Das »Minus« beim unterlassungsrechtlichen Globalantrag [1 ed.] 9783428495313, 9783428095315

Die Autorin untersucht den gesetzlich festgeschriebenen Grundsatz »ne ultra petita« (§ 308 ZPO) für die Unterlassungskla

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Das »Minus« beim unterlassungsrechtlichen Globalantrag [1 ed.]
 9783428495313, 9783428095315

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PETRA BACKSMEIER

Das "Minus" beim unterlassungsrechtlichen Globalantrag

Schriften zum Prozessrecht Band 160

Das "Minus" beim unterlassungsrechtlichen Globalantrag

Von Petra Backsmeier

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Backsmeier, Petra: Das "Minus" beim unterlassungsrechtlichen Globalantrag / von Petra Backsmeier. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 160) Zug\.: Würzburg, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09531-6

Alle Rechte vorbehalten

© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-09531-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit ist im Wintersemester 1997/98 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen worden. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Karl-Georg Loritz, dem ich seit der Anfangsphase meines Studiums sehr verbunden bin. Ich möchte ihm herzlich Dank sagen fiir die Zeit als studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl und die Wertschätzung, die er mir in den ganzen Jahren hat zuteil werden lassen. Er hat die Dissertation angeregt und sie während ihres Entstehens mit wertvollen Hinweisen und konstruktiver Kritik wohlwollend gefördert. Insbesondere seiner Ermutigung und aufrichtigen Unterstützung von Beginn an habe ich zu verdanken, daß ich die Herausforderung angenommen habe und sie erfolgreich abschließen konnte. Gleichermaßen herzlich danken möchte ich auch meinem verehrten langjährigen Chef und Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Curt Wolfgang Hergenröder, an dessen Institut die Dissertation während meiner Assistententätigkeit entstanden ist. Er hat mir nicht nur an seinem Lehrstuhl den notwendigen Freiraum zu eigener wissenschaftlicher Arbeit eingeräumt, sondern stand mir jederzeit fiir Fragen und Hilfestellungen zur Seite. Die besonders angenehme Atmosphäre an seinem Lehrstuhl hat mir täglich Freude bereitet und nicht zuletzt wesentlich zum Gelingen beigetragen. Aufrichtiger Dank gebührt ihm ferner für die überaus rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Für die vielfältige Unterstützung während des Entstehens der Arbeit möchte ich mich bedanken bei meinen lieben Lehrstuhlmitarbeitern Claudia Lang, Stefan Tratz, Katrin Boos und Christine Alsmann. Heinrich danke ich herzlich fiir die redaktionelle Hilfe bei der Formatierung des Textes bis zur Druckreife. Mein besonders herzlicher Dank gilt aber meiner Mutter, meinem Vater und meinem Bruder Jens, denen ich die Arbeit in liebevoller Verbundenheit widme. Ihre stete Ermunterung und Unterstützung haben mir den nötigen Rückhalt gegeben, das Vorhaben erfolgreich zum Abschluß zu bringen. Dazu haben nicht zuletzt auch die wohlwollend kritischen Anmerkungen und die Korrekturarbeiten meines lieben Vaters beigetragen, der die Dissertation in ihrer Rohfassung vollständig gelesen hat. Aschaffenburg, im Mai 2000

Petra Backsmeier

Inhaltsverzeichnis §1

§2

§3

Einleitung........................................................... ........ ..... .. ...... .. ... .... .............

15

I. Problemüberblick ... ................ ........ ............ ........................... ............ .......

15

II. Erkenntnisinteresse...................................................................................

19

I. Offene Fragen ................ ................. ...................................................

19

2. Besonderheiten des Unterlassungsrechtsschutzes ..............................

24

III. Gang der Untersuchung....... .................. .................... ........... ....................

26

Prozessuale Grundlagen der Unterlassungsklage ......................................

28

I. Der prozeßrechtliche Unterlassungsantrag .......... .....................................

28

I . Erfordernis der konkreten Antragstellung ..........................................

28

2. Beschränkung des Klageantrags auf die konkrete Verletzungshandlung. ..... ... ....... ......... ..... .... ....... ......... ....... ............... ..... ................

29

3. Verhältnis der konkreten Verletzungshandlung zum Bestimmtheitsgebot nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ...................................................

31

a) Bedeutung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO .......................................

31

b) Beispiele aus der Rechtsprechung rur einen tatsächlich unbestimmten Unterlassungsantrag .....................................................

32

c) "Gewisse Verallgemeinerung und konkrete Verletzungsform" ...

34

4. Keine zusätzlichen Anforderungen an die Bestimmtheit umfassender Unterlassungsanträge .........................................................................

35

5. Gefahr der Verlagerung von Befugnissen des Erkenntnisverfahrens in das Vollstreckungsverfahren? ........................................................

38

a) Abgrenzung der Aufgabenbereiche..............................................

38

b) Keine Rechtfertigung einer Beschränkung des Klageantrags..... ..

40

II. Zwischenergebnis.....................................................................................

40

Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs ................

42

I. Dogmatische Einordnung... ....................... ...............................................

42

10

§4

Inhaltsverzeichnis 1. Schutzbereich des Unterlassungsanspruchs...................... ..................

42

2. Zukunftgerichtetheit...........................................................................

43

3. Zum Anspruchsbegriff .......................................................................

44

11. Unterlassungsrechtsschutz als vorbeugender Rechtsschutz......................

46

1. Anspruchsarten..... ..... ........................... ....................... .......................

46

a) Verletzungsunterlassungsklage ....................................................

46

aa)

Unterscheidungsmerkmale.............................................. ... .

46

bb)

Wiederholungsgefahr..........................................................

47

b) Vorbeugende Unterlassungsklage .......... .............................. ........

48

aa)

Begehungsgefahr .. ....... .................. .....................................

48

bb)

Notwendige Erweiterung des Schutzes...............................

50

2. Umgehungshandlungen als "andere Handlungen"? ...........................

52

a) Abgrenzung nach Kembereichen.................................................

52

b) NatUrliche Betrachtungsweise......................................................

55

c) Unbestimmbare Grenzen des Kembereichs .................................

57

111. Eigener Lösungsansatz .. ........ .............. .................. .............. ............ .........

57

I. Abwägung der gegensätzlichen Interessen ...... .......... ................ .........

57

2. Beibehaltung der Trennung, aber Erstreckung der Indizwirkung.......

59

3. Fazit ...................................................................................................

60

Die Kernlehre ................................................................................................

62

I. Zielsetzung................. .......... ................ .............. ......................... .............

62

11. Die Kemlehre im Vollstreckungsverfahren ..............................................

63

I. Die grundlegende Fischermännchen-Entscheidung.................... .... .. ..

63

2. Zwei Thesen...... ..... ............ .............. ......... ......................... ................

65

3. Folgen rur die Rechtspraxis................................................................

65

4. Umfang des Unterlassungstenors bei Tenorierung der konkreten Verletzungshandlung..........................................................................

67

5. Kritik..................................................................................................

68

a) Fehlende Trennung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren ... ... ..... .................... ...... ......... ....... ...... ...... ............ .... .....

68

b) Mangel an Rechtssicherheit .................. ...... ................ .......... .......

70

Inhaltsverzeichnis

II

c) Verstoß gegen Grundsätze der Rechtskraft..................................

71

6. Fazit ...................................................................................................

72

III. Kemlehre im Erkenntnisverfahren ........................ ... .......... ..... .... ...... .......

72

I. Weiterentwicklung der Kemlehre ......................................................

72

2. Erweiterter Verbotsausspruch durch das erkennende Gericht ............

73

3. Kritik..................................................................................................

74

a) Verstoß gegen materielles Recht........................ .......... ........ ........

74

b) Einschränkung der Dispositionsmaxime .. ....................................

76

IV. Verallgemeinernder Klageantrag ..............................................................

77

I. Die "gewisse Verallgemeinerung" nach der Rechtsprechung ............

77

2. Erstreckung der Vermutungswirkung.................................................

78

3. Fazit ...................................................................................................

80

a) Vorsichtige Handhabung..............................................................

80

b) Keine Einheitlichkeit innerhalb der Rechtsprechung ...................

80

§ 5 Der Streitgegenstand....................................................................................

82

I. Grundlagen...... ..... .......... ......... ......... .......................................... ..............

82

I. Problemstellung. ..... ............. ............ ........... ....... ..... ....... ....................

82

2. Entwicklungsstufen. ......... .............. ................................. ........... ........

84

a) Die rein materiell-rechtliche Theorie .................. .........................

84

b) Der zweigliedrige Streitgegenstand ............ ........................ .........

84

c) Weitere Lehrmeinungen...............................................................

85

aa)

Eingliedriger Streitgegenstandsbegriff ...............................

85

bb)

Relativer Streitgegenstandsbegriff.. .................... ................

86

11. Streitgegenstand der Unterlassungsklage .................................................

88

I. Verhältnis zur Kemlehre ................ ...................... .................... ..........

88

a) Sachverhalt als bestimmendes Element .......................................

88

b) Fehlende Gleichwertigkeit von Antrag und Klagegrundlagen .....

89

2. Zweigliedrige Bestimmung ................................................................

91

3. Fazit ...................................................................................................

92

12

Inhaltsverzeichnis

§6

Der unterlassungsrechtliche Globalantrag ........ ......... .............. ..................

93

I. Einruhrung................................................................................................

93

11. Inhalt des umfassenden Unterlassungsbegehrens .....................................

94

1. Behandlung des unterlassungsrechtlichen Globalantrags in der Rechtsprechung..................................................................................

94

a) Klägerisches Begehren.................................................................

94

b) Problemstellung. ............ ....... ................. .................... ..................

95

c) Abkehr vom materiellen Streitgegenstandsbegriff.......................

96

2. Vollumfangliche Unterlassung als Streitgegenstand teilbar ...............

97

3. Fazit ...................................................................................................

98

4. Folgerungen rur die weitere Untersuchung ........................................

99

Das Gebot "Ne ultra petita" .........................................................................

101

I. § 308 Abs. 1 ZPO - Grundlagen und Herleitung ......................................

10 1

1. Einruhrung .........................................................................................

101

a) Bindung des Gerichts auch an die Klagegrundlagen....................

101

b) Dispositionsgrundsatz ..................................................................

103

2. Bedeutung des § 308 Abs. 1 ZPO ...................... ................................

104

3. Das im Klageantrag enthaltene minus................................................

105

4. Abgrenzung von minus und aliud .............. .......... ..............................

107

a) Minus-aliud als minus? ................................................................

107

b) Unterscheidungsmerkmale...........................................................

108

c) Gefahr der Zuerkennung eines echten aliuds ...............................

110

5. Folgerungen rur die weitere Untersuchung im Hinblick auf die umfassende Unterlassungsklage.........................................................

lll

11. Geltung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren.................................

114

1. Problemstellung.... ............ .................... ............................ .................

114

2. Geltungsbereich... .. ......... .............. ............. ....................... .. ... ........ .....

115

3. Der Amtsermittlungsgrundsatz...........................................................

116

§7

a) Modifizierungen im arbeitsrechtlichen Beschlußverfahren .............. 116 aa)

Verhältnis zum Inquisitionsgrundsatz.... ........ ...... ...............

116

Inhaltsverzeichnis bb)

§8

Grenzen der Anwendbarkeit des Gebots "Ne ultra petita", § 308 Abs. I ZPO...............................................................

117

b) Grenzen der Nachweispflicht ........ .................. ......... .... ................

118

c) Fazit / Folgerungen rur die weitere Untersuchung .......................

118

Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungsbandlung.

120

I. Die umfassende Unterlassungsklage ......... ........... ......... ....... ...... ..............

120

II. Die konkrete Verletzungshandlung als minus zum Globalantrag ... ..........

121

1. Problemstellung.. ..... ....... ...................... ......... ....... ......... ............. .......

121

2. Analyse der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung................ ...

122

a) Die Wamstreikentscheidung ........................................................

122

b) Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG.......................................

125

aa)

Vollständige Abweisung trotz rechtswidriger konkreter Verletzungsform ........................ ......... ........... .............. .......

125

Zwingende Teilverurteilung ...............................................

126

III. Formulierung des Urteilstenors ................................................................

127

1. Erstreckung des Tenors auf den Kembereich der drohenden Wiederholungshandlung... .......... ................. ............. ................. .........

127

2. Auswirkungen der Kernlehre auf den Urteilstenor ... ...... .... ...... ..........

129

a) Grundlagen zur Fassung des Urteilstenors ................ ........ ..... ......

129

b) Verbotseinschränkungen durch das Gericht - bisherige Spruchpraxis der Gerichte ............ ........... ....... ... ........ ..............................

130

c) Fassung des Urteilsausspruchs beim teilweise begründeten globalen Unterlassungsantrag ...........................................................

133

Teilverurteilung bei vorliegender Begebungsgefabr ..................................

136

I. Konkreter Nachweis der Begehungsgefahr ............................. ........ ..... ....

136

II. Strenge Anforderungen .......... .......... ......... ......... ..................... ..... ...... ......

137

III. Besonderheiten, die eine Ausnahme rechtfertigen....................................

138

I. Ungeklärte Rechtslage durch nicht kodifiziertes Recht......................

138

2. Unterlassungsrechtsschutz in Rechtsgebieten, die gesetzlich nicht geregelt sind.......................................................................................

140

3. Fazit ...................................................................................................

141

bb)

§9

13

14

Inhaltsverzeichnis IV. Erstellung eines Rechtsgutachtens............................................................

142

1. Unzulässige Rechtsschöpfung? ..........................................................

142

2. Rechtsverweigerungsverbot ...............................................................

143

V. Fazit..........................................................................................................

145

VI. Folgerungen für die weitere Untersuchung...............................................

146

§ 10 Die richterliche Autldärungspflicht nach § 139 ZPO ................................

147

I. Grundlagen........................................................................................ .......

147

11. Hinweisptlicht bezüglich sachgerechter AntragsteIlung und entsprechendem Klagegrund .........................................................................

148

III. Vermeidung von Überraschungsentscheidungen......................................

149

IV. Fazit..... ....... ............... .............. ...... ........... ......... .............. ...... ...................

151

§ 11 Materielle Rechtskraft..................................................................................

152

I. Schutzumfang des Unterlassungstenors....................................................

152

11. Umfang der Rechtskraft............................................................................

153

I. Streitgegenstand als bestimmendes Element......................................

153

2. Kontradiktorisches Gegenteil.............................................................

154

3. Auffassung der Rechtsprechung.........................................................

155

4. Stellungnahme............................ ........... .............................................

158

a) Gleiche Streitgegenstände im Vorprozeß und Folgeprozeß ............. 158 b) Schlüssigkeit der Rechtsprechung? ..............................................

159

c) Rechtskraft bei Zugrundelegung des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs ...............................................................................

160

d) Die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft........................................

161

§ 12 Darstellung der wichtigsten Probleme und Lösungsansätze .....................

163

Literaturverzeichnis...............................................................................................

166

Sachwortverzeichnis ..............................................................................................

174

§ 1 Einleitung I. Problemüberblick Die Unterlassungsklage als das prozessuale Mittel zur Durchsetzung materiell-rechtlicher Unterlassungs ansprüche I gewinnt vermehrt in Rechtsbereichen an Bedeutung, die von Interessensgegensätzen beherrscht sind und in denen die Parteien fiir sich jeweils einen unantastbaren eigenen Handlungsbereich beanspruchen. Sowohl im Zivilrecht als auch im wettbewerbsrechtlichen Streitverfahren sowie im kollektiven Arbeitsrecht2 haben in der Vergangenheit Unterlassungsansprüche eine zentrale Bedeutung erlangt. Als aktuellstes und zugleich spektakulärstes Beispiel mag der über Jahre hinweg ausgetragene Unterlassungsprozeß 3 der beiden Autokonzerne General Motors und VW dienen, in dem um die Unterlassung von planmäßiger Abwerbung von Mitarbeitern des GM-Konzerns gestritten wurde. Durch den Unterlassungsrechtsstreit sollen im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes die Rechtsstellungen geschützt werden, die im geltenden Rechtssystem einen hohen Stellenwert besitzen. Neben sämtlichen sog. absoluten Rechte wie Eigentum, Gesundheit und Leben4 , genießen diesen Schutz auch quasi absolute Rechte wie beispielsweise das Namensrecht oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb5 . Als rechtswissenschaftlich interessant ist dabei insbesondere das Zusammenspiel zwischen materiellem Recht und Prozeßrecht anzusehen, das auf dem vorbeugenden Charakter der Unterlassungsklage beruht. Obwohl die Trennung dieser beiden Maximen im geltenden Zivilrechtssystem geboten ist, begegnen dem Rechtsanwender gerade im Recht der Unterlassungsklage vielfliltige Durchbrechungen dieses Prinzips. Hierbei handelt es sich um Instrumente, die Rechtsqualität des Unterlassungsanspruchs vgl. § 3. Vgl. zu Unterlassungsverfilgungen im Arbeitsrecht, Piehier, S. 63,67,85. 3 OLG Frankfurt, DB 1994, S. 522 fT.; Schrader, DB 1994, S. 2221 ff. 1 Zur

2

4 Medicus, S.460; StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 1 ff., 17 ff.; SteinlJonaslSchumann, ZPO, vor § 253 Rn. 8; MünchKommJMedicus, § 1004 Rn. 6; ErmaniHefermehl, § 1004 Rn.2. 5 MünchKommJMedicus, § 1004 Rn. 4,5,6; ErmanlHefermehl, § 1004 Rn. 5; SteinlJonaslSchumann, ZPO, vor § 253 Rn. 8; StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 15; ErmanlHefermehl, § 1004 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Schilken, § 890 Rn. 6; JauerniglJauernig, BGB, § 1004 1 b; PalandtlBassenge, § 1004 Rn. 2.

16

§ I Einleitung

von der Rechtsprechung zum überwiegenden Teil im Wege richterlicher Rechtsfortbildung aus vielfach prozeßpraktischen Gründen eingeführt worden sind6 • Im Unterlassungsprozeßrecht treten Schwierigkeiten insbesondere im Hinblick auf einen effektiven Präventivrechtsschutz auf. Gerichtliches Handeln soll regelmäßig den Streit, den die Prozeßparteien austragen, ein für allemal endgültig durch einen vollstreckbaren Urteils ausspruch verbindlich regeln 7, damit unnötige Folgeprozesse vennieden werden und der Obsiegende zugleich in die Lage versetzt wird, erkanntes Recht mit Hilfe staatlicher Gewalt im Vollstreckungs wege durchzusetzen. So einleuchtend diese Prozeßmaxime ist, so schwierig gestaltet sie sich in der konkreten Durchsetzung. Der Unterlassungskläger, der womöglich bereits eine Rechtsverletzung hinnehmen mußte, hat ein schutzwürdiges Interesse daran, daß seine Rechtsposition nicht erneut verletzt wird. Daher wird er geneigt sein, sein Unterlassungsbegehren so zu fotmulieren, daß nicht nur die gerügte Verletzungshandlung unter das begehrte Verbot flUlt, sondern auch gleichartige oder ähnliche Handlungen8 . Andernfalls, wenn er nämlich die zu erzielende Unterlassung einer VerIetzungshandlung zu eng faßt, steht zu befürchten, daß der Beklagte das tenorierte enge Verbot durch geringfügige Handlungsabweichungen umgeht, ohne Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein9 • Bei keiner anderen Klageart begegnen sowohl dem Rechtsanwalt als auch dem mit der Sache befaßten Richter derartig große Schwierigkeiten bei der Formulierung des Klagebegehrens bzw. des Urteils spruchs wie bei der Unterlassungsklage lO • Der Kläger sieht sich oftmals nicht in der Lage, bei der Abfassung seines Antrags die richtige Fonnulierung zu finden. Stellt er einen auf eine konkrete Verletzungshandlung beschränkten Antrag, ergeben sich erhebliche Probleme im Hinblick auf die Rechtssicherheit und den Rechtsschutz. Besonders deutlich tritt diese Problematik im Wettbewerbsrecht zutage. Ein Kläger, dessen Schutzrecht bereits durch eine Zuwiderhandlung des

6 Gerade durch die von der Rechtsprechung entwickelten sog. Kemlehre (dazu unten § 4) werden bisweilen die Grenzen zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren verwischt. 7 MünchKomm/Medicus, § 1004 Rn. 80 ff.; StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 194,197, 208, 215 ff.; Oppermann, S.45; Jauernig/Jauernig, BGB, § 1004 I, 2; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 1,2,4,27. 8 Borck, WRP 1979, S. 180. 9 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; Pagenberg, GRUR 1976, S.78, 80; Borck, WRP 1984, S. 583, 586; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,30. 10 Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 216; MünchKomm-ZPOISchilken, § 890 Rn. 7 f; MünchKomm/Medicus, § 1004 Rn. 86;MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; Köhler, NJW 1992, S. 137; Teplitzky in Festschrift rur Oppenhoff, S. 487.

I. Problemüberblick

17

Beklagten tangiert wurde 11, hat ein Interesse daran, mit gerichtlicher Hilfe von weiteren Angriffen verschont zu werden l2 • Zwar wird er regelmäßig erreichen, daß das Gericht die Untersagung der Wiederholung der vorangegangenen rechtswidrigen Verletzungshandlung ausspricht 13. Was aber auf den ersten Blick einen Erfolg darstellt, verkehrt sich spätestens dann ins Gegenteil, wenn der Beklagte mehr oder weniger mutwillig die verbotene Tat durch geringfiigige Handlungsabweichungen zu umgehen versucht l4 • Ab sofort ist der Unterlassungstitel, den der Kläger in den Händen hält, als nahezu wertlos zu betrachten. Der Wortlaut des erreichten Urteils umfaßt die neuerlichen Handlungen nämlich gerade nicht. Ein anschauliches Beispiel fiir diese Problematik liefert das "Sarex-Urteil" des Bundesgerichtshofs l5 : Dort hatte der Kläger, ein Kaufinann, der mit Essig handelte, von dem Beklagten, der als Konkurrent ebenfalls Essighändler war, verlangt, den Vertrieb von Essig unter der Wortmarke "Surex" und unter Verwendung von überwiegend die Farben Griin, Schwarz und Gold aufweisenden Flaschenetiketten zu unterlassen, da er befiirchtete, durch die ähnliche Vermarktung des gegnerischen Essigs eine Wettbewerbsschädigung zu erleiden. Die Parteien schlossen einen Vergleich, in dem es u.a. heißt: ,,1. Der Kläger verzichtet auf die Benutzung des für ihn eingetragenen Warenzeichens "Surex" für sich und Dritte. Der Kläger verzichtet ferner bei seiner Ausstattung auf die Verwendung der Farbe Schwarz, wenn er die Farben Grün und Gold oder Grün und Gelb benutzt.

2.

Die Beklagte erklärt sich damit einverstanden, daß der Kläger für seine Waren, insbesondere Essig und Senf, die Bezeichnung "Sarex" verwendet und daß er sich diese Bezeichnung als Warenzeichen eintragen läßt. Die Beklagte ist ferner damit einverstanden, daß der Kläger für seine Ausstattung die Farbenkombination Grün und Gold oder Grün und Gelb verwendet.

3.

Der Kläger ist damit einverstanden, daß die Beklagte das Warenzeichen "Surex" für sich in die Warenzeichenrolle eintragen läßt..."

11 Eine Unterlassungsklage kann darüber hinaus aber bereits dann erhoben werden, wenn eine erstmalige Rechtsverletzung droht, vgl. PalandtlBassenge, § 1004 Rn. 27; Köhler, NJW 1992, S. 137, 138. 12 Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 81; Borck, WRP 1979, S. 180. Im Hinblick auf die gleichfalls erforderliche konkrete Formulierung des Urteilstenors, vgl. Ritter, S. 48. 13 Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 80. 14 Vgl. die Beispiele bei Pagenberg, GRUR 1976, S.78, 80; Borck, WRP 1979, S. 180,185; ders., WRP 1984, S. 583,586; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,30. 15 BGH GRUR 1958, S. 359 ff.

2 Backsmeier

18

§ I Einleitung

Nach Ablauf einer vereinbarten Aufbrauchsfrist verwendete der Beklagte für den Vertrieb seines Essigs das Wort "Sarex", bei dem der Buchstabe "a" so geschrieben war, daß ein erkennbarer Zwischenraum zwischen dem gebogenen und dem senkrechten Schenkel des "a" blieb. Auf den Flaschenetiketten war als Grundfarbe Hellgrün gewählt, während für die Schrift und die Umrandungslinien, insbesondere ftlr das mit goldumrandeten Buchstaben gedruckte Wort "Sarex", Dunkelgrün verwendet wurde. Die Klägerin beftlrchtete nun, infolge der offenen Schreibweise des "a" würde das Wort "Sarex" als "Surex" gelesen. Ebenfalls verstieße der Beklagte ihrer Auffassung nach damit gegen den Vergleich, daß er in den Etiketten die Farbe Dunkelgrün verwendet habe. Dieses erscheine vielmehr schwarz. Die Klägerin erhob daraufhin Unterlassungsklage. Der Beklagte bestritt, gegen den Prozeßvergleich verstoßen zu haben, da dieser ihm nicht vorschreibe, wie er das "a" zu gestalten und das Grün abzustufen habe. Das LG hat den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, Essig feilzuhalten, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, der gekennzeichnet ist a) durch das Wort "Sarex", bei dem der Buchstabe "a" so geschrieben ist, daß ein erkennbarer Zwischenraum zwischen dem gebogenen Schenkel des "a" mit dem senkrechten Schenkel des "a" bleibt, b) durch die Verwendung einer Farbkombination, die scheinbar aus den Farben Grün-Gold-Schwarz besteht. Das daraufhin angerufene Berufungsgericht hat die Unterlassungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Die gegen die Abweisung des Unterlassungsbegehrens eingelegte Anschlußrevision der Klägerin hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof war der Ansicht, daß der Prozeßvergleich sehr wohl dem Beklagten auch die Benutzung des streitgegenständlichen Warenzeichens verbiete. Da es zudem der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für diese endgültige KlarsteIlung der Unterlassungspflicht gleichzeitig nicht absprechen konnte (der Beklagte hatte in allen Instanzen mit Nachdruck sein Recht zur Verwendung der beanstandeten Handlungen behauptet), war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Beklagte entsprechend der ursprünglichen Fassung des Klageantrags zu verurteilen. Hier wird deutlich, welchen Problemen sich Antragsteller und Gericht bei der Formulierung des Unterlassungsbegehrens, eines Prozeßvergleichs oder des Urteilsausspruchs gegenübersehen. Nicht zuletzt berührt somit die Frage der Antrags- und Urteilsformulierung entscheidend auch die Frage der Rechtssicherheit und Rechtskraft. Die angeftlhrten Problempunkte zeigen, daß der Unterlassungsrechtsschutz nahezu in jedem Stadium des Prozesses bis hin zur Vollstreckung besondere

II. Erkenntnisinteresse

19

Schwierigkeiten aufwirft. Ein Anliegen dieser Bearbeitung ist, sich unter Beachtung der prozeßrechtlichen und materiellen Grundsätze dem Ziel des effektiven Unterlassungsrechtsschutzes zu nähern. In einigen Bereichen haben sich bereits, u.a. durch Entwicklung neuer Modelle, Verbesserungen im Unterlassungsrechtssystem durchgesetzt. Insbesondere haben sich Rechtsprechung und Literatur bereits eingehend mit der Problematik befaßt, wie die beklagte und unterlegene Partei den Urteilstitel nicht bereits durch eine geringfUgige Abweichung vom vorgeschriebenen Handlungsverbot zu umgehen vermag l6 . Breiten Raum nimmt ebenfalls die Auseinandersetzung mit Problemen bei der Auswahl der Unterlassungsformel ein l7 •

11. Erkenntnisinteresse 1. Offene Fragen

Dem in seinen Rechten verletzten Unterlassungsgläubiger obliegt es, einen Klageantrag dergestalt zu stellen, daß eine möglichst umfassende Verurteilung des Unterlassungsbeklagten gewährleistet ise s. Nicht möglich ist es jedoch, eine Verurteilung zu erreichen, in der dem Beklagten sämtliche Zuwiderhandlungen gegen ein bestimmtes Schutzrecht verboten werden, indem quasi der Gesetzeswortlaut wiederholt wird l9 . Obwohl die Rechtsprechung seit geraumer Zeit versucht, mit der Entwicklung der sog. Kernlehre 20 den Rechtsschutz zugunsten des Gläubigers zu verbessern, steht der Kläger nach wie vor vor der schwierigen Aufgabe, die zu unterlassenden Handlungen erstmalig in seiner Antragsschrift zu formulieren. Zu Unwägbarkeiten fUhrt hier insbesondere die Tatsache, daß Gegenstand des

16 Brückmann, WRP 1983, S.656; MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; MünchKomm-ZPOISchilken, § 890 Rn. 7; StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 216 ff.; BGHZ 5, S.189, 190 ff., "Fischermännchen"; BGH GRUR 1954, S.70, 71, .,Rohrbogenwerk GmbH"; OLG Frankfurt WRP 1978, S. 828, 829 = GRUR 1979, S. 75, = GRUR 1979, S. 75, "Lila Umkarton"; aus der neueren Rechtsprechung BGH WRP 1989, S. 343 f. I7 StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 217; MünchKomm-ZPOISchilken, § 890 Rn. 7; MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; Oppermann, S. 132. 18 Der Unterlassungsgläubiger muß den gerichtlichen Urteilsausspruch im Idealfall vorhersehen, Melissinos, S. 153. 19 Pagenberg, GRUR 1976, S.78, 81; MünchKomm-ZPO/Schilken, § 890 Rn. 7; SteinlJonaslMünzberg, ZPO, § 890 Rn. 9; differenzierend Melullis, Handbuch, S. ) 86; ebenso BGH GRUR 1989, S. 115, 116, "Mietwagenmitfahrt". 20 V gl. dazu unten § 4.

20

§ I Einleitung

Unterlassungsprozesses immer die zukünftige Handlung21 ist, so daß der Verletzte fiir einen erfolgversprechenden Klageantrag idealerweise die Rechtsverletzungen des Beklagten22 und letztlich den Urteilsausspruch23 vorhersehen muß. Da ihm das regelmäßig nicht gelingen wird, bleibt ihm nur die Auswahl zwischen einer engen oder weiten Antragsfassung, wobei beide Alternativen erhebliche Risiken in sich bergen. Losgelöst von der Frage der rechtlichen Zulässigkeit bieten sich dem Unterlassungsgläubiger theoretisch lediglich zwei Alternativen an, mit deren Hilfe ein möglichst weitgehender Rechtsschutz denkbar erscheint. 1. Der Gläubiger kann - wie von der Rechtsprechung gefordert - einen Unterlassungsantrag mit mehreren kumulativen Hilfsanträgen stellen, um mit möglichst vielen zu obsiegen 24 • Dies wird im Unterlassungsrechtsschutz bereits praktizierrs. Die Formulierungsschwierigkeiten, die dem Kläger in dieser ersten Alternative begegnen, sind, wie unschwer zu erkennen ist, allerdings regelmäßig so gewaltig, daß von einer effektiven Rechtsverfolgung kaum noch die Rede sein kann. Die beanstandete Rechtsverletzung zu beschreiben erscheint einfach, geht es aber darum, sich zukünftige Handlungsabwandlungen auszudenken, offenbaren sich unzählige Möglichkeiten der Formulierung. Aber nicht nur, daß der Verletzte die Zuwiderhandlungen des Gegners vorhersehen muß, auch die zu erwartende gerichtliche Entscheidung erweist sich als unsicher. Je weiter sich der hilfsweise Klageantrag nämlich von der gerügten Rechtsverletzung entfernt, desto größer ist rur den Kläger die Gefahr, aus Gründen des materiellen Rechts 26 mit seinem Klagebegehren abgewiesen zu werden. Sicherlich hat auch das Gericht die Pflicht, den Prozeßverlauf zu fördern, nicht zuletzt aus Gründen der Prozeßökonomie und der gesetzlich normierten richterlichen Hinweispflicht aus § 139 ZP0 27 , eine Entbehrlichkeit des klägerischen Antrags wird sich daraus allerdings nicht ergeben.

21 Henekel, AcP 174 (1974), S.97, 99; MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; MÜRchKommlMedieus, § 1004 Rn. 80; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 193; ErmaniHefermehl, § 1004 Rn. 27. 22 Baur, JZ 1966, S. 381 tT.; Schubert ZZP 85 (1972), S. 29,30. 23 Melullis, Handbuch, S. 175 ff. 24 So offenbar Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 674. 25 Vgl. dazu Borek, WRP 1979, S. 180,184. 26 Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs unten § 3. 27 Dazu unten § 10.

11. Erkenntnisinteresse

21

2. Der Kläger mag einen umfassenden Unterlassungsantrag stellen, in der Hoffnung, zumindest einen Teilunterlassungsanspruch zugesprochen zu erhalten.

Führt man sich die angesprochenen Schwierigkeiten vor Augen, präsentiert sich diese zweite Alternative offenbar als Ausweg aus diesem Dilemma. Hier wird die beanstandete Verletzungshandlung so weit verallgemeinert28 , daß sämtliche damit in Beziehung zu setzenden Handlungen als von dem Klageantrag umfaßt erscheinen. Hier beginnen die Schwierigkeiten. Derjenige, der eine Zahlungsklage erhebt, ohne sich über die genaue Höhe seines tatsächlichen Anspruchs im klaren zu sein, kann ruhigen Gewissens den seiner Auffassung nach weitesten Antrag stellen. Das Gericht wird ihm jedenfalls unter Klageabweisung im übrigen so viel zusprechen, wie von Rechts wegen gedeckt ist. Vergleicht man diese rechtliche Behandlung mit dem Schicksal eines urnfassenden Unterlassungsantrags, so müßte man auch hier davon ausgehen, daß es für dessen Begrundetheit allein darauf ankommt, inwieweit der Anspruch dem Kläger sachlich-rechtlich zusteht. Dies ist allerdings in der Rechtspraxis nicht der Fall. Eine teilweise Klagezusprechung existiert bei einem umfassend formulierten Unterlassungsantrag nicht. Zwar wird vielfach von der "Gefahr der teilweisen Klageabweisung bei einem zu weit gefaßten Antrag,,29 gesprochen. Bei näherer Betrachtung offenbart sich jedoch, daß einem Unterlassungsantrag bisher ausschließlich dann teilweise stattgegeben worden ist, wenn der Kläger sein Klagebegehren mit Hilfe von Hilfsanträgen konkretisiert hat. Sah das Gericht einen Hauptunterlassungsantrag als unbegründet an, hielt es aber einen der formulierten Hilfsanträge für erfolgreich, sprach es das hilfsweise vorgebrachte Unterlassungsbegehren zu und wies die Klage im übrigen ab 30 • Auch diese Alternative erweist sich demnach, wie angedeutet, als Strohfeuer. Dem Globalantrag ist nämlich nur dann Erfolg beschieden, wenn für sämtliche denkbaren Fallgestaltungen, die vom globalen Klageantrag umfaßt sind, ein Unterlassungsanspruch bestehe!. Unterlassungskläger, die aufgrund einer begangenen Verletzungshandlung weitreichende Rechtsverletzungen befürchten und aufgrund dessen einen umfassenden Unterlassungsantrag stellen, werden bislang mit ihrem Klageantrag in vollem Umfang abgewiesen, wenn

28 Ob ein globaler Unterlassungsantrag eine weitgehende Verallgemeinerung darstellt, wird im Schrifttum allerdings zum Teil bestritten, vgl. Pastor, S. 677. 29 Oppermann. Ein\. S. XIV; Melul/is, Handbuch, S. 186; BaumbachiHefermehl. Ein\. UWG Rn. 267 ff.; Borck, WRP 1979, S. 180, 183; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 665,666; Teplitzky in Festschrift für Oppenhoff, S. 487,489. 30 Borck, WRP 1979, S. 180,183,184. 31 Vg\. auch GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 81 Rn. 9.

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§ 1 Einleitung

nicht sämtliche unter den Klageantrag zu fassenden Handlungsvarianten materiell-rechtlich vom Anspruch umfaßt sind. Sollte nur eine vom Gläubiger zu Umecht als rechtswidrig angesehene Handlung nicht vom materiellen Unterlassungsanspruch umfaßt sein, wird die gesamte Klage abgewiesen 32 . Inwieweit das Gericht befugt ist, einen umfassenden Unterlassungsantrag zum Teil zuzusprechen, wenn es der Auffassung ist, der Klageantrag sei zu weit ge faßt, ist bislang nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung gewesen33 . So wird die Frage nach einer zumindest teilweise erfolgreichen Klageerhebung, wenn wenigstens einzelne Verletzungshandlungen dem Verbot unterfallen, regelmäßig ignoriert34 . Offensichtlich wurde diese Rechtsansicht bei der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit verhandlungsbegleitender Warnstreiks in der Form der "Neuen Beweglichkeit,,3s. Dort hatten die Klägerinnen in Ziffer 4 ihrer Klage beantragt, der Beklagten zu untersagen, a) die bei den Klägerinnen beschäftigten Arbeitnehmer während noch laufender Tarifverhandlungen oder eines sich gegebenenfalls anschließenden

Vgl. LG München WRP 1978, S. 571 ff.; BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972. Will der Unterlassungskläger, der eine umfassende Unterlassungsklage anhängig macht, bei nicht vollständiger Begründetheit zumindest im Hinblick auf konkrete Einzelhandlungen eine Verurteilung erreichen, muß er nach der bislang geltenden Rechtsprechung dementsprechend viele und konkretisierte Hilfsanträge stellen, vgl. dazu auch Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S.674, der dazu als Begründung anfilhrt, das Gericht müsse nicht davon ausgehen, daß der Kläger auch die Verurteilung zu einem minus begehre. Dies zeigt, daß auch die rechtspraktischen Auswirkungen, die diese Fragestellung mit sich bringt, von einiger Erheblichkeit sind. Der Gläubiger wird damit nämlich gezwungen, mehr und mehr Hilfsanträge zu stellen, um nicht Gefahr zu laufen, mit der Klage vollständig abgewiesen zu werden. 34 Diese bislang unbeachtet gebliebene Problematik hat Loritz in ZfA 1985, S. 185, 208, 209, aufgeworfen. Zustimmend Seiter, Anmerkung zu BAG AP Nr. 54 zu Art. 9 Arbeitskampf. Trotz der dortigen berechtigten Kritik an der rechtlichen Behandlung der Globalanträge änderte das Bundesarbeitsgericht auch in der Folgezeit seine Rechtsprechung nicht, vgl. BAG AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = SAE 1988, S. 184, 188 mit Anmerkung Loritz; BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972 = EzA Nr. 67 zu § 40 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG EzA Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 = AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = SAE 1993, S. 352 ff.; BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 mit Anmerkung Raab = SAE 1995, S. 93 ff. 35 BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = DB 1984, S. 2564 = BAG SAE 1985, S. 43. Das Bundesarbeitsgericht hat die in diesem Urteil zur Zulässigkeit von Warnstreiks in der Form der "Neuen Beweglichkeit" vertretene Rechtsauffassung mit Entscheidung vom 21. Juni 1988, BAG AP Nr. 108 zu Art. 9 GG Arbeitskampf revidiert. Für die hier interessierende rein prozeßrechtliche Untersuchung ergeben sich daraus allerdings keine Auswirkungen. 32 33

II. Erkenntnisinteresse

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Schlichtungsverfahrens zur Arbeitsniederlegung aufzurufen und einen Arbeitskampf zu führen, b) die Auszubildenden in den Unternehmen der Klägerinnen überhaupt zur Teilnahme an Arbeitskämpfen aufzurufen. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Klageantrag in vollem Umfang als unbegründet abgewiesen, obwohl es gleichzeitig ausfUhrte, daß keineswegs alle Kampftaktiken der Gewerkschaft gebilligt werden müßten. Es war vielmehr der Ansicht, daß eine so weitgehende Unterlassungspflicht, mit der solche Kampfformen schlechthin verboten werden sollten, nicht bestehe und die Klage, die gerade auf jegliche künftige Unterlassung ginge, deshalb in vollem Umfang abgewiesen werden müsse. Eine genaue Auskunft darüber, was nach Ansicht des Gerichts noch zu den zulässigen Kampfformen der Gewerkschaft gehören sollte und wo die Grenze zur Zulässigkeit verlaufe, gab der Senat jedoch nicht. Die beanstandete Verletzungshandlung jedenfalls, der Warnstreik in Form der "Neuen Beweglichkeit", verletze, so das Bundesarbeitsgericht, jedenfalls nicht die Verhandlungsparität und sei somit als zulässig anzusehen. An dieser Stelle soll, ohne daß sich zugleich eine rechtliche Wertung anschließen soll, darauf hingewiesen werden, daß das Gericht in der Warnstreikentscheidung die konkret gerügte Rechtsverletzung, nämlich den vollzogenen Warnstreik in Form der Neuen Beweglichkeit, als rechtswidrig qualifiziert hat. Dies wird, wie sich später zeigen wird, im Hinblick auf den zu fallenden Urteilsspruch von Bedeutung sein. Insoweit kann dem Gericht nämlich nicht angelastet werden, es hätte mindestens aber doch die Wiederholungshandlung im Urteilsausspruch untersagen müssen36 • Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum es dem Gericht nicht möglich war, diejenigen Kampfformen, die von den Klägerinnen nicht gebilligt werden müssen, zu umschreiben, die Klage somit diesbezüglich zuzusprechen und nur im übrigen abzuweisen. Obwohl das Gericht offenbar bei seiner Entscheidung bereits Vorstellungen von unzulässigen Streiktaktiken hatte, sah es sich an einem dementsprechenden Urteilsausspruch gehindert. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nach dieser Warnstreikentscheidung wiederholt mit einem umfassenden Klageantrag einer Unterlassungs- 37 , Duldungs- 38 bzw. Feststellungsklage39 auseinanderzusetzen, wobei es regel36

Dazu § 8 11 2.a).

BAG AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972. 38 BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972 = EzA Nr. 67 zu § 40 BetrVG 1972. 39 BAG AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = SAE 1988, S. 184 ff.; BAG EzA Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 = AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = SAE 1993, S. 352 ff. 37

§ 1 Einleitung

24

mäßig dem dort gefundenen Ergebnis folgte und die Globalanträge in vollem Umfang abwies. Auffallend ist dabei, daß es in diesen Entscheidungen regelmäßig auf "ständige Rechtsprechung" zu der Problematik verweist, ohne jedoch die Problematik in den jeweiligen Entscheidungsgründen dogmatisch aufzuarbeiten. Anders als in der Warnstreikentscheidung hat sich in einigen der genannten Folgeentscheidungen die konkret gerügte Rechtsverletzung allerdings tatsächlich als rechtswidrig erwiesen, ohne daß die damit befaßten Senate von ihrer Rechtsansicht abwichen. In einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 199440 erwies sich die konkrete Verletzungshandlung (Änderung von Zulagen ohne Mitbestimmung des Betriebsrats) auch nach Auffassung des Senats als rechtswidrig, dennoch wies es den globalen Unterlassungsantrag ab, da "der Antrag des Betriebsrats (aber) nicht nur auf künftige Unterlassung solcher Tatbestände ... " gerichtet sei. Er umfasse vielmehr die Unterlassung jeglicher einseitiger Änderungen des Zulagensystems. Ein derartiger Antrag sei aber nur gerechtfertigt, wenn jede künftig denkbare einseitige Änderung der Zulage rnitbestimmungspflichtig wäre, was vorliegend abzulehnen sei. Es drängt sich die Frage auf, ob dort trotz des Globalantrags eine Teilverurteilung nicht wenigstens im Hinblick auf die Identische Wiederholungshandlung zwingend erfolgen mußte 41 •

2. Besonderheiten des Unterlassungsrechtsschutzes Aus der Sicht der rechtssuchenden Parteien stellt sich angesichts dieses Beispielsfalls, auf den im Laufe dieser Abhandlung noch mehrfach einzugehen sein wird, die Rechtspraxis zur Unterlassungsklage als äußerst mißlich dar. Nicht nur, daß die Rechtsauffassung des Gerichts ohnehin schwer prognostizierbar ist und von einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen geprägt ist. Schwierigkeiten ergeben sich vor allem in den Rechtsbereichen, in denen das materielle Recht bislang nur unzureichend kodifIziert ist. Der Unterlassungsberechtigte, der gerichtlichen Rechtsschutz sucht, müßte in diesen Rechtsgebieten durch ein konkretes Unterlassungsbegebren eine Entscheidung des Gerichts vorhersehen, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung getroffen wird und damit überhaupt erst geltendes Recht schafft42 .

BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93, 98, 99. Dazu ausfilhrlich unten § 8. 42 Loritz, Anmerkung zu BAG SAE 1988, S. 184, 187, 188; Seiter, Anmerkung zu BAG AP NT. 54 zu Art. 9 GG ATbeitskampf. 40 4\

11. Erkenntnisinteresse

25

Gerade im Bereich des Arbeitsrechts, in dem die Unterlassungsklage wegen sich zuspitzender Interessenskonflikte zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind weite Bereiche nicht gesetzlich geregelt. In der Warnstreikentscheidung43 oblag den Klägerinnen die schwierige Aufgabe, im Prozeß ein möglichst weitreichendes Verbot von neuen, ihrer Auffassung nach die Verhandlungsparität rechtswidrig belastenden Formen des Warnstreiks zu erzielen, ohne jedoch abschließend Gewißheit darüber zu erlangen, was als noch zulässig oder bereits schon als unzulässig anzusehen ist. Gesetzliche Regelungen existieren in diesem Zusammenhang nicht, vielmehr ist das Streikrecht geprägt von Entscheidungen, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ergangen sind44 • Die betroffenen Klägerinnen sahen sich nun mit folgendem Dilemma konfrontiert: Auf der einen Seite waren sie der Auffassung, daß bereits der durchgefiihrte Warnstreik in Form der "Neuen Beweglichkeit" ihr Schutzrecht verletze. Die deswegen angestrengte Klage, mit der sie zuvorderst die Untersagung der Wiederholung der konkreten Handlung erreichen wollten, reichte aber nicht aus, um ausreichenden Rechtsschutz zu gewährleisten. Sie befiirchteten nämlich darüber hinaus, daß der Verletzer durch weitere Handlungsabwandlungen des Streiks die Grenze zur Unzulässigkeit überschreitet. Damit auch diese Handlungsvarianten von einem Urteilsausspruch urnfaßt werden, war es naturgemäß das Interesse der Klägerinnen, auch diese mit in den Prozeß einzubeziehen, da ihnen nicht zugemutet werden konnte, so lange abzuwarten, bis eine derartige neuerliche Verletzung tatsächlich auch eintritt45 . Da die Klägerinnen weder wußten, welche Streikhandlungen im Einzelfall bevorstanden, noch welche dieser Handlungen vom grundgesetzlich garantierten Streikrecht nach Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt waren, insbesondere aber, wo die Grenze zwischen Zulässigkeit und Unzulässigkeit verläuft, erscheint es verständlich, daß sie eine Unterlassungsklage auf Untersagung sämtlicher Warnstreikhandlungen erhoben in der vergeblichen Erwartung, das Gericht werde in seiner Entscheidung die Grenzen der Zulässigkeit von Streikhandlungen in abstrakter Form46 aufzeigen und die Klage nur im übrigen als unbegründet abweisen.

Ausführlich unten § 9 lll. Adomeit, NJW 1984, S. 773; Smid, S. 74 f.; Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 140. 45 Diesem Rechtsgedanken entspringt auch die materiell-rechtliche Begehungsgefahr. Kann der Kläger geltend machen, daß ihm eine Verletzung seines Schutzrechts bevorsteht, braucht er die Verletzung nicht erst abzuwarten, sondern kann sofort Unterlassungsklage erheben. 46 Seiter, Anmerkung zu BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG, geht sogar so weit, eine Verpflichtung des Gerichts zur Aufstellung konkreter Wamstreikgrenzen auszusprechen. 43

44

26

§ I Einleitung

Auch wenn die bisherige Rechtsprechung zum Unterlassungs anspruch regelmäßig bemüht ist, eine Verbesserung des Rechtsschutzes im Unterlassungsrecht anzumahnen, werden die Schutzbedürftigen, die Berechtigten des Unterlassungsanspruchs, hier von der Rechtsprechung allein gelassen. Dadurch, daß die Gerichte selbst in diesen Fällen, in denen die Rechtslage keineswegs eindeutig ist, von den Antragstellern quasi hellseherische Fähigkeiten47 verlangen, beschneiden sie einem Berechtigten, der umfassenden Rechtsschutz begehrt, die gerichtliche Hilfe massiv. Ein Anliegen wird es daher sein, auch diesbezüglich eine sachgerechte Lösung anzubieten.

III. Gang der Untersuchung Es empfiehlt sich, die Problematik zunächst losgelöst vom konkreten Sachverhalt anzugehen. Ausgangspunkt dieser Untersuchung wird die Rechtsnatur der Unterlassungsklage sein. Da bei zahlreichen Gesichtspunkten, die den Problemkreis um die umfassenden Unterlassungsklage und ihre rechtliche Behandlung im Prozeß berühren, auf Basisprobleme des Unterlassungsrechtsschutzes zurückgegriffen werden muß, beschäftigt sich der erste Teil der Abhandlung mit den Grundlagen des Unterlassungsanspruchs. Auf prozessualer Ebene treten vorab zu klärende interessante Fragestellungen im Hinblick auf die Formulierung des Unterlassungsantrags auf, insbesondere, inwieweit ein Globalantrag wirksam den prozeßrechtlichen Klageumfang bestimmen kann (§ 2). Es ist zu erwarten, daß die wesentlichen Elemente zur Erforschung dieses Rechtsbereichs gerade im Spannungsverhältnis zwischen materiellem und prozessualem Recht zu finden sind. Den materiell-rechtlichen Beeinträchtigungsgefahren, die sodann (§ 3) Gegenstand der Untersuchung sind, kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Da Konsens innerhalb der Rechtsprechung herrscht, daß grundsätzlich nur die "konkrete Verletzungshandlung" zu untersagen ist, ist ein effektiverer Schutz nur aufgrund der gleichzeitig entwickelten Rechtsprechung zur Kernlehre zu erreichen. Die Auseinandersetzung mit dieser Theorie (§ 4) wird insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit prozeßrechtlichen Maximen geführt werden. Zur Vorbereitung der Frage, inwieweit das Gericht einen Teilanspruch in seiner Tenorierung zu berücksichtigen hat, tritt, wie oft in der prozessualen Forschung, insbesondere auch die Frage des Streitgegenstands in den Mittel47 So Seifer in Anmerkung zur Warnstreikentscheidung in AP Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

III. Gang der Untersuchung

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punkt der Untersuchung. Sehr viel deutlicher als bei den übrigen Klagearten bildet er den entscheidenden Schnittpunkt zwischen materiellem und prozessualem Recht (§ 5). Den Schwerpunkt des zweiten Teils bildet die Untersuchung, ob und inwieweit dem Kläger eines unterlassungsrechtlichen Globalantrags ein Teilerfolg seiner Klage beschieden werden kann. Nach einer Analyse über den Inhalt des unterlassungsrechtlichen Globalantrags und dessen Behandlung innerhalb der Rechtsprechung (§ 6) erfordert besondere Aufmerksamkeit das prozeßrechtliche Gebot "Ne ultra petita" gemäß § 308 Abs. 1 ZPO (§ 7), das nicht nur ein Verbot zur Einhaltung der Grenzen des klägerischen Antrags beinhaltet, sondern auch ein Gebot zur Teilverurteilung enthält. Unter Berücksichtigung sämtlicher bisher angesprochener Aspekte wird schließlich die Frage zu beantworten sein, unter welchen Voraussetzungen dem Kläger eines umfassenden Unterlassungs antrags ein Teilanspruch zuzusprechen ist und wie ein entsprechender Urteilstenor zu formulieren wäre (§ 8, § 9). In den Fällen, in denen dem Kläger durch das Gesetz, das an die Begründetheit eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs besondere Anforderungen stellt, aus materiell-rechtlichen Gründen der begehrte Rechtsschutz zu versagen ist, rückt im Unterlassungsprozeß die richterliche Aufklärungspflicht des § 139 ZPO (§ 10) in den Vordergrund. Den Schluß bildet eine Analyse über die Auswirkungen der verschiedenartigen Behandlungen des Globalantrags auf die materielle Rechtskraft (§ 11).

§ 2 Prozessuale Grundlagen der Unterlassungsklage I. Der prozeßrechtliche Unterlassungsantrag 1. Erfordernis der konkreten AntragsteIlung

Der Unterlassungsantrag als Kernstück eines jeglichen Unterlassungsprozesses I bereitet dem beantragenden Rechtsanwalt im Unterlassungsprozeß große Schwierigkeiten. Die Probleme, die sich seit jeher im Zusammenhang mit der richtigen Formulierung ergeben, resultieren daraus, daß es regelmäßig schwierig ist, ein Unterlassungsverlangen in eine Form zu bringen, die dem Verletzten ausreichenden Schutz vor zukünftigen Rechtsverletzungen gibt, andererseits aber den Beklagten nicht in unzumutbarer Weise in seiner Handlungsfreiheit beschränkt2. Nur dann, so die Diktion in Rechtsprechung und Schrifttum, wenn die zu unterlassenden Handlungen inhaltlich und sprachlich richtig umschrieben werden, kann der Kläger ausreichenden Rechtsschutz erwarten3 . Unterlassungsklagen sind regelmäßig auf die Unterlassung der Wiederholung einer ganz bestimmten bereits geschehenen Handlung gerichtet, die von Seiten des Unterlassungs gläubigers als Verletzung empfunden wurde. Diese Handlung, die in der Regel daher auch "konkrete Verletzungshandlung,,4 genannt wird, veraniaßt den Kläger zum gerichtlichen Einschreiten. Allerdings möchte er durch das gerichtliche Verbot nicht nur erreichen, daß die identische

Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 663,664 f. Vgl. Teplitzky, WRP 1990, S. 26 ff.; Brückmann, WRP 1983, S. 656; Pastor, Der Unterlassungsprozeß, S. 664. 3 Vgl. Teplitzky in Festschrift für Oppenhoff, S. 487,489 mwN. 4 Schubert, ZZP 85(1972), S. 29, 31; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 665; Borck, WRP 1979, S. 180, 181. Zur Begriffsdefinition: Im nachfolgenden wird als konkrete Verletzungshandlung die Handlung bezeichnet, die in der Vergangenheit den Verletzungsverstoß ausgelöst hat, vgl. u.a. auch Kramer, S. 35. Ein Verbotsurteil, das sich auf die sog. "konkrete Verletzungsform" erstreckt, umfaßt sämtliche Zuwiderhandlungen, die im Kern der ursprünglichen Verletzung entsprechen, Nirk/Kurtze, GRUR 1980, S. 645, 647 ff. Diese Definition wird allerdings nicht einheitlich verwandt, vgl. insoweit die unterschiedliche, aber in sich schlüssige Begriffswahl bei Teplitzky in Festschrift für Oppenhoff, S. 487 ff. Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 666,667 f., bezeichnet auch diejenigen Handlungen als konkrete Verletzungshandlungen, deren erstmalige Begehung befürchtet werden muß. I

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I. Der prozeßrechtliche Unterlassungsantrag

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Schutzrechtsverletzung fiir die Zukunft unterbleibt. Vielmehr ist er in der Regel auch daran interessiert, durch das erstrebte Urteil ähnliche Handlungen5 verbieten zu lassen, die ebenfalls sein Schutzrecht tangieren. Dieses Anliegen, das insbesondere bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen eine entscheidende Rolle spielt, erklärt sich daraus, daß es außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegt, daß sich völlig identische Verletzungshandlungen wiederholen6 • An einer möglichst engen Verbotsfassung hat andererseits aber der Beklagte ein Interesse. Werden ihm mit dem Unterlassungsurteil spezifische Handlungen untersagt, wird er dem Kläger, gerade wenn es um wirtschaftliche Stellungen geht, das Feld keineswegs gänzlich überlassen 7• Er wird vielmehr die Einschränkung seines Wirkungsbereiches als Einmischung in seine unternehmerische Freiheit empfinden und versuchen, durch zum Teil minimale Abweichungen den Verbotstenor zu umgehen, um seine eigenen Interessen nach wie vor optimal durchzusetzen8 • Macht der Kläger nun aber lediglich die konkret begangene Verletzungshandlung zum Gegenstand des Unterlassungsprozesses, ergibt sich daraus die Konsequenz, daß der Schuldner einerseits zwar in Zukunft die Wiederholung der identische Handlung vermeiden muß, daß andererseits aber jede auch noch so feine Abwandlung jedoch nicht unter das tenorierte Verbot fiUIt. Je konkreter somit der Unterlassungsantrag und dementsprechend auch das. tenorierte Unterlassungsgebot gefaßt sind, desto enger gestaltet sich der Schutzumfang des Urteils rur den Gläubiger9 •

2. Beschränkung des Klageantrags auf die konkrete Verletzungshandlung Die aufgezeigten Schwierigkeiten liegen offensichtlich in erster Linie in der besonderen Natur der Unterlassungsklage als Unterart der im vorbeugenden Rechtsschutz lO beheimateten LeistungsklageIl begründet. Während sich bei einem Anspruch auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrages das geforderte Begehren des Klägers eindeutig bestimmen läßt, weil der Kläger selbst weiß, 5 MünchKomm-ZPO/Lüke, § 253 Rn. 133; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29, 31. Diese Handlungen werden im folgenden als Umgehungshandlungen bezeichnet. 6 Dazu schon RG GRUR 1936, S. 885, 889, "Fahrradreifen"; Oppermann, S. 45 f. 7 Oppermann, S. 45; Borck, WRP 1979, S. 180, 185. 8 Dieser "Umgehungsversuch" erfolgt nicht zwingend aus einer entsprechend feindlichen Gesinnung der anderen Partei gegenüber, sondern ist vielmehr Ausfluß des normalen und oftmals erforderlichen untemehmerischen Egoismus'. 9 Borck, WRP 1969, S. 49, 53. 10 Kugelberg, S. 3; Larenz/Canaris, Schuldrecht Besonderer Teil II/2, § 87 I I, S.705. 11 Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29.

