Das Menschenrecht auf Nahrung in den Operationen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds: Ein Beitrag zur menschenrechtlichen Verantwortlichkeit internationaler Organisationen [1 ed.] 9783428580965, 9783428180967

Obwohl Art. 11 des UN-Sozialpaktes ausdrücklich das Menschenrecht auf Nahrung stipuliert, handelt es sich bei dem global

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Das Menschenrecht auf Nahrung in den Operationen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds: Ein Beitrag zur menschenrechtlichen Verantwortlichkeit internationaler Organisationen [1 ed.]
 9783428580965, 9783428180967

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Schriften zum Völkerrecht Band 241

Das Menschenrecht auf Nahrung in den Operationen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds Ein Beitrag zur menschenrechtlichen Verantwortlichkeit internationaler Organisationen

Von

Elisa Freiburg-Braun

Duncker & Humblot · Berlin

ELISA FREIBURG-BRAUN

Das Menschenrecht auf Nahrung in den Operationen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds

Schriften zum Völkerrecht Band 241

Das Menschenrecht auf Nahrung in den Operationen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds Ein Beitrag zur menschenrechtlichen Verantwortlichkeit internationaler Organisationen

Von

Elisa Freiburg-Braun

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-18096-7 (Print) ISBN 978-3-428-58096-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Tochter

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/20 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Die Literatur konnte im Rahmen der Überarbeitung noch bis zum Frühjahr 2020 berücksichtigt werden. Ich danke meinem Doktorvater, Prof. Dr. Rüdiger Wolfrum, der mir bei der Anfertigung dieser Dissertation großen Freiraum gewährte. Prof. Dr. Ute Mager danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens, Prof. Dr. Bernd Grzeszick für den Vorsitz bei meiner Disputation. Meinem früheren Vorgesetzten am Lehrstuhl für Völkerrecht der Universität Potsdam, Prof. Dr. Andreas Zimmermann, danke ich herzlich für die wissenschaftliche Zusammenarbeit und das entgegengebrachte Vertrauen. Ein Stück weit begleitet wurde die Zeit der Promotion durch mein LL.M.Studium an der London School of Economics and Political Science. Eine weitere wertvolle Erfahrung war mein anschließender Aufenthalt als CarloSchmid-Fellow bei der United Nations Development Group in New York, wo ich die praktische Seite der Entwicklungszusammenarbeit kennenlernte. Für beide Aufenthalte bin ich dem DAAD, der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie der Stiftung Mercator für die großzügige Förderung zu Dank verpflichtet. Dr. Stephan Wilske danke ich für die Ermutigung zur Promotion, Dr. Lars Markert für die Unterstützung auf den ersten publizistischen Pfaden. Aus meinem persönlichen Umfeld gebührt der wohl größte Dank Natalie Tröller – jedes Wort wäre zu wenig. Marlitt Brandes danke ich nicht nur für die Freundschaft seit Jessup-Zeiten, sondern auch für das Lesen des Manuskripts. Dank schulde ich weiterhin jenen, die mich immer wieder ermutigten: Hacki Hartmann und Emmanuelle Moors. Meinem Mann Dr. Tillmann Braun danke ich für die jahrelange moralische Unterstützung. Insbesondere danke ich aber meiner Mutter – nie schien sie auch nur einen Moment daran zu zweifeln, dass ich alles schaffen kann, was ich mir vorgenommen habe. Berlin, im Juni 2020

Elisa Freiburg-Braun

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Das Recht auf Nahrung und der Welthunger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Begriffsbestimmungen – Das Menschenrecht auf Nahrung im Vergleich zur Ernährungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 III. Forschungsstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Teil 1

Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte 

27

A. Gründung und Struktur der Bretton-Woods-Organisationen . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Rechtspersönlichkeit als Grundlage völkerrechtlicher Verantwortlichkeit . . . . 31 C. Menschenrechtliche Bindung aus den G ­ ründungsverträgen und der UNCharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte aus den Articles of Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte aus der UN-Charta aufgrund des Status als UN-Sonderorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begründung durch das Prinzip einer Organisationstreue . . . . . . . . . . . . . .

35 35 36 38

D. Verpflichtung aus internationalen Menschenrechtsverträgen . . . . . . . . . . . . . . 40 E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht – Möglichkeiten der dogmatischen Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung aufgrund rechtspolitischer Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herleitung über das Konzept der Rule of Law  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rule of Law auf der nationalen und internationalen Ebene . . . . . . . . . 2. Die Rolle der Rule of Law für die Weltbank und den IWF . . . . . . . . . 3. Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Herleitung über die Völkerrechtssubjektivität der Weltbank und des IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen innerhalb der Articles of Agreement im Lichte der Weiterentwicklung der Organisationspraxis und des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Articles of Agreement der Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. III Sektion 5(b) der Articles of Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. IV Sektion 10 der Articles of Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 43 47 47 50 54 54 60

61 62 62 63

10 Inhaltsverzeichnis II. Articles of Agreement des IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Die Entwicklung der internationalen Menschenrechte nach der Gründung der Bretton-Woods-Institutionen – Einschränkende Auslegung der Articles of Agreement im Lichte der Fortentwicklung des Völkerrechts nach Art. 31 Abs. 3 lit. c) der Wiener Vertragsrechtskonvention . . . . . . . . 65 IV. Die begrenzten Mandate der Bretton-Woods-Institutionen und ihre praktische ­Weiterentwicklung durch eine spätere Übung im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. b) der Wiener ­Vertragsrechtskonvention . . . . . . . . . . . . 69 1. Die Gründungsjahre und Überblick über kommende Entwicklungen . 70 2. Weltbank-Kontroverse um Kredite für Portugal und Südafrika in den 1960er Jahren – Ausführungen des UN Legal Counsel . . . . . . . . . . . . 71 3. Entwicklung der Weltbank ab den 1970er Jahren und die Ansichten der Rechtsabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Ibrahim F. I. Shihata (General Counsel 1983 – 1998) . . . . . . . . . . . und die Präsidentschaft James Wolfensohns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Robert Dañino (General Counsel 2003 – 2006) . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Ana de Palacio (General Counsel 2006 – 2008)  . . . . . . . . . . . . . . . 82 d) Anne-Marie Leroy (General Counsel 2009 – heute) . . . . . . . . . . . . 83 e) Äußerungen der Weltbank zu den ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Entwicklungen innerhalb des IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Allmähliche Weiterentwicklung des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Äußerungen des IWF im Zusammenhang mit Staatenpflichten der Salomonen unter dem ICESCR im Jahr 1999 . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Realisierung einer gesamtökonomischen Verantwortung unter den Geschäftsführenden Direktoren Michel Camdessus und Horst Köhler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 d) Position des ehemaligen General Counsel François Gianviti . . . . . 90 e) Äußerungen des IWF zu den ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 f) Fokus auf inklusivem Wachstum im Rahmen der Social Spending Strategy von 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 G. Kein Ausschluss einer Verantwortlichkeit von internationalen Organisationen aufgrund der Möglichkeit einer parallelen staatlichen Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 H. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Teil 2

Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts 

101

A. Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Die menschenrechtsbezogenen Bestimmungen der UN-Charta . . . . . . . . 101 II. Art. 25 und 28 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 . . . 102

Inhaltsverzeichnis11 III. Art. 11 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Recht auf angemessene Nahrung sowie das Recht darauf, frei von Hunger zu sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Staatenpflichten nach Art. 2 Abs. 1 ICESCR . . . . . . . . . . a) „[…] undertakes to take steps […] by all appropriate means, including particularly the adoption of legislative measures“ . . . . . b) „[…] to achieve progressively the full realization of the rights […]“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „[…] to the maximum of its available resources […]“ . . . . . . . . . . d) „[…] individually and through international assistance and ­co-operation […]“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das Konzept des Mindestkerngehalts (‚minimum core content‘) . . f) Zulässigkeit retrogressiver Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spezifischer Gehalt des Art. 11 ICESCR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung durch den Allgemeinen Kommentar Nr. 12 des ­Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte . . . b) Verwirklichung des Rechts und dessen Mindestkerngehalts . . . . . . c) Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . d) Mögliche Verletzungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die allgemeinen Richtlinien der Limburger Prinzipien . . . . . . bb) Die nahrungsspezifischen Maßstäbe des CESCR  . . . . . . . . . . 5. Verpflichtete und Begünstigte des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Individuum als Inhaber konkreter Rechte – Die Einführung der Individualbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Völkergewohnheitsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Recht auf Nahrung als ‚elementary consideration of humanity‘? . . . II. Herleitung von Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Indizien aus dem Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. ICESCR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere Verträge zum Schutz von Frauen und Kindern . . . . . . . . . . 3. Regionale Menschenrechtsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmungen des humanitären Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Staatenpraxis: Die nationale Umsetzung des Rechts auf Nahrung . . . . . . 1. Verdeutlichung anhand dreier Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Südafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stand der Verankerung in verschiedenen nationalen Verfassungen . . . V. Resolutionen und Richtlinien nach Verabschiedung des ICESCR als Ausdruck einer allgemeinen Rechtsansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkergewohnheitsrecht durch ‚soft law‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 105 107 108 111 112 112 113 114 115 115 117 119 123 123 124 125 125 129 131 131 135 137 137 139 141 143 144 145 145 147 148 150 151 151

12 Inhaltsverzeichnis 2. Universal Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutri­ tion von 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Resolution der UN-Generalversammlung zu Food and Agricultural Problems von 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Declaration on the Right to Development der UN-Generalversammlung von 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Rome Declaration von 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Millennium Development Goals von 2000 und die Sustainable Development Goals von 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization of the Right to Adequate Food in the Context of National Food Security der FAO von 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Right to Food-Resolutionen der UN-Generalversammlung . . . . . . . . . 9. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155 156 156 157 158 162 163 163 164

C. Anwendbarkeit des Rechts, frei von Hunger zu sein, auf die BrettonWoods-Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 D. Bestandsaufnahme: Der Pflichtenkanon der Bretton-Woods-Institutionen . . . 169 Teil 3

Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen – Theorie und Praxis 

173

A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF an Menschenrechte und Ernährungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Strukturelle Hindernisse für die Integration von Menschenrechten – Mitgliedsstaaten und Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Politischer Widerstand der Mitgliedsstaaten und des Board of ­Directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Kultur und Mentalität innerhalb der Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Generelle Beschäftigung mit dem Konzept der Ernährungssicherheit . . . 177 III. Die Safeguard Policies der Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Menschenrechtliche Bezüge in den Safeguard Policies . . . . . . . . . . . . 179 2. Die bisherige Safeguard Policy zu Rechten von indigenen Völkern . . 180 3. Die bisherige Safeguard Policy zu Zwangsumsiedlungen . . . . . . . . . . 182 4. Das neue Environmental and Social Framework (ESF) seit 2018 . . . . 183 5. Rollenverteilung zwischen der Weltbank und dem Kreditnehmerstaat  188 IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 B. Strukturanpassungsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung der Strukturanpassungsprogramme . . . . . . . . . . 1. Aufkommen der Strukturanpassungsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Heavily Indebted Poor Countries Initiative von 1996 . . . . . . . . . .

190 191 191 195

Inhaltsverzeichnis13 3. Ablösung der Enhanced Structural Adjustment Facility (ESAF) durch die Poverty Reduction and Growth Facility (PRGF) 1999 sowie die Poverty Reduction Strategy Papers (PRSPs) . . . . . . . . . . . . 196 4. Einführung der Poverty and Social Impact Analysis (2001) . . . . . . . . 200 5. Ablösung der Poverty Reduction and Growth Facility (PRGF) durch die Extended Credit Facility (ECF) 2011 durch den IWF . . . . . . . . . . 201 II. Kritik am Konzept der Strukturanpassungsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Mögliche völkerrechtliche Bedenken bezüglich der Auswirkungen auf die staatliche Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Mangelnde ökonomische Wirksamkeit und negative Auswirkungen auf die Bevölkerung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 III. Zwang zur Sozialausgabenkürzung bei Konzentration auf Schulden­ tilgung – Das Beispiel der Griechenlandkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Die Grundproblematik der Konzentration auf Schuldentilgung sowie die UN Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights von 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Das Beispiel der Austeritätspolitik des IWF im Rahmen der griechischen Schuldenkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Eckpfeiler der Austeritätspolitik in Griechenland . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Die Rettungspakete (2010 – 2018) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Beeinträchtigungen des Rechts auf Nahrung im Zuge der griechischen Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Menschenrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Akteure . . . 225 aa) Kriterien des UN-Menschenrechtskommissariats . . . . . . . . . . . 225 bb) Verursachungsbeiträge im Verhältnis zwischen dem griechischen Staat und dem IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 cc) Mangelnde Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Rechte im Austeritätsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Haltung gegenüber der Sozialpolitik in Form von sozialen Sicherheitsnetzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 V. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen für negative Auswirkungen von Strukturanpassungsprogrammen . . . . . . . . . . 242 1. Einfluss der mangelnden Pflicht zur Kreditvergabe und -inanspruchnahme auf die völkerrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Bestehen einer Zwangslage nach Art. 16 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations . . . . . . . . . . . 243 b) Ausübung von ‚direction and control‘ nach Art. 15 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations . . . . 245 c) Beihilfe nach Art. 14 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 d) Unbeachtlichkeit der Zustimmung des Staates – Art. 20 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Keine Berufung auf Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

14 Inhaltsverzeichnis C. Zwangsumsiedlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Staudammprojekt in Kedung Ombo/Indonesien . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das China Western Poverty Reduction Project . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Kohleminenprojekt in Jharkhand/Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Fall des Anuak-Volkes in der äthiopischen Gambella-Region . . . . . . V. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen . . .

253 254 257 258 260 262

D. Landwirtschaft und Fischerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I. Strategien für ländliche Entwicklung der Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 II. Fokus auf der Massenproduktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Förderung der Kleinbauern vs. Investitionen in Massenproduktion . . . 268 2. Förderung von bestimmten Nahrungsmittelgruppen . . . . . . . . . . . . . . . 273 3. Haltung gegenüber der Verbreitung von genmanipuliertem Saatgut . . 274 III. Haltung gegenüber dem Ankauf von großen Landflächen durch ausländische Investoren, i­nsbesondere zum Anbau von Pflanzen für Biokraftstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Begriff und Erscheinungsformen des Land Grabbing . . . . . . . . . . . . . 277 2. Besonderheiten bei der Produktion von Biokraftstoff  . . . . . . . . . . . . . 283 3. Die Herangehensweise der Weltbank an das Land Grabbing . . . . . . . 286 4. Die Principles for Responsible Agricultural Investment der Weltbank von 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 IV. Fischerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Die Bedeutung von Fischen für die Ernährungssicherheit und die Rolle der Kleinfischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Unterschiede zur Landwirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3. Auswirkungen anderweitiger Projekte auf den Fischfang – Das Tata Mundra Ultra Mega Power Project und der Fischfang in Tragadi Bandar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 V. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen . . . 299 E. Umgang mit Hungerkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I. Die Food Financing Facility des IWF von 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 II. Die Nahrungspreiskrise von 2007/2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 III. Reaktionen der Weltbank auf die Preiskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 IV. Global Food Crisis Response Program (GFRP) der Weltbank von 2008 . 304 V. Weitere Programme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 VI. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen . . . 306 F. Fazit – Das Verletzungspotential der Bretton-Woods-Institutionen für das Recht, frei von Hunger zu sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Inhaltsverzeichnis15 Teil 4

Mögliche Reformen für eine neue Phase der Verantwortlichkeit von Weltbank und IWF 

309

A. Beitritt zum ICESCR und Modifizierung der Articles of Agreement  . . . . . . . 309 B. Entwicklung eines Bretton-Woods-eigenen ‚human rights-based approach to development‘   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der ‚human rights-based approach to development‘ der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Human rights mainstreaming der UN-Entwicklungsorganisationen in Zusammenarbeit mit dem UN-Menschenrechtskommissariat . . . . . . . . . . III. Übertragung des Konzepts auf die Bretton-Woods-Institutionen . . . . . . .

311 311 314 316

C. Stärkung der institutionsinternen Rule of Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 D. Schaffung entsprechender Safeguard Policies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 E. Pflicht zu Folgenabschätzungsprüfungen – human rights impact assessment als Erweiterung der Safeguard Policies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtspflicht zum human rights impact assessment . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Modell der FAO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vulnerable group profiling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ursachenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übertragung des Modells auf die Bretton-Woods-Institutionen . . . . . . . . 1. Schaffung eines Komitees zur besseren Einbindung der Regierung und der Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Folgenabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fortsetzung im Auditing-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Immunität internationaler Organisationen vor nationalen Gerichten und der Mangel an internationalen Beschwerdemöglichkeiten . . . . . . . . . II. Interne Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Inspection Panel der Weltbank  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einrichtung und Struktur des Inspection Panels . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Umgang mit Beschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bedeutung des Inspection Panels für die Rolle der Menschenrechte in der Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Grievance Redress Service der Weltbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Independent Evaluation Office des IWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mögliche Erweiterungen anderer bereits bestehender Beschwerde­ mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

320 321 322 323 324 326 326 327 330 330 331 334 335 335 335 337 340 343 344 345

G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

16 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 I. Aufsätze und Monographien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 II. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 III. Veröffentlichungen internationaler Organisationen und Nichtregierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 IV. Pressebeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AoA

Articles of Agreement

Art. Artikel BVerfG Bundesverfassungsgericht CESCR

Committee on Economic, Social and Cultural Rights

CFF

Compensatory Financing Facility

DARIO

Draft Articles on the Responsibility of International Organizations

ECF

Extended Credit Facility

ECOSOC

Economic and Social Council

EG

Europäischen Gemeinschaft

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

ESAF

Enhanced Structural Adjustment Facility

ESF

Environmental and Social Framework

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EZB

Europäische Zentralbank

FAO

Food and Agriculture Organization of the United Nations

GFRP

Global Food Crisis Response Program

HIPC

Heavily Indebted Poor Country

IBRD

International Bank for Reconstruction and Development

ICCPR

International Covenant on Civil and Political Rights

ICESCR

International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights

IEO

Independent Evaluation Office

IFAD

International Fund for Agricultural Development

IFC

International Finance Corporation

IGH

Internationaler Gerichtshof

ILC

International Law Commission

ILO

International Labour Organization

ITC

International Tin Council

IWF

Internationaler Währungsfonds

MDGs

Millennium Development Goals

MoU

Memoranda/um of Understanding

18 Abkürzungsverzeichnis OECD OHCHR PRGF PRSPs PSIA SAF SDGs UDHR UNCTAD UNDG UNDP UNICEF WFP WIPO WTO WVK

Organisation for Economic Co-operation and Development Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights Poverty Reduction and Growth Facility Poverty Reduction Strategy Papers Poverty and Social Impact Analysis Structural Adjustment Facility Sustainable Development Goals Universal Declaration of Human Rights United Nations Conference on Trade and Development United Nations Development Group United Nations Development Programme United Nations International Children’s Emergency Fund World Food Programme World Intellectual Property Organization World Trade Organization Wiener Vertragsrechtskonvention

„[T]he ‚right to be a man‘ starts with the right to have enough to eat.“1

Einleitung I. Das Recht auf Nahrung und der Welthunger Washington D.C., März 2015. Nach Veröffentlichung einer großangelegten Untersuchung des International Consortium of Investigative Journalists zeigten sich Weltbankvertreter bestürzt. Deren damaliger Präsident Jim Yong Kim äußerte sich besorgt über die Auswirkungen der von der Bank unterstützten Umsiedlungsprogramme, welche die NGO zu Tage gebracht hat: „Wir haben uns, was die Umsiedlungspolitik angeht, einem kritischen Blick auf uns selbst unterzogen. Was wir fanden, erfüllt mich mit großer Sorge“.2 Schon seit langem wird vor den negativen Auswirkungen von weltbankunterstützten (teilweise gewaltsam durchgeführten) Umsiedlungen gewarnt – allein in den letzten zehn Jahren verloren Millionen von Menschen ihr Zuhause, ihre Lebensgrundlage – und damit oftmals auch ganz konkret den Zugang zu angemessener Nahrung. Wie konnte es dazu kommen, und warum will die Bank nichts gewusst haben? Nur wenige Meter weiter brütet man zur gleichen Zeit beim Internationalen Währungsfonds (IWF) über die griechische Austeritätspolitik und die konkreten Maßnahmen eines im Sommer zu verabschiedenen dritten Rettungspaketes. Zusammen mit der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank gewährt der IWF dem südeuropäischen Staat seit Jahren immer neue Kredite, um ihn vor dem Bankrott zu bewahren. Dem IWF wird vorgeworfen, er sei für zu harte Sparauflagen und damit für das Leid der griechischen Bevölkerung mitverantwortlich. Immer mehr Griechen seien in Armut geraten, Tafeln würden überrannt, Kinder gingen hungrig zur Schule. Stimmt dies, und wenn ja, welche Verantwortung trägt der IWF? Die Nahrungsbeschaffung und der Hunger beschäftigen die Menschheit seit Urzeiten. Während Hungernde über die Jahrhunderte hinweg höchstens auf Almosen der Wohlhabenden hoffen konnten, hat sich dies seit dem Zweiten Weltkrieg, jedenfalls in der Theorie, grundlegend geändert: Am 6. Januar 1941 formulierte US-Präsident Franklin D. Roosevelt in seiner 1  Alain Pellet, ‚Human Rightism‘ and International Law, 10 Italian Yearbook of International Law 2000, S. 3, 8. 2  Zitiert nach Tagesschau Online, Ist bei der Weltbank jetzt alles gut?, 22.12.2015, www.tagesschau.de/wirtschaft/weltbank-121.html.

20 Einleitung

Four Freedoms Address vier grundlegende Freiheiten, auf denen eine neue Weltordnung aufbauen sollte: die Freiheit der Meinung und der Religion sowie die Freiheit vor Mangel und Furcht. Wenige Jahre später, am 26. Juni 1945, wurde der Menschenrechtsschutz als eine der Zielbestimmungen der Vereinten Nationen in die UN-Charta3 aufgenommen und mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 erstmals ausführlich niedergelegt. Art. 25 dieser Erklärung enthielt bereits das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, einschließlich Nahrung. Gleichwohl blieb die Erklärung noch rechtlich unverbindlich. Diesem Umstand wurde am 16. Dezember 1966 durch die internationalen Pakte über bürgerliche und politische (International Covenant on Civil and Political Rights, im Folgenden: ICCPR4) sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, im Folgenden: ICESCR5) abgeholfen, welche 1976 in Kraft traten.6 Spätestens mit Art. 11 ICESCR hat sich das grundlegende Verständnis des Rechts auf Nahrung gewandelt, weg von einer Gnade, hin zu einem Menschenrecht. Praktisch dürfte es sich hierbei jedoch nach wie vor um eines der am wenigsten verwirklichten Menschenrechte handeln.7 Die wirtschaftlichen und sozialen Rechte scheinen in der Rechtspraxis insgesamt ein Schattendasein führen; wobei es relativ unbeachtlich ist, ob ein Staat kapitalistisch oder 3  1

UNTS 16. UNTS 171. 5  993 UNTS 3. 6  Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Auflage 1984, S. 835, § 1250: „Beide Pakte bilden eine gedankliche Einheit, da die Freiheitsrechte ohne die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte wertlos sind, aber auch umgekehrt diese Rechte ohne Freiheitsrechte der Würde des Menschen nicht Rechnung tragen.“ Das Recht auf Nahrung gehört nach der von Karl Vasak entwickelten Konzeption wie alle wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu den Menschenrechten der sogenannten zweiten Generation. Die erste Generation vereinte die bürgerlichen und politischen Rechte, ergo die liberalen Freiheits-, bzw. Abwehrrechte, während die dritte Generation aus kollektiven Menschenrechten, den sogenannten „solidarity rights“, besteht (Karl Vasak, Pour une Troisième generation des droits de l’homme, in: Christophe Swinarski (Hrsg.), Etudes et essais sur le droit international humanitaire et sur les principes de la Croix-Rouge en l’honneur de Jean Pictet, 1984, S. 837, 839; Christine Breining-Kaufmann, Hunger als Rechtsproblem – Völkerrechtliche Aspekte eines Rechtes auf Nahrung, 1991, S. 146). 7  Philip Alston, International Law and the Human Right to Food, in: Philip Alston/ Katarina Tomaševski (Hrsg.), The Right to Food, 1984, S. 9; siehe auch Kerstin Mechlem, International Protection of the Right to Food, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IV, S. 143, Rz. 1. 4  999

Einleitung21

sozialistisch organisiert ist, ob er den Industriestaaten oder dem Globalen Süden angehört.8 Dies steht im Widerspruch zu offiziellen Aussagen: Bereits in der Schlussakte der Teheraner Konferenz für Menschenrechte 1968 wurde die Unteilbarkeit der Menschenrechte festgehalten und betont, dass die Verwirklichung der bürgerlichen und politischen Rechte ohne die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte unmöglich sei.9 Im Vorfeld der Wiener Konferenz für Menschenrechte 1993 veröffentlichte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Economic, Social and Cultural Rights, im Folgenden: CESCR) eine Stellungnahme, in der er kritisierte, dass Staaten sowie die internationale Gemeinschaft allzu oft weiterhin Verletzungen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte tolerierten, die im Zusammenhang mit bürgerlichen und politischen Rechten zu Protest führen würden.10 Im Jahr 2009 zählte die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen erstmals über 1 Milliarde Hungernde.11 Das MillenniumEntwicklungsziel der Vereinten Nationen, die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren, war in weite Ferne gerückt.12 Gleichzeitig hing die Legitimität einer Regierung aber schon immer unter anderem davon ab, ob sie in der Lage war, Hungerprobleme zu lösen – auch die Völkerrechtsgemeinschaft muss sich daran messen lassen, ob es ihr 8  Makau Mutua, Savages, Victims, and Saviors: The Metaphor of Human Rights, 42/1 Harvard International Law Journal 2001, S. 201, 217. 9  Proclamation of Teheran, Final Act of the International Conference on Human Rights, UN-Dokument A/CONF.32/41 (13.5.1968), Rz. 13. 10  UN-Dokument E/1993/22 (23.11. – 11.12.1992), Statement to the World Confer­ ence on Human Rights on behalf of the Committee on Economic, Social and Cultural Rights, S. 83, Rz. 5. 11  FAO, The State of Food Insecurity in the World: Economic Crises – Impacts and Lessons Learned, 2009, S. 4; FAO, Right to Food – Making it Happen, 2011, S. 11. 12  Im Jahr 2015 verzeichnete die FAO „nur“ noch 795 Millionen Hungernde (FAO, The State of Food Insecurity in the World – Meeting the 2015 International Hunger Targets: Taking Stock of Uneven Progress, 2015, S. 8). Dies ist allerdings wohl primär auf eine Änderung der Maßstäbe für den Begriff der Unterernährung zurückzuführen, weniger auf einen tatsächlichen Rückgang der Not: Thomas Pogge, Die MDGs sind moralisch ein Skandal, 6 Vereinte Nationen 2014, S. 250; Jason Hickel, The True Extent of Global Poverty and Hunger: Questioning the Good News Narrative of the Millennium Development Goals, 37 Third World Quarterly 2016, S. 749; ausführlicher unter Teil 2, B. V. 6. 2019 war die Zahl erneut deutlich angestiegen, auf 820 Millionen, und die FAO warnte eindringlich, dass sich der jahrzehntelange Trend zur Verbessung der Situation umgekehrt habe (FAO, The State of Food Security and Nutrition in the World – Safeguarding against Economic Slowdowns and Downturns, 2019, S. 3).

22 Einleitung

gelingt, den Welthunger einzudämmen und das Grundbedürfnis und Grundrecht jedes Menschen auf ausreichend Nahrung zu befriedigen.13 Dabei geht es nicht lediglich um eine Erhöhung der Nahrungsproduktion. Die größten Herausforderungen für das Recht auf Nahrung gerade im globalen Süden sind vor allem auf zahlreiche strukturelle Faktoren zurückzuführen: darunter gewisse nachteilige Entwicklungen im Welthandel und in der Biotechnologie, Belastungen aufgrund der Bedienung von Auslandsschulden, Kriege, Korruption, fehlender Zugang zu Land und Krediten sowie Diskriminierung benachteiligter Gruppen.14 Vor allem aber ist Hunger eine Folge von Armut und von mangelnden Möglichkeiten, Nahrung entweder zu erwerben oder sie selbst zu produzieren.15 Zu den Schwierigkeiten der wirtschaftlichen und sozialen Rechte aus staatlicher Sicht gehört ihre Abhängigkeit von vorhandenen Ressourcen. So mancher Staat beruft sich darauf, dass er sich diese Rechte buchstäblich nicht leisten könnte.16 Andererseits verschwindet auch bei vorgeblich zu armen Staaten oftmals mehr als die Hälfte des öffentlichen Etats im Militär, in der Schuldentilgung, in ineffizienten halbstaatlichen Einrichtungen und fehlgeleiteten Sozialhilfen.17 Gerade im Zusammenhang mit den Möglichkeiten armer Staaten stellt sich jedoch auch die Frage nach den Pflichten anderer Akteure. Wenn die direkt von Armut und somit auch von Hunger betroffenen Staaten das Recht auf Nahrung mangels eigener Ressourcen nicht verwirklichen können, inwieweit können sie dann auf die internationale Gemeinschaft zurückgreifen, bzw. inwieweit könnte eine entsprechende Pflicht von Drittstaaten oder internationalen Organisationen bestehen? Ebenso ließe sich fragen, ob unter Umstän13  Meinhard Hilf, The Right to Food in National and International Law, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann, Reforming the International Economic Order, 1987, S. 125, 127. Für eine grundlegende philosophische Untersuchung des Zusammenspiels zwischen der weltweiten Armut und den Menschenrechten, siehe Thomas Pogge, World Poverty and Human Rights, 2. Auflage 2008. 14  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. xiii. 15  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 699 f.; so auch Amartya Sen, Development as Freedom, 1999, S. 161 f. 16  Vgl. Philip Alston/Ryan Goodman, International Human Rights, 2013, S. 316 f., die allerdings unter Verweis auf Roth kritisieren, dass in erster Linie ein Problem der Verteilungsgerechtigkeit bestehe; siehe dazu auch Kenneth Roth, Defending Econom­ic, Social and Cultural Rights: Practical Issues Faced by an International Human Rights Organization, 26 Human Rights Quarterly 2004, S. 63, 65 f. 17  UNDP, Human Development Report: Concept and Measurement of Human Development, 1990, S. 4.

Einleitung23

den andere Staaten oder internationale Organisationen gar die Bemühungen eines Staates, das Recht auf Nahrung seiner Bürger zu verwirklichen, untergraben können. Für die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung reicht es nicht aus, allein den jeweiligen Territorialstaat zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aufzufordern. Bevor die aus dem Recht auf Nahrung erwachsenen Verantwortlichkeiten nicht auf alle relevanten globalen Akteure ausgeweitet werden, werden die Bemühungen der einzelnen Staaten oder anderer wohlwollender Institutionen weiter behindert werden.18 Während auf der einen Seite UN-Institutionen wie die FAO oder das Unit­ed Nations Development Programme (UNDP) stehen, die unter anderem auf die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung hinarbeiten, kann sich das Verhalten wirtschaftsbezogener Akteure wie der World Trade Organization (WTO), der Weltbank oder des IWF auch nachteilig auswirken, gerade wenn diese sich selbst nicht in der Verantwortung sehen, Menschenrechte zu schützen.19 Die Weltbank und der IWF, welche wegen ihres Gründungsortes im USamerikanischen New Hampshire auch als Bretton-Woods-Institutionen bezeichnet werden, nehmen hierbei als Entwicklungs- und Finanzorganisationen eine besondere Rolle ein. Zwar sieht sich gerade die Weltbank als Vorreiterin in der Armutsbekämpfung und nimmt für sich in Anspruch, durch ihre Unterstützung für Grundschulbildung, Gesundheitsfürsorge und Ernährung, Sanitärversorgung, das Wohnungswesen sowie die Umwelt Millionen Menschen geholfen zu haben, ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu verwirklichen.20 Inwieweit solche Darstellungen jedoch wirklich der (komplexeren) Realität entsprechen, und inwieweit dies auch völkerrechtlich von Bedeutung ist, soll die vorliegende Arbeit klären. Die gesellschaftliche Relevanz derartiger Fragestellungen erklärt sich von selbst: Ohne Nahrung gibt es kein Leben, weshalb das Recht auf Nahrung gewissermaßen die Grundvoraussetzung zur Wahrnehmung aller anderen Menschenrechte ist: „[A]ngemessene Ernährung […] [ist] nichts weniger als die ‚conditio sine qua non‘ menschlicher Existenz und deshalb aller völkerrechtlicher Mühen wert.“21 18  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 698. 19  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. xiii. 20  World Bank, Development and Human Rights: The Role of the World Bank, 1998, S. 3. 21  Markus Kotzur/Christine Meyer, Ein Recht auf Nahrung und Wasser, StudZR 2/2011, S. 199, 202, 214; siehe auch Christine Breining-Kaufmann, Hunger als Rechtsproblem – Völkerrechtliche Aspekte eines Rechtes auf Nahrung, 1991, S. 59.

24 Einleitung

II. Begriffsbestimmungen – Das Menschenrecht auf Nahrung im Vergleich zur Ernährungssicherheit In dieser Arbeit werden vornehmlich zwei nahrungsbezogene Begriffe verwendet, die zwar eng miteinander verknüpft, aber doch voneinander zu unterscheiden sind – das ‚Recht auf Nahrung‘ (right to food) sowie ‚Ernährungssicherheit‘ (food security). Das Recht auf Nahrung beschreibt das völkervertragsrechtlich anerkannte Menschenrecht, das unmittelbare Verpflichtungen aufzeigt.22 Im Vergleich dazu entwickelte sich das Konzept der Ernährungssicherheit erst in den 1970er Jahren.23 Bei der World Food Conference im Jahr 1974 wurde Ernährungssicherheit erstmals definiert.24 Heute findet die Definition des World Food Summit von 1996 die größte Anerkennung: „Food security exists when all people, at all times, have physical and economic access to sufficient, safe and nutritious food to meet their dietary needs and food preferences for an active and healthy life.“25

Auch wenn diese Definition gewisse Ähnlichkeiten zu den Ausführungen des Rechts auf Nahrung vom Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte26 aufweist, bestehen doch entscheidende Unterschiede. Das völkerrechtlich anerkannte Menschenrecht auf Nahrung ist im Vergleich zum Konzept der Ernährungssicherheit – welches vielmehr ein politisches Ziel darstellt – umfassender zu verstehen.27 Das Recht auf Nahrung beinhaltet 22  Siehe

hierzu ausführlich in Teil 2, A. und B. Mechlem, Food Security and the Right to Food in the Discourse of the United Nations, 10 European Law Journal 2004, S. 631, 633. 24  Universal Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutrion, 16.11.1974, www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/EradicationOfHungerAndMalnutrition. aspx, lit. g): „The well-being of the peoples of the world largely depends on the adequate production and distribution of food as well as the establishment of a world food security system which would ensure adequate availability of, and reasonable prices for, food at all times, irrespective of periodic fluctuations and vagaries of weather and free of political and economic pressures, and should thus facilitate, amongst other things, the development process of developing countries […]“. 25  World Food Summit, Rome Declaration, Plan of Action, 13.11.1996, www.fao. org/docrep/003/w3613e/w3613e00.htm, Rz. 1; Kerstin Mechlem, Food Security and the Right to Food in the Discourse of the United Nations, 10 European Law Journal 2004, S. 631, 636. 26  Siehe hierzu ausführlich unter Teil 2, A. III. 27  Siehe Kerstin Mechlem, Food Security and the Right to Food in the Discourse of the United Nations, 10 European Law Journal 2004, S. 631, 640 ff., insbesondere S. 644 f.; siehe auch Wenche Barth Eide, From Food Security to the Right to Food, in: Wenche Barth Eide/Uwe Kracht (Hrsg.), Food and Human Rights in Development: Legal and Institutional Dimensions and Selected Topics, Volume 1, 2005, S. 67, 69. 23  Kerstin

Einleitung25

alle Elemente, die auch dem Konzept der Ernährungssicherheit innewohnen, erweitert es aber um das Konzept der Verantwortlichkeit, und ist somit aus völkerrechtlicher Perspektive eindeutig vorzuziehen.28

III. Forschungsstand und Gang der Untersuchung In den letzten Jahren ist die völker- und menschenrechtliche Verantwortlichkeit internationaler Organisationen verstärkt in den Blick der Forschung geraten. Während zur grundsätzlichen menschenrechtlichen Verantwortlichkeit der Weltbank und des IWF bereits manches gesagt wurde, haben die entsprechenden Arbeiten es bisher ausdrücklich offengelassen, konkrete Beobachtungen, bzw. Verpflichtungen für bestimmte Rechte herauszuarbeiten.29 Dies soll die vorliegende Arbeit für das Recht auf Nahrung leisten, in der Hoffnung, dass dies auch die übergeordnete Problemstellung weiter voranbringen wird. Der erste Teil behandelt die grundsätzliche menschenrechtliche Verantwortlichkeit der Weltbank und des IWF. Grundlage dafür wird die Rechtspersönlichkeit dieser Organisationen und die entsprechende Völkerrechtssubjektivität sein, die dazu führen könnte, dass diese Organisationen (obgleich sie internationale Menschenrechtsverträge nie unterzeichnet haben) zumindest an Völkergewohnheitsrecht gebunden sind. Hierbei setzt die Arbeit sich auch mit den möglicherweise entgegenstehenden Bestimmungen der Gründungsverträge und der Begrenztheit der Mandate auseinander. Im Rahmen dessen soll zudem die grundsätzliche Haltung der Bretton-Woods-Organisationen gegenüber Menschenrechten bzw. deren Entwicklung in den letzten Jahrzehnten herausgearbeitet werden. Der zweite Teil der Arbeit legt dar, ob und inwieweit das Recht auf Nahrung aufgrund seiner Ausgestaltung in verschiedenen internationalen Verträgen und Resolutionen sowie der Staatenpraxis Teil des Völkergewohnheitsrechts darstellt. Dabei wird auch berücksichtigt, inwiefern sich das Konzept, jenseits klassischer staatlicher Verpflichtungen, auf internationale Organisationen übertragen lässt, um am Ende dieses Abschnitts einen Pflichtenkatalog der Bretton-Woods-Institutionen formulieren zu können. 28  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 7. 29  Siehe z. B. Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 197; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 298; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 308 ff.; Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012.

26 Einleitung

Der dritte Teil untersucht die für das Recht auf Nahrung relevanten Strukturen, Richtlinien und Operationen der Weltbank und des IWF. Der Fokus liegt dabei auf den Strukturanpassungsprogrammen, Umsiedlungsprojekten, dem Bereich Landwirtschaft und Fischerei sowie dem Umgang mit Hungerkrisen. Anhand grundsätzlicher Herangehensweisen sowie konkreter Beispiele will die Arbeit darstellen, inwieweit die Organisationen das Recht auf Nahrung bewusst oder unbewusst möglicherweise gefährden. Dabei muss zugestanden werden: „calibrating the degree of [international financial institutions’] responsibility for violations of human rights consequent upon economic crises or more generally is not an exact science“30 – mangels großangelegter einschlägiger Untersuchungen mit gesicherter Datenlage (die selbst zu leisten diese Arbeit außerstande wäre) lässt sich nicht immer sicher feststellen, ob ein Beispiel auch die Regel darstellt. Gleichwohl vertritt diese Arbeit den Standpunkt, dass sich aus den vorhandenen Quellen bereits relevante Schlüsse ziehen lassen. Ziel soll es nicht sein, den Bretton-WoodsInstitutionen konkrete Verletzungen von Menschenrechten belastbar nachzuweisen, sondern vielmehr herauszufinden, welche Verpflichtungen sie treffen, welches Potential für Verletzungen besteht, und wie diese künftig verhindert werden könnten. Im vierten Teil soll diese Arbeit schließlich konkrete Antworten auf die Frage geben, inwieweit Reformen der Bretton-Woods-Institutionen dabei helfen können, das Recht auf Nahrung zu stärken. In Betracht kommen dabei vor allem ein menschenrechtsorientiertes Entwicklungsverständnis, eine Stärkung der institutionsinternen Rule of Law, die Etablierung menschenrechtlicher Folgenabschätzungsprüfungen sowie die Schaffung oder Erweiterung von Beschwerdemechanismen. Es liegt auf der Hand, dass diese Arbeit im Rahmen der Debatte über eine generelle menschenrechtliche Bindung internationaler Organisationen zu sehen ist. Die Auseinandersetzung mit dieser grundsätzlichen Frage würde indes den Rahmen dieser Arbeit sprengen und auch nicht mit ihrem Ansatz harmonisieren. Natürlich bleibt es nicht aus, dass auf die Frage einer menschenrechtlichen Bindung internationaler Organisationen eingegangen werden muss; diese dogmatisch höchst umstrittene Frage steht aber nicht im Zentrum dieser Arbeit. Deren Ziel besteht vor allem darin, – auch auf einer rechtsempirischen Basis – der Frage nachzugehen, ob und inwieweit Weltbank und IWF einen konkreten Beitrag zur Verwirklichung des Rechts auf Nahrung leisten oder ob bestimmte Aktivitäten dieser beiden Organisationen dem geradezu entgegenstehen.

