat wahrlich die Frucht vom Baume der Erkenntnis gebrochen und vermag in die kosmischen Zusammenhänge der göttlichen Schöpfung Einblick zu nehmen", nämlich, „daß Gott-Natur tatsächlich im Kleinsten wie im Größten stets gleichartig schafft - und der Weltgeist nach dem Ausspruch des großen Eingeweihten Hermes Trismegistos, sei­ nen Plan nach dem Grundsatz: ,Wie oben, so unten!' verwirklicht hat."1018 Von diesen Erkenntnissen ausgehend, entwickeln die Verfasser weitere energetische Theorien, die einen alternativen Ansatz innerhalb der Naturwis­ senschaften und Technik verkörpern, der sowohl an den bereits erwähnten Österreichischen Ingenieur Victor Schauberger erinnert, als auch an die Ar­ beiten Karl Schappellers.1019 Eine direkte Verbindung zwischen Schappellers Raumkraft und den Arbeiten der „Reichsarbeitsgemeinschaft" besteht in der Person Fritz Kleins, aus dessen Buch „Logos und Bios" ein Vorauszug in der Raumkraft-Schrift enthalten war. Die späteren Broschüren der Reichsarbeits­ gemeinschaft Vril und Weltdynamismus enthalten jeweils Hinweise auf Kleins Buch, das als „grundlegendes neuphilosophisches Werk" gepriesen wird.1020 „Festzuhalten bleibt also", so Peter Bahn in seiner Vril-Studie, „daß um 1930 in Berlin tatsächlich eine Gruppe existierte, die sich mit alternativen Formen der Energiegewinnung befaßte und dabei auf Bulwer-Lyttons Begriff des Vril und be­ stimmte mythologische und philosophische Überlieferungen - nicht zuletzt aus dem Bereich der Alchemie - zurückgriff. "1021 Über die Gründung dieser Gruppe zitiert der bereits erwähnte Autor Joscelyn Godwin zwei französische Autoren:1022: Jean-Claude Frere, der behauptet, die Gründung sei durch Berliner Rosen­ kreuzer nach dem Besuch einer Vorlesung Louis Jacolliots erfolgt. Francois Dumas behauptet dagegen ungleich reißerischer, die Gruppe wurde direkt durch indische Brahmanen illuminiert.1023 1017 Reichsarbeitsgemeinschaft (1930), S. 13 f. 1018 Reichsarbeitsgemeinschaft (1930), S. 12. 1019 Vgl. Bahn (1997), S. 103/112. 1020 So Bahn (1997), S. 126. 1021 Ebenda, S. 104. 1022 Godwin (2007), S. 62 f. 1023 Frere: Nazism et soceites secretes. Paris 1974, S. 97 f.; Dumas: Hitler et la Sorcellerie. Paris 1975, S. 82.

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Während die zweite Aussage zu vernachlässigen ist, führt uns erstere er­ neut zu den Rosenkreuzern, die zweifellos eine bedeutende Rolle bei der Entstehung deutscher Okkultgruppen spielten - auch Rudolf von Sebotten­ dorf war, wie oben erwähnt, Rosenkreuzer! Bei Dr. Bahn bleibt indes eine Vereinigung unerwähnt, die sich tatsächlich „Gemeinde der Wahrheit" nannte, allerdings nicht in Berlin, wie Ley angab, sondern in Wien beheimatet war. Ein gewisser Karl Karnik hat im Rahmen dieser Gemeinde zwei Broschüren verfaßt, die in der Nationalbibliothek Leipzig zu finden sind. Anhand der Veröffentlichungsdaten muß die Gesell­ schaft etwa zwischen 1923 und 1934 bestanden haben.1024 Hier läßt sich aller­ dings kein Hinweis auf Vril-Kraft oder irgendetwas in der Art feststellen, so daß eine Verbmdung zur „Vril-Gesellschaft" fraglich bleibt - auch der Name muß dabei kein zwingendes Indiz sein, denn die Bezeichnung „Bund / Ge­ meinde / Orden der Wahrheit" taucht in der Esoterikszene desöfteren auf. Ein bislang ebenfalls nicht beachtetes Detail in dieser Frage ist auch die Existenz einer Frauen-Loge der „Okzidentalischen Gruppe für esoterische Studien" George Montis, die sich tatsächlich „Isis-Loge" nannte. Diese Grup­ pe wiederum stand über Gaston De Mengel, neben Monti Mitbegründer dieser Gesellschaft, in direkter Verbindung zur Bruderschaft der Polaires. Allerdings bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß sich die Gruppe mit babylonischen Mysterien oder gar Flugscheiben befaßte. Vielmehr war der Zweck der Okzidentalen Gruppe, eine „Aussöhnung der Kirchen und Ein­ weihungszentren" zu fördern als Grundlage weltweiten Friedens, wobei in­ tern auch der „ägyptische Ritus" als erfolgversprechend gerühmt wurde.1025

12.4.

Das Geheimprojekt „Die Glocke"

Die Gleichsetzuung Vril-Gesellschaft - „Wahrheitsgesellschaft/Reichsarbeitsgemeinschaft" stößt indes auf Kritik der Vril-Legenden-Stricker: „Die Vril-Energie wiederum meint also die dynamischen Kräfte des absolut Göttlichen. Dies war der Bezugspunkt der Alldeutschen Gesellschaft für Metaphysik (ab 1934 Antriebstechnische Werkstätten), die sich offiziell nie ,Vril-Gesellschaft' genannt hat und auch nicht mit Karl Haushofers Bruderschaft des Lichts' identisch gewesen ist, obschon sie Kontakte zu diesem hatte und zeitweilig auch zum Thule-Orden Verbindungen unterhielt", heißt es in Reaktion auf die Entmystifizierung.1026 1024 Vgl. http://www.alpenfestung.com/ahnenerbe_rutengehen.htm;hierwird auch von weiteren Broschüren aus dem Umfeld gesprochen: Die Magie der dunklen Son­ ne, Privatauflage, Wien 1928, die Teil einer Trilogie sei - die Authentizität kann allerdings nicht bestätigt werden. 1025 Siehe dazu Wegener (2004), S. 82. 1026 So unter: www.causa-nostra.com.

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Der Grund für die Kritik liegt auf der Hand: Über die „Bruderschaft des Lichts" alias „Wahrheitsgesellschaft" ist bereits zuviel bekannt, als daß sich hier weitere Legenden erfinden lassen könnten. Vor allem mangelt es an Hinweisen auf die Beschäftigung mit Flugscheiben dieser „Wahrheitsgesell­ schaft" oder „Reichsarbeitsgemeinschaft". Stattdessen erfährt der Leser in anderen Texten der „Causa Nostra" wei­ tere „Fakten" über die wahre Vril-Gesellschaft, so im Hinblick auf die An­ triebsart der vorgeblichen Vril-Schiffe: Diese sollten „via Schwingungskanal sowohl jenseitige Welten im Überkosmos erreichen können wie auch - zunächst vor allem - mühelos jeden beliebigen Punkt innerhalb des diesseitigen Kosmos’. Räumliche Entfernung herkömmlicher Art spielte dabei so gut wie gar keine Rol­ le. Ein Flug zum rund 70 Lichtjahre entfernten Sonnensystem Aldebaran? Kein Problem, dauert höchstens ein paar Wochen (errechnet wurde beispielsweise für diesen Weg eine Bordflugdauer von 22 Tagen). Wie würde es in der Praxis funk­ tionieren? Darauf wußten Wilfried Schumann und sein Vril- Freundinnen- und Freundeskreis sehr wohl Antwort zu gegeben: Das ,Schwingungsschiff' hat so gut wie nichts mit der gängigen Vorstellungen von einem Weltraumschiff zu tun. Kern­ bestandteil des Antriebs ist ein spezielles Element, welches auf regelbare Weise un­ terschiedliche Schwingungen erzeugen und nach Belieben umformen kann: eben die ,Schwingungsglocke'.So wurde dieser zentrale Bestandteil des Vril-Triebwerks be­ kanntermaßen genannt. Um die Schwingungsglocke herum arbeitete das Aggregat zur Schwingungsverstärkung. Beide Elemente zusammen, fein auf einander abgestimmt, bildeten den Schlüssel zum Erfolg. Das Vril-Triebwerk könnte vermutlich als eine bioenergetische Apparatur bezeichnet werden. Die Kraft des Geistes ist ein integraler und ausschlaggebender Bestandteil gewesen - und es mußte der pas­ sende' Geist sein, einer, wie ihn die materialistische ,westliche Gesellschaft' nicht kennt.“ Und an anderer Stelle heißt es weiter zur Glocke: „Ein Punkt, auf den sich der Blick selbstverständlich immer wieder richtet, ist die zentrale Schwingungsglocke der Vril-Fluggeräte, kurz ,Glocke' genannt, weil die äußere Form einer Kuhglocke ähnelte (man erinnere sich, all dies entstand in Bayern). Wie über alles, was den inneren Aufbau dieser Geräte anbelangt, gibt es auch über die Glocke nur sehr wenig Material, das mit einiger Wahrscheinlichkeit als echt angesehen werden darf. Zu den in den 1980er Jahren als fraglich eingestuf­ ten Dingen gehört beispielsweise ein unscheinbarer Zettel mit einer beschrifteten Skizze darauf. Dort ist die Glocke dargestellt. Niemand weiß noch, woher der Zettel kam. Dieses kleine Blatt könnte möglicherweise aus der Entwicklung im Jahre 1934 stammen. Von Gewißheit kann dabei allerdings keine Rede sein. Aber zumindest handelt es sich um eine Skizze, die fraglos die Schwingungsglocke betrifft, und die immerhin aus der relevanten Zeit zu stammen scheint. In diesen,Glocken' soll jene Schwingung erzeugt worden sein, welche den deutschen ,UFO'-Fluggeräten ihre