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§ 2 Prozessuale Grundlagen der Unterlassungsklage

welche Rechtsfolge er begehrt und wie er sie erreicht, ist der Unterlassungskläger nicht in der Lage, sämtliche in der Zukunft drohenden Spielarten einer erneuten Verletzungshandlung seitens des Beklagten zu umschreiben. Klarheit besteht hier vielmehr nur in bezug auf das Ziel, die Gewährleistung möglichst umfassenden Schutzes, nicht aber den Weg dorthin. Unabhängig davon, ob der Kläger überhaupt materiell-rechtlich ein über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehendes Verbot durchzusetzen vermag, ist zunächst von entscheidender Bedeutung, daß die Rechtsprechung im Hinblick auf die Konkretisierung des Klageantrags zusätzliche Beschränkungen aufgestellt hat, indem sie eine Verknüpfung zwischen der "konkreten Verletzungshandlung" und dem prozessualen Bestirnmtheitsgebot herstellt 12. Es existiert ein gewohnheitsrechtlicher Grundsatz, der besagt, der Unterlassungsantrag 13 habe sich grundsätzlich auf die konkrete Verletzungshandlung zu beschränken, zumindest aber die konkrete Verletzungsforrn zu bezeichnen 14, andernfalls sei bereits der Klageantrag zu unbestirnmt l5 • Als Begründung wird angeführt, ein Unterlassungstenor, der über eine bereits begangene oder unmittelbar bevorstehende Handlung hinausginge, sei nicht vollstreckungsfiihig, da Handlungen vom Verbot mit umfaßt würden, die nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gewesen seien. Insofern würden Befugnisse des Erkenntnisgerichts unzulässigerweise auf das Vollstreckungsgericht übertragen 16. Der Beklagte habe sich deswegen im Verbotsverfahren auch bezüglich dieser erweiterten Handlungen nicht umfassend verteidigen können.

12 BGH GRUR 1958, S. 346, 350, "Spitzenmuster"; BGH GRUR 1963, S. 218, 220, "Mampe Halb und Halb 11"; BGH NJW 1980, S. 700, 701 = GRUR 1979, S. 859, 860, "Hausverbot 11"; BGH GRUR 1984, S. 593, 594, "adidas Sportartikel"; BGH GRUR 1987, S. 371 fT. = WRP 1987, S. 461 ff., "Kabinettwein"; BGH WRP 1989, S. 155, 158, "Syntheziser"; OLG Köln, WRP 1981, S. 415; OLG München, WRP 1989, S. 343, 345, "Polohemden" . 13 Und zugleich auch der Unterlassungstenor, vgl. Oppermann, S.41, 42; PalandtlBassenge, § 1004 Rn. 30; Jauernig, Zwangsvollstreckung, § 27 IV; MünchKomm-ZPO/Schilken, § 890 Rn. 7. 14 StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 216, 220 ff.; GloylSpätgens, S. 1130 (; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 86; Borck, WRP 1979, S. 180, 181, 182; Pagenberg, GRUR 1976, S. 78; BGH GRUR 1955, S. 487, 490, "Alpha"; BGH GRUR 1956, S. 187, 189, "English Lavender". 15 Pastor, Der Unterlassungsprozeß, S. 682; v. Gamm, NJW 1969, S. 85 ff.; RG GRUR 1935, S.916, 917, "Schleppnetz"; BGH GRUR 1958, S.346, 350, "Spitzenmuster"; BGH GRUR 1963, S. 218, 220, "Mampe Halb und Halb 11"; BGH NJW 1980, S. 700,701 = GRUR 1979, S. 859,860 mit kritischer Anmerkung Ohlgart = WRP 1979, S. 784, "Hausverbot II"; BGH GRUR 1973, S. 201 ff., "Trollinger"; BGH GRUR 1984, S.593, 594, "adidas Sportartikel"; BGH WRP 1989, S.155, 158, "Syntheziser" . 16 BGH GRUR 1963, S. 218, 220, "Mampe Halb und Halb 11".

I. Der prozeßrechtliche Unterlassungsantrag

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Da die Prämisse, die die Rechtsprechung mit dieser grundsätzlichen Beschränkung des Klageantrags aufstellt, wie sich im folgenden zeigen wird, weitreichende Auswirkungen auf den Prozeßverlauf und die gerichtliche Entscheidung hat, bedarf es einer genauen Analyse der zugrundeliegenden dogmatischen Ansätze. In einem ersten Schritt wird zu überprüfen sein, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Unterlassungsklage, insbesondere das Erfordernis des bestimmten Klageantrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Notwendigkeit der Beschränkung des konkreten Klageantrags auf die konkrete Verletzungshandlung bedingen, bevor schließlich der Untersuchung bedarf, ob dem Vollstreckungsgericht durch einen erweiterten Klageantrag Aufgaben zukämen, die ausschließlich dem Erkenntnisgericht zustehen.

3. Verhältnis der konkreten Verletzungshandlung zum Bestimmtheitsgebot nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO a) Bedeutung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO

Verfahrensrechtlich gelten filr die Unterlassungsklage sämtliche prozessualen Grundsätze, die auch filr die Leistungsklage Voraussetzung sind 17 • Grundlegende Bedeutung im Zivilprozeß erlangt die Bestimmung des § 253 Abs.2 Nr. 2 ZPO. Die Verpflichtung zur Stellung eines bestimmten Klageantrags ist Ausfluß der im Zivilprozeßrecht geltenden Dispositionsmaxime 18 , da durch ihn Art und Umfang des Rechtsschutzbegehrens bestimmt werden. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO "muß die Klageschrift 19 außer der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs einen bestimmten Klageantrag" enthalten, dessen Angabe es zur Festlegung des Streitgegenstandes 20 bedarf. Das Gebot der Bestimmtheit erfilllt im Unterlassungsprozeß mehrere Aufgaben: Der Schuldner ist insbesondere deswegen auf die konkrete Eingrenzung angewiesen, weil sie den notwendigen Umfang seiner Verteidigungsstrategie 21 und die Klarstellung dessen, was ihm nicht ver-

BaurlStürner, Sachenrecht, § 12 IV I d und § 12 IV 2 b. BaumbachiLauterbachlAlberslHartmann, ZPO, § 253 Rn. 39. \9 Letztlich gilt das prozessuale Bestimmtheitsgebot nicht nur für den Klageantrag, sondern gleichermaßen für den Urteilstenor, der regelmäßig Spiegelbild des Antrags ist. Sämtliche obigen Ausführungen lassen sich somit sinngemäß auf den Urteilstenor übertragen, vg1. MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; PalandtlBassenge, § 1004 Rn. 30. 20 Vgl. dazu BGH NJW 1992, S. 560, 561, "Unbestimmter Unterlassungsantrag II". 2\ BGH NJW 1983, S. 1056; BGH NJW 1994, S. 246; BaumbachlLauterbachlAlberslHartmann, ZPO § 253 Rn. 31. \7 \8

§ 2 Prozessuale Grundlagen der Unterlassungsklage

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boten werden soll, beschreibe2 • Eine letzte Bestimmtheit kann dabei nicht verlangt werden23 . Nicht zuletzt wird schließlich durch den Antrag die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts festgelegt, das nach § 308 Abs. 1 ZPO dem Umfang nach an den Klageantrag, der wiederum Auswirkungen auf den Rechtskraftumfang hae4 , gebunden ist25 •

b) Beispiele aus der Rechtsprechungfür einen tatsächlich unbestimmten Unterlassungsantrag

Obwohl sich die Gefahr, einen Antrag tatsächlich zu unbestimmt zu formulieren, beträchtlich erhöht, je weiter man sich von der konkreten Verletzungshandlung entfernt26 , bedeutet dies nicht, daß von vornherein ein jeglicher, über die konkrete Verletzungsform hinausgehender, formulierter Antrag unzulässig ist.

Das OLG Düsseldorf7 hatte sich mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auseinanderzusetzen: Der Kläger, ein eingetragener Verein, führte einen Unterlassungsprozeß gegen die Beklagte, die Warenhäuser betreibt. Die Beklagte hatte, nach Auffassung des Klägers rechtswidrig, in einer Zeitungsannonce u.a. für "radikal reduzierte" Sportschuhe der Marke "Blue Bird" geworben. Diese Sportschuhe hätten nach Ansicht des Klägers lediglich mit dem Hinweis darauf, daß es sich um Auslaufmodelle handele, angepriesen werden dürfen. Sie seien bereits seit knapp einem Jahr aus der gültigen Preisliste des Herstellers gestrichen. Der Kläger stellte letztinstanzlieh den Antrag, "die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Zeitungsanzeigen und/oder sonstigen Werbeträgern zu Zwecken des Wettbewerbs Sportschuhe, die in den aktuellen Preislisten der Hersteller seit längerer Zeit nicht mehr aufgeführt werden, also Auslaufmodelle sind, zu bewerben, ohne darauf hinzu-

RG GRUR 1932, S. 85; Stein/JonaslSchumann, ZPO, § 253 Rn. 59. Stein/JonaslSchumann, ZPO, § 253 Rn. 59; OLG Stuttgart NJW-RR 1990, S. 1082. 24 BGH NJW 1991, S. 1114, 1115, "Unbestimmter Unterlassungsantrag"; BGH WRP 1992, S.560, 561, "Unbestimmter Unterlassungsantrag 11"; MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; ThomaslPutzo, ZPO, § 253 Rn. 11. 25 Kugelberg, S. 52; ZölleriGreger, ZPO, § 253 Rn. 39; Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 39 II 2. 26 So auch BGH GRUR 1979, S. 859 ff. = WRP 1979, S. 784 = NJW 1980, S. 700, 701, "Hausverbot 11"; Teplitzky in Festschrift Oppenhoff, S.487, 493, 494, der immerhin von einem mittelbaren Zusammenhang zwischen Bestimmtheitsgebot und konkreter Verletzungsform spricht. 27 OLG Düsseldorf, WRP 1987, S. 388 ff. 22 23

I. Der prozeßrechtliche Unterlassungsantrag

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weisen, daß es sich um "Auslaufmodelle" handelt, wie konkret in der Anzeige der Beklagten in der "R.P." " Das zur Entscheidung berufene OLG Düsseldorf wies die Klage unter anderem aus dem Grund zurück, daß es den Klageantrag fUr unzulässig hielt. Es fUhrte dazu aus, dem Bestimmtheitserfordernis genüge nicht die Definition des Begriffes "Auslaufmodelle" als Gegenstände, die in den aktuellen Preislisten der Hersteller "seit längerer Zeit" nicht mehr aufgefUhrt würden. Diese Formulierung lasse "völlig im ungewissen", ab wann die Beklagte fUr diese nicht in den Preislisten enthaltenen Sportschuhe nicht mehr hinweislos werben darf. Die Frist sei weder nach Monaten noch nach Jahren eingegrenzt. Das Gericht wies darauf hin, daß fUr einen Unterlassungsantrag uneingeschränkt auch die Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gelte. Weder Schwierigkeiten in der Formulierung noch die sog. Kerntheorie könnten das Erfordernis der Bestimmtheit des Klageantrags einschränken28 • Mit dieser Entscheidung wird deutlich, daß zwar eine offene Fonnulierung des Klageantrags sehr wohl zur Unzulässigkeit fUhren kann, dies aber insbesondere dann, wenn die Vollstreckbarkeit eines antrags gemäß ergehenden Urteils gefiihrdet ist. Da sich nicht alle zukünftigen Fälle voraussehen lassen29, kann von einem Kläger kein detailgetreuer Antrag verlangt werden, der Kläger muß aber bei Formulierungsschwierigkeiten zumindest das Wesentliche, den Kern der Handlung eindeutig beschreiben30 • Die Grenze stellt dabei jedoch eine Antragsformulierung dar, die sich mit dem Gesetzeswortlaut, der die Verletzungshandlung verbietet, deckt. Eine Unterlassungsformel nämlich, die lediglich das verbietet, was jedem verboten ist, ist grundsätzlich unzulässig31 • Diese Entscheidung wirft allerdings, abgesehen von der Bestimmtheit des Klageantrags, weitere Fragen auf. Insbesondere begegnet es Bedenken, ob nicht das Gericht verpflichtet war, den Kläger aufgrund der Prozeßförderungspflicht des § 139 ZPO auf diese Unbestimmtheit im Klageantrag aufmerksam zu rnachen32 , da es schließlich nicht einer ökonomischen ProzeßfUhrung

28 OLG Düsseldorf, WRP 1987, S. 388, 389. Entsprechend auch MünchKommZPOISchilken, § 890 Rn. 7: "Dem verfassungsmäßig gebotenen Erfordernis der Bestimmtheit kann auch innerhalb der Kerntheorie Rechnung getragen werden". 29 BaumbachiLauterbach, ZPO, § 253 Rn. 90. 30 BaumbachiLauterbach, ZPO, § 253 Rn. 90, 91; MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; SteinlJonaslBrehm, ZPO, § 890 Rn. 33. In bezug auf den Titel MünchKommZPOISchilken, § 890 Rn. 7. 31 Pagen berg, GRUR 1976, S.78, 81; MünchKomm-ZPOISchilken, § 890 Rn. 7; Stein/JonaslBrehm, ZPO, § 890 Rn. 9; differenzierend Melullis, Handbuch, S. 186; ebenso BGH GRUR 1989, S. 115, 116, "Mietwagenmitfahrt". 32 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 134; MünchKomm-ZPOIMusielak, § 308 Rn. 11. AusfIihrIich dazu Hergenräder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 295 ff. Vgl.

3 Backsmeier

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§ 2 Prozessuale Grundlagen der Unterlassungsklage

entspricht, den Kläger sehenden Auges in einen erneuten Prozeß zu drängen, weil die gerichtlichen Entscheidungsgremien ihre Rechtsauffassung im Verfahren verschweigen.

c) "Gewisse Verallgemeinerung und konkrete VerletzungsJorm"

Auch wenn die Konturen nicht immer klar erkennbar sind, mehren sich die Stimmen, die eine Umkehr dahingehend fordern, die Frage nach der konkreten Verletzungshandlung als Klagegegenstand und das Bestimmtheitsgebot voneinander zu trennen33 • Dem Oberlandesgericht SaarbrUcken34 lag eine Unterlassungsklage eines rechtsfähigen Vereins vor, der u.a. zur Aufgabe hatte, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Mit der Klage gegen die einen Supermarkt betreibenden Beklagte beanstandete der Kläger eine Anzeigenwerbung mit einem Sonderangebot, obwohl die angepriesene Ware kurz darauf im Supennarkt nicht mehr erhältlich war. Bei der nicht mehr vorrätigen Ware handelte es sich um einen Sekt der Marke Blanc Foussy. Anstatt allerdings nur diese Fehldisposition zum Klagegegenstand zu machen, stellte der Kläger folgenden Antrag: Der Beklagten ist zu untersagen, "in Zeitungsanzeigen rur den Verkauf von Alkoholica zu werben, sofern diese nicht bis Ladenschluß des auf das Erscheinen der Anzeige folgenden Tages vorrätig gehalten werden". Die Beklagte wandte sich bereits gegen die Zulässigkeit der Klage, da sich das Unterlassungsbegehren nicht auf die Werbung filr den Verkauf von Blanc Foussy oder Sekt beschränke, sondern sich auf die Werbung von Alkoholica aller Art erstrecke, obgleich alle anderen in der Anzeige bezeichneten alkoholischen Getränke unstreitig in ausreichender Menge vorhanden gewesen seien. Das Gericht hielt diese Klagefassung dennoch filr zulässig, obwohl der Klageantrag eindeutig über die in Rede stehende konkrete Verletzungsfonn hinausging 35 • Das Klageziel sei hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs.2

auch BGH NJW 1991, S. 1114, 1115, "Unbestimmter Unterlassungsantrag" und unten § 10. 33 Borck, WRP 1979, S. 180 ff.; Teplitzky in Festschrift für Oppenhoff, S. 487, 490, 493. 34 OLG SaarbrUcken, WRP 1990, S. 549 ff., "Sektsonderangebot"; BGH GRUR 1987, S. 52,53 = WRP 1987, S. 101 = WRP 1987, S. 101, "Tomatenmark". 35 OLG Saarbrücken, WRP 1990, S.549, 550, "Sektsonderangebot"; zustimmend MUnchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 134.

I. Der prozeßrechtliche Unterlassungsantrag

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Nr. 2 ZPO, der Klageantrag eindeutig formuliert und ein entsprechender Urteilstenor ohne weiteres vollstreckbar. Allein die genügende Bestimmtheit des Klageantrags sei Zulässigkeitsvoraussetzung eines Unterlassungsbegehrens. In dieser Entscheidung macht das Gericht deutlich, daß die Frage, ob ein Klageantrag zu weit gefaßt ist, lediglich eine Frage seiner sachlichen Begründetheit ist, sich daraus aber kein Einwand gegen die Bestimmtheit des Klagebegehrens ergibe 6 • Bis heute wird daher insoweit eine Abweichung von der konkreten Verletzungshandlung als ausschließlichem Klagegegenstand toleriert, wie eine konkretere Formulierung nicht möglich ist und der Klageantrag durch "gewisse Verallgemeinerungen" das Charakteristische der Verletzungshandlung erfaßt37 • Wenn dementsprechend behauptet wird, allein das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordere das Festhalten an der Maßgeblichkeit der konkreten Verletzungsform als bestimmtem Klagebegehren38 , so kann dies nicht unwidersprochen bleiben39 • Ob die begehrte Rechtsfolge in einer Art und Weise dargelegt wird, die die Vollstreckung des antragsgemäß ergangenen Titels ermöglicht, kann nicht davon abhängen, ob die konkrete Verletzungshandlung im Klageantrag umschrieben wurde 40 • Durch eine derartige Prämisse würde nicht zuletzt das Dispositionsrecht des Gläubigers, der bis hin zur tatsächlichen Unvollstreckbarkeit seines Anliegens die Freiheit zur Formulierung und Bestimmung seines Klagebegehrens hat, über Gebühr eingeschränkt.

4. Keine zusätzlichen Anforderungen an die Bestimmtheit umfassender Unterlassungsanträge Gerade auch der Globalantrag bereitete in der Vergangenheit bereits im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz Probleme 41 • Vielfach wurde davon ausgegangen, ein entsprechender Titel sei vollstreckungsunflihig42 , da die OLG Saarbrücken, WRP 1990, S. 549,550 f., "Sektsonderangebot". SteinlJonaslBrehm, ZPO, § 890 Rn. 33; MünchKomm-ZPOISchilken, § 890 Rn. 7; BGH NJW 1991, S. 1114, 1115 "Unbestimmter Unterlassungsantrag", BGH BB 1990, S. 2141, "Mietkauf'; BGH WRP 1989, S. 570,572 "Fotoapparate"; alle mwN. 38 Ohlgart, GRUR 1979, S. 859, 861; vgl. zuletzt OLG München WRP 1989, S. 343, 345,346; BGH GRUR 1973, S. 201 f., "Trollinger". 39 Aus der neueren Rechtsprechung vgl. OLG München, WRP 1989, S. 343, 346, "Polohemden"; kritisch dazu Borck, WRP 1979, S. 431, 433. 40 OLG Saarbrücken, WRP 1990, S. 549, 550, "Sektsonderangebot". 41 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 134; Pagen berg. GRUR 1976, S. 78,82; BGH WRP 1979, S. 784, 785; BAG AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit. 42 Vgl. BGH GRUR 1963, S. 218,220, "Mampe Halb und Halb II". 36 37

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konkret gerügte Verletzungshandlung nicht identifiziert werden könne. Das Vollstreckungsgericht könne nicht mehr aufgrund des Tenors entscheiden, ob mit einer neuen Handlung gegen das Verbot zuwidergehandelt würde oder nicht. Vielmehr müsse es eigene Rechtsfindung betreiben, um dies beurteilen zu können. In einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Juni 198843 stritten die Beteiligten über den Umfang eines beantragten Verbots: Die Beklagte, ein Lebensmittelunternehmen, warb mit einer Anzeige zum Jahreswechsel mit Tiefstpreisen rur zwanzig verschiedene Erzeugnisse, von denen aber am Nachmittag des Folgetages vier Artikel, darunter auch Tuben mit Tomatenmark, nicht mehr vorrätig waren. Die Klägerin, die darin einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß sah, hatte beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines rur jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ... zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs durch Anzeigenwerbung Waren - ... anzubieten, ohne diese innerhalb der ersten drei Tage nach Erscheinen der Anzeige in ihren Verkaufsstellen zur sofortigen Auslieferung vorrätig zu haben. Dabei beschränkte sie die Klageformulierung erkennbar nicht nur auf die vier Artikel, die im konkreten Fall tatsächlich ausgegangen waren, sondern wählte den umfassenden Klageantrag, um sämtliche Waren vom Verbot zu umfassen. Im Hinblick auf die Zulässigkeit dieses Antrags fUhrte das Gericht in seinen Urteilsgründen 44 aus: "Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei diesem Antrag nicht um einen unbestimmten Klageantrag im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Wenn diese der Ansicht sei, der Antrag umfasse nach seiner Formulierung auch Fälle, deren Verbot die Klägerin nicht verlangen könne, so wende sie sich ausschließlich gegen die sachliche Begründetheit." Auch rur einen umfassenden Unterlassungsantrag gilt selbstverständlich uneingeschränkt, daß der Klageantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt sein muß. Einem Kläger wird ein unbestimmter Globalantrag dann attestiert werden, wenn das Vollstreckungsgericht bei antragsgemäßer Verurteilung aus dem Tenor den Umfang des ausgesprochenen Verbots auch nach zulässiger Auslegung nicht erkennen kann. Ist das Gericht dann der Auffassung, der Antrag sei unbestimmt, weil zu ungenau, unklar oder mehrdeutig, so weist es die Unterlassungsklage wegen Unzulässigkeit durch Prozeßurteii ab4s •

BGH GRUR 1987, S. 52 tT., "Tomatenmark". BGH GRUR 1987, S.52, 53 = WRP 1987, S. 101 = WRP 1987, S. 101, .. Tomatenmark" . 45 BGH GRUR 1963, S. 218 ff., "Mampe Halb und Halb 11". 43

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Keineswegs führt allerdings eine umfassendere Antragsformulierung zwangsläufig dazu, auf Unzulässigkeit des Begehrens erkennen zu müssen 46 • Auch hier ist einzig und allein darauf abzustellen, ob das antragsgemäß ergehende Urteil den Umfang der Rechtskraft erkennen läßt und vollstreckungsfiihig ist47 • Diejenigen, die anderer Auffassung sind, offenbaren erneut ihren Irrtum über die rechtliche Behandlung der konkreten Verletzungsform als Ausdruck des Bestimmtheitserfordemis. Sie müssen sich vorhalten lassen, nicht zwischen der verfahrensrechtlichen Voraussetzung der Bestimmtheit des Klageantrags und der materiell-rechtlichen Voraussetzung der Wiederholungs- und Begehungsgefahr unterschieden zu haben48 • Selbstverständlich kann eine Klage mit umfassendem Antrag sowohl dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen, als auch vollumfilnglich materiell-rechtlich begründet sein, ohne daß im Klageantrag die konkrete Verletzungshandlung oder -form explizit festgeschrieben ist49 • Der umfassende Antrag lebt quasi ja gerade davon, nicht konkret zu werden und nicht nur einzelne individuelle, sondern eine Vielzahl von Handlungen zu erfassen. Ein Klageantrag, der sich nicht auf die strikte Beschränkung des Unterlassungsantrags auf die konkrete Verletzungshandlung stützt, sondern von verallgemeinernden abstrakten Merkmalen geprägt ist, entspricht jedenfalls immer dann dem prozessualen Bestimmtheitsgebot, wenn eine antrags gemäße Tenorierung einen eindeutigen vollstreckungsfiihigen Inhalt hätte 5o .

46 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133, 134; OLG Hamburg, WRP 1970, S. 441; BGH GRUR 1981, S. 277, "Biene Maja". 47 BGH GRUR 1976, S. 197 f, "Herstellung und Vertrieb"; BGH NJW 1991, S. 1114 (, "Unbestimmter Unterlassungsantrag"; BAG NZA 1989, S. 860 = NJW 1989, S. 3237, "Bestimmtheit des Klageantrags bei Betriebsgeheimnissen". 48 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 134. Auch Teplitzky in Festschrift für Oppenhoff, S. 487, 492, geht zu Recht davon aus, daß klar zu unterscheiden ist zwischen einem Antrag, der zu unbestimmt formuliert wurde und einem lediglich zu weit gefaßten (daher unbegründeten) Antrag. 49 GermelmannlMattheslPrütting, ArbGG, § 81 Rn. 9; a.A., aber zu eng Baumbach/Hejermehl, Einl. UWG Rn. 268: "Ein Klageantrag, der über die konkrete Verletzungsform hinausgeht und sich gegen keine bereits erfolgte oder künftig mittelbar bevorstehende Verletzungshandlung richtet, ist unzulässig.". so SteinlJonaslSchumann, ZPO, § 253 Rn. 59; MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133, 134; im Ergebnis auch Wieczorek, ZPO, § 253 G II 2 a. Borck. WRP 1979, S. 180, spricht davon, daß es als ausreichend anzusehen ist, wenn der Kläger mit seinem Klageantrag genau zu erkennen gibt, weIche vollstreckbare Rechtsfolge er begehrt, jedenfalls aber immer dann, wenn er die gewünschte Entscheidung vorformuliert. Nach Böhm, S. 17, legt die konkrete Verletzungsform die objektiven Grenzen des Unterlassungsanspruches fest, indem sie das Unterlassungsgebot sachlich aktualisiert. Im Endeffekt soll mit dieser Umschreibung lediglich erreicht werden, daß durch eine besondere prozessuale Schranke das Klagerecht eingeschränkt wird, so daß die konkrete Verletzungsform zu einem Merkmal des besonderen Rechtsschutzinteresses wird.

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Das gilt selbst dann, wenn sich das Begehren so weit von der konkreten Verletzungshandlung entfernt hat, daß es mit ihr überhaupt nichts mehr zu tun hat, fiir sich genommen aber ein eindeutiges Klägerbegehren enthält, das dem Verpflichteten ermöglicht, die verbotenen Handlungsmodalitäten zu erkennensI. Damit soll allerdings nicht der Entbehrlichkeit der konkreten Verletzungsform das Wort geredet werden. Vielmehr wird sie als klagebegründendes Element im Rahmen der materiell-rechtlichen BegrUndetheit zu bemühen seins2 . Damit ist gemeint, daß die Gefahr zukünftiger Rechtsverletzung nur insoweit begründbar ist, wie eine konkret begangene Verletzungshandlung dafilr Anlaß bietet. Die konkrete Verletzungsform ist quasi das materiell-rechtliche Pendant zum verfahrensrechtlichen BestirnmtheitsgrundsatzS3 • Inkonsequent ist es somit, deren Beschreibung bereits im Klageantrag zu fordern, da es sich lediglich um die sachlich-rechtliche Eingrenzung des Umfangs des materiell begründeten Unterlassungsanspruch handelt, die vorzubringen, wie in jedem anderen Prozeß auch, im Rahmen der Klagebegründung ausreicht.

5. Gefahr der Verlagerung von Befugnissen des Erkenntnisverfahrens in das Vollstreckungsverfahren? a) Abgrenzung der Aufgabenbereiche

Die Rechtsprechung hält die Erweiterung des Unterlassungsantrags über die konkrete Verletzungshandlung hinaus aber auch aus einem weiteren Grund filr unzulässig. Durch eine Aufweichung dieses Grundsatzes wird beftlrchtet, daß sich das Vollstreckungsgericht bei Auslegung des Titels materiell-rechtliche Kompetenzen anmaßt, die ausschließlich dem Erkenntnisgericht zustehenS4 • Wenn die antragsgemäße Tenorierung nämlich Handlungen umschreibt, die nicht der vergangenen Verletzungshandlung unmittelbar entsprechen, besteht dieser Auffassung nach die Gefahr, daß das Vollstreckungsgericht nicht das durch das Erkenntnisgericht beschlossene Urteil vollstreckt, sondern vielmehr eigene Rechtsschöpfung betreibt, indem es die tatsächliche Reichweite des Titels bestimmt. Halte sich der Kläger bei Formulierung des Klageantrags dagegen an die beanstandete oder konkret bevorstehende Verletzungshandlung, so sei bei entsprechender antragsgemäßer Tenorierung die Gefahr einer eigen-

Teplitzky in Festschrift rur Oppenhoff, S. 487, 492. So auch BGH WRP 1987, S. 101; BGH GRUR 1984, S.593, 594, "adidasSportartikel"; Oppermann, WRP 1989, S. 713, 714. 53 Oppermann. S. 42. 54 BGH GRUR 1958, S.346, 350, "Spitzenmuster"; BGH GRUR 1962, S.31O, .,GrÜnderbildnis"; BGH GRUR 1957, S. 606 ff., "Heilmittelvertrieb". 5\

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mächtigen quasi erkenntnisgerichtlichen Entscheidungstätigkeit gering55 • Ob diese Gefahr bei einer Erweiterung des Unterlassungsbegehrens besteht, muß anband der abzugrenzenden Aufgabenbereiche zwischen Verbots- und Vollstreckungsverfahren im Prozeß geklärt werden. Der erkennende Richter hat die Rechtslage im Hinblick auf den Streitgegenstand umfassend dahingehend zu klären, was dem Schuldner auf Dauer verboten ist56 • In welchem Umfang ein derartiges Verbot tatsächlich besteht, hängt jedoch einzig und allein davon ab, ob dem Gläubiger derartige Ansprüche sachlich-rechtlich tatsächlich zustehen. Somit kann sich aber auch ein zu titulierendes Verbot ergeben, das nicht nur die konkrete Verletzungshandlung, sondern mehrere Handlungen bzw. Handlungsvarianten untersagt57 . Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Rechtsverletzungen, die noch nicht begangen wurden, die aber unmittelbar bevorstehen. Materiell-rechtlich hat der Gläubiger eine dementsprechende Begehungsgefahr nachzuweisen, deren Vorliegen ausschlaggebend dafür ist, ob das Gericht die Handlungen untersagt oder nicht. Im Vollstreckungsverfahren kommt dem Gericht die Aufgabe zu, Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der Handlungen zu tätigen, die laut gerichtlicher Tenorierung verboten sind. Das Vollstreckungsgericht stellt dementsprechend einen Vergleich an zwischen dem konkretisierten Urteilsausspruch und der etwaig aufgetretenen neuerlichen Zuwiderhandlung 58 • Dabei ist der Handlungsspielraum des Vollstreckungsgerichts gering: Das Gericht kann keinesfalls den Titel um Feststellungen erweitern, an die das Erkenntnisgericht nicht gedacht hat, die aber nach Auffassung des Vollstreckungsgerichts mit in den Schutzbereich des Verbots fallen würden 59 • Hypothetische Überlegungen dahingehend, ob das Verbots gericht die neue Zuwiderhandlung bei Kenntnis auch unter den Urteilsausspruch gefaßt haben würde, verbieten sich rur die Vollstreckungsrichter .

55 BGH GRUR 1957, S. 606,607, "Heilmittelvertrieb"; BGH GRUR 1961, S. 588, 594, "Einpfennig-Süßwaren". 56 Kramer, S. 42. 57 Blasendorff, NJW 1949, S. 457; Kramer, S. 42. 58 Kramer, S.43, spricht von seitens des Vollstreckungsgerichts zu treffender Wertungen. Das Gericht habe darüber zu befinden, ob die beanstandete Handlung den im Verbot untersagten Handlungen unterflillt. Diese Bezeichnung deutet aber vielmehr auf einen Entscheidungsspielraum hin, das dem Vollstreckungsgericht zusteht. 59 A. A. Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 668 ff.

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§ 2 Prozessuale Grundlagen der Unterlassungsklage

b) Keine Rechtfertigung einer Beschränkung des Klageantrags Maßgebend fUr das Vollstreckungsgericht dürfen einzig und allein der W ortlaut und Sinngehalt des Urteilstenors sein, aufgrund deren es zu überprüfen hat, inwieweit die neuerliche Handlung dem Verbot unterflillt. Unbestritten darf das vollstreckende Gericht keine Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts unter die materiell-rechtlichen Verbotsnormen vornehmen. Eine Trennung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungs verfahren im Unterlassungsrechtsschutz ist ohne Zweifel unabdingbar. Daraus resultiert aber nicht gleichzeitig die Verpflichtung fUr den Antragsteller, sein Begehren ausschließlich auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken, was ihn letztlich zum Verzicht auf sein Dispositionsrecht verpflichten würde. Selbst ein Urteil, das sich nicht allein auf die konkrete Verletzungshandlung bezieht, sondern erheblich darüber hinausgeht, kann nach erfolgter und zulässiger Auslegung durch das Vollstreckungs gericht ohne weiteres vollstreckt werden.

11. Zwischenergebnis

Der Zulässigkeit einer Unterlassungsklage steht das prozessuale Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht notwendig bereits dann entgegen, wenn sich der klägerische Antrag nicht an der konkreten Verletzungsform orientiert. Von dem rein prozessualen Zulässigkeitserfordernis, dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, ist das materiell-rechtliche Erfordernis der konkreten Verletzungs form zu unterscheiden60 . Wenn auch die Konturen insoweit nicht immer klar erkennbar sind, insbesondere deshalb, weil der Kläger dem Gericht eine Prognoseentscheidung abfordert, wird doch deutlich, daß die Frage, ob ein Klageantrag weiter gefaßt werden kann, als es die konkrete Verletzungs handlung vorgibt, ein Problem der im materiellen Recht beheimateten Wiederholungs- bzw. Begehungsgefahr ist, die das Unterlassungsbegehren schlechtestenfalls unbegründet werden läßt. Es ist somit denkbar, daß ein Antrag bestimmt ist, aber dennoch den Anforderungen an die konkrete Verletzungsform nicht genügt61.

60 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 134. Diese Abgrenzung tritt bei Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 682, nicht deutlich zutage. 61 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 134, 135; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 666 ff., 682 ff.; BGH GRUR 1952, S. 511 = BGHZ 4, S. 102, "Farina Urköl'sch".

11. Zwischenergebnis

41

Einer weitergehenden Einschränkung der Formulierungsmöglichkeiten dahingehend, daß sich der Klageantrag ausschließlich an der konkreten Verletzungsform zu orientieren hat, bedarf es nicht. Die diesbezügliche Forderung von Teilen der Rechtsprechung und Lehre ist nicht haltbar, da sie insbesondere das Dispositionsrecht des Gläubigers mißachtet. Darüber hinaus gebietet weder das prozessuale Bestirnmtheitsgebot, noch das Gebot der Trennung des Erkenntnis- vom Vollstreckungs verfahren eine derartige Beschränkung. Es liegt die Vermutung nahe, daß mit dem Eintreten fiir die konkrete Verletzungshandlung als ausschließlichem Klagegegenstand den Grenzen zwischen prozessualem und materiellem Recht nicht ausreichend Beachtung geschenkt wurde62 .

62

MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 134, 135.

§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs I. Dogmatische Einordnung 1. Schutzbereich des Unterlassungsanspruchs Mit der Erhebung der Unterlassungsklage will der Inhaber des Anspruchs dauerhaft erzwingen, daß ein ihn schädigendes Verhalten in Zukunft unterbunden wird I. Die filr das Unterlassungsrecht heranzuziehende Grundnorm des § 1004 BGB stellt neben § 985 BGB die wichtigste Vorschrift zum Schutz des Eigentümers gegen eine Beeinträchtigung seines Eigentums dar. Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Besitzentziehung gestört, so kann der Eigentümer die Unterlassung einer drohenden künftigen Beeinträchtigung verlangen (§ 1004 Abs. 1 Satz 2), sofern er nicht zur Duldung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2). Ausgehend vom Schutz des Eigentumsrechts2 hat der Gesetzgeber diesen Unterlassungs anspruch auch auf andere dingliche, absolute und diesen gleichgestellte Rechte, wie beispielsweise auf §§ 8623 , 1027, 1065, 12274 BGB, ferner das Namensrecht nach § 12 BGB 5 oder das Recht an der Firma nach § 37 HGB 6 , ausgedehnt. Da die Rechtsprechung darauf erkannt hat, daß filr alle absoluten Rechte und rechtlich geschützten Positionen in Anlehnung an die gesetzlichen Einzelvorschriften ein allgemeiner Unterlassungsanspruch in Betracht komme, findet man daneben in der Rechtspraxis weitere Unterlas1 Der Begriff des Unterlassens wird im BGB nicht gesetzlich definiert, findet aber seinen Eingang in §§ 194 Abs. I, 198 S.2, 241 S.2 BGB; ausführlich dazu Ritter,

S. I7ff. 2 BaumbachiHefermehl, Ein!. UWG Rn. 259.

BGH NJW 1995, S. 132. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 I 4 (S. 107); Jauernig, Zwangsvollstreckung, § 27 IV; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, vor § 253 Rn. 8; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 4,5,6; ErmaniHefermehl, § 1004 Rn. 5; SteiniJonas/Schumann, ZPO, vor § 253 Rn. 8; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. I ff.; 15; MünchKomm-ZPO/Schilken, § 890 Rn. 6. 5 Medicus, S. 309; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 14. 6 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 I 4. 7 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 I 4; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 6; Nikisch, Zivilprozeßrecht, S. 149. 3 4

I. Dogmatische Einordnung

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sungsansprüche, die allerdings nur teilweise normiert sind. Während im Wettbewerbsrecht, das als Hauptanwendungsbereich tUr die Unterlassungsklage bezeichnet werden kann, die Schutznormen ausgeprägt sind (vgl. nur §§ 1,3,4, 6-6c, 7, 8, 13, 14 UWG 8 ; § 12 RabattG; § 139 PatG; § 2 ZugabeVO; § 24 GebrMG; § 97 UrhG; § 37 HGB; §§ 24, 25 WZG) , fmdet sich im kollektiven Arbeitsrecht nur in § 23 Abs. 3 BetrVG eine ausdrückliche Normierung. Insbesondere ist aber hervorzuheben, daß die normierten Unterlassungsansprüche nicht abschließend sind, da vielmehr der Unterlassungsanspruch dem absoluten oder diesem gleichgestellten Recht als immanenter Bestandteil anhaftet 9 .

2. Zukunftgerichtetheit

Der Unterlassungsanspruch zeichnet sich durch eine negatorische Anspruchsbeschreibung aus 10, die dann deutlich wird, wenn der Wortlaut des § 1004 Abs. I Satz 2 BGB in Beziehung gesetzt wird zu den übrigen das Eigentumsrecht schützenden Ansprüchen (z.B. § 985 BGB, der die Besitzvorenthaltung betrifft). Aus der Tatsache, daß die Tatbestandsmerkmale negativ beschrieben werden ("wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung beeinträchtigt wird"), ergibt sich eine Vielzahl von denkbaren Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts. Dabei ist weder ein Verschulden seitens des Verpflichteten, noch ein meßbarer Schaden seitens des Berechtigten erforderlich I 1. Des weiteren werden von dem Unterlassungsanspruch nur die zukünftigen Schutzrechtsverletzungen erfaßt, niemals aber die vergangenen 12 . Diese Tatsache steht im direkten Gegensatz zu dem in § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB normierten Beseitigungsanspruch 13 und macht deutlich, daß 8 Schrader, DB 1994, S. 2221, 2223, weist darauf hin, daß sich der Tatbestand des § 1 UWG ebenfalls aus dem negatorischen Anspruch des § 1004 BGB entwickelt hat. 9 So wird nach jüngster Rechtsprechung sogar das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in § 87 Abs. 1 BetrVG geschützt, indem bei drohender Verletzung dieses Rechts Unterlassungsklage erhoben werden kann, vgl. BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1992 = BAG EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 mit Anmerkung Raab = DB 1994, S. 2450 ff. = ArbuR 1994, S. 139 ff = NZA 1995, S. 40 = NJW 1995, S. 1044 ff. = SAE 1995, S. 93, 96. Dazu Walker, DB 1995, S. 1961 tr.; Richardi, NZA 1995, S. 8 tr.; ders., Anmerkung zu BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972; Adomeit, NJW 1995, S. 1004 ff.; Konzen, NZA 1995, S. 865 tr.; Prütting, RdA 1995, S. 257 ff.; Dobberahn, NJW 1995, S. 1333 tr. 10 BaurlStürner, Sachenrecht, § 12 III 2; StaudingerlSchmidt, § 241 Rn. 89. 11 StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 17 tr.; 34; BaumbachlHefermehl, Ein. UWG Rn. 258; ErmaniHefermehl, § 1004 Rn. 8; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 88; Baur. Sachenrecht, § 11 B I 1; § 12 11 2. 12 Borck. GRUR 1991, S. 428,429. 13 Zum Verhältnis des Unterlassungs- zum Beseitigungsanspruch, Lindacher. GRUR 1985, S. 423 ff.

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§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

es sich bei dem Unterlassungsanspruch um ein Rechtsinstitut des vorbeugenden Rechtsschutzes 14 handelt. Nichtsdestotrotz hat auch die begangene Verletzungshandlung entscheidende Bedeutung. Das Gericht hat auf der Grundlage dieser Handlung festzustellen, ob die zu beftlrchtende Wiederholungshandlung ebenfalls das Merkmal der Rechtswidrigkeit erfiillen würde. Ist dies zu bejahen, stellt sie eine widerlegbare Vermutung dahingehend auf, daß sich weitere Rechtsverstöße anschließen werden 15.

3. Zum Anspruchsbegriff 1m Zentrum der Diskussion über die dogmatische Einordnung der Unterlassungsklage steht die Frage, ob auf Seiten des Berechtigten immer ein materieller Anspruch vorliegen muß l6 . Die Antwort darauf, ob es sich hierbei um einen prozessualen Rechtsbehelf17 oder um einen materiell-rechtlichen Anspruch 18 handelt, hängt einzig und allein davon ab, wie der Anspruchsbegriff zu definieren ist l9 . Da die rechtliche Qualität keine praktische Bedeutung haeo und es nicht Aufgabe dieser Bearbeitung sein kann, sämtliches Für und Wider der einzelnen Standpunkte aufzuzeigen, soll an dieser Stelle letztlich der Ausle-

14 MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 6; StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 193. Vgl. auch Medicus, S. 460, der den präventiven Schutz rechtspolitisch für weit wertvoller hält als den repressiven Rechtsschutz. 15 Hierüber herrscht weitgehend Einigkeit, BaumbachlHefermehl, Ein!. UWG Rn. 263; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 81; ErmaniHefermehl, § 1004 Rn. 28; Staudinger-Gursky, § 1004 Rn. 200. Streit besteht allerdings über die sehr interessante Frage, ob die Vermutung ausschließlich für "identische" oder auch für "andere" Rechtsverletzungen gilt, wobei dann zunächst zu klären sein wird, was überhaupt als "andere" Rechtsverletzung bezeichnet werden kann, vgl. dazu unten § 3 II 2. 16 Zur Problematik vgl. Münzberg, JZ 1967, S. 689,693; Thomas, S. 36 ff. 17 So aber Nikisch, Zivilprozeßrecht, S. 148,149. 18 Ein immerwährender Streit besteht über die Frage, ob der Unterlassungsklage überhaupt ein materieller Anspruch zugrunde liegen muß oder ob es sich nicht vielmehr um eine besondere prozessuale Rechtsschutzform handelt, vgl. zum Streitstand Ritter, S. 25, 26. An dieser Stelle wird der herrschenden materiellen Theorie gefolgt. So auch Grunsky, Verfahrensrecht, § 38 11 1, S. 366 ff. BaumbachlHefermehl, Einl. UWG Rn. 257; Pastor, GRUR 1969, S.331, 335; Baur, JZ 1966, S.381, 382; JauerniglJauernig, BGB, § 1004 4 b; PalandtlBassenge, § 1004 Rn. 27; Rimmelspacher, S. 116 ff.; Schönke/Kuchinke, ZPO, 40 I 3; SteiniJonaslSchumann, ZPO, vor § 253 Rn. 14; Brehm, JZ 1972, S.225, 226, 227 ff.; Münzberg, JZ 1967, S.689, 693; StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 195, wohl auch Ahrens, S. 127. Unklar dagegen Zeuner in Festschrift für Dölle, S. 295 ff, offen gelassen ErmanlHefermehl, § 1004 Rn. 27. 19 Henckel, AcP 174 (1974), S.97, 142; Goldschmidt in Festschrift für Brunner, S. 109, 130, 131 ff.; Georgiades, S. 142 ff. 20 Ahrens, S. 27.

I. Dogmatische Einordnung

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gung der Vorzug gegeben werden, fUr die der Gesetzgeber in § 194 Abs. 1 BGB und § 198 S. 2 BGB Stellung bezogen hat21 • Danach wird das Recht, von einem anderen ein Unterlassen zu verlangen, als Anspruch bezeichnet22 • Wenn das Unterlassen der positiven Leistung im Sinne von § 241 S.2 BGB gleichgestellt wird, kann daraus gefolgert werden, daß es im Hinblick auf die Anspruchsbehandlung keinen Unterschied machen kann, ob ein Tun oder ein Unterlassen verlangt wird23 • Mit den Vertretern der materiell-rechtlichen Theorie ist somit davon auszugehen, daß zu jeder Zeit und gegenüber jedermann potentielle Unterlassungsansprüche bestehen24 , die gegen die rechtswidrige Beeinträchtigung absoluter und diesen gleichgestellter Rechte gerichtet sind25 • Da der Unterlassungsanspruch seine Grundlage im "bedrohten Herrschaftsrecht" hat, das zu achten jedermann gehalten ist, entstehen daraus eine Vielzahl von Abwehrrechten, die allerdings durch den Nachweis der zukünftigen Rechtsgefährdung gegen einen bestimmten Verpflichteten26 auf konkrete Fälle beschränkt werden27 • Die Beeinträchtigungsgefahr muß dementsprechend zur Entstehung eines derartigen Anspruchs konsequenterweise hinzukommen, damit ein auf die Streitparteien bezogener aktueller Rechtsschutz garantiert wird28 • Der Anspruch geht dabei auf die HerbeifUhrung des Erfolges, die Unterlassung, daher ist es seitens des Antragstellers in der Regel unzulässig, bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung der zu unterlassenden Handlung anzugeben. Der Erfolg aber, die Unterlassung selbst, muß aber bestimmt bezeichnet werden29 .

Dementsprechend auch Pastor, GRUR 1969, S. 331, 335. So auch LarenzlCanaris, Schuldrecht Besonderer Teil 11/2, § 87 I 2, S. 705; Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 27; im Ergebnis auch ErmanlHefermehl, BGB, § 149 Rn. 7 ff. 23 V gl. Kugelberg, S. 9 ff., der allerdings diesbezüglich eine Besonderheit bei gesetzlichen wettbewerbsrechtlichen UnterlassungsanspTÜchen ausmachen will. So verschaffe der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch dem Berechtigten keinen Vermögenszuwachs, sondern veranlasse lediglich einen Rückzug des Beklagten in seine eigene Rechtssphäre. Ein Verhalten, in dem jemand jedoch lediglich unterlasse, eine fremde Rechtssphäre zu stören, sei kein schuldrechtlicher Anspruch nach § 241 BGB. 24 Melullis, Handbuch, S. 312 ff.; LarenzlCanaris, Schuldrecht Besonderer Teil 11/2, § 87 I 2, S. 705. 25 Melullis, Handbuch, S. 312. 26 StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 90 ff.; MünchKomrnlMedicus, § 1004 Rn. 32 ff.; ErmanlHefermehl, BGB, § 194 Rn. 7 ff. 27 So auch Böhm, S. 15, rur das österreichische Zivilrecht und MünchKomrnlMedicus, § 1004 Rn. 80, 82, der diese Gefährdung zu Recht als materielle Anspruchsvoraussetzung ansieht. 28 Zeuner in Festschrift rur Dölle, S. 295 ff. mwN. 29 SteinlJonaslSchumann, ZPO, § 253 Rn. 59. 2\

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§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

11. Unterlassungsrechtsschutz als vorbeugender Rechtsschutz 1.~nspruchsarten

a) Verletzungsunterlassungsklage

aa) Unterscheidungsmerkmale Die Zukunftgerichtetheit des Anspruchs ist Wesensmerkmal des Unterlassungsanspruchs 30, das letztlich Ursache dafiir ist, daß fiir vergangenes und gegenwärtiges Handeln dieser Rechtsschutz nicht zu erlangen ist. Da sich aus § 1004 Abs. I Satz I BGB ergibt, daß hinsichtlich der vergangenen Handlung lediglich ein Beseitigungsanspruch in Betracht kommt, ist die vergangene Verletzungshandlung nicht unmittelbar Klagegegenstand der Unterlassungsklage. Nur soweit "weitere Beeinträchtigungen" zu besorgen sind, bietet sich dem Gläubiger ein in die Zukunft gerichteter Unterlassungsanspruch an31 • Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, der konkreten Beeinträchtigung käme keine weitere Bedeutung zu. Im Unterlassungsprozeß selbst wird der Kläger allein schon deswegen auf die konkrete Verletzungshandlung zurückgreifen, weil es fiir den Nachweis der Wiederholungsgefahr darauf ankommt, daß der vergangene Rechtsverstoß als rechtswidrig anzusehen ist. Denn aus der Rechtswidrigkeit wird nämlich eine widerlegbare Vermutung der Wiederholungsgefahr gefolgert, so daß die vergangene Handlung jedenfalls eine Indizfunktion erfiille 2 . Unstreitig besteht allerdings der Unterlassungsanspruch nicht nur bei Befiirchtung wiederholter Zuwiderhandlung, sondern über den Gesetzeswortlaut hinaus bereits schon bei erstmalig drohendem rechtswidrigem

30 BaumbachiHefermehl, Ein\. UWG Rn. 258; Henckel, AcP 174 (1974), s. 97, 99 f.; Zeuner in Festschrift für Dölle, S. 295, 310 ff.; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 6, 80 ff.; StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 193; ErmaniHefermehl, § 1004 Rn. 27; BGHZ 42, S. 340,345 f.; BGH DB 1974, S. 1429. 31 BaurlStürner, Sachenrecht, § 12 IV 2 a, S. 113; Soergel-Mühl, § 1004 Rn. 166, 168; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 80; ErmanlHefermehl, § 1004 Rn. 27. Ausführlich zum Begriff" weitere" (Beeinträchtigungen) StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 197. 32 Allgemeine Meinung, vg\. Borck, WRP 1984, S.583, 584; Ahrens, S.28; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 80; StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 200; ErmanlHefermehl, § 1004 Rn. 28; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 80; Schramm, Mitt. 1959, S. 260, 261; Soergel-Mühl, § 1004 Rn. 166; BGH GRUR 1955, S. 342, 345. Dies gelte insbesondere für das Wettbewerbsrecht, wo grundsätzlich jedes Handeln auf Wiederholung gerichtet sei, vg\. BaumbachiHefermehl, Ein\. UWG Rn. 263; OLG München WRP 1975, S. 683; BGH NJW 1996, S. 723, 724 = GRUR 1996, S. 290, 291; BGH GRUR 1955, S. 342, 345.

11. Unterlassungsrechtsschutz als vorbeugender Rechtsschutz

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Verhalten33 • Die Beeinträchtigungen, die der Berechtigte abzuwehren gedenkt, müssen entweder bereits vorhanden sein oder aber unmittelbar bevorstehen34 • Zu unterscheiden ist somit zwischen zwei qualitativ verschiedenen35 Unterlassungsanspruchen, dem Verletzungsunterlassungsanspruch und dem vorbeugenden36 Unterlassungsanspruch37 •

bb) Wiederholungs gefahr Materiell-rechtlich hat der gesetzliche38 Unterlassungsanspruch zwei Anforderungen zu genügen, damit das erkennende Gericht dem Unterlassungsbegehren nachkommen kann. Über die Rechtswidrigkeie 9 der vergangenen Handlungen hinaus bedarf es einer Beeinträchtigungsgefahr40 hinsichtlich jeder tenorierten zukünftigen Verletzung41 • Die Rechtsnatur dieser zukünftigen Gefahr ist allerdings seit langem umstritten. Während es mittlerweile als gefestigte Rechtsmeinung in Literatur und Rechtsprechung bezeichnet werden kann, daß die Beeinträchtigungsgefahr den materiell-rechtlichen Anspruch

Schreiber, Jura 1991, S. 333,334; Medicus, S. 461. Ahrens, S. 26. 35 Köhler, NJW 1992, S. 137. 36 Obwohl von einigen Autoren die Begriffswahl zu Recht kritisiert wird, weil schließlich jeder Unterlassungsanspruch vorbeuge (vgl. Medicus, S. 461; Baur, JZ 1966, S. 381, 382), wird im Rahmen dieser Untersuchung doch um der Unterscheidung willen terminologisch nur die Variante als vorbeugende Unterlassungsklage bezeichnet, die wegen einer erstmalig bevorstehenden Begehungsgefahr angestrengt wird. 37 Insoweit kann nicht auf eine einheitliche Begrifflichkeit in der Literatur verwiesen werden. Bisweilen werden die beiden Arten der Unterlassungsansprüche als echt bzw. unecht bezeichnet, vgl. Borck, WRP 1984, S.583, 584 oder man spricht von einem negatorischen im Gegensatz zu einem quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch (Oppermann, S.22 Fn. 23). Zum Zusammenspiel dieser beiden Varianten vgl. die eindrucksvollen Beispiele von Borck, GRUR 1991, S. 428 fT. 38 Der vertragliche Unterlassungsanspruch entsteht bereits mit Vertragsschluß. Einer Beeinträchtigungsgefahr bedarf es für die Anspruchsentstehung nicht. Näheres dazu bei Pohlmann, S. 362. 39 Vgl. PalandtlBassenge, § 1004 Rn. 9; kritisch dazu Münzberg, JZ 1967, S. 689, 690mwN. 40 Unter dem Oberbegriff Beeinträchtigungsgefahr werden die Wiederholungsgefahr des sog. Verletzungsunterlassungsanspruchs und die (Erst-)Begehungsgefahr des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs zusammengefaßt, die gleichzeitig einen Nachweis der Erforderlichkeit der Rechtsverfolgung entbehrlich machen, Ahrens, S. 27, 28; Oppermann, S. 22; Köhler, GRUR 1996, S. 82,89. Eine andere Terminologie verwendet Borck, WRP 1984, S. 583, 584. 41 Kramer, S. 153; Pohlmann, S. 362; Oppermann, WRP 1989, S. 713,714. 33

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§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

durch dieses zusätzliche Erfordernis einschränkt42, sehen einige Stimmen in der Literatur die Grundlage dieses Merkmals im prozeßrechtlichen Rechtsschutzbedürfnis 43 • Bei der Verletzungsunterlassungsklage ist dem prozessualen Vorgehen des Klägers bereits eine sein Schutzrecht verletzende Zuwiderhandlung vorangegangen44, und der Kläger befiirchtet nun weitere identische 4s Verletzungshandlungen. Mit dem Unterlassungsverlangen soll verhindern werden, daß ein bereits einmal offensichtlich gewordener Verstoß gegen das klägerische Schutzrecht zukünftig wiederholt wird46 • Zivilrechtlich durchsetzbar ist der zur Abwehr künftiger Rechtsverletzungen dienende Anspruch erst dann, wenn die Gefahr der Wiederholung einer bestimmten Störungshandlung47 , ein dem Schutzrecht Zuwiderhandelnder und ein Unterlassungsberechtigter auszumachen sind48 •

b) Vorbeugende Unterlassungsklage

aa) Begehungsgefahr Während es Ziel eines Verletzungsunterlassungsanspruchs ist, die Wiederholung einer vorangegangenen Rechtsverletzung in Zukunft zu verhindern, dient der vorbeugende Unterlassungsanspruch dann als Rechtsgrundlage, wenn 42 BGH GRUR 1983, S. 127, 128, "Vertragsstrafeversprechen"; BGH NJW 1990, S. 2469, 2470; BGH NJW 1995, S. 132; A. Blomeyer, S. 204,205; Pastor, GRUR 1969, S. 331,335; Steines, NJW 1988, S. 1359 ff.; Schreiber, Jura 1991, S. 333,334; StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 198; Köhler, GRUR 1989, S.804, 805; ders., NJW 1992, S. 137, 138; GloylSpätgens, S. 1118; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 82; RosenberglSchwablGottwald, Zivilprozeßrecht, § 92 2; SteiniJonaslSchumann, ZPO, vor § 253 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/AlberslHartmann, ZPO, § 253 Rn. 54; ErmanlHefermehl, § 1004 Rn. 28; PalandtlBassenge, § 1004 Rn. 29. 43 Vgl. etwa Melullis, S. 313; differenziert dagegen Henckel, AcP 174 (1974), S. 97, 142, 143 f. JauerniglJauernig, BGB, § 1004 4 b, wählt einen, allerdings inkonsequenten, Mittelweg: Grundsätzlich hält er die Beeinträchtigungsgefahren filr materielle Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs, deren Fehlen eine Unterlassungsklage unbegründet werden läßt. Werden die Gefahren allerdings nicht schlüssig behauptet, soll seiner Ansicht nach aber das Rechtsschutzbedürfnis fehlen und die Klage als unzulässig abzuweisen sein. 44 Schramm, Mitt. 1959, S. 260 f.; Borck, WRP 1984, S. 583. 4S Teplitzky, GRUR 1969, S. 331, 333. 46 Ahrens, S. 17; Pagen berg, GRUR 1976, S. 78, 79. 47 Wiederholungsgefahr besteht, wenn die Verletzungshandlung ernsthaft und greifbar zu befilrchten ist, BaumbachiHefermehl, Einl. UWG Rn. 259; Köhler, GRUR 1989, S. 804. 48 Kugelberg, S. 16; Ahrens, S. 24.