30  Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 54.

Teil 1

Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte Das Völkerrecht hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg zunehmend in Richtung eines individuenzentrierten, humanisierten Systems entwickelt1 – eine Entwicklung, die allerdings im internationalen Wirtschaftsrecht, gerade auch in Bezug auf das Recht auf Nahrung, keinen entsprechenden Niederschlag gefunden hat. Das internationale Wirtschaftsrecht wurde nicht in Abstimmung mit den menschenrechtlichen Prinzipien der UN-Charta bzw. mit den geltenden Menschenrechtsverträgen entwickelt. Die systematische Trennung zwischen dem internationalen Wirtschaftsrecht und den Menschenrechten führt zu einer Kollision dieser beiden Gebiete in der täglichen Praxis. Die Pro­b­ lemfelder sind vielfältig: von dem Einfluss der WTO,2 über die Macht transnationaler Unternehmen,3 bis hin zum Schutz von Menschenrechten im Rahmen des internationalen Investitionsschutzrechts.4 Ähnlich prallen unterschiedliche Vorstellungen aufeinander, wenn Menschenrechtsfragen auf die beiden wichtigsten internationalen Akteure der Entwicklungs- und Finanz­ ebene treffen: die Weltbank und den IWF. Waren die Weltbank und der IWF nach ihrer Gründung im US-amerikanischen Bretton Woods im Jahr 1944 anfangs noch in jeder Hinsicht unabhän1  Anne Peters, Humanity as the A and Ω of Sovereignty, 20 European Journal of International Law 2009, S. 513, 514. 2  Siehe z. B. Holger P. Hestermeyer, The WTO and Human Rights: The Case of Patents and Access to Medicines, 2007; Holger P. Hestermeyer, Economic, Social and Cultural Rights in the World Trade Organization: Legal Aspects and Reality, in: Eibe Riedel et al. (Hrsg.), Economic, Social, and Cultural Rights: Contemporary Issues and Challenges, 2014, S. 260; Sarah Joseph, Blame it on the WTO?: A Human Rights Critique, 2011; Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 68 ff.; FAO, Internation­al Dimensions of the Right to Adequate Food, 2014, S. 1 ff. 3  UN-Dokument A/HRC/17/31 (21.3.2011), UN Guiding Principles on Business and Human Rights; Ibrahim Kanalan, Die universelle Durchsetzung des Rechts auf Nahrung gegen transnationale Unternehmen, 2015. 4  Siehe z. B. Pierre-Marie Dupuy/Ernst-Ulrich Petersmann/Francesco Francioni (Hrsg.), Human Rights in International Investment Law and Arbitration, 2009; Anna Opel, Ausländische Agrarinvestitionen: ‚Land-Grabbing‘ im Spannungsfeld zwischen Menschenrechtsschutz und Investitionsschutzrecht, 2016.

28

Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

gig, wurden sie bereits Ende 1947 durch Vertrag offiziell Sonderorganisationen (‚specialized agencies‘) der Vereinten Nationen.5 Dennoch hat die UNO faktisch keinen Einfluss auf sie.6 Nicht zuletzt den USA war stets daran gelegen, den Einfluss der UNO auf die Weltbank und den IWF so gering wie möglich zu halten.7 Im Hinblick auf die Stimmverteilung bzw. -gewalt besteht der große Unterschied zur UNO, dass diese bei den Bretton-WoodsOrganisationen aufgrund der monetären Einlagen gewichtet werden.8 Die Bretton-Woods-Organisationen verfügen über eine enorme Macht in der Weltwirtschaft. Indem sie im Vergleich vor allem zu den Vereinten Nationen nicht allein auf die Beitragszahlungen ihrer Mitglieder angewiesen sind, sondern Kapital an den Finanzmärkten aufnehmen und für ihre Kredite Zinsen einnehmen können, genießen sie grundsätzlich eine größere Unabhängigkeit von ihren Mitgliedsstaaten; auch in ihren Entscheidungsprozessen sind sie vergleichsweise autonom.9 So sind sie in der Lage, ihre eigenen Standards und Richtlinien zu entwickeln, die dem Verwaltungsvölkerrecht (‚administrative international law‘ oder ‚global administrative law‘) zugeordnet werden.10 Wenn gerade die Bretton-Woods-Institutionen einem Staat weitere Mittel verweigern, kann dies unmittelbar zu einer Liquiditätskrise führen.11 Somit verfügen diese Organisationen über mehr Macht als so mancher Staat.12 5  Agreement between the United Nations and the International Monetary Fund, 17.9./15.11.1947, Art. I (2), 16 UNTS 328, 330; Agreement between the United Nations and the International Bank for Reconstruction and Development, 16.9./15.11.1947, Art. I (2), 16 UNTS 346. 6  Asbjørn Eide, Human Rights-Based Development in the Age of Economic Glob­ alization: Background and Prospects, in: Bård A. Andreassen/Stephen P. Marks, Development as a Human Right: Legal, Political, and Economic Dimensions, 2006, S. 220, 229. 7  John Toye/Richard Toye, The UN and Global Political Economy: Trade, Finance and Development, 2004, S. 23; siehe auch Asbjørn Eide, Human Rights-Based Devel­ opment in the Age of Economic Globalization: Background and Prospects, in: Bård A. Andreassen/Stephen P. Marks, Development as a Human Right: Legal, Political, and Economic Dimensions, 2006, S. 220, 229. 8  Art. V Section 3 Articles of Agreement der IBRD; Art. XII Section 5 Articles of Agreement des IWF; siehe ausführlicher unter Teil 1, A. 9  Susan Park, Designing Accountability, International Economic Organisations and the World Bank’s Inspection Panel, 64 Australian Journal of International Affairs 2010, S. 13, 15. 10  Ibid., S. 18; Benedict Kingsbury, Operational Policies of International Institutions as Part of the Law-Making Process: the World Bank and Indigenous Peoples, in: Guy S. Goodwin-Gill/Stefan Talmon (Hrsg.), The Reality of International Law: Essays in Honour of Ian Brownlie, Oxford 1999, S. 323. 11  Tadeusz Gruchalla-Wesierski, A Framework for Understanding „Soft Law“, 30 McGill Law Journal 1984, S. 37, 85. 12  Ibid.



A. Gründung und Struktur der Bretton-Woods-Organisationen 29

In Anbetracht dieser Situation stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Weltbank und der IWF an internationale Menschenrechte überhaupt gebunden sind. Besteht eine mit jener von Staaten vergleichbare Bindung an Menschenrechtsverträge oder entsprechendes Völkergewohnheitsrecht? Oder unterliegen die Bretton-Woods-Institutionen in ihrem Handeln diesbezüglich keinerlei Beschränkungen?

A. Gründung und Struktur der Bretton-Woods-Organisationen Im Juli 1944 kamen Vertreter von 44 Staaten der späteren Siegermächte des Zweiten Weltkrieges zur United Nations Monetary and Financial Con­ ference13 in Bretton Woods zusammen, einem Ort im US-Bundesstaat New Hampshire. Ziel war es, die Auswirkungen des sich dem Ende nahenden Krieges abzufedern, den Wiederaufbau in Europa zu finanzieren, und die Wechselkurse zur Stärkung der Wirtschaft zu stabilisieren. Am 22. Juli 1944 unterzeichneten die Staatenvertreter das Bretton-WoodsAbkommen. Daraus gingen sowohl der IWF als auch die International Bank for Reconstruction and Development (IBRD), die heute Hauptteil der Weltbankgruppe ist, hervor. Als 1945 eine hinreichende Anzahl von Ratifikationen erreicht worden war, konnten die Organisationen, die bis heute noch als Bretton-Woods-Institutionen bezeichnet werden und in Washington, D.C., angesiedelt sind, ihre Arbeit aufnehmen.14 Die Statuten der Organisationen bezeichnet man als Articles of Agreement (AoA).15 Die Weltbankgruppe besteht heute aus insgesamt fünf einzelnen Institutionen: der IBRD, der International Development Association (IDA), der International Finance Corporation (IFC), dem International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) und der Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA).16 Soweit im Kontext dieser Arbeit von der Weltbank 13  Die Alliierten des Zweiten Weltkrieges hatten sich ab 1942 auch als United Nations bezeichnet. 14  Zur weiteren Geschichte der Bretton-Woods-Institutionen, siehe Sabine Schlemmer-Schulte, Internationales Währungs- und Finanzrecht, in: Christian Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, S. 375, 378 ff., 404 ff.; Andreas F. Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 500 ff.; Andreas F. Lowenfeld, Bretton Woods Conference (1944), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. I, S. 1054. 15  Articles of Agreement of the International Bank for Reconstruction and Development, 2 UNTS 134; Articles of Agreement of the International Monetary Fund, 2 UNTS 40. 16  Maurizio Ragazzi, World Bank Group, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. X, S. 909, Rz. 1.

30

Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

gesprochen wird, ist in der Regel die Weltbank im engeren Sinne, die IBRD, gemeint. Sowohl der IBRD als auch dem IWF gehören jeweils 189 Mitgliedsstaaten an.17 Während der Posten des Weltbankpräsidenten traditionell von einem US-Amerikaner besetzt wird (seit 2019 ist dies David Malpass), wurde bisher stets ein Europäer zum Geschäftsführenden Direktor des IWF ernannt (seit 2019 die Bulgarin Kristalina Georgieva).18 Theoretisch wird die Weltbank vom Board of Governors regiert, in welches jeder Mitgliedsstaat einen Vertreter entsendet (Art. 5 Sektion 2 (a) AoA), die Stimmverteilung ist nach Anteilen am Kapitalstock gewichtet (Art. 5 Sektion 3 (a) AoA). Nach Art. 5 Sektion 2 (b) AoA kann das Board of Governors seine Macht an die Executive Directors delegieren. Von dieser Möglichkeit wurde auch Gebrauch gemacht, sodass die täglichen Entscheidungen nunmehr von letzteren (im Sinne eines ‚policy-making organ‘) getroffen werden; während der Präsident und das Senior Management für operationelle, Verwaltungs- und Organisationsfragen zuständig sind.19 Das Board of Directors besteht aus dem Präsidenten der Weltbank sowie 25 Executive Directors. Der Präsident selbst hat kein eigenes Stimmrecht, er kann lediglich bei Stimmgleichheit unter den Executive Directors den Ausschlag geben. Die Executive Directors sind Angestellte der Bank und werden auch von dieser bezahlt, nicht von ihren Herkunftsländern. Der sehr ähnliche Aufbau des IWF ergibt sich aus Art. XII der AoA. Auch hier gibt es ein Board of Governors, das aus einem Mitglied pro Staat (sowie jeweils einem Stellvertreter) besteht (Art. XII Sektion 2). Das Executive Board wiederum setzt sich aus 20 von den Mitgliedsstaaten gewählten Executive Directors zusammen (Art. XII Sektion 3). Das Äquivalent zum Weltbank-Präsidenten, der Managing Director, wird vom Executive Board gewählt, soll aber selbst weder Governor noch Executive Director sein (Art. XII Sektion 4 (a)). Faktisch werden sowohl die Weltbank wie auch der IWF von wenigen Geberländern dominiert. Dies liegt vor allem an der Stimmgewichtung. Anders als zum Beispiel im Rahmen der UN-Generalversammlung gilt hier nicht ‚one state, one vote‘, sondern eine Gewichtung anhand der Höhe der 17  www.worldbank.org/en/about/leadership/members (Stand: März 2020); www. imf.org/external/np/sec/memdir/memdate.htm (Stand: März 2020). 18  Susan Park, Designing Accountability, International Economic Organisations and the World Bank’s Inspection Panel, 64 Australian Journal of International Affairs 2010, S. 13, 17. 19  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 53.



B. Rechtspersönlichkeit als Grundlage völkerrechtlicher Verantwortlichkeit 31

Einlagen (Art. V Sektion 3 AoA der IBRD, Art. XII Sektion 5 AoA des IWF). Dies führt zusammen mit den hohen Quoten für eine Mehrheitsentscheidung dazu, dass jeweils die USA und die EU-Länder über eine Sperrminorität verfügen.20

B. Rechtspersönlichkeit als Grundlage völkerrechtlicher Verantwortlichkeit Notwendige Grundlage jeder menschenrechtlichen Verantwortlichkeit internationaler Finanzinstitutionen ist eine eigenständige internationale Rechtspersönlichkeit bzw. der Status als Völkerrechtssubjekt.21 Unter dem Begriff des Völkerrechtssubjekts sind solche Einheiten zu verstehen, die Inhaber völkerrechtlicher Rechten und Pflichten sein können.22 Im Gegensatz zu Staaten als primären Subjekten des Völkerrechts ist die Völkerrechtssubjektivität internationaler Organisationen nicht originärer, sondern derivativer Natur – sie muss also gesondert begründet werden. In seinem wegweisenden Gutachten zu „Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations“ differenzierte der Internationale Gerichtshof (IGH) 1949 zwischen Staaten als originären Völkerrechtssubjekten und internationalen Organisationen, deren Völkerrechtspersönlichkeit von ersteren abgeleitet wird: „Whereas a State possesses the totality of international rights and duties recognized by international law, the rights and duties of an entity such as the Organization

20  Zur Gewichtung der Stimmanteile anhand der Quoten, siehe www.worldbank. org/en/about/leadership/votingpowers und www.imf.org/external/np/sec/memdir/mem bers.aspx. Zum Reformprozess bezüglich der Neuverteilung von Stimmanteilen, siehe Sabine Schlemmer-Schulte, International Bank for Reconstruction and Development (IBRD), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. V, S. 363, 366, Rz. 10 ff.; Sabine Schlemmer-Schulte, International Monetary Fund (IMF), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. V, S. 1037, 1041, Rz. 11 ff. 21  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 63. Teils werden Weltbank und IWF als non-state actors klassifiziert, was impliziert, dass sie keine Völkerrechtssubjekte sind. Als internationale Organisationen sind die Bretton Woods-Instititutionen aber vielmehr multi-state actors, Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 738. 22  Christian Walter, Subjects of International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 634, 635, Rz. 1.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

must depend upon its purposes and functions as specified or implied in its constituent documents and developed in practice.“23

Primär muss zur Herausarbeitung des Zwecks und der Funktion einer internationalen Organisation deren Gründungsdokument betrachtet werden.24 Auf den ersten Blick verleihen die jeweiligen AoA der Weltbank und dem IWF eine gewisse Rechtspersönlichkeit. Art. VII Sektion 2 der AoA der IBRD lautet: „The Bank shall possess full juridical personality, and, in particular, the capacity: (i) to contract; (ii) to acquire and dispose of immovable and movable property; (iii) to institute legal proceedings.“

Abgesehen davon, dass der Begriff „The Bank“ durch „The Fund“ ersetzt wurde, enthält Art. IX Sektion 2 der AoA des IWF exakt die gleiche Bestimmung. Diese „full juridical personality“, die in den AoA durch die Unterpunkte (i)–(iii) näher ausgestaltet wird, ist allerdings privatrechtlicher Natur, bzw. bezieht sich lediglich auf die nationale Ebene, und indiziert daher noch nicht den Status eines Völkerrechtssubjekts und eine internationale Rechtspersönlichkeit – hierzu schweigen die AoA.25 Weder lässt sich von der nationalen auf eine internationale Rechtspersönlichkeit schließen, noch gilt dies vice versa.26 Dementsprechend reichen die AoA der Institutionen dem reinen Wortlaut nach nicht aus, um daraus eine internationale Rechtspersönlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen abzuleiten. Die Bestimmungen der jeweiligen AoA ähneln jenen des International Tin Councils (ITC), einer 1956 gegründeten internationalen Organisation, die nach der Anhäufung großer Schulden 1985 ihre Aktivitäten einstellte. Art. 16 Abs. 1 des Sechsten Internationalen Zinnabkommens von 198127 besagte: 23  Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, IGH, Gutachten vom 11.4.1949, ICJ Reports 1949, S. 174, 180. 24  Niels M. Blokker, International Organizations or Institutions, Implied Powers, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. VI, S. 18, 19, Rz. 2. 25  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 64; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 103. 26  Christian Walter, Subjects of International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 634, 641, Rz. 27. 27  1282 UNTS 294.



B. Rechtspersönlichkeit als Grundlage völkerrechtlicher Verantwortlichkeit 33 „The Council shall have legal personality. It shall in particular have the capacity to contract, to acquire and dispose of movable and immovable property and to institute legal proceedings.“

Auch hier bezogen sich die übrigen Absätze lediglich auf die Immunitäten und Privilegien auf der nationalen Ebene. Mehrfach wurden der ITC sowie seine Mitgliedsstaaten vor nationalen Gerichten und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf Rückzahlung von Schulden verklagt.28 Während britische Gerichte dem ITC noch internationale Rechtspersönlichkeit zugesprochen und demnach eine Haftung der Mitgliedsstaaten für Schulden der Organisation abgelehnt hatten, begründete das House of Lords die Zurückweisung einer solchen Haftung damit, dass die (vorhandene) nationale Rechtspersönlichkeit nach englischem Recht entscheidend sei und dieses Recht keine subsidiäre Haftung der Mitglieder kenne.29 In einem Verfahren, in dem ein (schon in Großbritannien als Kläger aufgetretenes) Unternehmen gegen den Rat und die Kommission der Europäischen Gemeinschaft (EG) aufgrund der Mitgliedschaft der EG im ITC klagte, plädierte der Generalanwalt am EuGH, dass sich eine internationale Rechtspersönlichkeit des ITC zwar nicht aus Art. 16 des Sechsten Internationalen Zinnabkommens ableiten ließe, sich im Einklang mit dem „Reparation for Injuries“-Gutachten des IGH jedoch aus dem Konzept des ITC ergebe, da er alle Kriterien einer autonomen internationalen Organisation aufweise (wewegen eine Haftung der Mitglieder ausscheide).30 Der EuGH fällte in diesem Fall letztlich kein Urteil mehr, da der Konflikt anderweitig einer Lösung zugeführt wurde.31 Tatsächlich mangelt es den Gründungsdokumenten der meisten internationalen Organisationen an einer expliziten Verleihung von internationaler

28  Matthias Hartwig, The International Tin Council (ITC), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. VI, S. 176, 178, Rz. 1, 7 f. 29  JH Rayner (Mincing Lane) Ltd v Department of Trade and Industry and Others and Related Appeals, and Maclaine Watson and Co Ltd v Department of Trade and Industry, and Maclaine Watson and Co Ltd v International Tin Council, House of Lords, Urteil vom 26.10.1989, 81 ILR 670; Matthias Hartwig, The International Tin Council (ITC), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. VI, S. 176, 178 ff., Rz. 10 ff. 30  Maclaine Watson & Company Limited v Council and Commission of the European Communities, EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 1.6.1989, Case C-241/87, ECR 1990 I-01797, Rz. 133 ff. 31  Matthias Hartwig, The International Tin Council (ITC), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. VI, S. 176, 181, Rz. 22.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Rechtspersönlichkeit.32 Ganz entscheidend kommt es daher auf die Praxis einer Organisation an, bzw. darauf, ob ihr die internationale Rechtspersönlichkeit implizit verliehen wurde. Gerade weil internationale Organisationen in der Regel für einen unbestimmten Zeitraum gegründet werden und die Gründerstaaten nicht alle späteren Umstände voraussehen können, kommt den ‚implied powers‘ einer Organisation gesteigerte Bedeutung zu.33 Die Ausführungen des IGH zur Völkerrechtspersönlichkeit der UNO im „Reparation for Injuries“-Fall lassen sich ohne weiteres auf andere internationale Organisationen übertragen. Mittlerweile wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine internationale Organisation Völkerrechtssubjektivität besitzt, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für eine gegenteilige Auffassung vor.34 Entscheidende Kriterien für die Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation sind: (1) Der dauerhafte Zusammenschluss von Staaten, und die Ausstattung mit eigenen Organen; (2) eine Abgrenzung – im Sinne rechtlicher Möglichkeiten und Ziele – zwischen der Organisation und ihren Mitgliedern; (3) die Existenz rechtlicher Kompetenzen, die auf der internationalen Ebene und nicht lediglich im nationalen System eines oder mehrerer Staaten ausgeübt werden können.35 Diese Kriterien sind im Hinblick auf die Weltbank und den IWF eindeutig erfüllt, insbesondere agieren sie als Einheiten jenseits ihrer Mitglieder. Weltbank und IWF handeln nicht als bloßes Kollektiv ihrer Mitgliedsstaaten, sondern eigenständig: Dies wird durch die jeweiligen AoA unterstrichen, die den Organisationen Kompetenzen verleihen, die sich gerade nicht lediglich auf eine Eigenschaft als Staatenkollektiv beziehen.36 Die autonomen Ent32  Christian Walter, Subjects of International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 634, 636, Rz. 5. 33  Niels M. Blokker, International Organizations or Institutions, Implied Powers, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. VI, S. 18, 20, Rz. 6. 34  Henry G. Schermers/Niels M. Blokker, International Institutional Law, 5. Auflage 2011, § 1565, 1568 f. 35  James Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8. Auflage 2012, S. 169. 36  Zur Begründung der Rechtspersönlichkeit der Weltbank und des IWF, siehe umfassend Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 64 ff.; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human



C. Bindung aus den G ­ ründungsverträgen und der UN-Charta35

scheidungsmöglichkeiten der Bretton-Woods-Institutionen sind auch im direkten Vergleich zu anderen Organisationen wie z. B. der WTO und erst recht zu den Vereinten Nationen signifikant.37 Mithin handelt es sich bei der Weltbank und dem IWF um Völkerrechtssubjekte, die aufgrund ihrer internationalen Rechtspersönlichkeit Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten sein können. Im Folgenden ist zu prüfen, ob auch die Beachtung von Menschenrechten zu den Pflichten dieser Organisationen gehört.

C. Menschenrechtliche Bindung aus den ­Gründungsverträgen und der UN-Charta Fraglich ist, ob sich eine Pflicht der Bretton-Woods-Institutionen zur Berücksichtung von Menschenrechte bereits aus den eigenen Gründungsdokumenten oder aus den Kooperationsabkommen mit der UNO ableiten lässt.

I. Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte aus den Articles of Agreement Ganz im Gegensatz zur UN-Charta finden sich in den AoA sowohl der Weltbank als auch des IWF keinerlei Bezüge zum Begriff der Menschenrechte. Eine solche Verpflichtung könnte man daher höchstens aus Zielsetzungen mit entsprechenden indirekten Implikationen ableiten. Da Art. I (i) und (iii) der IBRD-AoA („assist in the reconstruction and development of territories of members“, bzw. „assisting in raising productivity, the standard of living and conditions of labor in [the members’] territories“ als Ziele der Bank) bzw. Art. I (ii) der IWF-AoA („promotion and maintenance of high levels of employment and real income“ als Ziel des Fonds) jedoch lediglich als vage, und noch dazu ökonomische statt rechtliche, Zielvorgaben formuliert sind, Rights Law, 2003, S. 126; selbstverständlich davon ausgehend: Michael Lucas, The International Monetary Fund’s Conditionality and the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: An Attempt to Define the Relation, Revue Belge de Droit International 1992, S. 104, 133. 37  Siehe hierzu Jochen von Bernstorff, Procedures of Decision-Making and the Role of Law in International Organizations, in: Armin von Bogdandy/Rüdiger Wolfrum/Jochen von Bernstorff/Philipp Dann/Matthias Goldmann (Hrsg.), The Exercise of Public Authority through International Institutions, 2010, S. 777, 780 ff.; Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 87 f.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

lässt sich hieraus noch keinerlei Verpflichtung ableiten, die mit diesen Zielen zusammenhängenden Menschenrechte nicht zu verletzen.38

II. Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte aus der UN-Charta aufgrund des Status als UN-Sonderorganisation Möglicherweise könnte sich jedoch aus dem Status der Bretton-WoodsInstitutionen als Sonderorganisationen (specialized agencies) der Vereinten Nationen eine eigene Pflicht ergeben, die Ziele und Prinzipien der UNCharta, zu denen auch die Förderung der Menschenrechte gehört, zu respektieren.39 Nach Art. 1 Abs. 3 UN-Charta gehört es zu den Zielen der UNO, „[t]o achieve international co-operation in solving international problems of an economic, social, cultural, or humanitarian character, and in promoting and encour­ aging respect for human rights and for fundamental freedoms for all without distinction as to race, sex, language, or religion […].“

Art. 55 lit.c) bestimmt: „With a view to the creation of conditions of stability and well-being which are necessary for peaceful and friendly relations among nations based on respect for the principle of equal rights and self-determination of peoples, the United Nations shall promote: […] universal respect for, and observance of, human rights and fundamental freedoms for all without distinction as to race, sex, language, or religion.“

38  So auch Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 337 ff. 39  In diesem Sinne Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 128; Bhupinder S. Chimni, International Financial Institutions and International Law: A Third World Perspective, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 31, 45; Philip Alston, The International Monetary Fund and the Right to Food, 30 Howard Law Journal 1987, S. 473, 479; Daniel D. Bradlow, The World Bank, the IMF and Human Rights, 6 Transnational Law & Contemporary Problems 1996, S. 47, 63; Olivier de Schutter/ Margot Salomon, Legal Brief Prepared for the Special Committee of the Hellenic Parliament on the Audit of the Greek Debt (Debt Truth Committee) – Economic Policy Conditionality, Socio-Economic Rights and International Legal Responsibility: The Case of Greece 2010 – 2015, 15.6.2015, www.lse.ac.uk/europeanInstitute/research/ hellenicObservatory/CMS%20pdf/Events/2015-16/SALOMON-DESCHUTTERLEGAL-BRIEF.pdf; S. 13; Cephas Lumina, An Assessment of the Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund with Particular Reference to the World Bank’s Inspection Panel, 31 Journal Journal for Juridicial Science 2006, S. 108, 124.



C. Bindung aus den G ­ ründungsverträgen und der UN-Charta37

Fraglich ist, ob auch die Bretton-Woods-Organisationen diesen Bestimmungen unterfallen. Der Status als UN-Sonderorganisationen wurde durch zwischen den UN und den Institutionen im Jahr 1947 geschlossene Kooperationsabkommen begründet.40 Der Terminus der specialized agencies sollte jedoch nicht so verstanden werden, dass IWF und Weltbank Sonderorganisationen der UNO darstellen – vielmehr handelt es sich bei ihnen um Sonderorganisationen im Sinne der UN-Charta, die weiterhin unabhängig bleiben.41 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem jeweiligen Art. 1 Abs. 2 S. 2 der Kooperationsabkommen: „By reason of the nature of its international responsibilities and the terms of its Articles of Agreement, the Bank[/Fund] is, and is required to function as, an independent international organization.“

Die Kooperationsabkommen hatten nicht zur Folge, dass sie den AoA ­ orgehen, oder diese einfach abändern. Art. V Sektion 8(a) der IBRD-AoA v bzw. Art. X der IWF-AoA besagen jeweils, dass derartige Kooperations­ abkommen, sofern sie die Modifikation einer Bestimmung der AoA beinhalten, erst nach einer entsprechenden Änderung der AoA getätigt werden könnten. Bestimmungen, wonach die Bretton-Woods-Organisationen explizit an die Ziele oder Werte der UNO gebunden wären, existieren nicht. Weiterhin enthalten die Kooperationsabkommen keine Verpflichtungen, sämtlichen Entscheidungen von Organen der Vereinten Nationen nachzukommen. Eine direkte Befolgungspflicht enthalten die Kooperationsabkommen lediglich für Resolutionen des Sicherheitsrates. Der gemeinsame Art. 6 Abs. 1 der Kooperationsabkommen besagt: „The Bank [/Fund] takes note of the obligation assumed, under paragraph 2 of Article 48 of the United Nations Charter, by such of its members as are also Members of the United Nations, to carry out the decisions of the Security Council through their action in the appropriate specialized agencies of which they are members, and will, in the conduct of its activities, have due regard for decisions of the Security Council under Articles 41 and 42 of the United Nations Charter.“

Im Umkehrschluss besteht keine direkte vertragliche Pflicht zur Befolgung von Resolutionen der UN-Generalversammlung (also auch nicht jener, welche die Annahme von Menschenrechtsverträgen oder Deklarationen zur Folge 40  Agreement between the United Nations and the International Monetary Fund, 17.9./15.11.1947, Art. I (2), 16 UNTS 328, 330; Agreement between the United Nations and the International Bank for Reconstruction and Development, 16.9./15.11.1947, Art. I (2), 16 UNTS 346. 41  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 26.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

haben) oder von Verträgen, die UN-Mitgliedsstaaten unterschrieben haben.42 Ebensowenig besteht eine Pflicht, den unverbindlichen Empfehlungen der UN-Menschenrechtsinstitutionen zu folgen.43

III. Begründung durch das Prinzip einer Organisationstreue Im Zusammenhang mit der Frage nach einer Bindung des UN-Sicherheitsrats an internationale Menschenrechte wurde durch Feinäugle versucht, eine solche durch das Prinzip einer UN-Treue herzuleiten. Dieses Prinzip leitete er im Wege der Rechstvergleichung aus der europarechtlich anerkannten Unionstreue aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV)44 und der Bundestreue45 im (unter anderem) deutschen Verfassungsrecht ab. Es führe dazu, dass nicht nur die Staaten aus der UN-Charta gegenüber der UNO verpflichtet seien, die Menschenrechte zu achten. Umgekehrt sei auch der Sicherheitsrat als UN-Organ gegenüber den Mitgliedsstaaten hierzu verpflichtet, wenn er (wie im Falle des auf der Resolution 1267 basierenden Sanktionsregimes) Hoheitsgewalt auf völkerrechtlicher Ebene ausübt. 42  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 120; Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank and Human Rights: An Analysis of the Legal Issues and the Record of Achievements, 17 Denver Journal of International Law and Policy 1988 – 89, S. 39, 43. Gleichwohl hat der Gouverneursrat der Weltbank 1951 im Zusammenhang mit der Uniting-for-Peace-Resolution der UN-Generalversammlung eine Erklärung abgegeben, dass er „give due regard for recommendations of the General Assembly“, zitiert nach Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 113. 43  Vgl. Daniel D. Bradlow, The World Bank, the IMF and Human Rights, 6 Transnational Law & Contemporary Problems 1996, S. 47, 63, 87. 44  „Nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit achten und unterstützen sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben. Die Mitgliedstaaten ergreifen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben. Die Mitgliedstaaten unterstützen die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe und unterlassen alle Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.“; siehe auch Adelheid Puttler, Art. 4 EUV, in: Christian Calliess/Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Rz. 33 ff. 45  BVerfGE 1, 299 (315); Hartmut Bauer, Art. 20, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band II, 3. Auflage 2015, S. 179 ff., Rz. 45 ff.; Bernd Grzeszick, Art. 20 IV, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 89. Ergänzungslieferung 2019, Rz. 118 ff.



C. Bindung aus den G ­ ründungsverträgen und der UN-Charta39

Dies ergebe sich unter anderem aus den Bestimmungen der Art. 2 Abs. 5,46 Art. 4447 und Art. 5048 UN-Charta. Beide Seiten seien aufeinander angewiesen und hätten ein Interesse daran, die Funktionsfähigkeit der Gesamtkonzeption sicherzustellen. Daraus folge eine Pflicht zur Kooperation und zur Rücksichtnahme auf Interessen der Gegenseite.49 So sinnvoll dieser Ansatz auch für die völkerrechtliche Bindung des UNSicherheitsrates ist, so erscheint er doch auf die Bretton-Woods-Institutionen aus mehreren Gründen nicht übertragbar. Zum einen basiert er auf der (im Falle der UNO zutreffenden) Annahme, dass die Mitgliedsstaaten bereits aus dem Gründungsvertrag zur Achtung der Menschenrechte verpflichtet sind. Dies ist jedoch bezüglich der Weltbank und des IWF gerade nicht der Fall. Auch eine Vorschrift, wie sie in Art. 2 Abs. 5 UN-Charta enthalten ist, findet sich in den AoA der Bretton-WoodsInstitutionen nicht. Zum anderen scheidet auch eine mittelbare Bindung an das Prinzip der UN-Treue aufgrund der mit den Bretton-Woods-Organisationen geschlossenen Kooperationsabkommen aus, da diese, wie bereits gezeigt,50 gerade keine hinreichende Verpflichtung durch die Regelungen der UN-Charta begründen. Somit ist im Ergebnis eine menschenrechtliche Bindung der BrettonWoods-Organisationen direkt aus den Gründungsverträgen oder der UNCharta zu verneinen. 46  „The Organization and its Members, in pursuit of the Purposes stated in Article 1, shall act in accordance with the following Principles. […] All Members shall give the United Nations every assistance in any action it takes in accordance with the present Charter, and shall refrain from giving assistance to any state against which the United Nations is taking preventive or enforcement action.“ 47  „When the Security Council has decided to use force it shall, before calling upon a Member not represented on it to provide armed forces in fulfilment of the obligations assumed under Article 43, invite that Member, if the Member so desires, to participate in the decisions of the Security Council concerning the employment of contingents of that Member’s armed forces.“ 48  „If preventive or enforcement measures against any state are taken by the Security Council, any other state, whether a Member of the United Nations or not, which finds itself confronted with special economic problems arising from the carrying out of those measures shall have the right to consult the Security Council with regard to a solution of those problems.“ 49  Clemens A. Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht: Das 1267-Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, 2011, S. 101 ff., 111 ff., 121. 50  Siehe oben unter Teil 1, C. II.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

D. Verpflichtung aus internationalen Menschenrechtsverträgen Unzweifelhaft steht fest, dass weder die Weltbank noch der IWF Vertragsparteien irgendeines Menschenrechtsvertrages sind. Dies können sie auch nicht, da die entsprechenden Verträge lediglich Staaten offenstehen. Art. 26 Abs. 1 ICESCR bestimmt: „The present Covenant is open for signature by any State Member of the United Nations or member of any of its specialized agencies, by any State Party to the Statute of the International Court of Justice, and by any other State which has been invited by the General Assembly of the United Nations to become a party to the present Covenant.“51

Dass die große Mehrheit der Mitglieder der Bretton-Woods-Institutionen auch Vertragsparteien des ICESCR sind,52 in dessen Art. 11 das Recht auf Nahrung als Teil eines angemessenen Lebensstandards niedergelegt ist,53 ändert nichts daran, dass keine unmittelbare vertragsrechtliche Verpflichtung der Organisationen selbst aus Menschenrechtsverträgen gegenüber Individuen besteht. Eine entsprechende Verpflichtung der Mitgliedsstaaten kann schon deshalb nicht auf jene der Weltbank und des IWF durchschlagen, weil letztere über eine eigenständige internationale Rechtspersönlichkeit verfügen, die über das Handeln eines bloßen Staatenkollektivs gerade hinausgeht.54 Zwar wird teils vertreten, dass die Bretton-Woods-Institutionen im Verhältnis zu den eigenen Mitgliedsstaaten verpflichtet wären, die vertraglichen Obligationen eben dieser zu beachten, da Staaten an internationale Organisationen nicht mehr Kompetenzen übertragen könnten, als sie selbst innehaben.55 Dies würde einer mittelbaren eigenen Verpflichtung aus den von den Mitgliedsstaaten unterzeichneten menschenrechtlichen Verträgen gleichkom51  Hervorhebung

hinzugefügt. Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 136 f. 53  Hierzu ausführlich unter Teil 2, A. III. 54  Entsprechend für das Verhältnis zwischen den UN-Mitgliedsstaaten und dem UN-Sicherheitsrat: Clemens A. Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht: Das 1267-Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, 2011, S. 93 f. 55  Vgl. Rosalyn Higgins, The Legal Consequences for Member States of the Nonfulfilment by International Organizations of Their Obligations Towards Third Parties, 66 Annuaire de l’Institut de Droit International 1995, S. 249, 419: „If members were liable for the defaults of the organization, its independent personality would be likely to become increasingly a sham.“ Siehe auch Olivier de Schutter, Human Rights and the Rise of International Organisations: The Logic of Sliding Scales in the Law International Responsibility, in: Jan Wouters/Eva Brems/Stefaan Smis/Pierre Schmitt (Hrsg.), Accountability for Human Rights Violations by International Organisations, 2010, S. 55, 64, welcher eine solche Begründung lediglich anhand praktischer 52  Bahram



D. Verpflichtung aus internationalen Menschenrechtsverträgen41

men, welche wiederum die Kompetenzen der Organisationen aus deren Gründungsabkommen begrenzen würden. Einer solchen Argumentation ist zum einen entgegenzuhalten, dass sich für eine derartige Beschränkung durch anderweitige Vertragsverpflichtungen der Mitgliedsstaaten keinerlei Anhaltspunkte in den AoA von Weltbank und IWF finden. Zum anderen widerspräche sie den Grundlagen des Völkervertragsrechts, wie sie sich mittlerweile auch im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention – WVK56) finden. Demnach sind verschiedene völkerrechtliche Vertragsverhältnisse gerade nicht ineinander verflochten, sondern grundsätzlich getrennt voneinander zu bewerten.57 Art. 30 WVK enthält lediglich Kollisionsregeln für Verträge, welche die gleiche Materie betreffen. Ausnahmen bestehen nur im Hinblick auf den Vorrang von Art. 103 UNCharta (Art. 30 Abs. 1 WVK), sowie bezüglich des jus cogens. Eine dogmatische Herleitung einer Verpflichtung von Weltbank und IWF gegenüber den Mitgliedsstaaten mittels Art. 103 UN-Charta (welcher dann Vorrang gegenüber den eigentlich spezifischeren AoA hätte) erscheint zweifelhaft. Zwar bestimmt Art. 103 UN-Charta, dass, wenn sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus der Charta und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften widersprechen, die Verpflichtungen aus der UN-Charta Vorrang haben. Da die UN-Charta mit Art. 55 und 56 auch Bestimmungen zur Förderung der Menschenrechte enthält, können die UN-Mitgliedsstaaten zumindest einer gewissen abstrakten Pflicht zur Einhaltung der Menschenrechte nicht einfach durch den Verweis auf andere internationale Abkommen entkommen.58 Aus Art. 103 UN-Charta kann sich allerdings keine eigenständige Verpflichtung der Bretton-Woods-Institutionen gegenüber ihren Mitgliedsstaaten ergeben, da erstere selbst keine Mitglieder der UNO sind59 und sich Art. 103 UN-Charta eindeutig nur an die Mitglieder richtet. Gesichtspunkte aufgrund der Vielzahl unterschiedlichster Vertragsbeziehungen der Mitgliedsstaaten verwerfen möchte. 56  1155 UNTS 331. 57  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 351. 58  Tilburg Guiding Principles on World Bank, IMF and Human Rights, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 249, Prinzip Nr. 26. 59  Unter den 193 Mitgliedern der UN-Charta befinden sich ausschließlich Staaten (Palästina, der Heilige Stuhl, nicht direkt mit der UNO verbundene internationale [Regional-] Organisationen sowie einzelne Sonderfälle wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das Internationale Olympische Komitee oder der Malteserorden haben lediglich Beobachterstatus).