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besonderen Eigenschaften gab - insbesondere die aufgrund von spezifischer Schwin­ gungsaffinität in jenseitige Sphären einzutauchen, um dann - vielfach schneller als das Licht zu sein - an einem anderen, weit entfernten diesseitigen Ort wieder aufzutauchen. Alles um diese Glocke herum, so heißt es, habe nur dazu gedient, die Schwingungen in dieser zu verstärken. Es hat sich also eindeutig nicht um sogenannte ,Freie-Energie'-Apparate gehandelt, sondern um etwas ganz und gar anderes, um etwas so Exotisches, wie es sich eben allein Menschen vorzustellen vermögen, die mit den besagten kosmischen, interkosmischen und überkosmischen Gegebenheiten vertraut sind, wie sie am besten die Jovian-Offenbarung schildert. Für jeden anderen, der dies in andere Vorstellungen zu pressen versucht, wird es unbegreiflich und unzugänglich bleiben." Wer also die Ausführungen nicht nachvollziehen kann, zählt dementspre­ chend nicht zu den wenigen „Erwählten". Dies gilt wohl insbesondere für Forscher, welche die Legenden nicht kritiklos übernehmen. Wie etwa Joseph Farrell, der Forschungen des polnischen Historikers Igor Witkowski aufgreift, der ebenfalls von einem Geheimprojekt „die Glocke" berichtet, allerdings ohne jeden Zusammenhang zu einer Vril-Gesellschaft:1027 Witkowski, der „Wiederentdecker" der Glocke, widmete dem Geheim­ projektjahrelange Forschungen, die er wie folgt zusammenfaßt: „Während meiner Recherchen in Archiven fand ich deutsche Dokumente, die bestä­ tigen, daß es sich bei dem beschriebenen Projekt um ein sehr ungewöhnliches und 1027 So heißt es dazu bei CN: „Seit einer Weile kursiert die Geschichte um eine Ge­ heimwaffe mit der Bezeichnung „Glocke“. Daß tatsächlich eine Apparatur existiert hat, die „Glocke" genannt worden ist, steht außer Zweifel. Wir haben bei CN im Internetz darüber schon mehrfach gesprochen. Doch mit der Story, die einer an diesem Themen­ kreis interessierten Leserschaft schon seit einer Weile aufgetischt wird, hat die wirklich vorhanden gewesene Glocke nicht das Mindeste zu schaffen. Leider aber lassen sich viele von dergleichen einfangen. Die da angebotene Story von der angeblichen „SS-Glocke", welche Joseph P. Farrell unter dem Titel, „Die Bruderschaft der Glocke" präsentierte, mag möglicherweise einige intelligente Überlegungen enthalten, vielleicht sogar gut ge­ meinte, aber sie hat nichts mit der Realität zu tun. ...tut er das dergestalt, daß dieses sein Werk geradezu als Fallbeispiel für diverse Bücher solcher Art dienen kann; denn er hat zwei miteinander verknüpfte Details aufgepickt und verarbeitet, denen Ursprung und Sinn ihm offenkundig unbekannt ist.... Doch da er dabei die SS und den viel strapazier­ ten Dr. Kammler etc. ins Spiel bringt, begibt er sich leider auf den Weg des Unfugs." Dabei ist nicht ohne Ironie, daß sich gerade die Autoren, die ohne eine einzige Quelle Geschichte schreiben', andere Spekulationen, wenn auch unwissenschaftlicher Natur, als Unfug bezeichnen, zumal sie dessen Veröffentlichung gar nicht gelesen haben. Daher bezieht sich die Kritik einzig auf die Coverdarstellung, die als „entlarvend" bezeichnet wird: „Eine Schwarze Sonne, wie es sie bei der SS nie gegeben hat und die erstmals An­ fang der 1980er Jahre öffentlich aufgetaucht.." sei.

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Die Glocke - Rek., unbekannter Her­ kunft - oben: Test­ stand im tsche­ chischen Muchow - re: Bunkersystem einzigartiges Projekt mit einer ebenso einzigartigen Klassifikation handelte - offi­ ziell wurde es als „kriegsentscheidend" bezeichnet.1028 Das Antriebssystem basierte wahrscheinlich auf Antigravitation und einer als „die Glocke" bezeichneten Vor­ richtung...: Dieses geheimnisvolle Gerät - die Glocke - schien auf den ersten Blick relativ ein­ fach, wobei die ungewöhnlichen Auswirkungen ihres Einsatzes dem widersprechen. Zugegebenermaßen war die Beschreibung unvollständig und unwissenschaftlich, da sie mir von einem Soldaten gegeben wurde, der keinen Zugang zu sämtlichen Unterlagen hatte, doch selbst unter diesen Umständen enthielt sie viele wertvolle Details. Der Hauptteil der Glocke bestand aus zwei riesigen zylindrischen Trom­ meln von ungefähr einem Meter Durchmesser, die sich während des Experiments mit unglaublicher Geschwindigkeit in unterschiedliche Richtungen drehten. Die Trommeln bestanden aus einem silbrigen Metall und rotierten auf einer ge­ meinsamen Achse. Die Achse bestand aus einem ungewöhnlichen Kern, mit einem Durchmesser von ungefähr 12 bis 20 Zentimetern, das untere Ende war in dem massiven Sockel der Glocke befestigt. Sie bestand aus einem schweren, harten Me­ tall. Vor jedem Versuch wurde ein keramikartiger, länglicher (als „Vakuumkolben" bezeichneter) Behälter in den Kern eingelassen, der von einer ungefähr drei Zentimeter dicken Bleischicht umschlossen war. Er war etwa 1 bis 1,5 m lang und mit einer merkwürdigen, metallischen Substanz mit violettgoldenem Schimmer ge­ füllt, die bei Zimmertemperatur die Konsistenz von „leicht geronnenem Gallert" annahm. Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, daß diese Substanz unter 1028 Hier irrt Witkowski allerdings, denn die Bezeichnung „kriegsentscheidend" wurde auch auf andere Forschungsprojekte, wie etwa den N-Stoff angewendet; vgl. hier S. 268.