11. Unterlassungsrechtsschutz als vorbeugender Rechtsschutz

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sich der Gläubiger gegen andere, noch nicht geschehene Verletzungshandlungen schützen möchte49 . Alles, was über die Wiederholungshandlung hinausgeht, kann allein durch vorbeugende Unterlassungsklage erfaßt werden 50. Trifft der Störer Anstalten, gegen das geschützte Rechtsgut des Gläubigers zu verstoßen, ohne daß zuvor eine Rechtsbeeinträchtigung erfolgt ist5 \ ist es ihm nicht zuzumuten, die angekündigte Rechtsverletzung zunächst dulden zu müssen, bevor er entsprechende Abwehrmaßnahmen zu ergreifen imstande ist52 . Der Unterlassungsrechtsschutz kann die Aufgabe, dem Verletzten Schutz vor künftigen Verletzungshandlungen zu geben, nur dann erfilllen, wenn der Schutzumfang nicht nur dann eingreift, wenn bereits Verstöße zu verzeichnen sind, sondern bereits dann, wenn erstmals Zuwiderhandlungen zu befiirchten sind53 . Da mit jeder stattgebenden Unterlassungsentscheidung ein Eingriff in die Rechte des Verletzers verbunden ist, bedarf es bei der vorbeugenden Unterlassungsklage zur Anspruchsbegründung materiell-rechtlich damit der Geltendmachung einer sog. (Erst-)Begehungsgefahr54 • Darunter ist die unmittelbar drohende Gefahr einer Rechtsverletzung zu verstehen55 • Anders als beim Verletzungsunterlassungsanspruch erstreckt sich die Indizwirkung der ver49 Medicus, S.309, 461; Köhler, NJW 1992, S.137, 138; Pastor, GRUR 1969, S. 331,333; Borck, WRP 1984, S. 583,584, Baur, JZ 1966, S. 381. 50 Pastor, GRUR 1969, S. 331, 333. In der Praxis erweist sich diese Abgrenzung allerdings als schwierig. 5\ Die sog. Berühmung des Schuldners, Oppermann, S. 192 ff. 52 GloylSpätgens, S. 1118; StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 197; ErmanlHefermehl, § 1004 Rn. 27; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 80; BaumbachlHefermehl, Ein!. UWG Rn. 260 f.; Borck, WRP 1984, S.583, 584, Münzberg, JZ 1967, S.689; LarenziCanaris, Schuldrecht Besonderer Teil 11/2, § 87 II I, S.704, 705; BGHZ 42, S. 341,356. 53 StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 197, spricht von Rechtsfortbildung aus der Natur der Sache, weil der vorbeugende Rechtsschutz andernfalls ein Torso geblieben wäre. Vg!. auch Thomas, S. 5; Schramm, Mitt. 1959, S. 260,261. 54 Diese Gefahr wird entweder als Erstbegehungsgefahr (vg!. Borck, WRP 1984, S. 583, 584; JauerniglJauernig, BGB, § 1004 4 b; BGH GRUR 1995, S. 751, 752), Erstgefahr (StaudingerIGursky, § 1004 Rn. 197) oder nur als Begehungsgefahr bezeichnet, Köhler, NJW 1992, S. 137,138; z.T. auch ErmaniHefermehl, § 1004 Rn. 28. Da eine Wiederholung der identischen Verletzungshandlung unwahrscheinlich ist, handelt es sich aber bei nahezu sämtlichen in der Zukunft liegenden Beeinträchtigungen um die jeweils erstmalige, so daß dem Begriff der Begehungsgefahr der Vorzug einzuräumen ist, so auch Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 671 f. Als überholt wird die Ansicht zu gelten haben, die die Beeinträchtigungsgefahr als besonderes Element des Rechtsschutzinteresses ansieht, vg!. Pastor, GRUR 1969, S. 331, 333 f.; BaumbachlLauterbachlAlberslHartmann, ZPO, vor § 253 Rn. 54; anders aber Melullis, Handbuch, S. 317 ff. 55 Köhler, NJW 1992, S. 137, 139; Jauernig, Zwangsvollstreckung, § 27 IV; Medicus, S. 309,461. 4 Backsmeier

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§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

gangenen Rechtsverletzung nicht auch auf die anderen Verletzungshandlungen, vielmehr hat der Kläger den konkreten Nachweis zu filhren, daß Verstöße 'gegen seine Rechtsstellung ernsthaft zu befilrchten sind, die über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehen s6 .

bb) Notwendige Erweiterung des Schutzes Wenn auch dieser Rechtsschutz insbesondere in den Fällen der sog. Berühmung, einer Äußerung des Schuldners, in der er behauptet, zu dem streitgegenständlichen Verhalten berechtigt zu seinS?, diskutiert wird, so darf das doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß in der Rechtspraxis bei nahezu jedem Unterlassungsbegehren Elemente der vorbeugenden Unterlassungsklage eine Rolle spielen, da die vorbeugende Unterlassungsklage die Unterlassungsklage wegen Wiederholungsgefahr nicht verdrängen, sondern im Gegenteil ergänzen will s8 . Ist bereits eine Zuwiderhandlung erfolgt, wird es dem Gläubiger im Regelfall nicht ausreichen, gerichtlichen Schutz lediglich vor den identischen Wiederholungshandlungen zu erhalten, zurnal es unwahrscheinlich erscheint, daß sich die konkrete Verletzungshandlung auf dieselbe Art und Weise wiederholtS9 . Die in der Zukunft liegenden Verletzungshandlungen sind vielfiiltigen Variationen zugänglich, die sich schwerlich in geeignete Formulierungen fassen lassen. Allein in sprachlicher Hinsicht kann durch Einfilgen oder Streichen einzelner Worte der Verbotsumfang verändert werden. Der Schuldner, der regelmäßig ein eigenes Interesse an der Fortsetzung seiner Vorgehensweise hat, würde dementsprechend möglicherweise zwar die beanstandete Handlung zukünftig aussparen. Gleichzeitig würde er aber nach Möglichkeiten suchen, die untersagten Handlungen durch geringfilgige Variationen so zu umgehen, daß der Verbotsbereich nicht mehr tangiert würde60 •

S6 Schnepel, WRP 1994, S.467, 468; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 221; OLG Saarbrücken, WRP 1990, S. 549, 552, "Sektsonderangebot". S7 StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 222; Borck, WRP 1984, S. 583, 584; Oppermann, S. 192 ff.; Ahrens, S. 30; Teplitzky, GRUR 1989, S. 461, 462; Köhler, NJW 1992, S. 137, 139; Melullis, S. 328; BaumbachiHefermehl, Ein!. UWG Rn. 260; BGH GRUR 1987, S. 125, 126, "BeTÜhmung" = NJW-RR 1987, S.288; BGH WRP 1995, S. 682, 686; BGH GRUR 1962, S. 34 ff., "Torsana". S8 Borck, WRP 1984, S. 583, 584. S9 Pagenberg, GRUR 1976, S. 78 ff. 60 Borck, WPR 1977, S. 180,185; ders., WRP 1979, S. 180,185.

11. Unterlassungsrechtsschutz als vorbeugender Rechtsschutz

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Die gesamte Problematik vennag die "karo-as" - Entscheidung 61 des Bundesgerichtshofs zu illustrieren: Die Klägerin, eine Fahrschule, die unter der Bezeichnung "karo-as" firmiert, klagte auf Unterlassung gegen eine konkurrierende Fahrschule, die zur Kennzeichnung seines Unternehmens die Bezeichnung "pik-sieben" verwendete. Beide Parteien versahen mit der Bezeichnung unter Hinzurugung der Abbildung der jeweiligen französischen Spielkarte auch ihre Drucksachen, Prospekte und sonstiges Werbematerial. Der Kläger beanstandete die Führung des "pik-sieben" - Zeichens als verwechslungsfähig und irrefiihrend im Sinne von § 16 UWG und begehrte mit seiner Klage, die Beklagte zu verurteilen, 1. es zu unterlassen, zur Bezeichnung ihrer Fahrschule an ihrem Geschäftslokal, an ihren Wagen auf Drucksachen und in ihrer Werbung die Bezeichnung "pik-sieben" und / oder die Abbildung einer französischen Spielkarte oder eines einer solchen ähnelnden Bildes zu verwenden, 2.

die Worte "pik-sieben" in der Bezeichnung ihrer eingetragenen Firma zu löschen.

Soweit der Bundesgerichtshof die Verwechslungsfähigkeit der Verwendung des Firmennamens "pik-sieben" bejahte und insoweit eine Unterlassungspflicht der Beklagten aussprach, konnte er sich auf die Indizwirkung der konkret als rechtswidrig erkannten vorangegangenen Rechtsverletzung berufen. Der Senat gab im Ergebnis jedoch darüber hinaus dem Antrag in vollem Umfang statt und untersagte der Beklagten die Verwendung der Abbildung einer französischen Spielkarte überhaupt. Da mit diesem Teil des Begehrens Handlungen untersagt werden sollten, die sich tatsächlich von der gerügten Verletzungshandlung unterschieden, kam diesbezüglich nur ein vorbeugender Unterlassungsanspruch in Betracht mit der Konsequenz des konkreten Nachweiserfordernisses der Begehungsgefahr, die grundsätzlich nicht durch die Wiederholungshandlung indiziert wird. Obwohl das Gericht den Beweis nicht ausdrücklich eingefordert hat, ist letztlich die antragsgemäße Entscheidung nicht zu beanstanden. In den Prozeß Eingang gefunden hat nämlich auch ein vorhergehendes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Dort war der Beklagten bereits durch einstweilige Verrugung untersagt worden, zur Kennzeichnung ihrer Fahrschule die Bezeichnung "Herz-As" unter Nachbildung einer Herz-As-Karte zu verwenden. Erst als dieses Verbot den Beklagten zum Handeln zwang, bildete er den Firmennamen um in "pik-sieben". Da die Beklagte somit bereits zwei verwechslungsfahige Spielkarten und dementsprechende Bezeichnungen zur Werbung verwendete, war rur das Gericht der erforderliche Nachweis der Begehungsgefahr geführt. Ohne ein erweitertes Verbot wäre der Klägerin ennöglicht worden, unter 6\

BGH GRUR 1957, S. 281 ff., "karo-as".

§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

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Verwendung weiterer Spielkarten erneut gegen wettbewerbsrechtliche Grundsätze zu verstoßen, ohne Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein. Aus der Analyse dieses Falles erschließt sich die Beobachtung, daß beide Anspruchsarten, der Verletzungsunterlassungsanspruch und der vorbeugende Unterlassungsanspruch auch nebeneinander bestehen können62 , in einer Vielzahl der Fälle sogar ineinander übergehen 63 , wobei letztlich immer nur von einer Unterlassungsklage auszugehen ist, der ein oder mehrere Unterlassungsansprüche zugrunde liegen64 • Zum anderen verdeutlicht dieser Lebenssachverhalt die gesamte Problematik hinsichtlich AntragsteIlung und Urteilsfassung von Unterlassungsansprüchen. Hätte die Klägerin nur die Verwendung der Bezeichnung "pik-sieben" gerichtlich untersagen lassen können, wäre dem Rechtsmißbrauch Tür und Tor geöffuet. Ohne gegen den Urteilstenor tatsächlich zu verstoßen, wäre die Beklagte imstande gewesen, ihren Firmennamen von sämtlichen Spielkarten des französischen Blattes abzuleiten und somit der Klägerin immensen Schaden zuzufügen. Daß daher ein dringendes Bedürfnis bestand, den Rechtsschutz des Verletzten zu verbessern, liegt auf der Hand. Dabei bereiten gerade die hier als Umgehungshandlungen bezeichneten Zuwiderhandlungen, die der konkreten Rechtsverletzung ähneln, mit ihr aber nicht identisch sind, die größten Schwierigkeiten.

2. Umgehungshandlungen als "andere Handlungen" ? a) Abgrenzung nach Kernbereichen

Möchte der Gläubiger erreichen, daß dem Beklagten neben der konkreten Verletzungshandlung auch Umgehungshandlungen untersagt werden, Handlungen also, die nur geringfügig von der gerügten Verletzungshandlung abweichen, die aber keine reinen Wiederholungshandlungen darstellen, stellt sich zunächst die Frage, wie weit und umfassend er seinen Klageantrag zu formulieren hat, damit ihm derartig effektiver Rechtsschutz zugute kommt. Streng genommen begehrt der Kläger neben dem Verbot der identischen Wiederholungshandlung zusätzlich die Untersagung ähnlich strukturierter Handlungen, müßte somit eine Unterlassungsklage anhängig machen, die neben der Verletzungsunterlassungsklage auch Elemente der vorbeugenden Unter-

Melullis, S. 317 ff. Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S.670, 671; Köhler, NJW 1992, S. 137, 139. Schwer voneinander zu trennen sind die Unteriassungsarten insbesondere dann, wenn man sie im Lichte der Kemtheorie betrachtet, da dieses Rechtsinstitut die Konturen durch Ausweitung des jeweiligen Schutzumfangs verwischt, dazu unten § 4. 64 Ritter, S. 43. 62 63

II. Unterlassungsrechtsschutz als vorbeugender Rechtsschutz

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lassungsklage beinhaltet; er tut daher gut daran, seine Klage dementsprechend "weit" zu formulieren 65 • Im Prozeß selbst begegnen ihm indes Schwierigkeiten. Während er mit der Schilderung der beanstandeten Rechtsverletzung ein widerlegbares Indiz rur die Gefahr der Wiederholung einer bereits geschehenen Verletzungshandlung mitliefert66, gilt gerade diese Vermutung bei der Besorgnis erstmaliger Begehung hinsichtlich anderer als Wiederholungshandlungen nicht67 • Vielmehr hat der Kläger hier die Umstände des Einzelfalls darzulegen, was bedeutet, daß er, um dem Gericht die Geflihrdung nachweisen zu können, quasi hell seherisch die Handlungsabsichten des Schuldners voraussehen müßte 68 • Wenn sich die drohende Verletzungshandlung noch nicht "so konkret abzeichnet, daß eine zuverlässige rechtliche Beurteilung möglich ist", soll es an einer Begehungsgefahr fehlen 69 • Hierbei reicht die bloße Möglichkeit einer künftigen Verletzungshandlung nicht aus, vielmehr müssen konkrete Fakten vorliegen, aus denen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, daßein Eingriff drohend bevorsteheo. Da dem Gläubiger dieser Nachweis allerdings nur ausnahmsweise gelingen wird, bleibt es regelmäßig bei der Verurteilung im Rahmen des Verletzungsunterlassungsanspruchs 71. Dieser mißlichen Situation entgeht die Mehrzahl der Stimmen in Rechtsprechung und Literatur72 , indem sie den Umgehungshandlungen den Charakter als im Vergleich zur konkreten Verletzungshandlung "andere Handlungen" abspricht. Qualifiziert werden sie dieser Ansicht nach sowohl rechtlich als auch

65 Wie sich später zeigen wird, steht diese Empfehlung zur "weiten Antragsformulierung" im Gegensatz zu den praktizierten Anwendungen der Kemlehre. 66 BGH GRUR 1955, S.342, 345; BaumbachiHefermehl, Ein\. UWG Rn. 263; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 80, 81; StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 200; ErmaniHefermehl, § 1004 Rn. 28; Soergel-Mühl, § 1004 Rn. 166. 67 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 235. In der "Kabinettweinentscheidung", BGH GRUR 1987, S. 371,373 = WRP 1987, S. 461 fT., spricht sich der BGH obiter dictum jedoch dafür aus, im Zweifelsfall eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Beklagten eingreifen zu lassen, da sich die Verallgemeinerung in Form eines umfassenden Unterlassungsantrags als zulässige Verallgemeinerung der konkreten Verletzungshandlung darstellt. Faktisch bedeutet das, daß die gerügte Rechtsverletzung auch eine Indizwirkung rur über die Wiederholungshandlung hinausgehende andere Handlungen hat. Kramer, S. 214 fT., will dagegen die Umgehungshandlungen mit einer neu zu definierenden "Rechtsbeeinträchtigungsgefahr" umfassen; kritisch dazu Melullis, GRUR 1982, S. 441, 442. 68 Borck, WRP 1984, S. 583, 584. So auch im Ergebnis Seiter, EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG; Loritz, SAE 1988, S. 187, 188. 69 Ahrens, S. 28; BGH GRUR 1973, S. 201, "Trollinger". 70 BaumbachiHefermehl, Ein\. UWG Rn. 297. 71 Borck, WRP 1984, S. 583, 584. 72 Vg\. nur Köhler, NJW 1992, S. 137, 138; BGH NJW 1989, S. 1545.

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§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

tatsächlich als reine Wiederholungshandlungen, deren Verbot ausschließlich im Rahmen der Verletzungsunterlassungsklage zu erreichen ist. Konsequenterweise wird daher für die Untersagung hinsichtlich der nur geringfügig von der beanstandeten rechtswidrigen Verletzungshandlung abweichenden Kernhandlungen in materiell-rechtlicher Hinsicht lediglich das Vorliegen der Wiederholungsgefahr gefordert73 • Insbesondere der Bundesgerichtshof74 hat sich zu dieser Rechtsfrage dahingehend geäußert, daß er allein in der Wiederholungsgefahr den rechtlichen Ausgangspunkt dafür sieht, Erweiterungen eines Unterlassungsbegehrens über die ganz konkrete Form der begangenen Handlung hinaus zuzulassen. So hat er deutlich gemacht, daß eine bereits begangene Rechtsverletzung seine Vermutungswirkung auf weitergehende, (also über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehende) Zuwiderhandlungen erstreckt. Auch Pastor7S ist dieser Auffassung. Seiner Ansicht nach liegen die Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse des Unterlassungsgläubigers an einer gewissen Verallgemeinerung anzuerkennen ist, im Vorfeld des vorbeugenden Unterlassungs anspruchs 76 • Die über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehenden Umgehungshandlungen seien nicht mit den materiell-rechtlichen Grundlagen der Begehungsgefahr bei der vorbeugenden Unterlassungsklage in Beziehung zu setzen. Nach der rechtlichen Einordnung der zu untersagenden Handlungen entscheidet sich, welche Anforderungen an die materiell-rechtliche BegrUndetheit zu stellen sind77 • Sind die Umgehungshandlungen als Wiederholungshand-

73 Vgl. Teplitzky, GRUR 1989, S.461, 462; Borck, WRP 1984, S.538, 568; BaumbachiHefermehl, Einl. UWG Rn. 265, 438; unklar BGH NJW 1996, S. 723, 724 = GRUR 1996, S. 290, 291. 74 BGH GRUR 1989, S. 445 f., "Professorenbezeichnung in der Arztwerbung"; derselben Auffassung war der BGH bereits zuvor in GRUR 1984, S. 593, 594, "adidasSportartikel". 75 Pastor, Der Unterlassungsprozeß, S. 677. Ritter, S. 108, unterscheidet ebenfalls zwischen prozeßrechtlicher und materiell-rechtlicher Verallgemeinerung und führt dazu aus, die prozeßrechtliche Verallgemeinerung führe durch einen erweiterten Urteilsausspruch lediglich bereits im Erkenntnisverfahren das aus, was ansonsten Aufgabe des Vollstreckungsgerichts sei: die "Auslegung" des Urteilstenors durch Erstreckung des Schutzumfangs der (tenorierten) Verletzungshandlung auf ihren Kembereich. Unabhängig davon, wie diese Variante der Kemlehre bezeichnet wird, geht es aber vielmehr gerade darum zu hinterfragen, ob es zulässig ist, daß "prozeßrechtlich" ein erweiterter Schutzumfang ausgemacht wird, ohne daß es dafür eine sachlich-rechtliche Grundlage gibt. 76 A.A. BGH GRUR 1987, S. 371, 373 = WRP 1987, S. 461 ff., "Kabinettwein". Dort hatte es das Gericht festgestellt, daß die eingetretene Rechtsverletzung Vermutungswirkung auch für gleichartige zukünftige Verletzungshandlung entwickelt. 77 Vgl. dazu § 311 I.

H. Unterlassungsrechtsschutz als vorbeugender Rechtsschutz

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lungen zu qualifizieren, kommt dem Gläubiger die Vermutungswirkung der konkreten Verletzungshandlung zugute. Handelt es sich um andere Handlungen, wird er sich schwer tun, im Prozeß den Nachweis der konkreten Begehungsgefahr zu erbringen. Nicht zuletzt deswegen ist die Frage, ob es sich bereits schon dann um eine andere Handlung handelt, wenn von der konkreten Verletzungshandlung geringfügig abgewichen wird, von grundlegender Bedeutung. Die Abgrenzung zwischen einer die charakteristischen Handlungsmerkmale noch aufweisenden Umgehungshandlung und einer bereits "anderen Handlung" soll der herrschenden Ansicht zufolge unter Zuhilfenahme der Kerntheorie erfolgen: Nach dieser Theorie wird eine geringfügige spätere Abänderung des ursprünglichen Eingriffs von der Verbotswirkung des Urteils dann erfaßt, wenn die Variation im Kern der Verletzungshandlung entspriches. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen den vorzunehmenden Vergleich als "Herausschälen des Kerns des Unrechtsgehalts der bereits begangenen Verstöße,,79 bezeichnet, in denen "das Charakteristische" der festgestellten Verletzungstatbestände zum Ausdruck kommen mußso.

b) Natürliche Betrachtungsweise

Während die Frage, inwieweit durch die Einführung der Kemlehre gegen zwingende Rechtsgrundsätze SI verstoßen wird, an späterer Stelie s2 Gegenstand der Untersuchung sein wird, gilt es hier zunächst einmal zu untersuchen, ob die Anwendung dieser von der Rechtsprechung befürworteten Ausdehnung der Indizwirkung in der aufgezeigten Art und Weise unter Anerkennung der unbestreitbar bestehenden und aufgezeigten Rechtsschutzproblernatik überhaupt geeignet und erforderlich ist. Der Rechtsprechung ist uneingeschränkt dahingehend zuzustimmen, daß dem Unterlassungs gläubiger ein Rechtsschutz zuzubilligen ist, an dessen Ende eine Tenorierung steht, die zum einen den Klagegegenstand vollumflinglich bescheidet und zum anderen weitere Prozesse bei nahezu identischer Sachlage

78 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S.666, 667; BGH GRUR 1991, S. 138 f., "Flacon"; OLG Celle WRP 1972, S. 204. 79 BGH GRUR 1961, S. 288,290, "Zahnbürsten"; BGH GRUR 1957, S.606, 608, .,Heilmittelvertrieb"; BGH GRUR 1963, S. 218,220, "Mampe Halb und Halb 11". 80 Oppermann, S. 39. 8\ Z. B. gegen den Dispositionsgrundsatz, die Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren und das Gebot "Ne ultra petita" gemäß § 308 ZPO. 82 Vgl. dazu § 4 H 5., III 3.

§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

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vermeiden hilft 83 • Insbesondere ist an den Schutz des Gläubigers vor denjenigen hartnäckigen Unterlassungsschuldnern zu denken, die jedes Verbot mit einer abgewandelten Verletzungshandlung beantworten. Auf den ersten Blick scheint die Vorgehensweise der Rechtsprechung geeignet, hier Abhilfe zu schaffen: Wenn als nachträgliches Korrektiv die Handlungsvarianten mit identischen Wiederholungshandlungen gleichstellt werden und nicht in der schwer nachzuweisenden Begehungsgefahr der rechtliche Anknüpfungspunkt gesucht wird, wird dem Kläger eine ansonsten unmögliche Individualisierung erspart. Kritisch zu betrachten ist zunächst der der Kemlehre zugrundeliegende Ansatzpunkt. Entgegen der Auffassung der Rechtsprechung ergibt sich bereits aus der Natur der Sache, daß eine Handlung, die, wenn auch nur geringfügig, von der gerügten Verletzungshandlung abweicht, tatsächlich keine Wiederholung der ersten Handlung darstellt84 . Es handelt sich sowohl rechtlich als auch tatsächlich um andere Handlungen. Der Gesetzgeber, der sich in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich der Voraussetzungen des Verletzungsunterlassungsanspruchs annahm, tat dies nicht ohne Grund. Dem Gläubiger sollte gerade nur dann ein gerichtlich einklagbares Recht zustehen, wenn er bereits dieselbe Verletzungshandlung erduldet hat 8s • Nur ausnahmsweise und unter der strengen Voraussetzung des positiven Nachweises der Begehungsgefahr sollte dem Gläubiger im Vorfeld beeinträchtigender Handlungen Schutz zukommen. Wenn die Rechtsprechung durch Anwendung der Kemlehre den beiden Begriffen Wiederholungs- und Umgehungshandlung nunmehr keine unterschiedliche Bedeutung zuschreibt, schafft dies ein neuerliches Problem, nämlich das der Abgrenzung dieser beiden Begriffe zu den "anderen Verletzungshandlungen". Nunmehr ist, wiederum insbesondere im Hinblick auf die differierenden Anforderungen des materiellen Rechts, die Kemhandlung, die dann faktisch als Wiederholungshandlung deklariert wird, unter anderen Verletzungshandlungen herauszufiltern. Im Grunde genommen ist daher die Problemverlagerung, die die Rechtsprechung mit der rechtlichen Gleichbehandlung von Umgehungshandlung und Wiederholungshandlung vollzieht, nur vordergründig von Nutzen. Durch Verschiebung der Abgrenzungsproblematik vergrößert sich aber letztlich nur die Rechtsunsicherheit bei den Rechtssuchenden.

Vgl. dazu die Beispiele von Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 80. Kramer, S. 47. 85 Borck, WRP 1991, S. 428,429; kritisch Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 80, fiir den es sich aufgrund des Wesens des vorbeugenden Unterlassungsrechtsschutzes verbietet, dem Opfer zuzumuten, den Schaden jedesmal erst zu erleiden und erst dann Gerichtsschutz suchen zu können. 83

84

III. Eigener Lösungsansatz

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c) Unbestimmbare Grenzen des Kernbereichs

Trotz anerkennenswerter Verbesserungsversuche im Hinblick auf den Rechtsschutz des Klägers darf zudem auch die Situation des Beklagten nicht außer acht gelassen werden. Teilt man nämlich die obige Auffassung der herrschenden Ansicht, muß man zugleich akzeptieren, daß der Beklagte durch die Erstreckung des Unterlassungsgebots möglicherweise über Gebühr in seiner Handlungsfreiheit beschränkt wird86 , da er zu keinem Zeitpunkt in der Lage war, dessen Reichweite zu ermessen8? Bereits bei der Analyse des Begriffs "Kembereich" wird deutlich, daß es sich um einen auslegungsbedUrftigen Begriffhandelt88 , dessen Umfang von keiner Prozeßpartei klar definiert und abgegrenzt werden kann 89 • Folglich besteht die Gefahr, den Schuldner während des gesamten Unterlassungsprozesses in seiner Verteidigung zu beschränken und ihm das rechtliche Gehör diesbezüglich zu verwehren. Erst im Laufe der Zeit, nämlich dann, wenn erste Vollstreckungsmaßnahmen wegen eines Verstoßes gegen den geschützten Kembereich anstehen, wird es nach und nach möglich sein, den wahren Umfang des mit der Verletzungsunterlassungsklage erstrittenen Verbotsurteils zu erahnen. Wann eine neue Ausfiihrungsform noch unter den Titel fällt, ist durch Auslegung im Beschlußverfahren zu bestinunen9o .

llI. Eigener Lösungsansatz 1. Abwägung der gegensätzlichen Interessen

Unbestritten muß es dem Unterlassungskläger aber möglich sein, im anzustrengenden Unterlassungsprozeß auch ausreichenden Schutz vor rechtswidrigen Umgehungshandlungen zu erlangen. Einem Konzertveranstalter beispielsweise 91 lediglich zu verbieten, das bereits veranstaltete Konzert "zu wiederholen", da zum Repertoire Musikstücke gehören, fiir die eine spezifische Verwertungsgesellschaft die Rechte wahrninunt, erscheint nur wenig geeignet. Während dem Verletzer fiir die konkrete Veranstaltung bereits sämtlicher Gewinn durch den Eintrittskartenverkauf zugeflossen ist, wird er möglicherBorck, WRP 1965, S. 49, 53. Oppermann. S. 26. 88 SteinlJonaslBrehm, ZPO, § 890 Rn. 33. 89 Borck, WRP 1984, S. 583, 586; ders., WRP 1979, S. 180, 184; SteinlJonaslBrehm, ZPO, § 890 Rn. 33; Melissinos, S. 154 ff. 90 SteinlJonaslBrehm, ZPO, § 890 Rn. 10, 33. 91 V gl. dieses und andere anschauliche Beispiele bei Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 81. 86 87

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§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

weise zukünftig Konzertveranstaltungen unter Verwendung anderer als der beanstandeten Werke des Rechtsinhabers organisieren und somit erneut, im obigen Sinne aber erstmalig, die Rechte der Verwertungs gesellschaft beeinträchtigen. Die rechtliche Schwierigkeit, die es auf den Punkt zu bringen und die es zu überwinden gilt, liegt also eigentlich darin, daß der Kläger einer Verletzungsunterlassungsklage auf die vorangegangene Verletzungshandlung als Indiz92 rur zukünftige Rechtsverletzung zurückgreifen kann, während er sich im Rahmen der vorbeugenden Unterlassungsklage auf gefahrbegründende Umstände außerhalb einer konkreten Handlung stützen muß93 • IdentifIzierte man, anders als die herrschende Ansicht, auch etwaige Zuwiderhandlungen als andere Handlungen, bestünde die Gefahr, daß der Kläger mangels geeigneten Nachweises der Gefahr konkret bevorstehender Umgehungshandlungen ein Verbot derselben nicht erreichen könnte. Dem offensichtlich bestehenden dringenden Bedürfnis nach weitergehendem Schutz des Verletzten ist der Grundsatz der Notwendigkeit eines fairen Verfahrens fiir den Beklagten gegenüberzustellen. Damit jederzeit ermittelbar ist, was der Gläubiger begehrt und worüber das Gericht zur Entscheidung aufgerufen ist, erscheint eine eindeutige Umschreibung des Klagegegenstandes durch eine konkrete klägerseitige AntragsteIlung unabdingbar. Der Beklagte muß jederzeit in der Lage sein, sich umfassend, auch hinsichtlich der zukünftigen "anderen Handlungen", zu verteidigen, sofern sie in den Unterlassungsprozeß mit einbezogen sind. Bezieht sich der Antrag nicht nur auf die konkrete Verletzungs handlung, sondern will der Verletzte darüber hinaus die Umgehungshandlungen als vom Verbot umfaßt sehen, hat er dieses durch entsprechend erweiterten Klageantrag darzustellen. Betrachtet man die aufgezeigten Schwierigkeiten, wird man letztlich nicht umhin kommen, eine Abwägung der widerstreitenden Interessen von Gläubiger und Schuldner vorzunehmen. Der Gedanke, im Bereich des Unterlassungsrechtsstreits mit Kernbereichen zu operieren, stellt sich nur dann als sinnvolle Möglichkeit dar, wenn die prozeßrechtlichen Maximen nicht mißachtet werden.

92 StaudingeriGursky, BGB, § 1004 Rn. 200; EsserlWeyers, Schuldrecht, Band 11 Besonderer Teil -, § 62 11; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 80, 82; Ermanl Hefermehl, § 1004 Rn. 28; PalandtlBassenge, § 1004 Rn. 29; Henckel. AcP 174, S. 120 ff.; Pagenberg, GRUR 1976, S. 78,81. 93 Schnepel, WRP 1994, S. 467, 468; Ahrens, S. 27,28.

III. Eigener Lösungsansatz

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2. Beibehaltung der Trennung, aber Erstreckung der Indizwirkung

Anstatt zu versuchen, den Schutzbereich der Wiederholungsgefahr auch auf Umgehungshandlungen auszudehnen, die tatsächlich "andere Handlungen" im Sinne des Unterlassungsrechts darstellen und damit die Bedeutung des Begriffs der Wiederholung zu verwischen, sollte die klare Trennlinie zwischen der die identische Wiederholungshandlung betreffenden Verletzungsunterlassungsklage und der sich auf andere Handlungen beziehenden vorbeugenden Unterlassungsklage beibehalten werden94 • Auch eine Umgehungshandlung, die nur geringfügig von der konkreten Verletzungshandlung abweicht, ist im Wege der vorbeugenden Unterlassungsklage geltend zu machen mit der Folge, daß von Seiten des Klägers grundsätzlich eine dementsprechende Begehungsgefahr nachzuweisen ist. Soll mit der für die Rechtssicherheit und -klarheit unverzichtbaren eindeutigen Trennung der Begriffiichkeiten Wiederholungs handlung und Umgehungshandlung der Schutz des Beklagten gewährleistet werden, gilt es nun, auch dem klägerischen Anliegen entgegenzukommen. Die oben beschriebene Einteilung wäre für den Kläger bei der Rechtsverfolgung mit erheblichen Einschränkungen verbunden, weil er regelmäßig nicht imstande wäre, hinsichtlich der Umgehungshandlungen die dann notwendig werdende materiell-rechtliche Begehungsgefahr nachzuweisen. Da diese Regelung daher einer Korrektur bedarf, bietet es sich an dieser Stelle an, auf die Ansätze der Rechtsprechung, die zur Entwicklung der Kernlehre geführt haben, zurückzugreifen. Wie bereits ausgeführt, kommt dem Verletzungsunterlassungskläger eine gewisse Indizwirkung der vergangenen Verletzungshandlung zugute, die bewirkt, daß die Wiederholungsgefahr nicht mehr ausdrücklich nachgewiesen werden muß. Es liegt dementsprechend nahe, diese Verrnutungswirkung im Einzelfall auch in bezug auf andere Verletzungshandlungen eingreifen zu lassen, sofern diese im Kernbereich der konkreten Verletzungshandlung entsprechen. Letztlich bedeutet dies, daß die vergangene Rechtsverletzung auch Indizwirkung für andere im Kernbereich der Verletzungshandlung liegenden Handlungen haben kann95 • 94 Innerhalb des einstweiligen Unterlassungsrechtsschutzes wird diese Abgrenzung offenbar auch vorgenommen. So wird eine erneute einstweilige Verfügung auch dann erlassen, wenn der Beklagte seine konkrete Verletzungshandlung in leicht abgewandelter Form verletzt. Handelte es sich um eine identische, bereits von der ersten Verfügung umfaßte Handlung, dürfte konsequenterweise keine neuerliche erlassen werden, sondern müßte richtigerweise Strafantrag gestellt werden, vgl. dazu Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 79. 95 A.A. Teplitzky, GRUR 1989, S. 461, 466. Unter Anführung einer neueren BGHEntscheidung, GRUR 1989, S. 445 ff., "Professorenbezeichnung in der Arztwerbung", vertritt er die Auffassung, daß die Zulassung von Erweiterungen eines

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§ 3 Materiell-rechtliche Grundlagen des Unterlassungsanspruchs

Der Bundesgerichtshof beschreitet im Endeffekt in der "Kabinettwein-Entscheidung,,96 in Form eines obiter dictum diesen Weg, ohne allerdings deutlich zu machen, daß diese Vorgehensweise mit den Grundlagen der ursprünglich entwickelten Kernlehre im Widerspruch steht. Das Gericht stellte dort fest, daß sich ein umfassender Unterlassungsantrag (hier bezog sich der Antrag auf sämtliche Waren eines Warenhauses, die mindestens zwei Tage vorrätig sein sollten, wenn der Beklagte, das Warenhaus, mit einem Sonderangebot wirbt) als zulässige Verallgemeinerung der konkreten Verletzungsform darstellen kann, daß dann aber der Beklagte im Wege der Beweislastumkehr geltend machen muß, daß "aufgrund des in Rede stehenden Wettbewerbsverstoßes nicht auf eine (Erst-)Begehungsgefahr hinsichtlich anderer Waren und hinsichtlich anderer Fälle geschlossen werden kann". Eines soll an dieser Stelle jedoch festgehalten werden: Im Grundsatz bleibt es dabei, daß entgegen der überwiegenden Ansicht sämtliche Umgehungshandlungen den Regelungen der vorbeugenden Unterlassungsklage unterfallen und nicht etwa nach den Regeln der Verletzungsunterlassungsklage geltend zu machen sind. Bedeutung gewinnt diese Unterscheidung dann, wenn sich die Parteien um Zweifelsfalle und Abgrenzungsfragen streiten, insbesondere um die Einschätzung, ob eine Handlung noch als von der Indizwirkung umfaßte Umgehungshandlung oder bereits als andere Handlung zu qualifIZieren ist. In diesen Fällen ist zugunsten der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit immer dahingehend zu entscheiden, daß es sich im Zweifel um eine andere Handlung als die Wiederholungshandlung handelt und der Nachweis der Begehungsgefahr daher unverzichtbar ist. Insofern muß der Schutz des Unterlassungsschuldners vor einem unzulässigen Eingriff in seine Rechtsstellungen Vorrang vor dem Rechtsschutzbegehren des Klägers haben.

3. Fazit Angesichts der Ergebnisse der vorangegangenen Analyse erscheint eine klare Trennung zwischen der die Wiederholungshandlungen betreffenden Verletzungsunterlassungsklage und der die anderen Handlungen umfassenden vorUnterlassungsbegehrens über die ganz konkrete Form der begangenen Handlung ihren rechtlichen Ausgangspunkt in der Wiederholungsgefahr hat. Eine derartige Aussage trifft die angefilhrte BGH-Entscheidung allerdings gerade nicht. Der BGH filhrt diesbezüglich aus: "Dem (der Zulässigkeit der Verallgemeinerung) liegt zugrunde, daß eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten läßt, sondern auch eine Vermutung filr die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen begründet.". 96 BGH GRUR 1987, S. 371, 373 = WRP 1987, S. 461 ff., "Kabinettwein".

III. Eigener Lösungsansatz

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beugenden Unterlassungsklage unerläßlich, weil beide an unterschiedliche materiell-rechtliche Voraussetzungen gebunden sind. Lediglich im Bereich derjenigen Handlungen, die in wesentlichen Kernpunkten der konkreten Verletzungshandlung gleichen, ohne jedoch mit ihr identisch zu sein, ist es angebracht, die sachlich-rechtliche Voraussetzung des positiven Nachweises der Begehungsgefahr im Einzelfall zu entschärfen, indem auch hier bereits die rechtswidrige Verletzungshandlung als Indiz für die bevorstehende Beeinträchtigung angesehen wird. Dies ist zur Vervollkommnung des Rechtsschutzes des Klägers erforderlich. Die konkret geschehene Verletzungshandlung indiziert daher nicht nur die Wiederholungsgefahr, sondern bisweilen auch die Begehungsgefahr in bezug auf diejenigen Handlungen, die im sich im Kernbereich der konkreten Verletzungshandlung befinden. Lag der Schwerpunkt in diesem Abschnitt auf der differenzierten Darstellung der unterschiedlichen materiellen Anforderungen der beiden Erscheinungsformen des Unterlassungsanspruchs, so soll im folgenden das Augenmerk verstärkt auf das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut der Kernlehre an sich gelegt werden. In diesem Bereich gilt es herauszufmden, inwieweit es dem Gericht in eigener Kompetenz möglich ist, den Urteilstenor derart zu gestalten, daß dem Kläger ein größtmögliches Maß an Rechtsschutz gewährleistet wird. Ferner ist dabei von Interesse, ob und inwieweit das Gericht dabei an eine konkrete klägerische Antragstellung gebunden ist.

§ 4 Die Kernlebre I. Zielsetzung Der Unterlassungsrechtsschutz macht nur dann Sinn, wenn auf die Willensbildung des Unterlassungsschuldners Druck ausgeübt wird'. Ziel jeglichen gerichtlichen Tätigwerdens muß daher in erster Linie die Durchsetzung einmal getroffener Entscheidungen im Wege der von Seiten des Gläubigers in Gang zu setzenden Vollstreckung2 sein. Ein einmal existenter und rechtskräftiger Unterlassungstitee stellt zwar für den Vollstreckungsschuldner eine Dauerverpflichtung zum Unterlassen dar4 , je mehr Zeit jedoch zwischen dem Erlaß des Unterlassungsurteils und einem etwaigen Verstoß dagegen vergangen ist, desto schwieriger ist es für das Vollstreckungsgericht, beispielsweise aufgrund veränderter Umstände, festzustellen, ob in der erneuten Handlung ein Verstoß gegen das Unterlassungsurteil vorliegt. Eine abschließende Beurteilung dessen, ob das beantragte und tenorierte Verbot ausreichenden Rechtsschutz gewähren konnte, ist, da das Begehren des Unterlassungsgläubigers auf die Zukunft gerichtet ist, jeweils nur nachträglich, also nach einer erneut begangenen Pflichtverletzung, möglich, zum al dieselbe Handlung zu verschiedenen Zeitpunkten in seiner Ausgestaltung und Wirkung anders zu beurteilen sein kann. Erst im Rückblick zeigt sich, inwieweit der Unterlassungstenor vor zukünftigen Verletzungshandlungen schützen konnte. Der Maßstab, an dem jedes Handeln des Erkenntnisgerichts daher zu messen ist, ist die praktikable Durchführung der Vollstreckung bzw. die Vermeidung von weiteren Prozessen in derselben Sache. Im Unterlassungsverfahren begegnet diese klare Zielsetzung erheblichen Schwierigkeiten, die nicht zuletzt Ausfluß der erkenntnisgerichtlichen Urteilsformulierungen sind. Orientiert sich die Tenorierung an den Einzelheiten der vorhergehenden Handlung, so unterfallen dem Urteil bei wörtlichem Verständnis nur diejenigen Verhaltensweisen, die mit dem Tenor vollumfanglich im Einklang stehen. Nur in diesen I Oppermann, S. 59; SteiniJonaslMünzberg, ZPO, § 890 Rn. 2 tT.; MünchKommZPO/Schilken. § 890 Rn. J; BaumbachiHefermehl, Ein!. UWG Rn. 596 f. 2 Bork, WRP 1989, S. 360; Zieres, NJW 1972, S. 751, 752. 3 Einen Überblick zu den Unterlassungstiteln gibt Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 847 ff.; AhrenslSpätgens. Einstweiliger Rechtsschutz, S. 173 f. 4 SteiniJonaslMünzberg, ZPO, § 890 Rn. 2 tf.; BaumbachiHefermehl, Ein!. UWG Rn. 595 ff.

11. Die Kemlehre im Vollstreckungsverfahren

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begrenzten Wiederholungsfiillen vermag das Vollstreckungsgericht auf Verlangen des Gläubigers Vollstreckungsmaßnahmen nach § 890 ZPO einzuleiten5 . Gänzlich unberücksichtigt bleiben dabei letztlich aber die Handlungen, die, ohne die exakten Handlungsmerkrnale der Ausgangshandlung aufzuweisen, mit dieser doch in einem nicht zu übersehenden engen Zusammenhang stehen. Wird beispielsweise einem Beklagten die Werbung in der Tageszeitung "Z" mit einem bestimmten Firmensymbol auf der Grundlage einer dort bereits vollzogenen Anzeige verboten, so heißt dies bei wörtlicher Auslegung des Tenors, daß dieselbe Werbung in der Tageszeitung "X" vom Urteil nicht umfaßt wird, der Kläger nach einer derartigen Rechtsverletzung ein neues Erkenntnisverfahren anstrengen müßte, da eine Zuwiderhandlung gemäß § 890 ZPO nicht bejaht werden kann. Ausgangspunkt der Entwicklung der Kernlehre durch die Rechtsprechung war das Bedürfnis nach einer Lösung, die dem Verurteilten auch ein geringrugig abgewandeltes Verhalten untersagt, um nicht zuletzt Bestrebungen des Schuldners entgegenzuwirken, das tenorierte Verbot durch Handlungsvariationen zu umgehen. Die erste Veränderung erfolgte innerhalb des Rechtskreises der Vollstreckungsgerichte mit der richtungs weis enden "FischermännchenEntscheidung,,6 des Bundesgerichtshofs.

ll. Die Kernlehre im Vollstreckungsverfahren 1. Die grundlegende Fischermännchen-Entscheidung

An der Erkenntnis, daß es letztlich rur den Unterlassungsgläubiger regelmäßig nicht ausreichend ist, ein Verbot lediglich der Wiederholung der konkreten Verletzungshandlung zu erreichen, ist auch die Rechtsprechung nicht vorbeigekommen. Bereits das Reichsgericht entschied in dem FahrradreifenUrteie, daß es aufgrund der Vielschichtigkeit der Lebensvorgänge unwahrscheinlich sei, daß es zur Wiederholung einer völlig identischen Verletzungshandlung kommen werde 8 . Für die Effektivität des Rechtsschutzes sei vielmehr 5 Zu den Ordnungsmitteln des § 890 ZPO vgl. Pastor, WRP 1974, S.473; ders., WRP 1981, S. 299 ff.; MünchKomm-ZPO/Schilken, § 890 Rn. 20 ff.; Baumbachl LauterbachiAlbers/Hartmann, ZPO, § 890 Rn. 17 ff.; Ahrens/Spätgens, Einstweiliger Rechtsschutz, S. 179 f.; Thomas/Putzo, ZPO, § 890 Rn. 24 ff.; Wieczorek, ZPO, § 890 IV. 6 BGH BGHZ 5, S. 189 ff. 7 RG GRUR 1936, S. 885 ff. B So auch BGH GRUR 1973, S. 201, "Trollinger"; Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 81.

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§ 4 Die Kem1ehre

entscheidend, ob die Wiederholung eines Verhaltens zu erwarten sei, das in seiner "das Wesen der beanstandeten Rechtsverletzung ausmachenden Bedeutung" dem beanstandeten Verhalten ähnlich sei. In der späteren "Fischermännchen-Entscheidung,,9 hatte der Bundesgerichtshof im Rahmen einer Feststellungsklage über den Verbotsumfang eines 1929 erlassenen Unterlassungsurteils zu entscheiden. Die Parteien stritten damals um den Gebrauch des sog. Zwillings- oder Fischermännchens in ihren Warenzeichen. Am Ende dieses Rechtsstreits war dem Beklagten die zeichenmäßige Verwendung der Bilddarstellung eines "Fischermännchens" mit gewinkelten Beinen untersagt worden. Weil der Beklagte später ein Fischermännchen mit gewinkelten Beinen in seinem Warenzeichen verwendet hatte, fand der Streit jedoch auch in der Zukunft kein Ende. Auf einen Vollstreckungsantrag des Klägers erfolgte durch das Vollstreckungsgericht die Festsetzung einer Geldstrafe gegen den Beklagten. Mit einer Vollstreckungsgegenklage wehrte sich der Beklagte gegen die Zwangsvollstreckung. Der schließlich angerufene Senat des Bundesgerichtshofs entschied, daß ein Fischermännchen mit gespreizten Beinen von der Rechtskraft dieses Verbotsurteils mit umfaßt wird, obwohl dort lediglich die zeichenmäßige Verwendung des Fischermännchens mit angewinkelten Beinen untersagt worden war. Das Gericht filhrte dazu aus, der allgemeine Grundsatz, daß sich die Rechtskraft eines Urteils immer nur auf die jeweils konkret beanstandete Verletzungsform erstrecke, stehe dieser Auslegung nicht entgegen 10, da die Rechtsprechung anerkannt habe, daß sich der Verletzer nicht durch jede Änderung der Verletzungsform dem Verbotsurteil entziehen könne. Vielmehr sollten solche Änderungen, die den Kern der Verletzungsform unberührt lassen, von der Rechtskraftwirkung mit umfaßt werden können. Mit der Erstreckung des Verbotstenors auf Handlungen, die den Kernbereich treffen, sollte generell vermieden werden, daß der Verpflichtete den Verbotstitel schon durch unwesentliche Veränderungen der beanstandeten Form umgeht. "Hält sich", so das Gericht ll , "die vom Verletzer vorgenommene Veränderung innerhalb dieser Grenzen und soll sich nach dem Sinn des Urteils, .. , das Benutzungsverbot auch auf eine solche Abänderung erstrecken, so bedarf es keiner neuen Unterlassungsklage, sondern die Tragweite des rechtskräftigen Urteils kann im Wege der Feststellungsklage durch dessen Auslegung geklärt werden."

BGH BGHZ 5, S. 189 ff. BGH BGHZ 5, S. 189, 193. 11 BGH BGHZ 5, S. 189, 194.

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11. Die Kemlehre im Vollstreckungsverfahren

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2. Zwei Thesen Diese Grundentscheidung zur Kernlehre macht zweierlei deutlich: 1. Die Rechtsprechung hält daran fest, daß Gegenstand des Unterlassungsrechtsstreits nach wie vor nur die konkrete Verletzungshandlung sein kann, läßt jedoch gleichzeitig zu, daß der Verbotsbereich des Richterspruchs durch das Vollstreckungsgericht erweiternd ausgelegt wird l2 • Offensichtlich sollten diese Regelungen als "Grundsatz-Ausnahme-Prinzip" eingeführt werden. Im Normalfall sollte sich also der Unterlassungstenor, der sich auf die Wiederholungsgefahr stützt, nur auf die konkrete Verletzungshandlung beziehen, in Folgeprozessen gelten aber nicht nur die tenorierten, sondern auch sonstige Handlungen dann als vom Titelausspruch umfaßt, wenn diese in ihrem Kern der konkreten Rechtsverletzung entsprechen. 2. Die Kerntheorie sollte nach dieser Rechtsprechung offenbar keine direkten Auswirkungen auf den Unterlassungsprozeß selbst haben, sondern lediglich die Vollstreckungsgerichte 13 und die mit nachfolgenden Feststellungsklagen 14 befaßten Gerichte betreffen. ModifIziert wurde durch die Fischermännchen-Entscheidung nämlich in erster Linie die Beschreibung des Rechtskraftumfangs l5 : Während zuvor lediglich die auch konkret tenorierte Verletzungshandlung als vom Verbotsumfang umfaßt angesehen werden konnte, sollten nunmehr nicht nur die tenorierte, sondern auch andere Handlungen des Kernbereiches der gerügten Verletzungshandlung untersagt werden. Berührt dieser vollstreckungsrechtliche Anwendungsbereich aber vor allem den Umfang der Rechtskraft, so wird deutlich, daß das eigentliche Erkenntnisverfahren davon nicht betroffen ist.

3. Folgen für die Rechtspraxis Obwohl der Tenor selbst nur einen begrenzten Schutzumfang aufwies, vermochte der Senat eine erweiterte Reichweite des Urteils spruchs zu ermitteln. Letztlich wird damit dem Vollstreckungsgericht die Möglichkeit eröffnet, die Schwächen, die sich aufgrund Festhaltens an der konkreten Verletzungsform 16

Oppermann, S. 48,49. So auch das OLG DUsseldorfGRUR 1994, S. 81, 82, "Kundenzeitschriften". 14 BGH BGHZ 5, S. 189 ff., "Fischermännchen"; BGH GRUR 1987. S. 172, 174, "Unternehmensberatungsgesellschaft I"; Oppermann, S. 64,65. 15 So auch Ritter, S. 75. 16 BGH GRUR 1954, S. 331, 333; BGH GRUR 1955, S. 487, 490, "Alpha"; BGH GRUR 1956, S.187, 189, "English Lavender"; BGH GRUR 1962, S.31O, 313, "Gründerbildnis"; BGH GRUR 1973, S. 201, "Trollinger"; BGH GRUR 1979, S. 859, 12

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5 Backsmeier

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§ 4 Die Kemlehre

durch eine zu enge Verbotsformulierung des Erkenntnisgerichts im Tenor ergeben, durch eine Neubeurteilung des Umfangs auszugleichen. Der Kläger, der bereits eine konkrete Rechtsverletzung erdulden mußte, hat nunmehr Aussicht darauf, daß zumindest der Schutzumfang des erzielten Urteilstenors erweitert wird, damit ein Handeln des Schuldners in Verbotsnähe unmittelbar geahndet werden kann. Gleichzeitig stellt sich dann aber die Frage, ob nicht mit dieser Vorgehensweise im Sinne der Kernlehre der Grundsatz des Festhaltens an der konkreten Verletzungsform ad absurdum gefiihrt wird. Welchen Sinn macht es, sowohl dem Kläger als auch dem Erkenntnisgericht zu untersagen, einen weiten, über die konkrete Verletzungsform hinausgehenden Schutzumfang auszusprechen, wenn zugleich dem Vollstreckungsgericht angetragen wird, eine entsprechend "weite Auslegung" vorzunehmen? Der "Fischermännchen-Fall" ist ungeachtet seiner Besonderheiten im Hinblick auf das Anerkenntnisurteil zu einer Grundlagenentscheidung geworden. Die Gerichte nahmen sie zum Anlaß, in der Folgerechtsprechung Unterlassungsurteile, die sich lediglich auf die konkrete Verletzungshandlung bezogen, in gleicher Weise zu interpretieren 17 . Wenn bislang das Vollstreckungs gericht im Unterlassungsverfahren ausschließlich mit der inhaltlichen Auslegung des Titels befaßt war, geht seine Tätigkeit nunmehr auf der Grundlage der Rechtsprechung zur Kernlehre darüber hinaus. Für den Regelfall, daß das Erkenntnisgericht in seinem Rechtsausspruch keine Entscheidung tUr hypothetische Fallgestaltungen trifft, und daher der Wortlaut des Titels allein sinnvolle Vollstreckungshandlungen nicht möglich macht, wird die Funktion der Vollstreckungsgerichte im Unterlassungsrechtsschutz um eine bisweilen ausufernde Titelinterpretation erweitert l8 • Zwar finden sich in den Urteilen zur Kemlehre immer Formulierungen wie : " ... eine spätere Abänderung der ursprünglichen Rechtsverletzung wird nur dann von der Rechtskraft des Verbotsurteils umfaßt, wenn sich die Erstreckung innerhalb der durch

860 = NJW 1980, S.700, 701, "Hausverbot 11"; BGH GRUR 1989, S.445, 446, "Professorenbezeichnung in der Arztwerbung"; BGH GRUR 1991, S. 138, "Flacon". Die Argumente, die die Rechtsprechung zur Begründung ihrer Auffassung der Tenorbegrenzung anfUhrt, sind im wesentlichen mit den bereits erörterten Grundlagen zur Beschränkung des Klageantrags identisch, so daß an dieser Stelle auf die obigen Erörterungen (§ 2 I) verwiesen werden kann. 17 BGHZ 5, S.189, 190 ff., "Fischermännchen"; BGH GRUR 1954, S.70, 71, "Rohrbogenwerk GmbH" OLG Frankfurt WRP 1978, S. 828, 829 = GRUR 1979, S. 75, "Lila Umkarton" = GRUR 1979, S.75, "Lila Umkarton"; aus der neueren Rechtsprechung BGH WRP 1989, S. 343 f. 18 BGH BGHZ 5, S. 189, 192 ff., "Fischermännchen"; BGH GRUR 1958, S.346, 350, "Spitzenmuster".

11. Die Kemlehre im Vollstreckungsverfahren

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Auslegung zu ermittelnden Grenzen des Urteils hält" 19. Die nachfolgenden Ausfilhrungen werden jedoch veranschaulichen, daß diese Einschränkung zwar wünschenswert, sogar unabdingbar ist, sie in der Rechtspraxis oftmals jedoch nicht beachtet wird.

4. Umfang des Unterlassungstenors bei Tenorierung der konkreten Verletzungshandlung Problemlos unterfallen dem Verbotstenor die Rechtsverletzungen, die mit der Verletzungshandlung, die Anlaß zur Klageerhebung gab, identisch sind. Eine neuerliche Verletzungshandlung muß in diesem Fall exakt unter den Wortlaut des Urteilsausspruch zu subsumieren sein20 • Mit der Beschränkung des Urteils auf die konkrete Verletzungsform bleibt dem Verpflichteten die Möglichkeit, in eigener Verantwortung aus dem Verbotsbereich des Tenors herauszukommen21 • Keinesfalls obliegt es dem erkennenden Gericht, dem Beklagten die Möglichkeiten aufzuzeigen, welches bestimmte Verhalten ihn aus der Rechtswidrigkeit herauszufilhren vermag. Nach der Kernlehre sollen aber gerade nicht nur die identischen Verletzungshandlungen, sondern auch diejenigen Handlungen dem Urteilsverbot unterfallen, die zwar in dessen Wortlaut nicht ausdrücklich genannt werden, die aber das Charakteristische 22, die Quintessenz23 der Ursprungsverletzung betreffen 24 • Bei der Bestimmung dessen, was den Kern ausmacht, ist maßgeblich, ob sich die neuerliche Form "in seiner das Wesen der beanstandeten Rechtsverletzung ausmachenden Bedeutung dem gleicht, was sich bereits zugetragen hat,,25.

19 Vg!. BGH GRUR 1957, S. 561, 564, "REI-Chemie"; OLG Frankfurt WRP 1978, S. 828; OLG Köln NJW-RR 1987, S. 356; OLG Stuttgart WRP 1989, S. 276; OLG Köln WRP 1989, S. 334 ff. 20 V g!. die Entscheidungen OLG Köln WRP 1976, S. 116; OLG Celle WRP 1990, S.67. 21 ErmaniHefermehl, BGB, § 1004 Rn. 29. 22 Ahrens, S. 161 ff.; BaumbachiHefermehl, Ein!. UWG Rn. 457, 462, 478 ff.; Köhler, NJW 1992, S. 137 f.; BaumbachiLauterbachlAlberslHartmann, ZPO, § 890 Rn. 4, § 253 Rn. 89,90. 23 Ritter, S. 114. 24 Teplitzky, WRP 1990, S. 26, 27; BaumbachiHefermehl, Ein!. UWG Rn. 455 f., 459. 25 OLG Frankfurt WRP 1972, S. 451.