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Unter jus cogens versteht man gemäß Art. 53 WVK eine zwingende völkerrechtliche Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann. Jus cogens kann durch anderweitige Verträge nicht abbedungen werden; ein entsprechender Vertrag wäre nichtig.60 Allerdings stellen die allerwenigsten Menschenrechte zwingende Normen des Völkerrechts dar. Zu diesen werden das Gewaltverbot (jedenfalls in dem die Aggression verbietenden Kerngehalt), das Selbstbestimmungsrecht der Völker sowie die Verbote der Sklaverei, des Völkermordes und der Rassendiskriminierung gezählt.61 Bezüglich der sonstigen Menschenrechte kann demnach eine Verpflichtung internationaler Organisationen nicht durch die Regeln des jus cogens begründet werden. Im Übrigen würde eine Modifzierung der AoA von Weltbank und IWF durch den Beitritt der Vertragsstaaten zum ICESCR (welcher erst Jahrzehnte nach besagten AoA geschlossen wurde) nicht nur der ‚pacta tertiis nec nocent nec prosunt‘-Regel widersprechen (wonach Verträge für einen Dritten weder Rechte noch Pflichten begründen62), sondern auch Art. 24 ICESCR ins Leere laufen lassen:63 „Nothing in the present Covenant shall be interpreted as impairing the provisions of the Charter of the United Nations and of the constitutions of the specialized agencies which define the respective responsibilities of the various organs of the United Nations and of the specialized agencies in regard to the matters dealt with in the present Covenant.“

E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht – Möglichkeiten der dogmatischen Herleitung Möglicherweise könnten die Weltbank und der IWF jedoch an menschenrechtliches Völkergewohnheitsrecht gebunden sein. 60  Art. 53 S. 1 WVK: „A treaty is void if, at the time of its conclusion, it conflicts with a peremptory norm of general international law.“ 61  Jochen A. Frowein, Ius cogens, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. VI, S. 443, 444, Rz. 6. 62  Budislav Vukas, Treaties, Third-Party Effect, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. X, S. 31, Rz. 1; Art. 34 WVK. 63  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 352.



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht43

I. Herleitung aufgrund rechtspolitischer Argumente Aus einer rechtspolitischen Perspektive für die Anwendbarkeit des Völkergewohnheitsrechts auf internationale Organisationen spricht deren praktische Notwendigkeit bzw. Nutzen. Wo internationale Organisationen sich im Laufe der Jahrzehnte immer stärker als Völkerrechtsubjekte etablierten, scheint es aus der praktischen Perspektive erforderlich, ihre Macht auch zu begrenzen, um Forderungen des Völkerrechts zur Durchsetzung zu verhelfen. Ein eindringliches Beispiel für die Notwendigkeit, den Anwendungsbereich einer völkerrechtlichen Norm über Staaten hinaus auszuweiten, ist das Gewaltverbot: „Werden die staatlichen Aufgaben zunehmend von internationalen Organisationen übernommen und besitzen diese Organisationen wie etwa die NATO militärische Macht, kann der Zustand der Gewaltlosigkeit, den das Gewaltverbot verwirklichen will, auf der internationalen Ebene nur erreicht werden, wenn das Gewaltverbot auch für und gegen internationale Organisationen wirkt, soweit die Satzung einer universellen Organisation wie der UN nicht gerade gewisse ‚Polizeiaktionen‘ im Interesse des Gewaltverbots vorsieht.“64

Zwar wird zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Argument nicht eine vollumfängliche Bindung internationaler Organisationen an das gesamte Völkerrecht begründen kann.65 Jedenfalls aber auch bzw. gerade im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes entspräche eine Ausdehnung der Bindung an Menschenrechte von Staaten auf internationale Organisationen deren allgemeinen Zielsetzung: So sollen „Menschenrechte […] Individuen gegen den Missbrauch von Hoheitsgewalt auf jedweder Ebene von Herrschaftsausübung schützen“.66 Generell gilt: „[I]f international institutions are taking over governmental tasks equivalent to those of national institutions and – as one should add – to the detriment of the latter, they should come under the same restrictions as national governance in States adhering to the principle of the rule of law. If […] an institution […] assumes legislative competences or competences affecting the rights of individuals directly, such increase in power calls for a counter-balance through judicial review.“67 64  Albert Bleckmann, Zur Verbindlichkeit des allgemeinen Völkerrechts für internationale Organisationen, 37 ZaöRV 1977, S. 107, 116. 65  Ibid. 66  Anne Peters, Jenseits der Menschenrechte: Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, 2014, S. 423. 67  Rüdiger Wolfrum, Legitimacy of International Law and the Exercise of Admin­ istrative Functions: The Example of the International Seabed Authority, the Internatio­ nal Maritime Organization (IMO) and International Fisheries Organizations, 9(11) German Law Journal 2008, S. 2039, 2045.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Auf der nationalen Ebene versteht man unter dem Begriff der Hoheitsgewalt „die Befugnis und Gewalt des Staates, Recht zu setzen und durchzusetzen, als Befehlendürfen und Zwingenkönnen“.68 Wo im Zuge einer generellen Internationalisierung stetig Regelungskompetenzen auf die internationale Ebene verlagert werden, stellt sich die Frage, inwiefern auch internationale Organisationen Hoheitsgewalt ausüben,69 die wiederum rechtlichen Grenzen unterliegen muss. Auf völkerrechtlicher Ebene bezeichnet Hoheitsgewalt die Rechtsmacht, über andere zu bestimmen und in ihrer Freiheit einzuschränken, also die unilaterale Gestaltung ihrer rechtlichen wie tatsächlichen Situation.70 Die „Ausübung“ der Rechtsmacht meint dessen Verwirklichung, insbesondere durch Standardinstrumente wie Entscheidungen und Rechtsvorschriften.71 Das „Bestimmen“ über andere muss nicht rechtsverbindlich sein, im Sinne davon, dass es ihre rechtliche Situation ohne deren Einverständnis verändert: Es kann auch auf unverbindliche Weise erfolgen, indem der entsprechende Akt lediglich Druck auf das andere Rechtssubjekt ausübt, seinem Impuls zu folgen.72 „International“ sowie „hoheitlich“ ist die Ausübung der Gewalt dann, wenn diese auf einer Kompetenz basiert, die von öffentlichen Autoritäten durch einen gemeinsamen internationalen Akt verliehen wurde, um ein solches Ziel zu verfolgen, das diese Autoritäten als öffentliches Interesse definieren (dürfen).73 Die Ausübung von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen kann dabei verschiedene Formen annehmen. Sie reichen von der Festlegung des Flüchtlingsstatus durch den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, über die Markenregistrierung der World Intellectual Property Organization (WIPO), bis hin zum Sanktionsregime des UN-Sicherheitsrats.74 68  Clemens A. Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht: Das 1267-Sanktions­ regime der UN und seine rechtliche Fassung, 2011, S. 34, unter Berufung auf Paul Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III, 1996, § 59, Rz. 57. 69  Clemens A. Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht: Das 1267-Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, 2011, S. 35. 70  Armin von Bogdandy/Philipp Dann/Matthias Goldmann, Developing the Publicness of Public International Law: Towards a Legal Framework for Global Governance Activities, in: Armin von Bogdandy/Rüdiger Wolfrum/Jochen von Bernstorff/ Philipp Dann/Matthias Goldmann (Hrsg.), The Exercise of Public Authority by International Institutions, Advancing International Institutional Law, 2010, S. 3, 11. 71  Ibid. 72  Ibid., S.  11 f. 73  Ibid., S. 13. 74  Clemens A. Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht: Das 1267-Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, 2011, S. 38 ff., 43, mit weiteren Beispielen.



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht45

Die Anwendbarkeit des Begriffs auf die Tätigkeit der Bretton-Woods-Institutionen ist hingegen zweifelhaft, da sich die Weltbank wie auch der IWF dadurch auszeichnen, dass die Institutionen keine eigenen Implementierungshandlungen auf dem Hoheitsgebiet ihrer Mitgliedsstaaten vornehmen.75 Während etwa das Sanktionsregime des UN-Sicherheitsrats zur Terrorismusbekämpfung nach Resolution 126776 ohne Beteiligung der nationalen Ebene bzw. der Mitgliedsstaaten (mit Ausnahme der Ratsmitglieder selbst) gegenüber den Gelisteten verbindliche Sanktionen aussprechen und sie dadurch in ihrer Handlungsfreiheit und ihrem Eigentum einschränken kann,77 sind die Bretton-Woods-Institutionen auf einen Mitgliedsstaat als Mittler angewie­ sen,78 sie üben keine direkte Hoheitsgewalt gegenüber Individuen aus. Auch von einer unverbindlichen Bestimmung von Individuen in der Form, dass auf diese Druck ausgeübt wird, kann in diesem Fall nicht gesprochen werden. Allerdings ist zu fragen, ob man den Schutzzweck der Menschenrechte allein auf die Ausübung von Hoheitsgewalt im technischen Sinne beschränken möchte. Wenngleich es die gegenwärtige Ausgestaltung des internationalen Menschenrechtsschutzes überstrapazieren würde, diesbezüglich von einer ‚Weltverfassung‘ zu sprechen, so ist es doch nicht von der Hand zu weisen, dass die Weltgemeinschaft jedenfalls besonders wichtige Menschenrechte als ‚universell‘ und ‚fundamental‘ anerkennt79 und ihnen somit eine besondere Rolle zuspricht. Ihre Verletzung soll umfassend verhindert werden. Doch wie weit trägt eine Berufung auf rein rechtspolitische Argumente? Klabbers kritisiert, gerade die Literatur zur menschenrechtlichen Bindung der Weltbank und des IWF sei „replete with eventually somewhat unsatisfactory statements holding the World Bank and the International Monetary Fund bound by human rights because human rights are morally desirable“.80 Derartige Argumentationslinien würden völlig außer Acht lassen, dass die völkerrechtliche Bindung von Staaten (jedenfalls im Grundsatz) stets auf dem Konsensprinzip beruhe, und für internationale Organisationen nichts anderes gelten könne.81 75  Für die Weltbank im Zusammenhang mit Art. 1 EMRK und einer Klagemöglichkeit vor dem EGMR: Jacqueline Neumann, Die Förderung der Rule of Law in der Entwicklungszusammenarbeit, 2013, S. 687 f. 76  UN-Dokument S/RES/1267 (15.10.1999). 77  Clemens A. Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht: Das 1267-Sanktions­ regime der UN und seine rechtliche Fassung, 2011, S. 43 f. 78  Siehe vor allem unter Teil 3, B. II. 1. und C. V. 79  Zum Recht auf Nahrung, siehe umfassend unter Teil 2. 80  Jan Klabbers, The Paradox of International Institutional Law, 5 International Organizations Law Review 2008, S. 151, 166. 81  Ibid.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

So hat auch bereits die lebhafte Debatte um die Zulässigkeit sogenannter ‚humanitärer Interventionen‘ gezeigt, dass moralische Argumente allein keine neue völkergewohnheitsrechtliche Regel begründen könnten, sondern eine solche durch Staatenpraxis und entsprechende opinio iuris gedeckt sein muss.82 Somit kann allein ein Berufen auf einen übergeordneten, sich jedoch nicht in einer konkreten Praxis widerspiegelnden, Schutzzweck von Menschenrechten nicht ausreichen, eine entsprechende Bindung internationaler Organisationen zu konstituieren. Ebenfalls nicht ausreichend zur Begründung einer völkergewohnheitsrechtlichen Bindung internationaler Organisationen ist das Argument, dass verhindert werden müsse, dass sich Staaten hinter dem Handeln einer internationalen Organisation ‚verstecken‘. Zwar wäre es in der Tat problematisch und möglicherweise gar rechtsmissbräuchlich, wenn Staaten ins Recht der internationalen Organisationen ‚flüchten‘ und in einer Form handeln könnten, in der sie selbst keine Verantwortung tragen.83 Daraus muss aber gerade nicht zwangsläufig eine eigenständige Verantwortlichkeit der internationalen Organisation folgen. Eine andere denkbare Lösung wäre es, die in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Organisation handelnden Staaten in solchen Fällen selbst unmittelbar zur Verantwortung zu ziehen.84 Hierfür halten die (rechtlich nicht verbindlichen) Draft Articles on the Responsibility of International Organizations (DARIO) der UN-Völkerrechtskommission (International Law Commission – ILC) eine entsprechende Regelung bereit. Art. 61 sieht vor: „1. A State member of an international organization incurs international responsibility if, by taking advantage of the fact that the organization has competence in relation to the subject-matter of one of the State’s international obligations, it circumvents that obligation by causing the organization to commit an act that, if committed by the State, would have constituted a breach of the obligation. 82  Bruno Simma, NATO, the UN and the Use of Force: Legal Aspects, 10 European Journal of International Law 1999, S. 1, 22; Simon Chesterman, Just War or Just Peace?: Humanitarian Intervention and International Law, 2002, S. 53  ff.; Nigel S. Rodley, Humanitarian Intervention, in: Marc Weller (Hrsg.), The Oxford Handbook on the Use of Force in International Law, 2015, S. 775, 779 ff. 83  Albert Bleckmann, Zur Verbindlichkeit des allgemeinen Völkerrechts für internationale Organisationen, 37 ZaöRV 1977, S. 107, 118; Felice Morgenstern, Legal Problems of International Organizations, 1986, S. 32. 84  Siehe Matthews v. UK, EGMR, Urteil vom 18.2.1999, Application No. 24833/94, Rz. 32: „The Convention does not exclude the transfer of competences to international organisations provided that Convention rights continue to be ‚secured.‘ Member States’ responsibility therefore continues even after such a transfer.“



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht47 2. Paragraph 1 applies whether or not the act in question is internationally wrongful for the international organization.“85

Obgleich diese Regel eine Umgehungsabsicht und Initiierungshandlung des Staates voraussetzt und der Anwendungspielraum entsprechend begrenzt ist,86 böte sie dennoch jedenfalls in Fällen der bewussten ‚Flucht in internationale Organisationen‘ eine Möglichkeit für eine staatliche Verantwortlichkeit. Somit reichen rechtspolitische Gründe nicht aus, um eine eigenständige Bindung internationaler Organisationen an Völkergewohnheitsrecht zu begründen.

II. Herleitung über das Konzept der Rule of Law Ein weiteres Argument für menschenrechtliche Verpflichtungen der Bretton-Woods-Institutionen könnte das Prinzip der Rule of Law sein, welches auch auf internationaler Ebene zunehmend anerkannt wird und zu einer (Selbst-)Bindung der Organisationen führen könnte. 1. Rule of Law auf der nationalen und internationalen Ebene Zunächst ist festzulegen, was der Begriff der Rule of Law im Einzelnen umfasst. Bereits auf nationaler Ebene haben sich verschiedene Bedeutungen des Prinzips herausgebildet. In der anglo-amerikanischen Tradition bezog sich das Verständnis der Rule of Law primär auf das Handeln der Justiz.87 Im Gegensatz dazu lag der Fokus in Kontinentaleuropa von Anfang an verstärkt auf der Natur des Staates, der Rechtsstaatlichkeit, wie bereits die verschiedenen Begriffe für das Rule of Law-Prinzip verdeutlichen (Rechtsstaat, état de droit, stato di diritto, estado de derecho).88 Im Konfuzianismus Chinas galten Riten und Werte als Kern der Gesellschaft; das Berufen auf Gesetze wäre diesem Verständnis 85  UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 54 ff. Zum rechtlichen Status von ILC-Artikeln, siehe unter Teil 1, G. 86  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 343. 87  Simon Chesterman, An International Rule of Law?, 56(2) American Journal of Comparative Law 2008, S. 331, S. 336; A.V. Dicey, Lectures Introductory to the Study of the Law of the Constitution, 1885, S. 172, 177 f., 208. 88  Simon Chesterman, An International Rule of Law?, 56(2) American Journal of Comparative Law 2008, S. 331, 336; siehe auch N.W. Barber, The Rechtsstaat and the Rule of Law, 53 University of Toronto Law Journal 2003, S. 443.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

nach dementsprechend vor allem als ein Eingeständnis des Scheiterns verstanden worden.89 In der arabischen Welt besteht eine Tradition der Vorherrschaft des Rechts – der oftmals verwendet Terminus ‚siyadat alqanun‘ (‚Herrschaft des Rechts‘) kommt am ehesten einer Rule by Law nahe.90 Ähnlich wird von vielen Entwicklungs- und postkolonialen Staaten argumentiert, die das Konzept der Rule of Law vor allem nutzen wollen, um die Macht der Obrigkeit zu erweitern, nicht um sie zu begrenzen.91 Aus diesen doch sehr unterschiedlichen regionalen Verständnissen lassen sich drei wesentliche Aspekte eines internationalen Konsenses herausfiltern: (1) Der Staat übt seine Macht nicht willkürlich aus, Gesetze sind vorausblickend, zugänglich und klar formuliert; (2) das Recht bindet auch den Souverän und die staatlichen Institutionen, und wird von einem unabhängigen Mechanismus wie Gerichten kontrolliert; (3) das Recht ist auf alle Personen gleichermaßen anwendbar, es wird generell angewandt und implementiert.92 Trotz Schwierigkeiten in der Definitionsfindung gilt die Rule of Law im Kern (reduziert auf die bloße Wortbedeutung) als ein technisches, nichtideologisches Konzept, das auch zwischen Akteuren mit ganz unterschiedlichen Staatlichkeits- und Demokratieverständnissen einen Dialog ermöglicht; der Erfolg liegt dabei gerade in der „inhaltlichen Elastizität“ des Konzepts.93 Zunehmend entwickelt sich die Rule of Law zu einem auch „das Völkerrecht insgesamt prägende[n] Strukturprinzip“, das die Einhaltung wie auch Fortschreibung völkerrechtlicher Normen fordert.94 So heißt es im World Summit Outcome Document von 2005: „Recognizing the need for universal adherence to and implementation of the rule of law at both the national and international levels, we: (a) Reaffirm our commitment 89  Simon Chesterman, An International Rule of Law?, 56(2) American Journal of Comparative Law 2008, S. 331, 338. 90  Ibid., S.  339 f. 91  Ibid., S. 340. 92  Ibid., S., 342; siehe auch die umfangreichere Auflistung von Robert S. Summers, Principles of the Rule of Law, 74/5 Notre Dame Law Review 1999, S. 1691, 1693 ff.; Brian Z. Tamanaha, On the Rule of Law: History, Politics, Theory, 2004, S.  91 ff. 93  Matthias Kötter/Gunnar Folke Schuppert, Rule of Law: Leitbild und Maßstab auch jenseits des staatlichen Rechts, 47 VRÜ 2014, S. 369, 371. 94  Ibid., 382; Thomas Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht: Konstruktion und Elemente einer idealistischen Völkerrechtslehre, 2012, S. 544; weiterführend siehe auch William W. Bishop, The International Rule of Law, 59 Michigan Law Review 1961, S. 553, 564, 566; Benedict Kingsbury/Nico Krisch/Richard B. Stewart, The Emergence of Global Administrative Law, 68 Law & Contemporary Problems 2005, S. 15; Mattias Kumm, The Legitimacy of International Law: A Constitutionalist Framework of Analysis, 15 European Journal of International Law 2004, S. 907, 930.



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht49 to the purposes and principles of the Charter and international law and to an international order based on the rule of law and international law, which is essential for peaceful coexistence and cooperation among States […].“95

Für den früheren UN Legal Counsel Hans Corell erfordert die Rule of Law sowohl Demokratie als auch die Einhaltung von Menschenrechten.96 Gewisse Menschenrechte, wie das Recht auf Leben, gehören mit Sicherheit zum essenziellen Kern der Rule of Law.97 Doch auch im Allgemeinen gilt die Einhaltung von Menschenrechten als wichtiger Faktor. Bereits die UDHR von 1948 forderte in der Präambel: „[I]t is essential, if man is not to be compelled to have recourse, as a last resort, to rebellion against tyranny and oppression, that human rights should be protected by the rule of law[…].“

Allerdings nahmen sich gerade die Institutionen, die das Prinzip am kräftigsten unterstützen, wie die Vereinten Nationen, als außerhalb des Systems, bzw. über dem Recht stehend wahr;98 die Rule of Law wurde von anderen Akteuren gefordert, aber nicht als eigene Verpflichtung wahrgenommen. Wenn die Rule of Law auf internationaler Ebene beworben wird, so geschieht dies aus funktionalen Gründen: Menschenrechtskörper fordern eine Rule of Law als Grundlage eines Staates, der die Menschenrechte respektiert; Sicherheitsakteure wie der UN-Sicherheitsrat sehen die Rule of Law als ein Mittel der Konfliktlösung; Entwicklungsakteure, darunter Geberländer, betrachten die Rule of Law als wachstumsfördernd.99 Allerdings scheint sich dieses Bewusstsein allmählich zu wandeln. 2012 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution zur Rule of Law, in der sie festhielt: „We recognize that the rule of law applies to all States equally, and to international organizations, including the United Nations and its principal organs, and that respect for and promotion of the rule of law and justice should guide all of their activities and accord predictability and legitimacy to their actions.“100 95  UN-Dokument

A/RES/60/1 (16.9.2005), Rz. 134. Corell, A Challenge to the United Nations and the World: Developing the Rule of Law, 18 Temple International & Comparative Law Journal 2004, S. 391, 392. 97  Simon Chesterman, An International Rule of Law?, 56(2) American Journal of Comparative Law 2008, S. 331, 344. 98  Siehe UN-Dokument A/RES/67/1 (24.9.2012), Declaration of the High-Level Meeting of the 67th Session of the General Assembly on the Rule of Law at the National and International Levels; Simon Chesterman, An International Rule of Law?, 56(2) American Journal of Comparative Law 2008, S. 331, 342. 99  Simon Chesterman, An International Rule of Law?, 56(2) American Journal of Comparative Law 2008, S. 331, 343. 100  UN-Dokument A/RES/67/1 (30.11.2012), Declaration of the High-Level Meeting of the General Assembly on the Rule of Law at the National and International Levels, Rz. 2. 96  Hans

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2. Die Rolle der Rule of Law für die Weltbank und den IWF Seit einigen Jahrzehnten wird die Rule of Law zunehmend auch als ein Mittel betrachtet, wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Im Laufe der Zeit hat sich die Rule of Law zu dem Konzept für Staats- und Institutionenaufbau entwickelt, „rechtlich gebundene Staatlichkeit“ wurde zum Leitbild.101 In den 1960er Jahren strebten die United States Agency for International Development, die Ford Foundation und andere private US-amerikanische Akteure danach, die Rechtssysteme von Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika zu reformieren. Diese ‚law and development‘-Bewegung wurde ein Jahrzehnt später allerdings von vielen bereits als gescheitert betrachtet – Kritiker bemängelten vor allem den Export solcher Institute des US-Rechts, die für die Zielländer ungeeignet waren, insbesondere strategic litigation und activist judges.102 In einer zweiten Phase begannen die Entwicklungsakteure verstärkt Wert auf die Verbindung zwischen der Rule of Law und wirtschaftlicher Entwicklung zu legen, anstatt auf den Export eines bestimmten nationalen Models.103 Schwierig war jedoch auch hier die Suche nach objektiven Kriterien. Der vom UNDP veröffentlichte Human Development Report 1992 legte mögliche Indikatoren fest, die allerdings alle auf Strafverfahren gemünzt waren, ebenso wie die Rule of Law als Indikator persönlicher Freiheit begriffen wurde.104 Vonseiten der Weltbank finden sich folgende Definitionen der Rule of Law: „(1) [T]he government itself is bound by the law; (2) every person in society is treated equally under the law; (3) the human dignity of each individual is recognized and protected by law; and (4) justice is accessible to all. The rule of law requires transparent legislation, fair laws, predictable enforcement, and accountable governments to maintain order, promote private sector growth, fight poverty, and have legitimacy.“105 „[T]he extent to which agents have confidence in and abide by the rules of society, and in particular the quality of contract enforcement, the police, and the courts, as well as the likelihood of crime and violence.“106 101  Matthias Kötter/Gunnar Folke Schuppert, Rule of Law: Leitbild und Maßstab auch jenseits des staatlichen Rechts, 47 VRÜ 2014, S. 369, 370. 102  Simon Chesterman, An International Rule of Law?, 56(2) American Journal of Comparative Law 2008, S. 331, 346, mit weiteren Nachweisen. 103  Ibid. 104  UNDP, Human Development Report: Global Dimensions of Human Development, 1992, S. 31. 105  Weltbank, Initiatives in Legal and Judicial Reform, 2004, S. 2 f. 106  Weltbank, A Decade of Measuring the Quality of Governance: Governance Matters, 2006, S. 3.



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht51

Diese Definitionen und Indikatoren zeigen bereits, dass der Fokus auch hier auf den (Gerichts-)Systemen der jeweiligen Staaten liegt, nicht auf einer breit angelegten Befolgung des Rechts im Allgemeinen und der Menschenrechte im Besonderen, die auch das Handeln der Entwicklungsakteure selbst betreffen könnte. Seit dem Anfang der 1990er Jahre verwenden Entwicklungsakteure verstärkt den allgemeineren Terminus ‚Good Governance‘.107 Auch für die Weltbank stellt die Rule of Law nunmehr vor allem einen Unteraspekt von Good Governance dar (neben voice and accountability, political stability and absence of violence, government effectiveness, regulatory quality und control of corruption).108 Der Terminus bewirkt dabei eine gewisse Entpolitisierung der Materie.109 Gleichwohl wurde auch die Rule of Law an und für sich in den letzten 15 Jahren ein zentrales Prinzip in entwicklungspolitischen Debatten; es zielt dabei (als eigenständiges Konzept neben der Good Governance) in erster Linie auf „die Neustrukturierung des Regierungs- und Rechtssystems fragiler Staaten nach dem Vorbild des westlichen Verfassungsstaats“.110 Das World Summit Outcome Document spricht davon, dass „good governance and the rule of law at the national and international levels are essential for sustained economic growth, sustainable development and the eradication of poverty and hunger. […] [S]ound economic policies, solid democratic institutions responsive to the needs of the people and improved infrastructure are the basis for sustained economic growth, poverty eradication and employment creation; and […] freedom, peace and security, domestic stability, respect for human rights, including the right to development, the rule of law, gender equality and marketoriented policies and an overall commitment to just and democratic societies are also essential and mutually reinforcing; […].“111

Zur Messung sowohl von Good Governance als auch der Rule of Law wurden verschiedene Parameter erdacht. Der alljährliche Rule of Law Index des World Justice Projects misst dabei die Rule of Law im engeren Sinne anhand von mittlerweile neun Indikatoren, wohingegen die Worldwide 107  Simon Chesterman, An International Rule of Law?, 56(2) American Journal of Comparative Law 2008, S. 331, 347. 108  Weltbank, A Decade of Measuring the Quality of Governance: Governance Matters, 2006, S. 2 f. 109  Siehe auch unter Teil 1, F. IV. 3. c); Alvaro Santos, The World Bank’s Uses of the ‚Rule of Law‘ Promise in Economic Development, in: David Trubek/Alvaro Santos (Hrsg.), The New Law and Economic Development, 2006, S. 253, 269 f. 110  Matthias Kötter/Gunnar Folke Schuppert, Rule of Law: Leitbild und Maßstab auch jenseits des staatlichen Rechts, 47 VRÜ 2014, S. 369, 378 f. 111  World Summit Outcome Document, UN-Dokument A/RES/60/1 (16.9.2005), Rz. 11, 24(b).

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Governance Indicators (WGI) (unterstützt von der Weltbank) und der Bertelsmann Tranformation Index (BTI) Rule of Law als Aspekt von Good Governance erfassen.112 Entscheidend ist jedoch, dass solche Untersuchungen die Entwicklung in den jeweiligen Staaten messen – sie bewerten nicht, inwiefern eine Institution wie die Weltbank selbst gewisse Regeln befolgt. Die Bedeutung der Rule of Law für die Operationen der internationalen Finanzinstitutionen ist seit den 1980er Jahren im Aufschwung. Die Weltbank fing bereits etwa 1989 damit an, Good Governance und mit ihr die Rule of Law als effektive Mittel zum Ressourcenmanagement zu begreifen. Im Sinne der Rule of Law forderte die Weltbank die Staaten dazu auf, ihre Rechtssysteme dergestalt zu reformieren, dass sie verbindliche Normen, geeignete Prozesse für die Normsetzung, -durchsetzung und -änderung sowie funktionierende Institutionen zur Normanwendung und -durchsetzung bereithalten. Der IWF entdeckte die Thematik etwas später, doch auch er verlangt seit den 1990er Jahren von seinen Kreditnehmern solche Reformen des öffentlichen Sektors, die auf Good Governance hinwirken, auch Rule of Law-Elemente beinhalten und die Verwaltung öffentlicher Mittel verbessern sollen.113 Wieder zeigt sich, dass die Weltbank und der IWF der Rule of Law zwar eine gewisse Bedeutung zumessen, diese aber primär im nationalen Kontext begreifen, als etwas, das von den Kreditnehmern im innerstaatlichen Bereich umgesetzt werden soll. Wenn diese Institutionen den Geltungsbereich der Rule of Law auch auf sich selbst anwenden, so geschieht dies bisher entweder nur in einem sehr eng verstandenen Kontext,114 geradezu als Rechtfertigung, Menschenrechte nicht berücksichtigen zu müssen. So schrieb ein ehemaliger General Counsel des IWF: „International organizations are also subject to the rule of law. Their members, their debtors and their creditors all expect them to carry out their activities at all times in conformity with the rules that apply to them. However, the international financial organizations, including the Fund, are helping their member countries in developing sound frameworks for governance and better legal and judicial systems, all of which highlights the rule of law as a central element of development. If the 112  Matthias Kötter/Gunnar Folke Schuppert, Rule of Law: Leitbild und Maßstab auch jenseits des staatlichen Rechts, 47 VRÜ 2014, S. 369, 380. 113  Sabine Schlemmer-Schulte, Internationales Währungs- und Finanzrecht, in: Christian Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, S. 375, 396, 410; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S.  163 ff. 114  Siehe hierzu IWF/Joseph Gold, The Rule of Law in the International Monetary Fund, Pamphlet Series No. 32, 1980. Diese Publikation beruhte auf Seminarbeiträgen aus dem Jahr 1979, gerichtet an Beamte von afrikanischen und lateinamerikanischen Mitgliedsstaaten, welche sich inhaltlich jedoch lediglich darauf bezogen, wie der IWF sich an interne Regeln und an solche aus den AoA hält.



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht53 international organizations are to be successful at this task, they must be credible. To be credible, they must apply the rule of law to their own situation, just as they encourage others to apply it to theirs. Hence, legal considerations do matter, and the Fund is not free to disregard its own legal structure for the sake of pursuing goals that are not its own mandated purposes. If the members of the Fund believe that it should adopt a more direct approach to the integration of human rights considerations in its decisions, they may of course propose an amendment to the Fund’s Articles of Agreement.“115

Die Weltbank hat sich in den letzten Jahren verstärkt auf Rule of LawProjekte konzentriert. Dieses Vorgehen rechtfertigt die Bank wie folgt: „The World Bank’s overarching mission is to reduce poverty. Over the past two decades, the Bank has promoted adherence to the rule of law as a fundamental element of economic development and poverty reduction, given that the absence of well-functioning law and justice institutions and the presence of corruption are oftcited constraints to economic growth and to the sustainability of development efforts.“116

Jedoch fokussiert sich die Weltbank dabei auf den ökonomischen, entwicklungsbezogenen Nutzen, wie folgende Aussage von James Wolfensohn zeigt: „[D]evelopment requires an effective state, one that plays a catalytic, facilitating role, encouraging and complementing the activities of private businesses and individuals. […] History has repeatedly shown that good government is not a luxury but a vital necessity. Without an effective state, sustainable development, both economic and social, is impossible.“117

Im Jahr 2009 umfasste das Weltbank-Portfolio fast 2500 Justizreformprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern,118 die sich allerdings oftmals auf Rechtsreformen im Handels- und Finanzsektor fokussieren; gleiches gilt für die schon erwähnten Worldwide Governance Indicators.119 Die Rule of Law dient hier vor allem dazu, den freien Markt und privates Unternehmertum zu schützen, um so Wirtschaftswachstum zu erreichen; einen besonderen Wert legt die Bank auf den Schutz des Privateigentums und die vorhersehbare Vollziehung von Verträgen, um ein investitionsfreundliches Klima her115  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 138. 116  Weltbank, Initiatives in Justice Reform, 2009, S. 2. 117  Weltbank, World Development Report 1997: The State in a Changing World, 1997, Vorwort von James Wolfensohn, S. iii. 118  Weltbank, Initiatives in Justice Reform, 2009, S. 1. 119  Tor Krever, The Legal Turn in Late Development Theory: The Rule of Law and the World Bank’s Development Model, 52 Harvard International Law Journal 2011, S. 288, 313 f.

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zustellen.120 Der Schutz von Menschenrechten um ihrer selbst Willen liegt gerade nicht im Fokus. 3. Bewertung Zwar hat das Konzept der Rule of Law nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf der internationalen Ebene eine zunehmende Bedeutung erlangt. Allerdings gelingt es nicht, hierdurch eine völkergewohnheitsrechtliche Bindung der Bretton-Woods-Institutionen an die Menschenrechte zu begründen. Zum einen setzt ein Berufen auf die Rule of Law voraus, dass es unstreitig eine völkerrechtliche Verpflichtung gibt, welche die Organisation dann auch in ihren Aktivitäten einhalten muss. Das Konzept kann nicht eine Verpflichtung begründen, die es selbst voraussetzt. Zum anderen genügen die bisherigen Tätigkeiten der Bretton-Woods-Institutionen nicht, um von einer diesbezüglichen Selbstbindung an menschenrechtliche Pflichten auszugehen. Soweit diese Organisationen das Konzept bisher in ihre Arbeit aufnahmen, bezog sich dieses stets eindeutig auf die nationale Ebene, nicht auf das Verhältnis zwischen der Organisation und dem Staat bzw. den Staatsbürgern.

III. Herleitung über die Völkerrechtssubjektivität der Weltbank und des IWF Nach einer weitverbreiteten Ansicht sind internationale Organisationen wie die Bretton-Woods-Institutionen indes schon durch ihren Status als Völkerrechtssubjekte jedenfalls über das Völkergewohnheitsrecht an Menschenrechte gebunden.121 120  Ibid., S. 311 ff.; Weltbank, World Development Report 1997: The State in a Changing World, 1997, S. 36. 121  Andrew Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 2006, S. 144, 151; Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 501; Steven Herz, Rethinking International Financial Institution Immunity, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 137, 145; Daniel D. Bradlow, The World Bank, the IMF and Human Rights, 6 Transnational Law & Contemporary Problems 1996, S. 47, 63; Smita Narula, International Financial Institutions, Transnational Corporations, and Duties of States, in: Malcolm Langford/Wouter Vandenhole/Martin Scheinin/Willem van Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties: The Extra-Territorial Scope of Economic, Social, and Cultural Rights in International Law, 2012, S. 114, 130; Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the IMF, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank,



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht55

Auch der EuGH ging im Fall A. Racke GmbH & Co. v Hauptzollamt Mainz, ohne dies dogmatisch zu begründen, wie selbstverständlich davon aus, dass die damalige Europäische Gemeinschaft an die Regeln des Völkergewohnheitsrechts gebunden sei: „[T]he European Community must respect international law in the exercise of its powers. It is therefore required to comply with the rules of customary international law when adopting a regulation suspending the trade concessions granted by, or by virtue of, an agreement which it has concluded with a non-member country.“122

Fraglich ist, ob die Berufung auf die Völkerrechtssubjektivität allein tatsächlich ausreicht, um per se auch auf eine umfassende Bindung an Völkergewohnheitsrecht zu schließen. Eine solche Argumentation würde auf der Prämisse beruhen, dass internationale Organisationen im Moment ihrer Gründung eine internationale Bühne betreten, auf der ein allumfassendes Völkergewohnheitsrecht herrscht und alle Subjekte, gleich welcher Art, gleichermaßen bindet: „There is no reason why rules of international law which are generally recognized as applicable between States and which are not by their nature unsuitable for international organizations should not be automatically binding on the latter.“123

IMF and Human Rights, 2003, S. 45, 53; dies., The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 87, 113; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 130; Holger Hestermeyer, The WTO and Human Rights, 2007, S. 99 ff.; Marc Cogen, Human Rights, Prohibition of Political Activities and the Lending-Policies of Worldbank and International Monetary Fund, in: Subrata Roy Chowdhury/Erik M.G. Denters/Paul J.I.M. de Waart (Hrsg.), The Right to Development in International Law, 1992, S. 379, 387 ff.; Jacqueline Mowbray, The Right to Food and the International Economic System: An Assessment of the Rights-Based Approach to the Problem of World Hunger, 20 Leiden Journal of International Law 2007, S. 545, 562; Cephas Lumina, An Assessment of the Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund with Particular Reference to the World Bank’s Inspection Panel, 31 Journal for Juridicial Science 2006, S. 108, 124; Henry Schermers, The Legal Basis of International Organization Action, in: René-Jean Dupuy (Hrsg.), A Handbook on International Organizations, 2. Auflage 1998, S. 401 f.; Joost Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law: How WTO Law Relates to other Rules of International Law, 2003, S. 324. 122  A. Racke GmbH & Co. v Hauptzollamt Mainz, EuGH, Urteil vom 16.6.1998, Case C-162/96, ECR 1998 I-03655, Rz. 45; unter Verweis auf Anklagemyndigheden v Peter Michael Poulsen and Diva Navigation Corp., EuGH, Urteil vom 24.11.1992, Case C-286/90, ECR 1992 I-6019, Rz. 9: „As a preliminary point, it must be observed, first, that the European Community must respect international law in the exercise of its powers and that, consequently, Article 6 abovementioned must be interpreted, and its scope limited, in the light of the relevant rules of the international law of the sea.“ 123  Felice Morgenstern, Legal Problems of International Organizations, 1986, S. 32.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Für diese Ansicht wird vielfach die Rechtsprechung des IGH herangezogen. 1949 stellte das Gericht in seinem Gutachten zu „Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations“ fest: „[The United Nations Organization] is a subject of international law and capable of possessing international rights and duties […].“124

In dem Rechtgutachten „Interpretation of the Agreement of 25 March 1951 between the WHO and Egypt“ führte der IGH diesen Gedanken weiter: „International organizations are subjects of international law and, as such, are bound by any obligations incumbent upon them under general rules of international law, under their constitutions or under international agreements to which they are parties.“125

Auf den ersten Blick lesen sich diese Passagen als klare Befürwortung einer generellen völkerrechtlichen Bindung internationaler Organisationen. Allerdings darf gerade die zweite Passage nicht zu weit verstanden verstanden werden. Im Kontext des konkret zugrundeliegenden Sachverhaltes wollte der IGH mit diesem Satz vor allem begründen, warum die WHO kein im Verhältnis zum Willen der Mitgliedsstaaten überragendes absolutes Recht hat, die Sitze ihrer Regionalbüros frei zu bestimmen.126 Doch auch jenseits dieser konkreten Umstände deuten die Worte „any obligations incumbent upon them“ darauf hin, dass jedenfalls die Rechtspersönlichkeit für sich genommen noch nicht automatisch zu einer vollumfassenden Bindung an das allgemeine Völkerrecht führt, sondern dass diese eben nur insoweit besteht, wie die internationale Organisation konkret bestimmten völkerrechtlichen Pflichten unterworfen ist (sei es durch eingegangene völkerrechtliche Verträge, sei es durch auf sie anwendbares Gewohnheitsrecht).127 Hierfür spricht, dass auch das Völkergewohnheitsrecht eben kein universelles Recht in dem Sinne ist, dass es stets auf jedes Völkerrechtssubjekt 124  Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, IGH, Gutachten vom 11.4.1949, ICJ Reports 1949, S. 174, 179. 125  Interpretation of the Agreement of 25 March 1951 between the WHO and Egypt, IGH, Gutachten vom 20.12.1980, ICJ Reports 1980, S. 73, 89 f., Rz. 37. 126  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 332 f. 127  Jan Klabbers, Book Review: The UN and Human Rights: Who Guards the Guardians?, written by Guglielmo Verdirame, 11 International Organizations Law Review 2014, S. 235, 237; Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 426; Thomas Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht: Konstruktion und Elemente einer idealistischen Völkerrechtslehre, 2012, S. 590 f.; Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 333.