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dem Codenamen „IRR Xerum-525“ oder „IRR Serum-525" lief und unter ande­ ren Bestandteilen auch Thoriumoxid und Berylliumoxid enthielt. Die Bezeichnung „Xeron" taucht ebenfalls in der Dokumentation auf. Es handelte sich dabei um eine Art Quecksilberverbindung, vermutlich mit verschiedenen schweren Isotopen. Quecksilber, diesmal allerdings in Reinform, befand sich ebenfalls in den sich dre­ henden Zylindern. Vor dem Start jedes Experiments, und vielleicht auch während der Durchführung, wurde das Quecksilber intensiv gekühlt. Da Informationen über den Gebrauch großer Mengen von Flüssiggas - Stickstoff und Sauerstoff - auf­ tauchten, scheinen genau diese beiden zur Kühlung benutzt worden zu sein. Der gesamte Apparat, d.h. die Zylinder und der Kern, wurden von dem oben genannten Keramikgehäuse in Form einer Glocke umschlossen - ein Zylinder, der oben abge­ rundet war und mit einem Haken, oder einer Befestigung abschloß. Insgesamt maß das Gerät etwa 1,5m im Durchmesser und war ungefähr 2,5m hoch ... Ein sehr dickes Stromkabel führte auf die „Haube" zu. An der Unterseite befand sich zudem ein runder, sehr solider Standfuß aus schwerem Metall, dessen Durchmesser geringfügig größer als der des Keramikgehäuses war. Das war im Großen und Ganzen alles, was ich dem ersten Gespräch über die Kon­ struktion des Gerätes entnehmen konnte. Es reichte dennoch für die Behauptung aus, daß diese Beschreibung mit nichts zu vergleichen ist, was wir bisher über die geheimen Waffen des Dritten Reiches wußten. Mein Gesprächspartner hat in jedem Fall betont, daß die Bezeichnung Waffe im Zusammenhang mit dem beschriebenen Apparat nicht ein einziges Mal gefallen sei. Es handelte sich einfach um ein Teil von etwas viel Größerem, das im Grunde keine Waffe war, abgesehen von den sehr zerstörerischen Auswirkungen, die es auf seine Umwelt ausübte." Wenn es tatsächlich eine derartige Forschung im 3. Reich gab, stellt sich natürlich die berechtigte Frage, warum dieser Sachverhalt in der gesamten Nachkriegsliteratur bislang verschwiegen wurde? Cook spricht von einer großangelegten Vertuschung durch die Alliierten, denn „die Nazis (hatten) in ihrem verzweifelten Versuch den Krieg zu gewinnen, an einer Wissenschaft ge­ forscht, von der die übrige Welt nicht einmal etwas geahnt hatte. Es war anzuneh­ men, daß aus diesem Hexenkessel voller neuer Ideen eine neue Technologie hervor­ gegangen war; eine Technologie, die ihrer Zeit so weit voraus war, daß man sie nun schon über ein halbes Jahrhundert unter Verschluß hielt."1029 Joseph Farrell, US-Autor mit Hang zu okkulten Sachverhalten faßt das Potential der Glocke wie folgt zusammen: „Obwohl die Glocke auf vielfältige Art und Weise die Paradigmen der alternativen Physik nachvollziehbar erfüllt, ... kann es keinen Zweifel geben, daß die Deutschen nicht allein an den Einsatzmög­ lichkeiten ihrer neuen Physik und Technologie als Antrieb interessiert waren, son­ dern auch an deren friedlichem und zerstörerischem Einsatz als Energiequelle und

1029 Vgl. Cook (2006), S. 243 ff.

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letzten Endes als Waffe von schrecklicher Macht." 1030 Der Entdecker des Projektes „Die Glocke" fügt dem sogar noch eine wei­ tere Dimension hinzu: So soll bei den Versuchen auch an der Aufhebung der Antigravitation geforscht worden sein, um auch als mögliche Antriebsquelle für Fluggeräte Anwendung zu finden. Dabei sollen jedoch auch Begleitef­ fekte erzeugt worden sein, die eine Beeinflussung der „Zeitkonstante" zur Folge gehabt hätten.1031 Welche Konsequenzen das mit sich führte, läßt Wit­ kowski allerdings offen und begnügt sich mit der Feststellung: „Es kann uns möglicherweise dazu befähigen, die für die Zukunft entscheidende Technologie zu verstehen - ein völlig anderer Ansatz für Gravitation: das ,Tor zu den Sternen.'" - Ist also ein „Flug zum Sternensystem Aldebaran, um dort Hilfe zu holen" doch nicht so abwegig? Die Antwort auf diese und andere Fragen könnte vermutlich der Mann geben, dem seit 1944 sämtliche geheimen Projekte unterstanden - SS-Gruppenführer Hans Kammler - lange Zeit galt er als spurlos verschwunden nach 1945. Neuere Erkenntnisse bestätigen aber, daß es ihn weniger nach „Aldebaran"oder in die Reichsdeutsche Basis in Neuschwabenland zog, denn in die USA. Hans Kammler befand sich nach dem 9. Mai 1945 - seinem offiziellen Todesdatum - tatsächlich in US-Amerikanischer Gefangenschaft, wie ein Bericht des US-Spezialermittlers Oskar Packe aus dem Jahr 1949 ver­ riet. Anders als dort angegeben, gelang Kammler aber nicht die Flucht, son­ dern er wurde heimlich in die USA geschafft, wo sich seine Spur verliert.1032 Bemerkenswert ist immerhin, daß US-Verantwortliche bis in die heutige Zeit ein Interesse daran zu haben scheinen, die Flugscheiben als außerir­ disches Phänomen darzustellen, um vermutlich von eigenen Forschungen abzulenken. Doch wie lange soll sich eine Entwicklung wie die einer Flug­ scheibe, verborgen halten lassen, und vor allem warum? Oder haben wir es hier mit einem weiteren Problem zu tun - etwa der Verwendung einer An­ triebsart, die zugleich eine neue Energiequelle darstellen würde, mit der auf einen Schlag alle Ölfirmen und Kraftwerksbetreiber erwerbslos wären? 1033 1030 Farell (2009), S. 170 ff. 1031 Vgl. Cook (2006), S. 243 ff.; ebenso Farell (2009), S. 170 ff. 1032 Im Juni 2014 enthüllte der Filmemacher Andreas Sulzer, daß Kammler am 9. Mai vom US-Geheimdienst CIC arrestiert und später in die USA verbracht wurde, wo er sich der Aussage des Sohnes eines damals beteiligten US-Geheimdienstmannes selbst umgebracht habe. Vgl. R. Karlsch, in „Zeitschrift f. Geschichtswissen­ schaft", 6/2014. 1033 Vgl. zu diesen Spekulationen auch Mayer/Mehner (2007), S. 199 f, die be­ merken, daß „das meiste, was oft erst Jahrzehnte später an Technologien in die Wirt­ schaft übernommen wurde, ... auf mehr als 60 Jahre alte Grundlagen zurückgeht" und ferner mutmaßen, daß „bei einer konsequenten Fortsetzung dessen, was in den

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IV. Eine vorläufige Bilanz Okkulte Wurzeln - Okkulte Tätigkeiten Neben den gut dokumentierten „okkulten" Einflüssen diverser Protago­ nisten auf das 3. Reich - insbesondere durch Guido von List, Jörg Lanz von Liebenfels und Rudolf von Sebottendorf -, die jedoch keinerlei Anhaltspunk­ te für eine weitere Steuerung der NS-PoIitik oder gar Hitlers selbst für die spätere Zeit liefern,1034 haben jüngere Forschungen auch die Befassung des 3. Reiches selbst und insbesondere der SS mit okkulten Angelegenheiten weiter erleuchtet. Was die Beschäftigung mit diesen Dingen anbelangt, so waren die Akteure zumeist innerhalb des Persönlichen Stabes RF-SS oder im Amt VII des SD angesiedelt, was beide in unterschiedlichem Ausmaß tatsächlich zu einer Art „Tummelplatz aller möglichen Okkultisten" machte. In Bezug auf das Amt VII waren es vor allem die Astrologen und die Freimaurer-Experten, die mit ihrer Tätigkeit dem Amt zu einem „okkulten" Ruf verhalfen. Dabei interessierte sich die SS in erster Linie zum Zwecke der Gegnerfor­ schung für okkulte Gesellschaften und Okkultforschung. Seit Ende der 30er Jahre wurde Gegnerbekämpfung unter die Bekämpfung des „Judentums" subsumiert, bevor seit 1942 - so Longerich - „die Juden als Hauptgegner immer mehr zurück" traten.1035 Doch auch während des Krieges gab es eine Reihe von Projekten, die sich um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Freimaurerei drehten - etwa die Einrichtung von Freimaurer-Dokumen­ tationszentren und entsprechender Archive. Schließlich erlaubten die in den Logen aufgefundenen Dokumente nicht nur die Unterfütterung der These der politischen Einwirkung der Freimaurerei, sondern lieferten auch Materi­ al für die nach wie vor virulente Tätigkeit der Logen während des Krieges. Auffällig bei der Betrachtung dieser oft okkulten Gruppierungen - vor allem der Polaires - ist der bislang nur angedeutete Einfluß der Rosenkreu­ zer-Verbindungen, die sowohl auf Vorkriegsgesellschaften wie die ThuleGesellschaft (über den Gründer Glauer / Sebottendorf) und die sogenannte Vril-Gesellschaft als auch die Polaires und Otto Rahn selbst Einfluß ausgeübt haben dürften. Eng verbunden ist dieses „Wirken" der Rosenkreuzer auch mit der Alchemie und dem „Stein der Weisen", wie er uns in Zusammen­ hang mit den kuriosen Forschungsaufträgen Himmlers begegnet ist. Aller­ dings muß dabei stets berücksichtigt werden, daß die Annahme bekannter 40er Jahren schon an Erfindungen und Verfahren greifbar war, zu erwarten gewe­ sen wäre, daß z.B. das Energieproblem längst gelöst" hätte werden müssen. 1034 Zusammenfassend sei hier auf Goodrick-Clarke verwiesen werden, der resümiert: „Die Ariosophie war mehr ein Symptom denn ein tatsächlich einflußnehmender Fak­ tor in der Art und Weise, wie sie den Nationalsozialismus vorwegnahm", S. 175. 1035 Vgl. FN 125. 327