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§ 4 Die Kemlehre

s. Kritik a) Fehlende Trennung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren

Obwohl diese vollstreckungsrechtliche Variante 26 der Kerntheorie verbreitet auf Kritik gestoßen ise 7 , wird auch in der neueren Rechtsprechung28 die Ansicht vertreten, daß bei Urteilsaussprüchen, die lediglich die ganz konkrete Verletzungshandlung verbieten, durch das Vollstreckungsgericht die Ausdehnung des Tenors auf Handlungen erfolgen kann, die im Kernbereich der verbotenen Verletzungshandlung entsprechen. Auch in der Literatur findet diese Spielart ihre Zustimmung, dies teilweise jedoch ohne hinreichende Begründung29 . Wenn überhaupt eine Auseinandersetzung mit den daraus resultierenden Problemen erfolgt, wird davon ausgegangen, daß sich das Vollstreckungsgericht immer noch im Bereich der zulässigen Auslegung bewegt, zumal dieser Ansicht nach auch der Urteilstenor lediglich bestimmbar sein muß 30 •

Wenn Pastor diese Vorgehensweise mit dem Argument fiir richtig befmdet, beim Unterlassungsurteil gebe es - zusätzlich zum materiell-rechtlich definierten einen quasi prozeßrechtlichen und somit "gesetzlichen Schutzumfang", den das Vollstreckungsgericht schließlich nur noch festzustellen habe31 , kann dies nicht unwidersprochenbleiben32 • Zwar müssen die materiell-rechtlichen Ansprüche nicht immer auch prozeßrechtlich durchsetzbar sein, insbesondere wenn gegen zwingende Zulässigkeitsregeln verstoßen wird. Ausnahmslos 26 Diese Anwendungsart der Kemlehre wird auch prozessuale Variante der Kemlehre genannt, vgl. Oppermann, S. 50; Ritter, S. 117 f. 27 Kramer, S. 69 ff., 89 ff.; Schubert, ZZP 85 (1972), S.29, 37, 38; Borck, WRP 1965, S. 49, 52; ders., WRP 1979, S. 180 ff. 28 OLG München, WRP 1989, S. 343, 345, "Polohemden". Dem Beklagten war in dieser Entscheidung untersagt worden, Polohemden auf den Markt zu bringen, die bestimmte Merkmale aufwiesen, die zu einer Verwechslung mit den vermarkteten Polohemden des Klägers führen konnten. Nach Auffassung des Gerichts hatte nunmehr ausschließlich das Vollstreckungsgericht festzustellen, ob die erneut in Verkehr gebrachten Polohemden eine Fälschung waren oder nicht, indem es zunächst den Kern der verbotenen Verletzungshandlung identifizierte und sodann prüfte, ob das neuerliche Verhalten des Verletzers unter diesen Verbotskern flUlt. "Der Senat verkennt nicht, daß die Feststellung, ob ein Verstoß gegen den Verbotskern eines bestehenden Vollstreckungstitels vorliegt, für das Vollstreckungsgericht im Einzelfall schwierig sein kann. Diese Schwierigkeiten müssen aber hingenommen werden.". 29 ThomaslPutzo, ZPO, § 890 Rn. 2; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 890 Rn. 2; unklar Stein/JonaslMünzberg, ZPO, § 890 Rn. 33; Ahrens, S. 156 ff. 30 Dazu vgl. Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 86. 31 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 675 ff. 32 In diesem Sinne auch Borck, WRP 1979, S. 180, 183 ff.; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,33.

11. Die Kemlehre im Vollstreckungsverfahren

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können aber Anspruche, deren Geltendmachung in prozessualer Hinsicht nicht zu beanstanden ist, ausschließlich insoweit zugesprochen werden, wie sie vom materiellen Recht her gedeckt sind33 . Man verwischt nur bestehende Grenzen, konstruierte man subjektive Rechte und Anspruche nur um des prozessualen Schutzes willen, zumal der äußere Umfang des Schutzrechts mit sachlichrechtlichen Anspruchen deckungsgleich zu sein hae 4 • Unbestreitbar hat das Vollstreckungsgericht bei jeglichem vom Prozeßgericht erlassenen Urteil dessen tenorierten Wortlaut im Streitfall mehr oder minder auszulegen, wobei es allerdings einzig und allein dem Wortlaut und Sinngehalt des Urteils verpflichtet ise 5 . Hat das Vollstreckungsgericht aber in eigener Kompetenz zur Aufgabe zu entscheiden, ob von der Rechtskraftwirkung eines auf die konkrete Verletzungsform abgestellten Unterlassungsurteils 36 auch solche Änderungen erfaßt sind, die den Kern der Verletzungs form unberührt lassen, so wird deutlich, daß es nicht mehr allein um die Frage gehen kann, inwieweit das Vollstreckungsgericht den Urteilstenor auslegt. Schließlich wird eine Erweiterung des Schutzumfangs auch dann vorgenommen, wenn das Urteil filr sich genommen eindeutig ist und sich nur auf die konkrete Wiederholungshandlung bezieht. Entgegen der Kompetenzverteilung im Zivilprozeß beanspruchen die Vollstreckungsrichter hier die Entscheidungsbefugnis über eine materiell-rechtliche Frage37 . Mit der Erstreckung des Urteilstenors holen sie nach, was das Erkenntnisgericht durch FesthaIten am Klagegegenstand der konkreten Verletzungsform versäumt hat. Da aber dem Vollstreckungsschuldner im Vollstreckungsverfahren wesentlich weniger Schutzrechte zukommen38 , gebietet

Pagen berg, GRUR 1976, S. 78, 80. Gleicher Ansicht Kramer, S.66, 67 ff.; Ritter, S. 109, 110; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 28, 33. 35 Pagen berg, GRUR 1976, S. 78, 85; Borck, WRP 1979, S. 180, 184, Teplitzky, GRUR 1992, S. 821, 827 mwN. Der BGH hat in seinem Urteil "Unbestimmter Unterlassungsantrag 11", WRP 1992, S.560, 561, zur Bestimmung des Umfangs und der Reichweite der Urteilsformel und des Klageantrags den Tatbestand, die Entscheidungsgründe und das dort in Bezug genommene Parteivorbringen herangezogen. Dagegen ist solange nichts zu sagen, wie sich die daraus gezogene Erkenntnis und der Sinngehalt des Urteilstenors entsprechen, solange es also einzig und allein um Auslegung geht, zweifelnd Lindacher, ZZP 88 (1975), S. 65. 36 Häufig auch als "Schutzumfang des Unterlassungsurteils" bezeichnet, vgl. dazu OLG Frankfurt, ; OLG Saarbrücken, WRP 1978, S. 561, 562. 37 Melissinos, S. 154,155 f.; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,37,38. 38 Oppermann, S. 76; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29 ff. 33

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§ 4 Die Kemlehre

allein der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, das Erkenntnisverfahren vom Vollstreckungsverfahren zu trennen39 •

b) Mangel an Rechtssicherheit

Da der Kern einer Verletzungshandlung nicht konkret bestimmbar ist, sehen sich weder die Parteien noch das Gericht zu irgendeinem Zeitpunkt in der Lage, die Reichweite des Titels zu ermitteln40 • Es kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, daß ein Kernbereich niemals eine konkret feststehende, sondern vielmehr stets eine variable Größe darstellt41 , so daß unkalkulierbare Einzelfallentscheidungen die Folge sind. Die Kriterien, die für eine Abgrenzung von Kernbereichshandlungen zu anderen Handlungen aufgestellt werden, wie "das Wesentliche" oder "das Charakteristische" der Verletzungshandlung, helfen hier wenig, denn auch sie bedürfen erneuter Auslegung. Diese Ausgangslage verbietet es dem Unterlegenen, sein eigenes Handeln am Urteilstenor zu orientieren. Selbst bei gewissenhafter Überprüfung wird er regelmäßig bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Vollstreckungsinstanz über den erweiterten Rechtskraftumfang anläßlich einer erneut gerügten Verletzungshandlung entscheidet, im unklaren darüber bleiben, ob er nun mit seiner Handlung gegen das titulierte Verbot verstoßen hat oder nicht. Da der Schutzumfang der individuellen Beurteilung durch die Vollstreckungsrichter unterliegt, wird der Beklagte nicht in der Lage sein, seinen eigenen Handlungsspielraum präzise einzugrenzen42 • Den wirklichen Umfang des Verbots kann er erst durch Rückgriff auf außerhalb des Tenors liegende Umstände wie Entscheidungsgründe,

39 Johannes, NJW 1962, S.595, 596; Borck, WRP 1965, S.49, 52; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 1 IV 2; Zöller/Münzberg, ZPO, vor § 704 Rn. 14; Baumbach/LauterbachiAlbers/Hartmann, ZPO, vor § 704 Rn. 1. Die Tatsache, daß das Erkenntnisgericht gleichzeitig Vollstreckungsgericht nach § 890 ZPO ist, könnte darüber hinaus die Annahme nahelegen, der Gesetzgeber habe dem Vollstreckungsgericht über die Verpflichtung zur Urteilsauslegung hinaus spezielle materiell-rechtliche Kompetenzen einräumen wollen. Gerade im Unterlassungsvollstreckungsverfahren wird das Gericht nicht umhin kommen, die Zusammenhänge des Ausgangsrechtsstreits zu durchdringen, um schließlich feststellen zu können, inwieweit die beanstandete Handlung dem Verbot unterfällt, insbesondere wie weit dessen Schutzbereich reicht. Dennoch darf daraus keineswegs der Schluß gezogen werden, der Gesetzgeber habe damit eine zweite Erkenntnisinstanz errichten wollen, so auch Schubert, ZZP 85 (1972), S. 28, 35; Borck, WRP 1979, S. 180, 181; Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 85, 86. 40 Borck, WRP 1979, S. 180, 184 f.; Kramer, S. 105 ff., 130 ff.; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,33. 4\ Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29, 33, 37, 42. 420ppermann, WRP 1989, S. 713, 716.

11. Die Kemlehre im Vollstreckungsverfahren

71

Anträge, Parteivorbringen und Wertungen ennitteln, so daß die Grenze der Auslegung regelmäßig überschritten werden wird. Die lediglich sukzessive Eingrenzung des Rechtskraftumfangs schränkt zudem in erheblichem Maße die Rechtssicherheit ein43 , die gerade durch den Prozeß erreicht werden soll, so daß das Ergebnis der Bemühungen um einen effektiveren Rechtsschutz mit einem Unsicherheitsfaktor filr den Beklagten belastet wird. Insbesondere das prozeßrechtliche Bestimmtheitsgebot, das über den Klageantrag hinaus auch filr den Urteilstenor als dessen Spiegelbild Geltung beansprucht44, wird ad absurdum gefiihrt. Die Ungewißheiten über den Klagegegenstand und Urteilstenor, die durch eindeutige Fonnulierung des Klagebegehrens vennieden werden sollen, treten spätestens dann wieder zutage, wenn dem Beklagten nach abgeschlossenem Rechtsstreit der Umfang seines Unterliegens eröffnet wird. Weiteren Bedenken unterliegt darüber hinaus die Tatsache, daß dem Beklagten im Erkenntnisverfahren rechtliches Gehör hinsichtlich der Kernbereichshandlungen versagt wurde. Dies erschließt sich aus der Überlegung, daß sie im Tenor keine Berücksichtigung gefunden haben, sie folglich auch nicht Prozeßgegenstand gewesen sind und dem Verpflichteten daher keinerlei Verteidigungsmöglichkeit offenbar wurde. Vollkommen fragwürdig werden diese Erwägungen bei der Vorstellung, weder der Kläger noch der Beklagte noch das Verbotsgericht haben während des gesamten Verfahrens an eine derartige Handlungsabwandlung gedacht, das Vollstreckungsgericht, das die Frage der Zuwiderhandlung im nachhinein klären muß, könne eine solche schließlich aber bejahen.

c) Verstoß gegen Grundsätze der Rechtskraft

Bedenken gegen die Anwendung der Kernlehre im Vollstreckungsverfahren ergeben sich nicht zuletzt aus der Nichtbeachtung der Grundsätze der Rechtskraft. Im Zivilprozeßrecht ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geregelt, daß ausschließlich der Urteilstenor, nicht aber die Urteilsgrunde in Rechtskraft erwachsen45 • Diesen soll nur dann Bedeutung zukommen, wenn

43 Kramer, S. 105 ff., 130 ff.; Borck, WRP 1979, S. 180, 184 f.; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29, 37. 44 Pagen berg, GRUR 1976, S.78, 79; Borck, WRP 1979, S. 180; ebenso Stein/JonaslSchumann, ZPO, § 253 Rn. 48. 45 MünchKomm-ZPOIGottwald, § 322 Rn. 76, 83; Schwab, Streitgegenstand, RosenberglSchwablGottwald, Zivilprozeßrecht, § 154 11, III; ThomaslPutzo, ZPO, § 322 Rn. 17; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29, 38.

72

§ 4 Die Kemlehre

sie den Subsumtionsschluß des Urteilstenors tragen46 . Letztlich bewirkt die Kerntheorie aber, daß das Vollstreckungsgericht zur Bestimmung des Kerns der Verletzungshandlung die Urteils grUnde nicht nur heranziehen muß, sondern diese damit quasi zum rechtskraftbestimmenden Faktor erhebt47 •

6. Fazit Die dargelegten Erwägungen fUhren zu der Erkenntnis, daß die vollstreckungsrechtliche Variante der Kernlehre Dissonanzen aufweist. Auf der einen Seite wird vehement eine Beschränkung des Klagebegehrens und somit auch des Urteilstenors auf die konkrete Verletzungsform propagiert, um der Bestimmtheit und Rechtssicherheit Genüge zu tun, während auf der anderen Seite dieses Ziel im Vollstreckungsverfahren durch extensive Anwendung der Kerntheorie im Vollstreckungsverfahren zunichte gemacht wird. Somit bleibt festzuhalten, daß sich weder Gründe der Prozeßpraxis noch Gründe des Prozeßrechts filr eine Anwendung der vollstreckungsrechtlichen Variante der Kernlehre finden lassen. Für das Vollstreckungsorgan muß bereits der tenorierte Wortlaut den Umfang des zuerkannten Anspruchs erkennen lassen, so daß sich ein auf die konkrete Verletzungshandlung beziehender Titel ausschließlich auf das Verbot identischer Handlungen erstrecken, nicht aber mittels Variation des Verbotsumfangs durch das interpretierende Vollstreckungsorgan auf ähnliche Handlungen. Ansonsten würde der Verbotsumfang des Titels nicht mehr durch den Verbotstenor selbst, sondern durch den jeweils Auslegenden beim Vollstreckungsgericht festgelegt. Aus diesen Gründen darf in der Vollstreckungs instanz nicht erneut über den Streitgegenstand eines Rechtsstreits entschieden werden.

In. Kernlehre im Erkenntnisverfahren 1. Weiterentwicklung der Kernlehre

Ausgehend von der ursprünglichen Erweiterung des Schutzumfangs des Urteilstenors durch das Vollstreckungsgericht hat sich die Rechtsprechung ständig weiterentwickelt. Ohne daß sie allerdings die erste Variante gänzlich ablösen konnten, sind neben der vollstreckungsrechtlichen Variante mittlerweile zwei weitere Ausprägungen der Kerntheorie von Interesse. 46 H.M. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann. ZPO, § 322 Rn. 20; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 154 III; Rimmelspacher, S. 286, 288. 47 Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29, 37, 38.

III. Kemlehre im Erkenntnisverfahren

73

Nachfolgend soll zunächst die sog. Kernlehre im Erkenntnisverfahren untersucht werden. Das Bestreben, einen Ausgleich zwischen den schutzwürdigen Interessen des Unterlassungsgläubigers vor einer offensichtlichen Umgehung des Urteilsspruchs und dem berechtigten Anliegen des Beklagten herzustellen, nur insoweit mit einem Verbot belastet zu werden, wie der materiell-rechtliche Anspruch reicht, zwingt zu einer Anwendungsform, in der dem Erkenntnisgericht größere Handlungsfreiheit eingeräumt wird. Diese beruht auf der zutreffenden Erkenntnis, daß die aufgezeigten Probleme am ehesten in den Griff zu bekommen sind, indem bereits das Verbotsgericht die naheliegenden Variationen des rechtswidrigen Verhaltens im Tenor weitgehend erfaßt. Mit dieser Praxis wird nicht zuletzt dem Interesse von Gläubiger und Schuldner im Hinblick auf die Erkennbarkeit des Klage- und Urteilsgegenstands verstärkt Rechnung getragen.

2. Erweiterter Verbotsausspruch durch das erkennende Gericht In der Folgerechtsprechung wurde die "Fischermännchen"-Entscheidung zum Anlaß genommen, trotz Festhaltens an der konkreten Verletzungshandlung als Klagegegenstand bereits bei der erkenntnisgerichtlichen Verbotsformulierung den Kern der Verletzungshandlung zu berücksichtigen48 • Auch in der Li~ratur hat diese Erweiterung ihre Zustimmung gefunden49 • Als Begründung wird angefilhrt, das Erkenntnisgericht müsse gleich dem Vollstreckungsgericht in der Lage sein, den Verbotstatbestand festzustellen, der sich aus dem Verletzungssachverhalt ergibt. Während bei der Entwicklung der Kernlehre ursprünglich von einer erweiterten Rechtskraftwirkung gesprochen wurde, nehmen nunmehr die Erkenntnisgerichte die entwickelte Theorie zum Anlaß, die streitgegenständliche Verletzungshandlung fiktiv bereits mit einem weiteren Umfang zu belegen, um den Verbotstenor entsprechend erweitern zu können. Tatsächlich vollzieht sich die Anwendung der Kernlehre im Erkenntnisverfahren50 dadurch, daß die Parteianträge im Urteilstenor je nach Schutzumfang des Unterlassungssachverhalts mal erweitert mal verengt werden51 , und das Gericht letztlich sämtliche zukünftigen Handlungen verbietet, die im Kern-

48 Vgl. BGH GRUR 1984, S. 467 t1, "Das unmögliche Möbelhaus"; BGH NJW-RR 1989, S. 299, 300. 49 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 668 f. 50 Z. T. differenzierend auch materiel1e Kemlehre genannt, vgl. Oppermann, S. 50. '51 Oppermann, S. 50.

74

§ 4 Die Kemlehre

bereich der konkreten Verletzungshandlung entsprechen52 • Während bei der vollstreckungsrechtlichen Variante der Kerntheorie die Tenorierung eng gefaßt wird und sich regelmäßig nur auf die konkrete Verletzungshandlung bezieht, zusätzlich aber eine Rechtskrafterweiterung durch das Vollstreckungsgericht erfolgt, wird bei der materiell-rechtlichen Konstellation bereits durch das Erkenntnisgericht selbst ein erweiterter Umfang festgelegt. Bisweilen wird innerhalb dieser Lehre noch eine Unterscheidung zwischen einer prozeßrechtlichen und einer materiell-rechtlichen Erweiterung vorgenommenS3 . Prozeßrechtliche Erweiterungen sollen danach den Kern der Verletzungshandlung bereits im Erkenntnisverfahren und Urteilsausspruch bezeichnen, was lediglich eine Vorverlegung der Kernbestimmung des Umfangs des Urteilstenors im Vollstreckungsverfahren bedeutet. Der Ausgangspunkt dieses Vorgehens soll nicht im materiellen Recht, sondern in einem "nach Prozeßrecht bestehenden Schutzumfang"S4 zu finden sein. Mit einer nach materiellem Recht begründeten vorbeugenden Unterlassung sei dies allerdings nicht in Verbindung zu bringen55 . Materiell-rechtliche Erweiterungen sollen dagegen auf einem materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch basieren. Danach wird dem Erkenntnisgericht zugestanden, daß es eine über die konkrete Verletzungsform hinausgehende Untersagung dann aussprechen kann, wenn materiell-rechtlich der vorbeugende Unterlassungsanspruch für begründet angesehen wird56 .

3. Kritik a) Verstoß gegen materielles Recht

Bedenken begegnet zunächst die Unterscheidung zwischen der prozeßrechtlichen und materiell-rechtlichen Erweiterung überhaupt. Diese Konstruktion der Entbehrlichkeit materieller Grundlagen bei der prozeßrechtlichen Version legt die Vermutung nahe, einziges Ziel sei es, sich der schwer nachweisbaren Begehungsgefahr für die Kernbereichshandlungen entledigen zu können.

52 BGH NJW 1991, S.11I4, 1115, "Unbestimmter Unterlassungsantrag"; BGH GRUR 1991, S. 138, "Flacon". 53 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 665 ff. Vgl. dazu auch die zuvor (§ 4 11 5 a) geäußerten Bedenken gegen einen rein prozeßrechtlichen Schutzumfang; ebenfalls kritisch dazu Kramer, S. 65 ff. 54 Zweifelnd Ritter, S. 108. 55 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 675. 56 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 665 ff.

III. Kemlehre im Erkenntnisverfahren

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In Anbetracht der Tatsache, daß der obigen Einteilung zufolge die materiellrechtlichen Erweiterungen im Hinblick auf die materielle Rechtslage keine Probleme bereiten, da dieselbe den Erweiterungen ja gerade entsprechen muß, bedürfen allein die Grundsätze zum prozeßrechtlichen Schutzumfang einer Analyse. Die Befürworter der Kemlehre lassen es zu, daß vom Erkenntnisgericht eine Tenorerweiterung über die konkrete Verletzungshandlung hinaus vorgenommen wird, obwohl auf der Grundlage des materiellen Rechts nur ein eingeschränktes Verbot angezeigt wäre. Für die gerichtliche Erweiterung des Verbotsbereichs wird materiell-rechtlich die durch die rechtswidrige Ausgangshandlung indizierte Wiederholungsgefahr filr ausreichend erachtet57 • Dies bedeutet, daß durch den Verbotstenor zwar tatsächlich andere Handlungen als die konkrete Verletzungshandlung erfaßt werden, der Gläubiger hierfür jedoch keine Begehungsgefahr vorbringen muß. Mit einem derartigen Vorgehen wird jedoch die Basis der materiellen Rechts verlassen58 • Nicht zuletzt deshalb, weil generell nur die Wiederholungsgefahr durch die vergangene Verletzungshandlung indiziert wird, ist sie streng von der Begehungsgefahr zu trennen. Wenn das Gericht aber nicht beachtet, ob der Kläger überhaupt eine Begehungsgefahr hinsichtlich der konkret befiirchteten Handlung geltend gemacht hat, spricht es möglicherweise etwas zu, das diesem materiell-rechtlich gar nicht zusteht59 • Wird dieser qualitative Unterschied nicht beachtet, sind Schwierigkeiten im Hinblick auf die Abgrenzung von "Noch Kemhandlungen" oder "anderen Handlungen" vorprogrammiert. Im Zweifel muß daher gelten, daß jede Handlung, die keine Wiederholungshandlung darstellt, des direkten Nachweises der Begehungsgefahr bedarf°. Lediglich im Einzelfall soll nach der hier vertretenen und vorstehend61 entwickelten Ansicht eine Erstreckung der Indizwirkung der rechtswidrigen Verletzungshandlung auch auf die Handlungen erfolgen, die als reine Umgehungshandlungen zu qualifIZieren sind, wobei der Schwerpunkt auf das Regel-Ausnahme-Prinzip zu setzen ist.

Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 665 ff., 675. So auch Ritter, S. 110. 59 Oppermann, S. 44; ders., WRP 1989, S. 713, 714. Sollte die Indizwirkung bzgl. 57

58

der beanstandeten Verletzungshandlung allerdings auch auf andersartige Handlungen bezogen werden, stünde auch eine erweiterte Tenorierung auf einem materiell-rechtlichen Fundament, vgl. dazu BGH GRUR 1987, S. 371,373 = WRP 1987, S. 461 ff., "Kabinettwein" . 60 Vgl. dazu oben § 3 11 l.b)aa). 61 Dazu oben § 3 11 l.b)bb).

§ 4 Die Kemlehre

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b) Einschränkung der Dispositionsmaxime

Auch wenn mit der erkenntnisgerichtlichen Anwendung der Kernlehre im Vergleich zur vollstreckungsrechtlichen Variante einige dort auftretende und aufgezeigte Kritikpunkte wie die fehlende Trennung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren vermieden werden, bedarf diese Anwendungsform dennoch einer genauen Analyse im Hinblick auf die prozeßrechtlichen Maxime. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang insbesondere, daß sich das Erkenntnisgericht unter Zuhilfenahme der Kernlehre als ermächtigt ansieht, eine Erweiterung des Urteilstenors selbst dann vorzunehmen, wenn durch den klägerischen Unterlassungsantrag lediglich ein Verbot der konkreten Wiederholungshandlung angestrebt wird. Die Auswirkungen, die dieses· Vorgehen haben kann, liegen auf der Hand: Bei konsequenter Anwendung der erkenntnisgerichtlichen Variante der Kernlehre erstreckt das Gericht auch ohne entsprechenden Antrag das Verbot auf alle diejenigen Handlungen, die den Verbotskern unberührt lassen62 . Ein Gläubiger, der lediglich die Unterlassung der konkreten Schutzrechtsverletzung begehrt, erhält einen Vollstreckungstitel, der sämtliche gleichartige Handlungen umfaßt, die im Kern der konkreten Rechtsverletzung entsprechen. Daß dieses nicht immer nur im Interesse des Antragstellers erfolgt6l, zeigen die Beispiele, in denen der Antragsteller eine konkrete Verletzungsform in seinem Klageantrag formuliert, das Gericht daraufhin dieses Begehren auf der Grundlage der vergangenen Verletzungshandlung auslegt und ihn mit dem über den Verletzungskern hinausgehenden Antrag kostenpflichtig abweist64 . Denkbar ist es sogar, daß den Kläger diese Entwicklung beispielsweise durch einen nunmehr höher zu bemessenden geschätzten Streitwert6S noch zusätzlich belastet. Mit dieser Rechtsprechung wird erheblich in den zivilprozessualen Dispositionsgrundsatz des Klägers eingegriffen; denn dieser hat nicht zwingend das Interesse, einen möglichst weiten Schutzumfang des Unterlassungsgebots zu erreichen66 • Auch wenn unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie die Erstreckung des Urteilstenors auf Kernbereichshandlungen sinnvoll erscheint, so kann sie die Einschränkung der Dispositionsbefugnis nicht rechtfertigen67 . Kramer, S. 125. Kramer, S. 124; Melissinos, S. 156, 157; Schubert, ZZP 85 (1972), S.29, 39, 40 ff.; Borck, WRP 1979, S. 180, 185. 64 BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 253 Rn. 90 ff.; Oppermann, S. 80; BaumbachlHefermehl, Ein\. UWG Rn. 464 ff. 65 Zu weiteren Beispielen vg\. Kramer, S. 123 ff. 66 Borck, WRP 1979, S. 180, 185. 67 Melissinos, S. 157,158; Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,42,43. 62 63

IV. Verallgemeinernder Klageantrag

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IV. Verallgemeinernder Klageantrag 1. Die "gewisse Verallgemeinerung" nach der Rechtsprechung Die materiell-rechtliche Variante der Kernlehre hat sich, nicht zuletzt wegen bleibender Kritik68 , weiterentwickelt, ohne daß jedoch innerhalb der Rechtsprechung eine klare Linie zu erkennen wäre. So wird heute vereinzelt für nicht mehr zulässig gehalten, daß das Erkenntnisgericht ohne entsprechend umfassenden klägerischen Antrag ein auf den Kernbereich der Verletzungshandlung bezogenes Urteil flUlt 69 . Die hier als dritte Variante der Kernlehre bezeichnete sog. "Verallgemeinerung" unterscheidet sich von der materiellen Kemtheorie nur insoweit, als es nunmehr für erforderlich gehalten wird, daß ei~er erweiterten Tenorierung auch ein über die konkrete Verletzungs form hinausgehender klägerseitiger Antrag zu entsprechen hat. So läßt die Rechtsprechung hier entgegen der bisherigen Praxis teilweise eine "gewisse Verallgemeinerung" der konkreten V erletzungshandlung bereits in der Antragsformulierung zu70 • Sie soll dann zulässig sein, wenn zusätzliche Umstände den Verdacht begründen, der Schuldner werde alsbald auf eine ähnliche Verletzungsform ausweichen71 • Insbesondere in Wettbewerbssachen ließ sich der strenge Antragsgrundsatz nicht aufrechterhalten 72 . Je konkreter ein Unterlassungsgebot formuliert wurde, desto enger gestaltete sich sein Schutzurnfang, so daß der Schuldner das eng begrenzte Verbot bei phantasievoller Gestaltung seines Handlungsbereiches unbeschadet umgehen konnte. Die zulässige Verallgemeinerung der konkreten Verletzungshandlung wird dadurch erreicht, daß die Formulierung in ihrem Wortlaut nicht auf die Schilderung der konkreten Einzelheiten abstellt, sondern unter Verzicht auf die Einzelumstände des konkreten Falles den eigentlichen Unrechtsgehalt der bean-

Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,48; Kramer, S. 70 f. Instruktiv OLG Celle, WRP 1973, S. 417,418. Das OLG Hamburg, GRUR 1990, S. 637, 638, spricht von "kosmetischen Änderungen", die nicht aus dem Kernbereich des Verbots herausführen dürfen. Beantragen darf der Kläger nach ständiger Rechtsprechung nur ein Verbot, das der konkreten Verletzungsform entspricht, vgl. OLG Düsseldorf, WRP 1978, S.542, 544;; OLG München, WRP 1989, S.343, 345, "Polohemden", differenziert OLG Köln, WRP 1981, S. 415. 70 BGH GRUR 1976, S. 197 ff., "Herstellung und Vertrieb"; BGH GRUR 1958, S. 346 ff., "Spitzenmuster"; BGH GRUR 1957, S. 606 ff., "Heilmittelvertrieb"; BGH GRUR 1968, S. 200 ff., "Acrylglas"; BGH GRUR 1963, S. 218,220, "Mampe Halb und Halb 11". 71 Kiethe, WRP 1978, S. 574. 72 BGH GRUR 1984, S. 467 ff., "Das unmögliche Möbelhaus"; vgl. auch Gloy/Spätgens, S. 1130, 1131. 68

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§ 4 Die Kemlehre

standeten Handlung zum Ausdruck bringt73 • Dabei bedarf es regelmäßig einer abstrakten Umschreibung der die konkrete Verletzungshandlung charakterisierenden Merkmale, bei der Verallgemeinerungen ebenso zulässig sind wie die Heranziehung von außerhalb der konkreten Verletzungshandlung liegenden Umstände, sofern nicht eine andere Handlung als die beanstandete gegenständlich wird. Voraussetzung ist allerdings, daß die objektiven Umstände der konkreten Verletzungshandlung für sich genommen eine Erweiterung des Unterlassungsgebotes im Interesse eines sinnvollen Rechtsschutzes nahe legen. Ihre Grenze findet die zulässige Verallgemeinerung allerdings in jedem Fall dort, wo lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt wird 74 • Die Zulassung eines erweiterten Klageantrags weist im Verhältnis zu der Lösung, die lediglich dem Erkenntnisgericht die Kompetenz zur Erstreckung des Tenorumfangs zuweist, erhebliche Vorzüge auf. Indem sich der Klageantrag nunmehr nicht mehr starr an der konkreten Verletzungshandlung als ausschließlichem Klagegegenstand zu orientieren hat, wiedererlangt der Kläger die Dispositionsbefugnis über den Umfang seines Klagebegehrens 7s • Er hat es nunmehr in der Hand, dem erkennenden Gericht auf der Grundlage seines verallgemeinernden Unterlassungsantrags die Möglichkeit zu einem möglichst umfassend formulierten Verbotstenor zu eröffnen. Dem Beklagten wird hingegen bereits durch den erweiterten Klageantrag vor Augen geführt, daß er sich auf eine umfassendere Verteidigung einzustellen hat. Außerdem kann er sein Verhalten nach Abschluß des Prozesses am Urteilstenor ausrichten, ohne Gefahr zu laufen, ein Verbot zu mißachten, das nicht gleichzeitig auch im Tenor zum Ausdruck gekommen ist.

2. Erstreckung der Vermutungswirkung Obgleich sich diese Form der Kernlehre weitgehend durchgesetzt und nur vereinzelt Kritik 76 hervorgerufen hat, besteht der Verdacht, daß es an einer sachlich-rechtlichen Absicherung der Verallgemeinerungspraxis mangelt. Der Schutzumfang, den die konkrete Verletzungshandlung vorgegeben hat, wird nämlich auch hier, ähnlich wie bei der erkenntnisgerichtlichen Anwendungsform, durch das Erkenntnisgericht erweitert, ohne daß damit aber gleichzeitig der Bereich der vorbeugenden Unterlassungsklage tangiert werden soll. Statt dessen soll sich die auf einem prozeßrechtlichen Schutzumfang beruhende verallgemeinernde AntragsteIlung und dementsprechende Tenorierung ausPastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 676. Pagen berg, GRUR 1976, S. 78, 81. 75 Teplitzky, WRP 1989, S. 335,336. 76 Vgl. insbesondere Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,40 tT.; Kramer, S. 124. 73

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IV. Verallgemeinernder Klageantrag

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schließlich im Rahmen des Verletzungsunterlassungsanspruchs bewegen. Vor dem Hintergrund der Erörterungen zu den materiellen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs 77 muß diese Rechtspraxis Widerspruch hervorrufen. Die dort aufgezeigte Trennung zwischen der die identische Wiederholungshandlung betreffenden Verletzungsunterlassungsklage und der sich auf andere Handlungen, somit auch die Kernbereichshandlungen beziehenden vorbeugenden Unterlassungsklage ist notwendig, damit es nicht an einer eindeutigen Abgrenzung mangelt und ein materiell-rechtliches Defizit zu befiirchten ist. Keinesfalls darf die Tenorerweiterung unabhängig von der materiellen Rechtslage vollzogen werden. Wie bereits ausgefiihrt, differieren die materiell-rechtlichen Anforderungen, die sich aus einer solchen Einschätzung ergeben, enorm. Während bei der Verletzungsunterlassungsklage regelmäßig die als rechtswidrig erkannte konkrete Verletzung Indizwirkung fUr die Wiederholungshandlungen entfalteeS, gilt diese Vermutung fUr die anderen Handlungen gerade nicht. Auffallend ist, daß die Vertreter dieser Auffassung es lediglich als Tatsache feststellen, daß Verallgemeinerungen noch nichts mit der eine Begehungsgefahr voraussetzenden vorbeugenden Unterlassungsklage zu tun haben79 und sich die Verallgemeinerung qualitativ auch von der Unterlassung schlechthin unterscheidet80, die andere Handlungen als die konkrete Verletzungshandlung materiell-rechtlich mit umfaßt. Eine dementsprechende Begründung darur, daß es sich bei den Handlungen, die zwar das Typische der konkreten Verletzungshandlung aufweisen, sich aber dennoch von der vergangenen Handlung unterscheiden, nicht um "andere Handlungen" im Sinne des Unterlassungsrechtsschutzes handelt, wird nicht gegeben. Da die Kernbereichshandlungen aber in die Kategorie der "anderen Handlungen" einzuordnen sind, und somit die vorbeugende Unterlassung den Rahmen gibt8 1, kommt es bei Erstreckung der Vermutungswirkung der konkreten Rechtsverletzung auch auf diese Handlungen darauf an, ob das Gericht im Einzelfall materiell-rechtlich die Geltendmachung der Begehungsgefahr rur entbehrlich hält. Rechtlich bedeutet somit die Zulassung einer Verallgemeinerung, die den Kern der Verletzungshandlung betrifft, nichts anderes als die Erstreckung der Vermutungswirkung der vergangenen Rechtsverletzung auf alle ihrem Kernbereich zuzuordnenden Handlungen82 , wobei wiederum zu Dazu oben § 3. BaumbachiHefermehl, Ein\. UWG Rn. 263; MünchKommlMedicus, § \004 Rn. 81; Erman/Hefermehl, § 1004 Rn. 28; Staudinger/Gursky, § \004 Rn. 200. 79 Ritter, S. 108; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 666. 80 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 677; Ritter, S. \08. 81 Dazu oben § 3 11, III. 82 Teplitzky in Festschrift rur Oppenhoff, S. 491. 77

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§ 4 Die Kernlehre

beachten ist, daß nach der hier vertretenen Ansicht die Indizwirkung bereits in den Bereich der vorbeugenden Unterlassungsklage reicht83 .

3. Fazit

a) Vorsichtige Handhabung Vorstehend wurde versucht, die praktizierten Ansätze der Kemlehre in ihren Unterschieden und ihrer rechtlichen Herleitung aufzuzeigen. Wenn auch die Kemlehre im Grunde genommen zwischen materiellem Recht und prozessualem Recht zu vermitteln und damit lückenhaften Rechtsschutz im Unterlassungsverfahren auszugleichen sucht84 , so wird doch offensichtlich, daß damit ein Stück weit unzulässigerweise in zwingende Rechtsgrundsätze eingegriffen wird. Bedenken ergeben sich dabei insbesondere im Hinblick auf die Nichtbeachtung der Grenzen zulässiger Auslegung des Urteilstenors und dem daraus resultierenden Konflikt zwischen den Kompetenzen des Erkenntnis- und Vollstreckungsgerichts. In Anbetracht dieser Kritikpunkte ist ein vorsichtiger Umgang mit der Kemtheorie angezeigt85 •

b) Keine Einheitlichkeit innerhalb der Rechtsprechung Trotz dieser Erwägungen hat sich die Kemlehre in der Praxis der Gerichte seit ihrer EinfUhrung immer mehr verfestigt. Dieser Lehre ist über die rechtlichen Unklarheiten hinaus ist zudem abträglich, daß regelmäßig Einzelfallentscheidungen gefällt werden, die weder in ihren Begleitumständen noch hinsichtlich des Urteilstenors oder der Klagebegründung miteinander vergleichbar sind. Jedes angerufene Gericht hat eine unterschiedliche Auffassung darüber, wie die Kemtheorie anzuwenden ist, die von einer sehr weiten bis zu einer nach wie vor eng begrenzten Tenorfassung reichen kann, eine für die Streitparteien nicht tolerierbare Rechtsunsicherheit. Die kritische Bewertung der Kemlehre darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß sehr wohl anerkennenswerte und zwingende Gründe zu der Entwicklung dieses Rechtsinstituts beigetragen haben. Soweit also das Gericht hin-

83 Oppermann, S. 130, spricht davon, der Beklagte habe darzutun und zu beweisen, daß für die an sich unter die Verallgemeinerungen fallenden Verhaltensweisen keine Erstbegehungsgefahr besteht, ähnlich auch BGH WRP 1987, S. 461, 462 = GRUR 1987, S. 371 ff., "Kabinettwein"; vgl. auch Teplitzky, GRUR 1989, S. 461,466. 84 Oppermann, S. 49. 85 Ebenso MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 134.

IV. Verallgemeinernder Klageantrag

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sichtlich der Kernbereichshandlungen ausnahmsweise eine durch die konkrete Rechtsverletzung indizierte Begehungsgefahr feststellt, hat es in eigener und ausschließlicher Kompetenz den Schutzumfang festzulegen, der im Einklang mit dem materiellen Recht steht. Im Grunde genommen wird mit diesem Ergebnis die Kernlehre mit ihrem ursprünglichen Anliegen, prozeßrechtliche Erweiterungen vorzunehmen, obsolet, da es ihrer nicht bedarf. Es bietet sich daher als naheliegend an, sie lediglich als Umschreibung des Prüfungsgegenstandes anzusehen, anband dessen die besonderen materiellen Anforderungen der Wiederholungs- und Begehungsgefahr zu messen sind. In die richtige Richtung geht der Ansatzpunkt, dem Kläger durch Freigabe des Klageantrags die Regelungsbefugnis über seinen Streitgegenstand wiederzugeben, da er fiir die Reichweite seines Verbots durch Stellung eines entsprechend weiten Antrags und überzeugende Geltendmachung von etwaiger Wiederholungs- und Begehungsgefahr allein verantwortlich zeichnet. Zwar gibt die Rechtsprechung vor, an dem Erfordernis der konkreten Verletzungshandlung als alleinigem Klagegegenstand nach wie vor festzuhalten, faktisch ist aber zu Recht86 durch die zulässige Erweiterung und Verallgemeinerung des Klagebegehrens auf den Kern der Verletzungshandlung bereits eine Aufweichung dieses Grundsatzes erfolgt. Der Einwand, diese Lösung verlagere die beschriebenen Probleme lediglich vom prozessualen in das materielle Recht87, überzeugt indes nicht. Schließlich steht es jedem Kläger frei, den Antrag möglichst weit zu formulieren und dementsprechende Beeinträchtigungsgefahren geltend zu machen. Sobald die Handlungsvarianten, die zu befilrchten sind, in den Prozeß eingefilhrt werden, wird sich der Beklagte dazu äußern. Steht somit fest, daß der Umfang der Verurteilung im Unterlassungsrechtsschutz einzig und allein von der materiell-rechtlichen Fundierung des Klagebegehrens und nicht etwa von prozeßrechtlichen Erweiterungsmechanismen abhängt, treten weitere prozeßrechtliche Erwägungen in den Vordergrund. Für das erkennende Gericht wird es, bevor es in die sachliche BegrUndetheit eintritt, unumgänglich sein, zunächst den äußeren Urnriß des Klagegegenstandes zu ermitteln, um nicht Gefahr zu laufen, dem Berechtigten etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (§ 308 Abs. I ZPO). Gerade vor dem Hintergrund der Kerntheorie gewinnt dieser Grundsatz an Bedeutung, so daß im folgenden der Fixierung des Streitgegenstandes bei der Unterlassungsklage Priorität einzuräumen ist88 •

Vgl. dazu Ritter, S. 109; Oppermann, S. 83 ff. Oppermann, S. 86. 88 Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29, 40. 86

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6 Backsmeier

§ 5 Der Streitgegenstand J. Grundlagen 1. Problemstellung Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muß die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Klageantrag enthalten. Umrissen wird damit gleichzeitig der Begriff des Streitgegenstands l als diejenige Rechtsbehauptung, die der Kläger im Prozeß festgestellt wissen möchte2 • Das Prozeßrecht verlangt von dem Kläger, daß er selbst eine bestimmte Entscheidung verlangt, da dem Gericht nicht überlassen werden darf, welche Entscheidung es aufgrund eines vorgetragenen und erwiesenen Sachverhalts fälle. In jedem Klagebegehren liegt die Behauptung, daß dem Kläger ein entsprechendes materielles Recht zur Seite steht; der Streit um diese Rechtsbehauptung bildet den eigentlichen Kern des Prozesses, ist somit Streitgegenstand4 • Der Streitgegenstand hat im Zivilprozeß vielfältige Bedeutung, nicht nur rur die Zulässigkeit der Klageänderung (§§ 263, 264 ZPO), rur die Widerklage, sondern auch und insbesondere rur das nachfolgend hier besonders zu be-

I ZöllerlVollkommer, ZPO, Ein!. Rn. 63, 66; BaumbachiLauterbachiAlbersl Hartmann. ZPO, § 2 Rn. 2, ThomaslPutzo, ZPO, Ein!. 11. 2 K. B1omeyer, ZZP 65 (1952), S. 52, 58, 59; Habscheid, Streitgegenstand, S. 132 ff.; ZöllerlVollkommer, ZPO, Ein!. Rn. 63, 66; Baumbach/LauterbachiAlberslHartmann. ZPO, § 2 Rn. 2, § 253 Rn. 7 ff. Ob der Streitgegenstand das Begehren des Klägers an das Gericht oder eine an den Beklagten gerichtete Rechtsbehauptung darstellt, muß hier nicht entschieden werden, offen gelassen auch bei ThomaslPutzo, ZPO, Einl 11 Rn. 14. Streitgegenstand der Leistungsklage ist nach Henckel, Parteilehre, S. 277, der als bestehend behauptete materielle Anspruch, der durch seinen Inhalt und den Anspruchsgrund (ein zeitlicher Ausschnitt aus einem Lebenssachverhalt, der abgegrenzt wird durch die Tatbestandsmerkmale der normierten Anspruche) individualisiert wird. RosenberglSchwablGottwald, Zivilprozeßrecht, § 95 lI-IV, definieren den Streitgegenstand als das Begehren der im Klageantrag bezeichneten Entscheidung. Das Reichsgericht formulierte in seiner Entscheidung RGZ 143, S. 65, so: "Den Klagegrund bildet die Summe der Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, den Anspruch als in der Person des Klägers entstanden und durch den Beklagten verletzt erscheinen zu lassen.". 3 Lent, ZZP 65 (1952), S. 315,316. 4 Nikisch, Zivilprozeßrecht, S. 162.

I. Grundlagen

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gutachtende Gebot "ne ultra petita" (§ 308 Abs. 1 ZPO)s. Dabei wird von Interesse sein, inwieweit der fiir die Unterlassungsklage ausgemachte Streitgegenstandsbegriff unmittelbare Auswirkungen auf den Umfang der gerichtlichen Verurteilung hat. Als Hauptanknüpfungspunkt gilt dabei die prozeßrechtliche Behandlung des Unterlassungsanspruchs in der obergerichtlichen Rechtsprechung, die vielfach geprägt ist vom Verzicht auf eine einheitliche Begriffsbildung. Wenn sich diese flexible Handhabung auch auf den ersten Blick als vorteilhaft erweist, zeigen sich jedenfalls bei der Behandlung von umfassenden Unterlassungsanträgen Widersprüchlichkeiten von erheblichem Ausmaß. Um die bestehenden Zusammenhänge und die jeweils auftretenden Probleme zu verdeutlichen, sollen zunächst einige Anmerkungen zur Entwicklung des Streitgegenstandsbegriffs gemacht werden. In der Vergangenheit war das Schrifttum aufgrund der zentralen Bedeutung des Begriffes bemüht, einen fiir sämtliche Klagearten und prozessualen Erfordernisse einheitlichen Streitgegenstandsbegriff herauszustellen6 und zur notwendigen Abgrenzung Merkmale zur IdentifIzierung zu schaffen. Da dies bislang nicht gelungen ist, gehört die Diskussion um den Streitgegenstand bis heute zu den umstrittensten Fragen innerhalb des Prozeßrechts 7• Nach wie vor vermochte niemand die Streitfrage zu klären, ob der Streitgegenstand ein Begehren an das Gericht darstellt, die gewünschte Entscheidung zu tenorieren 8 , oder aber eine in erster Linie an den Beklagten gerichtete Rechtsbehauptung ist9 • Die gewollte Vereinheitlichung stößt jedenfalls auf erhebliche Abgrenzungsprobleme, und so werden auch im neueren Schrifttum vermehrt Zweifel an einem "Einheitsbegriff" laueo. 5 Auswirkungen hat der Streitgegenstand darüber hinaus auf die sachliche Zuständigkeit (§ 23 Nr. 1 GVG), die nach dessen Wert bestimmt wird und ferner auf den Umfang der Rechtskraft (§ 322 ZPO), auf den noch ausführlich einzugehen sein wird, vgl. dazu § 11. 6 ZölleriVollkommer, ZPO, Ein!. Rn. 61; MünchKomm-ZPOILüke, vor § 253 Rn. 31, 33 ff. 7 Schwab, JuS 1965, S. 81; Jauernig in Festschrift für Schwab, S. 247,250; Loritz, S. 89 f. Die Fülle von Ansichten über den Streitgegenstandsbegriff ist so verwirrend, da kaum eine Ansicht der anderen gleicht, Nikisch, AcP 154, S. 272; Georgiades, S. 121. Die Rechtsprechung hat zur Bestimmung des Streitgegenstandes nur selten ausdrücklich Stellung bezogen, vg!. Horn, JuS 1992, S.680, 681 mit Nachweisen der Rechtsprechung. 8 Vgl. Schwab, Streitgegenstand, S. 185; Bötticher in Festgabe für Rosenberg, S. 86. 9 So Nikisch, AcP 154, S. 273 ff., ders., Zivilprozeßrecht, S. 162, 163, 179, 180; Habscheid, Streitgegenstand, S. 221. 10 Baumgärtei, JuS 1974, S. 69, 72 ff., der darauf hinweist, daß schon frühzeitig Bedenken gegen den Einheitsbegriff vorgetragen wurden. So hat Karl Blomeyer bereits 1952 in ZZP 65 (1952), S.52, 58, die Rechtsansicht in Frage gestellt, die ZPO

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§ 5 Der Streitgegenstand

2. Entwicklungsstufen a) Die rein materiell-rechtliche Theorie Die heute nicht mehr vertretene rein materiell-rechtliche Theorie ll ging von einer Identität des Streitgegenstandes mit dem materiellen Anspruch aus 12, mußte jedoch erkennen, daß diese Abgrenzung zwar filr die LeistungskIage praktikabel war, bei Feststellungs- und GestaltungskIagen aber nicht weiterhalf13 • Innerhalb dieser ausdrücklich in der Zivilprozeßordnung genannten Klagearten begehrt der Kläger nämlich nicht die Feststellung eines Anspruchs, sondern vielmehr die Feststellung eines Rechtsverhältnisses bzw. die Gestaltung eines solchen. Zwar ist die Feststellung dieses Rechtsverhältnisses allein Sache des Gerichts, da es aber etwa im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Klageänderung (§§ 263 f. ZPO) bereits im Erkenntnisverfahren der Festlegung eines Streitgegenstandes bedarf, konnte an dieser Eingrenzung des Streitgegenstandes nicht festgehalten werden l4 . Prozeßrechtlich muß im übrigen, und dies gilt als weiteres Argument, ein Bezugspunkt auch dann gegeben sein, wenn der behauptete materielle Anspruch nicht besteht 1s .

b) Der zweigliedrige Streitgegenstand Die heute herrschende Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffl6 versucht, die Schwächen der materiell-rechtlichen Theorie auszugleichen,

gebrauche das Wort Streitgegenstand oder Anspruch einheitlich. Die Definition, so Blomeyer, müsse vielmehr zweckorientiert erfolgen. Ferner Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,40 f.; ZöllerlVollkommer, ZPO, Einl. Rn. 61; a.A. Habscheid in Festschrift rur Schwab, S. 189 ff. 11 Schwab, JuS 1965, S. 81, 82, dazu auch Habscheid in Festschrift rur Schwab, S. 181,193. 12 Lent, ZZP 57, S. 1 ff.; Horn, JuS 1992, S. 680,681. 13 Nikisch, Zivilprozeßrecht, S. 162. Im Hinblick auf ähnliche Probleme der neuen materiell-rechtlichen Theorie vgl. Schwab, JuS 1965, S. 81, 85; Horn, JuS 1992, S. 680, 681. 14 V gl. dazu auch die zusammenfassende Darstellung der Kritikpunkte hinsichtlich der materiell-rechtlichen Theorie, Horn, JuS 1992, S. 680, 681 f. IS Baumgärtei, JuS 1974, S. 69, 70. 16 Habscheid, Streitgegenstand, S. 184, 185, 221 ff.; ThomaslPutzo, ZPO, Einl. 11 Rn. 11; MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 31, 332, 33; BaumbachiLauterbachlAlberslHartmann, ZPO, § 2 Rn. 2; SteiniJonaslSchumann, ZPO, Einl. Rn. 292; RosenberglSchwablGottwald, Zivilprozeßrecht, § 96 III 3, 154 III, die allerdings dem Antrag eine überwiegende Stellung einräumen; einschränkend ZöllerlVollkommer, ZPO, Einl. Rn. 82. Danach sei zwar der Lebenssachverhalt neben dem Antrag grundsätzlich ein erforderliches Element zur Ermittlung des Streitgegenstandes, jedoch bedürfe es

I. Grundlagen

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indem sie den Antrag und den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt zu den den Streitgegenstand bestimmenden Komponenten erhebt und damit einen rein prozessualen Streitgegenstandsbegriff prägt17. Insbesondere wird mit der Zuhilfenahme des Lebenssachverhalts als gleichwertige und gleich wichtige l8 Komponente verhindert, daß die sich aus einem Sachverhalt ergebenden materiell-rechtlichen Ansprüche sämtlich zu einem Streitgegenstand zusammengefaßt werden und ihnen ein und dasselbe rechtliche Schicksal zukommt l9 . Mehrere Sachverhalte ergeben dieser Ansicht nach auch bei einem einheitlichen Antrag mehrere prozessuale Ansprüche, ebenso wie mehrere Anträge auf der Grundlage eines einheitlichen Sachverhalts eine Anspruchshäufung zur Folge hätten. Nicht nur die Änderung eines Antrags, sondern auch die Änderung des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts wirke sich daher auf den Streitgegenstand aus. Nach Nikisch20 setzt der Kläger allein mit seinem Klageantrag der Entscheidungstätigkeit des Gerichts Grenzen, da dieses nicht befugt sei, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (§ 308 Abs. 1 ZPO). Allerdings werde auch der Anspruchsgrund als notwendiger Inhalt der Klage benötigt. Die einfache Behauptung eines Klägers, der Beklagte schulde ihm die Übereignung eines bestimmten Fahrzeugs reiche so lange nicht für eine unzweideutige Bezeichnung des Streitgegenstandes aus, wie nicht auch der zugrundeliegende Lebenssachverhalt angegeben wird.

c) Weitere Lehrmeinungen

aa) Eingliedriger Streitgegenstandsbegriff Da aber auch die prozessuale Theorie Schwächen aufweist, haben sich weitere Lehnneinungen entwickelt. Sie sollen hier nur insoweit kurz angerissen werden, wie sie für die Streitgegenstandsbestimmung bei der Unterlassungsklage von Bedeutung sind. Die Lehre vom eingliedrigen Streitgegenstandsdessen gerade nicht immer. Vielmehr sei der Streitgegenstandsbegriff nicht immer einheitlich zu beurteilen; zum frühen Streitstand, vgl. Schlosser, S. 359 ff. 17 Sie wird auch zweigliedrige prozessuale Theorie genannt, vgl. Schwab, JuS 1965, S. 81, 82. Das eigentlich Prozessuale an der prozessualen Theorie ist der Klagegrund, ein inhaltlich umschriebenes subjektives Recht aus dem Lebenssachverhalt, so Habscheid in Festschrift rur Schwab, S. 181, 182, 187. 18 Habscheid, Streitgegenstand, S. 221; Nikisch, Zivilprozeßrecht, S. 163,164 f. 19 Wird ein Verkehrsteilnehmer bei einem Verkehrsunfall verletzt, stehen ihm möglicherweise Ansprüche auf Schadensersatz aus § 7 StVG bzw. § 823 BGB zu. Darüber hinaus mag er Schmerzensgeld nach § 847 BGB verlangen. Da sämtliche Ansprüche auf einem Lebem,vorgang beruhen, handelt es sich nach der Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff um insgesamt nur einen Streitgegenstand. 20 Nikisch, Zivilprozeßrecht, S. 163 ff.

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§ 5 Der Streitgegenstand

begriff stellt allein auf den Klageantrag als entscheidendes Kriterium für den Streitgegenstand ab. Mit diesem Ansatz wird versucht, die sich aus einer zweigliedrigen Bestimmung ergebenden Schwierigkeiten dort zu vermeiden, wo mehrere Sachverhalte zur Begründung desselben Antrags verwandt werden21 • Während die Vertreter der Zweigliedrigkeit in diesem Fall eine Klagenhäufung annehmen würden, setzt diese nach der eingliedrigen Streitgegenstandslehre stets eine Mehrheit von Anträgen voraus. Diese Rechtsansicht wird von dem Teil des Schriftturns22 vertreten, der der Auffassung ist, dem Kläger gehe es im Prozeß nur darum, das Gericht dazu zu bringen, dem Klageantrag in vollem Umfang stattzugeben23 • Begrifflich umfaßt damit der Streitgegenstand allein das Klageziel, die dem Klageantrag vollkommen entsprechende Entscheidung 24 • Allerdings wird auch hier nicht vollständig auf das Erfordernis der Klagegrundlagen, also des Lebenssachverhalts verzichtet. Immer dann nämlich, wenn aus dem Antrag allein nicht zu entnehmen ist, ob eine oder mehrere Leistungen begehrt werden, wird auch von den Vertretern des eingliedrigen Streitgegenstandes zur Individualisierung des Klagebegehrens auf den historischen Lebensvorgang zurückgegriffen25 . Dies erfolgt allerdings mit der Besonderheit, daß anders als bei der zweigliedrigen Theorie, beide Komponenten nicht als gleichwertig zu betrachten sind, sondern dem Klageantrag eine überwiegende Stellung eingeräumt wird.

bb) Relativer Streitgegenstandsbegriff Da den rein prozessualen Theorien vermehrt Kritik26 entgegengebracht wird, wird zunehmend versucht, sich dem Streitgegenstandsbegriff wieder vom

2\ Vgl. die Beispielsfälle bei Schwab, Streitgegenstand, S.74; 88; ders., JuS 1976, S. 71, 72. 22 Insbesondere Schwab, JuS 1965, S.81, 83 f.; ders., JuS 1976, S.71, 72; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 96 III 3; Bötlicher in Festgabe für Rosenberg, S. 73,90 ff. Aber auch die Rechtsprechung hat in EinzelflilIen dieser Auffassung den Vorzug gegeben, vgl. BGHZ 8, S. 50 ff.; BGHZ 9, S. 27 ff.; BGH NJW 1972, S. 1235,1236. 23 Horn, JuS 1992, S. 680, 682. 24 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 96 I1I, IV. 25 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 96 III 2. Im Hinblick auf den Streitgegenstand beim Eheprozeß ebenso Bötlicher in Festgabe für Rosenberg, S. 73, 80 ff.; und in bezug auf einen Kündigungsschutzprozeß ders. in Festschrift für Herschel, S. 81 ff. Ablehnend Henckel, Parteilehre, S. 276, 277. 26 Nikisch, AcP 154, S. 271, 283 ff. Henckel, Parteilehre, S. 274 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald. Zivilprozeßrecht, § 96 III 2.