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht57

Anwendung findet. Vielmehr bezieht es sich auf der Aktiv- wie auf der Passivseite auf konkrete Adressaten (in der Regel: Staaten), was bereits auf den Entstehungsprozess von Völkergewohnheitsrecht zurückzuführen ist.128 Einschränkend ist jedoch anzuerkennen, dass eine Beteiligung eines konkreten Völkerrechtssubjekts am Entstehungsprozess einer gewohnheitsrechtlichen Norm nicht zwingend erforderlich ist, um eine Bindung entstehen zu lassen. Zwar wird vorgetragen, dass internationale Organisationen vor ihrer Gründung nicht an der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht mitwirken konnten, weswegen es nicht angemessen wäre, wenn sie bei ihrer Entstehung nun an dieses Recht gebunden wären. Entsprechende Vergleiche mit der Völkerrechtsbindung neu entstehender Staaten würden deshalb fehl gehen, weil diese zwar – auch in der Staatenpraxis – allgemein erkannt sei, ihre normative Grundlage jedoch nicht geklärt sei.129 Dieses Argument verkennt allerdings, dass eine Einigkeit über die normative Grundlage solch einer grundsätzlichen Bindung neuer Staaten, die zuvor gerade nicht an der Entstehung einer gewohnheitsrechtlichen Regel mitwirken konnten, keine Voraussetzung für die Annahme der Bindung selbst ist, so sie denn (was der Fall ist130) von der Staatengemeinschaft selbst als Gewohnheitsrecht akzeptiert wird. Gerade weil die für Völkergewohnheitsrecht erforderliche Staatenpraxis nicht alle Staaten umfassen muss, bindet bestehendes Völkergewohnheitsrecht auch neue Staaten als Mitglieder der internationalen Gemeinschaft.131

128  Albert Bleckmann, Zur Verbindlichkeit des allgemeinen Völkerrechts für internationale Organisationen, 37 ZaöRV 1977, S. 107, 110. 129  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 443 ff.; siehe auch Albert Bleckmann, Zur Verbindlichkeit des allgemeinen Völkerrechts für internationale Organisationen, 37 ZaöRV 1977, S. 107, 113. Zu den verschiedenen Begründungsansätzen für eine völkerrechtliche Bindung neuentstehender Staaten, siehe Hans Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts: Beitrag zu einer reinen Rechtslehre, 1920, S. 224 ff.; Friedrich Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 1960, S. 54; Christian Tomuschat, Obligations Arising for States Without or Against Their Will, 241 Recueil des Cours 1993, S. 195, 306. 130  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 447. 131  Tullio Treves, Customary International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. II, S. 937, 945, Rz. 38; Lassa Oppenheim/Hersch Lauterpacht, International Law: A Treatise, Vol. I, 8. Auflage 1955, S. 18; Christian Tomuschat, Obligations Arising for States Without or Against Their Will, 241 Recueil des Cours 1993, S. 195, 218 f., 306; Thomas M. Franck, The Power of Legitimacy Among Nations, 1990, S. 190 ff.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Nichts anderes kann für internationale Organisationen gelten: „[…] IOs and new states have a lot in common: they are independent actors on the international stage with the potential to undermine the international legal order if they are free to ignore international law.“132

Die Funktionsfähigkeit des Völkerrechts wäre ernsthaft in Gefahr, „[…] if there were white spots on the map with States not bound by any legal rule and therefore not legally prevented from acting in the most irrresponsible and irrational manner.“133

Internationale Organisationen (jedenfalls solche mit eigener internationaler Rechtspersönlichkeit) und Staaten teilen wichtige Eigenschaften. Sie agieren weitgehend unabhängig bzw. autonom auf der internationalen Ebene und genießen Immunität vor nationalen Gerichten.134 Ihre Subjektivität bzw. Rechte-Inhaberschaft besteht gegenüber allen Staaten, nicht nur gegenüber den eigenen Mitgliedern (so wie auch die Anerkennung eines Staates durch einen anderen für die Staatseigenschaft selbst nicht erforderlich ist, sofern die Kriterien der Drei-Elemente-Lehre erfüllt sind135).136 Hieraus folgt, dass solche internationalen Organisationen Staaten gewissermaßen ebenbürtig sind.137 Fraglich ist allerdings, ob sich daraus auch schließen lässt, dass internationale Organisationen ebenso wie Staaten an das allgemeine Völkerrecht gebunden sind. So betont der IGH im Reparation for Injuries-Gutachten, dass internationale Organisationen nicht wie Staaten agieren können, da sie zu einem bestimmten Zweck gegründet und dafür mit bestimmten Kompetenzen ausgestattet werden: 132  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 358. 133  Christian Tomuschat, Obligations Arising for States Without or Against Their Will, 241 Recueil des Cours 1993, S. 135, 306. 134  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 359 ff. 135  James Crawford, State, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Ency­ clopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 475, 477 ff., Rz. 13 ff. 136  Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, IGH, Gutachten vom 11.4.1949, ICJ Reports 1949, S. 174, 185, für die Vereinten Nationen: „[F]ifty States, representing the vast majority of the members of the international community, had the power, in conformity with international law, to bring into being an entity possessing objective international personality, and not merely personality recognized by them alone, together with capacity to bring international claims.“; Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 363. 137  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 359 ff.



E. Eigene Bindung der Organisationen an Völkergewohnheitsrecht59 „[T]he Court has come to the conclusion that the [United Nations] Organization is an international person. That is not the same thing as saying that it is a State, which it certainly is not, or that its legal personality and rights and duties are the same as those of a State.“138

In Anbetracht der zunehmenden Anzahl von Akteuren wie Privaten und aufständischen Gruppen, die jedenfalls partiell über gewisse Rechte und Pflichten verfügen können, wird die Anwendbarkeit allgemeiner völkerrechtlicher Regelungen umso umstrittener.139 Dementsprechend besteht möglicherweise kein Automatismus dahingehend, eine Völkerrechtssubjektivität an sich direkt mit einer Bindung an alle völkerrechtlichen Regelungen gleichzusetzen. Stattdessen könnte man meinen, dass internationale Organisationen nur an solches Völkergewohnheitsrecht gebunden sind, das seiner Materie nach im Zusammenhang mit ihrem eigenen Mandat steht. Dem ist jedoch mit Daugirdas engegenzuhalten, dass es auch für Staaten keine völkerrechtliche Regelung gibt, nach der ein Staat nur an solches Recht gebunden ist, das er auch faktisch verletzen kann – so bindet zum Beispiel das Seerecht gleichermaßen Küsten- wie Binnenstaaten.140 Nur weil ein Rechtsgebiet auf den ersten Blick irrelevant für einen bestimmten Staat oder eben eine internationale Organisation erscheint, bedeutet dies nicht, dass nicht in Zukunft entsprechende Rechtsverletzungen eintreten können, vor denen die internationale Gemeinschaft geschützt werden muss.141 So wäre es zumindest theoretisch denkbar, dass eine internationale Organisation wie die WIPO die Hoheitsgewässer von Staaten patroullieren würde, die nach Ansicht der Organisation das geistige Eigentum nicht hinreichend schützen, und in einer solchen Situation auch an das völkergewohnheitsrechtliche Seerecht gebunden sein muss.142

138  Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, IGH, Gutachten vom 11.4.1949, ICJ Reports 1949, S. 174, 179. 139  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 333; Christian Walter, Subjects of International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 634, 636, 638 f., Rz. 8 f., 15 ff.; Ibrahim Kanalan, Die universelle Durchsetzung des Rechts auf Nahrung gegen transnationale Unternehmen, 2015, S. 228 ff.; zur partiellen Völkerrechtssubjektivität von privaten Investoren, siehe Tillmann Rudolf Braun, Ausprägungen der Globalisierung: Der Investor als partielles Subjekt im Internationalen Investitionsrecht, 2012. 140  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 367. 141  Ibid. 142  Ibid.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Mitunter bedürfen völkergewohnheitsrechtliche Regeln zwar einer gewissen Adaption, um auf internationale Organisationen sinnvoll angewendet werden zu können (insbesondere Regelungen, die auf die Territorialgewalt eines Staates abstellen),143 dies schließt die grundsätzliche Bindung auf der Primärebene jedoch nicht aus. Dementsprechend ist eine internationale Organisation mit dem Zeitpunkt ihres Entstehens an das allgemeine Völkerrecht gebunden; es sei denn, eine solche Bindung wird mittels völkerrechtlichem Vertrag ausgeschlossen oder die Organisation kann sich als persistent objector erfolgreich gegen die Bindung zur Wehr setzen.144 Für jus cogens bestehen diese Ausweichmöglichkeiten von vorneherein nicht.145 Die bloße Existenz eines Gründungsvertrages der internationalen Organisation für sich betrachtet reicht dabei nicht aus, um von lex specialis auszugehen, welches das allgemeine Völkerrecht umfassend verdrängt.146 Lex specialis ist nur insoweit vorrangig, wie es eben eine spezielle Materie betrifft. Indes führt der Abschluss eines einfachen Vertrages nicht dazu, das gesamte Völkergewohnheitsrecht automatisch abzubedingen. Ansonsten müsste jeder Vertrag, wenn diese Rechtsfolge nicht eintreten soll, eine Bezugnahme auf alle sonstigen Regelungen des Völkerrechts enthalten; dies ist jedoch nicht nötig.147

IV. Zwischenergebnis Die letzten Abschnitte haben gezeigt, dass die Weltbank und der IWF eigenständige Völkerrechtssubjekte sind und daher als Mitglieder der internationalen Gemeinschaft grundsätzlich dem gleichen Völkergewohnheits143  Ibid.,

S.  380 f. 367 f.; zum Institut des persistent objector, siehe unter Teil 2, C. 145  Art. 53 WVK; Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 346, 380. 146  So entsprechendes Vorbringen der Weltbank und des IWF, siehe unten unter Teil 1, F. IV. 3. e) und 4. e). 147  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 379; Amoco International Finance Corporation v. Iran, Iran-United States Claims Tribunal, Teilschiedsspruch vom 14.7.1987, 15 Iran-US Claims Tribunal Reports 189, S. 222, Rz. 112 („As a lex specialis in the relations between the two countries, the Treaty supersedes the lex generalis, namely customary international law. This does not mean, however, that the latter is irrelevant in the instant Case. On the contrary, the rules of customary law may be useful in order to fill in possible lacunae of the ­Treaty, to ascertain the meaning of undefined terms in its text or, more generally, to aid interpretation and implementation of its provisions.“). 144  Ibid.,



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen61

recht unterworfen sind wie Staaten als originäre Völkerrechtssubjekte, soweit dies nicht vertraglich ausgeschlossen wurde oder sich die Organisation auf andere Weise der Bindung durch konkretes Völkergewohnheitsrecht entziehen konnte.

F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen innerhalb der Articles of Agreement im Lichte der Weiterentwicklung der Organisationspraxis und des Völkerrechts Zu fragen ist, ob die AoA der Weltbank und des IWF Beschränkungen enthalten, die einer völkerrechtlichen Bindung der Bretton-Woods-Institutionen an menschenrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Wie bereits festgestellt, enthalten die AoA keine Formulierungen, die auf eine Bindung der Organisationen an Menschenrechte hinweisen würden. Dies muss jedoch noch nicht bedeuten, dass eine solche Bindung von den Gründungsstaaten auch grundsätzlich ausgeschlossen werden sollte. Vielmehr ist auch der historische Kontext zu beachten, da nach dem Zweiten Weltkrieg gerade internationale Organisationen als wichtiges Mittel für die Schaffung eines anhaltenden Friedens, zum wirtschaftlichen Wiederaufbau und somit mittelbar auch für eine gesteigerte Lebensqualität der Bevölkerung gesehen wurden.148 Diese Umstände könnten dafür sprechen, dass die Staaten – als sie von einer expliziten Verpflichtung absahen – lediglich noch nicht voraussehen konnten, dass die Bretton-Woods-Institutionen Menschenrechte verletzen könnten; indes ließe sich daraus nicht ableiten, dass sie potentiellen Verletzungshandlungen gleichgültig gegenüber standen bzw. diese gestatten wollten.149 Als ein Hauptargument gegen eine menschenrechtliche Verantwortlichkeit werden gerade vonseiten der Weltbank und des IWF immer wieder die angeblich zu restriktiven Bestimmungen der jeweiligen Articles of Agreement (wie die Gründungsverträge dieser Organisationen genannt werden) angeführt, welche es den Institutionen mehr oder weniger explizit verbieten würden, Menschenrechte bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Im Sinne eines ultra vires-Verhaltens würden die Institutionen, so das Argument, sonst die ihnen verliehenen Befugnisse überschreiten. Mit dem Begriff ‚ultra vires‘ werden solche Handlungen umschrieben, für die keine rechtliche Kompetenz 148  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 345. 149  Ibid.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

besteht, gleich ob nur in Bezug auf das handelnde Organ oder auf die Organisation insgesamt.150 Im Folgenden werden zunächst die einschlägigen Bestimmungen der AoA von Weltbank und IWF näher beleuchtet. Im Anschluss wird dargelegt, inwieweit sich seit der Gründung der Organisationen sowohl der internationale Menschenrechtsschutz als auch die Organisationspraxis weiterentwickelt haben.

I. Articles of Agreement der Weltbank Die AoA der IBRD enthalten zwei Bestimmungen, welche darauf abzielen, die Weltbank von ‚politischen Erwägungen‘ abzuhalten. Die Integration dieser Regelungen im Laufe des Verhandlungsprozesses in Bretton Woods sind auf den US-Amerikaner Harry White und den Briten Lord Keynes zurückzuführen; und sollten wohl dazu dienen, die Neutralität der Institution im Hinblick auf politische Ideologien und Interessen zu betonen.151 1. Art. III Sektion 5(b) der Articles of Agreement „Use of Loans Guaranteed, Participated in or Made by the Bank: […] (b) The Bank shall make arrangements to ensure that the proceeds of any loan are used only for the purposes for which the loan was granted, with due attention to considerations of economy and efficiency and without regard to political or other non-economic influences or considerations.“152

Art. III Sektion 5(b) der AoA verpflichtet die Weltbank, dafür zu sorgen, dass die von den Staaten erhaltenen Gelder auch nur für die festgelegten Zwecke ausgegeben werden, ohne Rücksicht auf politische oder andere nichtökonomische Einflüsse oder Überlegungen. Gerade diese Bestimmung wird von Vertretern der Weltbank immer wieder als Argument gegen die Berücksichtigung von Menschenrechten herangezogen, da ihrer Meinung nach menschenrechtliche Aspekte, besonders im Hinblick auf bürgerliche und politische Rechte, als ‚political considerations‘ zu verstehen seien.154 150  UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 54 ff., Art. 8, Rz. 1. 151  Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank in a Changing World: Selected Essays, 1991, S. 71; siehe auch Hassane Cissé, Should the Political Prohibition in Charters of International Financial Institutions be Revisited?, 3 The World Bank Legal Review: International Financial Institutions and Global Legal Governance, 2012, S. 59, 60 f.; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 168 f. 152  Art. III Sektion 5(b) der AoA der Weltbank [Hervorhebung hinzugefügt].



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen63

2. Art. IV Sektion 10 der Articles of Agreement Ergänzt wird Art. III Sektion 5(b) der AoA durch eine weitere Bestimmung, die noch eindeutiger darauf abzielt, die Weltbank von politischen Erwägungen abzuhalten: „Political Activity Prohibited: The Bank and its officers shall not interfere in the political affairs of any member; nor shall they be influenced in their decisions by the political character of the member or members concerned. Only economic considerations shall be relevant to their decisions, and these considerations shall be weighed impartially in order to achieve the purposes stated in Article I.“154

Der erste Halbsatz von Art. IV Sektion 10 ähnelt Art. 2 Abs. 7 UN-Charta. Während Art. 2 Abs. 7 UN-Charta den Vereinten Nationen die Einmischung in die inneren Angelegenheiten („matters which are essentially within the domestic jurisdiction of any state“) verbietet, beziehen die AoA das entsprechende Verbot auf die politischen Angelegenheiten, wobei ‚politisch‘ als Gegenbegriff zu ‚ökonomisch‘ verwendet wird.

II. Articles of Agreement des IWF Die AoA des IWF enthalten keinerlei menschenrechtsbezogenen Bestimmungen. Während bei den AoA der IBRD von einem expliziten Verbot politischer Erwägungen gesprochen wird, soll dieses Verbot nach Ansicht des IWF impliziter Natur sein, da der IWF schlichtweg keinen Auftrag zum Schutz oder zur Stärkung der Menschenrechte habe.155 Art. IV (Obligations Regarding Exchange Arrangements) Sektion 3(b) S. 4 besagt: „These principles shall respect the domestic social and political policies of members, and in applying these principles the Fund shall pay due regard to the circumstances of members.“

Aus dieser Bestimmung wird (auch abseits von Deviseneinkommen, worauf sich diese Vorschrift eigentlich bezieht) ein Verbot abgeleitet, in diesem 153  Siehe Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Marginality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of Interna­ tional Law 2009, S. 647, 659. 154  Art. IV Sektion 10 der AoA der Weltbank [Hervorhebung hinzugefügt]. 155  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 115; Global Policy Forum, IMF Not Taking into Account Human Rights Issues, 13.8.2001, www.globalpolicy.org/component/content/article/ 209/42944.html; Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 297.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Kontext Fragen zur sozialen Entwicklung und generell zur Politik der Mitgliedsstaaten aufzuwerfen.156 Der Verweis auf die Sozialpolitik der Mitgliedsstaaten war nicht von Anfang an in den AoA enthalten, sondern wurde erst 1978 nachträglich eingefügt.157 François Gianviti, langjähriger General Counsel des IWF, argumentierte, dass der IWF kein Recht habe, den Zugang zu seinen allgemeinen Ressourcen (‚general resources‘) an Bedingungen zu knüpfen, welche die Kompetenzen des Fonds überschreiten würden. Ebenso wenig habe der IWF das Recht, den Zugang wegen Menschenrechtsverletzungen des Empfängerstaates zurückzuhalten, wenn der betreffende Staat die Bedingungen der AoA und der sonstigen IWF-Regularien erfüllt. Einer solchen Ausweitung der Kriterien stünde Art. V Sektion 3 (a) entgegen158: „The Fund shall adopt policies on the use of its general resources, including policies on stand-by or similar arrangements, and may adopt special policies for special balance of payments problems, that will assist members to solve their balance of payments problems in a manner consistent with the provisions of this Agreement and that will establish adequate safeguards for the temporary use of the general resources of the Fund.“159

Die Bedingungen für den Zugang zu Sondermitteln, wie jenen der Extend­ed Structural Adjustment Facility (ESAF) oder der Poverty Reduction and Growth Facility (PRGF) (2011 abgelöst durch die Extended Credit Facility (ECF)160), sind flexibler gehalten, da kein ‚balance of payments need‘, sondern ein ‚protracted balance of payments problem‘ erforderlich ist. Auch hier seien jedoch nach IWF-Ansicht allein makroökonomische Erwägungen von Belang.161

156  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 129. 157  Koen de Feyter, Self-Regulation, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 79, 87. 158  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 125. 159  Hervorhebungen hinzugefügt. 160  Zu dieser Entwicklung ausführlich unter Teil 3, B. I. 161  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 126, Fn. 34.



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen65

III. Die Entwicklung der internationalen Menschenrechte nach der Gründung der Bretton-Woods-Institutionen – Einschränkende Auslegung der Articles of Agreement im Lichte der Fortentwicklung des Völkerrechts nach Art. 31 Abs. 3 lit. c) der Wiener Vertragsrechtskonvention Wie das Völkerrecht im Allgemeinen, so ist auch die Auslegung einer vertraglichen Bestimmung wie dem Verbot politischer Erwägungen (welche sich jedenfalls in den AoA der IBRD findet) dem steten Wandel unterworfen. Die letzten Jahrzehnte haben eine derartige Entwicklung gerade des internationalen Menschenrechtsschutzes mit sich gebracht, dass diese im Vergleich zur Gründungszeit der Bretton-Woods-Institutionen einen grundlegend anderen Status innehaben. Das Völkerrecht lässt einen derartigen Bedeutungswandel grundsätzlich zu. So befand Max Huber als Schiedsrichter im Island of Palmas-Verfahren: „The same principle which subjets the act creative of a right to the law in force at the time the right arises, demands that the existence of the right, in other words its continued manifestation, shall follow the conditions required by the evolution of law.“162

In Anbetracht eines Vergleichs der Situation von 1944 mit der heutigen ist es rechtlich betrachtet nicht mehr möglich, dass ein Staat es als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten betrachtet, wenn ein internationaler Akteur im Umgang mit diesem Staat menschenrechtliche Erwägungen anstellt – dementsprechend fernliegend ist es auch, heute noch völkerrechtlich verbindliche Menschenrechte als „politische“ Erwägungen zu bezeichnen.163 Zwar sprechen die AoA gerade der Weltbank nicht von inneren, sondern von politischen Angelegenheiten, in die sich die Organisation nicht einmischen dürfe, doch folgen die Begriffe grundsätzlich einer ähnlichen Zielrichtung,164 sodass die beiden Konzepte nicht völlig getrennt voneinander zu betrachten sind. 162  Island of Palmas, Niederlande vs. USA, Schiedsspruch vom 4.4.1928, 2 UNRIAA 1949, S. 829, 845. 163  Andrew Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 2006, S. 143; Thomas Buergenthal, The World Bank and Human Rights, 31 Studies in Transnational Legal Policy 1999, S. 95 f., 97; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 112. 164  Gerade die Integration der oben genannten Regelungen in die AoA der IBRD sollten dazu dienen, die Unparteilichkeit der Institution im Hinblick auf politische Ideologien und Interessen zu betonen; Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank in a Changing World: Selected Essays, 1991, S. 71; siehe auch Hassane Cissé, Should the Political Prohibition in Charters of International Financial Institutions be Revisited?, 3 The World Bank Legal Review: International Financial Institutions and Global Legal Governance, 2012, S. 59, 60 f.; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) statuierte bereits 1923 die bis heute unveränderte Grundlage für die Bewertung, ob eine Materie als innere Angelegenheit (domaine réservé) zu betrachten ist: „The question whether a certain matter is or is not solely within the jurisdiction of a State is an essentially relative question; it depends upon the development of international relations.“165

Als die AoA verfasst worden sind, gab es keinen internationalen Menschenrechtskatalog; weder die Allgemeine Menschenrechtserklärung von 1948, noch die International Covenants von 1966. Sofern man also der Meinung wäre, dass Menschenrechte 1944 noch rein politische Erwägungen gewesen wären (wobei auch dies bei bestimmten Rechten wie dem Recht auf Leben zweifelhaft ist), so kann dies heute jedenfalls nicht der Fall sein – Menschenrechte wurden in ‚hartes‘ Recht gegossen.166 Somit wird Art. 31 Abs. 3 lit. c) der Wiener Vertragsrechtskonvention relevant, wonach bei der Auslegung eines Vertrages auch „jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz“ zu berücksichtigen ist. Art. 31 Abs. 3 lit. c) WVK behandelt die Auslegung eines Vertrages vor dem Hintergrund des gesamten Völkerrechts, sofern es sich um relevante Regeln handelt, die im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien anwendbar sind.167 Derartige Regeln erfordern keine besondere Beziehung mit dem auszulegenden Vertrag; es reicht aus, dass sie bei der Auslegung eines bestimmten Begriffs grundsätzlich Hilfestellung geben können.168 Die AoA von Weltbank und IWF müssen demnach im Einklang mit den von ihren Mitgliedsstaaten unterzeichneten Menschenrechtsverträgen ausgelegt werden.169

World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S.  168 f. 165  Nationality Decrees in Tunis and Morocco, StIGH, Gutachten vom 7.2.1923, PCIJ Series B, No. 4, S. 7, 24. 166  Siehe schon Hersch Lauterpacht, International Law and Human Rights, 1950, S.  176 ff.; Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 94 ff. 167  Mark E. Villiger, Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, 2008, Art. 31, Rz. 24. 168  Ibid., Rz. 24 f.; siehe auch Jean-Marc Sorel/Valérie Boré Eveno, Art. 31 (Convention of 1969), in: Olivier Corten/Pierre Klein (Hrsg.), The Vienna Conventions on the Law of Treaties, 2011, S. 804, 828 f., Rz. 47. 169  Anne Peters, Jenseits der Menschenrechte: Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, 2014, S. 424; dies., International Organizations and International Law, in: Jacob Katz Cogan/Ian Hurd/Ian Johnstone (Hrsg.), The Oxford Handbook of International Organizations, 2016, S. 33, 48; John D. Ciorciari, The Lawful Scope of Human Rights Criteria in World Bank Credit Decisions: An Interpretive Analysis of



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen67

Zwar findet die WVK direkt nur auf solche Verträge Anwendung, die nach dem Inkrafttreten der WVK abgeschlossen wurden (Art. 4 WVK). Jedoch hat Art. 31 WVK lediglich bereits zuvor bestehendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert, sodass auch die AoA von Weltbank und IWF dessen Bestimmungen unterliegen.170 Dementsprechend muss die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes und dessen Verrechtlichung berücksichtigt werden, wenn Begriffe wie ‚politische Erwägungen‘ ausgelegt und interpretiert werden. Diesen Vorgang fasste der IGH prägnant in seinem Namibia-Gutachten aus dem Jahr 1971 zusammen: „Mindful as [the Court] is of the primary necessity of interpreting an instrument in accordance with the intentions of the parties at the time of its conclusion, […] the Court must take into consideration the changes which have occurred in the supervening half-century, and its interpretation cannot remain unaffected by the subsequent development of law, through the Charter of the United Nations and by way of customary law. Moreover, an international instrument has to be interpreted and applied within the framework of the entire legal system prevailing at the time of the interpretation. In the domain to which the present proceedings relate, the last fifty years, as indicated above, have brought important developments. These developments leave little doubt that the ultimate objective of the sacred trust was the selfdetermination and independence of the peoples concerned. In this domain; as elsewhere, the corpus iuris gentium has been considerably enriched, and this the Court, if it is faithfully to discharge its functions, may not ignore.“171

Aus diesem Grund ist es (entgegen des Vorbringens mancher Vertreter der Bretton-Woods-Institutionen172) nicht mehr möglich, das Verbot politischer Erwägungen oder politischer Einmischungen so zu verstehen, dass die Berücksichtigung von Menschenrechten ausgeschlossen ist, da sich die Menschenrechte im Verlauf der letzten 70 Jahre von politischen oder moralischen hin zu rechtlichen Maßstäben entwickelt haben. Allerdings sprechen die AoA der Weltbank nicht nur von politischen Erwägungen, sondern wollen auch sonstige „non-economic influences or considerations“ verbieten (Art. III Sektion 5(b), in anderer Formulierung auch Art. IV Sektion 10 der AoA der IBRD). Rein dem Wortlaut nach umfasst the IBRD and IDA Articles of Agreement, 33 Cornell International Law Journal 2000, S. 331, 356. 170  Oil Platforms, Iran vs. USA, IGH, Urteil (Preliminary Objection) vom 12.12.1996, ICJ Reports 1996, S. 803, 812, Rz. 23; Kasikili/Sedudu Island, Botswana v. Namibia, IGH, Urteil vom 13.12.1999, ICJ Reports 1999, S. 1045, 1059, Rz. 18. 171  Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) Notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), IGH, Gutachten vom 21.6.1971, ICJ Reports 1971, S. 16, 31, Rz. 53 [Hervorhebungen hinzugefügt]. 172  Siehe hierzu unter Teil 1, F. IV. 3. und 4.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

die Kategorie ‚non-economic‘ zwangsläufig auch rechtliche Erwägungen. Fraglich ist aber, ob die Beschränkung auf rein ökonomische Gesichtspunkte im Sinne einer teleologischen Reduktion einschränkend ausgelegt werden muss. So ist weitgehend unzweifelhaft, dass die Bretton-Woods-Institutionen zum Beispiel keinem Staat Gelder zur Verfügung stellen können, der einen Völkermord begeht, aus dem Kredit einen Krieg finanziert, oder damit Rassendiskriminierung fördert.173 Aber selbst, wenn der Kredit zur Förderung des Wirtschaftswachstums eingesetzt wird, muss es entsprechende Grenzen geben: Andernfalls könnte die Weltbank einem um Hilfe ersuchenden Staat zur Förderung des Drogen- oder Menschenhandels raten, wenn dies zum Wirtschaftswachstum beitragen würde. Daher gilt, dass die Bretton-WoodsInstitutionen auch gewisse rechtliche Erwägungen berücksichtigen dürfen bzw. müssen. Von dieser Einschränkung ist der Weg hin zur Pflicht der Berücksichtigung von (zumindest elementaren) Menschenrechten nicht mehr weit. Dementsprechend würde eine Berücksichtigung menschenrechtlicher Erwägungen durch die Bretton-Woods-Institutionen kein Handeln ultra vires darstellen.174 Dies gilt umso mehr, wenn es darum geht, ob die Weltbank und der IWF selbst Menschenrechte in ihren Operationen verletzen dürfen. Aus den AoA und dem Verbot politischer, nicht-ökonomischer Erwägungen in Bezug auf die jeweiligen Staaten (selbst wenn man Menschenrechte als eben solche verstehen würde) lässt sich nicht automatisch schließen, dass auch die Organisationen selbst keine menschenrechtlichen Verpflichtungen treffen.175 Die Neutralität der Weltbank oder des IWF bezüglich der politischen Systeme der Zielstaaten (welche der zugrundeliegende Zweck der entsprechenden Bestimmungen in den AoA war) würde keineswegs dadurch beeinflusst, wenn diese sich bemühten, selbst keine aktiven Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Gerade in derartigen Situationen können sich die Organisationen umso weniger auf die angeblich zu restriktiven Bestimmungen der Gründungsstatute berufen; dem Sinn und Zweck nach dienten diese nie dazu, eigenes Handeln zu legitimieren, das sich tatsächlich nachteilig auf die Menschenrechtssituation vor Ort auswirkt. 173  Daniel D. Bradlow/Claudio Grossman, Limited Mandates and Intertwined Prob­lems: A New Challenge for the World Bank and the IMF, 17 Human Rights Quarterly 1995, S. 411, 428. 174  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 117. 175  Andrew Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 2006, S. 144.



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen69

IV. Die begrenzten Mandate der Bretton-Woods-Institutionen und ihre praktische ­Weiterentwicklung durch eine spätere Übung im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. b) der Wiener V ­ ertragsrechtskonvention Nach dem Blick auf die Bestimmungen der Gründungsverträge der BrettonWoods-Institutionen und auf die Fortentwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes soll im Folgenden untersucht werden, inwiefern sich auch diese Organisationen im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt haben, was möglicherweise ebenfalls zu einer anderen Lesart der AoA führen müsste. Zu den Völkergewohnheitsrecht darstellenden176 Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention gehört auch die Berücksichtigung „jede[r] spätere[n] Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht“ (Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVK). Eine solche spätere Übung kann zweierlei Funktionen haben: zum einen hilft sie dabei, den ursprünglichen Willen der Staaten beim Abschluss des Vertrages zu erforschen; zum anderen kann sie aber auch ein sichtbares Zeichen für dessen Weiterentwicklung sein.177 Dieser Auslegungsmethode wohnt somit ein dynamisches Element inne, sie kann die ursprüngliche Bedeutung einer Vertragsbestimmung ändern.178 Dabei verlangt der Begriff ‚jede spätere Übung‘, dass diese beständig und von einer gewissen Häufigkeit sein sollte.179 Die Übung kann, wenn es um die Interpretation der Statuten einer internationalen Organisation geht, gerade auch von Organen dieser Organisation ausgehen. So betonte der IGH in seinem Gutachten zu Certain Expenses of the United Nations die Aktivitäten der UN-Generalversammlung als Indikator für die Interpretation der UNCharta.180 Diese Ansicht bestärkte der IGH in seinem Namibia-Gutachten sowie in jenem zur israelischen Sperrmauer.181 Mithin kann auch das prakti176  Oil Platforms, Iran vs. USA, IGH, Urteil (Preliminary Objection) vom 12.12.1996, ICJ Reports 1996, S. 803, 812, Rz. 23; Kasikili/Sedudu Island, Botswana v. Namibia, IGH, Urteil vom 13.12.1999, ICJ Reports 1999, S. 1045, 1059, Rz. 18. 177  Julian Arato, Treaty Interpretation and Constitutional Transformation: Informal Change in International Organizations, 38 Yale Journal of International Law 2013, S.  289, 307 ff. 178  Mark E. Villiger, Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, 2008, Art. 31, Rz. 23. 179  Ibid., Rz. 22. 180  Certain Expenses of the United Nations (Article 17, paragraph 2, of the Charter), IGH, Gutachtern vom 20.7.1962, ICJ Reports 1962, S. 151, 178. 181  Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) Notwithstanding Security Council Resolution 276

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

sche Wirken von Weltbank und IWF im Laufe der Jahre in ihren Operationen, abgesegnet durch Entscheidungen der entsprechenden Organe, zur Beurteilung der Frage, ob Menschenrechte in der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind, eine wichtige Rolle spielen. 1. Die Gründungsjahre und Überblick über kommende Entwicklungen Als die Rahmenbedingungen für die Weltbank und den IWF im Juli 1944 in Bretton Woods entworfen wurden, war es das Ziel, die Auswirkungen des sich dem Ende nahenden Zweiten Weltkrieges abzufedern, den Wiederaufbau in Europa zu finanzieren, und die Wechselkurse zur Stärkung der Wirtschaft zu stabilisieren.182 Die Zeit, in der die Weltbank dem Wort ‚Reconstruction‘ im offiziellen Namen gerecht wurde, währte jedoch relativ kurz; schnell wurde sie in dieser Hinsicht durch den 1948 verabschiedeten Marshall-Plan (European Recovery Program) abgelöst.183 Als die UN-Menschenrechtskommission 1951 verschiedene UN-Organisationen einlud, einen Vertreter zu den Verhandlungen über den späteren ICESCR zu schicken, lehnten sowohl die IBRD als auch der IWF ab. Die IBRD begründete dies damit, dass „the activities of the International Bank do not bear directly upon the work of the Commission“. Der IWF schrieb: „While the work of the Commission on Human Rights is of great interest to the Fund, the limits set on our activities, by our Articles of Agreement do not appear to cover this field of work.“.184 Soziale und humanitäre Belange waren seinerzeit gerade kein Teil der Mandate der Bretton-Woods-Institutionen – diese sollten das Kerngeschäft der UNO werden, die ein Jahr später gegründet wurde.185 Dementsprechend finanzierte die Weltbank bis 1961 vor allem große Infrastrukturprojekte (wie im Energie- oder Transportsektor); im Agrar-, Erziehungs- oder Gesundheits(1970), IGH, Gutachten vom 21.6.1971, ICJ Reports 1971, S. 16, 22, Rz. 22; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, IGH, Gutachten vom 9.7.2004, ICJ Reports 2004, S. 136, 149, Rz. 27. 182  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 15. 183  Ibid. 184  UN-Dokument E/CN.4/534 (28.3.1951), Draft International Covenant on Human Rights and Measures of Implemenation, Co-operation between the Commission on Human Rights and the Specialized Agencies and other Organs of the United Nations in the Consideration of Economic, Social and Cultural Rights, Memorandum by the Secretary-General, S. 4 f. 185  David Kinley, Civilising Globalisation: Human Rights and the Global Economy, 2009, S. 134.



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen71

sektor war sie hingegen kaum aktiv.186 Nach der Gründung der International Development Association 1960 und der Aufnahme der Verminderung von Armut als ein Hauptziel in die Agenda (wenngleich nicht in die AoA) der Weltbank in den 1970er Jahren änderte sich dies.187 Die Aufgaben des IWF haben sich mit den Jahren weniger geändert, diese entsprechen immer noch im Wesentlichen den in Art. 1 der AoA genannten. Weggefallen ist die Überwachung der fixen Wechselkurse, nachdem das System der festen Kurse (inkl. der damit verbundenen Goldbindung) Anfang der 1970er Jahre aufgegeben wurde.188 Allerdings entwickelte sich das Hauptgeschäft des IWF von der kurzfristigen Lösung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten hin zu längerfristigen Programmen.189 Während in den ersten Jahrzehnten vor allem Industriestaaten die Dienste des IWF in Anspruch genommen haben, verschob sich der Fokus nach der Ölkrise der 1970er und der Schuldenkrise der 1980er Jahre auf ärmere Staaten – da deren Zahlungsbilanzschwierigkeiten stärker auf einen generell niedrigen Entwicklungsstand zurückgeführt werden können, entwickelte auch der IWF langfristigere Programme zur Strukturanpassung.190 1984 bezeichnete erstmals ein Geschäftsführender Direktor den IWF als Entwicklungsinstitution.191 2. Weltbank-Kontroverse um Kredite für Portugal und Südafrika in den 1960er Jahren – Ausführungen des UN Legal Counsel Während die Weltbank in den 1950er und 1960er Jahren vor allem Infrastrukturprojekte in Entwicklungsländern unterstützte (was bereits eine Abkehr von der ihr ursprünglich nach dem Zweiten Weltkrieg zugedachten Aufgabe darstellte), kamen zum Ende der 1960er Jahre auch Operationen im sozialen Sektor hinzu. Ende der 1970er bzw. zu Beginn der 1980er Jahre widmete 186  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 67. 187  Ibid. 188  Siehe hierzu ausführlicher Sabine Schlemmer-Schulte, Internationales Währungs- und Finanzrecht, in: Christian Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, S. 375, 392 f.; Andreas F. Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S.  524 ff. 189  Daniel D. Bradlow/Claudio Grossman, Limited Mandates and Intertwined Prob­lems: A New Challenge for the World Bank and the IMF, 17 Human Rights Quarterly 1995, S. 411, 420 f. 190  Daniel D. Bradlow, The World Bank, the IMF and Human Rights, 6 Transnational Law & Contemporary Problems 1996, S. 47, 70 f.; zur lateinamerikanischen Schuldenkrise, siehe ausführlicher unter Teil 3. B. I. 191  Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank and the IMF Relationship – Quo Vadis?, 35 The International Lawyer 2001, S. 1349, 1356.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

sich die Bank verstärkt den nichtprojektbezogenen Krediten (‚non-project lending‘), was auf volkswirtschaftliche Strukturanpassungsprogramme hinauslief. Solche Struktur- oder zumindest Sektoranpassungsprogramme sind inzwischen zur Regel geworden, und machen oft bis zur Hälfte der Darlehenstätigkeit der Bank aus.192 Im Kontext dieser Entwicklungen ist auch die Kontroverse um Kredite für Südafrika und Portugal in Anbetracht damaliger UN-Sanktionen gegen diese Staaten zu sehen. Die UN-Generalversammlung forderte die Bretton-WoodsInstitutionen in den 1960er Jahren mehrfach dazu auf, Südafrika und Portugal keine Finanzhilfen mehr zur Verfügung zu stellen, weil die Apartheid, respektive Portugals Kolonialpolitik, die UN-Charta verletzen würden.193 Die Weltbank stellte sich jedoch demgegenüber auf den Standpunkt, auf der Grundlage ihres Kooperationsabkommens mit der UNO nicht verpflichtet zu sein, diese Resolutionen zu befolgen, ganz besonders nicht jene, bezüglich derer die Bank zuvor nicht konsultiert wurde. Außerdem betrachtete die Bank eine Befolgung dieser Resolutionen auch deswegen als unangemessen, weil das Verbot politischer Überlegungen aus Art. IV Sektion 10 der AoA dem entgegenstünde.194 Das damalige Vorgehen wird bis heute auch vom IWF herangezogen, um zu unterstreichen, dass man nicht verpflichtet sei, Entscheidungen der UNO zu befolgen.195 Der Legal Counsel der UNO teilte damals diese Ansicht der BrettonWoods-Institutionen nicht. Er bezweifelte, dass Art. IV Sektion 10 der IBRDAoA für Situationen wie diese gedacht war: Dieser ziele darauf ab, Staaten vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten zu schützen, nicht jedoch, die Bank davon abzuhalten, es zu berücksichtigen, wenn ein Staat grundlegende internationale Verpflichtungen aus der UN-Charta verletze.196 192  Sabine Schlemmer-Schulte, Internationales Währungs- und Finanzrecht, in: Christian Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, S. 375, 409; Daniel D. Bradlow/Claudio Grossman, Limited Mandates and Intertwined Problems: A New Challenge for the World Bank and the IMF, 17 Human Rights Quarterly 1995, S. 411, 421. Zum Inhalt der Strukturanpassungsprogramme, siehe ausführlich unter Teil 3. B. 193  UN-Dokument A/RES/2054A(XX) (15.12.1965), Rz. 10; UN-Dokument A/ RES/2105(XX) (20.12.1965); Rz. 11; UN-Dokument A/RES/2270(XXII) (17.11.1967), Rz. 13; UN-Dokument A/RES/2307(XXII) (13.12.1967), Rz. 7. 194  Ibrahim Shihata, The World Bank in a Changing World: Selected Essays, 1991, S. 103; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 151. 195  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 27. 196  UN-Dokument A/C.4 SR 1653, abgedruckt in 6 International Legal Materials 1967, S. 171, 172.