Namen durch diverse Geheimlogen häufig geschieht und nicht zwangsläufig auch eine Identifikation oder direkte Kontinuitätslinie begründet. Dennoch hat es den Anschein, als wenn tatsächlich eine rosenkreuzlerisch inspirierte Gruppe in Europa auch noch während des Krieges aktiv war. Anders als von freimaurerischen Kreisen oft behauptet, ist die Rosenkreuz-Idee jedoch nicht identisch mit der modernen Freimaurerei, sondern stand lediglich in Verbindung mit der ursprünglichen Freimaurer-Idee der Aufklärung. Es ist hier - wie Julius Evola bemerkte - eine „ Usurpation, nicht die Fortsetzung, sondern die Umkehrung der vorhergegangenen Tradition" feststellbar.1036 Anders als die Bestrebungen zahlreicher Vereinigungen sowohl katholischer, pro­ testantischer als auch freimaurerischer Provenienz, die noch während des Krieges an Plänen für ein „Vereintes Europa" mit jeweils unterschiedlicher Vorherrschaft als Ersatz des Nationalsozialismus arbeiteten,1037 ging es die­ ser Rosenkreuzlerischen Richtung - sofern eine Verkürzung auf eine einzi­ ge Richtung überhaupt zulässig scheint - primär um eine Renaissance des Reichsgedankens im Sinne Kaiser Friedrich II., an der auch Himmlers SS partiell interessiert war und deren einflußreichster Vertreter Baron Julius Evola war. In diesem Zusammenhang bislang wenig erforscht wurde dabei der Stand der Vorbereitung eines „unabhängigen" SS-Staates Burgund, dem ausweis­ lich der Aussagen Pierre de Plantards, noch weitere Provinzen hinzugefügt werden sollten.1038 Personelle Überschneidungen waren dabei üblich - sicher ist jedoch, daß diese auch in Kreisen der SS vertretene Reichsidee durch die diversen Grup­ pen usurpiert wurde und schließlich als Grundlage der heutigen Europäi­ schen Union diente, die den Grundgedanken eines freien und unabhängi­ gen Europas auf den Kopf stellte und damit zugleich die Bestrebungen der Rosenkreuzler-Richtung konterkarierte. Eine wichtige Rolle dürfte hier vor allem Otto von Habsburg gespielt haben. Von deutscher Seite reicht die­ 1036Evola (1978), S. 242; exemplarisch für die Usurpation von Symbolen steht in ähn­ lichem Zusammenhang etwa die Auswahl des Polarstern-Symbols durch die Nato. 1037Genannt seien hier die Pläne katholischer Kreise gemeinsam mit Adelskreisen(u.a. die Verschwörergruppe „Kreisauer Kreis", die katholischen Kreise Konrad Adenauers) und schließlich die französischen Gaullisten zählten. Diese wiederum wurde durch die von den USA unterstützte „Pan-Europa" Bewegung unterwandert, die auf Graf Coudenhove-Calergi zurückgeht und eine „jüdische Adelsschicht" anstrebte; vgl. hierzu Lincoln (2004), S. 344 ff.; dazu auch Carmin (2005), S. 370 ff., der die von Lincoln et al untersuchte Prieure de Sion für eine wichtige Hintergrundmacht hält, die als Urheber der in den Protokollen der Weisen von Zion genannten Pläne stecken könnte. 1038 Man beachte hier das angebliche Angebot eines SS-Herzogtums Bretagne; sie­ he FN 659.

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ses Beziehungsgeflecht in die SS und den Persönlichen Stab Himmlers, der ebenfalls eine rege Okkulttätigkeit insbesondere in Zusammenhang mit den Forschungen Weisthors und de Mengels offenbarte. Das Ahnenerbe hatte demgegenüber für derlei Forschungen offiziell kei­ ne Verwendung. Trotzdem wird das Forschungsamt bis heute von einem schwer durchdringbaren Schleier aus Legenden und Vorurteilen umgeben. Typisches Urteil über diese Organisation ist die Betreibung einer „Pseu­ dowissenschaft", obgleich das Ahnenerbe gerade der wissenschaftlichen Untermauerung der Thesen des Dritten Reiches dienen sollte und diesen Anspruch größtenteils auch erfüllte. Ein wichtiges Aufgabengebiet lag da­ bei im wissenschaftlichen Nachweis einer zumindest periphär existenten Jahrtausende alten nordischen Kultur. Spätestens mit der Ablösung des um­ strittenen Herman Wirths, über dessen Wissenschaftlichkeit bei objektiver Betrachtung eigentlich kein Zweifel besteht, durch den anerkannten Indolo­ gen Wüst war das Ahnenerbe weitgehend auf „wissenschaftlichem Kurs". Dieser stand zwar insoweit unter Vorbehalt, als daß das Anliegen Himmlers im Beweis teilweise fragwürdiger Hypothesen bestand, jedoch befaßte sich das Ahnenerbe überwiegend wissenschaftlich mit den Vorgaben und ge­ langte im Zweifel zu einem den Vorstellungen Himmlers entgegengesetzten Ergebnis. Mit Kriegsbeginn unterlag das Ahnenerbe automatisch einem Rechtfer­ tigungszwang bezüglich der eigenen Kriegswichtigkeit, was aber dennoch kurios anmutende Forschungen nicht verhinderte. Hinter der kuriosen Fasssade offenbaren sich allerdings oft durchaus ernsthafte Anliegen Himmlers, der seine Forschung für Kriegszwecke dem eigenem Gespür unterordnete, das ihn so manches mal jedoch trog - etwa wenn es um die Förderung neu­ er potentieller Waffen wie dem Strahlengerät des Schröder-Stranz ging. Er­ folgreicher war Himmler dagegen in der Auswahl eines SS-Akteurs, der in­ nerhalb kürzester Zeit einen rasanten Aufstieg absolvierte: Hans Kammler. Bezüglich der oft wieder kehrenden Behauptungen der Verwicklung des Ah­ nenerbe in die Errichtung deutscher Stationen, etwa auf Neuschwabenland, ist klar zu konstatieren, daß jeder Hinweis darauf in den Primärquellen fehlt - gleiches gilt für angebliche Kriegsexpeditionen des Ahnenerbe nach Tibet oder Südamerika. Deutsche Geheimwaffen und die „3. Macht" Unbestritten sind dagegen deutsche Forschungen an Atomwaffen, di­ versen Sonderwaffen, fliegenden Scheiben und auch an verschiedenen An­ triebstechniken. Festzustellen ist jedoch in allen Bereichen ein Mangel an Dokumenten, wodurch es kaum zweifelsfrei authentische Quellen zu die­ sem Phänomen gibt. Nachweisen lassen sich durch wenige, nicht vernichte­