I. Grundlagen

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materiell-rechtlichen Standpunkt her zu nähern. Nach Nikisch 27 entfernen sich die Vertreter der prozeßrechtlichen Theorien "völlig und unnötig vom Gesetz", wenn sie den Klageantrag oder das Klagebegehren filr den "Anspruch" im Sinne des Prozeßrechts und somit filr den Streitgegenstand ausgeben. Das Gesetz selbst habe, so Nikisch, unter seinem Anspruch nicht das Rechtsschutzgesuch, sondern den materiellen Anspruch verstanden. Obwohl die Ansatzpunkte nicht ganz einheitlich sind, soll dieser Auffassung nach im Ergebnis nur ein Streitgegenstand anzunehmen sein, wenn einem Lebenssachverhalt mehrere materielle Ansprüche entspringen 28 • Für Henckef9 liegt, in Abgrenzung zu den Lehren, die ausschließlich auf das klägerische Begehren zur Definition des Streitgegenstandes abstellenJO, jedenfalls dann ein einheitlicher Streitgegenstand vor, wenn bei mehreren Ansprüchen ein einheitliches Verfilgungsobjekt gegeben ist. Seiner Ansicht nach gehe es im Prozeß nicht um die Unterscheidung materiell-rechtlicher Anspruchsnormen, sondern um den Anspruch "als Objekt rechtlicher Beurteilung und gleichzeitig auch als wirtschaftlicher Wert"J I . Der Gesetzgeber selbst geht jedenfalls von einem auch vom materiellen Recht geprägten Anspruchsbegriffaus, wenn er, wie etwa in § 194 BGB32, Anspruch und Streitgegenstand miteinander in Verbindung bringe J. Nikisch weist allerdings zu Recht darauf hin, daß sich prozessualer und materiell-rechtlicher Anspruchsbegriff nicht decken können, da mit jeder - auch erfolglosen - Klage ein "Anspruch" erhoben werden muß, über den das Gericht letzten Endes entscheiden muß J4 .

Nikisch, AcP 154, S. 271,275. Nikisch, AcP 154, S. 271, 283 ff; Lent ZZP 65 (1952), S. 315, 335 ff; anders noch ders., ZZP 57 (1933), S. 1 ff. Aus diesem Grundgedanken wurde dann in der Folgezeit von Georgiades, S. 63 ff., 112 ff., 125 ff., die sog. Anspruchsnorm- oder Anspruchsgrundlagenkonkurrenz herausgebildet, die seither insbesondere von Larenz, Schuldrecht Allgemeiner Teil I, § 37 III, S. 694 und Esser-Schmidt, Schuldrecht I, § 7 11 2 vertreten wird; vgl. dazu auch Loritz, S. 49, 50 f. 29 Henckel, Partei lehre, S. 272, 277 f. 30 Schwab, Streitgegenstand, S. 183 ff.; Bötlicher in Festschrift rur Herschel, S. 181 ff.; ders. in Festgabe rur Rosenberg, S. 73 ff.; ders., FamRZ 1957, S. 409 ff. 31 Henckel, Parteilehre, S. 271,272. 32 Grunsky, Verfahrensrecht, § 5 11 1, S. 28 ff.; Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S. 16 ff. 33 Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S.207; a.A. Schwab JuS 1965, S. 81, 82; ders., JuS 1976, S. 71, 72. 34 Nikisch, Zivilprozeßrecht, S. 161 ff. Dementsprechend auch Lent, ZZP 57 (1933), S. 1, 3; K. Blomeyer, ZZP 65 (1952), S. 52, 59 f.; Schwab, Streitgegenstand, S. 141; Baumgärtei, JuS 1974, S. 69,70. 27 28

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§ 5 Der Streitgegenstand

A. Biomeyer3S beurteilt die Problematik aus einem ganz anderen Blickwinkel. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen, die das Zivilprozeßrecht an den Streitgegenstand stellt, propagiert er einen relativen Streitgegenstandsbegriff. Ausgehend vom Zweck der jeweiligen Bestimmung, nach dem Inhalt und Umfang des Streitgegenstandes festgelegt wird, defIniert er den Streitgegenstandsbegriff in dem einen Fall mal eingliedrig, in dem anderen zweigliedrig36 • Da der Prozeß an sich diverse Zwecke verfolge, wird es dieser Auffassung nach keinesfalls als zwingend angesehen, den Streitgegenstand für alle Bereiche des Zivilprozeßrechts einheitlich festzulegen 37 •

Da sich die zum Streitgegenstand vertretenen Theorien38 untereinander in vielen Einzelpunkten unterscheiden, ist es an dieser Stelle nicht möglich, sämtliche Besonderheiten aufzuzeigen. Festzuhalten bleibt, daß die verschiedenen Streitgegenstandstheorien nur im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen fUhren, die Unterschiede im übrigen aber nur marginal sind. Wegen der Besonderheiten innerhalb des Unterlassungsprozesses ist aber die Streitgegenstandsproblematik von entscheidender Bedeutung. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage nach der Effektivität des Rechtsschutzes, der Begründetheit des Klageanspruchs und der Materialität des Unterlassungsanspruchs gilt es, punktuell die bisweilen inkonsequente prozessuale Behandlung innerhalb der Rechtsprechung aufzuzeigen. Hier wird daher auch der Schwerpunkt der nachfolgenden Prüfung liegen, wobei es insbesondere darum geht, den Einfluß deutlich zu machen, den die verschiedenen Streitgegenstandslehren in bezug auf die Bindung des Richters an die Parteianträge gemäß § 308 Abs. 1 ZPO gerade auch im Unterlassungsprozeß ausüben.

IT. Streitgegenstand der Unterlassungsklage 1. Verhältnis zur Kernlehre

a) Sachverhalt als bestimmendes Element Um über den Inhalt und die Bedeutung des Streitgegenstandes innerhalb des Unterlassungsrechtsschutzes Auskunft geben zu können, müssen die Auswir-

35 Arwed Blomeyer, S 231 f., 234. Gleichermaßen Baumgärtei, JuS 1974, S. 69, 72 ff.; Jürgen Blomeyer, JuS 1970, S. 123, 126, 127; Thomas/Putzo, ZPO, Ein!. 11 Rn. 7. 36 Kritisch dazu Habscheid in Festschrift tUr Schwab, S. 181, 188, 189. 37 Bejahend Stein/Jonas/Schumann, ZPO, Ein!. Rn. 268, 285 ff.; Grunsky, Verfahrensrecht, § 5 III 2, S. 38, hält trotz verschiedentlich geäußerter Bedenken an der grundsätzlichen Einheitlichkeit des Streitgegenstandsbegriffs fest. 38 Vg!. dazu insbesondere im Hinblick auf § 308 ZPO Melissinos, S. 51 ff.

H. Streitgegenstand der Unterlassungsklage

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kungen Stück filr Stück an den einzelnen Prüfsteinen des Prozesses aufgezeigt werden39 • In den vorangegangen Kapiteln ist deutlich geworden, daß die Beftlrworter der Kernlehre davon ausgehen, dem Unterlassungsanspruch selbst komme ein erweiterter Schutzurnfang zugute. Nach den verschiedenen Varianten dieser Lehre äußere sich dieser entweder in einem verallgemeinernden über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehenden Klageantrag bzw. Urteilstenor oder aber darin, daß das Vollstreckungsgericht einen eng gefaßten Tenor in seiner Rechtskraft erweitere. Was bedeutet diese Rechtsprechung nunmehr filr den Streitgegenstandsbegriff und den daraus resultierenden Umfang der Verurteilung? Nach § 322 ZPO erstreckt sich die materielle Rechtskraft des Urteils auf den Streitgegenstand der Klage 40 • Ob die Rechtsprechung auf der Grundlage der Kerntheorie danach aber dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff folgt, hängt davon ab, wie das Verhältnis von Klageantrag zu dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt zu beurteilen ist.

b) Fehlende Gleichwertigkeit von Antrag und Klagegrundlagen

Vielfach wird die Annahme geäußert, gerade der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff ebne der Kernlehre den Weg filr eine Erweiterung des Schutzbereichs41 • Wenn sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs der Streitgegenstand einer Unterlassungsklage über den Klageantrag hinaus immer auch auf den Kern der Verletzungshandlung erstreckt42 , indem sämtliche Kernbereichshandlungen als vom Streitgegenstand umfaßt fingiert werden, mag es auf den ersten Blick nahe liegen, die Grundlage dafilr in der gleichwertigen Berücksichtigung von Antrag und zugrundeliegendem Lebenssachverhalt zu vermuten. Tatsächlich kann aber die Heranziehung des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs weder die vollstreckungsrechtliche noch die erkenntrlisgerichtliehe Anwendungsform rechtfertigen. In der vollstreckungsrechtlichen Anwendungsform spricht das Vollstreckungsgericht trotz einer nur eingeschränkten, auf die Wiederholungshandlung bezogenen Antrags- und VerbotsRimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S. 175. Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S. 177. 41 Melissinos, S. 48 ff., 68. Im Ergebnis auch Thomas/Putzo, ZPO, Ein\. H; Habscheid, Streitgegenstand, S. 221 f. Auch Schubert, ZZP 85 (1972), S.29, 40, 41, bejaht dies. Gleichzeitig lehnt er aber die Anwendbarkeit der Kemlehre und somit auch des zweigliedrigen Streitgegenstandes innerhalb der Unterlassungsklage mit dem Argument ab, der "Kem der Verletzungshandlung" sei keine feste Größe und es sei im Sinne der Rechtssicherheit keinesfalls hinzunehmen, daß der Streitgegenstand der Unterlassungsklage deshalb unbestimmt bleibe. Er plädiert vielmehr dafiir, daß bei Unterlassungsklagen ausschließlich der Antrag den Streitgegenstand bestimmt. 42 BGH GRUR 1961, S. 288, 290, "Zahnbürsten". 39

40

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§ 5 Der Streitgegenstand

fassung dem Urteilsausspruch einen Schutzbereich zu, der sämtliche Kembereichshandlungen erfaßt. Die Rechtskraft des Urteils nach § 322 ZPO reicht dementsprechend über den Umfang hinaus, den der klägerseitige Antrag vorgegeben hat, so daß offenbar nur der zugrundeliegende Lebenssachverhalt als bestimmender Faktor anzusehen ist. Gleiches gilt für die materielle Kemlehre, in der trotz eines engen Klageantrags in erkenntnisgerichtlicher Kompetenz eine erweiterte Tenorfassung auszumachen ist. In letzter Konsequenz legt das Gericht selbst auf der Grundlage der vorgebrachten Tatsachen den Umfang des Verbots unter weitgehender Nichtbeachtung des Klageantrags fest. Diese Überlegungen sprechen aber entscheidend gegen eine Ausrichtung der Kernlehre an dem bislang herrschenden Streitgegenstandsbegriff. Als entscheidender Aspekt bei der Analyse der Zweigliedrigkeit innerhalb des Streitgegenstandsbegriffes kristallisiert sich der Begriff der Gleichwertigkeit heraus. Wenn darauf abgestellt wird, Klageantrag und Sachverhalt sollten als gleichwertige und gleich wichtige Elemente des Streitgegenstandes behandelt werden, stellt sich die Frage, ob bei nicht vollständiger Identität beider Merkmale der kleinste gemeinsame Nenner den tatsächlichen Umfang bestimmt oder ob dasjenige Merkmal maßgebend ist, das die größte Reichweite aufweist. Bezöge sich der Klageantrag somit lediglich auf die konkrete Verletzungshandlung, müßte eine weitergehende Verurteilung selbst dann unterbleiben, wenn deren Kembereich weitere Handlungen umfassen würde. Lediglich bei einem erweiterten Klageantrag sind die Auswirkungen der Zweigliedrigkeit zu beobachten. Dann nämlich hat das Gericht den Lebenssachverhalt insoweit zu beachten, als im Verhältnis zum Klageantrag Deckungsgleichheit besteht. Nur bei dieser Auslegung vermag die Anlehnung der Kemlehre an die zweigliedrige Bestimmung vertretbar sein. Die Vergegenwärtigung der Gründe für die dualistische Aufteilung wird hier Klärung bringen. Weil die einseitige, nur auf den Klageantrag bezogene Bestimmung immer dann Probleme bereitete, wenn ihm mehrere materiell-rechtliche Ansprüche zugrundelagen, sollte diese Schwierigkeit durch zweigliedrige Schwerpunktsetzung vermieden werden. Nach der alten Lehre konnte selbst dann nur jeweils ein Anspruch begutachtet werden, wenn dem Klageantrag materiell-rechtlich mehrere Ansprüche zugrundelagen, die jeweils auf dasselbe Ziel gerichtet waren mit der Folge einer oftmals notwendig werdenden neuerlichen Klageerhebung. Da es als vorrangiges Ziel der neuen Lehre anzusehen ist, dies zu vermeiden, versucht man nunmehr, Klageantrag und Sachverhalt derartig in Abhängigkeit zueinander zu setzen, daß immer nur dann, wenn ein einzelnes dieser Elemente gehäuft auftritt, eine Anspruchshäufung vorliegen so1l43. Eine Ausdehnung des 43

Schwab. JuS 1965, S. 81, 83.

11. Streitgegenstand der Unterlassungsklage

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Streitumfanges schlechthin, insbesondere über den Antrag hinaus, ist jedoch keinesfalls durch die zweigliedrige Bestimmung beabsichtigt. Es wird daher zu Recht bezweifelt, daß vor dem Hintergrund dieser Zweckrichtung mit dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff die von den Gerichten betriebene Kernlehre gerechtfertigt werden kann44 • Es liegt nahe, sie vielmehr mit dem rein materiellen Streitgegenstandsbegriff, der nur auf den Anspruchsgrund abstellt, in Beziehung zu setzen. Unabhängig von den bereits erörterten entgegenstehenden rechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der Kernlehre4S ermöglicht allein diese Schwerpunktsetzung, im Prozeß einen umfassenderen Tenor trotz eines eng begrenzten Klageantrags zu erlangen.

2. Zweigliedrige Bestimmung Dagegen trägt der sich nur an dem Unterlassungsantrag orientierende eingliedrige Streitgegenstandsbegriff, den Schubert46 statt dessen favorisiert, nicht zur Durchsichtigkeit des Unterlassungsrechtsschutzes bei. Zwar stünde der Streitgegenstandsbegriff hier von Beginn an fest, dem Kläger aber würde zugemutet, in seinen Antrag sämtliche denkbaren Umgehungshandlungen zu bezeichnen, um wenigstens annähernd ausreichenden Rechtsschutz fiir sich in Anspruch nehmen zu können, ein nahezu unmögliches Unterfangen. Eine Reihe von Argumenten spricht dafiir, weder den .Klageantrag schlechthin noch den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt samt Kernbereich noch den

materiellen Anspruch als allein bestimmenden Faktor tUr den Streitgegenstand der Unterlassungsklage anzusehen. Würde nur der Antrag ohne jeden Bezug zum Sachverhalt den Streitgegenstand bestimmen, wäre es dem Kläger unmöglich, denselben Antrag wegen entgegenstehender Rechtskraft nach § 322 ZPO, die sich ja ebenfalls nach dem Streitgegenstand bestimmt, erneut zum Klagegegenstand zu machen47 • Dies mUßte dann unabhängig davon gelten, ob die Klage auf ein neues Vorbringen gestützt würde. Tatsächlich muß eine Lösung gefunden werden, die auf der einen Seite einen die Umgehungshandlungen mit umfassenden Rechtsschutz ermöglicht, auf der anderen Seite aber die Parteien in die Lage versetzt, den Streitgegenstand in jeder Lage des Prozesses zu definieren.

So aber Oppermann, S. 80, 81. Dazu vgl. § 4 11 5., III 3. 46 Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29, 40. 47 Schwab, Streitgegenstand, S. 146, 154, 167 f., bestimmt den Streitgegenstand allein nach dem Begehren im Klageantrag, schränkt diesen jedoch gerade bei der Behandlung der materiellen Rechtskraft ein, indem er ihren Umfang mit Hilfe des Antrags und des vorgetragenen Prozeßstoffes definiert. 44 45

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§ 5 Der Streitgegenstand

3. Fazit Der nur auf den Antrag bezogenen DefInition des Klagegegenstandes beim unterlassungsrechtlichen Globalantrag ist zuzugeben, daß damit zu keiner Zeit Unsicherheit über den Umfang des Rechtsstreits besteht, eine Tatsache, die insbesondere fUr die effektive Verteidigung des Beklagten von großem Interesse ist. Allerdings gilt das nur fUr den Umfang, den das Urteil in seiner extensiven Auslegung hat. Gleichzeitig wird nämlich durch die starre Bindung an den Antragswortlaut die intensive Auslegung zu Lasten des Klägers beschränkt und somit gegen die Rechtsschutzgarantie und § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Letztendlich kommt man dem Ziel einer eindeutigen Streitgegenstandsbestimmung am nächsten, wenn zwar an der Zweigliedrigkeit von Klageantrag und Lebenssachverhalt festgehalten wird, zugleich aber festgelegt wird, daß der Streitgegenstand nur soweit gehen kann, wie der Antrag und der ihm zugrundeliegende Lebenssachverhalt deckungsgleich sind. Damit bestimmt jeweils der einschränkendere Teil den gemeinsamen Nenner. Immer kommt es auf den gestellten Antrag an, fiir den zur Auslegung aber der zugrundeliegende Lebenssachverhalt hinzugezogen werden muß 48 •

48 So auch Schwab, Streitgegenstand, S. 185 ff. Zuzustimmen ist MünchKommZPO/Lüke, § 253 Rn. 134, der auf eine gerade im Unterlassungsrechtsschutz mangelnde Beachtung des der Klage zugrundeliegenden Lebenssachverhalts hinweist.

§ 6 Der unterlassungsrechtliche Globalantrag I. Einf"ührung Auf der Grundlage der vorangegangenen Erörterungen bleibt zu fragen, inwieweit sich der umfassende Unterlassungsanspruch in das Gefüge von Prozeßrecht und materiell-rechtlichen Grundlagen einzugliedern vermag. Der Globalanspruch zeichnet sich ja gerade dadurch aus, daß der Antragsteller die Eingrenzung des Streitgegenstandes durch eine enge Antragstellung bewußt vermeidet und statt dessen eine möglichst umfassende gerichtliche Streitentscheidung erhofft. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine derartig umfassende Klage zu dieser Erwartung berechtigt, hängt letztlich wiederum davon ab, wie Inhalt und Umfang dieser AntragsteIlung zu beurteilen sind. Wenn zuvor festgestellt wurde, das erkennende Gericht dürfe eine eingeschränkte Formulierung jedenfalls nicht ignorieren, ist hier von Interesse, ob die Senate in ihren Entscheidungen dergestalt an die vorgegebene Antragsformulierung gebunden sind, daß sie die Klagegrundlagen außer acht lassen können. Diese Frage stellt sich insbesondere bei der umfassenden Unterlassungsklage. Lagen die Probleme bisher in der Ausweitung des Schutzbereichs des Unterlassungstenors auf Seiten des Gerichts, bestehen sie nunmehr beim Antragsteller, der sich durch ein uneingeschränktes Unterlassungsbegehren der Gefahr der generellen Verwehrung von Rechtsschutz aussetzt. Denn in der gerichtlichen Praxis erweist sich die Hoffnung, das Gericht werde der Klage insoweit stattgeben, wie sich sachlich-rechtlich ein Anspruch ergibt, als vergeblich. Der Bundesgerichtshof und insbesondere das Bundesarbeitsgericht haben in mehreren Entscheidungen l deutlich gemacht, daß sie einen Globalantrag, mit dem die Unterlassung einer bestimmten Handlung für viele denkbare Fallgestaltungen begehrt wird, nur dann für begründet halten, wenn der Antragsteller die Unterlassung für sämtliche erfaßten Fallgestaltungen verlangen kann 2 • Sei dies nicht der Fall, müsse der Antrag im ganzen als unbegründet

I BGHZ 4, S. \02 = GRUR 1952, S. 511, "Farina Urköl'sch"; BGH GRUR 1954, S. 331, 333; BGH GRUR 1955, S. 95, 96, "Buchgemeinschaft"; BGH GRUR 1957, S. 561, 564, "REI-Chemie"; BGH GRUR 1962, S. 91,94 ff., "Jenaer Glas"; BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 mit Anmerkung Raab = SAE 1995, S. 93,97. 2 Zustimmend Raab, Anmerkung zur Entscheidung BAG EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972. Im Hinblick auf dieselbe Problematik bei einem globalen Feststellungsantrag

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§ 6 Der unterlassungsrechtliche Globalantrag

zurückgewiesen werden. Das Gericht dürfe nicht dahingehend erkennen, daß der geltend gemachte Anspruch unter einschränkenden Voraussetzungen gegeben sei, die nicht zum Inhalt des Antrags erhoben worden seien3 . Ob ggfls. einzelne Handlungen, die aus der umfassenden Antragsformulierung herauszulesen sind, dem Verbot unterfallen, prüfen die Obergerichte nicht. Pastor4 verteidigt diese Vorgehensweise mit dem Argument, das Gericht könne bei einem solchen globalen Antrag nicht davon ausgehen, der Gläubiger wünsche im Zweifel auch die Untersagung einzelner Handlungen. Sollte er dieses Begehren haben, so müsse er einen oder mehrere dementsprechende Hilfsanträge stellen. Diese Argumentation leitet über zu der Analyse des Antragsinhalts des unterlassungsrechtlichen Globalantrags, auf die im folgenden besonderes Augenmerk gelegt werden soll. Einen Schwerpunkt wird dabei insbesondere auch die Frage bilden, ob und inwieweit der Klageantrag im prozessualen Sinn teilbar ist.

11. Inhalt des umfassenden Unterlassungsbegehrens 1. Behandlung des unterlassungsrechtlichen Globalantrags in der Rechtsprechung a) Klägerisches Begehren

Bevor beurteilt werden kann, ob und inwieweit beim Globalantrag ein minus im Sinne des § 308 Abs. 1 ZPO zugesprochen werden kann, bedarf es zunächst der Klärung, was in einem solchen Fall überhaupt als "beantragt" anzusehen ist. Die Bedeutung des Klageantrags, der wie bereits ausgefilhrt, Ausgangspunkt aller weiteren Prozeßhandlungen ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß der Kläger durch den Antrag den Streitgegenstand gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mit bestimmt und das Gericht seinerseits in seiner Entscheidung an diesen Antrag gebunden ist5 . Darüber hinaus bestimmt er auch das Verhalten des

BAG AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = SAE 1988, S. 184 ff. mit ablehnender Anmerkung Loritz. 3 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93, 97. 4 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 674. 5 BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 2 Rn. 2; MünchKomm-ZPOI Lüke, § 253 Rn. 133, 134.

11. Inhalt des umfassenden Unterlassungsbegehrens

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Beklagten, der sich bei seiner Klageerwiderung oder seinem Bestreiten allein auf den vorgetragenen Klageantrag bezieht6 • Die Ausftihrungen zur Problematik der erfolgversprechenden AntragsteIlung bei der Unterlassungsklage 7 haben gezeigt, daß sich bei der Klageerhebung die zu untersagende Handlung sehr schlecht bestimmen läßt, da sie noch nicht eingetreten ist. Die Schwierigkeiten, einen eindeutig bestimmten Klageantrag vorzubringen, vergrößern sich, je mehr Unsicherheiten beim Kläger über die Rechtslage, die Auffassung des Gerichts bei Ermessensentscheidungen und tatsächliche, vom Kläger nicht aufklärbare Gegebenheiten existieren. Daher muß es in den Fällen, in denen die Klageerhebung mit bestimmtem Klageantrag deshalb Schwierigkeiten bereitet, weil der erstrebte Erfolg von Handlungen in der Zukunft abhängt, ftir den Kläger möglich sein, auch mit einem umfassenden, aber bestimmten Klageantrag sein Rechtsschutzbegehren durchzusetzen. Die Motivation ftir eine umfassende Antragstellung begründet sich somit in der Regel aus der Unsicherheit im Hinblick auf eine treffende und erfolgversprechende Antragsformulierung. Der Erhebung einer Unterlassungsklage ist im Regelfall bereits eine Handlung seitens des Beklagten vorausgegangen, die der Kläger als rechtswidrigen Eingriff in sein Schutzrecht empfunden hat. Dies gilt entsprechend auch fiir die umfassende Unterlassungsklage, die aufgrund bereits erfolgter Verletzungshandlung erhoben wird. Der Kläger befiirchtet darüber hinaus aber weitere Rechtsverletzungen, die durch Untersagung der reinen Wiederholungshandlung von der Rechtskraft nicht umfaßt würden. Dabei kommt ihm der Globalantrag zu Hilfe, der dem Beklagten sowohl die Untersagung der Wiederholungshandlung als auch weiterer darüber hinausgehender Rechtsverstöße, die sämtlich unter den umfassenden Antrag zu subsumieren sind, verbieten soll.

b) Problemstellung

Vergegenwärtigt man sich die eingangs beschriebene Situation der Klägerinnen im Verfahren über den Warnstreik in Form der "Neuen Beweglichkeit"S, bedarf es nur wenig Phantasie um festzustellen, daß hier eine konkrete AntragsteIlung hinsichtlich der begehrten Unterlassung nur begrenzt möglich war. Die Klägerinnen waren der Auffassung, sowohl die Wiederholung der durchgefiihrten Streiktätigkeit als auch weitere Streiktätigkeiten während noch

6 Melissinos, S. 103. 7Vgl.§2I. 8 BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf= DB 1984, S. 2563 ff. = SAE 1985, S. 43 ff.

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§ 6 Der unterlassungsrechtliche Globalantrag

laufender Tarifverhandlungen wären gerichtlich zu untersagen. Da sie aber nicht wußten, welche Streikvarianten der Beklagte noch als erforderlich und geeignet ansehen würde, erschien ihnen eine konkretere Fassung ihres Klageantrags unrealistisch. Die statt dessen gewählte globale AntragsteIlung filhrte letztlich allerdings zur vollständigen Klageabweisung. Der Senat ging in seiner Urteilsbegrundung9 davon aus, eine teilweise Verurteilung komme bereits deswegen nicht in Betracht, weil der Klageantrag eine umfassende Verurteilung verlange und Streitgegenstand somit nur die vollumfilngliche Unterlassung sei. Teilansprüche seien ihrer Ansicht nach bereits nicht vom Klageantrag umfaßt lO • Damit das Gericht einem Unterlassungskläger, der einen umfassenden Klageantrag stellt, überhaupt einen Teil seiner Klage positiv verbescheiden kann, bedarf es zunächst der Feststellung, daß sich der globale Antrag aus diversen Einzelunterlassungsansprüchen zusammensetzt. Nur dann, wenn sich der Globalantrag nur quantitativ, aber nicht qualitativ von den Einzelunterlassungsanspruchen unterscheidet, diese also sämtlich mit umfaßt, kann ein Kläger eine dementsprechende Verurteilung erwarten. Entscheidend ist diese Tatsache zudem für die Frage der materiellen Rechtskraft. Weist das Gericht einen umfassenden Unterlassungsantrag vollständig ab, steht der Kläger vor dem Problem der erneuten Klageerhebungli.

c) Abkehr vom materiellen Streitgegenstandsbegri.fJ

Wenn zuvor l2 ausgefiihrt wurde, die Rechtsprechung im Unterlassungsrechtsschutz favorisiere im Hinblick auf die Erfordernisse der KernIehre generell einen materiellen, auf den Lebenssachverhalt bezogenen Streitgegenstandsbegriff, so muß diese Feststellung hier, bei der Begutachtung des umfassenden Antrags, relativiert werden. Ohne dies allerdings ausdrücklich zu benennen, wird nämlich in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die globale Unterlassungsklage offenbar der Lehre vom eingliedrigen Streitgegenstand gefolgt, die ausschließlich auf den klägerischen Antrag abstellt. Zu dieser Ansicht muß man gelangen, wenn man sich die Rechtsprechung zum umfassenden Klageantrag vergegen-

9 Vgl. BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf= BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = OB 1984, S. 2563, 2570 = SAE 1985, S. 43 ff. 10 Auch Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S.674, teilt die Auffassung, das Gericht müsse davon ausgehen, daß nur eine umfassende Verurteilung gewünscht sei. 11 Zu den Auswirkungen der aufgezeigten Rechtsprechung auf die Rechtskraftproblematik vgl. § 11. 12 V gl. § 5 11 l.a),b).

11. Inhalt des umfassenden Unterlassungsbegehrens

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wärtigt, die dem einem Globalantrag zugrundeliegenden Lebenssachverhalt keine Beachtung schenkt. Offensichtlich geht das Gericht davon aus, der Streitgegenstand, den der Kläger mit seinem umfassenden Begehren gewählt hat, sei starr und ermögliche keine Teilverurteilung. Anders sind die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu globalen Unterlassungsanträgen nicht zu erklären, in denen es einen einzigen Streitgegenstand formuliert und dazu weiter ausfilhrt, ein antragsgemäßer Urteilsausspruch könne nur erfolgen, wenn sämtliche unter den Streitgegenstand fallenden Handlungsvarianten zu untersagen wären 13. Da es den Sachverhalt, der sich aus einer Kombination von Wiederholungs- und Begehungsgefahren zusammensetzt, nicht würdigt, deutet es an, daß es den Streitgegenstand ausschließlich vom Antrag her bestimmt. Augenscheinlich sieht das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung daher die in dem globalen Unterlassungsantrag zusammengefaßten Einzelanträge nicht als minus sondern als aliud zu dem Antrag an, weshalb es gegen eine entsprechende Teilverurteilung gemäß § 308 Abs. 1 ZPO das Wort redet.

2. Vollumfangliehe Unterlassung als Streitgegenstand teilbar

Selbst wenn man dem vom Bundesarbeitsgericht offenbar unbewußt abgegebenen Plädoyer fiir einen eingliedrigen, nur vom Klageantrag bestimmten Streitgegenstand folgte, filhrte dies nicht zwangsläufig dazu, die Möglichkeit einer Teilverurteilung abzulehnen. Da aus der Eingliedrigkeit nämlich nicht etwa folgt, eine Klage könne entweder nur voll zugesprochen oder aber gänzlich abgewiesen werden, muß selbst unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung auch eine teilweise Verurteilung in Erwägung gezogen werden. Denn ob es sich bei der AntragsteIlung um einen oder mehrere Streitgegenstände handelt und welchem Streitgegenstandsbegriff gefolgt wird, kann auf die Entscheidung des Gerichts, ob ein minus zuzusprechen ist oder nicht, keinen Einfluß haben. Versucht man die Hintergründe dieser Auffassung zu erforschen, kommt man zu dem Schluß, daß der Senat das klägerische Klagebegehren filr unteilbar gehalten hat, was zur Folge hatte, daß dem Unterlassungsantrag entweder nur vollständig oder gar nicht entsprochen werden konnte. Der Unterlassungskläger begehrt mit dem Prozeß aber den richterlichen Ausspruch eines filr sich in Anspruch genommenen Rechts, das er aus einem angegebenen Lebensvorgang ableitet l4 • Gerade der globale Unterlassungsantrag setzt sich aber aus 13 V g!. aus jüngster Rechtsprechung nur BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 mit Anmerkung Raab = SAE 1995, S. 93,97,98,99. 14 Zöller/Vollkommer, ZPO, Ein!. 63.

7 Backsmeier

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§ 6 Der unterlassungsrechtliche Globalantrag

verschiedenen Teilen eines Lebenssachverhalts zusammen, die sowohl die konkrete Verletzungshandlung als auch sämtliche darüber hinausgehende zukünftig mögliche Einzelhandlungen umfassen: Neben der Möglichkeit der Wiederholung der konkreten Verletzungshandlung betUrchtet der Kläger zusätzlich weitere Rechtsverletzungen.

3. Fazit

Mit der dargestellten Rechtsansicht entfernt sich das Gericht von grundlegenden Maximen des Zivilprozesses, dem ein "Alles-oder-Nichts-Grundsatz" wesensfremd ist. Mit der stufenweisen Verurteilung bei der Stufenklage gemäß § 254 ZPO IS , dem Teilurteil, dem Grund- und Vorbehaltsurteil, der richterlichen Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO und insbesondere dem Gebot Ne ultra petita (§ 308 Abs. 1 ZPO) im Hinblick auf eine sinnvolle AntragsteIlung existieren in der Zivilprozeßordnung eine Reihe von Gegenbeweisen. Stellt die Rechtsprechung nun darauf ab, der Streitgegenstand lasse sich nicht in unterschiedlich abgrenzbare Teilbereiche aufgliedern, hat dies die NichtbeTÜcksichtigung der beanstandeten Rechtsverletzung zur Folge und der Kläger hätte quasi eine "Gesamtbegehungsgefahr" sämtlicher konkret bevorstehender Zuwiderhandlungen nachzuweisen. Mit dieser Auffassung ignoriert es aber unzulässigerweise einen unverzichtbaren Teil des Klagebegehrens, nämlich den Klagegrund. Angesichts dieser Tatsachen erscheint es erlaubt zu vermuten, die Entscheidungen zum Globalanspruch seien mehr oder minder ohne ausreichende Berücksichtigung prozeßrechtlicher Maxime gefällt worden l6 • Indem dem Kläger die intensive Auslegung seines bewußt weit gefaßten Klageantrags verwehrt wird, greift die Rechtsprechung erheblich in den Dispositionsgrundsatz ein. Mit Blick darauf, daß der Berechtigte, der bereits eine Zuwiderhandlung erfahren hat, über diese konkrete Rechtsverletzung hinaus Schutz erhalten will, muß es als widersprüchlich angesehen werden, wenn der Kläger, begehrte er nur die Untersagung der Wiederholungshandlung, mit seinem Antrag erfolgreich wäre, er bei umfassenderer Klageerhebung aber vollständig unterlegen wäre.

Dazu Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 392. Eine ähnliche Befiirchtung teilt auch MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133: "Da das Vollstreckungs- und Erkenntnisverfahren sich entsprechen müssen (und umgekehrt), ist es folgerichtig, eine in diesem Umfang von der Beschreibung der Verletzungshandlung im Klageantrag abweichende Verurteilung nicht an § 308 Abs. I ZPO scheitern zu lassen." 15

16

11. Inhalt des umfassenden Unterlassungsbegehrens

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Der Streitgegenstand des unterlassungsrechtlichen Globalantrags ist somit teilbar in einen Unterlassungsantrag im Hinblick auf die konkrete Verletzungshandlung und einen im Hinblick auf andere, darüber hinausgehende Rechtsverletzungen und Umgehungshandlungen J7 . Wenn somit die Klage deswegen unbegründet erscheint, weil der Beklagte keine rechtswidrige Verletzungshandlung begangen hat, ist der Klageantrag gleichwohl unter dem Aspekt der drohenden Gefahr einer erstmaligen Rechtsverletzung zu prüfen 18 • Da darüber hinaus keinesfalls der Klagegegenstand zu einer "Alles-oderNichts-Verurteilung" zwingt, steht der Gesichtspunkt der Teilbarkeit des Klagebegehrens einem Teilerfolg im Hinblick auf § 308 Abs. 1 ZPO nicht im Wege 19 • Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, daß ein umfassendes Unterlassungsbegehren nicht dahingehend ausgelegt werden darf, der Antragsteller begehre ausschließlich eine vollumfiingliche Verurteilung. Da der Kläger vor der AntragsteIlung regelmäßig durch eine Rechtsverletzung seitens des Beklagten betroffen war, beinhaltet der globale Unterlassungsantrag in jedem Fall das Schutzbegehren vor einer Wiederholung der konkreten Verletzungshandlung. Daneben sind unter den Globalantrag Einzelhandlungen einzuordnen, die über die Wiederholung der identischen Verletzungshandlung hinausgehen und fiir die der Kläger die Gefahr der erstmaligen Begehung geltend macht.

4. Folgerungen für die weitere Untersuchung Bei Gewichtung der Diskussionspunkte überwiegen daher auch beim unterlassungsrechtlichen Globalantrag die Argumente, die fiir einen zweigliedrigen Streitgegenstand sprechen20 • Da ein derartiger Unterlassungsantrag den denkbar weitesten Umfang hat, liegt es am Kläger, den Lebenssachverhalt darzulegen, auf dem sein materiell-rechtlicher Klageanspruch beruht. Er hat deutlich herauszustellen, daß er sowohl eine Wiederholung der geschehenen Verletzungshandlung als auch die Begehung weiterer "ähnlicher" Rechtsverletzungen befiirchtet.

17 Anders als die Rechtsprechung wird hier die Auffassung vertreten, daß Umgehungshandlungen nicht mehr von der Verletzungsunterlassungsklage umfaßt sind, sondern im Rahmen der vorbeugenden Unterlassungsklage geltend zu machen sind. 18 BaumbachiHefermehl, Ein!. UWG Rn. 260. 19 Gleicher Ansicht, allerdings ohne entsprechende Begründung, ist offenbar Melissinos, S. 160. 20 MünchKomm-ZPO/Lüke, § 253 Rn. 133,134.

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§ 6 Der unterlassungsrechtliche Globalantrag

Steht hiermit fest, daß eine Teilverurteilung im Hinblick auf einen umfassenden Unterlassungsantrag nicht an der Defmition des Streitgegenstandes scheitern kann, bleibt nunmehr die Auseinandersetzung mit weiteren möglichen Hindernissen, die es dem Gericht verbieten könnten, die Minustenorierung zu verwehren. So bedarf es näherer Begutachtung, warum die Rechtsprechung nicht wenigstens in bezug auf die konkret beanstandete Verletzungshandlung eine Verurteilung erwogen hat. Nach den gefundenen Ergebnissen müßte die Untersagung der konkreten Verletzungshandlung dann auch im Tenor ihren Ausdruck fmden, wenn die geschehene Verletzungshandlung rechtswidrig war und das Unterlassungsbegehren bezüglich der einzelnen Handlung im Vergleich zum Globalantrag ein echtes oder unechtes minus darstellte. Interessant gestaltet sich die Fragestellung insbesondere im Hinblick auf die Dispositionsmaxime und die daraus resultierende Verpflichtung der Gerichte, nicht mehr als beantragt zuzusprechen (§ 308 Abs. 1 ZPO).

§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita" I. § 308 Abs. 1 ZPO - Grundlagen und Herleitung 1.

Einführung

a) Bindung des Gerichts auch an die Klagegrundlagen

Das Bundesarbeitsgericht verweist in seinen Entscheidungen' zur Begründung der Vollabweisung globaler Unterlassungsanträge wiederholt auch darauf, eine anders lautende Entscheidung verstieße gegen das Gebot "Ne ultra petita" gemäß § 308 Abs. 1 ZP02 • Es ist naheliegend anzunehmen, daß das Gericht der Auffassung war, zu dem umfassenden Unterlassungsanspruch gebe es quantitaiv kein weniger, vielmehr stelle jede anderweitige Tenorierung ein im Rahmen des § 308 Abs. 1 ZPO unzulässiges aliud dar. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. September 1991 3 , die im Beschlußverfahren ergangen ist, mag die Problematik verdeutlichen: Dort hatte der antragstellende Betriebsrat die Arbeitgeberin auf Duldung des Zutritts von ihm eingeladener Medienvertreter zum Betriebsratsbüro in Anspruch genommen. Die Arbeitgeberin wurde anläßlich der Veröffentlichungen von Plänen zur Neuordnung ihrer Forschungstätigkeit, insbesondere der Absicht der Verlagerung großer Teile ihres Forschungslaboratoriums, zu mehreren Pressegesprächen gebeten. Den Pressevertretem, die der Betriebsrat in diesem Zusammenhang in sein Büro eingeladen hatte, verweigerte die Arbeitgeberin wiederholt den Zutritt zum Betriebsratsbüro. Einer deswegen angestrengten einstweiligen Verfilgung gab das Arbeitsgericht statt. Einen weiteren Antrag auf Gewährung des Zutritts eines namentlich genannten

1 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93 ff.; BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972 = EzA Nr. 5 zu § 74 BetrVG 1972; BAG AP Nr. II zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. Im Hinblick auf einen Feststellungsantrag BAG AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = SAE 1988, S. 184 ff. mit Anmerkung Loritz; BAG EzA Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 = AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = SAE 1993, S. 352 ff. 2 Zustimmend Grunsky, Anmerkung zu AP Nr. 10, II zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 3 BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972 = EzA Nr. 67 zu § 40 BetrVG 1972.

102

§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

Pressevertreters zum BetriebsratsbUro wies das Arbeitsgericht wenige Wochen später als unbegründet ab. Mit dem zuletzt am 5. Juni 1989 eingereichten Antrag möchte der antragstellende Betriebsrat die generelle Verpflichtung der Arbeitgeberin erreichen, den Zutritt von ihm eingeladener Medienvertreter zum BetriebsratsbUro zu dulden. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den Antrag als unzulässig zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Diese blieb ohne Erfolg. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgericht hat das Bundesarbeitsgericht den Antrag jedoch nicht als unzulässig, sondern als unbegründet angesehen. Zur Begründung fUhrt es aus: "Einem Globalantrag kann nur stattgegeben werden, wenn der Anspruch auf Vornahme, Unterlassung oder Duldung der Handlung unter allen denkbaren Gesichtspunkten einschränkungslos besteht. Ist dies nicht der Fall, sondern besteht der Anspruch nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen im Einzelfall, so muß der Globalantrag im ganzen als unbegründet zurückgewiesen werden. Das Gericht darf auf den Globalantrag nicht dahingehend erkennen, daß der geltend gemachte Anspruch nur unter bestimmten, nicht zum Inhalt des Antrags erhobenen Voraussetzungen bestehe und im übrigen nicht bestehe. Mit einer solchen Entscheidung würde es nicht etwa noch im Rahmen des § 308 Abs. 1 ZPO lediglich weniger als beantragt zusprechen, sondern es würde unter Verstoß gegen diese Vorschrift anstelle des Beantragten etwas anderes zuerkennen. Es ist rechtlich etwas anderes, ob ein Handlungs-, Unterlassungs- oder Duldungsanspruch einschränkungslos für alle denkbaren Fälle oder nur in bestimmten, von weiteren Umständen abhängigen Einzelfällen besteht. Ohne auf solche besonderen Umstände abstellende Anträge ist das Gericht von Rechts wegen gehindert zu prüfen, unter welchen weiteren Voraussetzungen das geltend gemachte Recht dem Antragsteller zusteht. Dementsprechend ist der Globalantrag als unbegründet abzuweisen, wenn er auf alle denkbaren Fallkonstellationen gerichtet ist und der mit ihm verfolgte Handlungs-, Unterlassungs- oder Duldungsanspruch auch nur in einem von ihm erfaßten Fall nicht besteht." Die entscheidende Frage, inwieweit das Gericht an die Parteianträge bei Unterlassungsklagen gebunden ist, hängt wiederum nicht zuletzt im wesentlichen davon ab, wie der Umfang des Klagebegehrens einer Unterlassungsklage zu definieren ist4 . Wenn oben festgestellt wirds, der Streitgegenstand der Unterlassungsklage bestimme sich zweigliedrig aus Klageantrag und zugrunde-

Schubert, ZZP 85 (1972), S. 29,40. sYgl.§5II2.,3.

4

I. § 308 Abs. I ZPO - Grundlagen und Herleitung

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liegendem Lebenssachverhalt, drängt sich vor diesem Hintergrund die Frage auf, ob die Regelung des § 308 Abs. 1 ZPO nicht erweiternd ausgelegt werden muß. Der Gesetzgeber hat in § 308 Abs. 1 ZPO lediglich eine richterliche Bindung an die "Parteianträge" ohne Berücksichtigung des Klagesachverhalts statuiert, eine Eingrenzung, die aufgrund des Dispositionsgrundsatzes nicht aufrechterhalten werden kann.

b) Dispositionsgrundsatz

Der Kläger begehrt mit der Stellung eines bestimmten Antrags die Zuerkennung konkreter materiell-rechtlicher Ansprüche 6 und beansprucht damit die Verfilgungsfreiheit über den Streitgegenstand. Das Gericht überprüft die geltend gemachten Ansprüche auf ihre Zulässigkeit und Begründetheit hin. Es ist aber nicht befugt, dem Kläger alle Ansprüche, die im Laufe des Verfahrens möglicherweise zur Sprache kommen, zuzusprechen, sondern nur diejenigen, die vom Kläger beantragt sind. Grundlage des Zivilprozesses ist somit, daß der Rechtsträger selbst zu entscheiden hat, ob und inwieweit er seine Rechte ausübt. Da der Kläger mit seinem Antrag die erkennenden Richter in ihrem Entscheidungsumfang beschränken kann7, stehen die Vorschriften des § 253 Abs. 2 Nr. 2 und des § 322 ZPO mit dem Grundsatz "Ne ultra petita" in § 308 Abs. 1 ZPO in einem engen Zusammenhang. Mit dem klägerseitigen Vorbringen ist jedoch nicht nur der prozessuale Klageantrag defmiert. Vielmehr ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch der Klagegrund Gegenstand der Klageschrift. Beides, der Antrag und der zugrundeliegende Lebenssachverhalt bestimmen nach herrschender Ansicht und auch nach der hier vertretenen Auffassung den Streitgegenstands. Wenn aber der Kläger zur Begründung seines Klageanspruchs eine Mehrheit von Tatsachen vorbringt, die unter verschiedene Rechtsnormen zu subsumieren sind, stellt sich die Frage, ob das Gericht nur an den Klageantrag, wie es der Wortlaut des § 308 Abs. 1 ZPO normiert, oder nichtauch an diese Klagegrundlagen gebunden ist. Nähme man an, das Gericht könnte, ausgehend vom Klageantrag, zu seiner Entscheidung außerhalb des vorgebrachten Klagegrundes auch weitere Klagegründe heranziehen, müßte man sich konsequenterweise vom zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz ent-

6 VgJ. Melissinos, S. 99, der allerdings davon ausgeht, der Kläger verfolge mit seiner AntragsteIlung zwei voneinander zu unterscheidende Ziele, einmal die Gewährung von Rechtsschutz schlechthin und zum zweiten die Gewährung einer ganz bestimmten Art des Rechtsschutzes. 7 Melissinos, S. 96; Borck, WRP 1977, S. 457. 8 Dazu oben § 5 11 2.

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§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

femen. Wenn aber als Gebot im Zivilprozeß gilt, den Kläger bereits bei seiner Klageeinreichung auf der Grundlage des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu verpflichten, den Streitgegenstand selbst einzugrenzen9 , filhrt dies zwangsläufig auch zu einer Bindung des Gerichts an den Streitgegenstand und nicht nur an die Parteianträge \0. § 308 Abs. 1 ZPO ist demnach erweiternd dahingehend auszulegen, daß der Begriff des Parteiantrags durch den des Streitgegenstandes ersetzt werden muß 11, wobei allerdings, so zu Recht Musielak, bezweifelt werden kann, ob es das Verständnis der Vorschrift erleichtert, wenn zu ihrem Bezugspunkt der Streitgegenstand gewählt wird, weil dies nur zusätzlich Schwierigkeiten schafft, den Begriff zu bestimmen l2 •

2. Bedeutung des § 308 Abs. 1 ZPO Nach § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht an die Parteianträge gebunden, d.h. es ist nicht befugt, einen Anspruch, den es filr unbegründet hält, durch einen anderen zu ersetzen, den es filr begründet hält, der aber nicht Gegenstand der Klage ist\3. Aus der Vorschrift des § 308 Abs. 1 ZPO haben Rechtsprechung und Literatur den Grundsatz entwickelt, daß nur über den Klagegegenstand entschieden wird, den der Klageantrag mitsamt Klagegrundlagen offenbart 14. Dabei ist das Gericht allerdings nicht an den Wortlaut des Antrags gebunden, sondern hat ihn im Hinblick auf den Streitgegenstand auszulegen, indem es den

9 Die danach notwendige Eingrenzung bedeutet allerdings nicht, daß etwa ein umfassender Klageantrag generell unzulässig wäre, vgl. dazu § 2 I 4. \0 Melissinos, S. 69 ff.; MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. I. II Diejenigen Stimmen, die einen eingliedrigen, nur vom Klageantrag zu definierenden Streitgegenstandsbegriff beflirworten, bedürfen demnach keiner erweiternden Auslegung; so auch Melissinos, S. 71. Allerdings treten hier spätestens bei der Frage der Rechtskraft gemäß § 322 ZPO die bereits aufgezeigten Probleme auf; denn bei der Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft sind auch die Vertreter der rein prozessualen Streitgegenstandstheorie auf die Auslegung des vorgetragenen Prozeßstoffes angewiesen, vgl. Schwab, Streitgegenstand, S. 146, 154. 12 MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. I. 13 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 308 Rn. 6 ff.; Stein/Jonas/ Leipold, ZPO, § 308 Rn. 2 ff.; ThomaslPutzo, ZPO, § 308 Rn. 2 ff.; MünchKommZPO/Musielak, § 308 Rn. 7 ff.; Musielak in Festschrift flir Schwab, S. 349; Zöl/er/ Vol/kommer, ZPO, § 308 Rn. 2, 3. 14 Die Antragsbindung bedeutet jedoch nicht, daß das Gericht auch an die rechtlichen Ausflihrungen des Antragstellers gebunden ist, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 308 Rn. 6; Zöl/er/Vollkommer, ZPO, § 308 Rn. 5.

1. § 308 Abs. 1 ZPO - Grundlagen und Herleitung

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erkennbaren eigentlichen Willen des Antragstellers unter Ausübung seiner Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO ermitteles. Eine Ausnahme von der strengen Antragsbindung des Gericht existiert jedoch. Ist das Gericht im Einzelfall der Auffassung, der materielle Rechtsschutz könne dem Kläger zwar nicht im beantragten Ausmaß, wohl aber in einem abgrenzbaren Teilbereich zugesprochen werden, ist eine Abweichung vom Antrag möglich. Dabei darf das Gericht dem Berechtigten qualitativ nichts anderes, quantitativ nicht mehr, wohl aber weniger als begehrt zusprechen. Als Begründung wird angefilhrt, daß in dem gestellten Antrag dieses minus bereits mit enthalten sei 16. Aus dem Gebot der Bindung des Gerichts an die Parteianträge nach § 308 Abs. 1 ZPO werden somit strenggenommen drei Verbote hergeleitet: Das Gericht darf erstens nichts zusprechen, was nicht beantragt ist, zweitens darf es nicht mehr zusprechen als beantragt ist und drittens schließlich darf es nichts anderes als beantragt (aliud) zusprechen 17.

3. Das im Klageantrag enthaltene minus Da letztlich die Bestimmung des § 308 Abs. 1 ZPO Ausfluß der Dispositionsmaximel 8 ist, soll dem Kläger weitestgehend der gewünschte und vom Klageantrag umfaßte Rechtsschutz ermöglicht werden 19. § 308 Abs. 1 ZPO statuiert daher nicht nur ein Verbot, dem Antragsteller nicht mehr als beantragt zuzusprechen, sondern gebietet dem Gericht, dem Kläger unter Klageabweisung im übrigen zumindest so viel zuzusprechen, wie sachlichrechtlich begründet ist und noch vom Antrag gedeckt ist, da in jedem

15 Vgl. BAG NZA 1993, S. 562; BGH NJW 1994, S. 788,790; ZöllerlVollkommer, ZPO, § 308 Rn. 2; Musielak in Festschrift rur Schwab, S.350, 351; Baumbachl LauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 308 Rn.4. 16 MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 8; ThomaslPutzo, ZPO, § 308 Rn. 3; RosenberglSchwablGottwald, Zivilprozeßrecht, § 134 I 1 b; BaumbachiLauterbachlAlberslHartmann, ZPO, § 308 Rn. 7; SteiniJonaslLeipold, ZPO, § 308 Rn. 6 ff.; Musielak in Festschrift rlir Schwab, S. 352; BGHZ 118, S. 81 ff. 17 SteiniJonaslLeipold, ZPO, § 308 Rn. 2 ff.; ThomaslPutzo, ZPO, § 308 Rn. 1 ff.; RosenberglSchwablGottwald, Zivilprozeßrecht, § 134 I 1 b; MünchKomm-ZPOILeipold, § 308 Rn. 7; ZöllerlVollkommer, ZPO, § 308 Rn. 1. 18 ThomaslPutzo, ZPO, § 308 Rn. 1; RosenberglSchwablGottwald, Zivilprozeßrecht, § 134 I 1 b; SteiniJonaslLeipold, ZPO, § 308 Rn. 1; MünchKomm-ZPOILeipold, § 308 Rn. 1 ff.; Musielak in Festschrift rur Schwab, S. 348. 19 MünchKomm-ZPOIMusielak, § 308 Rn. 6; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 308 Rn.3, 7; OLG Frankfurt MDR 1977, S. 56.

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§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

beantragten Mehr auch ein Weniger steckt20 • Die Teilverurteilung ist selbst dann in Erwägung zu ziehen, wenn der Kläger keinen ausdrücklich dahingehend formulierten (Hilfs-) Antrag gestellt hae l . Nicht zulässig ist es jedoch, entgegen dem Willen des Klägers etwas anderes, ein sogenanntes aliud, zu tenorieren. Es nimmt nicht weiter wunder, daß die Abgrenzung von aliud und minus im konkreten Fall erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Nach verbreiteter Ansicht soll das Gericht beispielsweise nicht gehindert sein, trotz der beantragten Verurteilung zur Leistung ein Feststellungsurteil zu erlassen, wenn der Anspruch auf Leistung nicht begründet ise2 • Konsequenterweise wird dann auch in diesem Zusammenhang eine entgegenstehende Rechtshängigkeit dort bejaht, wo trotz einer rechtshängigen Leistungsklage daneben noch eine Feststellungsklage erhoben wird, da in der Verurteilung zur Leistung gleichsam eine Feststellung als erfolgt gilt23 • Ebenso kein Verstoß liegt danach gegen § 308 Abs. I ZPO vor, wenn auf Hinterlegung statt auf Zahlung24 oder auf Geldersatz statt auf Herstellung des früheren Zustandes 25 erkannt wird. Diese Fälle werden vom Gericht jedoch keineswegs als Ausnahme vom Grundsatz des § 308 Abs. 1 ZPO angesehen; sie sollen ihn sogar bestätigen. Obwohl es sich zumindest dem Wortlaut nach um eine Abweichung vom klägerseitigen Antrag handelt, haben derartige Verurteilungen dieser Ansicht nach ausschließlich ein minus zum Gegenstand.

20 Musielak in Festschrift für Schwab, S. 354 ff.; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 308 Rn. 7; Stein/JonaslLeipold, ZPO, § 308 Rn. 7; MünchKommZPOIMusielak, § 308 Rn. 8; ZöllerlVollkommer, ZPO, § 308 Rn. 4; BGHZ 117, S. 3 ff. 21 BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 308 Rn. 7; ZöllerlVollkommer, ZPO, § 308 Rn. 4. 22 BGH NJW 1984, S. 2295 f.; OLG Köln FamRZ 1986, S. 577; BGHZ 118, S. 81 f.; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 308 Rn. 9; Musielak in Festschrift für Schwab, S. 349, 354. 23 Habscheid, Streitgegenstand, S. 269 ff.; Schwab, Streitgegenstand, S. 130. 24 RGZ 79, S.275, 276; BGHZ 111, S. 258 ff.; Brox, JuS 1962, S. 121, 124, 125; Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S. 269 ff; Stein/JonaslLeipold, ZPO, § 308 Rn. 4; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 308 Rn. 9; MünchKomm-ZPOIMusielak, § 308 Rn. 11; ThomaslPutzo, ZPO, § 308 Rn. 3. 25 Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S.269, 270 f.; MünchKommZPOIMusielak, § 308 Rn. 11; ThomaslPutzo, ZPO, § 308 Rn.la; Brox, JuS 1962, S. 121, 125.

I. § 308 Abs. I ZPO - Grundlagen und Herleitung

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4. Abgrenzung von minus und aliud a) Minus-aliud als minus?

Das Gericht ist nach § 308 Abs. 1 verpflichtet, einer Partei genau nur das, was beantragt ist, nicht also etwas Ähnliches zuzusprechen 26 • Die oben genannten Beispiele zeigen, daß die Einordnung als minus zum Klageantrag nicht unbedingt eindeutig und zwingend ist. Es stellt sich die Frage, warum beispielsweise die Feststellung im Verhältnis zur Leistung gerade ein weniger zum Klagebegehren und nicht etwa etwas anderes darstellt. Nach Auffassung der Rechtsprechung handelt es sich dabei um ein qualitativen minus 27, das dem quantitativen minus gleich behandelt werden soll. Wenn das Gericht also feststellt, für den Kläger komme zwar nicht der beantragte, aber doch ein ähnlicher, den Beklagten weniger belastende Rechtsschutz in Betracht, soll eine dementsprechende Verurteilung möglich sein. Danach wird somit nicht auf das "aliud", sondern auf das "minus" abgestellt, wenn das Zugesprochene im Verhältnis zum Beantragten gleichzeitig ein minus und ein aliud darstellt28 • Allerdings stellt sich die Frage, ob sich diese Vorgehensweise mit dem Regelungsbereich des § 308 Abs. 1 ZPO begründen läßt, und wie im Einzelfall die Abgrenzung vorzunehmen ist. Als Bedingung für eine solche Verurteilung muß angesehen werden, daß sich die zuzusprechende Rechtsfolge mit dem Begehren des Antragstellers deckt. Nur dann, wenn sich der Wille des Klägers auf die Verurteilung erstreckt, kann auch ein minus tenoriert werden. Nicht ausreichend ist dabei, daß eine gewisse Vermutung für einen derartigen Klägerwillen spricht. Es müsse vielmehr, so Musielak 29, in jedem Fall verlangt werden, daß sich das auf das minus erstreckende Begehren des Klägers im Wege der Auslegung aus dessen Vortrag erschließen läßt.