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen73

3. Entwicklung der Weltbank ab den 1970er Jahren und die Ansichten der Rechtsabteilung In den 1970er Jahren begann die Weltbank von ihrem engen, rein wachstumsorientieren Entwicklungsbegriff abzuweichen und soziale Faktoren miteinzubeziehen. Dies geschah jedoch gerade dadurch, dass gewisse Begriffe entpolitisiert und mit dem Faktor des Wirtschaftswachstums verknüpft wurden.197 Das Tabu des ‚Politischen‘ blieb dabei weiterhin bestehen, wobei auch dieses zunehmend aufgeweicht wurde. Von Interesse sind im Zusammenhang der sich eventuell wandelnden Ansichten der Weltbank besonders die Texte des jeweiligen General Counsel, also des leitenden Juristen der Bank.198 Sobald dessen Gutachten, die sogenannten Legal Opinions, vom Executive Board angenommen werden, gelten sie als amtliche Auslegungen der AoA.199 a) Ibrahim F. I. Shihata (General Counsel 1983 – 1998) und die Präsidentschaft James Wolfensohns Der erste General Counsel, der sich in nennenswerter Weise zu Menschenrechten in der Arbeit der Bank äußerte, war Ibrahim Shihata. Er erkannte die grundsätzliche Bedeutung von Menschenrechten für Entwicklung an und bewertete die Rolle der Weltbank für wirtschaftliche und soziale Rechte durchaus positiv: „The Bank is joining hands with developing countries and other international agencies in the alleviation of poverty, in combating disease, malnutrition, illiteracy and in fighting for the preservation of the environment. […] the Bank is not only promoting economic and social human rights but is no doubt playing a catalytic role in creating conditions in which all basic rights can develop and flourish. […] no 197  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 4. 198  Der Einfluss des General Counsel darf jedoch auch nicht überschätzt werden. Dies hängt wohl in nicht unerheblichem Umfang damit zusammen, dass innerhalb der Bank die ökonomische Expertise der Volkswirte am höchsten geschätzt wird, während Juristen in der Regel, abgesehen vom General Counsel, keine führenden Positionen mit entsprechendem Einfluss einnehmen; auch die Bedeutung der Rechtsabteilung insgesamt ist mit der Zeit eher gesunken und stark von der Initiative und Person des jeweiligen General Counsel abhängig; Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Marginality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 673 ff.; dies., Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 102. 199  Daniel D. Bradlow, International Law and the Operations of the International Financial Institutions, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 1, 13.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

balanced development can be achieved without the realization of a minimum degree of all human rights […].“200

Zur Einbeziehung bürgerlicher und politischer Rechte positionierte sich Shihata hingegen zurückhaltender.201 Gerade das Verbot politischer Einmischung bewertete er hoch, wenngleich er Ausnahmen zuließ: „[The Articles] require the Bank to act prudently both in its borrowing and lending operations, and to pay due regard to the prospects that the borrower (and the guar­ antor, if any) will be able to meet their obligations. These requirements could hardly be met if the Bank were deprived of the ability to take into account the degree of political stability in the countries where it operates, or if it were to lend in situations where, due, for instance, to military occupation or civil strife, the staff would be unable to appraise the project, supervise its implementation or evaluate its performance.“202

Zur Interpretation des Verbots der politischen Einmischung, bzw. der politischen Erwägungen verwies Shihata auf die lexikalische Bedeutung von ‚political‘: „ ‚belonging to or taking a side in politics or in connection with the party system of government; in a bad sense, partisan; factions‘ as well as ‚the political principles, convictions, opinions or sympathies of a person or party.‘ “203

Dieser Definition folgend bliebe der Bank die Einmischung in die meisten staatlichen Angelegenheiten verwehrt, mit der Ausnahme von für die Bank relevanten, wirtschaftsbezogenen Teilgebieten wie dem Ressourcen- und Finanzmanagement.204 Neben solchen politischen Erwägungen, die direkte ökonomische Auswirkungen haben (wie die grundsätzliche Stabilität einer Regierung), erkennt Shihata zwar auch solche an, die aus bindenden internationalen Verpflichtungen herrühren – mit letzteren meinte Shihata jedoch lediglich bindende Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, welche die Bank infolge des Abkommens mit der UNO befolgen muss,205 nicht völkervertrags- oder gewohnheitsrechtliche Menschenrechte. Primär aus diesem Grund differenzierte Shihata in einer Legal Opinion zur Auslegung des Verbotes politischer Aktivitäten aus dem Jahr 1995 klar zwischen den verschiedenen Arten von Menschenrechten; seiner Meinung nach würden die AoA der Bank normalerweise verbieten, politische Rechte zu 200  Ibrahim Shihata, The World Bank in a Changing World: Selected Essays, 1991, S. 133 [Hervorhebungen hinzugefügt]. 201  Ibid., S.  98 ff. 202  Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank Legal Papers, 2000, S. 228 f. 203  Ibid., S. 261. 204  Ibid., S. 261. 205  Ibid., S.  265 f.



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen75

fördern (in so einem Fall würde die Bank dann ultra vires, also ohne rechtliche Ermächtigung handeln). Die Möglichkeit einer Ausnahme in Fällen von schweren Verletzungen politischer Rechte mit signifikanten ökonomischen Auswirkungen ließ er offen.206 Sobald es hingegen um wirtschaftliche und soziale Rechte geht, sah Shihata die Bank geradezu in einer Vorreiterposition – sie habe, in den Grenzen ihres Mandates, eine gewichtige Rolle in der Förderung dieser Rechte gespielt. Hier nannte Shihata unter anderem das Recht auf Entwicklung, das Recht auf Gesundheit, und auch das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, bzw. darauf, frei von Hunger zu sein (wobei er sowohl auf Art. 11 ICESCR, als auch auf verschiedene UN-Resolutionen Bezug nimmt). Dieses werde durch den Fokus der Bank auf die Armutsbekämpfung, Bildungs-, Gesundheits- und Ernährungsprogramme, Kleinindustrie sowie ländliche und städtische Entwicklungsprogramme gefördert.207 Zwar gäbe es in der Tat auch Weltbankprogramme, deren Erfolg für die Armutsbekämpfung bescheidener ausfiele (z. B. in Form von Agrarinvestitionen, die den Bedarf an Arbeitsplätzen vermindert und so die ländliche Armut gerade für Landlose verschlimmert oder die Rolle von Frauen im Produktionsprozess ignoriert hätten), dies sei aber nur in einem kleinen Teil der Operationen geschehen.208 Diese Positionierung Shihatas zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten stellte einen wichtigen Schritt der Bank hin zu einer eigenständigen Erweiterung des Mandats209 durch spätere Übung der Organisation dar. Shihatas Wirken führte innerhalb der Weltbank zu einigen Erweiterungen der Betätigung, bezüglich der Menschenrechte galt dies allerdings nur eingeschränkt.210 Während das Konzept der ‚Good Governance‘ zunehmende Bedeutung für die Operationen der Weltbank gewann,211 betonte Shihata, dass die Good Governance-Agenda nur insofern von Belang für die Weltbank sein, wie sie dem Wirtschaftswachstum zuträglich ist.212 Schon der Begriff der ‚gover206  Ibid.,

S.  233 ff. Shihata, The World Bank in a Changing World: Selected Essays, 1991,

207  Ibrahim

S.  109 ff. 208  Ibid., S. 114. 209  Siehe auch Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 267. 210  Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Margin­ ality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 659. 211  Siehe auch unter Teil 1, E. II. 2. 212  Vgl. Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank Legal Papers, 2000, S. 228 ff.; Gerhard Anders, Good Governance as Technology: Towards an Ethnography of the

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

nance‘ deutet – im Gegensatz zu einer Reform der ‚governments‘ – auf eine gewisse Depolitisierung hin, im Vordergrund stand das Management von administrativen und ökonomischen Ressourcen.213 In den frühen Neunzigerjahren kam innerhalb der Weltbank eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zusammen, bestehend aus afrikanischen Mitarbeitern des operativen Geschäfts, die darauf abzielte, innerhalb der Bank die Ansicht durchzusetzen, dass Menschenrechte ein integraler Bestandteil von Good Governance seien.214 Mitte bis Ende der 1990er war die Arbeitsgruppe untätig geworden, nicht zuletzt, weil der Versuch, die Bankmitarbeiter nachhaltig zu motivieren, sich für Menschenrechte einzusetzen, nicht von Erfolg gekrönt war.215 Ein wichtiger Meilenstein fällt jedoch in die Amtszeit Shihatas: Auf Bemühen von Nichtregierungsorganisationen wurde 1993 ein Inspection Panel eingerichtet, mit dessen Hilfe die lokale Bevölkerung Beschwerden an die IBRD richten kann.216 In den gleichen Zeitraum fallen die Annahme von Safeguard Policies bezüglich Zwangsumsiedlungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen und indigener Völker.217 1995 wurde James Wolfensohn Präsident der Weltbank, und versuchte sich gleich an mehreren Neuerungen. Ihm zufolge habe es drei bis vier Jahre gedauert, die Mitarbeiter allmählich davon zu überzeugen, dass die Menschenrechte im Kontext der Arbeit der Weltbank ein wichtiges Thema darstellen, auch wenn man hier wohl nicht von einem durchschlagenden Erfolg sprechen kann.218 Unter seiner Präsidentschaft veröffentlichte die Weltbank 1998 (zum 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte) ihren ersten offiziellen Report zum Zusammenhang zwischen Entwicklung und Menschenrechten. Diesem zufolge sei „creating the conditions for the attainment of human rights“ ein zentrales und irreduktibles Ziel von Entwicklung, und die Würde des Menschen ein Grundstein der HerangehensBretton Woods Institutions, in: David Mosse/David Lewis (Hrsg.), The Aid Effect: Giving and Governing in International Development, 2005, S. 37, 45. 213  Alvaro Santos, The World Bank’s Uses of the ‚Rule of Law‘ Promise in Economic Development, in: David Trubek/Alvaro Santos (Hrsg.), The New Law and Economic Development, 2006, S. 253, 269 f. 214  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 36 f. 215  Ein Mitglied der Arbeitsgruppe machte dafür die technokratische Grundeinstellung der Mitarbeiter verantwortlich, ibid., S.  37 f. 216  Siehe hierzu ausführlich unter Teil 4, F. II. 1. 217  Siehe hierzu ausführlich unter Teil 3, A. III. 218  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 38.



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weise der Weltbank.219 Eine rechtliche Verpflichtung der Weltbank wurde allerdings weder anerkannt, noch auch nur indiziert.220 Zum Recht auf einen angemessenen Lebensstandard verwies der Bericht lediglich auf die Erfolge der Weltbank in der Armutsbekämpfung.221 Hier bleibe langfristiges Wirtschaftswachstum das ‚sine qua non‘.222 Unter Wolfensohn wurde die Agenda der Weltbank gleichwohl wesentlich erweitert, vor allem im Bereich der Korruptionsbekämpfung. Vom Verbot der politischen Erwägungen sah sich Wolfensohn diesbezüglich nicht behindert, für ihn stellte die Korruptionsbekämpfung keine politische Frage dar, sondern eine soziale und wirtschaftliche.223 Auch für Pressefreiheit setzte Wolfensohn sich ein.224 Im September 1999 forderte er (ebenso wie der Deputy Managing Director des IWF, Stanley Fischer) die Regierung Indonesiens sogar aktiv auf, das Referendum in Ost-Timor anzuerkennen, und zeigte sich besorgt über die Menschenrechtslage.225 Einen weiteren Wendepunkt stellte der im Mai 2002 stattgefundene Bankinterne Workshop mit dem Titel „Human Rights and Sustainable Development: What Role for the Bank?“ dar.226 Zudem wurde eine Task Force aus Mitgliedern der verschiedenen Abteilungen der Bank installiert, um ein entsprechendes Papier auszuarbeiten.227 Eines der Mitglieder der Task Force 219  World Bank, Development and Human Rights: The Role of the World Bank, 1998, S. 2. 220  Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Margin­ ality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 660. 221  World Bank, Development and Human Rights: The Role of the World Bank, 1998, S. 5. 222  Ibid., S. 8. 223  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 4; siehe auch generell James Wolfensohn, Some Reflections on Human Rights and Development, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 19; Hassane Cissé, Should the Political Prohibition in Charters of International Financial Institutions be Revisited?, 3 The World Bank Legal Review: International Financial Institutions and Global Legal Governance, 2012, S. 59, 78 ff. 224  Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 164 f. 225  Ibid., S. 190; sehr kritisch Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 87, der diesbezüglich von einer politischen Instrumentalisierung der internationalen Finanzinstitutionen spricht, um Druck auf Indonesien auszuüben. 226  Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Margin­ ality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 660 („momentum for a human rights strategy“). 227  Ibid.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

hatte früher bereits als Kontaktpunkt der Weltbank bei der UN-Kommission für soziale Entwicklung fungiert und dort in Zusammenarbeit mit anderen UN-Organisationen die Principles and Good Practice in Social Policy verfasst, die im April 1999 vom Development Committee der Weltbank veröffentlicht wurden. Diese Richtlinien basierten allerdings bewusst nur auf allgemeinen Prinzipien bezüglich sozialpolitischer Ziele und vermieden jeden Hinweis auf rechtliche Verpflichtungen.228 Im Juni 2003 stellte die Task Force dem Committee on Development Effectiveness einen Hintergrundbericht vor, in dem die Annahme von menschenrechtlichen Prinzipien empfohlen wurde; dieser Bericht wurde vom Komitee allerdings nicht angenommen, wohl weil den Mitgliedern die Materie noch zu kontrovers erschien. Im Anschluss an das Komiteetreffen überwies Wolfensohn das Menschenrechtsportfolio an den Management Director, der für das Human Development Network zuständig war, was faktisch einer Aufwertung gleichkam (und von Entwicklungen innerhalb der IFC beeinflusst war).229 b) Robert Dañino (General Counsel 2003 – 2006) Als Ende 2003 Robert Dañino zum General Counsel ernannt wurde, legte dieser ein verstärktes Augenmerk auf Menschenrechte.230 Einer seiner ersten Akte, noch im gleichen Jahr, bestand in der Gründung einer Arbeitsgruppe für Menschenrechte.231 Im März 2004 veranstalteten die Vereinten Nationen und die New York University die Konferenz „Human Rights and Development: Towards Mutual Reinforcement“. Neben einer Keynote Address von Wolfensohn und Beiträgen mehrerer hochrangiger Vertreter der Weltbank gab auch Dañino hier bereits einen Einblick in seine Gedanken zum Thema.232 Dañinos Bemühungen gipfelten in seiner „Legal Opinion on Human Rights and the Work of the World Bank“, welche er an seinem letzten Arbeitstag im Januar 2006 ausgewählten Mitarbeitern der Weltbank zukommen ließ.233 228  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 39 f. 229  Ibid., S. 41. 230  Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Margin­ ality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 663. 231  Robert Dañino, The Legal Aspects of the World Bank’s Work on Human Rights: Some Preliminary Thoughts, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 509, 510. 232  Vgl. den Beitrag in der entsprechenden Konferenzpublikation, ibid. 233  Robert Dañino, Legal Opinion on Human Rights and the Work of the World Bank, 27.1.2006, www.ifiwatchnet.org/sites/ifiwatchnet.org/files/DaninoLegalOpi-



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Hierbei handelte es sich um die erste entsprechende Legal Opinion nach der von Shihata.234 Ausgehend von den in Art. I der AoA aufgelisteten Zielen der Weltbank235 konstatierte Dañino: „[T]he Bank’s mission consists of the alleviation of poverty through economic growth and social equity. This conception of the alleviation of poverty has an especially strong human rights dimension.“236 Seiner Meinung nach steht dem das Verbot politischer Erwägungen in Art. III Sektion 5 b AoA nicht entgegen: „Only economic considerations are relevant to the decisions of the Bank and its officers. Nevertheless, the Bank has accepted that issues of governance are relevant for purposes of economic analysis and it is now widely recognized that there are a host of factors including social, environmental and political elements that may affect economic growth. The Bank should therefore rely upon an analysis of all the factors that can affect its investments and other activities including a comprehensive perspective of the country conditions. […] substantial violations of political and civil rights are related to lower economic growth. Similarly, it has long been recognized in the Bank that political considerations can have economic effects. […] Where the Bank is involved in lending or advising on development policy issues a comprehensive understanding of the country context is critical: this could include knowledge of a wide range of relevant social, institutional and political factors, including human rights. It is therefore consistent with the Articles that the decisionmaking processes of the Bank incorporate human rights and any other relevant input which may have an impact on its economic decisions. The types of human rights that are relevant for the making of economic decisionswill depend on the circumstances of each case. It is well understood that there exists an interconnection among economic, social and cultural rights on the one hand, and civil and­ political rights on the other. This is consistent with the widely supported international legal principles of indivisibility, interdependency and interrelatedness of all human rights.“237

Gerade auch der Verweis auf die Unteilbarkeit der Menschenrechte stellt einen erheblichen Fortschritt zu den Ansichten Shihatas dar,238 der noch auf nion0106.pdf; siehe auch Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 62 ff. 234  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 63. 235  Robert Dañino, Legal Opinion on Human Rights and the Work of the World Bank, 27.1.2006, www.ifiwatchnet.org/sites/ifiwatchnet.org/files/DaninoLegalOpinion0106.pdf, S. 2, Rz. 4. 236  Ibid., S. 3, Rz. 7 [Fußnoten im Zitat entfernt]. 237  Ibid., S. 4 f., Rz. 9 ff. [Hervorhebungen hinzugefügt; Fußnoten im Zitat entfernt]. 238  Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Marginality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 663 f.

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gewisse Grenzen der Berücksichtigung bürgerlicher und politischer Rechte bestand.239 Ebenso wenig verhindere das Verbot der „political interference“ aus Art. IV Sektion 10 AoA eine Berücksichtigung von Menschenrechten: „Neither of these limitations would prevent the Bank from considering non-economic issues, including human rights, that have economic consequences or implications, provided this is done in a non-partisan, non-ideological and neutral manner, and so long as these are related to projects the Bank aims to support. […] This view of the Articles’ political prohibition reflects the understanding of political interference in the evolving international law on sovereignty. […] The balance has therefore shifted in favor of protecting human rights, with the concept of sovereignty having itself been transformed by the evolution of human rights standards and the pursuit of human rights enforcementat all levels of international law in global, regional and domestic fora.“240

Bei der Frage, wann die Berücksichtigung von Menschenrechten der Bank lediglich gestattet und wann die Bank dazu verpflichtet ist, differenzierte Dañino drei Stufen: „[Stufe 1:] Where member countries have human rights law obligations that they wish to fulfill, the Bank may play a supportive role in assisting them. […] Similarly, the Bank can, quite properly, support national development plans or instruments such as Poverty Reduction Strategy Papers, which include human rights. This would enable the Bank to facilitate the realization ofhuman rights in partnership with its members, but would not entail the Bank imposing human rights obligations on them. [Stufe 2:] Where violations or non-fulfillment of obligations are at issue, and where these have an economic impact, the Bank should take these into consideration. Furthermore, if a human rights violation leads to a breach of international obligations relevant to the Bank, such as those created under binding decisions of the UN Security Council, the Bank should also take those violations into account. […] The approach outlined here requires balance, moderation and engagement. Furthermore, as a development institution, the Bank should avoid imposing a ‚double punishment‘ on the people of its member countries by withholding development assistance from those already disadvantaged by their countries’ poor human rights records. […] [Stufe 3:] However, in egregious situations, where extensive violations of human rights reach pervasive proportions, the Bank should disengage if it can no longer achieve its purposes.“241

239  Ibrahim Shihata, The World Bank in a Changing World: Selected Essays, 1991, S. 109. 240  Robert Dañino, Legal Opinion on Human Rights and the Work of the World Bank, 27.1.2006, www.ifiwatchnet.org/sites/ifiwatchnet.org/files/DaninoLegalOpin ion0106.pdf, S. 6 f., Rz. 14 ff. [Hervorhebung hinzugefügt, Fußnoten entfernt]. 241  Ibid., S. 7 f., Rz. 19 ff. [Hervorhebungen hinzugefügt].



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen81

Wesentlich ist, dass Dañino hier zwar zu dem Schluss kam, dass die Weltbank Menschenrechte berücksichtigen kann und oftmals sollte, er jedoch eine positive Rolle im Sinne eines „enforcement“ ausschloss: „Finally, it should be clear that the Bank’s role is not that of an enforcer of human rights obligations. […] Rather, the Bank’s role remains one of supportive coopera­ tion with its members in the realization of human rights.“242

Diese Verantwortung überlässt er ausdrücklich den Mitgliedsstaaten sowie anderen internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, insbesondere deren Menschenrechtskörpern. Die Legal Opinion schloss mit den Sätzen: „[T]he Bank has a significant role in helping member countries in the substantive realization of their human rights obligations in areas that fall within the remit of its mandate and where development activities and human rights are deeply interrelat­ ed. […] In conclusion, the Articles of Agreement permit, and in some cases require, the Bank to recognize the human rights dimensions of its development policies and activities since it is now evident that human rights are an intrinsic part of the Bank’s mission.“243

Dieser Legal Opinion wurde innerhalb der Weltbank recht unterschiedlich begegnet, vor allem aber wurde sie, insbesondere da sie nicht offiziell angefordert worden war, als persönliche Meinung Dañinos angesehen.244 Weil nach Art. IX der AoA Zweifelsfragen über die Auslegung der AoA den Direktoren bzw. dem Gouverneursrat zur Entscheidung zu unterbreiten sind, kommt der Legal Opinion eines General Counsel keine eigenständige Interpretationskraft zu, sie kann lediglich der zuständigen Stelle als Richtlinie oder Hilfe dienen.245 So darf ein General Counsel seine Legal Opinions ohne die Zustimmung des Boards gar nicht erst veröffentlichen.246 Dementsprechend fand die Legal Opinion, die Dañino lediglich Mitgliedern der Rechtsabteilung und einigen anderen ausgewählten Beamten zugesandt hatte, nur

242  Ibid.,

S. 7 f., Rz. 23. S. 8 f., Rz. 24 f. [Hervorhebung hinzugefügt]. 244  Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Margin­ ality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 665 f. 245  Ibid., S. 666. 246  World Bank, The World Bank Policy on Disclosure of Information, 2002, http://siteresources.worldbank.org/OPSMANUAL/Resources/DisclosurePolicy.pdf, Rz. 75. Shihata durfte seine Legal Opinions und Memoranden als Buch (The World Bank Legal Papers, 2000) veröffentlichen, weil er dafür eine Sondergenehmigung der Executive Directors hatte, siehe Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Marginality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 667. 243  Ibid.,

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den Weg in die Öffentlichkeit, weil NGOs eine Kopie zugespielt wurde und diese sie anschließend publik machten.247 Unabhängig davon ist zwar positiv anzumerken, dass Dañino die Bedeutung der Menschenrechte betonte und auch in den AoA kein Hindernis sah. Die Frage, inwieweit die Weltbank durch eigene Handlungen oder Entscheidungen selbst die Menschenrechte aktiv verletzt, ließ er hingegen nicht nur offen, er stellte sie erst gar nicht. c) Ana de Palacio (General Counsel 2006 – 2008) Mit Dañinos Nachfolgerin im Amt des General Counsels, der früheren spanischen Außenministerin Ana de Palacio, wurde die grundsätzlich positive menschenrechtliche Entwicklung ein Stück weit gebremst. Wenn sie auch gewisse Schlussfolgerungen Dañinos anerkannte, so blieben ihre eigenen doch zurückhaltend: „Although the Bank’s pronouncements on human rights have always been broadly supportive, they never affirmed in concrete terms that the Bank had a specific role to play in relation to human rights as legal principles, or as legal obligations. […] The World Bank has a significant role in helping its Members in the substantive realization of their human rights obligations in areas that fall within its mandate, and where development activities and human rights are interrelated. However, in fulfilling this role, the Bank must also respect the legal limits imposed by its Articles of Agreement.“

Sie erkannte allerdings durchaus an, dass die Bank in ihrem Entscheidungsprozess Menschenrechte berücksichtigen kann und manchmal auch sollte: „First, many areas of Bank activity have a human rights dimension. […] The Bank contributes to the realization of human rights in these different areas, even though its policies, programs and projects have never been explicitly or deliberately aimed towards the realization of human rights. Second, there is a need for recognition of the role of human rights as legal principles, which may […] provide a normative baseline against which to assess development policies and programming. Third, there should be a clear understanding that in certain cases and under certain circumstances, human rights generate actionable legal obligations. Such obligations may arise from international treaties, or from rights enshrined in national laws. Here the Bank’s role is to support its Members to fulfill those obligations where they relate to Bank projects and policies. From an internal perspective, the Bank’s analytical work can benefit from a systematic inclusion of human rights considera247  Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Margin­ ality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647, 667.



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen83 tions and the broadened range of legal analysis these require. Areas such as governance or the legal empowerment of the poor are particularly relevant in this respect. […] Human rights can help secure and strengthen their ability to claim rights and entitlements and take advantage of opportunities. From the perspective of the Bank’s mandate, the international human rights framework can help inform a broad and comprehensive interpretation of legal empowerment of the poor that encapsulates both poverty reduction and governance initiatives.“248

Weitere Äußerungen Palacios deuten daraufhin, dass die Weltbank zwar von anderen Organisationen und auch Geberländern lernen möchte, sich jedoch weiterhin nicht in der Verantwortung sieht, eine Vorreiterrolle zu übernehmen: „From an external perspective, this approach requires us to strengthen collabora­ tion with our partners in the broader UN family and with other international actors who have a comparative advantage in this area.“249

d) Anne-Marie Leroy (General Counsel 2009 – heute) Die heutige Inhaberin des Postens des General Counsel, Anne-Marie Leroy, hat sich bisher nicht umfassend zu ihrer Menschenrechtspolitik für die Weltbank geäußert. Auf Vorschläge zweier Sonderbeauftragter des UNMenschenrechtsrats hat Leroy jedoch in einem Brief, gemeinsam mit dem Vizepräsidenten für die afrikanische Region, geantwortet: „[O]nly economic considerations – meaning those that have a direct and obvious economic effect relevant to the Bank’s work – can be taken into account in deci­ sions by the Bank and its officers. Therefore, in our view, your suggestion goes beyond the bounds of the Bank’s institutional mandate.“250

In einem weitereren Brief versuchte Leroy, sich von Dañinos Legal Opin­ ion aus dem Jahr 2006 zu distanzieren, indem sie darauf verwies, dass diese dem Board of Executive Directors weder vorgestellt worden, noch von diesem gutgeheißen worden sei, und dementsprechend nicht als Strategie der Bank gesehen werden sollte.251

248  Weltbank/Ana Palacio, The Way Forward: Human Rights and the World Bank, Oktober 2006, http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/TOPICS/EXTLAWJ USTICE/0,,contentMDK:21106614~menuPK:445673~pagePK:64020865~piPK:1491 14~theSitePK:445634,00.html [Hervorhebungen hinzugefügt]. 249  Ibid. 250  Zitiert nach Philip Alston, UN-Dokument A/70/274 (4.8.2015), Report of the Special Rapporteur on Extreme Poverty and Human Rights, Rz. 11. 251  Ibid.

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Auf der anderen Seite zeigt sich Leroy als Unterstützerin des Engagements der Weltbank im criminal justice-Bereich.252 In einem Rechtsgutachten zum Thema führt sie aus, dass Mitgliedsstaaten an Unterstützung der Bank im criminal justice-Sektor interessiert seien, womit all jene Institutionen, Abläufe und Dienstleistungen gemeint seien, die für Prävention, Untersuchung, Adjudikation, Behandlung und Reaktionen auf illegales Verhalten verantwortlich sind.253 In diesem Zusammenhang betonte Leroy, wie sich das Verständnis der Weltbank von Entwicklung in den letzten 60 Jahren geändert hat: „As currently defined, the Bank’s mission consists of the alleviation of poverty through economic growth and equity within a society. This approach to the alleviation of poverty understands poverty as multidimensional. Development is no longer confined to economic development narrowly defined, but encompasses broad areas of human development, social development, education, protection of global public goods, governance and institutions, as well as issues such as inclusion and cohesion, participation, accountability and equity.“254

Im Folgenden argumentierte Leroy, dass Verbrechen und Gewalt sich als ernsthafte Hindernisse für nachhaltiges Wirtschaftswachstum herausgestellt hätten, und die Armen einer Gesellschaft überproportional stark beträfen – aufgrund dieser Verknüpfungen gestatte das Mandat der Weltbank entsprechende Aktivitäten.255 Die politische Dimension stünde bei criminal justice – im Gegensatz zu etwaigen Maßnahmen der Bank zur Demokratisierung – nicht im Vordergrund.256 Leroys Ausführungen mündeten in dem Fazit: „Given the political dimensions of the criminal justice sector, one possible stance for the Bank would be to avoid involvement in the sector altogether. In my view, however, a blanket prohibition on Bank involvement in the sector on political interference grounds would be overly broad. No Bank intervention, even in such traditional areas as infrastructure, is immune from political implications that may draw the Bank unwittingly into factional debate. Many activities in the criminal justice sector could be supported by the Bank with little or no risk of political interference.“257 252  Zu dieser Thematik siehe auch Hassane Cissé, Should the Political Prohibition in Charters of International Financial Institutions be Revisited?, 3 The World Bank Legal Review: International Financial Institutions and Global Legal Governance, 2012, S. 59, 69 f. 253  Weltbank/Anne-Marie Leroy, Legal Note on Bank Involvement in the Criminal Justice Sector, 9.2.2012, http://siteresources.worldbank.org/INTLAW JUSTINST/ Resources/CriminalJusticeLegalNote.pdf, Rz. 1, 5. 254  Ibid., Rz. 10 [Fußnoten im Zitat entfernt]. 255  Ibid., Rz. 11 f., 15. 256  Ibid., Rz. 22. 257  Ibid., Rz. 26.



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen85

Diese Wertungen zeigen, wie schwer sich die Weltbank noch tut, wenn es um menschenrechtliche Überlegungen geht. Während einige Bereiche innerhalb der Weltbank seit Jahren stetig an Bedeutung gewinnen, wie die Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche oder criminal justice, wird weiterhin vermieden, die Rolle der Menschenrechte deutlicher anzuerkennen und zu stärken. Gerade das Engagement zu criminal justice zeigt, dass man hier wohl von künstlichen Aufspaltungen sprechen kann: Bei ausgesuchten, ebenfalls in ähnlichem Sinne ‚politischen‘ Thematiken werden, um eine Befassung der Bank damit zu rechtfertigen, Argumente angeführt, die ohne Weiteres auch auf die Einbeziehung von Menschenrechten übertragbar wären.258 e) Äußerungen der Weltbank zu den ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations Im Jahr 2011 äußerte sich die Weltbank im Rahmen der UN-Völkerrechtskommission, welche internationale Organisationen um Anmerkungen zu den Draft Articles on the Responsibility of International Organizations gebeten hatte. Da diese Artikel, aufbauend auf der Arbeit der ILC zur Staatenverantwortlichkeit, aufzeigen sollen, inwieweit internationale Organisationen für Verletzungen des Völkerrechts haftbar sind, sind entsprechende Äußerungen vonseiten der Weltbank wichtige Indikatoren dafür, wie diese zur Frage der eigenen Bindung an allgemeines Völkerrecht steht. In ihren Äußerungen betonte die Weltbank die Bedeutung ihrer Gründungscharta als lex specialis, welches allgemeinem Völkerrecht vorginge: „In paragraph (5) of the commentary to draft article 4, one reads that ‚it would be questionable to say that the internal law of the organization always prevails over the obligation that the organization has under international law towards a member State‘. Again, as the internal law of the organization is, as a rule, the most significant component (when not the whole) of lex specialis, will not a special rule prevail over all international obligations other than those deriving from jus cogens? We cannot think of any dispositive (as opposed to peremptory) norm that would constitute an exception, precisely because, on any matter that is not governed by a peremptory norm, a general obligation is qualified and superseded by special law, this being the very purpose of special law.“259 258  UN-Dokument A/70/274 (4.8.2015), Report of the Special Rapporteur on Extreme Poverty and Human Rights, Rz. 12, 20 f.; Guardian Online, Senior UN official castigates World Bank over its approach to human rights, 22.10.2015, www.theguar dian.com/global-development/2015/oct/22/world-bank-human-rights-un-special-rap porteur-philip-alston. 259  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/637 (14.2.2011), S. 41.

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Hierbei verkannte die Weltbank allerdings, dass die bloße Existenz ihres Gründungsvertrages nicht ausreicht, um von lex specialis auszugehen, welches das allgemeine Völkerrecht umfassend verdrängt. Lex specialis ist vielmehr nur insoweit vorrangig, wie es eine spezielle Materie betrifft; der Abschluss eines einfachen Vertrages führt nicht dazu, dass das gesamte Völkergewohnheitsrecht automatisch abbedungen wird.260 4. Entwicklungen innerhalb des IWF Im Vergleich zur Weltbank agieren der IWF und mit ihm die General Counsels261 noch zurückhaltender, wenn es um die Rolle der Menschenrechte für die Institution geht, nicht nur in den Schlussfolgerungen, sondern bereits in der Häufigkeit entsprechender Äußerungen. Dementsprechend gibt es vonseiten des IWF auch keine offiziellen Legal Opinions, die man zur Untersuchung der Ansichten der Organisation heranziehen könnte. a) Allmähliche Weiterentwicklung des Mandats Ähnlich wie die Weltbank hat sich auch der IWF im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt. Das ursprüngliche Mandat des IWF lag den Menschenrechten noch ferner als das der Weltbank, da der IWF kein Projektkreditgeber und nicht in Sektoraktivitäten eingebunden war: Im Gegensatz zur Weltbank war der IWF keine Entwicklungsinstitution (development agency), sondern eine Währungsinstitution (monetary agency).262 Dementsprechend hatte der 260  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 379; Amoco International Finance Corporation v. Iran, Iran-United States Claims Tribunal, Teilschiedsspruch vom 14.7.1987, 15 Iran-US Claims Tribunal Reports 189, S. 222, Rz. 112 („As a lex specialis in the relations between the two countries, the Treaty supersedes the lex generalis, namely customary international law. This does not mean, however, that the latter is irrelevant in the instant Case. On the contrary, the rules of customary law may be useful in order to fill in possible lacunae of the Treaty, to ascertain the meaning of undefined terms in its text or, more generally, to aid interpretation and implementation of its provisions.“); siehe schon unter Teil 1, E. III. 261  Die Rolle der General Counsels des IWF entspricht im Wesentlichen derer bei der Weltbank, wobei beim IWF zusäzlich auch das Board of Executive Directors Äußerungen zur Interpretation der AoA veröffentlicht, Daniel D. Bradlow, Internatio­ nal Law and the Operations of the International Financial Institutions, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 1, 13. 262  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 116. Siehe hierzu auch Mac Darrow, Between Light and Sha-



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IWF keine Entscheidungsgewalt über die innere Politik, ebenso wenig war Wirtschaftswachstum ein Faktor, der in Entscheidungen berücksichtigt werden durfte.263 Seit den 1950er Jahren hat sich das Mandat und die tatsächliche Tätigkeit des IWF allmählich gewandelt: ‚Kerngeschäft‘ ist immer noch die Unterstützung bei der Zahlungsbilanz – wenngleich diese nunmehr flexibler gehandhabt wird –, aber mittlerweile achtet der IWF stärker auf die Bedürfnisse von Entwicklungsländern und überwacht auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitglieder.264 1974 etablierte der IWF die Extended Fund Facility (EFF) als Vehikel für die langfristige Zahlungsbilanzunterstützung (rückzahlbar innerhalb von bis zu zehn Jahren) für jene Länder, deren Probleme große Strukturreformen erforderten (wobei man vor allem an Entwicklungsländer dachte).265 Jenen Entwicklungsländern mit einem besonders niedrigen Pro-Kopf-Einkommen sollte durch Maßnahmen wie Vorzugskredite (concessional loans) zu besseren Bedingungen als Marktkredite sowie outright grants geholfen werden: Die Poverty Reduction and Growth Facility gewährte günstige Kredite; die Facility for Heavily Indebted Poor Countries verteilt Zuschüsse, die den Staaten helfen sollen, ihre Schulden zu bedienen.266 Durch den 1978 neugefassten267 Art. IV der AoA sind die Mitgliedsstaaten nunmehr nach Sektion 1(i) auch verpflichtet, ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik darauf auszurichten, planmäßig wirtschaftliches Wachstum mit angemessener Preisstabilität zu fördern: „Recognizing that the essential purpose of the international monetary system is to provide a framework that facilitates the exchange of goods, services, and capital among countries, and that sustains sound economic growth, and that a principal objective is the continuing development of the orderly underlying conditions that are necessary for financial and economic stability, each member undertakes to collaborate with the Fund and other members to assure orderly exchange arrangements and to promote a stable system of exchange rates. In particular, each member shall: dow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 51 f. 263  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 116. 264  Ibid., S.  116 f. 265  Andreas F. Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 550. 266  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 117. 267  Zu der Neufassung insgesamt, siehe Andreas F. Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 534 ff.