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te oder unter Verschluß gehaltene Dokumente, lediglich zwei verschiedene Zweige der Wunderwaffenforschung: Zum einen Forschungen verschiede­ ner Flugzeugwerke unter dem Dach des RLM Hermann Görings, darunter Projekte von Alexander Lippisch, den Horten-Brüdern sowie unbekannten Forschern bei Messerschmidt, Heinkel und Junkers. Andererseits die SSForschungsgruppe Hans Rammlers - die Pilsener „Denkfabrik"- die bis Kriegsende nicht nur die V-Waffen, sondern auch die Atom-Waffen und die gesamte „Strahlwaffen-Entwicklung" unter ihrer Kontrolle hatte. Hier­ zu existieren Dokumente zur Errichtung einer eigenen SS-Fliegerei sowie Anweisungen zur Zusammenarbeit der Skoda-Werke in Prag mit der Waf­ fen-SS. Weitere Dokumente hinsichtlich der Gestaltung oder des Umfanges dieser Fliegerei fehlen jedoch, was auf eine gezielte Säuberung der Akten schließen läßt. Während für die Existenz fertiger Atomwaffen nunmehr eine Reihe unwiderlegbarer Beweise existieren, fehlen diese bislang für deutsche Flugscheiben und das Geheimprojekt „Glocke". Die einzigen greifbaren Nachweise für die tatsächliche Existenz von Flugscheiben stammen von Au­ genzeugen, wobei es hier keine Möglichkeit der Verifikationen gibt - einige Aussagen konnten zudem als unwahrscheinlich entlarvt werden. Aussagen der beteiligten Forscher Schriever und Epp enthalten hingegen keinen konkreten Nachweis der These. Schriever war - wenn man seinen Nachkriegsaussagen trauen darf - entgegen der verbreiteten Legende selbst gar nicht an der Fertigstellung einer Flugscheibe beteiligt. Dies ist insofern glaubhaft, als daß Schriever in den 50er Jahren selbst an die Öffentlichkeit ging, also keineswegs Stillschweigen bewahren wollte. Die Aussagen des Konstrukteurs Epp sind dagegen in weiten Teilen wenig glaubwürdig. Auch wenn er im Jahre 1941 durchaus ein Flugscheibenmodell übergeben haben könnte, welches für weitere Forschungen diente, so spricht nichts für einen tatsächlichen flugfähigen Prototypen. Zwar mag es desöfteren zu die Flugscheibenkonstruktion betreffenden Anfragen gekommen sein, unglaublich ist jedoch, daß man tatsächlich Scheiben auf den Plänen Epps basierend baute, ohne diesen direkt einzubinden. Die Aussagen bezüglich der Entwicklung dieser Scheiben stammen daher auch allesamt aus anderen Quellen und decken sich mit den Spekulationen anderer Autoren. Guiseppe Belluzo, der ebenfalls häufig genannte „Flugscheibenkonstrukteur", war zum fraglichen Zeitpunkt Leiter der Kommission für nationale Erziehung und Volkskultur in Italien. Dennoch scheinen Flugscheiben durch andere Forscher im Auftrag der SS gebaut worden zu sein. Von Miethe und Habermohl liegen hierzu keine Aussagen vor. Weitere Techniker könnten bis heute unbekannt sein, so etwa die „Prager Forscher", die Schriever nannte und die der Kammler-Gruppe zugehörig gewesen sein dürften.

330

Was aber wurde aus den deutschen Geheimtechnologien? Befinden sich viele der einstigen Projekte in den Giftschränken der alliierten Geheimdiens­ te, wurden sie vielleicht sogar im Geheimen schon in die Realität umgesetzt? Aufgrund der Häufung der Sichtung von Flugscheiben nach 1945 spricht ei­ niges dafür, daß man auf Grundlage deutscher Technologie fliegende Schei­ ben baute. Die einzigen bekannten Projekte - u.a. der Avrocar der Firma Bell - dürfte bewußt als flugunfähiges Modell vorgeführt worden sein, um so die These der irdischen Herkunft der Flugscheiben zu widerlegen, während zugleich am Mythos der außerirdischen Raumfähren gebastelt wurde, um das Geheimnis der Flugscheibenentwicklungen zu bewahren. Zur Authenti­ zität der im Internet kursierenden Konstruktionspläne von Flugscheiben des Typs Vril I-III sowie Haunebu I & II erlauben sich ohne eingehende techni­ sche Vorkenntnisse keine Schlußfolgerungen. Insbesondere die Forschun­ gen des US-Autoren Cook erhärten jedoch Spekulationen, denen zufolge tat­ sächlich der eine oder andere Typ gebaut und auch geflogen wurde, wobei auch ein „unkonventioneller" Antrieb (Nuklearantrieb, Anti-Gravitation?) Verwendung gefunden haben könnte. Was die Existenz einer deutschen Basis in Neuschwabenland betrifft, so würde eine Abwägung der vorliegenden Indizien gegen eine solche spre­ chen. Auch unter dem Vorbehalt von dahingehenden Planungen ist ganz einfach eine Versorgung mehrerer Tausend Mann in einem antarktischen Gebiet über mehrere Jahre hinweg ein wenig aussichtsreiches Unterfangen. „Reichsdeutsche Basen" in Südamerika, die etwa Sternhoff unter Verweis auf die Colonia Dignidad für plausibel hält, sind dagegen höchstens in Form deutscher Siedlungen denkbar, jedoch nicht als souveräne Stützpunkte, die in der Lage wären, Einfluß auf die Weltpolitik zu nehmen. Abgesehen von tatsächlich existierenden erstaunlichen Plänen fehlen stichfeste Fakten für eine solche Annahme. Als noch abwegiger sind Spekulationen zu be­ zeichnen, denen gemäß sich nach 1945 „Nazi-Netzwerke" um Wernher von Braun und Kollegen innerhalb der USA gebildet hätten um Einfluß nicht nur auf die US- sondern auch die Weltpolitik auszuüben.1039 Weiterhin offen bleiben muß schließlich die Frage, was aus Hans Kamm­ ler und dem Geheimprojekt „Glocke" wurde. Die Beantwortung dieser Frage dürfte zugleich Licht auf den Gesamtkomplex deutscher Geheimfor­ schungen werfen. Es bleibt somit die Hoffnung, daß sich weitere Indizien zu den „okkulten", also verborgenen, Forschungen im 3. Reich, noch zusammentragen lassen, um bis heute ungeklärte Sachverhalte zukünftig erhellen zu können. Damit ist auch der Leser aufgerufen, eigenes Wissen und eigene Beobachtungen der Öffentlichkeit mitzuteilen, bevor dieses Wissen mit ihren Trägern ausstirbt. 1039 So die abstruse Kernthese von Farrell (2009).

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IV. Anhang 1.

Veröffentlichungen der Ahnenerbe-Schriftenreihe

Reihe A: Grundwerke Theobald Bieder: Geschichte der Germanenforschung (Hase & Koehler) Reihe B: Fachwissenschaftliche Untersuchungen Arbeiten zur indogermanischen Bau- und Kunstforschung: Josef Strzygowski: Morgenrot und Heidnischwerk in d. christlichen Kunst (Widukind) Walter Dexel: Holzgerät und Holzform Arbeiten zur Germanenkunde: Werner Müller: Kreis und Kreuz (Widukind-Verlag) Guiseppe Capelletti: Orts- und Flurnamen der 13 Gemeinden Franz Altheim / Erika Trautmann: Vom Ursprung der Runen (Klostermarm) Richard von Kienle: Germanische Gemeinschaftsformen Bruno Schweizer: Zimbrische Sprachreste Arbeiten zur Alten Geschichte: Franz Altheim: Die Soldatenkaiser (Klostermann) Franz Altheim: Die Krise der alten Welt im 3. Jahrh, nach Zw. und ihre Ur­ sachen Arbeiten zur indogermanischen Glaubensgeschichte Otto Huth: Der Lichterbaum (Widukind) Arbeiten zur Hausmarken- und Sippenzeichenforschung: Karl Konrad Ruppel: Die Hausmarke Arbeiten zur indogermanisch-deutschen Musikwissenschaft: Joseph Maria Müller-Blattau: Germanisches Erbe in der deutschen Tonkunst Arbeiten zur klassischen Philologie und Altertumskunde: Rudolf Till: Handschriftliche Untersuchungen zu Tacitus Agricola u. Germa­ nia Arbeiten zur indogermanisch-deutschen Rechtsgeschichte: Falk W. Zipperer: Haberfeldtreiben K. von Amira / Frh. von Schwerin: Rechtsarchäologie. Gegenstände, Formen u. Symbole germanischen Rechts