26 SteiniJonas/Leipold, ZPO, § 308 Rn. 4; Thomas/Putzo, ZPO, § 308 Rn. 2; Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S. 239 t1 270 f; BaumbachiLauterbachiAlbers/Hartmann, ZPO, § 308 Rn. 7; MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 9. 27 BGHZ 118, S. 81 ff Dies wird auch als "unechtes aliud" bezeichnet, im Gegensatz zum "echten aliud", das nicht gleichzeitig ein minus darstellt, Melissinos, S. 116 f 28 Vgl. Melissinos, S. 116. 29 MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 9.

108

§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

Angesichts der Tatsache, daß das Prinzip des § 308 Abs. 1 ZPO auf die Dispositionsmaxime zurUckzufUhren iseo, verletzt ein Verstoß gegen dieses Gebot den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG 31 • Auch wenn der Kläger im Antrag keine Hilfsbegehren anbringt, entspricht es aber doch allgemeiner Lebenserfahrung, daß sich der Wille des Klägers, der im Zweifelsfall nach § 139 ZPO zu ermitteln ist32, an einer möglichst weitgehenden Verurteilung orientiert, womit eine Verurteilung in geringerem Ausmaß eingeschlossen ise 3 . Während sich fUr den Kläger bisweilen erhebliche Vorteile bieten, wenn er anstelle einer Klageabweisung aufgrund seines ursprünglich gestellten unbegründeten Antrags etwas Anderes, Naheliegendes zugesprochen erhäle4 , darf bei alledem die Rechtsposition des Beklagten nicht mißachtet werden. Ihn darf das Zugesprochene nicht mehr belasten, als es eine vollkommen antragsgemäße Verurteilung getan hätte. Der Rechtsprechung hierzu ist sicher insoweit zu folgen, als jedenfalls das echte, quantitative minus unter den Klageantrag flillt.

b) Unterscheidungsmerkmale

Die Unterscheidung zwischen minus und aliud wurde aufgrund der Erkenntnis getroffen, das in einem Antrag enthaltene Weniger sei regelmäßig im Klageantrag enthalten, nicht aber das Andere. Der Ansicht, auch ein minusaliud sei gleich dem echten minus im Urteilsausspruch zu berücksichtigen, wurde vermehrt Kritik entgegengebracht. Nach Melissinos 35 soll eine Minusverurteilung nur dann möglich sein, wenn ein Antrag zerlegbar ist in mehrere einzelne Anträge, die sich zahlenmäßig potenzieren. Er fUhrt dazu

30 MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 1; Thomas/Putzo, ZPO, § 308 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 308 Rn. 2; Musielak in Festschrift rur Schwab, S. 348. 3\ Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 308 Rn. 1, 11; MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 8,9; Klette, ZZP 82 (1969), S. 93; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 133 I 1 b; Thomas/Putzo, ZPO, § 308 Rn. 5. 32 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 308 Rn. 4; MünchKommZPO/Musielak, § 308 Rn. 6; Musielak in Festschrift rur Schwab, S. 349, 353, 355. 33 MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 8; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 308 Rn. 7, 10; Musielak in Festschrift rur Schwab, S. 349, 353. 34 Melissinos, S. 99, geht sogar davon aus, daß mit der Minustenorierung bereits ein Klageziel des Klägers verwirklicht werde, nämlich die Gewährung von Rechtsschutz überhaupt; kritisch dazu Ritter, S. 156. 35 Melissinos, S. 115 ff., ebenso Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 308 Rn. 6.

I. § 308 Abs. 1 ZPO - Grundlagen und Herleitung

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aus 36 : "Nur wenn b (der gestellte Antrag) ein 2 a oder 3 a etc. darstellt, darf man bedenkenlos sagen, daß b auch das a umfaßt." Es ist zwar zuzugeben, daß, ausgehend vom Wortsinn, das Wort "weniger" zweierlei beinhaltet: Zum einen deutet es an, daß der Antrag teilbar sein muß, zum anderen spricht es filr eine Zählbarkeit nach Menge und Maß. Folgte man dieser aufgezeigten strikten Abgrenzung, müßte man konsequenterweise zwangsläufig zu dem Schluß kommen, eine teilweise Verurteilung komme nur in den Fällen in Betracht, wo Klagegegenstand eine zahlenmäßig bezifferte Leistungsklage ist. Denn nur dort könnte mit Recht behauptet werden, daß ein geringeres Zahlungsbegehren in einem erhöhten Klageantrag enthalten ist. Für sämtliche anderen Klagearten, beispielsweise die Feststellungsklage, die Unterlassungsklage oder Anträge im einstweiligen Rechtsschutz gäbe es unter dieser Prämisse nur die Möglichkeiten der entweder antragsgemäßen Tenorierung oder der vollständigen Klageabweisung. Dies lag allerdings nicht im Sinne des Gesetzgebers, der mit der Regelung des § 308 Abs. 1 ZPO in erster Linie die Befugnis der Parteien zur Disposition über den Streitgegenstand manifestieren wollte 37 • Dabei darf im übrigen nicht vergessen werden, daß die Aufteilung der Anträge in minus- und aliud-Begehren lediglich einen Versuch der Rechtsprechung und Lehre darstellt, die Einordnung in noch antrags gemäße oder nicht mehr antragsgemäße Verurteilung zu erleichtern. Das Gesetz selbst gibt filr diese begriffliche Trennung keinen Anlaß. Abzustellen ist vielmehr auf den Antrag und das in ihm verobjektivierte subjektive Begehren des Antragstellers. Stellt man beispielsweise das Feststellungsurteil dem Leistungsurteil vergleichend gegenüber, gilt festzuhalten, daß sich schließlich das von Seiten des Klägers ursprünglich begehrte Leistungsurteil aus zwei Komponenten zusammensetzt: zum einen aus einem Leistungsbefehl an den Beklagten, der als Grundlage zur Zwangsvollstreckung dient, zum anderen aber auch aus der generellen Feststellung, daß der Anspruch bestehes. Folglich muß die Feststellung als minus zur Leistung auch tenorierbar sein, ohne gegen § 308 Abs. 1 ZPO zu verstoßen.

Melissinos, S. 116. MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 1; Thomas/Putzo, ZPO, § 308 Rn. I; BaumbachiLauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 308 Rn. 2; Musielak in Festschrift für Schwab, S. 348; ZölleriVollkommer, ZPO, § 308 Rn. I; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 308 Rn. 1. 38 MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 11. Nicht zu folgen ist Melissinos, S. 129, 130, der in erster Linie darauf abstellt, ob der Kläger an der Feststellung des Rechtsverhältnisses überhaupt ein Interesse hat. Das kann bei einem objektiv festzustellenden Stufenverhältnis von Feststellungs- und Leistungsklage nicht von Bedeutung sein. 36

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§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

Die hier vertretene Auffassung setzt sich entgegen der Behauptung Melissinos· 39 auch nicht in Widerspruch zum herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff. Melissinos führt dazu aus, das Gericht sei nicht berechtigt, während des Prozesses und durch das Urteil faktisch den Streitgegenstand zu ändern, indem es beispielsweise zur Hinterlegung statt zur Zahlung verurteilt. Dazu sei nämlich auch der Kläger nach den §§ 263 bis 265 ZPO nur unter Einschränkungen (Zustimmung des Beklagten oder Sachdienlichkeit bei Änderung des Streitgegenstandes nach Rechtshängigkeit) berechtigt. Bei dieser Einschätzung wird allerdings übersehen, daß es sich hierbei zwar aus Sicht des Klägers um eine qualitative Änderung des Antragsbegehrens, nicht aber um eine Klageänderung handeln würde. § 264 Nr. 2 ZPO bestimmt vielmehr, daß es sich dabei gerade nicht um eine Klageänderung handelt40 und somit die Zustimmungspflicht des Beklagten oder die Sachdienlichkeitsprüfung entfiillt.

c) Gefahr der Zuerkennung eines echten aliuds Mit zunehmender Abweichung vom Antragswortlaut besteht allerdings die Gefahr einer nach allen Ansichten unzulässigen aliud-Tenorierung. Eine derartige Fehlentscheidung entspringt regelmäßig dem falsch verstandenen gerichtlichen Bemühen um eine sachgerechte und effektive Lösung. Offenkundig wurde dies im Rahmen eines Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 1977, der im Wege der Revision die Entscheidung der Vorinstanz wegen Verstoßes gegen § 308 ZPO aufgehoben hat41 • Dort hatte ein Kläger, der sich durch ständigen Lärm von startenden und landenden Motorflugzeugen belästigt fiihlte, die Unterlassung von Fluglärm beantragt, der den Einzelschalldruckpegel von 70 dB(A) , gemessen vor den geöffneten Fenstern seines Hauses, übersteigt. Hilfsweise begehrte er, Geräusche zu unterlassen, die den Dauerschalldruckpegel von 50 dB(A) überstiegen. In der Entscheidung des Oberlandesgerichts wurde der Beklagten untersagt, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen Starts mit Motorflugzeugen - ausgenommen Motorseglern - von ihrem Flugplatz in westlicher Richtung durchzufiihren oder durchfiihren zu lassen und zwar in der Zeit von: a) vor acht Uhr und nach zwanzig Uhr, b) zwischen zwölf und fiinfzehn Uhr und c) in den Stunden von Melissinos. S. 119. Vgl. MünchKomm-ZPOILüke, § 264 Rn. 11; Zö/ler/Greger, ZPO, § 264 Rn. 3; ThomaslPutzo, ZPO, § 264 Rn. 3; BaumbachlLauterbach/AlberslHartmann, ZPO, § 264 Rn. 5. Nach SteiniJonaslSchumann, ZPO, § 264 Rn. 51,66 ff., handelt es sich zwar doch um eine Klageänderung, diese soll aber von den Zulässigkeitserfordernissen des § 263 ZPO befreit sein. 41 BGH NJW 1977, S. 1920 ff. = BGHZ 69, S. 122 ff. 39

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I. § 308 Abs. I ZPO - Grundlagen und Herleitung

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acht Uhr bis zwanzig Uhr, soweit es sich um mehr als fUnf Starts innerhalb der einzelnen Stunden handelt. Hier liegt der klassische Fall eines unzulässigerweise tenorierten aliuds vor42 • Während es Ziel des Klägers war, die durchschnittliche Lärmbelastung zu reduzieren, ohne diese einer zeitlichen Einschränkung zu unterziehen, glaubte das Gericht, mit dieser Eingrenzung dem Anliegen des Klägers am besten gerecht zu werden. Damit setzte es sich aber offensichtlich über das im Klageantrag enthaltene Begehren hinweg.

s. Folgerungen für die weitere Untersuchung im Hinblick auf die umfassende Unterlassungsklage Die vorstehenden Erörterungen haben ergeben, daß die umfassende Klage dann teilweise Erfolg hat, wenn in dem Anliegen des Klägers ein Wille zum Ausdruck kommt, der eine Verurteilung in geringerem Ausmaß einschließt und dasjenige, was ihm sachlich-rechtlich zuzusprechen ist, als echtes minus oder als minus-aliud im Vergleich zum Klageantrag bewertet werden kann. Wenn nun bei der umfassenden Unterlassungsklage angenommen wird, der Kläger wolle keinesfalls eine Minus-Tenorierung43 , selbst wenn der Klage nicht in vollem Umfang stattgegeben werden könne, kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Gerade der Antragsteller eines Globalantrags verdeutlicht mit seiner Antragsformulierung, daß er den umfassendsten Rechtsschutz begehrt, der ihm aufgrund materiellen Rechts zusteht. Seine umfassende AntragsteIlung hat ja gerade verschiedene Sachverhalte zum Gegenstand, aufgrund derer er eine Wiederholung oder Erstbegehung befUrchtet. Diese Zusammensetzung des Antrags hatte auch das LG München bei seiner Entscheidung vom 27. Juni 197844 nicht ausreichend beachtet: Dort hatte die Klägerin, eine Vertriebsuntemehmung von u.a. Tropenhäusern fUr den Export in Drittländer, gegen die früheren Mitarbeiter, die Beklagten zu 1) und zu 2) Unterlassungsklage erhoben. Die Klägerin fUhrte aus, der GeschäftsfUhrer der Komplementärin der Klägerin, Herr D., habe ein System entwickelt, unter dessen Verwendung Tropenhäusermit Wallboard-Elementen hergestellt werden könnten. Die Beklagten hätten in einer Besprechung am 10. Juli 1977 den Mitarbeiter der Klägerin, Herrn P., zu überreden versucht, MünchKomm-ZPO/Musielak, § 308 Rn. 11; Ritter, S. 157. Nach Pastor, Der Unterlassungsprozeß, S. 674, bedürfte es, um ein derartiges Begehren annehmen zu können, diverser Hilfsanträge, die alternativ zum Globalantrag zu stellen wären. 44 LG München WRP 1978, S. 571, 572. 42

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§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

ihnen die Pläne der Klägerin betreffend eine Lieferung von Tropenhäusem nach Nigeria zu übergeben. Außerdem sei Herr P. von den Beklagten angegangen worden, filr sie ein Modell des Tropenhauses anzufertigen. Zugleich sei Herr P. aufgefordert worden, die Klägerin zu verlassen und in Zukunft fiir die Beklagten gegen ein um 10% höheres Gehalt zu arbeiten. Die Beklagten hätten beabsichtigt, das Tropenhaus der Klägerin mittels der über Herrn P. beschaffien Pläne sklavisch nachzubauen. In Ziffer 1 a) stellte die Klägerin folgenden Antrag: Den Beklagten wird bei Meidung der Zahlung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,- filr den Fall der Zuwiderhandlung verboten, die Architekturpläne sowie sonstige Zeichnungen und Pläne der Klägerin, bestehend aus Grundriß, Ansichten und Schnitten filr Tropenhäuser, filr das von der Klägerin hergestellte und vertriebene Tropenhaus auszunutzen oder nachzuahmen; hilfsweise die Architekturpläne sowie sonstigen Zeichnungen und Pläne der Klägerin, bestehend aus Grundriß, Ansichten und Schnitten fiir Tropenhäuser, fiir das von der Klägerin hergestellte und vertriebene Tropenhaus zu kopieren und aufgrund der vorgenannten Zeichnungen und Pläne der Klägerin das von der Klägerin hergestellte und vertriebene Tropenhaus nachzubauen. Das Gericht hat die Klage bezüglich Ziffer la) in vollem Umfang abgewiesen, da weder Haupt- noch Hilfsantrag begründet seien. In seiner Urteilsbegründung fiihrte es u.a. aus: "Wie bereits ausgefiihrt, kann sich die Klägerin gegen den Versuch der Beklagten zur Wehr setzen, einen Mitarbeiter der Klägerin zur Übergabe kopierter Pläne zu bewegen ( ... ). Entscheidend filr die Klageabweisung ist es jedoch, daß die Klägerin ihren Antrag nicht derartig eingeschränkt hat, daß nur die auf sittenwidrigem Wege erworbenen Pläne nicht verwendet werden dürfen. Eine Verurteilung nach dem Klageantrag, und zwar sowohl nach dem Hauptantrag als auch nach dem Hilfsantrag, hätte zur Folge, daß die Beklagten den bestimmten Haustyp überhaupt nicht bauen dürften, gleichgültig, woher sie die entsprechenden Pläne erhalten hätten, auch dann nicht, wenn sie etwa direkt vom Hersteller oder von Dritten stammten. Das beantragte Verbot hätte auch den Fall umfaßt, daß die Beklagten selbst die Pläne angefertigt hätten. Ein solch weitreichendes Verbot kann aber mangels bestehenden Sonderrechtsschutzes nicht ausgesprochen werden." Dieses Urteil wurde von Kiethe in seiner Urteilsanmerkung 45 gerade auch im Hinblick auf die prozeßrechtliche Würdigung kritisiert. Das Gericht habe sich zu Unrecht, so Kiethe, offenbar auf den Standpunkt gestellt, daß es lediglich vom Wortlaut des Unterlassungsantrags der Klägerin auszugehen habe. Zudem hätte es berücksichtigen müssen, daß in dem Unterlassungsantrag ein auch nach Ansicht des Landgerichts begründetes "minus" enthalten sei. Selbst wenn nach 4S

Kiethe, Anmerkung zum Urteil des LG München WRP 1978, S. 571, 573, 574.

1. § 308 Abs. 1 ZPO - Grundlagen und Herleitung

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Ansicht des Landgerichts ein genereller Unterlassungsanspruch nicht begründet gewesen wäre, sondern Unterlassung nur mit der Einschränkung verlangt werden konnte, daß auf sittenwidrigem Wege erworbene Pläne nicht verwendet werden dürfen, stelle diese Einschränkung gegenüber dem Unterlassungsanspruch nicht ein aliud, sondern ein minus dar. Kiethe ist in seiner kritischen Würdigung uneingeschränkt zuzustimmen. Das Gericht hat den Umfang des Streitgegenstandes allein unter Zugrundelegung des Klageantrags defIniert und glaubte sich somit nicht in der Lage, in seiner Tenorierung von diesem Antrag abzuweichen. Für möglich angesehen hat es vielmehr nur, dem Klageantrag in vollem Umfang stattzugeben, indem es das Verbot, wie beantragt, auch auf die nicht sittenwidrig erworbenen Pläne bezogen hätte, oder aber, die Klage vollumfiinglich abzuweisen. Eine derartige Beschränkung der Tenorierungsmöglichkeit ist aber nicht zu rechtfertigen. Sie läßt unberücksichtigt, daß das umfängliche Klagebegehren sowohl die Verwendung sittenwidrig erworbener als auch ordnungsgemäß erworbener Pläne umfaßte. Bezüglich sittenwidrig erworbener Pläne wäre die Klage aber auch nach Auffassung des Landgerichts begründet gewesen. Diesbezüglich hätte eine Verurteilung erfolgen müssen, da diese Einschränkung gegenüber dem Unterlassungsanspruch nicht ein aliud, sondern ein minus LS. v. § 308 ZPO darstellt. Zur Tenorierung hätte es lediglich des folgenden Zusatzes zur Antragsformulierung bedurft: " ... soweit diese Pläne sittenwidrig erworben wurden." Ist demnach ein unterlassungsrechtlicher Globalantrag hinsichtlich der Klage bezüglich etwaiger Wiederholungshandlungen unbegründet, weil nicht alle Handlungen, die dem Wortlaut nach vom Verbot umfaßt würden, rechtswidrig wären, so hat das Gericht den begründeten, eingeschränkten Teil, das minus, selbständig zu formulieren 46 • Letztlich wird das Gericht die zu unterlassenden Rechtsverletzungen aus dem Globalantrag durch charakterisierende Zusätze von den übrigen Handlungen abzugrenzen haben. Bevor dazu Stellung genommen wird, wann die Gerichte auf der Grundlage der gefundenen Ergebnisse innerhalb eines Globalantrags ein minus zusprechen können, muß zunächst auf folgende Besonderheit eingegangen werden. Das Bundesarbeitsgericht lehnt ausweislich der angeführten Entscheidungen47 eine 46 Dementsprechend auch Kiethe, Anmerkung zum Urteil des LG München WRP 1978. S. 571,573, 574. 47 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93 ff.; BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972 = EzA Nr. 5 zu § 74 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972 = EzA Nr. 67 zu § 40 BetrVG 1972. Im Hinblick auf einen Feststellungsantrag BAG AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = SAE 1988, S. 184 ff. mit Anmerkung Loritz; BAG EzA Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 = AP NR. 61 zu § 87 BetrVG 1972 8 Backsmeier

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§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

Teilverurteilung nicht nur innerhalb des Urteilsverfahrens ab, in denen der Parteigrundsatz dem Gericht Zurückhaltung bei der eigenständigen Sachverhaltsermittlung auferlegt und durch § 308 Abs. 1 ZPO eine strenge Antragsbindung herrscht, sondern kommt sogar im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, in dem den Gerichten durch den Amtserrnittlungsgrundsatz größere Kompetenzen zugeschrieben werden, zu einer vollständigen Klageabweisung. Daß der Senat zur Begründung der Vollabweisung gerade auch § 308 Abs. 1 ZPO heranzieht, der geradezu Ausfluß der Dispositionsmaxime ist, fUhrt zu der Frage, inwieweit § 308 Abs. I ZPO dort überhaupt Geltung beanspruchen kann. Denn flinde der Grundsatz der Antragsbindung keine Anwendung, wäre allein aus diesem Grund der Zwang zu einer vollständigen Klage abweisung in Frage gestellt. Dies fUhrt zu folgenden Überlegungen und damit zu zwei Problemkreisen. Es gilt aufzuzeigen, inwieweit sich das arbeitsrechtliche Beschlußverfahren in seiner prozessualen Behandlung von den Parteiverfahren unterscheidet, und ob sich daraus zwingende Konsequenzen im Hinblick auf den die Antragsbindung statuierenden § 308 Abs. 1 ZPO ergeben.

ß. Geltung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren 1. Problemstellung Die angefUhrte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch48 zeigt, daß Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Frage besteht, ob und inwieweit die zivilprozessualen Grundsätze auch innerhalb des Beschlußverfahrens Anwendung finden. Ohne genauer auf die verfahrensrechtlichen Besonderheiten einzugehen, bejaht das erkennende Gericht die vollständige Anwendbarkeit des § 308 Abs. 1 ZPO und fUhrt dazu aus, der von den Klägern eingebrachte globale Unterlassungsantrag könne generell zwar auf eine Rechtsgrundlage gestützt werden49 , im konkreten Fall stünde einer Teilverurteilung aber der Grundsatz Lohngestaltung = SAE 1993, S. 352 ff.; BAG AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 48 BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972 = EzA Nr. 67 zu § 40 BetrVG 1972; dazu auch § 7 I l.a). 49 Das Gericht hat in der Entscheidung BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1992 = BAG EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 mit Anmerkung Raab = DB 1994, S. 2450 ff. = ArbuR 1994, S. 139 ff = NZA 1995, S.40 = NJW 1995, S. 1044 ff. = SAE 1995, S. 93, 96, erstmals einen Unterlassungsanspruch auch außerhalb des § 23 Abs. 3 BetrVG anerkannt und diesen unter Aufgabe der bisherigen ständigen Rechtsprechung der Vorschrift des § 87 BetrVG direkt entnommen. Dazu Walker, DB 1995, S. 1961 ff.;

11. Geltung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren

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des § 308 Abs. 1 ZPO entgegen, da ansonsten ein aliud zum Klageantrag beschieden wilrde so . Die vom gegenständlichen Globalantrag umfaßten Vorgehensweisen des Arbeitgebers seien nicht sämtlich unzulässig Sl und verstießen somit auch nicht allesamt gegen das Mitwirkungsgebot des § 87 BetrVG. Eine Tenorierung dahingehend aber, daß der geltend gemachte Anspruch "unter einschränkenden Voraussetzungen gegeben ist, die nicht zum Inhalt des Antrags erhoben worden sind", sei nicht möglich. "Eine solche Tenorierung würde sich nicht mehr im Rahmen des Antrags halten"s2.

2. Geltungsbereich Unter das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren nach den Vorschriften der §§ 80 ff. ArbGG fallen nach § 2a Abs. 1, Abs.2 ArbGG die kollektivarbeitsrechtlichen Streitigkeiten u.a. aus dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschußgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz. Verfahrensrechtlich erklärt das Gesetz in § 80 Abs.2 ArbGG i.V.m. § 46 Abs.2 ArbGG die Vorschriften über das Urteilsverfahren für weitgehend anwendbar, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften keine Besonderheiten ergeben. Selbst das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach den Zwangsvollstreckungsvorschriften der Zivilprozeßordnung, vgl. § 85 ArbGG. Die entscheidende Besonderheit ergibt sich dann aber aus § 83 ArbGG, der besagt, daß das Gericht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen erforscht, wobei die am Verfahren BeteiligtenS3 prozeßfOrdemd an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken haben 54 • Bereits hier wird deutlich, daß das Verfahren nicht eindeutig in die herkömmlichen Strukturen, auf der einen Seite das vom Dispositionsgrundsatz der Beteiligten beherrschte und auf der anderen Seite das von der OfflZialmaxitne beherrschte Verfahren, einzuordnen ist. Elemente beider Verfahrensarten treffen hier zusammen.

Richardi, NZA 1995, S. 8 ff.; ders. Anmerkung zu BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972; Adomeit, NJW 1995, S. 1004 ff.; Konzen, NZA 1995, S. 865 ff.; Prütting, RdA 1995, S. 257 ff.; Dobberahn, NJW 1995, S. 1333 ff. 50 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93,98. 5\ BAG SAE 1995, S. 93, 97. 52 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93,97,98. 53 Das Beschlußverfahren kennt keine Parteien, sondern Beteiligte, vgl. Zöllner/ Loritz, S. 631. 54 Brehm, Bindung des Richters, S. 66.

116

§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

3. Der Amtsermittlungsgrundsatz a) Modijizierungen im arbeitsrechtlichen Beschlußveifahren

aa) Verhältnis zum Inquisitionsgrundsatz Hilfreich ist es, sich den Grundgedanken für diese gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Offtzialmaxime zu vergegenwärtigen. Der Amtsermittlungsgrundsatz in kollektivarbeitsrechtlichen Fragen wurde eingeführt im Interesse der Richtigkeitsgewähr von Entscheidungen, die Kollektivinteressen berühren55 • Insoweit ist das Verfahren anderen Prozeßordnungen, insbesondere dem Verwaltungsprozeßrecht angenähert, das von dem Amtsermittlungsgrundsatz bestimmt wird, wobei auffallend ist, daß beide Verfahrensarten auch von der Zielsetzung her vergleichbar sind. Im Verwaltungsprozeßrecht steht neben der Rechtssicherheit und -wahrheit das öffentliche Interesse, das Allgemeinwohl, im Vordergrund; die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen, die sich, wie es im Zivilprozeß gang und gäbe ist, nur aufgrund einer besseren Beweislage aufdrängt, soll ausgeschlossen werden. Die Amtsermittlung im Beschlußverfahren basiert auf denselben Wertungen. Da die Streitigkeiten regelmäßig eine nicht unbedeutende Anzahl von Arbeitnehmern betreffen und zwischen den Betriebsparteien eine gleichwertige Verhandlungsparität bestehen soll, zielt die Offtzialmaxime auf eine gerechte, allein auf Tatsachen basierende Entscheidung. Der uneingeschränkte Amtsermittlungsgrundsatz besagt, daß das Gericht keines Antrags bedarf, um tätig zu werden. Zwar ist Grunsky 56 darin zuzustimmen, daß in der Regel auch in reinen Amtsverfahren ein Antrag gestellt wird, der, wenn nicht als Verpflichtung zum Tätigwerden, dann aber zumindest als Anregung fiir das Gericht anzusehen ist. Dennoch müßte das Gericht auch von sich aus Ermittlungen aufnehmen, wenn es Regelungsbedarf sähe. Die Regelung in § 81 ArbGG besagt ausdrücklich, daß es zur Einleitung des Verfahrens eines Antrags bedarf, und daß selbst nach Aufnahme der Ermittlungen die Rücknahme des Antrags das Verfahren zum Erliegen bringt57. Das Gesetz statuiert in § 83 ArbGG nicht nur eine Mitverantwortung der Parteien bei der Aufklärung des Sachverhalts, sondern verpflichtet sie zudem noch, die Tatsachen insoweit vorzubringen, als sie zur Bestimmung des Streitgegenstandes erforderlich sind58 . Beim Beschluß- und Urteilsverfahren im

Vgl. Löwisch, S. 458. Grunsky, Verfahrensrecht, § 6 III, S. 60. 57 Grunsky, ArbGG, § 80 Rn. 11, 31. 58 Zöllner/Loritz, S. 631. 55

56

11. Geltung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren

117

Arbeitsprozeßrecht stehen sich damit zwei ineinandergreifende Maximen gegenüber: auf der einen Seite der modifizierte Amtsermittlungsgrundsatz, auf der anderen Seite die strenge Antragsbindung.

bb) Grenzen der Anwendbarkeit des Gebots "Ne ultra petita" , § 308 Abs. 1 ZPO Wenn das Bundesarbeitsgericht in seinen EntscheidungenS9 ausfiihrt, auch innerhalb des Beschlußverfahrens müsse die Antragsbindung des § 308 Abs. 1 ZPO grundsätzlich beachtet werden, so ist dieser Auffassung zuzustimmen60 • Allein die Tatsache, daß ein Parteiantrag als Impuls fiir die Verfahrensaufnahme und dessen Fortgang unabdingbar ist, läßt die Abkehr vom reinen Inquisitionsprozeß deutlich werden. Darüber hinaus sollen die äußeren Umrisse des Streitgegenstandes vermeiden helfen, daß sich das Gericht zur Klärung über abstrakte Rechtsverhältnisse aufgerufen fiihlt. Falsch wäre es aber, die Interpretation dieser Vorschrift gänzlich unter dem Blickwinkel des Parteiprozesses zu sehen. Wenn sich die Senate unter Zugrundelegung dieser aufgezeigten ModiflZierungen gehindert sehen, dem Antrag zumindest in Teilbereichen stattzugeben, weil sie sonst nicht ein im Sinne von § 308 Abs. 1 ZPO zulässiges minus, sondern ein aliud zusprechen müßten, das allerdings vom klägerischen Begehren nicht umfaßt sei, verkennen sie die Grenzen der Anwendbarkeit des § 308 Abs. I ZPO im Beschlußverfahren. Der Kläger eines Globalantrags wählt bewußt und gewollt den denkbar weitesten Streitgegenstand. Beinhaltet ist dabei, wie bereits erörtert, gleichermaßen der Antrag auf Untersagung der Wiederholungshandlung wie der auf Untersagung der Umgehungshandlungen und auch der sonstigen, unter den Klageantrag zu subsumierenden Rechtsverletzungen. Zugleich folgt daraus allerdings auch, daß das Gericht innerhalb der durch den Klageantrag und Lebenssachverhalt bestimmten Grenzen des Streitgegenstandes völlig frei entscheiden kann und muß, um die Streitigkeit fiir alle Beteiligten verpflichtend zu regeln. Das Gericht kann sich nicht darauf berufen, die unter den Klageantrag zu subsumierenden Einzelhandlungen seien vom Klagebegehren nicht umfaßt und könnten daher auch in der gerichtlichen Entscheidung keine Rolle spielen. Vielmehr obliegt es ja gerade dem Gericht, die Streitpunkte, die durch den S9 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93, 98; BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972 = EzA Nr. 67 zu § 40 BetrVG 1972. 60 Vgl. auch Grunsky, ArbGG, § 80 Rn. 25; ders., Anmerkung AP Nr. 15 zu § 76 BetrVG; MünchKomm-ZPOIMusielak, § 308 Rn. 3.

118

§ 7 Das Gebot "Ne ultra petita"

umfassenden Antrag vorgegeben sind, zwischen den Parteien aufzuspüren und einer gerichtlichen Klärung zuzufUhren. An dieser Stelle muß daher wieder die Ausgestaltung des Beschlußverfahrens als Inquisitionsverfahren zum Tragen kommen. Soweit also der unterlassungsrechtliche Globalantrag Ansprüche umfaßt, die das Gericht zu Gunsten der einen oder anderen Partei als klärungsbedürftig und entscheidungsreif ansieht, hat es dementsprechend auch Einzelhandlungen durch Urteilsausspruch zu untersagen.

b) Grenzen der Nachweispflicht

Auch im Hinblick auf den klägerseitigen Nachweis der materiell-rechtlichen Beeinträchtigungsgefahr ergeben sich Unterschiede im Beschlußverfahren zum vom Beibringungsgrundsatz beherrschten Zivilprozeß oder arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren. Wie bereits an anderer Stelle Gegenstand der Untersuchung 61 war, wird derjenige Unterlassungskläger, der vorbeugend eine Unterlassungsklage erheben will, den Anforderungen an deren materielle Voraussetzungen nur in Ausnahmeflillen gerecht. Eine vorbeugende Unterlassungsklage verspricht eben nur dann Erfolg, wenn der Kläger dem Gericht den Nachweis einer ihn in seinen Rechten beeinträchtigenden Begehungsgefahr erbringen kann. Nicht zuletzt Beweisschwierigkeiten lassen daher diesen Anspruch oftmals scheitern62 • Wenn im gerichtlichen Urteilsverfahren der Unterlassungskläger regelmäßig aufgrund der strengen Anforderungen an den Nachweis der Begehungsgefahr mit seinem Klagebegehren unterliegt, kann es sein, daß ein vergleichbarer Antrag innerhalb einer arbeitsrechtlichen Kollektivstreitigkeit trotz fehlenden Nachweises erfolgreich verbeschieden werden müßte. Hier kommt dem Kläger die Amtsermittlungspflicht des Gerichts mit der Folge zugute, daß die Richter im Vorfeld anband der vergangenen Rechtsverletzung überprüfen sollten, ob und inwiefern der Erlaß eines über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehenden Verbots gerechtfertigt ist63 •

c) Fazit / Folgerungen für die weitere Untersuchung

Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß die Gerichte durch den Grundsatz der Antragsbindung gern. § 308 Abs. 1 ZPO weder im Parteiprozeß Dazu § 311I.b),aa),bb). V gl. unten § 9 11. 63 Mit der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung geht keinesfalls die Besorgnis zur Parteilichkeit einher, vgl. dazu Brehm, Bindung des Richters, S. 219,221. 61

62

11. Geltung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren

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noch im vom Amtsermittlungsgrundsatz ausgehenden arbeitsrechtlichen Beschlußverfahren daran gehindert sind, dem Begehren zumindest teilweise stattzugeben. Im folgenden stellt sich nun die Frage, unter welchen Umständen tatsächlich eine Teilverurteilung zu erfolgen hat, wobei insbesondere die materiell-rechtlichen Grundlagen in den Blickpunkt des Interesses rücken. Unstreitig kann ein Teilerfolg des Klagebegehrens nur bei entsprechender materiell-rechtlicher Begrilndetheit zu verbuchen sein, weshalb hierauf im folgenden das Augenmerk gerichtet werden wird. Dabei soll der globale Unterlassungsantrag unterteilt werden, zum einen in Unterlassung der konkret gerügten Verletzungshandlung und zum anderen in Unterlassung der darüber hinausgehenden anderen Verletzungshandlungen. Dies ist erforderlich, um deutlich zu machen, wie die Gerichte bei Überprüfung der materiell-rechtlichen Begründetheit und der Frage der Möglichkeit des Teilzuspruchs zu verfahren und aufgrunddessen zu tenorieren haben.

§ 8 Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung I. Die umfassende Unterlassungsklage Bevor anband obergerichtlicher Entscheidungen untersucht wird, inwiefern auch bei einem globalen Unterlassungsantrag der Klage teilweise stattgegeben werden kann, sollen an dieser Stelle zur besseren Verständlichkeit einige Grundlagen zum Streitgegenstand und materiellen Unterlassungsrecht in Erinnerung gerufen werden. Wie bereits erörtert, zielt die umfassende Unterlassungsklage auf die Unterlassung der Wiederholung der konkreten Rechtsverletzung und der Begehung weiterer über diesen Einzelfall hinausgehender anderer Handlungen I. Im Verhältnis zur Unterlassung schlechthin stellt der auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkte Antrag sachlich ein minus dar2, so daß der Streitgegenstand des Globalantrags somit teilbar ist. Nicht zu folgen ist Pastor3 mit seiner Ansicht, der Kläger müsse sein Begehren, die Wiederholung der konkreten Verletzungshandlung, als minus zum Globalantrag untersagen zu lassen, durch die Stellung von Hilfsanträgen zum Ausdruck bringen. Damit fUhrt er die prozeßrechtliche Maxime des § 308 Abs. 1 ZPO, die Ausdruck des Dispositionsgrundsatzes ist, ad absurdum. Wenn der vom materiellen Recht her zuzusprechende Teilanspruch objektiv vom Klageantrag umfaßt ist, muß, unabhängig davon, ob es sich um ein echtes oder unechtes minus 4 handelt, eine teilweise Verurteilung möglich sein. Regelmäßig begehrt der Kläger eben auch das im Klageantrag enthaltene minus-aliud, so daß die Befilrchtung, ihm würde möglicherweise etwas zugesprochen werden, das zwar objektiv vom Klageantrag umfaßt wäre, das der Kläger aber aus irgendwelchen Gründen gar

Dazu oben § 3 11; § 5 11; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 673 ff. So auch Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S.674, der allerdings aus dieser Erkenntnis dennoch den falschen Schluß zieht. Seiner Ansicht nach kann das Gericht der Klage nur dann teilweise stattgeben, wenn der Kläger zuvor einen Hilfsantrag dahingehend stellt, daß er bei Unbegründetheit der umfassenden Klage zumindest ein Verbot nur der Wiederholungshandlung begehrt. 3 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 674. 4 Das minus-aliud wird auch als unechtes oder qualitatives minus bezeichnet, Melissinos, S. 116 , 117. I

2

11. Die konkrete Verletzungshandlung als minus zum Globalantrag

121

nicht begehrt, unbegründet ist5• Vielmehr hat das Gericht im Grundsatz davon auszugehen, daß der Kläger die weitestgehend mögliche Tenorierung begehrt, so daß die Teilverurteilung bei der umfassenden Unterlassungsklage trotz der Antragsbindung des Gerichts grundsätzlich möglich ist6 •

11. Die konkrete Verletzungshandlung als minus zum Globalantrag 1. Problemstellung Die Eigenheit der Unterlassungsklage erfordert in materiell-rechtlicher Hinsicht die Besorgnis einer Wiederholung einer Rechtsverletzung oder ihre erstmalige Begehung. Voraussetzung filr die materiell-rechtliche Begründetheit ist daher die Geltendmachung der Wiederholungs- und / oder Begehungsgefahr. Oppermann7 ist uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er ausführt, es reiche somit nicht aus, lediglich das gesamte in Anspruch genommene Schutzrecht im Klageantrag bestimmt zu fassen, weil der Kläger dann etwas zugesprochen bekommen könnte, was zwar von seinem Recht abgedeckt sei, ihm aber aufgrund fehlender Beeinträchtigungsgefahr nicht zustünde. Aus dieser Analyse zieht er den Schluß, daß neben das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als weiteres Muß die Beschreibung der konkreten Verletzungsform trete s. Zwar behandelt er diese konkrete Verletzungsform entgegen der früheren Rechtsprechung 9 nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern als anspruchsbegründendes Merkmal lO , nichtsdestotrotz plädiert er filr die grundsätzliche Beachtung der konkreten Verletzungshandlung im Klageantrag selbse 1. Ein umfassend eingeklagtes Schutzrecht müßte dieser Auffassung nach als unbegründet zurückgewiesen werden, weil eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform fehlt, es sei denn, dem Kläger käme das beantragte umfassende Schutzrecht auch in materiell-rechtlicher Hinsicht vollständig zugute.

5

So aber Melissinos, S. 118 ff.

MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133; MünchKomm-ZPOIMusielak, Rn. 11; unklar ZällerlVollkommer, ZPO, § 308 Rn. 4. 6

§ 308

Oppermann, WRP 1989, S. 713, 714. Oppermann, WRP 1989, S. 713, 714. 9 Vgl. die Nachweise bei Oppermann, S. 713, 714, Fn. 6. 10 Oppermann, WRP 1989, S. 713, 714. 7

8

11 Zur Verbesserung des Rechtsschutzes läßt er allerdings - im Sinne der Kemtheorie - gewisse Verallgemeinerungen des KlageantragslUrteilstenors zu, Oppermann, S. 713

ff.

122

§ 8 Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung

Dem globalen klägerischen Antrag geht regelmäßig eine vom Kläger als Rechtsverletzung empfundene Handlung des Beklagten voraus. Für den Kläger, der mit seinem Unterlassungsantrag erreichen will, daß dem Beklagten auf Dauer "derartige Handlungen" untersagt werden, stellt die globale AntragsteIlung jedoch eine erhebliche Gefahr dar. Im Rahmen der Untersuchung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Unterlassungsklage ist deutlich geworden, daß die Unterlassungsklage, die sich zumindest auch gegen die Wiederholung dieser Verletzungshandlung richtet, zumindest hinsichtlich der bereits vorangegangenen rechtswidrigen Zuwiderhandlung erfolgreich sein muß, da die dazu notwendige Wiederholungsgefahr indiziert ist und es keines zusätzlichen Nachweises bedarf. Daß der Kläger nach ständiger Rechtsprechung jedoch selbst dann vollständig mit seiner Klage unterliegt, wenn die konkrete Verletzungshandlung tatsächlich als rechtswidrig erkannt wird, vermag jedenfalls nicht einzuleuchten.

2. Analyse der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung a) Die Warnstreikentscheidung

Obwohl als richtungsweisende Grundsatzentscheidung zur Behandlung von umfassenden Unterlassungsanträgen innerhalb der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anzusehen l2 , ist die an anderer Stelle beispielhaft angefiihrte Warnstreikentscheidung des Bundesarbeitsgerichts 13 in diesem Zusammenhang nicht sehr aufschlußreich, da der Senat die konkrete Verletzungshandlung, den Warnstreik in der Form der "Neuen Beweglichkeit", nicht als rechtswidrig angesehen hatte l4 . Das Gericht stellte nämlich fest, daß der von den Klägern als Verletzung empfundene Warnstreik in Form der "Neuen Beweglichkeit" nicht rechtswidrig war lS • Insoweit konnte also die konkret gerügte Verletzungshandlung mangels Rechtswidrigkeit keine Indizwirkung auf eine mögliche Wiederholungsgefahr

12 Bezüglich der Behandlung von nicht vollumfi[nglich begründeten Globalanträgen wird regelmäßig auf die Warnstreikentscheidung des Bundesarbeitsgerichts Bezug genommen, obwohl dort lediglich in den Gründen in Form eines obiter dictum zu dieser Problematik Stellung bezogen wird. 13 BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf= SAE 1985, S. 43 ff. = DB 1984, S. 2563 ff. 14 Kritisch dazu Loritz, ZfA 1985, S. 185, 208 ff. IS BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = SAE 1985, S. 43 ff. = DB 1984, S. 2563, S. 2570. = BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf mit kritischer Anmerkung Seiter im Hinblick auf die dort offenbarte prozessuale Behandlung der umfassenden Unterlassungsklage.

11. Die konkrete Verletzungshandlung als minus zum Globalantrag

123

entfalten. Der Senat war somit auch nach der hier vertretenen Auffassung aus rein materiell-rechtlichen Gründen zumindest in bezug auf diesen Teilbereich des Globalantrags nicht in der Lage, ein Verbot von identischen Wiederholungshandlungen auszusprechen, so daß die Entscheidung des Gerichts im Ergebnis diesbezüglich nicht zu beanstanden ist. Die Frage, ob das Gericht dann nicht wenigstens in bezug auf das im Klageantrag mit enthaltene vorbeugende Unterlassungsbegehren zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, wird an anderer Stelle erörtert l6 . Es darf allerdings die Vermutung geäußert werden, daß das Gericht nur mehr oder weniger zufällig zu diesem rechtsfehlerfreien Ergebnis gekommen ist. In der UrteilsbegrUndung überwiegen die Anhaltspunkte dafiir, daß der Senat ohnehin keine Teilverurteilung in Betracht gezogen hätte, da es den umfassenden Klageantrag vielmehr im Sinne eines "Alles-oder-Nichts-Begehrens" beurteilt wissen wollte. Das Gericht fiihrt dazu aus l ?: "Auch soweit die Klägerinnen ... ein Verbot künftiger Warnstreiks gerade in der Form der "Neuen Beweglichkeit" fordern, ist ihre Klage nicht begründet. Dabei kommt es wiederum nur darauf an, ob diese Kampfform schlechthin unzulässig ist, nicht aber darauf, ob die gegen die Klägerinnen 1981 gefiihrten Streiks rechtswidrig waren. Über die Grenzen, die das Bundesarbeitsgericht verhandlungsbegleitenden Warnstreiks ... gezogen hatte, ist die Beklagte - im Regelfall - mit ihrer Streiktaktik der "Neuen Beweglichkeit" nicht hinausgegangen." Deutlich wird, daß das Bundesarbeitsgericht den spezifischen materiellrechtlichen Voraussetzungen und dem tatsächlichen Klagegegenstand der umfassenden Unterlassungsklage keine Beachtung geschenkt hat. Das Gericht unterließ es, die bei den gleichgewichtigen Elemente des Globalantrags, das Begehren auf Untersagung der Wiederholungshandlung und das Begehren auf Untersagung erstmaliger anderer Rechtsverletzungen, voneinander zu trennen. Ihrer Ansicht nach existierte vielmehr ausschließlich ein unteilbarer umfassender Antrag. Die bisherigen AusfUhrungen haben allerdings gezeigt, daß diese Rechtsauffassung einer rechtlichen Grundlage entbehrt und dogmatisch nicht haltbar ist. Entgegen der Auffassung des Gerichts kann auch bei einem umfassend formulierten Unterlassungsantrag eine MinusTenorierung auf der Grundlage des § 308 Abs. 1 ZPO erfolgen, und zwar bereits und jedenfalls dann, wenn sich zumindest die konkrete Zuwiderhandlung als rechtswidrig erweist l8 •

Dazu unten § 9. BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = BAG EzA NT. 54 zu Art. 9 GG ATbeitskampf= SAE 1985, S. 43 ff. = DB 1984, S. 2563,2570. 18 Anders aber BAG AP NT. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93 ff. 16 17

124

§ 8 Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung

Für die Begründetheit dieses Teilanspruchs hätte es im Hinblick auf die Verletzungsunterlassung allein darauf ankommen dürfen, ob die vergangene Warnstreikhandlung in Form der "Neuen Beweglichkeit" als konkrete Verletzungshandlung rechtswidrig war. Das Abstellen auf die Frage, ob diese Kampfform schlechthin unzulässig ist oder ob eine derartige Streiktaktik "im Regelfall" zulässig wäre, verwirrt und verkennt die grundlegende Maxime des materiellen Unterlassungsrechts 19. Für die Rechtswidrigkeit der Wiederholungshandlung ist ja gerade ausschließlich auf die Indizwirkung der rechtswidrigen Verletzungshandlung abzustellen. Die positive Feststellung der Rechtswidrigkeit würde automatisch bewirken, daß die materiell-rechtliche Wiederholungsgefahr durch die bereits geschehene Rechtsverletzung indiziert würde, so daß ein entsprechendes eingeschränktes Untersagungsurteil zu erfolgen hätte. In einer Reihe weiterer Entscheidungen20, die sich in ihrer Begründung zum Teil auf das Warnstreikurteil beziehen und in ihrer Grundaussage noch darüber hinausgehen, bestärken verschiedene Senate des Bundesarbeitsgerichts diese Rechtsauffassung zum globalen Unterlassungsantrag. Wenn auch in der Wamstreikentscheidung das im Hinblick auf das Verletzungsunterlassungsbegehren gefällte Urteil rechtlich nicht zu beanstanden ist, so offenbart sich doch in den Folgeentscheidungen grundlegende Haltung des Gerichts in dieser Frage. Obwohl die konkrete Verletzungshandlung dort tatsächlich für rechtswidrig erachtet wird, weisen die Senate die umfassenden Klagebegehren vollständig ab 21 • Dieser Tatsache ist insbesondere deswegen Bedeutung beizumessen, weil weder das Warnstreikurteil noch die daraufhin ergangenen Entscheidungen eine ausreichende Begründung anbieten. Es ist lediglich zu vermuten, daß sie sich durch eine einseitige DefInition des Klagegegenstandes des unterlassungsrechtlichen Globalantrags zu einer derartigen Entscheidung gezwungen sahen.

Seiter, Anmerkung zu EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972 (6. Senat) = EzA Nr. 5 zu § 74 BetrVG 1972 (6. Senat); BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972 (7. Senat) = EzA Nr.67 zu § 40 BetrVG 1972 (7. Senat); in bezug auf einen Feststellungsantrag mit der gleichen Problematik, BAG AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (I. Senat) mit Anmerkung Grnnsky; BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG (I. Senat); BAG EzA Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 = AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = SAE 1993, S. 352 ff (I. Senat) mit Anmerkung Oetleer und BAG AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = SAE 1988, S. 184 ff. (I. Senat) mit zutreffender Anmerkung Loritz. 21 Zustimmend zu dieser Rechtsprechung: GermelmanniMattheslPrütting, ArbGG, § 81 Rn. 9; Raab, Anmerkung zu BAG EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972. 19

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11. Die konkrete Verletzungshandlung als minus zum Globalantrag

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b) Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG

aa) Vollständige Abweisung trotz rechtswidriger konkreter Verletzungsform Als Beispiel dafilr, daß das Bundesarbeitsgericht auch dort einen Globalantrag vollständig abgewiesen hat, wo es selbst die konkret geschehene Rechtsverletzung als rechtswidrig erachtete, dient die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 3. Mai 199422 • In diesem Rechtsstreit stritten die Beteiligten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen sowie bei der Erhöhung der Gehälter von außertariflich bezahlten Angestellten. Der Antrag des Betriebsrats war gerichtet auf die Unterlassung einseitiger Änderungen der an die Beschäftigten in L gezahlten Zulagen, solange "der Betriebsrat ... der beabsichtigten Maßnahme nicht zugestimmt hat". Das Gericht stellte dann unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung fest, daß sich ein Unterlassungs anspruch des Betriebsrats grundsätzlich direkt aus den mitbestimmungsrechtlichen Alternativen des § 87 BetrVG ergeben kann23 • Dennoch wies es die Klage vollständig ab, obwohl es gleichzeitig festhielt, daß es die konkrete Änderung der Zulagen in den Jahren 1991 und 1992, die Anlaß filr die Klageerhebung war, als mitbestimmungsptlichtig angesehen hat: "Der Hauptantrag ist jedoch deshalb unbegründet, weil er alle künftigen Änderungen der Zulagen erfaßt , obwohl ein so weitgehendes Mitbestimmungsrecht nicht besteht24". Im Hinblick auf die künftige Unterlassung gerade der gerügten konkreten Verletzungshandlungen behauptete der Senat, der Antrag des Betriebsrats sei nicht nur auf künftige Unterlassung solcher Tatbestände gerichtet, wie sie im Zusammenhang mit den Tariflohnerhöhungen 1991 und 1992 festzustellen waren. Vielmehr erfasse er (ausschließlich) die Unterlassung jeglicher einseitiger Änderung des derzeitigen Zulagensystems. Ein Globalantrag, mit dem die Unterlassung einer bestimmten Handlung filr viele denkbare Fallgestaltungen begehrt werde, sollte nach Auffassung des Gerichts nur dann begründet sein, wenn der Antragsteller die Unterlassung rur alle erfaßten Fallgestaltungen verlangen könnte: "Ist dies nicht der Fall, muß der Antrag im ganzen als 22 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93 ff. mit Anmerkung Walker. 23 vgl. BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972; vgl. dazu Walker, DB 1995, S. 1961 ff.; Richardi, NZA 1995, S. 8 ff.; Dobberahn, NJW 1995, S. 1333 ff. 24 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93,97.

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§ 8 Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung

unbegründet zurückgewiesen werden. Das Gericht darf nicht dahin erkennen, daß der geltend gemachte Anspruch unter einschränkenden Voraussetzungen gegeben ist, die nicht zum Inhalt des Antrags erhoben sind. Eine solche Tenorierung würde sich nicht mehr im Rahmen des Antrags halten. Es würde nicht weniger als beantragt zugesprochen werden, sondern etwas anderes 2s". Dieser Beschluß des Bundesarbeitsgerichts offenbart noch deutlicher als die Warnstreikentscheidung die Ansicht der Rechtsprechung zur Begründetheit von Globalanträgen. Obwohl die gerügte konkrete Verletzungshandlung, die Ausgangspunkt und Anlaß fiir die AntragsteIlung war, vom Gericht als rechtswidrig erkannt wurde, sah es sich nicht in der Lage, dem Globalantrag zumindest teilweise zum Erfolg zu verhelfen26 •

bb) Zwingende Teilverurteilung Es handelt sich vorliegend um eine Entscheidung, die im Beschlußverfahren ergangen ist. Gleichwohl folgt das Gericht, ohne diese Frage allerdings zu problematisieren, der Rechtsauffassung, § 308 Abs. 1 ZPO emde selbstverständlich und uneingeschränkt auch im Beschlußverfahren Anwendung 27 • Die Gründe fUr die hier vertretene eingeschränkte Anwendbarkeit des § 308 Abs. 1 ZPO wurden bereits aufgezeigt28 • Da das Gericht explizit die beanstandete Rechtsverletzung fiir rechtswidrig erklärte, hätte es die befUrchtete Wiederholung dieser Handlung konsequenterweise untersagen müssen, da sämtliche Voraussetzungen fUr eine Teilverurteilung nach § 308 Abs. 1 ZPO vorlagen. Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift die Verletzungshandlung, die Anlaß für die gerichtliche Anrufung war, konkretisiert. Wenn der Senat feststellt, der Antrag des Betriebsrats richte sich nicht nur auf künftige Unterlassung genau der konkreten Verletzungshandlung, so ist dem uneingeschränkt zuzustimmen. Unbestreitbar wollte der Betriebsrat zusätzlich eine darüber hinausgehende Tenorierung. Da diesem Begehren nicht Rechnung getragen BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972. In seiner Urteilsanmerkung zum angefiihrten Urteil, SAE 1995, S. 99, 102, 103, stimmt Walker, wenn auch "mit Unbehagen", der Abweisung des Globalantrags zu. Gleichzeitig greift er die vom Bundesarbeitsgericht aufgeworfene, sogleich aber wieder verworfene Frage auf, ob das Gericht nicht einen richterlichen Hinweis nach § 139 ZPO hätte geben müssen. Sicherlich wird daran bei der Frage der Zusprechung von anderen, über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehenden Rechtsverletzungen zu denken sein, hier dagegen bedarf es eines Zuruckgreifens auf die richterliche Aufklärungsptlicht nicht, dazu ausfiihrIich unten § 10. 27 So auch BAG SAE 1993, S. 353,354. 28 Zur Anwendung des § 308 ZPO im Beschlußverfahren vgl. § 7 11. 2S

26

III. Formulierung des Urteilstenors

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wurde, liegt die Annahme nahe, daß der Senat erneut deutlich machen wollte, beim Globalantrag sei jegliche nicht vollständig antragsgemäße Tenorierung ausgeschlossen, da es dazu kein minus gebe. Unberücksichtigt geblieben ist dabei aber, daß sich der Globalantrag regelmäßig zusammensetzt aus der Verletzungsunterlassung, die die konkrete Verletzungshandlung betrifft und der vorbeugenden Unterlassung hinsichtlich darüber hinausgehender Handlungen. Diese Rechtsauffassung, die auch im Schrifttum und innerhalb der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vertreten wird29, ist mit den oben entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar30 • Das Gericht konnte anband des klägerseitigen Vorbringens die tatsächlichen Gegebenheiten klären und beurteilen, ob die konkrete Zuwiderhandlung das Schutzrecht des Betriebsrats rechtswidrig verletzt hat. Des konkreten Nachweises einer materiell-rechtlichen Wiederholungsgefahr bedurfte es nicht, da die der konkreten Rechtsverletzung immanente Vermutungswirkung 31 filr neuerliche Rechtsverletzungen nicht widerlegt wurde. Da es sich zudem auch nach den hier entwickelten Ergebnissen bei der konkreten Verletzungshandlung um ein echtes minus zum Klageantrag handelt, ist die vollständige Abweisung des Unterlassungsantrags schlechthin bereits im Hinblick auf die Gefahr rechtswidriger Wiederholungshandlungen nicht zu rechtfertigen.

111. Formulierung des Urteilstenors 1. Erstreckung des Tenors auf den Kernbereich

der drohenden Wiederholungshandlung Steht somit fest, daß die gerichtliche Untersagung der Wiederholung der konkreten Verletzungshandlung in jedem Falle bereits dann zu erfolgen hat, wenn die Rechtswidrigkeit der gerügten Handlung festgestellt wird, stellt sich die weitergehende Frage, ob in einem solchen Fall tatsächlich nur die konkreten Wiederholungshandlungen verboten werden können. Ausgangspunkt dieser Überlegungen sind die Ausruhrungen, die bereits zu der erkenntnisgerichtlichen und vollstreckungsrechtlichen Variante der Kernlehre gemacht wurden. 29 BGH GRUR 1973, S. 201 ff., "Trollinger"; BGH GRUR 1979, S. 859, 861 = NJW 1980, S.700, 701 = WRP 1979, S. 784, "Hausverbot 11". Ebenso Oppermann, WRP 1989, S. 713,714,715 mwN; anders aber BGH WRP 1987, S. 461 ff. = GRUR 1987, S. 371 ff., "Kabinettwein". 30 Borck. WRP 1977, S. 457, 458, 459. 31 BGH GRUR 1955, S. 342, 345; Soergel-Mühl, § 1004 Rn. 166; Schramm, Mitt. 1959, S.260, 261 Borck. WRP 1984, S.583, 584; Ahrens, S.28; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 80; Staudinger/Gursky, § 1004 Rn. 200; ErmaniHefermehl, § 1004 Rn. 28.