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(i) endeavor to direct its economic and financial policies toward the objective of fostering orderly economic growth with reasonable price stability, with due regard to its circumstances; […].“268

Auch der Begriff ‚sound economic growth‘ im ersten Satz wurde nachträglich hinzugefügt; nun erkennen die AoA ausdrücklich Wirtschaftswachstum als ein Kriterium für das Funktionieren des Weltwährungssystems an.269 1995, im Rahmen des World Summit for Social Development, brachten die Vertreter des IWF deutlich zum Ausdruck, dass ihr Fokus mittlerweile auf dem allgemeinen Wirtschaftswachstum liegt: „Social development requires a strategy of high-quality economic growth, macro­ economic stability, which generates low inflation, and promotion of the agricultural sector, where many of the poor work. A strategy of high-quality growth comprises a comprehensive package of policies encompassing four elements: (i) macroeconom­ ic policies aimed at a stable and sustainable macroeconomic environment; (ii) structural policies aimed at a market-based environment for trade and investment; (iii) sound social policies, including social safety nets to protect the poor during periods of economic reform, cost-effective basic social expenditures, and employment-generating labor market policies; and (iv) good governance through account­ able institutions and a transparent legal framework, and participatory development through active involvement of all groups in society.“270

Weiterhin begann der IWF, verstärkt Good Governance, die gesellschaftliche Rolle der Frau sowie Umweltbelange zu berücksichtigen.271 b) Äußerungen des IWF im Zusammenhang mit Staatenpflichten der Salomonen unter dem ICESCR im Jahr 1999 1999 äußerte sich ein Vertreter des IWF, Grant B. Taplin, im UN-Ausschuss für wirtschaftliche und soziale Rechte im Zusammenhang mit der Situation auf den Salomonen. Der Aussschuss hatte kritisiert, dass die Salomon-Inseln, die seit dem Beginn ihrer Mitgliedschaft keinen Bericht eingereicht hatten, eines der ärmsten Staaten der Westpazifikregion seien. Dabei 268  Hervorhebungen

hinzugefügt. Garritsen de Vries, The International Monetary Fund 1972  – 1978, Cooperation on Trial, Volume II: Narrative and Analysis, 1985, S. 754; François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 133. 270  IWF, Social Dimensions of the IMF’s Policy Dialogue, Prepared by the Staff of the International Monetary Fund for the World Summit for Social Development, IMF Pamphlet Series No. 47, 1995, S. 5. 271  Ibid., S. 175 ff.; zum Governance-Engagement des IWF, siehe auch Teil 1, E. II. 2. 269  Margaret



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stellte er auch fest, dass das Land durch die von Gläubigerstaaten und internationalen Finanzinstitutionen auferlegten Verpflichtungen gehindert werde, seine Verpflichtungen unter dem ICESCR zu erfüllen.272 Der Vertreter der Salomonen verwies darauf, dass nicht entgegenstehende Gesetze, sondern die begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen sein Land daran hindern würden, den Verpflichtungen aus dem Covenant nachzukommen.273 Das Ausschussmitglied Eibe Riedel trug vor, dass die UNO und ihre Sonderorganisationen nach Art. 22 des ICESCR verpflichtet seien, zur Verwirk­ lichung des Covenants beizutragen.274 In dem Zusammenhang hoffe er, dass der IWF weiterhin mit dem Ausschuss kooperieren würde. Der Vertreter des IWF betonte daraufhin, dass der IWF, da er kein Unterzeichner des ICESCR sei, nicht an Art. 22 ICESCR gebunden sei. Der IWF würde die Staatenpflichten unter dem Covenant nicht berücksichtigen, wenn er mit diesen Staaten in Verhandlungen eintritt. Diese Aussage könne jedoch Taplin zufolge nur verstanden werden, wenn man wisse, was genau mit ‚taking into consideration‘ gemeint sei, und einen näheren Blick auf die Beziehung zwischen dem IWF und der Ausübung der souveränen Rechte durch die Staaten werfe. Auf alle Fälle könnte legitimerweise gefragt werden, wie die Umsetzung des Covenants durch den Staat seine Wirtschaftspolitik beeinflusse.275 Riedel setzte dem entgegen, dass der IWF nicht in einem Vakuum operiere, sondern in einem Zusammenspiel mit vielen anderen Akteuren. Da der Fonds ohnehin zunehmend auch nicht rein finanzielle oder technische Überlegungen berücksichtige, würde es wohl auch den langfristigen Zielen des IWF entsprechen, gleiches mit den Verpflichtungen der Staaten bei der Aushandlung eines Kredits zu tun. Ein tiefergehender, formaler Dialog zwischen dem Ausschuss und dem IWF wäre nützlich.276 272  UN-Dokument

E/C.12/1999/SR.37 (21.3.2000), Rz. 3. Rz. 11. 274  Art. 22 ICESCR besagt: „The Economic and Social Council may bring to the attention of other organs of the United Nations, their subsidiary organs and specialized agencies concerned with furnishing technical assistance any matters arising out of the reports referred to in this part of the present Covenant which may assist such bodies in deciding, each within its field of competence, on the advisability of international measures likely to contribute to the effective progressive implementation of the present Covenant.“ Diese Interpretation von Art. 22 des Covenants ist kritisch zu bewerten. Tatsächlich befähigt Art. 22 zwar die Sonderorgansationen, entsprechend tätig zu werden, eine Verpflichtung lässt sich der Formulierung jedoch nicht entnehmen: Siobhán McInerney-Lankford, International Financial Institutions and Human Rights: Select Perspectives on Legal Obligations, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 239, 282. 275  UN-Dokument E/C.12/1999/SR.37 (21.3.2000), Rz. 35. 276  Ibid., Rz. 36. 273  Ibid.,

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Der IWF-Vertreter erwiderte zuletzt, dass die Position des IWF Ausdruck des Konsenses seiner Mitgliedsstaaten sei. Der IWF unterhalte enge Beziehungen mit Organisationen wie der WTO auf Grundlage des Verständnisses, dass jede ihr eigenes Tätigskeitsfeld habe und man nicht in das der anderen eingreife. Es wäre nicht die Funktion des IWF, Achtung für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sicherzustellen, er könnte allerdings die diesbezügliche Situation der Staaten beachten (‚pay attention‘).277 c) Realisierung einer gesamtökonomischen Verantwortung unter den Geschäftsführenden Direktoren Michel Camdessus und Horst Köhler Unter der Direktorenschaft von Michel Camdessus wurde vom IWF verstärkt die soziale Komponente seiner Arbeit berücksichtigt. So lag der Fokus nunmehr auch auf auch sogenanntem ‚high quality growth‘, welches sich unter anderem dadurch auszeichnen sollte, dass es durch „policies that at­tempt to reduce poverty and improve the equality of opportunity“ begleitet werde.278 Camdessus Nachfolger Horst Köhler veröffentlichte gemeinsam mit dem damaligen Weltbank-Präsidenten James Wolfensohn im Jahr 2000 eine Erklärung, der zufolge beide Institutionen das gleiche Ziel verfolgen würden: „helping to improve the quality of life and reduce poverty through sustainable and equitable growth“.279 Insgesamt haben sich die Entwicklungsverständnisse von Weltbank und IWF in dieser Zeit ein Stück weit angenähert, was wohl auf eine verstärkte Kooperation zwischen den beiden Institutionen zurückzuführen ist.280 d) Position des ehemaligen General Counsel François Gianviti Sowohl während seiner Zeit als General Counsel (von 1986 bis 2004) wie auch danach positionierte François Gianviti sich deutlich zur Politik des IWF in Bezug auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, zum ersten Mal vor größerer Öffentlichkeit im Rahmen einer CESCR-Veranstaltung in Genf im Jahr 2001.281 277  Ibid.,

Rz. 37. The IMF and the Poor, IMF Pamphlet Series No. 52, 1998, S. 1. 279  Weltbank/IWF, The IMF and the World Bank Group: An Enhanced Partnership for Sustainable Growth and Poverty Reduction, Joint Statement by Horst Köhler and James Wolfensohn, 5.9.2000, www.imf.org/external/np/omd/2000/part.htm. 280  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 303 f. 278  IWF,



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen91

Im Hinblick auf etwaige menschenrechtliche Verpflichtungen fragte Gianviti zum einen, ob der IWF verpflichtet ist, die Bestimmungen des ICESCR umzusetzen, zum anderen, ob die AoA des IWF diesem gestatten oder sogar abverlangen, Ziele zu erreichen, die den Bestimmungen des ICESCR zumindest ähnlich sind. Dabei verwies er vor allem auf die primäre Pflicht der betroffenen Staaten, sicherzustellen, dass die Programme so ausgeführt werden, dass die wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte Schritt für Schritt verwirklicht werden.282 Zwar erkannte er die Probleme an, die knappe Budgets mit sich bringen, betrachtete es aber im Zweifelsfall als unvermeidbar, dass auch die Ärmsten in der Bevölkerung betroffen sind und ein temporärer Rückschritt beim Erreichen der wirtschaftlichen und sozialen Rechte einsetzt. Weiterhin verwies er auf die langfristig betrachtet überragende Bedeutung des Wirtschaftswachstums bzw. des ‚growth-oriented adjustment‘ für die anschließende Verteilung von Wohlstand; für dieses Wachstum sei wiederum unter anderem die Förderung privater Investitionen nötig.283 Gianviti schlussfolgerte, dass den IWF keine direkten Verpflichtungen träfen, er aber dazu beitrage, jene wirtschaftlichen Bedingungen bereitzustellen, die eine Voraussetzung für die Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte seien.284 Der Fokus läge klar auf dem allgemeinen Wirtschaftswachstum und der Bereitstellung von Finanzhilfen.285 Im Rahmen dessen gäbe es dann zwei Verbindungen zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten. Zum einen nenne Art. I (v) der AoA als eines der Ziele des IWF: „To give confidence to members by making the general resources of the Fund temporarily available to them under adequate safeguards, thus providing them with opportunity to correct maladjustments in their balance of payments without resorting to measures destructive of national or international prosperity.“286

Im Rahmen des letzten Halbsatzes könne der IWF seine jeweiligen Kreditbedingungen so festlegen, dass sowohl Wechsel- und Handelsrestriktionen 281  Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 133 f.; aus diesem Vortrag ist später die folgende Veröffentlichung hervorgegangen: François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113. 282  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 128. 283  Ibid. 284  Ibid., S. 137. 285  Ibid., S.  132 ff. 286  Hervorhebung hinzugefügt.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

aufgehoben, als auch solche Maßnahmen verhindert werden, die der Umwelt oder der Bevölkerung schaden.287 Zum anderen bestünde die Möglichkeit, dass der IWF eventuelle soziale Schwierigkeiten bei der Bewertung der Implementierungswahrscheinlichkeit der Operation miteinfließen lässt: Sollte ein Programm so strikt gestaltet sein, dass es auf massiven öffentlichen Widerstand stößt, sollte es vom IWF nicht unterstützt werden; ebensowenig wenn massive Menschenrechtsverletzungen dazu führen würden, dass andere Kreditgeber (Institutionen oder Staaten) ihre Finanzhilfen an den betroffenen Staat aussetzen würden. Die jeweilige Entscheidung würde dem Managing Director obliegen, der den Antrag des Staates dem Executive Board übermittelt, bzw. dem Executive Board, sobald dieses über den Antrag entscheidet.288 Entwicklungsstaaten stünden zudem die Sondermaßnahmen unter der Poverty Reduction and Growth Facility (PRGF) und der Heavily Indeptepted Poor Countries (HIPC)-Initiative offen, die den Fokus auf konkrete Armuts-, bzw. Schuldenreduzierung legen.289 Ende 2001 (also in dem Jahr, in dem sich Gianviti erstmals unfassend zur Rolle des IWF in Bezug auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte äußerte) betonte ein Assistant Director des IWF-Europabüros in einer hauseigenen Publikation die positive Rolle des IWF für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, während er gleichzeitig nicht Operationen des IWF, sondern fehlgeleitete staatliche Politik, gegen welche der IWF ja gerade angehe, als die Hauptbedrohung für diese Rechte bezeichnete: „Clearly, the pursuit of economic, social, and cultural rights is an integral part of sound economic policies. Respect for human rights contributes to increased eco­ nomic and social stability and helps prevent setbacks to development from political unrest and civil conflict. But it is also necessary to recognize that inappropriate economic policies – unsustainable public deficits, high inflation, unrealistic exchange rates, wasteful subsidies, and obstacles to trade – are contrary to human rights. Therefore, the work of the IMF should not be seen as a threat to human rights, but as a key contribution.“290

287  François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 135. 288  Ibid. 289  Ibid., S. 136. 290  Sérgio Pereira Leite, Human Rights and the IMF, 38 Finance & Development 2001, www.imf.org/external/pubs/ft/fandd/2001/12/leite.htm.



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen93

e) Äußerungen des IWF zu den ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations Wie auch die Weltbank291 äußerte sich der IWF im Rahmen der ILCBeratungen zu den Draft Articles on the Responsibility of International Organizations. Der IWF zeigte sich dem Grundkonzept der DARIO gegenüber insgesamt sehr kritisch eingestellt, da es unangemessen sei, die gleichen Regeln wie bei der Staatenverantwortlichkeit zu Grunde zu legen. Internationale Organisationen würden keine generelle Kompetenz besitzen, sondern ihr (beschränktes) Mandat durch Vereinbarung der Mitgliedsstaaten verliehen bekommen. Dementsprechend dürfte man die Verantwortlichkeit einer internationalen Organisation lediglich daran messen, ob sie in Übereinstimmung mit ihrem Gründungsabkommen gehandelt hat (sofern letzteres nicht selbst völkerrechtswidrig ist, dann müsse das Verhalten der Organisation aber den Staaten zugerechnet werden).292 Wenn eine Organisation in Übereinstimmung mit ihrem Gründungsabkommen gehandelt habe (welchem der Mitgliedsstaat ja im Rahmen des Beitritts zugestimmt hat), könne dieses Handeln gegenüber den Mitgliedsstaaten bereits per se niemals völkerrechtswidrig sein.293 Folgt man dieser Aussage, würde dies in der Konsequenz dazu führen, dass internationale Organisationen an keinerlei Völkergewohnheitsrecht gebunden wären. Allerdings fügte der IWF hinzu, dass eine internationale Organisation (wenn sie in Übereinstimmung mit ihrem Gründungsabkommen gehandelt hat) auch für die Verletzung von sonstigem Völkerrecht verantwortlich sein kann – dies aber nur in zwei Fällen: entweder wenn es sich bei der verletzten Norm um eine Vorschrift des jus cogens handele, oder um eine Verpflichtung, welche die Organisation im Rahmen seiner Mandatsausübung selbst eingegangen sei (wie durch einen separaten Vertrag mit einem anderen Völkerrechtssubjekt).294 Weiterhin betonte der IWF, dass die ILC nicht aus der Praxis der UNO zu Peacekeeping-Operationen (welche die ILC für die allgemeine Bestimmung des Art. 3 der DARIO berücksichtigt hat) auf Regeln schließen sollte, welche dann auch für andere Operationen internationaler Organisationen (wie im 291  Sie

unter Teil 1, F. IV. 3. e). Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 5; siehe auch die Aussage auf S. 6: „Unlike a State, an international organization is not sovereign in this regard; it is an instrument of its charter.“. 293  Ibid., S. 15. 294  Ibid., S. 5. 292  International

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Entwicklungs- oder Finanzbereich) Anwendung finden.295 In diesem Zusammenhang verwies der IWF auch auf das Papier, das François Gianviti bereits einige Jahre zuvor dem CESCR vorgestellt hatte.296 Bezüglich der Bestimmungen zur Unterstützung eines staatlichen völkerrechtswidrigen Aktes durch die internationale Organisation betonte der IWFVertreter, dass weder der IWF noch die finanzielle Unterstützung, die der IWF im Rahmen seinen Mandats an einen Staat leistet, in der Lage wären, solches staatliches Verhalten auszuschließen oder wesentlich dazu beizutragen: Schließlich hätte ein Staat stets die Möglichkeit, den Bedingungen des IWF nicht zu folgen, noch dazu sei ein IWF-Kredit nicht auf ein spezifisches Verhalten gerichtet, sondern auf die Unterstützung eines staatlichen Wirtschaftsprogramms zur Bekämpfung von Zahlungsbilanzproblemen. Da ein Staat sich entsprechende Gelder aus einer Vielzahl von Quellen besorgen könne (von den Steuerzahlern, in- oder ausländischen Kreditgebern und Spendern), würde die Unterstützung des IWF für ein bestimmtes staatliches Verhalten bereits per se nie essenziell sein, bzw. wesentlich dazu beitragen können.297 Ebensowenig teilte der IWF die Ansicht der ILC, dass eine internationale Organisation durch ihre Entscheidungen Zwang auf einen Mitgliedsstaat ausüben könnte: Dies ergebe sich auch daraus, dass eine finanzielle Unterstützung durch den IWF gerade keine Vertragsbeziehungen mit dem jeweiligen Staat begründe, dementsprechend verletze eine Nichtbefolgung durch den Staat auch keine Verpflichtung gegenüber dem IWF. Die primäre Verantwortung für die Auswahl, Ausgestaltung und Implementierung der Wirtschaftsund Finanzmaßnahmen verbleibe beim Staat.298 Mit derartigen Argumenten bezog sich der IWF allerdings lediglich auf die Sekundärebene der Zurechnung, wie sie durch die DARIO geregelt werden sollte, um eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit im konkreten Fall zu begründen. Dies ist von der Primärebene bzw. von der Frage, welchen völkerrechtlichen Pflichten eine Organisation überhaupt unterliegt, strikt zu trennen.

295  Ibid.,

S. 7. Gianviti, Economic, Social and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, UN-Dokument E/C. 12/2001/WP.5 (7.5.2001). 297  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 10 f. 298  Ibid., S. 12. Zu diesen Argumenten, siehe ausführlich unter Teil 3, B. V. 1. 296  François



F. Etwaige einer Bindung entgegenstehende Verbotsbestimmungen95

f) Fokus auf inklusivem Wachstum im Rahmen der Social Spending Strategy von 2019 2019 veröffentlichte der IWF eine neue Strategy for IMF Engagement on Social Spending. In ihrer Rede anlässlich der Veröffentlichung forderte die damalige geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde: „[S]ocial spending must now take its rightful place at the center of macroeconomic policy discussions“.299 Die Strategie umfasst nicht nur soziale Sicherungsnetze bzw. Sozialausgaben im engeren Sinne, sondern auch Bildungs- und Gesundheitsausgaben.300 Bemerkenswert ist hier vor allem der Verweis auf die Notwendigkeit inklusiven Wachstums: „The increased Fund engagement on social spending has accompanied the growing emphasis on inclusive growth and the need to protect the vulnerable. Since the 1990s, IMF policy advice has increasingly recognized that there need not always be a trade-off between growth and distributional objectives, and the key role of social spending in achieving inclusive growth […].“301

Dies ist wohl als Bestätigung des erweiterten Wachstumsbegriffs des IWF zu sehen.

V. Fazit Die AoA, sowohl der Weltbank als auch des IWF, enthalten keine Bestimmungen, die man als Verbot menschenrechtlicher Erwägungen bewerten müsste oder könnte. Zum einen hat sich das Völkerrecht im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. c) der Wiener Vertragsrechtskonvention seit Gründung der Bretton-Woods-Institutionen dergestalt weiterentwickelt, dass man bei Menschenrechten nicht mehr von ‚politischen‘ Erwägungen sprechen kann. Zum anderen wurden die einst begrenzten Mandate der Bretton-Woods-Institutionen durch eine spätere 299  IWF/Christine Lagarde, Forging a Stronger Social Contract – the IMF’s Approach to Social Spending, Rede vom 14.6.2019, www.imf.org/en/News/Articles/ 2019/06/14/sp061419-md-social-spending. Zum Engagement des IWF im Bereich der Sozialpolitik, siehe ausführlicher unter Teil 3, B. IV. 300  IWF, Strategy for IMF Engagement on Social Spending, Policy Paper No. 19/016 vom 14.6.2019, www.imf.org/en/Publications/Policy-Papers/Issues/2019/ 06/10/A-Strategy-for-IMF-Engagement-on-Social-Spending-46975, S. 8. 301  IWF, Strategy for IMF Engagement on Social Spending, Policy Paper No. 19/016 vom 14.6.2019, www.imf.org/en/Publications/Policy-Papers/Issues/2019/ 06/10/A-Strategy-for-IMF-Engagement-on-Social-Spending-46975, S. 13.

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Übung im Sinne des Art. 31 Abs. 3 lit. b) der Wiener Vertragsrechtskonvention beständig auf nicht rein-wirtschaftliche Kontexte ausgeweitet. Die Positionierung des Weltbank-General Counsel Ibrahim Shihata zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten sowie die Ausweitung der Bankagenda unter James Wolfensohn stellten einen wichtigen Schritt der Bank hin zu einer Erweiterung des Mandats durch spätere Übung der Organisation dar. Auch der IWF (deren AoA noch weniger Anhaltspunkte für ein potentielles Verbot menschenrechtlicher Erwägungen aufweisen als jene der Weltbank) hat mit der Zeit verstärkt Good Governance, die gesellschaftliche Rolle der Frau, Umweltbelange sowie (insbesondere seit der Direktorenschaft von Michel Camdessus) die soziale Komponente seiner Arbeit berücksichtigt.

G. Kein Ausschluss einer Verantwortlichkeit von internationalen Organisationen aufgrund der Möglichkeit einer parallelen staatlichen Verantwortlichkeit Gegen die bisherigen Ausführungen zur Begründung einer Verantwortlichkeit der Weltbank bzw. des IWF als internationale Organisationen könnte man einwenden, dass diese nicht möglich (oder auch nicht nötig) wäre, da stets eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Mitgliedsstaates statuiert werden könnte, in dessen Hoheitsgebiet eine Operation durchgeführt wird. Eine derartige Argumentation würde indes verkennen, dass in einer konkreten Situation ohne weiteres auch eine parallele Verantwortlichkeit von internationaler Organisation und Staat vorliegen kann. Dies entspricht der Ansicht der UN-Völkerrechtskommission. Nach mehreren Jahren Beratungen, und nachdem die Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts302 bereits längst verabschiedet worden waren, hat die ILC, aufbauend auf ihrer grundlegenden Arbeit zur Staatenverantwortlichkeit, 2011 die DARIO verabschiedet.303 Obgleich solche ILC-Artikel nicht völkerrechtlich verbindlich sind und lediglich empfehlenden Charakter haben, ist ihnen aufgrund der im weiteren Sinne ‚legislativen‘ Unterstützerfunktion der ILC im UN-Gefüge doch ein nicht zu vernachlässigender Wert zuzuschreiben.304 302  UN-Dokument A/56/83 (12.12.2001), International Law Commission, Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts. 303  UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 54 ff. 304  Pemmaraju Sreenivasa Rao, International Law Commission (ILC), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012,



G. Kein Ausschluss einer Verantwortlichkeit von int. Organisationen97

Die DARIO beantworten nicht, an welche völkerrechtlichen Regeln eine Organisation im Einzelnen gebunden ist. Sie geben aber wichtige Richtungsweiser für die Frage, wie weit eine etwaige völkerrechtliche Bindung in der Konsequenz reicht.305 Sie sind auf all jene internationalen Organisationen anwendbar, die über eigene internationale Rechtspersönlichkeit verfügen (Art. 2 (a)). Inhaltlich behandeln die DARIO nicht nur die Verantwortlichkeit von internationalen Organisationen, sondern auch von Staaten, die einen völkerrechtswidrigen Akt im Zusammenhang mit dem Verhalten einer Organisation begehen (Art. 1). Dabei betont die ILC in ihrem amtlichen Kommentar, dass „[t]he fact that an international organization is responsible for an internationally wrongful act does not exclude the existence of parallel responsibility of other subjects of international law in the same set of circumstances. For instance, an international organization may have cooperated with a State in the breach of an obligation imposed on both. Another example may be that of conduct which is simultaneously attributed to an international organization and a State and which entails the international responsibility of both the organization and the State.“306

Diese Ausführungen der ILC entsprechen der Völkerrechtspraxis. So entschieden niederländische Gerichtshöfe307 wiederholt, dass auch die Niederlande (neben der UNO, die in den entsprechenden Verfahren absolute Immunität genieße) eine Verantwortung für die Rolle der im Bosnienkrieg als UN-Blauhelmsoldaten in der UNPROFOR-Mission eingesetzten DutchbatTruppen beim Massaker von Srebrenica im Juli 1995 tragen würden.308 Vol. V, S. 875, 877 f., 886, Rz. 5, 40; zur Kritik an den DARIO: Alain Pellet, International Organizations Are Definitely Not States: Cursory Remarks on the ILC Articles on the Responsibility of International Organizations, in: Maurizio Ragazzi (Hrsg.), Responsibility of International Organizations: Essays in Memory of Sir Ian Brownlie, 2013, S. 41; José E. Alvarez, International Organizations: Accountability or Responsibility?, Rede vor dem Canadian Council of International Law vom 27.10.2006, www.temple.edu/law/ils/CCILspeech.pdf, S. 2. Vermittelnd: Mirka Möldner, Responsibility of International Organizations – Introducing the ILC’s DARIO, 16 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2012, S. 281, 322 ff. 305  So auch Kristina Daugirdas, Reputation and the Responsibility of International Organizations, 25 European Journal of International Law 2015, S. 991, 993. 306  UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 54 ff., Art. 3, Rz. 6; Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 356. 307  Die Entscheidungen nationaler Gerichte gelten als Beleg für die Entstehung von für Völkergewohnheitsrecht erforderlicher Staatenpraxis: UN-Dokument A/CN.4/672 (22.5.2014), International Law Commission, Second Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 25, Rz. 41(e). 308  Hoher Rat der Niederlande (oberster Gerichtshof), Mütter von Srebrenica et al. v. Niederlande und Vereinte Nationen, Urteil vom 13.4.2012; Hoher Rat der Nieder-

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Dies bedeutet, dass sich auch Staaten aufgrund einer internationalen Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen nicht ihrer eigenen Verantwortlichkeit für völkerrechtswidrige Handlungen entziehen können, gerade auch, wenn ein Staat bewusst ohne Not der Durchführung von Operationen zustimmt, die negative Auswirkungen auf die Menschenrechtssituation vor Ort haben. Auch die Verfasser der Tilburg Guiding Principles on World Bank, IMF and Human Rights, die im Jahr 2002 von einer Expertengruppe entwickelt wurden,309 gehen davon aus, dass die primären menschenrechtlichen Verpflichtungen beim Staat verbleiben – diese könnten nicht ‚wegdelegiert‘ werden.310 Dementsprechend liegt auch der sonstige Fokus der Prinzipien stark auf den Mitgliedsstaaten von internationalen Finanzinstitutionen; diese würden die Herrschaft ausüben und, wenn sie über die Geschicke der Institution bestimmen, weiterhin an ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen gebunden bleiben.311 Gleichwohl wird jedoch die eigenständige Verpflichtung qua Rechtspersönlichkeit von internationalen Organisationen betont.312 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass eine mögliche parallele völkerrechtliche Verantwortlichkeit von den an einer entsprechenden Abstimmung oder an der unmittelbaren Umsetzung einer Maßnahme beteiligten Mitgliedsstaaten die Verantwortlichkeit der Weltbank oder des IWF nicht ausschließt. Gleichzeitig ist eine entsprechende Prüfung der Verantwortlichkeit einer Organisation auch aus praktischen Gründen nötig, erst recht im Falle der Weltbank und des IWF. Wo man beispielsweise kein zwingendes Bedürfnis einer eigenständigen völkerrechtlichen Verantwortung des UN-Sicherheitsrates sehen könnte, weil jede Entscheidung unmittelbar auf das Abstimmungsverhalten von nur 15 Mitgliedsstaaten zurückgeführt werden kann, hat sich das Handeln der Bretton-Woods-Institutionen in einem solchen Maße verselbständigt, dass die Problematik der Zurechnung zu individuellen Staaten313 jedenfalls in dieser Hinsicht enorm ist. lande, Niederlande v. Hasan Nuhanović, Urteil vom 6.9.2013; Amtsgericht Den Haag, Mütter von Srebrenica et al. v. Niederlande, Urteil von 16.7.2014; Berufungsgericht Den Haag, Mütter von Srebrenica et al. v. Niederlande, Urteil vom 27.6.2017; siehe auch UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 54 ff., Art. 7, Rz. 14. 309  Tilburg Guiding Principles on World Bank, IMF and Human Rights, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 249. 310  Ibid., Prinzip 5. 311  Ibid., Prinzip 7. 312  Ibid., Prinzip 5. 313  Umfassend zur Zurechnungsproblematik bei Abstimmungen in entsprechenden Organen der internationalen Organisationen: Margot Salomon, Deprivation, Causa-



H. Zwischenergebnis99

Aus diesem Grund ist die Debatte über eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit internationaler Organisationen als eigenständige Völkerrechtssubjekte jenseits ihrer Mitgliedsstaaten notwendig, um diesbezügliche Lücken gerade auch im internationalen Menschenrechtsschutz zu schließen.314 Gleichwohl besteht kein Automatismus dahingehend, dass stets sowohl die Organisation als auch die Mitgliedsstaaten völkerrechtliche Verantwortung für einen völkerrechtswidrigen Akt tragen. Ob dies der Fall ist, muss anhand des konkreten Einzelfalls geprüft werden, unter Berücksichtigung der jeweils eigenen Völkerrechtssubjektivität von Organisation und Staat.315

H. Zwischenergebnis Der erste Teil dieser Arbeit hat gezeigt, dass die Bretton-Woods-Organisationen aufgrund ihrer Völkerrechtssubjektivität den völkergewohnheitsrechtlich geltenden Menschenrechten grundsätzlich unterworfen sind. Zwar lässt sich eine Pflicht zur Beachtung von Menschenrechten weder aus den Gründungsverträgen von Weltbank und IWF noch aus der UN-Charta (in Verbindung mit den UN-Kooperationsabkommen) ableiten. Erstere enthalten keine eigenen menschenrechtlichen Verpflichtungen, während die Kooperationsabkommen keine Bestimmungen aufweisen, nach denen die Bretton-Woods-Organisationen an die Ziele oder Werte der UNO gebunden wären, oder auch nur (mit Ausnahme bindender Entscheidungen des UNSicherheitsrates) stets verpflichtet wären, entsprechende Vorgaben zu befolgen. Mangels Unterzeichnung der einschlägigen Menschenrechtsverträge scheidet auch diesbezüglich eine vertragsrechtliche Bindung aus; eine solche lässt sich auch nicht über die vertraglichen Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten konstruieren, da dies die eigene Rechtspersönlichkeit von internationalen Organisationen ad absurdum führen und zudem den Regeln des Völkervertragsrechts widersprechen würde. tion and the Law of International Cooperation, in: Malcolm Langford/Wouter Vandenhole/Martin Scheinin/Willem van Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties: The Extra-Territorial Scope of Economic, Social, and Cultural Rights in International Law, 2012, S. 259, 276 ff. 314  Anne Peters, Jenseits der Menschenrechte: Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, 2014, S. 424. 315  Siehe Rosalyn Higgins, The Legal Consequences for Member States of the Nonfulfilment by International Organizations of Their Obligations Towards Third Parties, 66 Annuaire de l’Institut de Droit International 1995, S. 249, 419: „If members were liable for the defaults of the organization, its independent personality would be likely to become increasingly a sham.“

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Teil 1: Die Bretton-Woods-Organisationen und die Menschenrechte

Eine Bindung an menschenrechtliches Völkergewohnheitsrecht lässt sich weder über rechtspolitische Argumente, noch über das Konzept der rule of law herleiten. Indes führt die Tatsache, dass die Weltbank und der IWF eigenständige Völkerrechtssubjekte sind, dazu, dass diese grundsätzlich als Mitglieder der internationalen Gemeinschaft dem gleichen Recht unterworfen sind wie Staaten als originäre Völkerrechtssubjekte, soweit dies nicht vertraglich ausgeschlossen wurde oder sich die Organisation auf andere Weise der Bindung durch konkretes Völkergewohnheitsrecht entziehen konnte. Dem stehen – gelegentlichen gegensätzlichen Aussagen von Vertretern der Bretton-Woods-Institutionen zum Trotz – die Bestimmungen der Gründungsstatute, der AoA, nicht entgegen. Diese enthalten keine Vorgaben, die eine Berücksichtigung menschenrechtlicher Erwägungen tatsächlich ausschließen würden. Insbesondere im Lichte der Fortentwicklung des Völkerrechts bzw. des internationalen Menschenrechtsschutzes seit Gründung der BrettonWoods-Institutionen, sowie in Anbetracht der allmählichen Ausweitung der Aktivitäten der Institutionen ginge eine derartige Lesart fehl. Auch die Möglichkeit einer parallelen menschenrechtlichen Verantwortung eines Mitgliedsstaates schließt eine Verantwortung der Weltbank oder des IWF nicht aus. Die Verantwortlichung zweier Völkerrechtssubjekte für eine Verletzung internationalen Rechts ist grundsätzlich unabhängig voneinander zu bewerten. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, wird im kommenden zweiten Teil dieser Arbeit dargestellt, ob und inwieweit das Recht auf Nahrung Völkergewohnheitsrecht darstellt, und ob und inwieweit es seinem Wesen nach auch die Bretton-Woods-Institutionen bindet.

Teil 2

Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts Aufbauend auf der Feststellung, dass die Bretton-Woods-Institutionen grundsätzlich an Völkergewohnheitsrecht gebunden sein können, ist im Folgenden zu prüfen, inwieweit das Recht auf Nahrung Teil eines solchen Völkergewohnheitsrechts darstellt. Hierfür werden der Verständlichkeit halber (und weil man aus bestehendem Vertragsrecht mitunter auch gewisse Rückschlüsse auf parallel bestehendes Völkergewohnheitsrecht ziehen kann) zunächst die völkervertragsrechtlichen Grundlagen des Rechts auf Nahrung dargelegt.

A. Völkervertragsrecht I. Die menschenrechtsbezogenen Bestimmungen der UN-Charta Als 1945 in San Francisco die UN-Charta verabschiedet wurde, nahmen die Gründungsstaaten in ihr wesentliche Bezüge zu den damals noch gar nicht schriftlich niedergelegten Menschenrechten auf. Die für die Förderung der Menschenrechte wichtigste Bestimmung der UN-Charta findet sich in Art. 55, welcher in diesem Zusammenhang daher auch als Pfeiler der Charta bezeichnet wird:1 „With a view to the creation of conditions of stability and well-being which are necessary for peaceful and friendly relations among nations based on respect for the principle of equal rights and self-determination of peoples, the United Nations shall promote: a. higher standards of living, full employment, and conditions of economic and social progress and development; b. solutions of international economic, social, health, and related problems; and international cultural and educational cooperation; and c. universal respect for, and observance of, human rights and fundamental freedoms for all without distinction as to race, sex, language, or religion.“ 1  Christine Breining-Kaufmann, Hunger als Rechtsproblem – Völkerrechtliche Aspekte eines Rechtes auf Nahrung, 1991, S. 57.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Nach Art. 56 verpflichten sich alle Mitgliedsstaaten, gemeinsam und jeder für sich mit der Organisation zusammenzuarbeiten, um die in Art. 55 dargelegten Ziele zu erreichen.

II. Art. 25 und 28 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 Seinen ersten entscheidenden Auftritt auf der internationalen Bühne hatte das Recht auf Nahrung am 10. Dezember 1948, in der von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Universal Declaration of Human Rights (UDHR). Obgleich die UDHR formal betrachtet eine rechtlich nicht bindende Resolution ist, da von den UN-Resolutionen grundsätzlich lediglich solche des UN-Sicherheitsrats verpflichtende Wirkung entfalten (Art.  25 UNCharta), kommt ihr eine enorme faktische Bedeutung zu,2 auch für die spätere Ausarbeitung der bindenden Menschenrechtspakte. Die Aufnahme der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in das Dokument erfuhr breite Unterstützung.3 Art. 25 Abs. 1 der UDHR besagt: „Everyone has the right to a standard of living adequate for the health and wellbeing of himself and of his family, including food, clothing, housing and medical care and necessary social services, and the right to security in the event of unemployment, sickness, disability, widowhood, old age or other lack of livelihood in circumstances beyond his control.“

Art. 25 UDHR beinhaltet damit mehr als lediglich die Zusicherung eines absoluten Existenzminimums,4 vielmehr findet sich bereits hier das Kriterium der Angemessenheit des Lebensstandards. Gemäß Art. 28 UDHR hat jeder Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in der die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.

2  Besonders prägnant Mary Ann Glendon, Knowing the Universal Declaration of Human Rights, 73 Notre Dame Law Review 1997 – 1998, S. 1153, die davon spricht, dass „the Declaration is already showing signs of having achieved the status of holy writ within the human rights movement“. 3  Ibid., S. 1166. 4  Christine Breining-Kaufmann, Hunger als Rechtsproblem – Völkerrechtliche Aspekt eines Rechtes auf Nahrung, 1991, S. 57; siehe auch Meinhard Hilf, The Right to Food in National and International Law, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann, Reforming the International Economic Order, 1987, S. 125, 132.



A. Völkervertragsrecht103

III. Art. 11 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 Die ideologischen Grabenkämpfe des Kalten Krieges führten dazu, dass die Menschenrechte in den 1960er Jahren in zwei verschiedene Pakte geflossen sind:5 den International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR) sowie den International Covenant on Economic, Social and Cultur­al Rights (ICESCR). Während die Integration des Rechts auf Nahrung in den ICESCR auf China zurückzuführen ist, fand diese Initiative später breite Unterstützung: Viele Delegierte hielten das Recht auf Nahrung gar für den wichtigsten Bestandteil des gesamten Vertrages.6 Obgleich unter anderem die USA den Pakt nicht ratifiziert haben, kann der ICESCR mit 170 Vertragsparteien bis heute einen sehr hohen Ratifikationsgrad verzeichnen; noch in den letzten Jahren sind mehrere neue Ratifikationen hinzugekommen.7 1. Das Recht auf angemessene Nahrung sowie das Recht darauf, frei von Hunger zu sein Art. 11 ICESCR statuiert – als Teil des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard – das Recht eines jeden Menschen auf Nahrung sowie das Recht, frei von Hunger zu leben: „1. The States Parties to the present Covenant recognize the right of everyone to an adequate standard of living for himself and his family, including adequate food, clothing and housing, and to the continuous improvement of living conditions. The States Parties will take appropriate steps to ensure the realization of this right, recognizing to this effect the essential importance of international co-operation based on free consent. 2. The States Parties to the present Covenant, recognizing the fundamental right of everyone to be free from hunger, shall take, individually and through international co-operation, the measures, including specific programmes, which are needed:

5  Siehe Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 773; Chaloka Beyani, The Legal Premises for the International Protection of Human Rights, in: Guy S. Goodwin-Gill/Stefan Talmon (Hrsg.), The Reality of International Law: Essays in Honour of Ian Brownlie, 1999, S. 21, 25. 6  Ben Saul/David Kinley/Jacqueline Mowbray, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: Commentary, Cases, Materials, 2014, S. 867 f. 7  http://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV3&chapter=4&lang=en (Stand: März 2020).