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Arbeiten d. Reichsberufswettkampfes d. dt. Studenten: Germanisches Volkserbe im Alemarmendorf Wintersweiler Arbeiten zur Schrift- und Sinnbildkunde: Alarich Augustin: Germanische Sinnbilder als Hofgiebelzeichen Arbeiten zur indogermanisch-arischen Sprach- u. Kulturwissenschaft: Walther Wüst: Indogermanisches Bekenntnis Studentische Arbeiten der dt. Universitäten: Gerhard Julius Wais: Die Alemannen in ihrer Auseinandersetzung mit der römischen Welt Arbeiten zur Vor- und Frühgeschichte: Peter Paulsen: Axt und Kreuz bei den Nordgermanen Günther Thaerigen: Die Nordharzgruppe der Elbgermanen bis zur sächsi­ schen Überlagerung Herbert Jankuhn: Die Ausgrabungen in Haithabu Reihe C: Volkstümliche Schriften Oskar von Zaborsky-Wahlstätten: Urväter-Erbe in der deutschen Volkskunst Eugen Weiß: Heute ist Richtfest (Widukind-Vlg.) Plassmann / Trathnigg: Deutsches Land kehrt heim Karl-Theodor Weigel: Sinnbilder in der fränkischen Landschaft K-T. Weigel/ Siegfried Lehmann: Sinnbilder in Bayern Emmerich Schaffran: Geschichte der Langobarden (Hase u. Koehler) Werner Stief: Heidnische Sinnbilder an christlichen Kirchen u. auf Werken der deutschen Volkskunst Hans Seidlmayer: Steifzüge durch altbayrisches Brauchtum Arbeiten zur Germanisch-Deutschen Volkskunde: Hans Strobel: Bauernbrauch im Jahreslauf Rudolf Siemsen: Germanengut im Zunftbrauch Werner Schulte: Gliederung der Mundarten im südöstlichen Sauerland Kurt Schroffer / Walther Wüst: Tod und Unsterblichkeit im Weltbild indo­ germanischer Denker Georg Graber: Sagen aus Kärnten Siegfried Lehmann: Die einzig wahre Quelle der Kunst ist unser Herz Matthes Ziegler: Die Frau im Märchen (Koehler & Amelang 1937) Reihe D: Naturwissenschaftliche Untersuchungen: Hugo Dingler: Max Planck und die Begründung der sog. theoretischen Phy­ sik. 1939

333

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Archiv des Verfassers Enthält Akten aus verschiedenen Archiven (u.a. Bundesarchiv Berlin, Teudt-Archiv Detmold)

3.Personenregister Absolon, Karel (tsch. Archäo­ loge): 142 Accomani, Cesar (alias Zam Bhotiva - Leiter der Polaires): 210ff. Altheim, Franz (dt. AE-Archäologe): 111, 128, 138 f, 257, 262 f. Amadou, Robert (frz. Martinist): 215 Anders, Richard (Runenmysti­ ker / Edda-Gesellschaft): 65 f. Andree, Julius (dt. Archäolo­ ge, Externsteingrabung): 72, 84, 133ff. Arnaud (frz. Ingeniuer): 195, 213 Bach-Zelewsky, Erich von dem (SS-Einsatzgruppenleiter): 52, 205f. Beger, Bruno (AE-Anthropologe): 243 ff., 257, 267f. Belluzo, Guiseppe (it. Minis­ ter & Flugscheibenforscher ?): 291, 293, 328 Berger, Gottlob (Chef SSHauptamt): 287 Bergmann, Ernst (dt. Philo­ soph): 67 Bergmann, Rudi (SS-Burgmanschaft Wewelsburg): 53 Blanchard, Victor (PolairesMitglied): 211, 218, 237 Blavatsky, Helena Petrowna (Begründerin der Theosophie): 18, 165, 222f, 239, 311 Böhmers, Assien (ndl. Ah­ nenerbe-Forscher): 111,133, 138, 141 f, 266 Bormann, Martin (Leiter der NSDAP-Parteikanzlei): 267, 284, 286 Braun, Wernher von (dt. Ra­ ketenforscher): 287,293, 299, 319,331

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Breuil, Abbe Henri (frz. Ar­ chäologe): 142 Bülow, Werner von (Nachfol­ ger Gorslebens als Leiter der Edda-Gesellschaft): 69 ff, 175 Bulwer-Lytton, Edward (Au­ tor, Rosenkreuzer): 237, 308 f,314f Burkert, Paul (Grönland-For­ scher): 144, 149f. Byrd, Richard E. (US-Polarforscher): 298f. Canaris, Admiral Wilhelm (Leiter OKW-Abwehramt): 212, 314 Canudo, Jeanne (Polairesmitglied): 211,217 Christian, Victor (AE-Abteilungsleiter Vorderer Orient): llOf, 145f. Clauss, Ludwig (dt. Rassefor­ scher): 265 Coudenhove-Calergi, Richard (Pan-Europa-Leiter): 216f 324 Crowley, Aleister (brit. Ok­ kultist - OTO): 15, 30, 227, 235, 314 Czepl, Theodor (ONT-Mitglied): 69 Darre, Richard Walther (Leiter RuSHA): 42, 46f, 54, 61, 69, 80, 88, 97, 118,127,174 de Guaita (frz. Okkultist): 14 De Gaulle, Charles (frz. Prä­ sident): 236 De Mengel, Gaston (briti­ sches Mitglied der Polaires): 227-236, 243, 317, 324 Des Coudres, Hans Peter (Wewelsburg-Bibliothekar): 54, 144 Diederichs, Eugen (dt. Verle­ ger): 94 Dirlmeier, Franz (AE-Leiter Klassische Philologie): 109 f.

Dönitz, Karl (OK d. Marine, letzter Reichskanzler): 298f. Dolan, Brooke (US-Tibetforscher): 238f Dorenberg, Frieda (NSDAPMitglied): 31, 71 f. Drexler, Anton (Gründer DAP): 31 f. Du Prel, Carl (dt. Philosoph): 43

Ebertin, Elsbeth (dt. Astro­ login): 35 Eckart, Dietrich (Völkischer Schriftsteller): 16, 22, 28, 31ff. Eckhardt, Karl August (Leiter Rechtsamt): 107, 110, 117 f. Eichmann, Adolf (Referatslei­ ter im RSHA): 155,176 Epp, Andreas (FlugscheibenKonstrukteur): 288 ff., 326 Erbrecht, Georg (SS-Chef Kö­ nigsberg): 283 Evola, Julius (it. Philosoph): 36, 102, 123-128, 189, 199, 212ff, 226, 236, 303, 324 Fahrenkrog, Ludwig (Leiter der GGG): 67f. Fauth, Philipp (Leiter AEForschungsstätte Astrono­ mie): 112, 160, 253 Fay, Bernhard (frz. Leiter des Service des Societes Secretes SSS):209 Feder, Gottfried (natsz. Wirt­ schaftsfachmann): 26,28,33 Femholm, Hakon (schwed. AE-Mitarbeiter): 140 Fille, Mario (it. Polaires-Orakel):217 Frank, Bernhard (SS-Burg­ mannschaft Wewelsburg): 53 ff, 62 Franz, Günther (SS-Hexenforscher & AE-Mitglied): 186

Friedrich II. (dt. Kaiser) : 51, 199, 303, 324 Friedrich Barbarossa (Staufer-Kaiser): 51 f, 66, 303 f. Fritsch, Theodor (Gründer Reichshammerbund): 23 f, 67 Fritsch, Generaloberst: 145 Gadal, Antonin (frz. Schrift­ steller): 193,195f, 212 f. Göring, Hermann (OK der Luftwaffe): 28, 204, 296, 325 Gorsleben, Rudolf John (dt. Runenmystiker): 67-71,166 Grawitz, Robert (SS-Arzt): 266f, 277 Grönhagen, Yrjö von (dt-finn. AE-Abteilungsleiter f. indog.finnische Kulturbeziehungen): 80,110f, 138,140f, 228ff. Guenon, Rene (frz. Okkul­ tist): 128, 209 f, 217 f, 222 f, 224 f, 235 Günther, Hans F.K. (Rassefor­ scher): 67 Gurdjieff, Georges (russbulg. Okkultist): 14, 29,177 Habermohl, Otto (Flugscheiben-Konstrukteur): 288-292, 326 Habsburg, Otto von (PanEuropa-Leiter): 190, 212, 216 f, 324 Hamkens, Freerk Haye (dt. Archäologe Externstein-Gra­ bung): 72, 134 Harmjanz, Heinrich (AEVolkskundler): 91 Harrer, Heinrich (dt.-öster. SSMitglied & Alpinist): 247f. Harrer, Karl (Mitbegründer DAP): 31 ff. Hartmann, Franz (dt. Theo­ soph): 19, 29 Hase, Hermann von (dt. Ver­ leger, Unterstützer WEL): 81, 160