128

§ 8 Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung

Danach sollte zwar bei der Antragstellung und der Urteilsfassung grundsätzlich auf die konkrete Verletzungsform32 abgestellt werden, jedoch lassen die Befilrworter dieser Lehre jeweils eine gewisse Verallgemeinerung dahingehend zu, daß der Antragsteller und / oder auch das Gericht (je nach angewandter Variante) das Charakteristische der konkreten Rechtsverletzung herausstellen können33 . Hintergrund dieser Vorgehensweise war die Gefahr einer Umgehung des Verbots durch den Schuldner, dem durch die Urteilsfassung lediglich die Wiederholung der konkreten Verletzungshandlung untersagt wurde, ein dem Rechtsschutz abträgliches Ergebnis. Diesen Gedanken aufgreifend, soll im folgenden überprüft werden, ob das Gericht nicht auch bei einem Globalantrag, der, wie oben aufgezeigt, zumindest in bezug auf die Wiederholungshandlung zum Erfolg fUhren muß, von sich aus eine erweiternde, auf den Kern der Verletzungshandlung bezogene, verallgemeinernde Tenorierung vornehmen kann. Ähnlich der klägerischen Partei, die Schwierigkeiten bei der Abfassung des klägerischen Begehrens in der Form eines Klageantrags hat, steht auch das erkennende Gericht vor dem Problem, den zusprechenden (oder verurteilenden) Urteilstenor so zu fassen, daß das klägerische Begehren, soweit es dem materiellen Recht entspricht, vollumfiinglich befriedigt ise4 . Dies zugrundegelegt, soll im folgenden das Augenmerk schließlich auf den Umfang des auszusprechenden Verbots beim teilweise begründeten unterlassungsrechtlichen Globalantrag gelegt werden. Einige der hier auftretenden Fragen, insbesondere zum Bestimmtheitsgrundsatz, der auch innerhalb des Urteils spruchs zu beachten ist, sind bereits beim Unterlassungsantrag behandelt, weil sie hier zuerst auftreten. Daher wird, um unnötige Wiederholungen möglichst zu vermeiden, auf das Ausgefiihrte verwiesen. Lediglich diejenigen Fragen bedürfen erneuter Erörterung, die von einem unterschiedlichen Blickwinkel aus neue Erkenntnisse bringen. Zunächst sollen die vorangegangen Überlegungen zur Kernlehre 35 in Erinnerung gerufen werden, denen zufolge lediglich der klägerische verallgemeinernde Unterlassungsantrag als mit prozessualen Grundsätzen filr vereinbar gehalten wird. Da dieser nicht zwangsläufig gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verstößt, kommt dem Kläger in der Regel ein verbesserter Rechtsschutz zugute. Das Gericht kann, wo dementsprechend auch ein umfassenderer Antrag vorliegt, "weiter" tenorieren, so daß sich die Gefahr, Umgehungshandlungen mit dem Tenor nicht zu erfassen, verringert.

Vgl. oben § 2 I 2., 3.c). Melullis, Handbuch, S. 185. Dazu auch § 411, III, IV. 34 Melissinos, S. 158. 35 Vgl. oben § 4. 32

33

III. Formulierung des Urteilstenors

129

2. Auswirkungen der Kernlehre auf den Urteilstenor a) Grundlagen zur Fassung des Urteilstenors

Aufgabe des Gerichts ist es, den durch den Klageantrag und den dazugehörigen Sachverhalt umrissenen Streitgegenstand des Prozesses im Urteilsausspruch vollumfänglich zu bescheiden, indem es den Klagegegenstand, der die konkrete Verletzungshandlung als Streitgegenstand umfaßt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten auf seine BegrUndetheit hin überprüft. Je nach konkretem Klageantrag und Streitgegenstand kann der Unterlassungstenor zum einen die konkrete Wiederholungshandlung, die dazugehörigen Verallgemeinerungen, die aber nicht über die konkrete Verletzungsform hinausgehen dürfen und die möglicherweise erstmalig bevorstehenden Verletzungshandlungen umfassen, die dann Gegenstand des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs sind. Der Urteilstenor muß schließlich deutlich machen, welche Handlung unterlassen werden muß. Die Handlung ist dabei nach Art und Umfang so genau zu bestimmen, daß Unklarheiten vermieden werden 36 • Die Notwendigkeit zur bestimmten Bezeichnung des Verbots ergibt sich daraus, daß der Urteilstenor als Spiegelbild des Antrags nicht zuletzt wegen des Rechtskraftumfangs oder der Anforderungen hinsichtlich der Zwangsvollstreckung ebenfalls Konkretisierung erfordert37 • Insofern sind an den Urteilstenor dieselben Anforderungen zu stellen, wie an den Klageantrag, weshalb an dieser Stelle auf die Austuhrungen zu diesem38 verwiesen wird. Das gerichtliche Verbot darf deshalb auch nicht derart abstrakt gefaßt werden, daß ihm Handlungen unterfallen können, deren rechtliche Erlaubtheit im Rechtsstreit nicht geprüft worden ise9 , so daß seitens des Gerichts kein abstrakter Schutzurnfang des Unterlassungsanspruchs festgestellt werden darf'°. Nach ständiger Rechtsprechung41 hält der Bundesgerichtshof sogenannte "gewisse Verallgemeinerungen, die nur das Charakteristische der festgestellten konkreten Verletzungstatbestände zum Ausdruck bringen", tur prozessual

36 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 827; Jauernig, Zwangsvollstreckung, § 27 IV; MünchKomm-ZPO/Schilken, § 890 Rn. 7; ThomaslPutzo, ZPO, § 890 Rn. 1; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 308 Rn. 2,3. 37 Pagenberg, GRUR 1976, S. 78, 79; Borck, WRP 1979, S. 180; SteiniJonaslBrehm, ZPO, § 890 Rn. 9; MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133, 134. 38 Siehe oben § 2 I. 39 RGZ 82, S. 59,65; BGH, GRUR 1957, S. 606, 608, "Heilmittelvertrieb". 40 v. Gamm, NJW 1969, S. 85, 86. 41 BGH GRUR 1968, S. 200 ff. "Acrylglas" ; BGH GRUR 1957, S. 606,608,609, "Heilmittelvertrieb"; BGH GRUR 1964, S. 71 ff., "Personifizierte Kaffeekanne". 9 Backsmeier

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§ 8 Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung

zulässig, da sie bloß den "Unrechtsgehalt der festgestellten Verstöße unter Verzicht auf unwesentliche Begleiterscheinungen im Kern" herausstellen. Er macht allerdings die Einschränkung, eine allgemeinere Fassung sei nur zulässig, wenn in ihr das Charakteristische des festgestellten konkreten Verletzungstatbestands zum Ausdruck komme und eine konkretere Formulierung als eine allgemeine Fassung nicht möglich sei42 , oder wenn die allgemeine Fassung neben der konkreten Verletzungsform auch die drohend bevorstehenden, weiteren Verletzungsformen mit umfasse 43 • Diese Grundsätze wendet der Bundesgerichtshof sowohl im Hinblick auf die AntragsteIlung als auch auf die Tenorformulierung des Gerichts an, wobei nach der hier vertretenen Auffassung eine auf die charakteristischen Handlungsmerkmale erweiterte Tenorierung nur dann mit prozessualen Grundsätzen, insbesondere mit dem Dispositionsgrundsatz und § 308 Abs. 1 ZPO vereinbar ist, wenn ihr ein entsprechend weiter Klageantrag zugrunde liegt44 • Um den Rechtsschutz zu effektivieren und um insbesondere die geringfiigigen Umgehungshandlungen vom Verbot zu umfassen4S , neigt der Bundesgerichtshof dazu, die Voraussetzungen an eine Verallgemeinerung der konkreten Verletzungsform großzügig zu handhaben 46 •

b) Verbotseinschränkungen durch das Gerichtbisherige Spruchpraxis der Gerichte Die Urteilsformel muß immer ein konkretes "Tun" beschreiben, das unterlassen werden muß 47 . Da das erkennende Gericht über den Klageantrag zu befmden hat, läuft die Entscheidung über den Urteilstenor im Endeffekt auf die Frage hinaus, ob bei sachlicher Begründetheit der Unterlassungsantrag richtig gestellt ist, der Kläger also fiir das, was begründet ist, den richtigen Antrag gestellt hat48 • Schwierigkeiten tauchen dennoch auch hier hinsichtlich der Frage

42 BGH GRUR 1957, S.606, 608, "Heilmittelvertrieb", OLG Stuttgart NJW-RR 1990, S. 1081,1082; BGH WRP 1992, S. 560,561, "UnbestimmterUnterJassungsantrag

H".

BGH GRUR 1955, S. 95, 96, "Buchgemeinschaft". Dazu oben § 4 H 6. 4S MünchKomm-ZPO/Schilken, § 890 Rn. 7; SteiniJonas/Brehm, ZPO, § 890 Rn. 33; Kugelberg, S. 52 ff. 46 Oppermann, S. 129; BGH GRUR 1981, 277, 279, "Biene Maja"; BGH GRUR 1984, S.467, 469, "Das unmögliche Möbe1haus"; BGH NJW 1991, S. 1114, 1115, "Unbestimmter Unterlassungsantrag". 47 StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 216 ff.; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 86; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 827. 48 Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 828. 43

44

III. Formulierung des Urteilstenors

131

der richtigen Verbotsformulierung auf. Nicht nur, daß vielfach der klägerische Antrag die Merkmale der konkreten Verletzungshandlung nicht genügend herausstellt, das Gericht sieht sich oftmals vor die schwierige Aufgabe gestellt, aus dem Antrag die Merkmale herauszufiltern, die lediglich deklaratorischen Charakter haben und nichts zur Umschreibung der konkreten Verletzungshandlung beitragen49 • Die gerichtliche Spruchpraxis ist allerdings, insbesondere im Wettbewerbsrecht, geprägt von vielen Einzelfallentscheidungen. Sie machen deutlich, daß sich die Gerichte in der Vergangenheit keineswegs darauf beschränkt haben, die Fassung des Verbots ausschließlich auf die konkrete Verletzungs handlung zu beziehen, obwohl dies von der Rechtsprechung stets verlangt wurde 50 . Vielmehr spiegeln sich die Urteilsaussprüche nur noch geringfiigig im klägerischen Antrag wider, weichen aber im übrigen vom maßgebenden konkreten Verletzungstatbestand ab sl . Als Beispiel dafiir, wie das Gericht den Kembereich der konkreten Verletzungshandlung zum Gegenstand des Urteils spruchs machen kann, mag die Acrylglas-Entscheidung S2 des Bundesgerichtshofs dienen. Der Senat hatte über einen Unterlassungsantrag zu entscheiden, mit dem begehrt wurde: ,,1. es zu unterlassen, in Werbeschriften oder anderen Mitteilungen, die rur einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind,

2.

rur Leuchten, die zum Teil aus einem durchsichtigen oder durchscheinenden organischen Kunststoff bestehen, oder aus einem solchen Kunststoff bestehende Leuchtenteile die Bezeichnung "Acrylglas" zu benutzen, insbesondere sie als "Acrylglas-Ring", "Acrylglas-Abschlußwanne", "Strukturdiffusor aus Acrylglas" oder dergleichen zu bezeichnen."

Nachdem das LG der Klage stattgegeben hatte, wurde die Berufung der Beklagten durch das OLG mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Verbot

BGH GRUR 1984, S. 467 ff., "Das unmögliche Möbelhaus". BGHZ 4, S. \02 = BGH GRUR 1952, S. 511 ff., "Farina Urköl'sch"; NJW 1952, S.665 (L) "Zwilling"; BGHZ 17, S.376, 384 = NJW 1955, S.1356, 1357, "Betriebsfeiern"; BGHZ 34, S. I, 13 = NJW 1961, S. 508, "Mon Cherie"; BGH GRUR 1957, S. 606 ff., "Heilmittelvertrieb"; BGH GRUR 1958, S. 346, 350, ,,spitzenmuster"; BGH GRUR 1960, S. 384 f., "Mampe Halb und Halb". 51 BGH GRUR 1968, S. 200 ff. "Acrylglas"; BGH GRUR 1964, S. 71, 72, "Personifizierte Kaffeekanne"; v. Gamm, NJW 1969, S. 85, 86. 52 BGH GRUR 1968, S. 200 ff., "Acrylglas". In gleicher Weise wurde entschieden in BGH GRUR 1960, S. 567, "Kunstglas". 49

50

132

§ 8 Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung

des Gebrauchs der Bezeichnung "Acrylglas" mit folgendem einschränkenden Zusatz versehen wird: "ohne dabei unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß mit "Acrylglas" ein Kunststoff gemeint ist". Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsauffassung in seiner Revisionsentscheidung bestätigt. Die Einschränkung des Verbots rechtfertigte er unter Hinweis auf den "rechtsähnlichen" Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB, der einen Anspruch nur insoweit anerkenne, als er zur Verineidung der Beeinträchtigung erforderlich ist. Wenn somit statt eines uneingeschränkten Verbots eine den Beklagten weniger hart treffende Maßnahme ausreiche, um die Gefahr der Beeinträchtigung auszuräumen, dann könne der Kläger nicht das uneingeschränkte Verbot fordern 53 . Außerdem müsse das Gericht, sofern es möglich ist, durch einen hinreichend konkret zu bezeichnenden aufklärenden Zusatz die Gefahr der Irrefilhrung ausräumen. Der Bundesgerichtshof wiederholt seine Ansicht gleichermaßen in der "Mephisto- Entscheidung"S4 und formuliert so: "Sofern diese Handlung auch in einer solchen Art und Weise begangen werden kann, daß sie der Rechtswidrigkeit entkleidet ist, dann wird allerdings auch ein eingeschränktes Verbot in Betracht zu ziehen sein"ss. Die Konsequenz dieser Rechtsprechung ist eine teilweise Klageabweisung, da der umfassende Klageantrag durch einen vom Gericht selbst formulierten Zusatz eingeschränkt wird. Diese gerichtliche Tenorierung, die eine Einschränkung des Beantragten mit einer filr den Kläger nachteiligen Kostenfolge darstellt, vermag trotz aller dagegen vorgebrachter KritikS6 zu überzeugen. Darüber, daß das Gericht nicht dazu aufgerufen ist, dem Verletzer die Möglichkeiten aufzuzeigen, mit deren Hilfe er dem Unterlassungsgebot ausweichen kann 57, besteht Einigkeit, letztlich trifft dieser Argumentationsversuch aber nicht den Kern. Zwar bleibt es regelmäßig grundsätzlich Sache des Verletzers, BGH GRUR 1968, S. 200, 203, "Acrylglas". BGH NJW 1968, S. 1773, "Mephisto". 55 In dieser Entscheidung wurde vom Ansatz her ähnlich argumentiert. Auch hier wurde der Vergleich mit dem Beseitigungsanspruch gezogen und nur eine zur Vermeidung der Beeinträchtigung erforderliche Verurteilung in Erwägung gezogen. (Im Ergebnis war hier aber anders als bei der "Acrylglas-Entscheidung" keine Einschränkung des Verbots möglich, da eine umfassende Verurteilung erforderlich war). Im "Mephisto"-Fall wird eine Güterabwägung vorgenommen, wobei "erhebliche schutzwürdige Interessen des Beklagten" festzustellen sind, so Oppermann. S. 140. Vgl. auch die Stellungnahme des BVerfG in BVerfGE 30, S. 173; BGH GRUR 1967, S. 30, 34, "Rum-Verschnitt". 56 Nach v. Gamm, NJW 1969, S. 85, 87, sind die als "echte Vebotseinschränkungen" gekennzeichneten Zusätze lediglich bloße Umschreibungen des Verletzungstatbestands, also des Anspruchsgrundes. 57 Vgl. hierzu v. Gamm, NJW 1969, 85, 86, 87, der von einer näheren Umschreibung und Konkretisierung des Verletzungstatbestandes spricht; ferner Melullis, Handbuch, 502 ff. 53

54

III. Fonnulierung des Urteilstenors

133

die Möglichkeiten herauszufmden, die ihn aus dem Verbotsbereich hinausfUhren, wenn das Gericht jedoch über einen Globalantrag zu entscheiden hat, müßte es dem Klagebegehren insoweit stattgeben, wie es die materielle Rechtslage gebietet (§ 308 Abs. 1 ZPO). Ob demnach die zu unterlassenden Handlungen ausreichend bezeichnet sein, hängt vom Einzelfall ab. Nach Lüke 58 kommt es filr die Konkretisierung des Antragsbegehrens entscheidend darauf an, was objektiv möglich ist und dem Kläger zugemutet werden kann. Hätte der Senat diese Teilabweisung nicht in Betracht gezogen, wäre es konsequenterweise zu einer vollständigen Klageabweisung gekommen, da er nicht dahingehend hätte tenorieren dürfen, dem Beklagten sei in vollem Umfang die Verwendung des Begriffes Acrylglas verwehrt. Gerade diese Absolutheit findet nämlich, so die zutreffende Ansicht der Richter, keine Stütze im materiellen Recht. Mit diesem sog. "einschränkenden Zusatz" und der Teilabweisung der Klage trifft das Gericht die einzig rechtmäßige Entscheidung.

c) Fassung des Urteilsausspruchs beim teilweise begründeten globalen Unterlassungsantrag

Der Urteilstenor bei einem teilweise, nur hinsichtlich der Wiederholungshandlung begründeten Globalantrag wirft zusätzliche Schwierigkeiten auf; denn durch die Fassung des Klageantrags schlechthin kann sich das Gericht in seiner Urteilsformulierung nicht an einen konkretisierten Klageantrag anlehnen. Daraus darf jedoch nicht der Schluß gezogen werden, deswegen müsse eine Teilverurteilung unterbleiben und die Klage statt dessen vollständig abgewiesen werden. Wie bereits ausgefUhrt, gebietet der Grundsatz des § 308 Abs. 1 ZPO die Verurteilung zu einem minus insoweit, wie der Anspruch sachlich-rechtlich begründet ist. Stellt das Gericht im Prozeß über einen unterlassungsrechtlichen Globalantrag also wenigstens fest, daß jedenfalls die konkret geschehene Verletzungshandlung rechtswidrig war und sich damit die Vermutungswirkung im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr auf sämtliche identischen Wiederholungshandlungen erstreckt, ist es verpflichtet, im Urteilsausspruch ein dahingehendes Verbot auszusprechen. Ausgehend von den Schwierigkeiten, die insbesondere aus Anlaß der Effektivierung des Rechtsschutzes zur Entwicklung der Kernlehre gefUhrt haben, mag es als fraglich angesehen werden, ob das Gericht, das die Rechtswidrigkeit der konkreten Verletzungshandlung feststellt, seine Tenorierung derart eng zu fassen hat, daß sie von Seiten des Vollstreckungsgerichts (korrekterweise) nur 58

MünchKomm-ZPO-Lüke, § 253 Rn. 135.

134

§ 8 Teilverurteilung bei Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung

auf die identische Wiederholungshandlung bezogen werden kann. Sollte man dies bejahen, stünde der Gläubiger erneut vor dem Problem, nur einen begrenzten Rechtsschutz zu erhalten, da er gegen Umgehungshandlungen seitens des Verletzers keine rechtliche Handhabe hätte. Die Rechtskraft eines eingeschränkten, nur auf die konkrete Wiederholungshandlung bezogenen Unterlassungstenors umfaßt nach der hier vertretenen Ansicht ja gerade nicht sämtliche im Kernbereich der Verletzungshandlung liegenden Rechtsverletzungen. Es müßte eine Tenorierung gewählt werden, die das Charakteristische der Handlung, also ihren Kern, in den SFhutzbereich mit einbezieht. Dies kann dadurch geschehen, daß es die als rechtswidrig identifizierte konkrete Verletzungshandlung innerhalb des dem unterlassungsrechtlichen Globalantrag zugrundeliegenden Klagevorbringens aussondert, den Kernbereich der konkreten Verletzungshandlung anhand abstrakter, charakterisierender Merkmale ermittelt und dem Verbot einen dementsprechenden umfassenderen Schutz-' bereich gibt59 • Die konkrete Verletzungshandlung im Rahmen des Globalantrags ist somit ebenso zu behandeln wie ein filr zulässig gehaltener verallgemeinernder Klageantrag, der auf den Kernbereich einer Rechtsverletzung erweitert wird. Materiell-rechtliche Gründe stehen einer derartigen Vorgehensweise nicht entgegen. Kann auch der Gläubiger im Endeffekt keine konkrete Begehungsgefahr hinsichtlich der über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehenden Handlungen vorbringen, darf er zu Recht erwarten, daß auch die Kernhandlungen gerichtlich untersagt werden. Nach der hier vertretenen Auffassung 60 handelt es sich bei den Umgehungshandlungen zwar um solche, die von der konkreten Verletzungshandlung klar zu trennen sind, so daß die Indizwirkung filr die Wiederholungshandlung nicht unmittelbar auch filr diese Handlungen gilt. Dennoch ist, wie ausgefiihrt, davon auszugehen, daß die konkrete Verletzungshandlung auch die Begehungsgefahr filr die im Kernbereich liegenden Handlungen dann zu indizieren vermag, wenn die befiirchtete Verletzungshandlung nur geringfiigig von der ursprünglichen Rechtsverletzung abweicht. Dies hat die Entbehrlichkeit des positiven Nachweises der konkreten Geflihrdung im Prozeß zur Konsequenz.

59 Zur Technik der Kernermittlung vgl. die Ausfilhrungen über die Kernlehre schlechthin, § 4. 60 Vgl. oben § 3 III 2.

III. Fonnulierung des Urteilstenors

135

Insoweit unterscheidet sich dieser Ansatz nur in der rechtlichen Begründung, letztlich aber nicht im Ergebnis, von der überwiegenden Ansicht der Rechtsprechung und Literatur61 .

61 Entgegen der obigen Ansicht vertreten überwiegende Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums, daß Umgehungshandlungen noch unter den Begriff der Wiederholungshandlungen einzuordnen sind, so daß die Indizwirkung unmittelbar auch die Umgehungshandlungen erfaßt, oben § 3 II 2.

§ 9 Teilverurteilung bei vorliegender Begehungsgefahr I. Konkreter Nachweis der Begehungsgefahr Während vorstehende Überlegungen die Konstellation betrafen, in der sich wenigstens die konkrete Zuwiderhandlung als rechtswidrig erwiesen hat, blieb bislang jedoch ungeklärt, unter welchen materiell-rechtlichen Anforderungen ein Verbot hinsichtlich der ebenfalls vom globalen Klageantrag umfaßten anderen Handlungen auszusprechen ist. Ziel der nachfolgenden Ausfiihrungen wird daher insbesondere sein, darzustellen, welche Anforderungen an den Nachweis der materiell-rechtlichen Begehungsgefahr zu stellen sind, ob das Gericht anstelle des Klägers in seiner Antragsschrift die Konkretisierung zukünftiger Handlungsvarianten vorzunehmen hat und inwieweit womöglich die Pflicht zur richterlichen Aufklärung zu einem verbesserten Rechtsschutz führen kann. Einen sachlich-rechtlich begründeten Unterlassungsanspruch hat nur derjenige Unterlassungskläger, der dem Gericht die Begehungsgefahr anband der sich von der konkreten Verletzungshandlung unterscheidenden Rechtsverletzung nachweist, wobei es denkbar ist, daß Wiederholungs- und Begehungsgefahr in einer Klage anhängig gemacht werden I. Die Grenze zwischen Wiederholungsgefahr und Begehungsgefahr wird vielfach, insbesondere von den Vertretern der Kernlehre, als derart fließend bezeichnet, daß eine eindeutige Abgrenzung nahezu unmöglich sein soll. Diejenigen, die diese Auffassung vertreten, müssen sich allerdings vorhalten lassen, in erster Linie selbst zu dieser Unklarheit beigetragen zu haben. Denn entgegen der hier aufgezeigten Lösung befürworten sie, daß auch die Handlungen, die mit der konkreten Verletzungshandlung zwar nicht identisch sind, die aber unter deren Kernbereich zu subsumieren sind, nur der materiell-rechtlichen Wiederholungsgefahr bedürfen. Dieser Auffassung kann angesichts der gravierenden Unterschiede zwischen den nicht identischen Handlungen in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht gefolgt werden. Die durch die Vermutungswirkung in bezug auf die Wiederholungshandlung grundsätzlich bestehende Beweiserleichterung ist nur für die identische Wiederholungshandlung zu rechtfertigen. Nur ausnahmsweise soll deshalb die Vermutungswirkung hinsichtlich einer BegeI StaudingerlGursky, § 1004 Rn. 220; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 88; ErmanlHefermehl, § 1004 Rn. 28; Borck, WRP 1984, S. 583,585.

11. Strenge Anforderungen

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hungsgefahr ausnahmsweise auch für die Handlungen gelten, die nach Auffassung des Gerichts in den Kembereich der Verletzungshandlung fallen.

11. Strenge Anforderungen In bezug auf die über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehenden möglichen zukünftigen Rechtsverletzungen kommt der Antragsteller somit nicht umhin, dem Gericht die Begehungsgefahr zu unterbreiten. Bedingt durch die Zukunftgerichtetheit des Anspruchs ist es filr den Antragsteller allerdings schwer, bevorstehende Rechtsverletzungen zu konkretisieren2 • Dennoch wird von ihm verlangt, die befilrchteten Handlungen gedanklich vorwegzunehmen3 und sie in der Klagebegründung entsprechend darzustellen. Nicht ausreichend ist es nach der Rechtsprechung, wenn eine "bloße Besorgnis" oder eine "bloße Möglichkeit" künftiger Rechtsverletzungen besteht. Hinzukommen müssen konkrete Tatsachen, die einen Eingriff ernsthaft befilrchten lassen4 • Das Gericht muß davon überzeugt sein, daß der Unterlassungsschuldner die befilrchteten Handlungen auch tatsächlich begehen wird, wenn ein gerichtliches Verbot unterbleibt. Lediglich in den Fällen der Berühmung5 und dann, wenn eindeutige Vorbereitungshandlungen6 eine konkrete Handlung ankündigen, erübrigt sich der Nachweis einer bevorstehenden konkreten Rechtsbeeinträchigung. Angesichts dieser materiell-rechtlichen Hürden empfiehlt Borck dem Unterlassungsgläubiger sogar, zunächst eine Verletzungshandlung abzuwarten, bevor eine vorbeugende Unterlassungsklage angestrengt wird, um dann wenigstens vor einer Wiederholungshandlung gefeit zu sein7• Ihm ist darin zuzustimmen, daß eine Unterlassungsklage, die eine bevorstehende erste Verletzungshandlung zum Gegenstand hat bzw. Teil eines Globalantrags darstellt, mit dem "andere Handlungen" als die Wiederholungshandlung gerügt werden sollen, die Ausnahme sein muß und strengen Anforderungen zu unterliegen hat. Notwendig sind die einschränkenden Regelungen filr den Nachweis der Begehungsgefahr insbesondere im Hinblick auf die Rechtsposition des

2 StaudingeriGursky, § 1004 Rn. 217 ff.; MünchKomm-ZPO/Lüke, § 253 Rn. 133, 134; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 86; Borck, WRP 1984, S. 583,585. 3 Nach Ahrens, S. 28, besteht eine "prognostische Unsicherheit" fiir den Kläger, entsprechend auch Schnepel, WRP 1994, S. 467, 468; Seiter, Anmerkung zu BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG. 4 Borck, WRP 1984, S.583, 585; MünchKommlMedicus, § 1004 Rn. 81; BaumbachiHefermehl, Einl. UWG Rn. 260 f. mwN. 5 BGH GRUR 1962, S. 34 ff., "Torsana". 6 BaumbachiHefermehl, Einl. UWG Rn. 260, 263. 7 Borck. WRP 1984, S. 583,586,587,588; ders., GRUR 1991, S. 428,429.

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§ 9 Teilverurteilung bei vorliegender Begehungsgefahr

Beklagten. Könnte dieser, ohne mit konkreten Handlungen den Rechtskreis des Klägers berührt zu haben, mit einem Unterlassungsgebot überzogen werden, wäre seine Handlungsfreiheit entscheidend beeinträchtigt. Darüber hinaus besteht grundsätzlich auch deshalb kein Anlaß, von den strengen Anforderungen an den Nachweis der Begehungsgefahr abzuweichen, weil dem Kläger bereits durch die Indizwirkung der konkreten rechtswidrigen Verletzungshandlung ein erweiterter Schutzbereich durch die hier befilrwortete Variante der Kemtheorie 8 zugute kommt. In der Regel muß man es, allen Bedenken im Hinblick auf einen nur unzureichenden Rechtsschutz filr den Unterlassungsgläubiger zum Trotz, daher dabei belassen, daß nur in den eng umgrenzten Ausnahmefällen, in denen von dem Gläubiger der Nachweis der Begehungsgefahr entweder zu erbringen oder ein diesbezüglicher Nachweis entbehrlich ist, eine vorbeugende Unterlassungsklage erfolgversprechend sein kann.

III. Besonderheiten, die eine Ausnahme rechtfertigen 1. Ungeklärte Rechtslage durch nicht kodifiziertes Recht

Wenn die obigen Ausfiihrungen auch gezeigt haben, daß am Grundsatz des konsequenten Nachweises der Begehungsgefahr festgehalten werden muß, da nur dadurch sowohl den Interessen des Gläubigers als auch denen des Schuldners ausreichend entsprochen werden kann, so muß dies nicht ausnahmslos Geltung haben. Es stellt sich nämlich die Frage, ob in den Fällen, in denen die Rechts- und Gesetzeslage keinerlei Auskunft darüber gibt, ob konkrete Handlungen überhaupt ein schutzwürdiges Recht des Gläubigers verletzen können, an den Nachweis der Begehungsgefahr andere Anforderungen zu stellen sind. Hat sich der Gesetzgeber, wie beispielsweise im Streikrecht, seiner Verantwortung zur umfassenden Gesetzesregelung vollständig entzogen, erscheint es unbillig, allein dem Kläger das Prozeßrisiko aufzubürden. Die Notwendigkeit der unterschiedlichen Behandlung der Unterlassungsklage in nicht kodifIzierten Rechtsgebieten im Vergleich zu kodifIZierten wird gerade unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit deutlich. Droht beispielsweise dort erstmals eine Rechtsverletzung, wo die Grenzen der Handlungsfreiheit durch umfassende Normierung eindeutig sind, ist es dem Berechtigten nach entsprechender Prüfung der Rechtswidrigkeit der konkret befiirchteten Verletzungshandlung anband der materiellen Rechtslage mit Aussicht auf Erfolg möglich. durch Erhebung einer vorbeugenden Unterlassungsklage die Gefahr abzuwenden. Da beide, Gläubiger und Schuldner jederzeit in der Lage sind, ihr Prozeßrisiko zu minimieren, indem sie ihre jeweilig behauptete Rechtsposition 8

Vgl. dazu § 4 IV.

III. Besonderheiten, die eine Ausnahme rechtfertigen

139

anband der geltenden Rechts- und Gesetzeslage überprüfen können, existiert eine gewisse Parität im Hinblick auf ein etwaig zu tragendes Prozeßrisiko. Dort jedoch, wo das Gericht im Wege der Rechtsfortbildung überhaupt erst geltendes Recht schafft, wird der schutzbedürftige Gläubiger allein gelassen. Nicht nur, daß ihm auch hier gleichennaßen die Beweislast tUr die erwartete Rechtsverletzung obliegt, einen Nachteil erleidet er insbesondere dadurch, daß er nicht einmal abzuschätzen vennag, inwieweit die Handlungen, gegen die er sich zu wehren gedenkt, überhaupt das Merkmal der Rechtswidrigkeit ertullen. In der Wamstreikentscheidung des Bundesarbeitsgericht hätten die Klägerinnen, um mit ihrem über das Verbot der konkreten Verletzungshandlung, dem Warnstreik in der Fonn der "Neuen Beweglichkeit", hinausgehenden Begehren, erfolgreich zu sein, die Gefahr der konkreten Beeinträchtigung durch Beschreibung anderer Streikvarianten nachweisen müssen 9 • Diesen Nachweis konnten sie jedoch aus den bereits erörterten tatsächlichen Gründen nicht erbringen. Letztlich wird ihnen zugemutet, sämtliche Streikvarianten zunächst einmal über sich ergehen zu lassen, um anschließend lediglich die identische Wiederholungshandlung gerichtlich untersagen zu lassen. Der Gegenseite wird dadurch, wenn auch ungewollt, ennöglicht, die verschiedenen Handlungsvarianten so lange durchzuprobieren, bis das Recht, das die Grenzen der rechtmäßigen Handlungen überhaupt erst bestimmt, aufgrund der von den Klägerinnen angestrengten Klage durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffen wird. Bis dahin aber kann der Schuldner den Gläubigem mit jeder einzelnen Handlung fortdauernd schaden. Die Senate entsprechen mit ihrer Rechtsauffassung der Forderung nach strengen Nachweiskriterien fiir die BegrUndetheit einer vorbeugenden Unterlassungsklage. Dieses Ergebnis befiinde sich auch im Einklang mit der hier vertretenen Ansicht, die sich ebenfalls tUr eine Beibehaltung der strengen Anforderungen tur die Begehungsgefahr ausspricht, wenn nicht zugleich wertende Gesichtspunkte eine Gleichbehandlung dieses Falles mit den übrigen zum Unterlassungsrecht ergangenen Entscheidungen verböten. Die folgenden Überlegungen sollen deshalb in erster Linie Anstoß zur Auseinandersetzung mit der tUr sämtliche Prozeßparteien unbefriedigenden Prozeßsituation bei bislang ungeklärter Rechtslage geben. Es gilt zu überlegen, ob die (Begehungs-)Gefahr einer neuerlichen unzulässigen Streikhandlung ausnahmsweise nicht deswegen als indiziert gelten muß, weil die Parteien um Rechtshandlungen auch oder gerade deswegen

9 Nach Seifer, Anmerkung zu BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG und Loritz. SAE 1988, S. 187, 188, müßte ein Kläger hellseherische Fähigkeiten haben, um die Warnstreikordnung, die das Bundesarbeitsgericht billigen würde, zu erkennen.

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§ 9 Teilverurteilung bei vorliegender Begehungsgefahr

streiten, weil über deren Zulässigkeit oder Unzulässigkeit nicht das Gesetz, sondern die mit dem Rechtsstreit befaßten Senate entscheiden. Denn insbesondere die an einem Streik interessierten Gewerkschaften überschreiten die Grenzen zur Unzulässigkeit gefahrlos, wenn sie mit immer neuen Streikvarianten aufwarten können 10, die weder durch Gesetz noch durch Richterrecht eingeschränkt sind. Deshalb scheint sich durch das strenge Nachweiserfordernis der bevorstehenden Rechtsbeeinträchtigung die Parität zwischen bei den Parteien zu Lasten des Betroffenen zu verschieben. Das führt dazu, daß der gegen die Streikhandlungen Klagende zu den durch jeden neuen unzulässigen Streik verursachten erheblichen Kosten auch noch über das gewöhnliche Maß hinaus allein das Prozeßrisiko zu tragen hat. Dieses aber abzuschätzen, wie es im Rechtsstaat grundsätzlich jedermann vor Klageerhebung möglich sein muß, ist ihm aber deswegen verwehrt, weil er sich nicht anband einer geltenden Gesetzeslage vergewissern kann, ob die Grenze zur Rechtswidrigkeit überschritten wurde.

2. Unterlassungsrechtsschutz in Rechtsgebieten, die gesetzlich nicht geregelt sind Das Streikrecht hat sich nahezu zu einem eigenen Rechtsgebiet entwickelt, das zwar in seinem Bestand in Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist, dessen rechtliche Ausgestaltung dagegen bislang vom Gesetzgeber nahezu vollständig vernachlässigt worden ist 11. Das Versäumnis des Gesetzgebers, das Streikrecht umfassend zu regeln, kann aber vernünftigerweise nicht zu Lasten des nach Unterlassungsrechtsschutz suchenden Klägers gehen. Dort, wo die Rechtslage nicht gesetzlich geklärt ist, wo also der Ausgang des Prozesses von der Gesetzeslage her unsicher ist, ist das Gericht selbst verpflichtet, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung Recht zu schaffen und entsprechend zu urteilen. Wird das Gericht wegen eines von der klagenden Partei als unzulässig angesehenen Warnstreiks zur Untersagung sämtlicher zukünftiger Warnstreiks in der Verhandlungsphase angerufen, so handelt es sich um einen sehr weitgehenden Klageantrag. Dennoch ist das Gericht aufgerufen, über diesen Antrag auch im Hinblick auf andere als die geschehene Streikvariante zu entscheiden und zwar selbst dann, wenn die Betroffenen keine konkrete Begehungsgefahr nachweisen können. Denn ihnen kann nicht zugemutet werden abzuwarten, bis die gegnerische Partei sich jedes Mal auf ein Neues eine andere Streikvariante \0 Dütz, BB 1980, S. 533, 535, der sogar bei planmäßigen rollenden Warnstreiks von einer Kettenstörung spricht, bei der - bei Gesamtbetrachtung - die Wiederholungsgefahr weiterer Störungen besteht. 11 Pieh/er. S. 64; Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 140.

III. Besonderheiten, die eine Ausnahme rechtfertigen

141

ausdenkt. Gleichzeitig erscheint es unbillig, den Klägern fiir jede erneut anzustrengende Klage allein das Prozeßrisiko aufzubürden, da sie mangels gesetzlicher Regelungen niemals in der Lage sind, ihre Erfolgschancen im Vorfeld abzuklären.

3. Fazit

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Begehungsgefahr in den Rechtsbereichen, in denen es, wie im Streikrecht, an gesetzlichen Grundregelungen fehlt, ausnahmsweise durch eine konkrete, den umstrittenen Rechtsbereich berührende Verletzungshandlung und die bislang ungeklärte Rechtslage indiziert werden kann. Das Versäumnis des Gesetzgebers zur umfassenden gesetzlichen Regelung darf nicht zu Lasten des umfassenden Rechtsschutz suchenden Klägers eines Unterlassungsanspruch gehen. Deshalb hat er weder sämtliche Rechtsverletzungen zu dulden, noch kann ihm billigerweise allein das Kostenrisiko fiir einen anzustrengenden Prozeß auferlegt werden. Im Streitfall wären die Arbeitsrichter beispielsweise in der Lage gewesen, eine Unterlassung der Wamstreikhandlungen insoweit zu tenorieren, wie sie ihrer Auffassung nach offenbar nicht vom gesetzlich garantierten Streikrecht gedeckt sind. Gerade wegen der ihnen zur Verfügung stehenden terminologischen Vielfalt der Formulierungsmöglichkeiten hätten der Tenorierung keine unüberwindbaren Schwierigkeiten entgegengestanden. Ausgehend vom Umfang des Klagegegenstandes konnten sie Kriterien entwickeln, die eine unzulässige Verschiebung der Verhandlungsparität zwischen Gewerkschaft und Unternehmer verhindert und ihre Wiederherstellung gefördert hätte. Eine derartige Tenorierungspraxis hätte zur Folge, daß in unregelmäßiger Folge durch Richterrecht und ohne Einschaltung des Gesetzgebers rechtliche Grundregelungen zum Streikrecht geschaffen würden. Vorausgesetzt wird bei alle dem freilich, daß mit dieser Lösung kein unzulässiger Eingriff in die gesetzgeberische Kompetenz verbunden ist. Mangels gesetzlicher KodifIzierung müßte die Gerichte nämlich nicht nur die vom Globalantrag umfaßten Einzelhandlungen individualisieren, sondern gleichzeitig die Lücken des positiv gesetzten Rechts ausfiillen und entscheiden, ob die zukünftigen Handlungen gegen dieses zu schaffende Recht verstoßen. So bedarf im Beispielsfall der Erörterung, ob und inwieweit das erkennende Gericht die ihm gesetzten Grenzen überschritte und in den Kompetenzbereich legislativer Organe eingriffe, wenn ihm auferlegt würde, im Urteil generelle Wamstreikgrenzen aufzustellen 12. Wollte das Bundesarbeitsgericht in der

12

Dies schlägt Seiter in seiner Anmerkung zu BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG vor.

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§ 9 Teilverurteilung bei vorliegender Begehungsgefahr

Warnstreikentscheidung beispielsweise die nach seiner Auffassung offensichtlich 13 denkbaren rechtswidrigen Wamstreikhandlungen, die sich von der konkreten Streiktätigkeit in Fonn der "Neuen Beweglichkeit" unterscheiden, aus Anlaß des Globalantrags untersagen, hätte es quasi dem Beklagten in den Grenzen des Streitgegenstandes die Grundlagen des Streikrechts im Urteilsspruch aufzeigen müssen.

IV. Erstellung eines Rechtsgutachtens 1. Unzulässige Rechtsschöpfung?

Auch in einigen der aufgeführten Entscheidungen der Senate zum unterlassungsrechtlichen Globalantrag l4 tauchen Bedenken dahingehend auf, daß eine Festlegung von derartig konkreten Kriterien im Urteils tenor einer unzulässigen Rechtsschöpfung gleichkomme. Damit rechtfertigen sie die gerichtliche Praxis, einem Globalantrag, der einzelne Handlungen nicht wenigstens im Hilfsantrag konkretisiert, nicht - auch nicht zumindest teilweise - stattzugeben. Nach Auffassung des Gerichts bestünde ansonsten die Gefahr, daß dem Gericht aufgrund des umfassenden Antrags ein Rechtsgutachten abverlangt würde, zu dessen Erstellung es vom Gesetz nicht legitimiert seilS. Da die einzelnen zu unterlassenden Handlungen nicht konkretisiert seien, begehre der Antragsteller nicht, den Gegner zur Unterlassung bestimmter einzelner Handlungen zu verpflichten, sondern bezwecke, das streitige Rechtsverhältnis auf der Grundlage einer abstrakten Rechtsfrage durch das Gericht umfassend klären zu lassen. Ob diese Argumentation den Kern der Problematik trifft, erscheint fraglich. Ihr ist entgegenzuhalten, daß der Globalantrag gerade nicht zum Ziel hat, eine abstrakte Rechtsfrage klären zu lassen. Vielmehr haben die vorangegangenen 13 Der Senat hat in der Urteilsbegründung ausgefilhrt, daß die Kläger "nicht alle Arten des Warnstreiks dulden müßten", BAG OB 1984, S. 2563,2568. 14 Insbesondere BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972 = EzA Nr. 5 zu § 74 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 15 So BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972 = EzA Nr. 5 zu § 74 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. Anders aber BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972. Danach laufe die Entscheidung über einen Globalantrag, bei dem nur in einigen Fallkonstellationen ein Unterlassungsbegehren begründet wäre, nicht auf die unzulässige Erstattung eines Rechtsgutachtens hinaus. Vielmehr dürfe das Gericht entgegen der hier vertretenen Auffassung allein aus Gründen des § 308 ZPO auf einen Globalantrag nicht dahingehend erkennen, daß der geltend gemachte Anspruch nur unter bestimmten, nicht zum Inhalt des Antrags erhobenen Voraussetzungen bestehe und im übrigen nicht bestehe. Ansonsten würde dem Kläger ein nicht beantragtes aliud zugesprochen.

IV. Erstellung eines Rechtsgutachtens

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Untersuchungen im besonderen Maße deutlich gemacht, daß der AntragsteIlung regelmäßig eine konkrete Handlung vorausgegangen ist, die der Kläger als rechtswidrige Verletzung empfunden hat und deren Fortsetzung er in gleicher oder ähnlicher Form befilrchtet. Im übrigen darffilr das Gericht das Motiv einer Prozeßftlhrung nur dann eine Rolle spielen, wenn die Gefahr der mißbräuchlichen Anrufung des Gerichts besteht. Sobald der Kläger aber eine konkrete und somit zulässige Klage erhebt, ist die richterliche Tätigkeit auf die korrekte Entscheidungsfindung über den vorgegebenen Streitgegenstand beschränkt. Ob allerdings die Annahme der Verpflichtung zur Tenorierung eines "minus" dazu filhren könnte, daß die Gerichte im Wege richterlicher Rechtsfortbildung anstelle des Gesetzgebers neues Recht schaffen, läßt sich nur anband einer Kompetenzanalyse bestimmen. Innerhalb der Methodenlehre nimmt die Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit der verschiedenen Formen der gerichtlichen Rechtsbildung breiten Raum ein. Im Rahmen dieser Untersuchung sollen jedoch lediglich die Grenzen der noch zulässigen gesetzesüberschreitenden Rechtsfortbildung zur bereits unzulässigen Rechtsfortbildung contra legern 16 aufgezeigt werden. Nur soweit für diese Zielsetzung erforderlich, ist dabei auch auf die methodischen Grundlagen einzugehen.

2. Rechtsverweigerungsverbot Gerade im Bereich des Arbeitskampfrechts, das einer gesetzlichen Ausgestaltung vollständig entbehrt 17 , wird bereits von einer Ersatzgesetzgebung durch Richterrecht gesprochen l8 . Durch gerichtliche Entscheidungen im Arbeitskampfrecht ist nach und nach ein unvollkommenes Gerüst einer Arbeitskampfordnung entstanden l9 , die allerdings bei weitem keine Gesetzesqualität erreicht hat. Nach wie vor bleibt der Gesetzgeber zu einer umfassenden normativen Strukturierung aufgerufen. Fraglich ist allerdings, ob das Gericht nicht gegen das Gebot des Vorbehalts des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, wenn es innerhalb der Grenzen eines Globalantrags für die Zukunft Streikregeln aufstellt und - dem Gesetzgeber zuvorkommend - gleichsam rechts setzend tätig wird. Wenn sich auch die Arbeitsgerichte regelmäßig in dem Spannungsfeld zwischen Recht und Politik Dazu Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 139. Insoweit liegt, so Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 140, bereits eine Rechtsgebietslücke vor. 18 Smid, S. 37, weist darauf hin, daß jeder Akt richterlicher Erkenntnis immer die Produktion neuen Rechts darstellt. 19 Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 141; Adomeit, NJW 1984, S. 773, Smid, S. 74 f. 16 17

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bewegen, sind sie doch ausschließlich aufgerufen, innerhalb eines konkreten an sie herangetragenen Falles streitentscheidend tätig zu sein20 . Dabei sind sie als Rechtsprechungsorgane gemäß Art. 20 GG an Gesetz und Recht gebunden21 ; der Richter ist in seiner Person zudem nach Art. 97 GG dem Gesetz unterworfen. Politische Richtungsvorgaben haben deshalb ihren Platz ausschließlich im Gesetzgebungsverfahren, nicht aber in rechtlichen Streitigkeiten. Dort wird vom Richter durch die verfassungsgemäße Pflicht allein verlangt, das vorgefundene Recht anzuwenden22 • Gerade dieser Aspekt verdeutlicht die Notwendigkeit, die Erfiillung der legislativen Aufgaben durch den Gesetzgeber anzumahnen23 • Auch wenn die Reihenfolge des Tätigwerdens von Legislative und Rechtsprechung damit zugunsten der Gesetzgebung vorbestimmt zu sein scheint, darf dieser Grundsatz nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch gesetzesfreie Konfliktfälle einer gerichtlichen Lösung bedürfen. Letztlich gebieten der Justizgewährungsanspruch und der Rechtsschutzanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG einerseits und nicht zuletzt Rechtsgewißheit und Rechtssicherheit als Ziele des Zivilprozesses andererseits, daß Entscheidungszwang besteht, sobald das Gericht zur Streitklärung angerufen ist24 . Dieser Entscheidungszwang, der Ausfluß des Rechtsverweigerungsverbots 25 ist, bindet die Richter somit nicht nur an geschriebenes Recht, sondern auch an alle ungeschriebenen Rechtsregeln26 . Um diesem Grundsatz gerecht zu werden, hat das Gericht nach rechtlichen Maßstäben zu suchen, die fiir den Streitfall als Entscheidungskriterien geeignet erscheinen27 , wobei letztlich nicht zu vermeiden ist, daß in die Entscheidung selbst gelegentlich auch Politisches mit hineinspielr8, das eigentlich den gesetzgebenden Organen vorbehalten bleiben sollte.

Kisse/, S. 10. Kirchhof, NJW 1986, S. 2275; K/oepjer, NJW 1985, S. 2497, 2500. 22 Kisse/, S. 15. 23 Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 201 f.; K/oepjer, NJW 1985, S. 2497 ff.; Friauf, RdA 1986, S. 188, 191, 195. 24 Kirchhof, NJW 1986, S. 2275, 2280; kritisch Mayer-Ma/y, RdA 1970, S. 289, 291; Peter, RdA 1985, S. 337, 346. 25 Dazu Peter, RdA 1985, S.337, 340, 341. Z.T. wird das Rechtsverweigerungsverbot dem Art. 20 Abs. 3 oder Art. 20 Abs. 2 und 3 entnommen, vgl. dazu ausflihrlich Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 152, 172 ff. 26 Vgl. dazu auch Grunsky, Verfahrensrecht, § 1 11, S. 5,6. 27 Dabei kann es auf die Gesamtheit der Rechtsordnung zurückgreifen, Kirchhof, NJW 1986, S. 2275,2278. Friauf, RdA 1986, S. 188, 192, spricht sich rur eine behutsame Rechtsschöpfung durch die Gerichte insbesondere dort aus, wo die besondere Grundrechtssensibilität (z.B. bei Art. 9 Abs. 3 GG) Zurückhaltung anmahnt. 28 Kisse/, S. 16; Mayer-Ma/y, RdA 1970, S. 289,292; Friauf, RdA 1986, S. 188, 193. 20

21

V. Fazit

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Ein immerwährendes Problem stellen die Kriterien zur Unterscheidbarkeit zwischen einer sich noch innerhalb der Rechtsfortbildung befindlichen und einer bereits unzulässigen rechtsbildenden Entscheidungstätigkeit des Gerichts dar. So filhrt das Bundesverfassungsgericht in der Soraya-Entscheidung29 aus: "Fraglich können nur die Grenzen sein, die einer solchen schöpferischen Rechtsfmdung mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung gezogen werden müssen. Solange sich jedoch die Entscheidungsfmdung innerhalb der festgeschriebenen Grenzen des Streitgegenstandes bewegt, unabhängig davon, ob dieser weit oder eng gefaßt wurde, werden die Gerichte nicht umhin kommen, Stellung zu beziehen. Diese Suche nach Recht, das nicht kodifiziert ist, mag sich als mühsam herausstellen, dies rechtfertigt es aber nicht, den rethtsuchenden Kläger an den Gesetzgeber zu verweisen."

V. Fazit So verständlich die Befürchtung sein mag, durch teilweise Zusprechung eines umfassenden Klagebegehrens zur Erstellung von Rechtsgutachten verpflichtet zu sein, so unbegründet ist sie dennoch. Ein Rechtsgutachten zeichnet sich dadurch aus, daß kein konkreter Streitfall zugrunde liegt und damit überhaupt kein rechtlich anzuerkennendes Interesse besteht, gerade die Gerichte, die ausschließlich Entscheidungsfunktion haben, anzurufen. Ein gerichtlicher Entscheidungszwang besteht aber immer dann, wenn der zwischen den Parteien streitige Klagegegenstand einer gerichtlichen Klärung zugeführt wird. Der Umfang der Entscheidungsfmdung wird dabei begrenzt durch den Klageantrag und den Klagesachverhalt. Wenn nunmehr ein Gläubiger aufgrund vorangegangener Verletzungshandlungen vor Gericht um umfassenden Unterlassungsrechtsschutz nachsucht, stellt er ein konkretes streitiges Rechtsverhältnis zur Entscheidung. Die Befürchtung des Senats, daß ihm in derartigen Fällen ein unzulässiges Rechtsgutachten abverlangt werde, wenn es aus diesem Globalantrag heraus einzelne zu untersagende Handlungen konkretisieren müßte, geht somit ins Leere. Zwar wird innerhalb eines Streitgegenstandes eine umfassende Klärung gefordert. Wollte man allerdings dies als Rechtsgutachten bezeichnen, so wäre dagegen nur dann nichts einzuwenden, wenn generell sämtliche gerichtlichen Entscheidungen als Rechtsgutachten innerhalb des klägerseitig eingegrenzten Streitgegenstandes angesehen würden 30 •

29 30

BVerfGE 34, S. 269, 288. Kirchhof. NJW 1986, S. 2275,2277.

10 Backsmeier

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§ 9 Teilverurteilung bei vorliegender Begehungsgefahr

VI. Folgerungen tlir die weitere Untersuchung Obwohl die vorstehenden Ausfilhrungen zum nicht kodifIzierten Recht breiten Raum einnehmen, wird in der Regel jedoch Unterlassungsrechtsschutz in kodifIzierten Rechtsgebieten gesucht werden. Dort wird, wie ausftlhrlich erörtert, das sich auf die Begehungsgefahr stützende Begehren aus regelmäßig aus NachweisgrUnden scheitern. Da es aber gilt, auch hier den Rechtsschutz zu verbessern, darf an dieser Stelle nicht versäumt werden, auf die gerade im Unterlassungsrecht wichtige Vorschrift des § 139 ZPO hinzuweisen3l .

31 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133, 134. Nach MünchKomm-ZPOIMusielak, § 308 Rn. 11, kommt gerade bei Unterlassungsklagen dem Antrag zur Individualisierung des Klagebegehrens wegen der Vielzahl möglicher Ansprüche besondere Bedeutung zu. Stelle der Kläger einen zu engen Antrag, dann dürfe das Gericht nicht etwa mit der Begründung, daß das vom Kläger begehrte Unterlassungsgebot auch alle ausdrücklich nicht bezeichneten Verletzungshandlungen umfasse, die in ihrem Kern der im klägerischen Antrag genannten Handlungen entsprechen, über die vom Klageantrag gezogenen Grenzen hinausgehen (so aber die Kerntheorie). Statt dessen müsse das Gericht - wie auch sonst bei sachwidrigen Anträgen - dem Kläger durch entsprechende Hinweise (§ 139 ZPO) Gelegenheit geben, das vom ihm Gewollte zu erklären, also seinen Antrag zu präzisieren.

§ 10 Die richterliche Aufldärungspflicht nach § 139 ZPO I. Grundlagen Nach § 139 zpo ist das Gericht verpflichtet, durch richterliche Hinweise den Fortgang des Verfahrens zu f6rdem l . Diese Vorschrift enthält das ausdrückliche Gebot an das Gericht, auf sachdienliche Parteianträge hinzuwirken und ist Ausfluß des grundgesetzlich garantierten Rechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs.l GG 2 • Auf den ersten Blick scheint diese Maxime 3 dem auf der anderen Seite bestehenden Dispositionsgrundsatz, der dem Kläger nach § 253 Abs.2 Nr.2 die Verpflichtung zur AntragsteIlung auferlegt, zu widersprechen. Gleichermaßen besteht auch ein Spannungsverhältnis zu der Vorschrift des 308 ZPO, die dem Gericht untersagt, etwas anderes zuzusprechen als beantragt ist4 • Der Übergang zwischen Verhandlungs- und Untersuchungsmaxime im Zivilprozeß aufgrund der Aufklärungspflicht des Gerichts ist zwar nahezu fließend5 . Dennoch darf dies nicht dazu fuhren, daß der Kläger gänzlich seiner Verpflichtung zur Bestimmung des Klagegegenstandes entledigt ist. Entscheidend ist vielmehr, daß das Gericht im Prozeß verstärkt Augenmerk darauf legt, ob der Antrag des Klägers sinnvoll und geeignet ist im Hinblick auf sein während des Rechtsstreits zum Ausdruck gebrachtes Prozeßziel6 . Selbst-

1 ThomaslPutzo, ZPO, § 139 Rn. 1; SteiniJonaslLeipold, ZPO, § 139 Rn. 1; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 139 Rn. 2; MünchKomm-ZPOIPeters, § 139 Rn. 17; Borck, WRP 1977, S. 457,458. 2 Dazu und zu den übrigen Ausprägungen dieses Grundsatzes Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 293, 294. 3 Nach BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 139 Rn. 1, enthält sie die "Magna Charta" des Zivilprozesses. 4 Die Grenze der gerichtlichen Hilfe ist daher immer in der Bindung des Gerichts an die Parteianträge zu sehen, vgl. dazu auch Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 669, 817; Borck, WRP 1977, S. 457. 5 Baumgärtei, JuS 1974, S.69, 72; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 139 Rn. 3. 6 Borck, WRP 1977, S. 457, 458, 459; RosenberglSchwablGottwald, Zivilprozeßrecht, § 78 I. Nach SteiniJonaslLeipold, ZPO, § 139 Rn. 5, 5a ff., darf die grundsätzliche Verantwortung der Parteien flir den Tatsachenstoffnicht durch die Handhabung des § 139 ZPO zunichte gemacht werden. Ebenso MünchKomm-ZPOIPeters, § 139 Rn. 17, 18 ff.

148

§ 10 Die richterliche Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO

verständlich muß das Gericht größten Wert auf seine fortbestehende Unparteilichkeit legen, damit es sich nicht zum Anwalt einer Prozeßpartei macht. Gerechtigkeitsstreben und richterliche Neutralität stehen bei der Auslegung des § 139 ZPO gleichwertig nebeneinander7, so daß es inkonsequent wäre, § 139 ZPO so auszulegen, als gäbe das Gericht im Endeffekt die sachgerechten Anträge vor und legte sie dem Kläger quasi in den Mund. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, daß die Gerichte unter ständiger Berücksichtigung des Dispositions- und Beibringungsgrundsatzes zwischen Erlaubtem und Verbotenem abzuwägen haben. So ist es beispielsweise nicht Aufgabe des Gerichts, durch Hinweise oder Fragen neue Anträge anzuregen 8 , wenn sich in den eigens formulierten Anträgen und dem entsprechenden Sachvortrag der Partei keine Anhaltspunkte für eine dementsprechende Auslegung finden lassen9 . Ausgangspunkt für die Entscheidung des Gerichts bleibt somit immer das in den Prozeßhandlungen zum Ausdruck gekommene Begehren der Partei.