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(a)  To improve methods of production, conservation and distribution of food by making full use of technical and scientific knowledge, by disseminating knowledge of the principles of nutrition and by developing or reforming agrarian systems in such a way as to achieve the most efficient development and utilization of natural resources; (b) Taking into account the problems of both food-importing and food-exporting countries, to ensure an equitable distribution of world food supplies in relation to need.“8

Das Verhältnis zwischen dem ersten und zweiten Absatz des Art. 11 ist derart gestaltet, dass Abs. 1 das weitergefasste Recht auf die für eine normale Lebensführung ausreichende Nahrung beinhaltet, während Abs. 2 das engere Recht auf eine vor dem Verhungern bewahrende Kalorienzufuhr statuiert.9 Es gibt keine Hinweise dafür, dass Abs. 2 als Einschränkung des Abs. 1 gedacht war – vielmehr stellt das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, den Ausgangspunkt dafür dar, das primäre Recht auf angemessene Nahrung zu verwirklichen.10 Dabei repräsentiert Abs. 2 im Vergleich zu Abs. 1 einen absoluteren Standard, der den grundlegenden Kern des Rechts auf Nahrung offenlegt, während Abs. 1 schon durch den Terminus ‚angemessen‘ eine relative Komponente beinhaltet.11 Auffällig ist dabei, dass das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, das einzige Recht ist, das im ICESCR als ‚fundamental‘ bzw. als grundlegend bezeichnet wird.12 Im Hinblick auf die Verpflichtungen der Staaten unterscheidet Art. 11 ICESCR nicht zwischen Abs. 1 und 2, die im zweiten Absatz genannten Mittel zur Umsetzung sind ebenso auf den ersten Absatz anwendbar.13 8  Hervorhebungen

hinzugefügt. Alston, International Law and the Human Right to Food, in: Philip Alston/Katarina Tomaševski (Hrsg.), The Right to Food, 1984, S. 9, 33; Christine Breining-Kaufmann, Hunger als Rechtsproblem – Völkerrechtliche Aspekte eines Rechtes auf Nahrung, 1991, S. 62. 10  Philip Alston, International Law and the Human Right to Food, in: Philip Alston/Katarina Tomaševski (Hrsg.), The Right to Food, 1984, S. 9, 32 f. 11  Katarina Tomasevski, The Right to Food: Guide through Applicable International Law, 1987, S. xviii: „Obviously, the right to freedom from hunger is the fundamental right, the absolute one and the one encompassed by the international minimum standards. The right to adequate food is relative (i. e. the notion of what is adequate is changing in time and place), and difficult – if not impossible – to spell out as an international minimum standard.“; Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 706, 792. 12  Meinhard Hilf, The Right to Food in National and International Law, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann, Reforming the International Economic Order, 1987, S. 125, 134. 13  Ibid., S. 135. 9  Philip



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Die in Abs. 1 genannte Pflicht zur internationalen Kooperation darf nicht zu weit verstanden werden. Eine gleichmäßige Verteilung der weltweiten Nahrungsvorräte kann nur auf freiwilliger Basis geschehen – in keinem Fall können Nahrungsmittelüberschüsse des einen Staates einfach zu ‚common heritage of mankind‘ erklärt und als anderen Staaten zur Verfügung gestellt betrachtet werden.14 Gleiches gilt für die Bestimmung aus Art. 11 Abs. 2 lit. b): Die Zielvorgabe bezüglich der weltweiten Verteilung von Lebensmitteln ist zu vage, um daraus eine konkrete, unmittelbare Verpflichtung herzuleiten.15 Gleichwohl spielt die internationale Zusammenarbeit für die Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte eine große Rolle, wie sich gerade auch anhand der allgemeinen Staatenpflichten aus Art. 2 Abs. 1 ICESCR zeigen lässt.16 2. Verhältnis zu anderen Menschenrechten Das Recht auf Nahrung hängt eng mit einer Vielzahl von anderen Menschenrechten zusammen: unter den wirtschaftlichen und sozialen Rechten mit den Rechten auf Gesundheit, Arbeit, soziale Sicherheit, aber auch mit dem Recht auf Leben als Teil der bürgerlichen und politischen Rechte.17 Weiterhin besteht ein starker Bezug zu den Rechten indigener Völker,18 Zugang zu Wasser19 und Land,20 Diskriminierung aufgrund des Geschlechts21 und Kinderrechten.22 Das Recht auf Wasser, das in den letzten Jahren verstärkt Beachtung gefunden hat, zählt nicht als Bestandteil des Rechts auf Nahrung, lässt sich nach Ansicht des CESCR jedoch eindeutig (‚clearly‘) dem übergeordneten

14  Ibid.,

S. 138. S. 139. 16  Siehe hierzu unter Teil 2, A. III. 3. 17  Meinhard Hilf, The Right to Food in National and International Law, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann, Reforming the International Economic Order, 1987, S. 125, 131. 18  UN-Dokument A/60/350 (12.9.2005), Interim Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Jean Ziegler, Rz. 17 ff. 19  UN-Dokument E/CN.4/2003/54 (10.1.2003), Report submitted by the Special Rapporteur on the Right to Food, Jean Ziegler, Rz. 36 ff. 20  UN-Dokument A/57/356 (27.8.2002), Report of the Special Rapporteur of the Commission on Human Rights on the Right to Food, Rz. 22 ff. 21  UN-Dokument A/58/330 (28.8.2003), Report of the Special Rapporteur of the Commission on Human Rights on the Right to Food, Rz. 12 ff. 22  UN-DokumentA/HRC/4/30 (19.1.2007), Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Jean Ziegler, Rz. 27 ff. 15  Ibid.,

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Recht auf einen angemessenen Lebensstandard zuordnen.23 Dies ist mit der in Art. 11 Abs. 1 ICESCR enthaltenden Aufzählung vereinbar, da das Wort ‚including‘ zeigt, dass die Auflistung nicht erschöpfend gemeint war.24 Auf die Beziehung zwischen dem Recht auf Nahrung und dem Recht auf Leben soll im Folgenden noch kurz genauer eingegangen werden. Art. 6 Abs. 1 ICCPR besagt: „Every human being has the inherent right to life. This right shall be protected by law. No one shall be arbitrarily deprived of his life.“

Auf den ersten Blick verläuft die Abgrenzung der beiden Rechte anhand der Qualifizierung von aktiver und passiver Pflicht: Läuft das Recht auf Leben darauf hinaus, dass der Staat einem das Leben nicht nimmt, verlangt das Recht auf Nahrung aktives Handeln vom Staat. Doch auch Art. 6 ICCPR beinhaltet eine aktive Komponente. Der UNMenschenrechtsausschus hat in seinem Allgemeinen Kommentar Nr. 6 bestätigt, dass das Recht auf Leben nach Art. 6 ICCPR nicht zu eng ausgelegt werden darf und bezieht sich dabei auch auf das Problem des Hungers: „The expression ‚inherent right to life‘ cannot properly be understood in a restrictive manner, and the protection of this right requires that States adopt positive measures. In this connection, the Committee considers that it would be desirable for States parties to take all possible measures to reduce infant mortality and to increase life expectancy, especially in adopting measures to eliminate malnutrition and epidemics.“25

Wenn der UN-Menschenrechtsausschuss hier auch eher von einem Wunsch („it would be desirable“) spricht als von einer rechtlichen Vorgabe, so zeigt diese Passage dennoch deutlich die Verbindung zwischen dem Recht auf Leben und dem Recht auf Nahrung auf. Gleichwohl dominiert in der Weltgemeinschaft nach wie vor eine restriktive Auslegung des Art. 6 ICCPR, der zufolge nur solche zielgerichteten Maßnahmen, die einen Menschen willkürlich seines Lebens berauben sollen (vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 3) als Verletzungen des Rechts auf Leben anerkannt werden.26 Im hier relevanten Kontext würde 23  UN-Dokument E/C.12/2002/11 (20.1.2003), General Comment No.  15 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 3; siehe auch UN-Dokument A/HRC/RES/15/9 (30.9.2010), Rz. 2 f. 24  UN-Dokument E/C.12/2002/11 (20.1.2003), General Comment No.  15 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 3. 25  UN Human Rights Committee, General Comment No. 6, The right to life, 30.4.1982, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/TBSearch.aspx?Lang =en&TreatyID=8&DocTypeID=11, Rz. 5 [Hervorhebungen hinzugefügt]. 26  Meinhard Hilf, The Right to Food in National and International Law, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann, Reforming the International Economic Order, 1987, S. 125, 142.



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dies z. B. Fälle erfassen, in denen der Staat ein Individuum all seiner Nahrungsquellen berauben und so direkt dessen Tod verursachen würde.27 3. Allgemeine Staatenpflichten nach Art. 2 Abs. 1 ICESCR Die allgemeinen Pflichten der Vertragsstaaten des ICESCR finden sich in Art. 2. Im Unterschied zum ICCPR verpflichten sich die ICESCR-Staaten nicht, die festgeschriebenen Rechte unmittelbar zu gewährleisten; der ICESCR wählt eine andere, zögerlichere Herangehensweise. Wesentlich ist Art. 2 Abs. 1: „Each State Party to the present Covenant undertakes to take steps, individually and through international assistance and co-operation, especially economic and technical, to the maximum of its available resources, with a view to achieving progressively the full realization of the rights recognized in the present Covenant by all appropriate means, including particularly the adoption of legislative measures.“28

Insgesamt fällt sofort die im Vergleich zum ICCPR29 unbestimmtere Formulierung auf. Im Gegensatz zu diesem führt der ICESCR allerdings eine internationale Dimension auf, indem er ‚international assistance and co-operation‘ fordert. Diese Unterschiede lassen sich auf folgende Hintergründe zurückführen: Zum einen benötigt die Verwirklichung bürgerlicher und politischer Rechte 27  Ibid.

28  Hervorhebungen

hinzugefügt.

29  Art. 2 des ICCPR enthält die folgenden Verpflichtungen: „1.  Each State Party to the present Covenant undertakes to

respect and to ensure to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction the rights recognized in the present Covenant, without distinction of any kind, such as race, colour, sex, language, religion, political or other opinion, national or social origin, property, birth or other status. 2.  Where not already provided for by existing legislative or other measures, each State Party to the present Covenant undertakes to take the necessary steps, in accor­ dance with its constitutional processes and with the provisions of the present Covenant, to adopt such laws or other measures as may be necessary to give effect to the rights recognized in the present Covenant. 3.  Each State Party to the present Covenant undertakes: (a)  To ensure that any person whose rights or freedoms as herein recognized are violated shall have an effective remedy, notwithstanding that the violation has been committed by persons acting in an official capacity; (b)  To ensure that any person claiming such a remedy shall have his right thereto determined by competent judicial, administrative or legislative authorities, or by any other competent authority provided for by the legal system of the State, and to develop the possibilities of judicial remedy; (c) To ensure that the competent authorities shall enforce such remedies when granted.“

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geringere oder sogar gar keine ökonomischen Ressourcen – der Staat muss vor allem Aktivitäten unterlassen, die diese Rechte verletzen würden. Bei wirtschaftlichen und sozialen Rechten muss der Staat zu ihrer Verwirklichung hingegen aktiv tätig werden, unter erheblichem Ressourceneinsatz.30 Obgleich bestimmte bürgerliche und politische Rechte, wie z. B. das auf ein faires Verfahren, auch ein aktives Verhalten wie die Bereitstellung eines funktionierenden Justizsystems erfordern,31 so handelt es sich bei den durch den ICCPR garantierten Rechten in erster Linie um Abwehrrechte. In Anbetracht der finanziellen, technischen und planerischen Hürden, die den Staaten bei der Erreichung von wirtschaftlichen und sozialen Rechten gesetzt sind, wäre es unrealistisch, die gleichen Maßstäbe wie beim ICCPR anzulegen – infolgedessen muss auch der Maßstab, der an das Handeln verschiedener Staaten angesetzt wird, divergieren, je nach den zur Verfügung stehenden Ressourcen.32 a) „[…] undertakes to take steps […] by all appropriate means, including particularly the adoption of legislative measures“ Gerade die Formulierung ‚to take steps‘ ist Ausdruck einer im Vergleich zum ICCPR geringeren Bestimmtheit des ICESCR. Ein Vorschlag, stattdessen von ‚to promote the rights‘ zu sprechen, wurde bereits ganz am Anfang der Vertragsverhandlungen abgelehnt und durch die jetzige Formulierung ersetzt; auch die Varianten ‚to guarantee‘, ‚to ensure‘ und ‚to pledge themselves‘ konnten sich nicht durchsetzen.33 Die Formulierung ‚to take steps‘ findet sich auch in anderen Bereichen des Völkerrechts, wie in Art. 29 des Wiener Übereinkommens über Diploma­ tische Beziehungen34, obgleich dieser aufgrund der Erweiterung ‚all appro­ priate steps‘ und seiner Zielrichtung als Abwehrrecht nur bedingt vergleichbar ist. Dennoch dient die Judikatur35 zu Art. 29 des Wiener Übereinkommens 30  Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 159. 31  Ibid., S. 184. 32  Thomas Buergenthal/Dinah Shelton/David P. Stewart, International Human Rights in a Nutshell, 4. Auflage 2009, S. 71 f. 33  Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 165. 34  500 UNTS 95. 35  United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, USA v. Iran, IGH, Urteil vom 24.5.1980, ICJ Reports 1980, S. 3, Rz. 61 ff.: „By a number of provisions of the Vienna Conventions of 1961 and 1963, Iran was placed under the most categorical obligations, as a receiving State, to take appropriate steps to ensure the pro-



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als Basis für die Annahme, dass auch Art. 2 ICESCR trotz seiner eher vagen Formulierung bindende Wirkung entfaltet und ein Unterlassen einen Völkerrechtsverstoß darstellt.36 Nach der offiziellen Auslegung von Art. 2 ICESCR durch den Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte37 beinhaltet die Formulierung ‚to take steps‘ trotz der grundsätzlich progressiven Verwirklichung der Rechte, dass die entsprechenden Schritte innerhalb einer ‚reasonably short time‘ nach dem Inkrafttreten des ICESCR getätigt werden müssen, wobei diese Schritte ‚deliberate, concrete and targeted as clearly as possible towards meeting the obligations recognized in the Covenant‘ sein sollten.38 Die ‚angemessenen Maßnahmen‘ die ein Staat auf nationaler Ebene ergreifen kann, können legislativer, administrativer, judizieller, wirtschaftlicher, sozialer und erzieherischer Natur sein,39 wobei Art. 2 Abs. 1 ICESCR lediglich die gesetzgeberischen Maßnahmen ausdrücklich erwähnt. Letztere sind allerdings, auch im Lichte der travaux préparatoires zu Art. 2, nicht zwingend erforderlich: Jeder Staat kann erst einmal selbst entscheiden, ob diese nötig sind oder nicht. Im Hinblick auf die Wahl des geeignetsten Mittels verfügen die Staaten über einen Beurteilungsspielraum,40 auch wenn die finale Bewertung, ob ein Staat seinen Verpflichtungen nachgekommen ist, dem Vertragsorgan zusteht.41 Für einige Rechte betrachtet das CESCR tection of the United States Embassy and Consulates, their staffs, their archives, their means of communication and the freedom of movement of the members of their staffs. […] So, too, after proclaiming that the person of a diplomatic agent shall be inviolable, and that he shall not be liable to any form of arrest or detention, Article 29 provides: „The receiving State shall treat him with due respect and shall take all appropriate steps to prevent any attack on his person, freedom or dignity.“ […] In the view of the Court, the obligations of the Iranian Government here in question are not merely contractual obligations established by the Vienna Conventions of 1961 and 1963, but also obligations under general international law.“ 36  Chaloka Beyani, The Legal Premises for the International Protection of Human Rights, in: Guy S. Goodwin-Gill/Stefan Talmon (Hrsg.), The Reality of International Law: Essays in Honour of Ian Brownlie, 1999, S. 21, 27 f. 37  Zu dessen Bedeutung für die Norminterpretation, siehe ausführlicher unter Teil 2, A. III. 4. a). 38  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 2. Zum rechtlichen Status solcher Allgemeinen Kommentare, siehe unter Teil 2, A. III. 4. a). 39  The Limburg Principles on the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 122, Rz. 17. 40  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 4. 41  Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 163, 167.

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gesetzgeberische Maßnahmen als unverzichtbar, das Recht auf Nahrung wird in diesem Zusammenhang allerdings nicht explizit erwähnt.42 Legislatives Handeln ist jedenfalls immer dann obligatorisch, wenn ein bereits bestehendes nationales Gesetz die durch den ICESCR geschützen Rechte verletzt.43 Legislative Maßnahmen allein sind wiederum nicht ausreichend; diese Deutung entspricht auch dem Willen der Mitgliedsstaaten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.44 Inwiefern der Zugang zu Rechtsschutz eine obligatorische Maßnahme ist, lässt der ICESCR offen: Er enthält keine dem Art. 2 Abs. 3 ICCPR entsprechende Bestimmung. Die Vertragsstaaten hielten damals wirtschaftliche und soziale Rechte für nicht justiziabel, sodass eine dementsprechende Verpflichtung nicht in Art. 2 Abs. 1 ICESCR hineingelesen werden konnte (obgleich mehrere Staaten entsprechende Möglichkeiten bereithalten).45 Ob diese Sichtweise in Anbetracht der mittlerweile etablierten Individualbeschwerde vor dem CESCR46 noch vertretbar ist, erscheint hingegen zweifelhaft. Politisch bzw. wirtschaftlich ist der ICESCR systemneutral. Aus Art. 2 Abs. 1 folgt keinerlei Präferenz bzw. Pflicht in Bezug auf ein kapitalistisches, sozialistisches oder gemischtes System, auf Plan- oder freie Marktwirtschaft. Erforderlich ist aber nach Ansicht des CESCR, dass das System im jeweiligen Land jedenfalls die Interdependenz und Unteilbarkeit der zwei Arten von Menschenrechten (den bürgerlichen und politischen sowie den wirtschaftlichen und sozialen) anerkennt und widerspiegelt.47

42  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 3. 43  Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 167. 44  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 4; siehe auch schon The Limburg Principles on the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 122, Rz. 18; Philip Alston/ Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 168. 45  Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 170. 46  Siehe unter Teil 2, A. III. 5. b). 47  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 8.



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b) „[…] to achieve progressively the full realization of the rights […]“ Der Satzteil ‚to achieve progressively‘ verdeutlicht einmal mehr die besondere Struktur von wirtschaftlichen und sozialen Rechten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie im Gegensatz zu bürgerlichen und politischen Rechten gerade nicht von heute auf morgen verwirklicht werden könnten und einen erheblichen Ressourcenaufwand mit sich bringen. Entgegen den Befürchtungen der ungarischen Delegation in den Verhandlungen zum ICESCR ermöglicht diese Wortwahl es jedoch nicht, die Verwirklichung der Rechte auf eine unbestimmte ferne Zukunft zu verschieben.48 Mit ‚to take steps‘ muss zumindest unmittelbar begonnen werden, ebenso gilt die Nichtdiskriminierungspflicht in Art. 2 Abs. 2 ab sofort.49 Dies bestätigte das CESCR in seinem Allgemeinen Kommentar Nr. 3 – insbesondere besteht (in Übereinstimmung mit dem Gesamtzweck des ICESCR) eine Verpflichtung der Staaten, sich ‚as expeditiously and effectively as possible‘ auf das Ziel hinzubewegen.50 Dabei werden nicht nur ein gewisses Verhalten (‚obligations of conduct‘), sondern auch Ergebnisse (‚obligations of result‘) geschuldet.51 Ergänzend hinzugezogen werden sollte eine allgemeine Sorgfaltspflicht (‚due diligence‘).52 Während diese in erster Linie im Zusammenhang mit Unterlassen eines Staates im Bezug auf bürgerliche und politische Rechte entwickelt wurde, kann sie auch auf wirtschaftliche und soziale Rechte übertragen werden.53 48  Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 172 (vgl. auch die fortfolgenden Seiten für eine ausführliche Zusammenfassung der Vertragsverhandlungen zu dieser Frage). 49  The Limburg Principles on the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 122, Rz.  21 f. 50  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 1 – 2, 9. 51  Ibid., Rz. 1; Ben Saul/David Kinley/Jacqueline Mowbray, The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: Commentary, Cases, Materials, 2014, S. 151. 52  The Maastricht Guidelines on Violations of Economic, Social and Cultural Rights, 20 Human Rights Quarterly 1998, S. 691, Prinzip Nr. 18. 53  Christine Chinkin, The United Nations Decade for the Elimination of Poverty: What Role for International Law?, 54 Current Legal Problems 2001, S. 553, 575; siehe den grundlegenden Fall für due diligence-Pflichten: Velásquez Rodríguez v. Honduras, Inter-Amerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 29.7.1988, Series C, No. 4 (1988), Rz. 172.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

c) „[…] to the maximum of its available resources […]“ Auch dieser Teil von Art. 2 Abs. 1 ICESCR trägt dem Faktum Rechnung, dass für die Verwirklichung von wirtschaftlichen und sozialen Rechten erhebliche (finanzielle) Ressourcen aufgewendet werden müssen. Bei der Bewertung, welche Ressourcen tatsächlich für diesen Zweck zur Verfügung stehen, kommt dem Staat ein Ermessenspielraum zu.54 Der Begriff der verfügbaren Mittel bezieht sich dabei sowohl auf eigene Mittel des Staates wie auch auf solche, die durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit erhalten werden.55 d) „[…] individually and through international assistance and co-operation […]“ Ein ebenfalls wesentlicher Bestandteil der Staatenpflichten nach Art. 2 Abs. 1 ICESCR ist die internationale Unterstützung und Zusammenarbeit. Diese Formulierung taucht in ähnlicher Form noch zwei weitere Male im Covenant auf: im Rahmen des Rechts auf Nahrung in Art. 11 Abs. 1 und 2. Sie spiegelt gewissermaßen die Bestimmungen der Art. 55 und 56 der UNCharta.56 Von einer konkreten zwischenstaatlichen Pflicht zur Leistung von internationaler Hilfe wird man aber wohl, auch in Anbetracht der travaux préparatoires, nicht ausgehen können – obgleich dies im Kontext eines konkreten Rechts, unter gewissen Umständen, anders sein könnte.57 Jedoch ist auch Art. 11 Abs. 1 (‚essential importance of international co-operation based on free consent‘) hier eher vage formuliert. Im Gegensatz dazu trifft Entwicklungsstaaten, denen selbst die Möglichkeiten zur Umsetzung fehlen, eine Pflicht, zumindest um internationale Unterstützung zu bitten.58 54  Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 177. 55  The Limburg Principles on the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 122, Rz. 26; UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 13; siehe auch die entsprechenden travaux préparatoires, zusammengefasst bei Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 179 f. 56  Philip Alston/Gerard Quinn, The Nature and Scope of States Parties’ Obligations under the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 156, 187. 57  Ibid., S. 191. 58  Erik M. G. Denters, IMF Conditionality: Economic, Social and Cultural Rights, and the Evolving Principle of Solidarity, in: Paul de Waart/Paul Peters/Erik Denters (Hrsg.), International Law and Development, 1988, S. 235, 238.



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e) Das Konzept des Mindestkerngehalts (‚minimum core content‘) Im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz und dessen Art. 1 enthalten internationale Menschenrechtsverträge59 wie auch der ICESCR keine „kerngehaltsschützende Querschnittsklausel“ wie die Garantie der Menschen­ würde.60 Gleichwohl, und trotz aller Einschränkungen und eher vagen Vorgaben des ICESCR, betont das CESCR (dem UN-Menschenrechtsausschuss hier nicht unähnlich61), dass jeder Staat eine ‚minimum core’-Verpflichtung besäße, jedenfalls die ‚minimum essential levels‘ jedes Rechts sicherzustellen. Dies gelte auch für das Recht auf Nahrung: „Thus, for example, a State party in which any significant number of individuals is deprived of essential foodstuffs […] is, prima facie, failing to discharge its obligations under the Covenant.“62

Eine gegenteilige Auslegung des Covenants in dem Sinne, dass keine minimalen Kernpflichten bestünden, würde diesen eines Großteils seiner raison d’être berauben, wenngleich bei einer solchen Beurteilung natürlich auch in Betracht gezogen werden müsste, ob der Staat unter Ressourcenknappheit leidet. Der Staat muss auf jeden Fall nachweisen, alle Anstrengungen unternommen zu haben, die ihm noch zur Verfügung stehenden Mittel bevorzugt für die Erfüllung der Kernverpflichtungen einzusetzen.63 Grundsätzlich gelten die Mindeststandards der jeweiligen Rechte aber absolut und müssen von jedem Staat, unabhängig vom konkreten Niveau seiner Entwicklung und seiner Ressourcen, gewährleistet werden.64 59  Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 enthält noch eine Bestimmung zur Menschenwürde, siehe Art. 1. 60  Jochen von Bernstorff, Kerngehaltsschutz durch den UN-Menschenrechtsausschuss und den EGMR: Vom Wert kategorialer Argumentationsformen, 42 Der Staat 2011, S. 165, 170. 61  Ibid., S. 177. 62  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 10. Zur Thematik des Mindestkerngehalts von wirtschaftlichen und sozialen Rechten, siehe Katharine G.Young, The Minimum Core of Economic and Social Rights: A Concept in Search of Content, 33 Yale Journal of International Law 2008, S. 113; Mary Dowell-Jones, Contextualising the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: Assessing the Economic Deficit, 2004, S. 21 ff. 63  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 10. 64  Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 509.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

f) Zulässigkeit retrogressiver Maßnahmen In Anbetracht der Formulierungen ‚to take steps‘ und ‚to achieve progressively the full realization of the rights‘ ist fraglich, ob der ICESCR temporär rückschrittlich wirkende (‚retrogressive‘) Maßnahmen eines Staates grundsätzlich verbietet, bzw. ob es Staaten grundsätzlich verboten ist, ihre für die Gewährleistung eines Rechts ausgegebenen Mittel zu reduzieren – eine Frage, die sich insbesondere im Hinblick auf Sparprogramme im Zuge von Wirtschafts- und Finanzkrisen stellt. Grundsätzlich ergibt sich aus der Pflicht zur progressiven Realisierung der Rechte auch eine Pflicht zur steten Verbesserung bzw. zum Fortschritt.65 Dementsprechend nimmt das CESCR (in seinem Allgemeinen Kommentar Nr. 3 zu den Staatenpflichten aus Art. 2 Abs. 1 ICESCR) diesbezüglich eine restriktive, aber nicht absolute Haltung ein: Alle bewusst retrogressiven Maßnahmen erforderten ‚the most careful consideration‘ und müssten vollumfänglich gerechtfertigt sein, in Abwägung mit der Totalität der durch den ICESCR gewährten Rechte und im Kontext der vollen Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Mittel.66 Art. 4 des ICESCR gestattet den Vertragsparteien zwar, unter gewissen Umständen Rechte zu beschränken: „The States Parties to the present Covenant recognize that, in the enjoyment of those rights provided by the State in conformity with the present Covenant, the State may subject such rights only to such limitations as are determined by law only in so far as this may be compatible with the nature of these rights and solely for the purpose of promoting the general welfare in a democratic society.“

Jedoch bezieht sich diese Bestimmung ausschließlich auf konkrete Restriktionen, nicht auf eine allgemeine Limitierung des generellen Errungenschaftsniveaus des ICESCR – dieses richtet sich ausschließlich nach Art. 2 Abs. 1.67

65  Aoife Nolan/Nicholas J. Lusiani/Christian Courtis, Two Steps Forward, No Steps Back? Evolving Criteria on the Prohibition of Retrogression in Economic and Social Rights, in: Aoife Nolan (Hrsg.), Economic and Social Rights after the Global Financial Crisis, 2014, S. 121, 122 f. 66  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 9; siehe auch UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 10. 67  Michael Lucas, The International Monetary Fund’s Conditionality and the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: An Attempt to Define the Relation, Revue Belge de Droit International 1992, S. 104, 127 f.



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Menschenrechte sind gerade nicht lediglich eine politische Option, auf die man in Zeiten wirtschaftlicher Krise einfach verzichten kann.68 In seinem verhältnismäßig neuen Allgemeinen Kommentar Nr. 19 zum Recht auf soziale Sicherheit aus Art. 9 ICESCR führte das CESCR dies unter Bezugnahme auf die Formulierung des dritten Allgemeinen Kommentars noch näher aus: „There is a strong presumption that retrogressive measures taken in relation to the right to social security are prohibited under the Covenant. […] The Committee will look carefully at whether: (a) there was reasonable justification for the action; (b) alternatives were comprehensively examined; (c) there was genuine participation of affected groups in examining the proposed measures and alternatives; (d) the measures were directly or indirectly discriminatory; (e) the measures will have a sustained impact on the realization of the right to social security, an unreasonable impact on acquired social security rights or whether an individual or group is deprived of access to the minimum essential level of social security; and (f) whether there was an independent review of the measures at the national level.“69

Die vom UN-Menschenrechtsrat 2011 angenommenen Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights plädieren für ein noch weitergehendes Verbot retrogressiver Maßnahmen. In diesen Prinzipien heißt es: „States have an obligation to avoid retrogressive measures, that is, any deliberate action which has the effect of impairing the advancement in economic, social and cultural rights and thus hindering the continuous realization of these rights.“70

4. Spezifischer Gehalt des Art. 11 ICESCR a) Auslegung durch den Allgemeinen Kommentar Nr. 12 des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Ein wichtiger Maßstab für die Auslegung des Rechts auf Nahrung im Rahmen des ICESCR ist der 12. Allgemeine Kommentar des CESCR aus 68  Magdalena Sepúlveda Carmona, Alternatives to Austerity: A Human Rights Framework for Economic Recovery, in: Aoife Nolan (Hrsg.), Economic and Social Rights after the Global Financial Crisis, 2014, S. 23, 41. 69  UN-Dokument E/C.12/GC/19 (4.2.2008), General Comment No. 19 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 42; siehe auch Markus Kra­ jewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/ Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 512; Margot Salomon, Of Austerity, Human Rights and International Institutions, 21 European Law Journal 2015, S. 528, 540. 70  UN-Dokument A/HRC/20/23 (10.4.2011), Report of the Independent Expert, Annex: Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights, Rz. 19.

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dem Jahr 1999. Das CESCR besteht aus 18 unabhängigen Experten, die zwar von den Vertragsstaaten nominiert werden, jedoch nicht als Staatenvertreter agieren.71 Deren ‚General Comments‘ sind nicht völkerrechtlich verbindlich, präsentieren aber den aktuellen Stand der Norminterpretation durch den Vertragsausschuss sowie die Expertise, die dieser u. a. durch Staatenberichte, NGOBerichte und -vorträge sowie Expertenstudien erlangt hat.72 Daher kommt ihnen auch eine erhebliche Bedeutung in den Staatenberichtsverfahren zu; die Vertragsstaaten haben die Kommentare meistens ohne Widerspruch akzeptiert.73 Seit den frühen 1990er Jahren tendiert das CESCR zu einer progressiven Entwicklung des Rechts, was die Frage aufwirft, inwiefern diese Interpretationen noch dem Willen der ursprünglichen Schöpfer des Vertrages entsprechen.74 Es scheint jedoch anerkannt zu sein, dass Allgemeine Kommentare sich nicht mehr nur auf die Wiedergabe von generellen Beobachtungen aus der ‚monitoring practice‘ der jeweiligen Vertragsausschüsse beschränken müssen, sondern (insbesondere seit 1991, als im Rahmen des Staatenberichtsverfahren das Verfassen von Schlussbeobachtungen möglich wurde) darüber hinaus eigene Strategien zur Lösung von streitigen Fragen beinhalten können.75

71  Eibe Riedel, Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. II, S. 427, 431, Rz. 17. 72  Ibid., S. 430, Rz. 12. 73  Eibe Riedel, Allgemeine Bemerkungen zu Bestimmungen des Internationalen Paktes über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte der Vereinten Nationen, in: Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg.), Die „General Comments“ zu den VN-Menschenrechtsverträgen, Deutsche Übersetzung und Kurzeinführung, 2005, S. 160, 164. 74  Gudmundur Alfredsson, Human Rights Commissions and Treaty Bodies in the UN-System, in: Rüdiger Wolfrum/Volker Röben (Hrsg.), Developments of Interna­ tional Law in Treaty Making, 2005, S. 559, 561 ff., der vor allem auf die Qualität der General Comments abstellt, selbst wenn diese deutlich über den Wortlaut des Vertrages hinausgehen; Marie von Engelhardt, Opportunities and Challenges of a Soft Law track to Economic and Social Rights – The Case of the Voluntary Guidelines on the Right to Food, 42 Verfassung und Recht in Übersee 2009, S. 502, 514. 75  Eckart Klein, Impact of Treaty Bodies on the International Legal Order, in: Rüdiger Wolfrum/Volker Röben (Hrsg.), Developments of International Law in Trea­ty Making, 2005, S. 571, 575.



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b) Verwirklichung des Rechts und dessen Mindestkerngehalts Für den CESCR ist das Recht auf angemessene Nahrung dann verwirklicht, wenn: „every man, woman and child, alone or in community with others, have physical and economic access at all times to adequate food or means for its procurement.“76

Dementprechend solle das Recht auf angemesse Nahrung nicht zu restriktiv ausgelegt werden, dergestalt, dass es lediglich auf ein Mindestmaß an Kalorien, Proteinen und anderen Nährstoffen ankäme. Wenngleich das Recht auf angemesse Nahrung ‚progressively‘ verwirklicht werden müsse, träfe die Staaten eine Kernpflicht (‚core obligation‘), die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, entsprechend Art. 11 Abs. 2 ICESCR Hunger zu mindern, auch in Zeiten von (Natur-)Katastrophen.77 Den Wesensgehalt (‚core content‘) des Rechts sieht das CESCR in zweierlei Punkten: (1) in der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln in ausreichender Menge und Qualität, um die individuellen Ernährungsbedürfnisse zu befriedigen (frei von schädlichen Stoffen und innerhalb der gegebenen Umgebung akzeptabel78); sowie (2) in der Zugänglichkeit zu diesen Nahrungsmitteln in einer Weise, die nachhaltig ist und die den Genuss anderer Menschenrechte nicht beeinträchtigt.79 Am ersten Kriterium wird deutlich, dass das Recht auf Nahrung mehr beinhaltet als eine bloße ausreichende Kalorienzufuhr.80 Der Verweis auf die Ernährungsbedürfnisse impliziert vielmehr, dass die Ernährung insgesamt eine Mischung von Nährstoffen für körperliches und geistiges Wachstum, Entwicklung und Erhaltung sowie für körperliche Aktivität enthält, die mit den menschlichen physiologischen Bedürfnisen, in allen Lebensphasen und je nach Geschlecht und Beruf variierend, in Einklang steht.81 76  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 6. 77  Ibid. 78  Ibid., Rz. 10, 11. 79  Ibid., Rz. 8. 80  Karen Kong, The Right to Food for All: A Right-Based Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 537; Kerstin Mechlem, International Protection of the Right to Food, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IV, S. 143, 144, Rz. 4. 81  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 9.

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Mit der Verfügbarkeit von Lebensmitteln meint das CESCR, dass sich Menschen entweder unmittelbar (dank ertragreicher Böden oder sonstiger natürlicher Ressourcen) selbst ernähren können, oder dass gut funktionierende Verteilungs-, Verarbeitungs- und Marktsysteme bestehen, die Nahrungsmittel entsprechend der Nachfrage vom Produktionsort dorthin bringen können, wo sie benötigt werden.82 Zugänglichkeit unfasst dem Allgemeinen Kommentar zufolge sowohl die wirtschaftliche wie auch die physische Zugänglichkeit: Wirtschaftlicher Zugang bedeutet, dass die mit der Beschaffung von Nahrungsmitteln für eine angemessene Ernährung verbundenen finanziellen Aufwendungen sich in einem Rahmen bewegen sollten, dass die Verwirklichung und Befriedigung anderer grundlegender Bedürfnisse nicht gefährdet oder beeinträchtigt werden. Sozial schwache Gruppen, wie Landlose und sonstige besonders verarmte Teile der Bevölkerung werden möglicherweise besondere Programme benötigen. Die physische Zugänglichkeit hingegen impliziert, dass angemessene Nahrung für jeden erreichbar sein muss, einschließlich körperlich schwächerer Menschen wie Kinder und Kleinkinder, ältere Menschen, Behinderte, Todkranke und Menschen mit anhaltenden Gesundheitsproblemen (einschließlich der psychisch Kranken). Als besonders schutzbedürftig werden auch Opfer von Naturkatastrophen und indigene Bevölkerungsgruppen anerkannt.83 Die Pflicht der Staaten besteht dabei nicht darin, einfach nur direkte Nahrungshilfe zur Verfügung zu stellen – vielmehr müssen sie externe Bedingungen garantieren, die es den Menschen ermöglichen, sich selbst zu ernähren.84 Dabei kommt es nicht auf die Ursache von etwaigen Schwierigkeiten an. Auch wenn z. B. eine Naturkatatrophe keine menschlichen Ursachen hat, trifft den Territorialstaat aus dem Recht auf Nahrung eine Verpflichtung zu positiven Maßnahmen, den Auswirkungen der Katastrophe entgegenzuwirken.85 Gleiches gilt dem CESCR zufolge für sonstige schwerwiegende Mittelbeschränkungen, z. B. verursacht durch wirtschaftliche Anpassungsprozesse bzw. Rezession: Auch hier müsste der Staat Maßnahmen ergreifen, die sicherstellen, dass das Recht auf angemessene Ernährung vor allem für verletzliche Gruppen und Individuen gewährleistet ist.86 82  Ibid.,

Rz. 12. Rz. 13. 84  Henry Shue, The Interdependence of Duties, in: Philip Alston/Katarina Tomaševski (Hrsg.), The Right to Food, 1984, S. 83, 94; Karen Kong, The Right to Food for All: A Right-Based Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 538. 85  Anne Peters, Jenseits der Menschenrechte: Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, 2014, S. 224. 86  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 28. 83  Ibid.,



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Die Definitionen des Ausschusses stießen auf Anerkennung in der internationalen Gemeinschaft. Sie sind demjenigen des World Food Summit von 1996 recht ähnlich, und wurden später von den FAO Voluntary Guidelines von 2004 aufgegriffen.87 c) Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten Die Grundannahme von modernen Menschenrechten bezieht sich darauf, dass neben einem Rechtsinhaber (‚rights holder‘), dem Individuum oder einem Volk, auch ein verpflichtes Rechtssubjekt (‚duty bearer‘/obligation holder‘) stehen muss (zunächst der Staat, mitunter auch weitere Rechts­ subjekte).88 Nichts anderes gilt für das Recht auf Nahrung, woraus sich die Frage ergibt, welche konkreten Pflichten aus diesem Recht erwachsen. Das Recht auf Nahrung nach Art. 11 ICESCR setzt sich (einer weit verbreiteten Konzeption von Pflichten gerade im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte folgend) aus einer Achtungs-, einer Schutz- und einer Erfüllungspflicht zusammen.89 Die Pflicht, bestehenden Zugang zu angemessener Nahrung zu achten (‚obligation to respect‘) verlangt von den Staaten, keine Maßnahmen zu ergreifen, die in der Verhinderung eines solchen Zugangs resultieren würden.90 Sie beinhaltet den Respekt vor der Freiheit des Individuums, auf Nahrung und die dafür notwendigen Ressourcen zuzugreifen.91 Es handelt sich also gewissermaßen um eine Unterlassungspflicht, bezogen auf den Teil des Rechts, der einem Abwehrrecht (wie es bürgerliche und politische Rechte klassischerweise sind) am meisten ähnelt. In der Praxis umfasst die Achtungspflicht eine Vielzahl von Bereichen. So verbietet die Achtungspflicht den Staaten, ohne angemessene Entschädigung und Beteiligung über 87  Kerstin Mechlem, International Protection of the Right to Food, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IV, S. 143, 144, Rz. 5. 88  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 44, 50 f.; Margot Salomon, Global Responsibility for Human Rights: World Poverty and the Development of International Law, 2007, S. 55, 114 ff. 89  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 15; siehe hierzu schon grundlegend den Abschlussbericht von Asbjorn Eide als Special Rapporteur of a Study on the Right to Adequate Food as a Human Right, UN Centre for Human Rights, 1989, Rz. 169 ff. 90  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 15. 91  Karen Kong, The Right to Food for All: A Right-Based Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 538f.