Hasseibacher, Friedrich (Frei­ maurer-Forscher): 173 f. Hauer, Jakob Wilhelm (Indo­ loge / Leiter dt. Glaubensbe­ wegung): 67,71, 116 f, 119121, 146 Haushofer, Karl (dt. Geopo­ litiker): 17, 28-31, 77, 106, 123,247,317 Hedin, Sven (schwed. Asienforscher): 77, 123, 243 Heimerdinger, Erwin von (Leiter des loyalen GermanenOrden): 24 Heindl, Max (dt. Rosenkreu­ zer): 29., 213 Herrmann, Albert (dt. Atlan­ tis-Forscher): 146 Hess, Rudolf (Stellvertreter Hitlers): 15, 28, 34, 214 Heydrich, Reinhard (Leiter SD bis 1941): 45,178 Hielscher, Friedrich (Freikirchen-Gründer & AE-Forscher): 77, 92, 121-123 Höfler, Otto (Wiener Prähis­ toriker, AE-Mitarbeiter): 58, 90,109, 183-185 Höhne, Rolf (Leiter SS-Aus­ grabungen): 133,136 Hörbiger, Hanns (Begründer Welteislehre): 81,111,157-165 Hubbard, Ron (Gründer Scien­ tology): 15 Huth, Otto (Leiter AE-Pflegestätte für Indog. Glaubensge­ schichte): 111,138,146,264 Jacolliot, Louis (frz. Autor & Okkultist): 221,316 Jankuhn, Herbert (Leiter AEPflegestätte Ausgrabungen): 110,135,147f, 255, 257-262 Johannes, „Priesterkönig" (myth. Herrschereines christl. Reiches in Asien): 224 Jordan, Wilhelm (AE-Ar-

chäologe / Wewelsburg): 51, 53-57, 60, 262 Jünger, Ernst (dt. Schriftstel­ ler): 121 Kammler, Hans (SS-General, Leiter Geheimwafjen): 203 f, 255,269-272,282-284,286,291 f, 294f,301,320,322,325-327 Kerensky, Alexander (russ. Revolutionsminister): 233f. Kersten, Felix (Leibarzt Himmlers): 42 ff., 52, 153, 173, 270 Kersten, Karl (dt. Archäolo­ ge): 260 f. Kiss, Edmund (AhnenerbeWelteis-Forscher): 138, 160166, 240, 251 Klein, Fritz (dt. Energie-Phi­ losoph): 316 Knobelsdorff, Manfred von (1. Wewelsburg-Haupt­ mann): 54, 56 Kohl-Larsen, Ludwig (AfrikaForscher mit Verbindungen zum AE): 139,149f. Kolumbus, Christoph (offiz. Entdecker Amerikas): 51 Kossinna, Gustaf (dt. Prähis­ toriker): 81 f. Krafft, Karl-Emst (Schweizer Astrologe): 34,177 Krohn, Friedrich (Thule-Mit­ glied): 35 Kummer, Bernhard (dt. Prä­ historiker): 67, 80, 90, 95, 183-185 Ladame, Paul (frz. Künstler): 193, 197 Lang, Johannes (HohlweltForscher): 156 Langsdorff, Alexander (AEMitarbeiter Ausgrabungen): 125, 132 Lanz von Liebenfels, Jörg (Gründer des ONT): 16, 18-

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23, 28, 35, 65, 69, 71, 166, 189.198, 264, 274, 323 Leers, Johann von (Dt. Glau­ bensbewegung, Publizist): 76, 97, 107 Le Für, Louis (frz. Publizist): 215, 217 Levin, Rudolf (SS-Hexenfor­ scher): 179 f. Ley, Willy (dt. emigrierter Raketenforscher): 152, 156, 309f, 315, 317 Lienau, Walther (FreimaurerForscher): 174 f. Lippisch, Alexander (dt. Flug­ konstrukteur): 270, 295, 325 List, Guido von (Gründer des Armanenordens): 16, 19f. 23, 28.35.61.69.103.187.198, 323 Ludendorff, Erich (General­ feldmarschall 1. WK, MitPutschist 1923): 6, 33, 38, 154,173 f. Lützelburg, Philipp von (AELeiter Botanik): 51, 112, 252 f.,269 Magre, Maurice (frz. Kathar­ erforscher & Mitglied der Po­ laires): 193, 209, 217, 223 Marques-Riviere, Jean (Polaire & Leiter einer Abt. des SSS): 209f, 217, 224 Mausser, Otto (dt. Indoger­ manist): 107 Miethe, Richard (FlugscheibenKonstrukteur): 288 ff., 326 Moers, Emmerich v. (Süd­ amerika-Forscher): 252-254 Monti, Georges Israel (frz. Okkultist): 228, 235, 317 Müller, Werner (AE-Forscher): 66, 328 Nauhaus, Walther (Mitbe­ gründer Thule-Ges.): 26, 28f. Niedner, Felix (Edda-Über­ setzer): 28

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Orsic, Maria (ang. Mitbegrün­ derin Vril-Gesellschaft): 311 Ossendowski, Ferdinand (polnrus. Abenteurer): 222f, 237 Paehlke, Kurt („Weishaar" - Führer des Bund der Guoten): 24 Papus (Gerard Encausse -frz. Okkultist, Gründer der kab­ balistischen Martinisten): 14, 30, 190, 208, 216, 219, 228 Paul, Otto (AE-Mitarbeiter): 117 Paulsen, Peter (Leiter Kieler Sektion des Reichsbundes): 258, 262, 329 Peladan, Joseph (frz. Okkul­ tist, Begründer der frz. Ro­ senkreuzer): 14, 190, 208, 216, 228 Plantard, Pierre (Begründer der Prieure de Sion): 190, 215, 236 Plassmann, Joseph Otto (Schriftleiter Germanien): 75, 85-91,104f,111,125,135,329 Plötner, Kurt (Leiter Insti­ tut Wehrwissenschaftliche Zweckforschung): 268, 277 Pohl, Hermann (Leiter Ger­ manen-Orden): 23-25 Pohl, Oswald (SS-KL-Inspekteur): 134, 278 Poincare, Jules Henri (frz. Be­ gründer der Relativitätstheo­ rie): 160 Pudor, Heinrich (dt. AtlantisAutor): 167 f. Pujol-Murat, Gräfin (Verbin­ dungsfrau zu den Polaires): 193,211 Quellmalz, Alfred (Leiter AEPflegestätte Indog.-dt. Musik­ wissenschaft): 111, 263 Rahn, Otto (dt. Gralsfor­ scher): 144, 187f, 192-197,