11. Hinweispflicht bezüglich sachgerechterAntragsteIlung und entsprechendem Klagegrund Diese Grundsätze fUhren vor dem Hintergrund einer Prozeßsituation, bei der Streit über einen unterlassungsrechtlichen Globalantrag besteht, zu der Frage, ob die Gerichte, wollten sie einen derartigen Antrag, anders als hier vertreten, im Wege einer "Alles-oder-Nichts-Entscheidung" als insgesamt unbegründet abweisen, nicht wenigstens verpflichtet gewesen wären, den Kläger auf die vom Gericht beabsichtigte entgegengesetzte Interpretation des Klagebegehrens hinzuweisen. Die richterliche Aufklärung soll vor allem zweierlei bezwecken: Zum einen soll sie gewährleisten, daß die Parteien nicht den Eindruck gewinnen müssen, sie seien beim Gericht "ins offene Messer" gelaufen, zum anderen sollen Überraschungsentscheidungen vermieden werden lO • Liegt also dem erkennenden 7 BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 139 Rn. 3; RosenberglSchwabl Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 78 I; Brehm, Bindung des Richters, S. 219; SteiniJonasl Leipold, ZPO, § 139 Rn. 7; ThomaslPutzo, ZPO, § 139 Rn. l. 8 So aber offenbar Melissinos, S. 105, der eine dementsprechende Einschränkung nicht vornimmt. 9 SteiniJonaslLeipold, ZPO, § 308 Rn. 19, 20; MünchKomm-ZPOIPeters, § 139 Rn. 26; ThomaslPutzo, ZPO, § 139 Rn. 8 ff.; BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 139 Rn. 22 ff.; ZöllerlGreger, ZPO, § 139 Rn. 9. 10 ZöllerlGreger, ZPO, § 139 Rn. 9; MünchKomm-ZPOIPeters, § 139 Rn. 3. Letztlich folge dieser Grundsatz dem Verfassungsprinzip nach Art. 103 GG und erlege, so Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 298, 299, dem Gericht die Pflicht auf,

III. Venneidung von Überraschungsentscheidungen

149

Senat ein umfassender Klageantrag vor, wäre es bei sachgerechter Auslegung nur konsequent anzunehmen, der Antragsteller wollte durch diese Formulierung diverse Einzelbegehren umfassen. Dies gilt insbesondere für den Fall, wenn sich aus der Klagebegründung und der Erörterung im Prozeß zweifelsfrei verschiedene, vom Kläger als Rechtsverletzung empfundene Zuwiderhandlungen ergeben. Spätestens dann aber, wenn sich beim Gericht die Rechtsansicht verfestigt, den Klageantrag entgegen der Auffassung des Klägers für nicht teilbar zu erklären, ist das Gericht nach § 139 ZPO verpflichtet, dem Kläger einen dementsprechenden Hinweis zu geben I I. Anderenfalls tritt gerade das ein, was durch § 139 ZPO vermieden werden soll: Der Kläger, dessen Antrag den gesamten Prozeßverlauf hindurch weder von der gegnerischen Partei 12 noch vom Gericht kritisiert wurde, wird vom Ausgang des Prozesses überrascht, weil das Gericht die Diskrepanz zwischen der eigenen Interpretation zum Inhalts des Antrags und der des Klägers trotz positiver Kenntnis nicht aufgeklärt hat und diesem damit die Möglichkeit der Reaktion (Änderung der Klage, Klagerücknahme ) genommen hat.

IH. Vermeidung von Überraschungsentscheidungen Das Gericht ist aber nicht nur verpflichtet, seine eigene von der des Kläger abweichende Interpretation des globalen Klageantrags zu offenbaren 13 • Es hat auch aufgrund der umfassenden Antragsformulierung des Klägers auf der Grundlage des § 139 ZPO Anlaß zur Nachfrage, mit welcher Begründung ein derartig weit gefaßtes Begehren zum Prozeßgegenstand wird. Tritt bei der klägerischen Antragsbegründung deutlich zutage, daß ein Nachweis der über den Verletzungsunterlassungsanspruch hinausgehenden Begehungsgefahr nicht erbracht werden kann, hat auch hier das Gericht im Rahmen seiner Fürsorgepflicht l4 auf die lückenhafte Anspruchsbegründung hinzuweisen.

"den Parteien im Hinblick auf solche rechtliche Gesichtspunkte Gelegenheit zur Äußerung zu geben, welche diese erkennbar übersehen bzw. fllr unerheblich gehalten haben ... ". 11 So auch Loritz, SAE 1988, S. 187, 188. 12 Im Einzelfall kann der Hinweis der gegnerischen Partei auf Unklarheiten oder Unvollständigkeiten die gerichtliche Aufklärung entbehrlich machen, ZöllerlGreger, ZPO, § 139 Rn. 9; MünchKomm-ZPOIPeters, § 139 Rn. 20 ff. 13 Entsprechend Walker, SAE 1995, S. 99, 102. 14 BaumbachiLauterbachiAlberslHartmann, ZPO, § 139 Rn. 7; MünchKommZPOIPeters, § 139 Rn. 2.

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§ 10 Die richterliche Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO

§ 139 Abs. 1 S. 1 ZPO stellt klar, daß das Gericht die unmittelbare Pflicht hat, auf ergänzende Angaben hinzuwirken, soweit ihm die bisherigen Angaben als ungenügend erscheinen. So ist es konsequenterweise dem Gericht nicht erlaubt, eine ftir den Kläger nachteilige Entscheidung zu treffen, die darauf gestützt wird, daß der Klage unzureichende tatsächliche Angaben zugrunde liegen l5 . Mit diesem Grundsatz korrespondiert auch die Pflicht des Gerichts, die Partei zur ausreichenden Bezeichnung und Beibringung ihrer Beweismittel aufzufordern l6 . Fehlt es, wie mehrheitlich in den hier angefilhrten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, an einer dementsprechenden Aufklärung, wird der Kläger von der vollumfiinglichen Klageabweisung überrascht. In einigen neueren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung zur Verletzung des Art. 103 GG durch Mißachtung der Hinweispflichten fortgesetzt 17. Dort waren ohne gerichtlichen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag einer Partei gestellt worden, die vom bisherigen Verfahrens gang nicht voraussehbar waren. Wäre der Senat seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO nachgekommen, hätte ein Unterlassungskläger, sofern er mit dieser Rechtsauffassung nunmehr konform ginge, zumindest die Möglichkeit gehabt, die Klage mit Zustimmung des Beklagten insoweit zurückzunehmen bzw. zu ändern. Dadurch wären weitere unnötige Prozeßkosten vermieden worden 18. Letztendlich hat das Gericht immer auf eine sachgerechte AntragsteIlung hinzuarbeiten und dementsprechend seine unparteiliche richterliche Aufklärungspflicht 19 wahrzunehmen. Es hat dabei insbesondere auf das in den Prozeßhandlungen zum Ausdruck gekommene klägerische Begehren abzustellen und in dem Umfang, wie ihn der Streitgegenstand vorgibt20 , auf eine sinnvolle

15 Hierin liegt nach MünchKomm-ZPO/Peters, § 139 Rn. 24, 35, der Hauptanwendungsbereich des § 139 ZPO. Vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, § 139 Rn. 10; Baumbachl LauterbachiAlbers/Hartmann, ZPO, § 139 Rn. 24. 16 Zöller/Greger, ZPO, § 139 Rn. 10; SteiniJonas/Leipold, ZPO, § 139 Rn. 11; BaumbachiLauterbachiAlbers/Hartmann, ZPO, § 139 Rn. 26. 17 BVerfGE 19, S.49, 51; BVerfGE 34, S. 1, 8. Vgl. dazu Teplitzky, GRUR 1994, S. 765, 772; Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 298, 299. 18 Bore/c, WRP 1979, S. 180, 182. 19 Bei der richterlichen Aufklärungspflicht handelt es sich um eine richterliche Frageund Hinweispflicht, so SteiniJonas/Leipold, ZPO, § 139 ZPO Rn. 1, 7. Dazu BGHZ 24, S. 269, 278; Thomas-Putzo, ZPO, § 139 Rn. 3 ff. Nach Hergenröder, Zivilprozessuale Grundlagen, S. 163, 305 ff., steht die Aufklärungspflicht des Gerichts bisweilen in einem Spannungsverhältnis zu der im Zivilprozeß gebotenen richterlichen Neutralität. Die Entscheidung der Richter stelle nicht selten eine Gratwanderung zwischen noch zulässigem Hinweis und schon unzulässiger Übervorteilung dar. 20 A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 114.

IV. Fazit

151

Antragstellung 21 und umfassende Sachverhaltsdarstellung hinzuwirken. In bezug auf den unterlassungsrechtlichen Globalantrag bedeutet dies, daß der Berechtigte auf seine für einen umfassenden Anspruch nicht ausreichende Klagebegründung aufmerksam zu machen ist, indem das Gericht ihn auf das zwingende Erfordernis des Nachweises der materiell-rechtlich notwendigen konkreten Begehungsgefahr hinweist.

IV. Fazit Da es im Regelfall nahezu unmöglich ist, die innerhalb des geschriebenen Rechts erforderlichen Nachweise fiir eine bevorstehende andere Rechtsverletzung zu erbringen, wird der Kläger mit seiner vorbeugenden Unterlassungsklage bzw. dem entsprechenden Anspruchs im Rahmen des Globalantrags nur dann Erfolg haben, wenn der Schuldner sich von sich aus einer Handlung berühmt. Anderenfalls ist dem Kläger zu raten, zunächst eine Rechtsverletzung abzuwarten, um dann auf dieser Grundlage die zukünftig drohenden Verletzungshandlungen untersagen zu lassen. Hat der Gläubiger allerdings schon eine umfassende Klage anhängig gemacht, ohne den erforderlichen Nachweis für die Beeinträchtigungsgefahrenangetreten zu haben, darf das Gericht wegen § 139 ZPO die Klage nicht vollumfänglich abweisen, wenn es ihn nicht zuvor auf seine abweichende Interpretation des Klageantrags bzw. die lückenhafte materiell-rechtliche Klagegrundlage hingewiesen haf2 • Eine dennoch in diesem Sinne getroffene Entscheidung wäre als Überraschungsurteil mit § 139 ZPO unvereinbar.

21 Im Hinblick auf die ElWeiterung des Klageantrags auf den Kern der Verletzungshandlung vgl. Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 467 f 22 BGH NJW 1991, S. 1114, 1115, "Unbestimmter Unterlassungsantrag"; OLG Düsseldorf, WRP 1987, S. 388,389.

§ 11 Materielle Rechtskraft I. Schutzumfang des Unterlassungstenors Auf der Grundlage der bisherigen Ausfiihrungen stellt sich abschließend die Frage, ob die gefundenen Ergebnisse nicht allein deshalb zwingend sind, weil ansonsten einer erneuten Klageerhebung die Rechtskraft des Abweisungsurteils im Hinblick auf den Globalantrag entgegenstünde. Im folgenden gilt daher zu untersuchen, inwiefern das erkennende Gericht nicht schon aus Gründen der Rechtskraftlehre verpflichtet ist, einem zumindest zum Teil begründeten Unterlassungsantrag stattzugeben, um dem Kläger nicht den Rechtsschutz dergestalt zu verweigern, daß bei einem vollständig abgewiesenen Urteil bereits das Gegenteil des Beantragten in materielle Rechtskraft erwächst. Stellt sich hierbei heraus, daß die Klageabweisung dazu fUhrt, daß sämtliche vom Unterlassungsantrag umfaßten Handlungen im Umkehrschluß rechtmäßig sind, müßte man bereits aus diesen Gründen zu dem Ergebnis kommen, daß das Gericht sämtliche Handlungen auf ihre Rechtswidrigkeit zu überprüfen und, soweit materiell-rechtlich begründet, das Unterlassungsbegehren teilweise zuzusprechen hat. Nicht haltbar wäre es, den Klageantrag wegen der umfassenden AntragsteIlung aus materiell-rechtlichen Gründen vollumflinglich abzuweisen, auf der anderen Seite aber eine erfolgversprechende Klage hinsichtlich konkreter einzelner Verletzungshandlungen wegen entgegenstehender Rechtskraft durch Prozeßurteil abzuweisen. Ansonsten würde dem Kläger jeglicher Rechtsschutz entgegen dem grundgesetzlichen Gebot des Art. 19 Abs. 4 GG beschnitten. Nachlässigkeiten bei der Urteilsabfassung offenbaren sich spätestens dann, wenn nach Abschluß des Prozesses zu beurteilen ist, ob neuerliche vermeintliche bzw. seitens des Klägers behauptete Verletzungshandlungen unter den Schutzbereich des Urteils fallen oder nicht, weshalb die Vollstreckung nie aus den Augen zu verlieren ist. Nicht unterzubewerten ist auch die erhebliche Auswirkung, die ein Unterlassungstitel im Rechtsverkehr insbesondere in zeitlicher Hinsicht hat; denn die 30jährige Verjährungsfrist beginnt erst mit der ersten Zuwiderhandlung I.

1 BGHZ

59, S. 72, 74, 75, "Kaffeewerbung".

11. Umfang der Rechtskraft

153

Hat das Gericht lediglich die konkrete Verletzungshandlung untersagt, so ist auch nur diese identische Handlung dem Beklagten verboten. Vielfach geht das Interesse des Beklagten aber auch dahin, die eigenen Interessen weiterhin durchzusetzen, wenn möglich, in einer anderen, dem Verbot nicht unterfallenden Form. Bei einem sehr eng gefaßten Urteilstenor genügen in der Regel nur geringe Abweichungen, um aus dem Verbotsbereich des Tenors herauszutreten2 mit der Folge, daß der Rechtsschutz fiir den Kläger nur sehr dürftig ist. Er müßte gegen jede abweichende, aber möglicherweise dennoch sein Recht verletzende Handlung erneut klagen. Aus diesem Grund läßt das Gericht, wie erörtert, über die konkrete Verletzungshandlung hinaus sowohl beim Klageantrag Verallgemeinerungen zu3, als es auch selbst den Urteilstenor gelegentlich allgemeiner faßt als durch den klägerischen Antrag vorgegeben4 • Immer jedoch bleibt die konkrete Verletzungshandlung Grundlage des Urteils. Sie wird nur anband konkreter Merkmale allgemeiner umschrieben, so daß nicht nur vollkommen identische zukünftige Verletzungshandlungen erfaßt werden, sondern auch diejenigen, die im Kern der Zuwiderhandlung entsprechen.

11. Umfang der Rechtskraft 1. Streitgegenstand als bestimmendes Element Als negative Prozeßvoraussetzung ist die Rechtskraft während des gesamten Prozesses von Amts wegen zu beachten5. Die materielle Rechtskraft, durch die in erster Linie gleichartige Prozesse auf Dauer fiir die Zukunft ausgeschlossen werden sollen, verbietet nach allgemeiner Meinung jede neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand6 • Damit wird aber auch verhindert, daß zukünftig in materiell-rechtlicher Hinsicht sich widersprechende Urteile ergehen7 .

2 MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133, 134; Stein/JonaslBrehm, ZPO, § 890 Rn. 33; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, S. 829. 3 Dazu § 4 IV. 4 Diese materiell-rechtliche Variante der Kemlehre wird hier wegen Verstoßes gegen den Dispositionsgrundsatz abgelehnt, vgl. dazu § 4 II 5.; § 4 III 3. 5 Zur Entwicklung des Rechtskraftbegriffs vgl. auch Gaul in Festschrift rur Flume, S. 443 ff., 512 ff.; ZälleriVollkommer, ZPO, vor § 322 Rn. 20; Stein/JonaslLeipold, ZPO, § 322 Rn. 19 ff.; BaumbachiLauterbachlAlberslHartmann, ZPO, § 322 Rn. 4 ff. 6 BGH NJW 1985, S. 1711, 1712; BGH NJW 1985, S. 2535 ff.; Stein/JonaslLeipold, ZPO, § 322 Rn. 39; ZällerlVollkommer, ZPO, vor § 322 Rn. 71; BaumbachiLauterbachi AlberslHartmann, ZPO, vor § 322 Rn. 11. 7 Gaul in Festschrift rur Flume, S. 443 ff., 513.

154

§ 11 Materiel1e Rechtskraft

Die Rechtskraft erfaßt gemäß § 322 ZPO die gerichtliche Entscheidung, den in die Fonnel genommenen Spruch8 : Objekt ist damit der durch die Klage erhobene Anspruch, dessen Inhalt und Umfang deshalb für die Eingrenzung und Beurteilung der Rechtskraft entscheidendes Kriterium ist9 • Wie die obigen Ausfiihrungen gezeigt haben 10 ist dieser Teil der Prüfung nicht ohne die gesamte Streitgegenstandsproblematik zu klären, da diese einen wichtigen Bestandteil aus dem gesamten Fragenkreis um die materielle Rechtskraft darstelltlI. Nach der heute überwiegend herrschenden sogenannten prozessualen Rechtskrafttheorie l2 ist die Frage, inwiefern die Rechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung einem erneuten Urteils spruch entgegensteht, danach zu beurteilen, wie sich der Steitgegenstand des zweiten Prozesses darstellt: Ist er mit dem des vorangegangenen Prozesses identisch, stellt die Rechtskraft eine negative Prozeßvoraussetzung dar, die dem Folgeprozeß entgegensteht und einen neuen Prozeß schlechthin unzulässig macht\3. Nach dieser Auffassung ist also bei Identität des Streitgegenstandes im folgenden Prozeß ein Verfahren ausgeschlossen.

2. Kontradiktorisches Gegenteil Eine Identität des Streitgegenstandes ergibt sich aber nicht nur dann, wenn der Kläger denselben Anspruch noch einmal einklagt, sondern auch dann, wenn im Zweitprozeß das Klagebegehren auf das kontradiktorische Gegenteil abzielt l4 . Ein solches liegt dann vor, wenn das unmittelbare Gegenteil einer bereits entschiedenen Sache derart begehrt wird, daß die jeweiligen Urteile Lindacher, ZZP 88 (1975), S. 65 mwN. Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S. 177; Henckel, Parteilehre, S. 293 ff. IOYgl.§5II. 11 Henckel, Partei lehre, S. 293, weist darauf hin, daß der Streitgegenstand selbst allerdings nicht die objektiven Grenzen der Rechtskraft festlegt, da rur sie ausschlaggebend ist, welcher Inhalt der Entscheidung in Rechtskraft erwächst, während der Streitgegenstand lediglich das Objekt darstellt, auf das sich die Entscheidung bezieht. Ferner MünchKomm-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 10 ff.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rn. 39 ff. 12 Ygl. MünchKomm-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 9; Grunsky, Yerfahrensrecht, § 47 III 2, S. 494, 495, 496; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rn. 21; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rn. 19. 13 Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rn. 19, 21; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rn. 22, 44; OLG Düsse1dorf, GRUR 1994, S.81, 82; BGH NJW 1985, S. 2535 f.; BGH NJW 1993, S. 333, 334. 14 Doderer. NJW 1991, S.878, 879; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 322 Rn. 197; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rn. 21; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 150 II 1. 8

9

11. Umfang der Rechtskraft

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einander widersprechen würden. Wenn beispielsweise der Kläger gegenüber dem Beklagten Feststellung begehrt, daß er Eigentümer eines bestimmten Fahrzeugs sei und mit diesem Anspruch rechtskräftig obsiegt, kann der Beklagte nicht mit Erfolg auf Feststellung klagen, daß vielmehr er Eigentümer dieses Fahrzeugs sei. Seiner Klage würde ein Prozeßhindernis entgegenstehen, das die Klage unzulässig machen würde. Ebenso wird beispielsweise bei einer Leistungsklage, bei der dem Kläger ein Betrag von DM 25.000,- zugesprochen worden ist, gleichzeitig festgestellt, daß der Beklagte nicht mit Erfolg die negative Feststellungsklage aufNichtbestehen ihres Anspruchs erheben kann ls . Es fragt sich nun, ob Gleiches auch gilt, wenn in dem Vorprozeß ein globaler Klageantrag abgewiesen worden ist. Bedeutet also ein vollständig abgewiesener umfassender Unterlassungsanspruch, daß der Kläger rur die Zukunft mit einer auf einen Teilbereich des ursprünglichen umfassenden Streitgegenstandes gerichteten Klage erfolglos bleiben muß, weil diese Klage wegen einer entgegenstehenden negativen Prozeßvoraussetzung keinen Erfolg haben kann?

3. Auffassung der Rechtsprechung Vergegenwärtigt man sich noch einmal die erörterten Entscheidungen zum globalen Unterlassungsantrag l6 , erreichen die Auswirkungen eine Tragweite, die die Maxime eines effektiven Rechtsschutzes empfindlich berühren. In sämtlichen der aufgefiihrten Entscheidungen hatte der Kläger einen zwar bestimmten, aber umfassenden Unterlassungsantrag gestellt. Das Gericht wies die Klagen sämtlich vollumfiinglich ab. In den Urteilsgründen findet sich jeweils sinngemäß folgende Begründung l7 : Ein Globalantrag, mit dem die Unterlassung einer bestimmten Handlung rur viele denkbaren Fallgestaltungen begehrt wird, kann nur dann begründet sein, wenn der Antragsteller die Unter-

15 Zur umstrittenen Problematik, ob diese Rechtsfolge auch bei (insbesondere unrichtigen) non-liquet-Entscheidungen eintreten soll: verneinend Tiedtke, NJW 1983, S. 2011 ff.; Lepp, NJW 1988, S. 806 ff.; bejahend Habscheid, NJW 1988, S. 2641 ff. 16 BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf= SAE 1985, S. 43 ff. = DB 1984, S. 2564 = SAE 1985, S. 43; BAG AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = SAE 1988, S. 184; BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972; BGH NJW 1993, S. 333 f.; BAG AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = EzA NR. 34 zu § 87 BetrVG 1972 = AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = SAE 1993, S. 352 ff.; BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = EzA Nr. 36 zu § 23 BetrVG 1972 = SAE 1995, S. 93, 97. 17 Der Wortlaut dieser Begründung wurde dem Urteil des BAG vom 3.5.1994, AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG, entnommen.

156

§ 11 Materielle Rechtskraft

lassung fiir alle erfaßten Fallgestaltungen verlangen kann 18. Ist dies nicht der Fall, muß der Antrag im ganzen als unbegründet zurückgewiesen werden. Das Bundesarbeitsgericht will ausweislieh der Warnstreikentscheidung l9 , die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Warnstreiks der Einzelfallprüfung überlassen. Nur dann, wenn sich die Kläger einer konkreten Warnstreikhandlung, die sie rur rechtswidrig halten, gegenübersehen, sollen sie, bei entsprechender materiell-rechtlicher Grundlage, ein Unterlassungsurteil erhalten. Konsequent wäre diese Rechtsprechung allerdings nur dann, wenn die Kläger im konkreten Fall nunmehr auch nach ergangener vollständiger Abweisung des Globalantrags in der Lage wären, die Einzelhandlungen mit Aussieht auf Erfolg zur gerichtlichen Entscheidung zu bringen. Möglicherweise steht aber einer derartigen Klageerhebung die kontradiktorische Rechtskraft des Abweisungsurteils entgegen, so daß diese Rechtsprechung bereits aus diesen Gründen keinen Sinn macht. Der Bundesgerichtshof hat in einem wettbewerbsrechtlichen Urteil vom 23. September 19922°, das im Vorprozeß ebenfalls einen unterlassungsrechtlichen Globalantrag zum Gegenstand hatte, entschieden, daß einer neuerlichen Klage auf Untersagung einzelner konkretisierter Verletzungshandlungen die Rechtskraft des vorangegangenen Urteils entgegensteht. In einer Zeitungsanzeige warb die Beklagte fiir verschiedene Waren aus ihrem Lebensmittelsortiment, indem sie sie unter der Kopfzeile "Dauernd billig" anpries. Unter den Waren befand sich auch eine 0,33 I Dose "S" zum Preis von 0,45 DM. Die gleiche Dose verkaufte die Beklagte kurze Zeit später zum Preis von 0,52 DM. Die Klägerin, eine Vereinigung zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, hatte diese Werbung der Beklagten als irreruhrend beanstandet. Sie war der Ansicht, die Beklagte habe den in der Anzeige genannten Preis aufgrund der Werbeaussage "Dauernd billig" mindestens drei Monate nieht erhöhen dürfen. In einem früheren Verfahren hatte die Klägerin die - seinerzeit auf Fleischwaren bezogene - Werbeaussage "Dauernd billig" schon einmal als irreruhrend beanstandet. Daraufhin hatte die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in öffentlichen Mitteilungen, die an einen größeren Kreis von Personen gerichtet sind, fiir Waren aus ihrem Sortiment unter dem Hinweis "Dauernd billig" zu werben, es sei denn, diese als dauernd billig 18 BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = BAG EzA Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf= SAE 1985, S. 43 ff. = OB 1984, S. 2563,2571. Vgl. dazu insbesondere die berechtigte Kritik von Lorilz, ZfA 1985, S. 185, 208 ff. Zustimmend Seiler, Anmerkung zu AP Nr. 54 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 19 BAG AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 20 BGH NJW 1993, S. 333 f.

11. Umfang der Rechtskraft

157

bezeichneten Produkte können zu dem genannten Preis innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten nach der letzten Werbung erworben werden, hilfsweise, nach dem vorgenannten Antrag zu erkennen mit der Maßgabe, daß die als "Dauernd billig" bezeichneten Produkte innerhalb eines Zeitraums von zweieinhalb Monaten nach der letzten Werbung erworben werden, äußerst hilfsweise, (die Aufrechterhaltung des letztgenannten Antrags), soweit nicht ein beworbenes Produkt ausschließlich mit dem Zusatz "die ganze Woche" versehen ist. Mit dieser ursprünglichen Klage hatte die Klägerin keinen Erfolg, sie wurde vom Berufungsgericht im Ergebnis rechtskräftig abgewiesen. In dem neuerlichen Prozeß beantragte die Klägerin nunmehr, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Ware, die nicht ständig wechselnden Tagespreisen unterworfen ist, mit den Worten "Dauernd billig" zu bewerben, wenn der unter dieser Werbeangabe genannte Preis nicht mindestens während eines Zeitraums von drei Monaten nach dieser Werbung Gültigkeit hat, wie insbesondere das in der Anzeige der Beklagten beworbene Getränk "S". Während das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt und das Berufungsgericht die Berufung verworfen hat, hat der Bundesgerichtshof auf die Revision des Beklagten die Klage endgültig abgewiesen. Der Bundesgerichtshof war der Ansicht, es handele sich bei der hier angestrengten Klage wegen des bereits in Rechtskraft erwachsenen Urteils des Berufungsgerichts vom 9. Februar 1989 um eine res iudicata, so daß die Klage als unzulässig abzuweisen sei2t . Im Ergebnis ging das Gericht in seiner Urteilsbegründung davon aus, daß es sich bei der neuerlichen Klage um denselben Streitgegenstand wie den des Vorprozesses handelte, so daß die materielle Rechtskraft des früheren Urteils einer gerichtlichen Sachentscheidung entgegenstünde. Da die Klägerin, so das Gericht, in ihrem früheren Verfahren eine Beschränkung des Antrags auf gewisse Produkte (insbesondere auf nicht lagerfähige Produkte wie die seinerzeitigen Fleischwaren) nicht vorgenommen habe, stehe mit der Klageabweisung rechtskräftig zwischen den Parteien fest, daß die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, der Beklagten eine Werbung mit dem Slogan "Dauernd billig" zu untersagen, wenn die beworbenen Waren während eines Zeitraums von zweieinhalb bis vier Monaten zu dem genannten Preis nicht verfilgbar sind. Unerheblich sei auch, daß die Klägerin in beiden Fällen einen jeweils anderen Anlaß zur Klageerhebung hatte (einmal die Werbung mit "Dauernd billig" filr nicht lagerfiillige Waren, dann für Waren, die nicht ständig wechselnden Tagespreisen unterworfen sind), da sie den Klageantrag selbst nicht auf bestimmte Waren beschränkt hätten. Eine Änderung des Streitgegen-

2\

BGH NJW 1993, S. 333, 334.

158

§ 11 Materielle Rechtskraft

standes habe sich daraus nicht ergeben, da es der Klägerin um die Werbung mit der angegriffenen Aussage schlechthin ging. Dahingehend habe auch das Gericht den Antrag aufgefaßt. Der nunmehr geltend gemachte Anspruch wurde nach Ansicht des Gerichts mit der vorgenannten klageabweisenden Entscheidung bereits rechtskräftig verneint.

4. Stellungnahme a) Gleiche Streitgegenstände im Vorprozeß und Folgeprozeß

Diese Entscheidung zeigt, daß die dargelegte prozeßrechtliche Behandlung eines Globalanspruchs weitreichende Auswirkungen auf den Rechtsschutz des Klägers haben kann bis hin zur Beschneidung eines Rechtsschutzes überhaupt. Auf der einen Seite sehen sich die Senate nicht in der Lage, aus einem umfassenden Antrag heraus einzelne Verletzungshandlungen als unzulässig zu untersagen, also wenigstens ein minus zum Klageantrag zu tenorieren22, auf der anderen Seite aber aberkennen sie einer nachfolgenden konkretisierten Klage die Zulässigkeit aufgrund entgegenstehender Rechtskraft. Will man die Rechtmäßigkeit der Klageabweisung wegen entgegenstehender Rechtskraft überprüfen, ist zu untersuchen, ob eine nach dem abweisenden rechtskräftigen Urteil angestrengte anhängig gemachte neuerliche Klage denselben Streitgegenstand aufweist. Wie an anderer Stelle am Beispiel bundesarbeitsgerichtlicher Entscheidungen erörtert23 , folgt die Rechtsprechung bei ihrer prozessualen Behandlung des unterlassungsrechtlichen Globalantrags, ohne sich dessen offenbar bewußt zu sein, der eingliedrigen Streitgegenstandslehre, indem sie sich ausschließlich auf den Klageantrag stützt. Begehrt der Kläger ein umfassendes Verbot, ist danach die Klage nur dann begründet, wenn auch tatsächlich sämtliche denkbaren Fallgestaltungen materiell-rechtlich davon umfaßt sind. Nicht in Betracht gezogen werden dabei die sich ergebenden Klagegründe, die sowohl eine Grundlage in dem Verletzungsunterlassungsanspruch als auch in dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch haben. Unabhängig davon, daß nach der hier vertretenen Auffassung eine Verpflichtung besteht, bei entsprechenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen beim Globalantrag auch ein minus zuzu-

22 Im wesentlichen stützen sich die Senate auf zwei Gründe: sie gehen davon aus, daß der Anspruch nur vollständig oder überhaupt nicht zugesprochen werden kann, daß aber rur eine Klagezusprechung die materiellen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Im übrigen berge eine Minus-Tenorierung die Gefahr der unzulässigen Erstellung eines Rechtsgutachtens in sich. 23 Oben § 6 II l.c).

11. Umfang der Rechtskraft

159

sprechen, ergeben sich bereits bei der Überprüfung der Schlüssigkeit der Rechtsprechung Angriffspunkte.

b) Schlüssigkeit der Rechtsprechung? Überträgt man die im Laufe der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse auf das hier interessierende Problem des Umfang der materiellen Rechtskraft, so ergibt sich folgendes: Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Umfang der Rechtskraft stellt allein der Streitgegenstand dar, über den im Prozeß tatsächlich entschieden wurde 24 • In Rechtskraft erwächst zwar generell nur der Urteilstenor, die Grunde werden jedoch dann hinzugezogen, wenn es rur die Präzisierung oder Auslegung des Urteilsausspruchs erforderlich erscheint. Die Erforderlichkeit wird regelmäßig bei klageabweisenden Urteilen bejaht, da ansonsten weder der Streitgegenstand noch der Umfang der Rechtskraft eingegrenzt werden könnten 25 • Der Senat hat in dem erörterten wettbewerbsrechtlichen Fall die Teilidentität des Streitgegenstandes vom Vorprozeß mit dem der jetzt anhängig gemachten Klage bejaht, da die Klägerin im Vorprozeß gerade keine Konkretisierung vorgenommen hatte, sondern eine umfassende Verurteilung begehrte. Diese Konsequenz muß allerdings angesichts der bisherigen Erörterungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Behandlung des Globalantrags (im Vorprozeß) verwundern. An anderer Stelle wurde bereits festgestellt, daß das Gericht für den Unterlassungsantrag schlechthin einen einheitlichen, auf den Klageantrag fixierten umfassenden Streitgegenstand annimmt, der lediglich eine "Alles-oder-Nichts-Entscheidung" rechtfertigt. Wenn nun aber die Rechtsprechung davon ausgeht, sie könne einen Globalantrag nur vollständig zusprechen oder gänzlich abweisen, müßte eigentlich jeder neue Unterlassungsantrag, der nur eine konkrete Unterlassungshandlung betrifft, konsequenterweise einen im Vergleich zum Globalantrag unterschiedlichen Streitgegenstand aufweisen. Diesen Schluß wird aber gerade nicht gezogen. Das Gericht ist in einem Folgeprozeß nach konsequenter Anwendung der eigenen Vorgaben gerade nicht daran gehindert, in der Sache zu entscheiden, da nach seiner Auffassung der neue Streitgegenstand mit dem des Vorprozesses 24 SteiniJonas/Leipold, ZPO, § 322 Rn. 196 ff.; MünchKomm-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 76 ff.; Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rn. 17 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rn. 35. 2S Habscheid, NJW 1988, S.2641, 2642; MünchKomm-ZPO/Gottwald, § 322 Rn. 80 ff.; SteiniJonas/Leipold, ZPO, § 322 Rn. 74 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rn. 31.

160

§ 11 Materiel1e Rechtskraft

nichts gemein hat. Man muß sogar noch einen Schritt weiter gehen: Indem dem Kläger im Vorprozeß gerade ein minus versagt wurde und somit der Streitgegenstand auf die Einzelhandlungen gerade nicht bezogen wurde, wird ein qualitativen Unterschied zwischen dem Streitgegenstand der Globalklage und dem einer auf konkrete Einzelhandlungen bezogenen Klage gemacht. Mit der klage abweisenden Entscheidung wird, folgt man der Rechtspraxis der Gerichte, eben nichts darüber ausgesagt, ob die einzelnen zukünftig denkbaren Verletzungshandlungen einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen oder nicht. Würden die Gerichte somit ihre eigene Rechtsprechung im Hinblick auf die Behandlung des Globalantrags konsequent verfolgen, dürfte der Zulässigkeit einer dem Abweisungsurteil nachfolgenden konkreten Klage nichts im Wege stehen, so daß das Prozeßhindernis der entgegenstehenden Rechtskraft aufgrund des kontradiktorischen Gegenteils nicht existieren dürfte. Eine doppelte Beschränkung des Rechtsschutzes derart, daß aus Gründen des Streitgegenstands weder eine Minus-Tenorierung vorgenommen noch eine erneut angestrengte konkretisierte Klage für zulässig gehalten wird, ist jedoch keinesfalls haltbar.

c) Rechtskraft bei Zugrundelegung des zweigliedrigen Streitgegenstands begriffs

Wenn, wie hier, ein zweigliedriger und teilbarer Streitgegenstand im Hinblick auf den Globalantrag im Vorprozeß vertreten wird26 , steht der gerichtlichen Sachprüfung einer erneuten Unterlassungsklage die materielle Rechtskraft immer nur dann entgegen, wenn die neue streitgegenständliche Verletzungshandlung bereits als minus zum Globalantrag Streitgegenstand des Vorprozesses war. Eine derartige Beschränkung ist auch nur konsequent. Denn wenn das Gericht nach richtiger Ansicht verpflichtet ist, bei Vorliegen entsprechender Beeinträchtigungsgefahren die Klage insoweit zuzusprechen, wie sie begründet ist, dann war ja bereits im Vorprozeß auch die nachfolgende Einzelhandlung in den Begutachtungsprozeß einbezogen. Allerdings gilt zu beachten, daß bereits die materiell-rechtliche Struktur der Unterlassungsklage generell der materiellen Rechtskraft Grenzen auferlegt. Entscheidendes Kriterium für die Gewährung eines derartigen Anspruchs ist gerade nicht nur die Rechtswidrigkeit der konkreten Handlung, sondern auch und insbesondere die nachzuweisende Beeinträchtigungsgefahr. Wenn nun beispielsweise ein im Globalantrag enthaltenes vorbeugendes Unterlassungs26 Für einen zweigliedrigen Streitgegenstand im Unterlassungsprozeß plädiert auch das OLG Düsseldorf, GRUR 1994, S.81, 82, "Kundenzeitschriften". Ebenso MünchKomm-ZPOILüke, § 253 Rn. 133, 134.

11. Umfang der Rechtskraft

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begehren im Prozeß deswegen nicht erfolgreich ist, weil der Kläger die notwendige Begehungsgefahr nicht ausreichend nachweisen konnte, stellt sich bei entsprechender Klageabweisung die Frage, ob dem Kläger aus Gründen der materiellen Rechtskraft nunmehr filr immer verwehrt ist, eine gleichlautende Unterlassung zu erwirken. Das hätte zur Folge, daß selbst dann, wenn sich der Kläger nunmehr auf eine Berühmung seitens des Beklagten berufen könnte, eine Klageabweisung durch Prozeßurteil unumgänglich wäre.

d) Die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft

Nach den Grundsätzen über die objektiven Grenzen der Rechtskraft, die allein auf die Identität des Streitgegenstandes abstellt27 mUßte dem Kläger hier konsequenterweise eine erneute Klagemöglichkeit verwehrt werden. Allerdings sind auch die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft zu berücksichtigen. Da das Zivilurteil grundsätzlich nur Tatsachen berücksichtigt, die vor der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung eingetreten sind, darf der Kläger nicht daran gehindert werden, im nachfolgenden Prozeß eine sich gegenüber dem Vorprozeß veränderte Rechtslage geltend zu machen. Es stellt sich gleichwohl die Frage, ob die Tatsache, daß im Folgeprozeß die zunächst fehlende Begehungsgefahr nunmehr gegeben ist, dazu fUhrt, daß ein gänzlich anderer Streitgegenstand gegeben ist oder ob es sich lediglich um neuen Tatsachen bei gleichem Streitgegenstand handelt. Diese Entscheidung ist von immenser Bedeutung, da in letzterem Fall eine entgegenstehende Rechtskraft nur dann verneint wird, wenn das vorangegangene Urteil einen entsprechenden Vorbehalt ausgesprochen hat. Als Beispiel wird im Schrifttum der im ersten Prozeß noch nicht fällige Zahlungsanspruch angefiihrt28 • Weist das Gericht die Klage ab, ohne zumindest in den Gründen auszufUhren, daß der Anspruch (nur) zur Zeit unbegründet ist, kann auch im Folgeprozeß der Anspruch nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden. Eine Vergleichbarkeit mit den materiell-rechtlichen Anforderungen der Unterlassungsklage ist insoweit gegeben, da auch der Unterlassungs anspruch zu seiner Begründetheit neben der Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung als zusätzliche Voraussetzung die Beeinträchtigungsgefahr verlangt. Folglich fUhrt derjenige Unterlassungskläger, der nunmehr Beeinträchtigungsgefahr nachzuweisen in der Lage ist, mit seiner Klage lediglich neue Tatsachen bei 27 MünchKomm-ZPOIGottwald, § 322 Rn. 36 ff.; SteinlJonaslLeipold, ZPO, § 322 Rn. 19, 99 ff.; ZöllerlVollkommer, ZPO, vor § 322 Rn. 30; BaumbachILauterbach/AlberslHartmann, ZPO, vor § 322 Rn. 11 ff. 28 Walchshöfor in Festschrift rur Schwab, S. 521, 526; MünchKomm-ZPOIGottwald, § 322 Rn. 143.

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§ 11 Materielle Rechtskraft

gleichbleibendem Streitgegenstand ein. Das Gericht kann somit in die Sachprüfung nur dann einsteigen, wenn im Urteil des Erstprozesses (bei Klageabweisung eher in den Urteilsgründen) ein entsprechender Vorbehalt erkennbar ist. Ein Kläger, der mit seinem umfassenden Unterlassungsbegehren zunächst aus Gründen des fehlenden Nachweises der materiell-rechtlichen Begehungsgefahr zumindest eine teilweise Klageabweisung zu akzeptieren hatte, kann somit dann eine erneute gerichtliche Sachprüfung erwarten, wenn aus dem Urteilsausspruch bzw. den Urteilsgründen zu erkennen ist, daß der Anspruch im ursprünglichen Prozeß am Nachweis der erforderlichen Begehungsgefahr gescheitert ist.

§ 12 Darstellung der wichtigsten Probleme und Lösungsansätze Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit handelt es sich bei der Unterlassungsklage um den im Zivilprozeß problematischsten Rechtsschutz. Die Zukunftsbezogenheit des Anspruchs bereitet Antragsteller und Gericht in hohem Maße Formulierungsprobleme bei der konkreten Fassung des Antrags und des vollstreckbaren Urteilstenors, da die regelmäßig vorhandenen widerstreitenden Interessen den Schuldner zu einer Umgehung des Verbots geradezu verleiten. Die Rechtsprechung hält nicht zuletzt wegen dieser Schwierigkeiten an ihrer Auffassung fest, der Antrag habe sich an der konkreten Verletzungsform zu orientieren, ohne dafilr jedoch einen stichhaltigen Grund zu nennen. Nach richtiger Ansicht existieren bei der Unterlassungsklage neben dem Bestimmtheitsgrundsatz keine zusätzlichen Anforderungen an den Klageantrag. Der Rechtsprechung ist zuzustimmen, daß der Unterlassungskläger selbst die beiden materiell-rechtlichen Komponenten der Rechtswidrigkeit, die konkrete zukünftige Handlung und die Beeinträchtigungsgefahr, vorbringen muß. Ob und inwieweit dem Klageantrag dann Erfolg beschieden ist, hängt allein von der sachlich-rechtlichen Beurteilung hat, wobei dem Gericht im Einzelfall nicht erspart bleibt, bei zumindest teilweisem Erfolg die Unterlassungsformulierung unter Beachtung der Grenzen des Antrags selbst vorzunehmen. Die von der Rechtsprechung zur Vermeidung von Rechtsschutzumgehungen im Unterlassungsrecht entwickelte Kernlehre erfordert ebenfalls eine Korrektur. Mit den Grundsätzen des Zivilprozesses nicht vereinbar ist die vollstreckungsrechtliche Anwendung der Kernlehre, da sie der Vollstreckungsinstanz weitreichende erkenntnisgerichtliche Kompetenzen einräumt. Wegen Verstoßes gegen den Dispositionsgrundsatz ebenfalls nicht haltbar ist die materiell-rechtliche Variante der Kerntheorie, die zuläßt, daß das Gericht eine auf den Kernbereich der konkreten Verletzungshandlung bezogene Urteilsausspruch nUlt, ohne auf einen derart umfassenden klägerseitigen Antrag zurückgreifen zu können. Da aber auf der anderen Seite eine Effektivierung des Unterlassungsrechtsschutzes erforderlich ist, ist zu begrüßen, daß dem Kläger unter Zuhilfenahme der Kernlehre die Möglichkeit der Verallgemeinerung des Unterlassungsbegehren auf den Kembereich der Verletzungshandlung ermöglicht wird, damit ein dann antragsgemäßes Verbot auch etwaige Umgehungshandlungen erfaßt. Die

164

§ 12 Darstellung der wichtigsten Probleme und Lösungsansätze

Kernlehre hat im Endeffekt somit ausschließlich Auswirkungen auf das materielle Recht, indem sie zugunsten des Klägers die Beeinträchtigungsgefahr rur zukünftige Handlungen durch eine aufgestellte Vermutung erweitern hilft und die Anforderungen an deren positiven Nachweis zurückschraubt. Wenn die Befilrworter der Kernlehre allerdings davon ausgehen, die im Kernbereich der Verletzungshandlungen liegenden Rechtsverletzungen seien im Sinne der Kernlehre als Wiederholungshandlungen zu qualifizieren, so kann dies nicht unwidersprochen bleiben. Da die Grenze zwischen den noch im Kernbereich liegenden Wiederholungshandlungen oder den schon außerhalb liegenden anderen Handlungen nur schwer gezogen werden kann, muß nach der hier vertretenen Ansicht streng getrennt werden zwischen identischen Wiederholungshandlungen und anderen Handlungen, unter die auch die im Kernbereich liegenden Rechtsverletzungen zu subsumieren sind. Dies hat zur Folge, daß durch die Anwendung der Kernlehre andere, sich aber noch im Kernbereich befmdende Handlungen von der den Kläger begünstigenden Indizwirkung nicht generell, sondern nur im Einzelfall erfaßt werden. Dies gebieten die Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, die ansonsten Schaden durch mangelnde Abgrenzbarkeit nähmen. Insbesondere in bezug auf die rechtliche Würdigung eines unterlassungsrechtlichen Globalantrags gilt es, die prozeßrechtliche Behandlung zu überdenken. Die in der Rechtsprechung praktizierte "Alles-oder-Nichts-Methode", die besagt, daß ein umfassender Antrag nur insgesamt begründet oder unbegründet sein, nicht aber zumindest zum Teil zugesprochen werden kann, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Weder ist diese Auffassung vereinbar mit dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, bestehend aus Antrag und Lebenssachverhalt, noch mit dem Gebot "Ne ultra petita" nach § 308 Abs. I ZPO. Analysiert man den Streitgegenstand des Globalantrags, ergibt sich, daß sowohl ein Element des Verletzungsunterlassungsanspruchs als auch eines des vorbeugenden Unterlassungs anspruchs in ihm enthalten ist. Insofern obliegt es dem Gericht, bei entsprechender materiell-rechtlicher BegrUndetheit diese Untersagung als minus zum Klageantrag gemäß § 308 Abs. 1 ZPO auszusprechen, sobald es sich durch richterliche Aufklärung nach § 139 ZPO beim Kläger seines entsprechenden Begehrens vergewissert hat. Wenn auch insoweit Einklang mit der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur besteht, daß der Nachweis der Begehungsgefahr nur selten gelingen wird, treten Zweifel an der rechtmäßigen Behandlung des vorbeugenden Teil eines unterlassungsrechtlichen Globalantrags in den Rechtsbereichen auf, die gar nicht oder nur unzureichend kodifiziert sind. Da dem Kläger die Versäumnisse des Gesetzgebers nicht angelastet werden können, entspricht es in diesen (seltenen) Fällen der Billigkeit, die Begehungsgefahr zu vermuten, um ihn von deren Nachweis zu entlasten.

§ 12 Darstellung der wichtigsten Probleme und Lösungsansätze

165

In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle, in denen die umfassende Verurteilung bei einem unterlassungsrechtlichen Globalantrag allerdings an dem fehlenden, aber erforderlichen Nachweis der Begehungsgefahr scheitern wird, kommt der Norm des § 139 ZPO entscheidende Bedeutung zu. Das Gericht hat seiner Aufklärungspflicht nachzukommen, indem es den Kläger über eine gegenteilige Interpretation des Globalantrags informiert und auf die Verpflichtung zur Führung eines konkreten Nachweises der Beeinträchtigungsgefahr hinweist. Schließlich ist festzuhalten, daß die Gerichte mit ihrer Rechtsprechung zur materiellen Rechtskraft nach § 322 ZPO dem Kläger eines Globalantrags den Rechtsschutz unzulässigerweise vollständig versagen. Sie bescheiden einem nachfolgenden, lediglich auf eine konkrete Rechtsverletzung bezogenen Antrag die Unzulässigkeit wegen entgegenstehender Rechtskraft des den Globalantrag abweisenden Urteils. Diese Vorgehensweise widerspricht nicht nur grundlegenden Prinzipien des Zivilprozeßrechts, sondern auch der von den Gerichten selbst entwickelten Rechtsprechung zum Globalantrag.

11 Backsmeier

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Sachwortverzeichnis Abstrakte Merkmale 37, 129, 134

Dispositionsmaxime 31, 76, 100, 105, 108, 114

Abwehrrechte 45,48 Aliud 97, 101, 105, 106, 107, 108, 113,115,117,142 Alles-oder-Nichts-Entscheidung 159 Amtserrnittlungsgrundsatz 117,119

148,

114, 116,

Andere Handlung 52, 53, 55, 56, 58, 59,60,65,75,78,79,137 Antragsbindung 88,92, 104, 105, 114, 115,117,118,121,148 Antragsforrnulierung 26, 33, 37, 38, 53, 77, 93, 94, 95, 104, 111, 113, 149 Auslegung 36,38,40,45, 54, 57, 63, 64, 66, 68, 69, 70, 71, 80, 90, 92, 98, 104, 148, 149, 159 Beeinträchtigungsgefahr 45, 47, 49, 118,121,160,161,163,164,165 Begehungsgefahr 25, 37, 39, 40, 47, 48, 49, 51, 53, 54, 55, 56, 59, 60, 61, 74, 75, 79, 81, 98, 118, 121, 134, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 146, 149, 151, 161, 162, 164, 165 Berühmung 49,50,137,161 Beschlußverfahren 57, 101, 114, 115, 116,117,118,119,126

Duldungsanspruch 42, 101, 102 Echtes aliud 107, 110 Effektiver Rechtsschutz 52, 155 Entscheidungsbefugnis des Gerichts 32 Ersatzgesetzgebung 143 Erstbegehungsgefahr 49, 80 Fischerrnännchen-Entscheidung 64,65

63,

Globalantrag 21, 24, 26, 27, 35, 36, 60, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 100, 102, 111, 113, 115, 117, 118, 120, 121, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 133, 134, 137, 141, 142, 143, 145, 148, 149, 151, 152, 155, 156, 158, 159, 160, 164, 165 Hilfsantrag 21, 22, 94, 111, 112, 120, 142 Identische Verletzungshandlung 24, 29, 48, 50, 52, 56, 59, 63, 67, 72, 79, 99, 123, 133, 134, 136, 139, 153, 164 Indizfunktion 46, 49, 51, 55, 58, 59, 60,75,79, 122, 124, 134, 138, 164 Inquisitionsgrundsatz 116, 117, 118

Beschränkung des Klageantrages 29, 31,40,66

Interessenskonflikt 25

Beseitigungsanspruch 43,46, 132

Kabinettwein-Entscheidung 60

Bestimmtheitsgebot 30, 31, 32, 34, 35, 37,40,41,71

Kemlehre 16, 19,26,33, 53, 54, 55, 56, 57, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65,

Sachwortverzeichnis 66, 67, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 88, 89, 90, 91, 96, 127, 128, 129, 131, 133, 134, 136, 153, 163, 164 Klageantrag 18,19,20,21,23,30,31, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 40, 41, 52, 58, 69, 71, 76, 77, 78, 81, 82, 85, 86, 87, 89, 90, 91, 92, 94, 95, 96, 97,98,99, 102, 103, 104, 105, 107, 108, 109, 111, 112, 113, 115, 117, 120, 121, 123, 12~ 128, 129, 130, 132, 133, 134, 136, 140, 145, 146, 149, 151, 152, 153, 157, 158, 159, 163, 164 Kodifizierung 141 Konkrete Verletzungsform 16,24,26, 28,29,30,31,32,34,35,37,38, 39,40,41,46, 50, 54, 58, 59, 60, 65, 66, 67, 68, 69, 72, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 89, 90, 98, 99, 118, 120, 121, 122, 124, 125, 126, 127, 128, 129,130,131,134,137,153,163 Konkretisierung 136, 159

30, 129, 132, 133,

Kontradiktorisches Gegenteil 154, 160

175

Prozeßvoraussetzungen 153, 154 Qualitatives minus 120 Rechtliches Gehör 71, 108, 147 Rechtsbeeinträchtigung 49, 140 Rechtsfindung 36, 145 Rechtsfortbildung 16, 24, 25, 49, 139, 140, 143, 145 Rechtsklarheit 60,71, 163, 164 Rechtskraft 18,27,32,64,65,66, 70, 71, 89, 90, 91, 95, 96, 104, 129, 134, 152, 153, 154, 156, 157, 158, 159,160, 161, 165 Rechtskrafttheorie 154 Rechtsnatur der Unterlassungsklage 26 Rechtsschutzbedürfnis 18, 48 Rechtssicherheit 16, 18, 59, 60, 70, 71,72,89, 116, 138, 144, 163, 164 Rechtsstaatlichkeit 70, 145 Rechtsverweigerungsverbot 143, 144

Leistungsklage 29, 31, 82, 84, 106, 109, 155

Rechtswidrige 61,99, 161

Materiell-rechtliche Theorie 45,84

Reichweite des Titels 38, 70

Minus 22,94,97, 100, 105, 106, 107, 108,109,111,112,113,117,120, 121, 127, 133, 143, 158, 160, 164

Richterliche Aufklärungspflicht 98, 105, 126, 147, 150, 165

Minus-aliud 108, 111, 120 Ne ultra petita 55, 83, 98, 101, 103, 117,164 Potentielle 45

Unterlassungsansprüche

Prozeßilirderungspflicht 33 Prozeßkosten 150 Prozeßrisiko 138, 140, 141

Verletzungshandlung

27,

Richterliche Neutralität 148, 150 Schutzbereich des Unterlassungsanspruchs 39,42,59,70,89,93,134, 138, 152 SchutzrechtsverIetzung 16,25,29,43, 48, 76 Schutzumfang des UnterIassungsurteils 29, 49, 54, 65, 68, 69, 70, 73, 74, 75,76,77,78,81,89,129,152 Störungshandlung 48 Streikrecht 25,138,140,141,142

176

Sachwortverzeichnis

Streitgegenstand eingliedriger 85,86,88,91,96,97, 158 relativer 86, 88 zweigliedriger 84, 86, 88, 89, 90, 91,92,99, 103, 110, 160, 164

123, 137, 138, 139, 151, 160, 161, 163 Urteilstenor 17,18,19,27,29,31,33, 35, 40, 52, 54, 61, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 78, 80, 89, 121, 127, 128, 129, 130, 133, 142, 153, 159, 163

Streitgegenstandsbegriff 26, 31, 39, 71, 72, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 100, 102, 103, 104, 106, 109, 110, 113, 116, 117, 120, 129, 142, 143, 145, 150, 153, 154, 155, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 164

Verallgemeinerung 21,34,53,54,60, 77,79,81, 128, 130, 163

Teilverurteilung 21, 24, 26, 27, 96, 97,99, 100, 106, 109, 114, 119, 120, 123, 126, 133, 136

Verbotswirkung 55

Verbotsausspruch 73 Verbotseinschränkungen Gericht 130

durch

das

Umgehungshandlungen 29,52,53,54, 57,58,59,60,75,91,99,117,128, 130, 134, 135, 163

Verletzungshandlung 16, 17, 21, 23, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38,40,41,44,46,48,49,51,52, 53, 54, 55, 56, 58, 59, 60, 61, 63, 65, 67, 68, 70, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 81, 89, 95, 98, 99, 100, 119, 120, 121, 122, 124, 126, 127, 128, 131, 133, 134, 136, 137, 138, 139,141,151,153,160,163

Unrechtsgehalt der handlung 77, 130

Verletzungs-

Verletzungsunterlassungsklage 46,48, 52,54,57,58,59,60,79,99

Unterlassungsanspruch 21,26, 38, 42, 43,45,46,47,48, 51, 52, 74, 89, 93, 101, 113, 114, 125, 136, 141, 155,158, 160, 161

Vermutung der Wiederholungsgefahr 46, 54, 55, 59, 78, 79, 127, 133, 136

Überraschungsurteil 151 Umfang der Rechtskraft 37, 65, 83, 153,159

Unterlassungsantrag 20, 21, 24, 26, 28, 2~ 3~ 31, 3~ 33, 34, 35, 36, 37,69, 74, 76, 91, 96, 97, 99, 100, 112, 114, 119, 120, 122, 123, 124, 128, 130, 131, 133, 151, 152, 155, 159 Unterlassungsberechtigter 24, 48

Vollstreckung 18,30,35,37,62,152 Vorbeugende Unterlassungsklage 47, 49,50, 118, 137, 138 Vorbeugende Unterlassungsklage 46 Warnstreikentscheidung 23, 24, 25, 26, 122, 124, 126, 139, 142, 156

Unterlassungsgebot 29, 37, 77, 132, 138, 146

Wiederholungsgefahr 46, 47, 48, 50, 54, 59, 60, 61, 65, 75, 122, 124, 127, 133, 136, 140

Unterlassungsklage 15, 16, 17, 18,22, 24, 25, 26, 28, 29, 31, 34, 36, 40, 42, 43, 44, 46, 48, 49, 50, 52, 54, 58, 59, 60, 61, 64, 78, 79, 80, 81, 83, 85, 88, 89, 91, 93, 95, 96, 99, 102, 109, 111, 118, 120, 121, 122,

Wiederholungshandlung 23, 24, 44, 49, 51, 52, 53, 56, 59, 60, 69, 75, 76, 79, 89, 95, 98, 117, 120, 123, 124, 127, 128, 129, 133, 134, 136, 137,139

Sachwortverzeichnis Zukünftige Rechtsverletzung 20, 28, 33, 38, 43, 45, 47, 48, 58, 62, 73, 136,137,141,151,153,160,163

177

Zuwiderhandlung 16, 19, 20, 28, 36, 39, 46, 48, 49, 50, 52, 54, 58, 63, 71, 98, 112, 122, 123, 127, 136, 149, 152, 153