199-209, 211-214, 229-232, 236, 323 Rascher, Siegmund (SSArzt): 266, 268f. Reinerth, Hans (Leiter des Reichsbundesf. Deutsche Vor­ geschichte): 81-85, 88, 132, 148, 258, 260 Reischle, Hermann (Leiter Rasse amt im RuSHA,Stv. Kurator AE): 42, 105 Reuß, Theodor (Rosenkreuzer & OTO-Mitbegründer): 29f, 235 Reventlow, Ernst Graf zu (dt. Glaubensgemeinschaft): 68, 119 Ritscher, Alfred (Leiter „Neuschwabenland“-Expedition):296f. Roerich, Nicholas (rus. Aben­ teurer & Tibet-Reisender): 221, 223,231 Rössler, Otto (AE-Kanarenforscher): 146 Rohrbach, Paul (Thule-Mit­ glied): 28 Roselius, Ludwig (Fabrikant & Thing-Veranstalter): 101 f, 108,125 Ruppel, Karl Konrad (Leiter AE-Pflegestätte . Hausmar­ ken): 110 f, Ruppmann, Kurt (Sekretär im Persönlichen Stab RF-SS): 232, 234 Saint-Yves d'Alveydre, Ale­ xandre (frz. Rosenkreuzer & Okkultist): 216 Santa Olalla, Julio Martinez (span. Archäologe): 146 f. Sauniere, Berenger (Abt in Rennes le Chateaux): 190 f, 201, 205 Schäfer, Ernst (Tibet-Forscher & Leiter AE-Pflegestätte Asi­

en / Expeditionen):?5 f, 110, nen-Orden & Armanen): 24 112, 138, 147, 164, 205, 208, Sievers, Wolfram (AE-Ge237-247, 256, schäftsführer): 77, 79, 88, 90, Schappeller, Karl (Raumkraft- 104-107, 110, 121-123, 143Erfinder): 273-276, 316 145, 149 fi, 152, 169,182, 239 Schauberger, Viktor (öster. In­ f, 247, 251, 254, 257, 262 f, genieur): 276fi, 292-294, 316 266f, 273, 278 Schellenberg, Walther (Leiter Six, Franz Alfred (Leiter Amt SS-Auslandsgeheimdienst): VIIRSHA): 16,163,172,175152 fi, 177, 254,283f. 179,182 fi, 186, 207, 262 Schlarb, Gertrud (Sekretärin Skorzeny, Otto (SS-Kom­ Yro v. Grönhagens): 232 mandoführer): 153, 200 fi, Schleif, Hans (Leiter AE-Pflege- 205, 214, 295 stätte für Ausgrabungen): 111, Spanuth, Jürgen (Atlantis­ forscher): 131,169-171 132,136-138,148,257,259 Schriever, Rudolf (Testflie­ Speer, Albert (Rüstungsmi­ nister): 102, 271, 273, 278ff., ger): 288 fi, 291, 326 Schröder-Stranz (Strahlgerät- 282, 285 fi Erfinder): 273, 315, 325 Steiner, Rudolf (Begründer Schuchhardt, Carl (dt. Prähis­ Anthroposophie): 19, 29, 176, 247 toriker): 81, 258 Schulz-Kampfhenkel, Otto Stengel von Rutkowski, Lo­ (Südamerika-Forscher & thar (Religionsgemeinschaft Luftbild-Karthograph): 165, Adler & Falken): 68 Suffert, Otto (1. Schriftleiter 248-254 Schumann, W.O. (Mitglied Germanien): 86 fi, 134 der Vril-Gesellschafi?): 312 Taubert, Siegfried (2. Wewels­ Schwaller de Lubicz, Rene (frz. burg-Hauptmann) 54 Mystiker) 214 f. Tausend, Franz (Alchemist): Scultetus, Hans (Leiter der 154 f. AE-Pflegestätte Wetterkun­ Teudt, Wilhelm (Externste­ de): 80,112, 136,160, 253 inforscher & AE-AbteilungsSebottendorf, Rudolf von leiter Germanenkunde): 71 fi, (Gründer Thule-Ges.): 23-27, 80-87,110 fi, 134 29, 31, 36, 67, 317, 323 Tilak, Balgangadhar (indischer Schmid, Frenzolf (SS-Ahnen­ Autor): 98, 226 Till, Rudolf (AE-Leiter Klas­ erbe) : 166, 229 Schmidt, Robert Rudolf (AE- sische Altertumskunde): 88, 109-111, 130,328 Archäologe): 133, 257f. Baron Schwartz-Bostunitsch, Gre­ Ungern-Sternberg, gor (russ.-lit. SS-Freimaurer- Roman Max von (dt.-balt. Abenteurer): 28 Forscher): 173,175-177 Schweizer, Bruno (Leiter AE- Wagner, Richard (dt. Kompo­ Pflegestätte Germanenkun­ nist): 23, 187fi, 195, 197 de): 111, 138,143-145, 328 Weigel, Karl Theodor (Leiter Stauff, Philip (Mitglied Germa­ Ahnenerbe-Pflegestätte Land­

schaftssinnbilder): 106, 110 f, 329 Weigold, Hugo (dt. Zoologe): 238 Weisthor / Wiligut (Berater Himmlers): 50, 57, 61, 63f, 69 f, 72-76, 97,113,116fi, 125fi, 156, 174f, 197, 202 fi, 229fi, 231, 234, 242 fi, 266,306,324 Wiegand, Theodor (NSDAPStaatsrat): 81 fi, 132 Wiepert, Peter (Fehmarner Heimatforscher): 169 Wilvonseder, Kurt (öster. AE-Archäologe): 257 Wimmer, Josef (Leiter AEPflegestätte für angewandte Geologie): 152, 253 Winkler-Dechend, Gabriele (Sekretärin von Weisthor): 174, 196 fi, 266 Wirth, Hermann (AhnenerbePräsident): 67f, 70 f, 75, 80 fi, 83, 86 fi, 91-105, 107 fi, 110 f, 113,116,138-140,185, 226, 334 Wölfel, Dominik (Kanaren­ forscher): 145 f. Wolff, Karl (Leiter Pers. StabRFSS): 47, 50 ff., 54, 63, 88, 234, 282 Wolfram, Richard (Leiter AE-Pflegestätte Volkskunde): 111, 263 Wüst, Walther (2. AE-Präsident): 55, 66, 75, 80, 89, 91 , 100, 102-111, 116, 118-122, 126, 138, 144, 156, 161, 168, 185, 239, 243, 247, 256, 266, 325, 329 Wulff, Wilhelm (dt. Astrolo­ ge): 153,155 Zschaetzsch, Karl Georg (dt. Atlantis-Autor): 166 (Himmler, Hitler & Rosenberg sind nicht aufgeführt!)

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Veröffentlichungen im Forsite-Verlag Dennis Krüger

Hyperborea ■ Der Mensch aus dem Norden in der Frühgeschichte esamtdarstellung der Frühgeschichte Nordeuropas - von der Altsteinzeit bis zum Beginn der Eisenzeit. Die Gesamtschau zeigt, was heute massiv unterdrückt wird: Aus dem Norden gingen über Jahrtausende hinweg Kulturimpulse in andere europäische und weltweite Ge­ biete aus - sowohl materielle wie der Bogen, der Wagen oder das gezähmte Pferd als auch geistige wie die Astro­ nomie. Aus dem Inhalt: • Unstimmigkeiten im Lehrbild der Out-of-Africa-These • Entstand der europide Urmensch „hinter dem Eis"? • Widerlegt die Genetik Menschenrassen? • Das mesolithische Paradies: Die Doggerland-Kultur • Die „Storegga-Flutwelle" & die nordischen Kulturen • „Wikinger der Steinzeit": Die weltweite Verbreitung der Megalithbauten • Nordische Sternbilder als Navigationsmarken • Pyramiden aus Europa • Die „Kurgan-Heimat" der Schnurkeramiker - archäo­ logisch widerlegt • Homers Illias und Odysee - verfaßt im Ostseeraum? • Der Kaali-Meteor bestätigt Jürgen Spanuth: Der See­ völkersturm kam von Nordeuropas Küsten. 352 Seiten, zahlr. Abb, gebunden im Festeinband

G

19,90 €

D. Krüger (Hrsg.)

Indogermanisches Erbe & 3. Reich Quellensammlung zur Rolle & Reminiszenz (indo-) germanischer Tradition im SS-Ahnenerbe ■ Bd. 1

eitere Beiträge und Biographien diverser Protago­ nisten aus dem Umfeld des SS-Ahnenerbe. Dem Band vorangestellt ist eine kritische Würdigung des For­ schungsstandes zum „Ahnenerbe". Im Anhang findet sich eine Reihe von Dokumenten über die führende For­ schungsorganisation der SS. 184 Seiten, über 50 Abb., Broschur (Paperback)

W 14,90 €

Danksagung: Herrn RA Olaf Sonfeld für die umfangreiche Hilfe beim Lektorat Herrn Lars E. und Frau Anne D.für technische Unterstützung Herrn Thomas Ritter und Herrn Hans-Jürgen Lange für interessante Hinweise

© FORSITE VERLAG (D. Krüger) Scharnhölzstraße 171 46238 Bottrop 3.

korrigierte Aufl. Bottrop 2015

ISBN: 3-9809643-9-6