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das Land indigener Völker zu verfügen.92 Ein anderes Beispiel ist das Unterlassen von Gesetzesvorhaben, die direkt oder indirekt Frauen diskriminieren und so ihren Zugang zu Nahrung, Land, Wasser und Arbeit behindern.93 Die zweite Kategorie von Pflichten stellt die Schutzpflicht (‚obligation to protect‘) dar. Diese erfordert solche Maßnahmen des Staates, die sicherstellen, dass andere Akteure, wie Unternehmen oder Einzelpersonen (obgleich dieser Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes noch „in den Kinderschuhen“ steckt94), Menschen nicht den Zugang zu angemessener Nahrung vorenthalten.95 Solche Maßnahmen umfassen beispielsweise Gesetze, die hinreichenden Rechtsschutz im Falle einer Verletzung ermöglichen.96 Aber auch Regulierungsmaßnahmen, die direkt beim grundsätzlichen Handlungsspielraum von Unternehmen ansetzen, sind erfasst.97 Bezüglich der Verletzung des Rechts auf Nahrung ist praktisch weniger das Verhalten einzelner Individuen von Belang, sondern vielmehr jenes der großen, gerade auch transnationalen Konzerne.98 Abstraktere, aber nicht weniger wichtige Pflichten beinhalten den Schutz des Rechts auf Nahrung vor „more powerful economic interests; protection against fraud, against unethical behavior in trade and contractual relations, against the marketing and dumping of hazardous or dangerous products.“99 92  Ibid.,

S. 539. S. 539. 94  Anja Seibert-Fohr, Die völkerrechtliche Verantwortung des Staats für das Handeln von Privaten: Bedarf nach Neuorientierung?, 73 ZaöRV 2013, S. 37, 39; siehe auch Urbaser S.A. and Consorcio de Aguas Bilbao Bizkaia, Bilbao Biskaia Ur Partzuergoa v. Argentinien, ICSID Case No. ARB/07/26, Schiedsspruch vom 8.12.2016, Rz.  1193 ff. Die menschenrechtliche Verpflichtung von Privaten ist ein noch im Werden begriffener Bereich des Völkerrechts. Dabei ist zwischen denjenigen Menschenrechten zu unterscheiden, deren Schutzgüter oder -anordnungen überhaupt grundsätzlich von Privaten verletzt werden können und denen, „deren Schutzgut oder Schutzanordnung ausschließlich staatsbezogen sind“, wie es z. B. bei den Justizgrundrechten der Fall ist; siehe Katja Wiesbrock, Internationaler Schutz der Menschenrechte vor Verletzungen durch Private, 1999, S. 19 f. 25. 95  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No. 12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 15, 27. 96  Karen Kong, The Right to Food for All: A Right-Based Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 539. 97  UN-Dokument A/56/210 (23.7.2001), Preliminary Report of the Special Rapporteur of the Commission on Human Rights on the Right to Food, Jean Ziegler, Rz. 28. 98  Siehe hierzu Ibrahim Kanalan, Die universelle Durchsetzung des Rechts auf Nahrung gegen transnationale Unternehmen, 2015. 99  Asbjorn Eide, Strategies for the Realization of the Right to Food, in: Kathleen E. Mahoney/Paul Mahoney (Hrsg.), Human Rights in the Twenty-First Century: A Global Challenge, 1993, S. 459, 464. 93  Ibid.,



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Als dritte Pflicht besteht eine Erfüllungspflicht (auch Gewährleistungspflicht genannt, ‚obligation to fulfill‘). Die Erfüllungspflicht besteht nach Ansicht des CESCR wiederum aus einer Förderungs- (‚obligation to facilitate‘) und aus einer Bereitstellungspflicht (‚obligation to provide‘).100 Die Förderungspflicht war dabei ursprünglich als vierte Ebene der Verpflichtungen vorgeschlagen worden, diese Idee wurde letztendlich aber wieder verworfen.101 Förderungspflicht meint, dass der Staat proaktiv darauf hinwirken muss, den Menschen den Zugang zu und die Nutzung von Ressourcen und Mitteln zur Sicherung ihres Lebensunterhalts, insbesondere der Ernährungssicherheit, zu erleichtern. Wenn aber eine Einzelperson oder eine Gruppe aus Gründen, auf die sie keinen Einfluss hat, nicht in der Lage ist, das Recht auf angemessene Nahrung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wahrzunehmen, haben Staaten schließlich die Pflicht zur unmittelbaren Gewährleistung dieses Rechts (Bereitstellungspflicht). Namentlich genannt werden vom CESCR hier Opfer von (Natur-)Katastrophen.102 Ein ganz wesentlicher Bestandteil der Erfüllungspflicht besteht in der Bereitstellung von entsprechenden Sozialleistungen (‚social protection‘), denn die Erfüllungspflicht lässt sich nicht nur durch die Verteilung von Nahrungsmitteln erfüllen, sondern auch durch die Bereitstellung von Finanzhilfen,103 ein Weg, der abseits von akuten Hungerkrisen weltweit die gängigere Methode darstellt. Einen Mittelweg stellt die Bereitstellung von Lebensmittelmarken dar, wie sie z. B. in den USA im Rahmen des Supplemental Nutrition Assistance Program104 gehandhabt wird. Dieser Dreiklang der Pflichten indiziert, dass das Recht auf Nahrung mehr als ein bloßes Unterlassen fordert, andererseits aber, ebenso wie andere wirtschaftliche und soziale Rechte, nicht einfach durch die Bereitstellung von Wohlfahrtsmaßnahmen verwirklicht wird: Die Sicherstellung der Ernährung derjeniger, die nicht für sich selbst sorgen können, stellt zwar einen wichtigen Teil davon dar, es ist aber eben auch nötig, dem Bedürfnis der Menschen gerecht zu werden, in einer Weise für sich selbst zu sorgen, die ihrer Würde und ihrer Selbstachtung entspricht, und die dafür erforderlichen Möglichkei100  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 15. 101  Ibid., Fn. 1 zu Rz. 15. 102  Ibid., Rz. 15. 103  FAO, The Right to Food Guidelines: Information Papers and Case Studies, 2006, S.  141 ff. 104  United States Department of Agriculture, Food and Nutrition Service, www. fns.usda.gov/snap/supplemental-nutrition-assistance-program-snap.

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ten zu schaffen – vor allem müssen die strukturellen Ursachen von Armut bekämpft werden.105 Andererseits bedeutet die Gewährleistungspflicht aber auch nicht, dass der Staat jedem Menschen kostenlos Nahrung zur Verfügung stellen muss; das Individuum trifft nach wie vor eine vorrangige Verpflichtung, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen; sofern ihm dies nicht unmöglich ist (beispielsweise wegen Arbeitslosigkeit, ungleicher Landverteilung oder mangelndem Zugang zu Nahrungsmitteln).106 Als Umsetzung der Förderungspflicht kann der Staat beispielsweise Beschäftigungsmöglichkeiten verbessern oder Agrarreformen zugunsten der Landlosen voranbringen.107 Ebenso sollte der Staat besonders verletzliche Gruppen identifizieren, die Gründe für ihre Verwundbarkeit in Bezug auf das Recht auf Nahrung verstehen und diese Erkenntnisse in seine Pläne zur Ernährungssicherheit aufnehmen.108 Die Aufteilung des Rechts auf Nahrung in Achtungs-, Schutz- und Erfüllungspflichten spielt durchaus auch rechtlich eine Rolle, da sich anhand dieser Kategorisierung die konkreten Staatenpflichten im Hinblick auf die Umsetzungsgeschwindigkeit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 ICESCR (‚to achieve progressively the full realization of the rights‘) näher bestimmen lassen. Während die Erfüllungspflicht langwierige Anstrengungen der Staaten voraussetzt, sind die Achtungspflicht sowie die Nichtdiskriminierungspflicht wesentlich leichter umzusetzen, da sie nicht durch begrenzte Ressourcen beschränkt werden.109 Dementsprechend sind an entsprechende staatliche Maßnahmen unterschiedliche Maßstäbe anzulegen.

105  Asbjørn Eide, Economic and Social Rights, in: Janusz Symonides (Hrsg.), Human Rights: Concept and Standards, 2000, S. 109, 160. 106  Christine Chinkin, The United Nations Decade for the Elimination of Poverty: What Role for International Law?, 54 Current Legal Problems 2001, S. 553, 578. 107  Karen Kong, The Right to Food for All: A Right-Based Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 540; UN-Dokument A/56/210 (23.7.2001), Preliminary Report of the Special Rapporteur of the Commission on Human Rights on the Right to Food, Jean Ziegler, Rz. 29. 108  FAO, The Right to Food in Practice: Implementation at the National Level, 2006, S. 11. 109  Kerstin Mechlem, Food Security and the Right to Food in the Discourse of the United Nations, 10 European Law Journal 2004, S. 631, 640.



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d) Mögliche Verletzungshandlungen aa) Die allgemeinen Richtlinien der Limburger Prinzipien In Anbetracht der im Vergleich zum ICCPR vageren Staatenpflichten nach Art. 2 Abs. 1 ICESCR ist es schwieriger, eine konkrete Verletzung dieser Pflichten zu benennen. Zu diesem Zweck wurden bereits in den 1980er Jahren die Limburg Principles on the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights110 ausgearbeitet. Hierbei handelt es sich nicht um eine Resolution der UN-Generalversammlung oder eines ähnlichen zwischenstaatlichen Gremiums mit entsprechend einhergehender größerer rechtlicher Autorität, sondern um einen Text führender Wissenschaftler. Nach den Limburger Prinzipien liegt eine Verletzung des ICESCR dann vor, wenn der Vertragsstaat: (1) es unterlässt, eine nach dem Covenant notwendige Maßnahme zu ergreifen; (2) es unterlässt, unverzüglich Hindernisse zu beseitigen, zu deren Beseitigung er verpflichtet ist, um die sofortige Erfüllung eines Rechts zuzulassen; (3) es unterlässt, ohne Verzögerung ein Recht zu implementieren, zu dessen unmittelbarer Zurverfügungstellung es unter dem Covenant verpflichtet ist; (4) es mutwillig unterlässt, einen allgemein akzeptierten internationalen Mindeststandard an Errungenschaften zu erfüllen, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre; (5) ein durch den Covenant anerkanntes Recht in einer Weise einschränkt, die mit dem Covenant nicht vereinbar ist; (6) absichtlich die fortschreitende Verwirklichung eines Rechts verzögert oder aussetzt, es sei denn, er handelt innerhalb einer nach dem Covenant zulässigen Einschränkung oder aufgrund eines Ressourcenmangels oder aufgrund von höherer Gewalt; (7) es unterlässt, die nach dem Covenant erforderlichen Berichte einzureichen.111 110  The Limburg Principles on the Implementation of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 122. 111  Ibid., Rz. 72.

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Die Prinzipien verweisen allerdings auch ausdrücklich auf den Beurteilungsspielraum, der den Vertragsstaaten bei der Auswahl ihrer Mittel zugestanden wird.112 Zudem ist diese Liste nicht abschließend gedacht.113 bb) Die nahrungsspezifischen Maßstäbe des CESCR Laut dem Allgemeinen Kommentar des CESCR zum Recht auf Nahrung liegt ein Verstoß vor, wenn ein Staat nicht zumindest die Befriedigung des zur Vermeidung von Hunger unverzichtbaren Mindestbedarfs an Nahrung sicherstellt. Dabei ist gerade entscheidend, ob der Staat nicht fähig oder nicht willens ist, seine Verpflichtungen einzuhalten. Sollte er geltend machen, mangels ausreichender Mittel nicht dazu fähig zu sein, muss er nachweisen, dass alle Anstrengungen zum Einsatz aller ihm zu Gebote stehenden Mittel unternommen wurden, den Mindestverpflichtungen vorrangig nachzukommen; dies folge aus Art. 2 Abs. 1 des Paktes. Wenn ein Staat geltend macht, dass er aus Gründen, auf die er keinen Einfluss hat, nicht in der Lage sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen, muss er darlegen, dass dies tatsächlich der Fall ist und er sich vergeblich um internationale Hilfe bemüht hat, um die Verfügbarkeit und den Zugang zur notwendigen Nahrung sicherzustellen.114 Ebenso liegt ein Verstoß vor, wenn beim Zugang zu Nahrungsmitteln sowie in Bezug auf Mittel und Ansprüche zu ihrer Beschaffung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, des Alters, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Besitzes oder des sonstigen Status diskrimiert wird, und diese Diskriminierung zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch der gleichberechtigte Genuss oder die gleichberechtigte Ausübung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten vereitelt oder beeinträchtigt wird.115 Unter den vom CESCR genannten denkbaren Verletzungen findet sich auch die Nichtberücksichtigung der völkerrechtlichen Verpflichtungen bezüglich des Rechts auf Nahrung durch einen Staat beim Abschluss von Vereinbarungen mit anderen Staaten oder auch internationalen Organisationen.116

112  Ibid.,

Rz. 71. Dankwa/Cees Flinterman, Commentary by the Rapporteurs on the Nature and Scope of States Parties’ Obligations, 9 Human Rights Quarterly 1987, S. 136, 146. 114  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 17. 115  Ibid., Rz. 18. 116  Ibid., Rz. 19; ausführlicher unter Teil 2, A. III. 5. a). 113  E.V.O.



A. Völkervertragsrecht125

5. Verpflichtete und Begünstigte des Rechts a) Verpflichtete Vertragsparteien des ICESCR sind ausschließlich Staaten – somit sind sie auch die primär Verpflichteten.117 Fraglich ist, wieweit die Bindungswirkung der Staaten reicht. Die örtliche Jurisdiktion hängt bezüglich der Anwendbarkeit von Menschenrechtsverträgen grundsätzlich von einer gewissen Macht ab, die ein Staat über ein Territorium bzw. über Individuen ausübt.118 Sowohl der ICCPR als auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)119, zwei der wichtigsten internationalen Menschenrechtsverträge, enthalten eine Beschränkung ihres Geltungsbereiches.120 Im Gegensatz hierzu finden sich im ICESCR dem Wortlaut nach keine territorialen oder juridiktionellen Beschränkungen.

117  Zwar wird immer wieder die faktische Bedeutung des Handelns des privaten Unternehmenssektors für das Recht auf Nahrung betont; siehe UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No. 12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 20; Ibrahim Kanalan, Die universelle Durchsetzung des Rechts auf Nahrung gegen transnationale Unternehmen, 2015; Katja Wiesbrock, Internationaler Schutz der Menschenrechte vor Verletzungen durch Private, 1999. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der ICESCR private Akteure nicht verpflichtet und entsprechende Initiativen wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder die UN Guiding Principles on Business and Human Rights (OECD Guidelines for Multinational Enterprises, revidierte Fassung von 2011, www.oecd.org/daf/inv/ mne/48004323.pdf, Kapitel 4, S. 31 ff.; UN Guiding Principles on Business and Human Rights, UN-Dokument A/HRC/17/31 [21.03.2011]) lediglich Empfehlungen darstellen und keine rechtliche Bindungskraft entfalten. 118  Marko Milanovic, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties: Law, Principles, and Policy, 2011, S. 19 ff, S. 53. 119  213 UNTS 22. 120  Art. 2 Abs. 1 ICCPR begrenzt seine Anwendbarkeit in territorialer und juridiktioneller Hinsicht: „Each State Party to the present Covenant undertakes to respect and to ensure to all individuals within its territory and subject to its jurisdiction the rights recognized in the present Covenant, […].“ Art. 1 der EMRK beschränkt den Geltungsbereich der Konvention nur im Hinblick auf die Hoheitsgewalt des jeweiligen Staates: „The High Contracting Parties shall secure to everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in Section I of this Convention.“ Zur diesbezüglichen Rechtsprechung des EGMR, siehe Loizidou v. Türkei, Application No. 15318/89, Urteil vom 18.12.1996, Rz. 52; Bankovic v. Belgien u. a., Application No. 52207/99, Urteil (Zulässigkeit) vom 19.12.2001, Rz. 34  ff.; Issa u. a. v. Türkei, Application No. 31821/96, Urteil vom 16.11.2004, Rz. 67 ff.; Al-Skeini u. a. v. Vereinigtes Königreich, Application No. 55721/07, Urteil vom 7.7.2011, Rz. 149; Al-Jedda v. Vereinigtes Königreich, Application No. 27021/08, Urteil vom 7.7.2011, Rz.  74 ff.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

In Abwesenheit einer Jurisdiktionsklausel könnte man zwei gegensätzliche Schlussfolgerungen ziehen.121 Zum einen könnte dies auf eine strenge territoriale Beschränkung hindeuten, was allerdings in Anbetracht des Universalitätsprinzips allzu restriktiv wäre und letztlich zu rechtlich unbegrenzter Staatsgewalt führen würde. Zum anderen könnte der Vertrag so interpretiert werden, als bestünden keinerlei Begrenzungen, eine Herangehensweise, die jener des IGH im Bosnian Genocide-Fall122 nahe käme, aufgrund ihrer Unbestimmtheit jedoch ebenfalls nicht sachgemäß wäre und gerade bei wirtschaftlichen und sozialen Rechte utopische Zustände fordern würde. Hier zeigt sich, dass beide Varianten problembehaftet sind und eine vermittelnde Position gefunden werden muss. Wie bereits dargelegt, zeichnet sich der ICESCR durch eine starke internationale Dimension der enthaltenen Menschenrechte aus. Art. 2 Abs. 1 statuiert explizit eine Pflicht zu ‚international assistance and co-operation‘. In seinem Allgemeinen Kommentar Nr. 3 zur Natur der Staatenpflichten betonte das CESCR, dass – im Einklang mit Art. 55 und 56 der UN-Charta, anerkannten Prinzipien des Völkerrechts, und den Bestimmungen des ICESCR selbst – internationale Entwicklungszusammenarbeit bzw. Zusammenarbeit für die Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte eine Verpflichtung aller Staaten sei.123 Dementsprechend könnten Staaten auch extraterritorial zur Einhaltung des Rechts auf Nahrung verpflichtet sein, sowohl individuell als auch in ihrem Verhalten im Zusammenhang mit internationalen Organisationen. Unter der extraterritorialen Geltung der Menschenrechte versteht man eine rechtliche Bindung des Staates über das eigene Staatsgebiet hinaus.124 Uneinigkeit besteht bezüglich der Frage, wann sich aus wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten extraterritoriale Pflichten ergeben. 121  Im Folgenden: Marko Milanovic, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties: Law, Principles, and Policy, 2011, S. 227 f. 122  Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Bosnien und Herzegovina v. Serbien und Montenegro, IGH, Urteil (Merits) vom 26.2.2007, ICJ Reports 2007, S. 43, Rz. 430. 123  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 14. 124  Siehe die Definition bei Olivier de Schutter/Asbjørn Eide/Ashfaq Khalfan/Marcos Orellana/Margot Salomon/Ian Seiderman, Commentary to the Maastricht Principles on Extraterritorial Obligations of States in the Area of Economic, Social and Cultural Rights, 34 Human Rights Quarterly 2012, S. 1084, 1101, Prinzip 8: „a) obligations relating to the acts and omissions of a State, within or beyond its territory, that have effects on the enjoyment of human rights outside of that State’s territory; and b) obligations of a global character that are set out in the Charter of the United Nations and human rights instruments to take action, separately, and jointly through international cooperation, to realize human rights universally.“



A. Völkervertragsrecht127

Man könnte meinen, dass wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte nur dann extraterritorial anwendbar sind, wenn der entsprechende Staat effektive Kontrolle ausübt. An der effective control-Therorie wird – so sehr sie sich in Bezug auf andere Menschenrechtsverträge wie den ICCPR und die EMRK auch durchgesetzt hat125 – kritisiert, dass diese für die Anwendung auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu restriktiv sei und zu einer Anwendbarkeit letztlich nur in Fällen der Besatzung, bzw. der Kontrolle über Truppen führen würde.126 Wesentlich weiter geht die Ansicht der Verfasser der Maastricht Principles on Extraterritorial Obligations of States in the Area of Economic, Social and Cultural Rights, wonach Staaten in drei verschiedenen Szenarien gebunden sein sollen: wenn sie Hoheitsgewalt oder effektive Kontrolle ausüben; wenn das Handeln oder Unterlassen zu vorhersehbaren Auswirkungen auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte führen würde; oder wenn der Staat in einer Position ist, die es ihm ermöglicht, entscheidenden Einfluss auszuüben bzw. Maßnahmen zu ergreifen, um diese Rechte extraterritorial zu verwirklichen.127 Zur Frage, wie extraterritoriale menschenrechtliche Verpflichtungen (sofern sie denn grundsätzlich bestehen), gerade auch in Bezug auf das Recht auf Nahrung, konkret ausgestaltet sind, haben sich ebenso mehrere Ansichten herausgebildet, von denen sich bisher keine eindeutig durchsetzen konnte. Diese reichen von einer Beschränkung auf eine extraterritoriale Achtungs­pflicht,128 125  UN-Dokument CCPR/C/21/Rev.1/Add. 13 (26.5.2004), UN-Menschenrechtsausschuss, General Comment No. 31, Rz. 10; Loizidou v. Türkei, EGMR, Application No. 15318/89, Urteil vom 18.12.1996, Rz. 52; Bankovic v. Belgien u. a., EGMR, Application No. 52207/99, Urteil (Zulässigkeit) vom 19.12.2001, Rz. 34 ff.; Issa u. a. v. Türkei, EGMR, Application No. 31821/96, Urteil vom 16.11.2004, Rz. 67 ff.; AlSkeini u. a. v. Vereinigtes Königreich, EGMR, Application No. 55721/07, Urteil vom 7.7.2011, Rz. 149; Al-Jedda v. Vereinigtes Königreich, EGMR, Application No. 27021/08, Urteil vom 7.7.2011, Rz. 74 ff. 126  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 734; siehe hierzu auch die entsprechende Bejahung der Anwendbarkeit des ICESCR auf die Palästinensischen Autonomiegebiete durch den IGH: Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, IGH, Gutachten vom 9.7.2004, ICJ Reports 2004, S. 136, 181, Rz. 112. 127  Olivier de Schutter/Asbjørn Eide/Ashfaq Khalfan/Marcos Orellana/Margot Salomon/Ian Seiderman, Commentary to the Maastricht Principles on Extraterritorial Obligations of States in the Area of Economic, Social and Cultural Rights, 34 Human Rights Quarterly 2012, S. 1084, 1104 f., Prinzip 9. 128  Marko Milanovic, Extraterritorial Application of Human Rights Treaties: Law, Principles, and Policy, 2011, S. 228, argumentiert, dass in Abwesenheit einer Jurisdiktionsklausel negative Staatenpflichten territorial unbegrenzt wären, während positive

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

über die Bindung an Achtungs- und Schutzpflichten,129 bis hin zu einem umfassenden Dreiklang der Staatenpflichten (Achtungs-, Schutz-, und Erfüllungspflicht)130.131 Auch im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in internationalen Organisationen sollen Staaten verpflichtet sein, davon abzusehen, solche Handlungen vorzunehmen bzw. Entscheidungen zu treffen, die das Recht auf Nahrung negativ beeinflussen, bzw. darauf hinzuwirken, dass diese Organisationen Menschenrechte respektieren und schützen.132 Pflichten aus Verträgen die Ausübung territorialer Herrschaft, wie effektive Kontrolle über ein Territorium, erforderten. 129  Smita Narula, International Financial Institutions, Transnational Corporations, and Duties of States, in: Malcolm Langford/Wouter Vandenhole/Martin Scheinin/ Willem van Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties: The Extra-Territorial Scope of Economic, Social, and Cultural Rights in International Law, 2012, S. 114, 120, 127. 130  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 36 ff.; Olivier de Schutter/ Asbjørn Eide/Ashfaq Khalfan/Marcos Orellana/Margot Salomon/Ian Seiderman, Commentary to the Maastricht Principles on Extraterritorial Obligations of States in the Area of Economic, Social and Cultural Rights, 34 Human Rights Quarterly 2012, S. 1084, 1096, Prinzip 4; Sigrun I. Skogly, Right to Adequate Food: National Implementation and Extraterritorial Obligations, 11 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2007, S. 339, 351. 131  Die extraterritoriale Achtungspflicht ist wie auch die innerstaatliche Achtungspflicht von Unterlassenspflichten geprägt. Wichtiger Bestandteil ist das Verbot von Lebensmittelembargos oder ähnlichen Sanktionen. Weiterhin sollen die Vertragsstaaten gegebenenfalls im Wege internationaler Vereinbarungen sicherstellen, dass dem Recht auf angemessene Nahrung die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird, und die Ausarbeitung weiterer internationaler Rechtsinstrumente in Erwägung ziehen. Wesentlicher Teil der extraterritorialen Schutzpflicht ist die Regulierung von Privaten, vor allem von transnationalen Unternehmen, damit diese nicht das Recht auf Nahrung in anderen Staaten, in denen sie operieren, gefährden. Zuletzt verlangt die extrater­ ritoriale Erfüllungspflicht (gerade von wohlhabenderen Staaten) die Erfüllung des Rechts auf Nahrung in anderen (ärmeren) Staaten zu unterstützen, durch finanzielle (Not-)Hilfe wie auch durch Zusammenarbeit. Nahrungshilfen sollten in einer Weise zur Verfügung gestellt werden, die lokale Produzenten und Märkte nicht negativ beeinflusst (UN-Dokument E/C.12/1999/5 [12.5.1999], General Comment No. 12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 36 ff.; Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 81 ff.; Sigrun I. Skogly, Right to Adequate Food: National Implementation and Extraterritorial Obligations, 11 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2007, S. 339, 353). 132  Smita Narula, International Financial Institutions, Transnational Corporations, and Duties of States, in: Malcolm Langford/Wouter Vandenhole/Martin Scheinin/ Willem van Genugten (Hrsg.), Global Justice, State Duties: The Extra-Territorial Scope of Economic, Social, and Cultural Rights in International Law, 2012, S. 114, 133; Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the



A. Völkervertragsrecht129

Das CESCR fordert die Vertragsstaaten vermehrt dazu auf, sicherzustellen, dass die Politik bzw. Entscheidungen der internationalen Finanzinstitutionen, in denen diese Mitglieder sind, den Vorschriften des ICESCR nicht widersprechen. Dies betonte es bereits 1999 in seinem Allgemeinen Kommentar zum Recht auf Nahrung, in dem es die Nichtberücksichtigung dieser völkerrechtlichen Verpflichtungen durch einen Staat beim Abschluss von Vereinbarungen mit anderen Staaten oder auch internationalen Organisationen explizit als eine Verletzung des Rechts auf Nahrung qualifizierte.133 Auch hat das CESCR in konkreten Fällen beispielsweise Belgien und Italien dazu aufgefordert, ihren Einfluss im IWF und in der Weltbank geltend zu machen.134 Das Bestehen extraterritorialer Pflichten im Zusammenhang mit dem Verhalten von Staaten im Rahmen internationaler Organisationen darf jedoch keinesfalls mit der Verantwortung der Organisation als eigenständiges Völkerrechtsubjekt verwechselt werden. b) Das Individuum als Inhaber konkreter Rechte  – Die Einführung der Individualbeschwerde Was die Beschwerdemöglichkeiten von Individuen betraf, gingen ICCPR und ICESCR über Jahrzehnte gewissermaßen getrennte, sehr unterschiedliche Wege. Der ICCPR sah bereits die Schaffung eines 18-köpfigen Human Rights Committee vor (Art. 28 Abs. 1). Neben einer Berichtspflicht war von Anfang an eine Staatenbeschwerde möglich, die ein Mitgliedsstaat gegen einen anderen erheben kann. Durch ein zeitgleich mit dem ICCPR beschlossenes und ebenfalls 1976 in Kraft getretenes Fakultativprotokoll wurde zuletzt die Möglichkeit eines Individualbeschwerdeverfahrens geschaffen. IMF, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 45, 58; The Maastricht Guidelines on Violations of Economic, Social and Cultural Rights, 20 Human Rights Quarterly 1998, S. 691, 698 f., Prinzip Nr. 19; Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 80; Olivier de Schutter/ Margot Salomon, Legal Brief Prepared for the Special Committee of the Hellenic Parliament on the Audit of the Greek Debt (Debt Truth Committee) – Economic Policy Conditionality, Socio-Economic Rights and International Legal Responsibility: The Case of Greece 2010  – 2015, 15.6.2015, www.lse.ac.uk/europeanInstitute/ research/hellenicObservatory/CMS%20pdf/Events/2015-16/SALOMON-DESCHUTTER-LEGAL-BRIEF.pdf; S. 14; Christine Chinkin, The United Nations Decade for the Elimination of Poverty: What Role for International Law?, 54 Current Legal Problems 2001, S. 553, 578. 133  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 19. 134  UN-Dokument E/C.12/1/Add. 54 (1.12.2000), Rz. 31; UN-Dokument E/C.12/1/ Add.43 (23.5.2000), Rz. 20.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Durch eben jenes Verfahren existiert ein umfangreiches Fallrecht zur Auslegung der bürgerlichen und politischen Rechte. Der ICESCR installierte indes keinen konkreten Ausschuss.135 Zunächst wurde diese Aufgabe daher vom Wirtschafts- und Sozialrat der UNO (Economic and Social Council – ECOSOC) wahrgenommen, allerdings nicht besonders effizient.136 1985 wurde mit dem CESCR schließlich ein spezialisierter Ausschuss geschaffen, welcher aus 18 (vom ECOSOC gewählten) Mitgliedern besteht.137 Die Debatte um die Einrichtung einer Individualbeschwerde zog sich noch deutlich länger hin.138 Am 10.12.2008 hat die UNGeneralversammlung schließlich den Entwurf eines Fakultativprotokolls zum ICESCR angenommen und am 24.9.2009 zur Unterzeichnung ausgelegt.139 Die nach Art. 18 Abs. 1 erforderlichen zehn Ratifikationen wurden am 5.5.2013 erreicht, womit das Protokoll offiziell in Kraft trat. Mittlerweile gibt es 24 Parteien und 45 Unterzeichner; Deutschland zählt nicht dazu.140 Gemäß Art. 2 Satz 1 des Fakultativprotokolls ist der Ausschuss nicht nur zur Entgegennahme von Beschwerden durch Einzelpersonen (wie in Art. 1 Satz 1 des 1. Fakultativprotokolls zum ICCPR), sondern auch durch eine Gruppe von Einzelpersonen (‚group of individuals‘) berechtigt. Somit kann der Ansicht, dass Gruppen wie (indigene) Völker oder Minderheiten nicht zu 135  Zu den damaligen Schwächen des ISESCR in Bezug auf Überwachungs- und Beschwerdemöglichkeiten, siehe Bruno Simma, The Examination of State Reports: International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, in: Eckart Klein (Hrsg.), The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations, 1998, S. 31. 136  Catarina de Albuquerque, Chronicle of an Announced Birth: The Coming into Life of the Optional Protocol to the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights – The Missing Piece of the International Bill of Human Rights, 32 Human Rights Quarterly 2010, S. 144, 147. 137  UN-Dokument E/1985/17 (28.5.1985). 138  Catarina de Albuquerque, Chronicle of an Announced Birth: The Coming into Life of the Optional Protocol to the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights – The Missing Piece of the International Bill of Human Rights, 32 Human Rights Quarterly 2010, S. 144; UN-Dokument A/CONF.157/PC/62/Add.5 (26.3.1993); siehe auch Vienna Declaration and Programm of Action, 25.6.1993, www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/Vienna.aspx, Rz. 5; UN-Dokument E/ CN.4/1997/105 (18.12.1996), Rz. 23; Eibe Riedel, New Bearings in Social Rights? The Communications Procedure under the ICESCR, in: Ulrich Fastenrath/Rudolf Geiger/Daniel-Erasmus Khan/Andreas Paulus/Sabine von Schorlemer/Christoph Vedder (Hrsg.), From Bilateralism to Community Interest: Essays in Honour of Bruno Simma, 2011, S. 574, 578. 139  UN-Dokument A/RES/63/117 (10.12.2008); www.un.org/apps/news/story.asp? NewsID=32207&Cr=cultural+rights&Cr1=. 140  Zum aktuellen Ratifikationsstatus, siehe https://treaties.un.org/pages/view details.aspx?src=ind&mtdsg_no=iv-3-a&chapter=4&lang=en (Stand: März 2020).



B. Völkergewohnheitsrecht131

den von Art. 11 ICESCR Begünstigten gehörten,141 mittlerweile nicht mehr gefolgt werden. In der Beschwerdebefugnis von Gruppen liegt ein gewichtiger Unterschied zum Menschenrechtsausschuss des ICCPR – an diesen können gemäß Art. 1 des Ersten Fakultativprotokolls zum ICCPR lediglich Einzelpersonen eine Beschwerde richten. Beschwerdegegner kann stets nur ein Staat sein. Gegen internationale Organisationen wie die Weltbank und den IWF können keine Beschwerden eingelegt werden, da diese keine Vertragsparteien des ICESCR sind.

B. Völkergewohnheitsrecht Wie gezeigt wurde, ist das Recht auf Nahrung im Völkervertragsrecht fest verankert. Zu klären bleibt, inwiefern das Recht auf Nahrung auch Völkergewohnheitsrecht darstellt.

I. Das Recht auf Nahrung als ‚elementary consideration of humanity‘? In seinen Anfangstagen prägte der IGH im Corfu Channel-Fall den Begriff der ‚elementary consideration of humanity‘: „The obligations incumbent upon the Albanian authorities consisted in notifying, for the benefit of shipping in general, the existence of a minefield in Albanian territorial waters and in warning the approaching British warships of the imminent danger to which the minefield exposed them. Such obligations are based, not on the Hague Convention of 1907, No. VTII, which is applicable in time of war, but on certain general and well-recognized principles, namely: elementary considerations of humanity, even more exacting in peace than in war; the principle of the freedom of maritime communication; and every State’s obligation not to allow knowingly its territory to be used for acts contrary to the rights of other States.“142

Was der IGH mit diesem Ausdruck genau gemeint hat, führte er weder in diesem noch in späteren Urteilen näher aus. So ist umstritten, ob ein solches Humanitätsprinzip Teil des Völkergewohnheitsrechts,143 ein allgemeiner 141  Meinhard Hilf, The Right to Food in National and International Law, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann, Reforming the International Economic Order, 1987, S. 125, 136. 142  Corfu Channel, Vereinigtes Königreich v. Albanien, IGH, Urteil (Merits) vom 9.4.1949, ICJ Reports 1949, S. 4, 22 [Hervorhebung hinzugefügt]. 143  Geoffrey S. Corn, Principle of Humanity, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. V, S. 72, Rz. 1 (Bezugnahme allerdings lediglich auf das Humanitätsprinzip als Teil des humanitären Völkerrechts).

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Rechtsgrundsatz im Sine des Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut,144 oder lediglich unverbindliches ‚soft law‘ darstellt. Dinstein spricht in diesem Zusammenhang gar von bloßen ‚extra-legal considerations‘.145 Zwar war der Gerichtshof 1966 in den Südwestafrika-Verfahren in der Tat sehr kritisch, was die Berufung auf Moral betrifft: „Throughout this case it has been suggested, directly or indirectly, that humanitarian considerations are sufficient in themselves to generate legal rights and obligations, and that the Court can and should proceed accordingly. The Court does not think so. It is a court of law, and can take account of moral principles only in so far as these are given a sufficient expression in legal form. […] Humanitarian considerations may constitute the inspirational basis for rules of law […]. Such considerations do not, however, in themselves amount to rules of law.“146

Im Nuklearwaffen-Gutachten betonte der IGH jedoch erneut die Bedeutung des Humanitätsprinzips: „Certainly, as the Court has already indicated, the principles and rules of law applicable in armed conflict – at the heart of which is the overriding consideration of humanity – make the conduct of armed hostilities subject to a number of strict requirements.“147

Schließlich bezog sich der IGH im Nicaragua-Fall, als er erneut das Unterlassen einer Warnung vor Seeminen zu bewerten hatte, ausdrücklich auf das Corfu Channel-Urteil, und bejahte die Verletzung der elementaren Erwägungen der Menschlichkeit, welche der VIII. Haager Konvention und Art. 3 der Genfer Konventionen zugrunde lägen.148 In Anbetracht dieser Entscheidungen scheint der IGH daher insgesamt von einem Rechtsgrundsatzcharakter der ‚elementary considerations of humanity‘ auszugehen, wofür auch die Formulierung im Corfu-Channel-Fall (‚certain general and well-recognized principles‘) spricht.149

144  Hugh

Thirlway, The Sources of International Law, 2014, S. 98, 102. Dinstein, The Principle of Proportionality, in: Kjetil Mujezinović Larsen/Camilla Guldahl Cooper/Gro Nystuen (Hrsg.), Searching for a ‚Principle of Humanity‘ in International Humanitarian Law, 2012, S. 72, 73. 146  South West Africa, Äthiopien/Liberia v. Südafrika, IGH, Urteil (Second Phase) vom 18.7.1966, ICJ Reports 1966, S. 6, 34, Rz. 49 f. 147  Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, IGH, Gutachten vom 8.7.1996, ICJ Reports 1996, S. 226, 262, Rz. 95. 148  Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of America, IGH, Urteil vom 27.6.1986 (Merits), ICJ Reports 1986, S.  14, 112 ff., Rz.  215 ff. 149  Jochen Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel, 2018, S. 366 f. 145  Yoram



B. Völkergewohnheitsrecht133

Allerdings hat ein solches Humanitätsprinzip in der Tat primär im humanitären Völkerrecht Niederschlag gefunden.150 Somit stellt sich die Frage, ob es auch auf das Recht auf Nahrung Anwendung finden könnte, in dem Sinne, dass das Prinzip auch solche Menschenrechte erfassen würde, die als höherrangiger bzw. elementarer gelten sollen als andere. Ein gewisses Rangverhältnis kann durchaus auch innerhalb des völkerrechtlichen Teilbereichs des internationalen Menschenrechtsschutzes existieren. Higgins betont, dass Menschenrechtsverträge unzweifelhaft Elemente beinhalten würden, „that are binding as principles which are recognised by civilised States, and not only as mutual treaty commitments“.151 Solch ein Status von bestimmten Prinzipien der Menschenrechte stellt eine erweiterte Rechtsgrundlage für ihren Schutz dar.152 Henry Shue argumentiert, dass es sowohl ‚moral rights‘ als auch ‚basic rights‘ gebe – wie das Recht auf ein Existenzminimum, das in letztere Kategorie falle.153 Solche grundlegenden Rechte zeichneten sich gerade dadurch aus, dass sie elementar für den Genuss aller anderen Rechte und dementsprechend „everyone’s minimum reasonable demands upon the rest of humanity“ seien.154 Die künstliche Trennung zwischen negativen Abwehrrechten und positiven Gewährleistungsrechten ließe sich seiner Ansicht nach so nicht aufrechterhalten: Aus der Existenz eines Abwehrrechts auf körperliche Unversehrtheit müsse auch ein positives Recht auf die Gewährung eines Existenzminimums folgen.155 In diesem Sinne argumentiert Tomuschat für einen allerdings im Ergebnis völkergewohnheitsrechtlichen Charakter unter anderem des Rechts auf Leben: „This list of rights and/or forbidden acts and activities [das Recht auf Leben, das Folterverbot, der Schutz persönlicher Freiheit sowie das Verbot der Rassendiskriminierung] is not so much based on actual stock-taking of the relevant State practice but rather on deductive reasoning: if human life and physical integrity were not protected, the entire idea of a legal order would collapse.“156 150  Ibid.,

S.  371 ff. Higgins, Derogations under Human Rights Treaties, 48 British Yearbook of International Law 1976, S. 281, 282. 152  Chaloka Beyani, The Legal Premises for the International Protection of Human Rights, in: Guy S. Goodwin-Gill/Stefan Talmon (Hrsg.), The Reality of International Law: Essays in Honour of Ian Brownlie, 1999, S. 21, 35. 153  Henry Shue, Basic Rights: Subsistence, Affluence, and U.S. Foreign Policy, 1980, S. 23. 154  Ibid., S. 19. 155  Ibid., S.  21 ff. 156  Christian Tomuschat, Human Rights: Between Idealism and Realism, 2. Auflage 2008, S. 37 f.; Alexander Orakhelashvili, Peremptory Norms in International Law, 2006, S. 54. 151  Rosalyn

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Auch Rauber betrachtet die Schutzgüter des Lebens, der Gesundheit und des Schutzes vor psychischem Leiden, sowie der Menschenwürde als Bestandteil des „konsentierten Kern[s]“ des Humanitätsprinzips.157 Wie Alston richtig beobachtet hat, fehlen in derartigen Aufzählungen wirtschaftliche und soziale Rechte – das Recht auf Leben beziehe sich auf direkte Bedrohungen für das Leben, während Hunger eine indirekte Bedrohung darstelle.158 Gleiches gilt für den Schutz der physischen Integrität und der Menschenwürde, welche sich primär auf den Schutz vor Folter und anderer unmenschlicher Behandlung, mithin vor direkten Verletzungen, beziehen.159 Gleichwohl hält Alston es für möglich, dass auch wirtschaftliche und soziale Rechte einen solchen Status genießen können. Er bevorzugt statt der Definition Tomuschats jedoch einen zweistufigen Test: „[N]o right should be excluded when the following two conditions are present: (i) the right is indispensable to a meaningful notion of human dignity (upon which human rights are based) and (ii) the satisfaction of the right is demonstrably within the reach of the government in question assuming reasonable support from the international community.“160

In der Tat erscheint es nicht übertrieben, angemessene Ernährung als die „ ‚conditio sine qua non‘ menschlicher Existenz“161 zu begreifen. Für die Annahme einer überragenden Stellung des Rechts auf Nahrung – jedenfalls im Kern, soweit es um das Recht darauf geht, frei von Hunger zu sein – spräche weiterhin, dass das Recht wohl gewissermaßen zu den ältesten Menschenrechten gehört, wenngleich es erst seit wenigen Jahrzehnten konkret als solches ausgestaltet ist: Schon im Alten Testament wurden Gläubige dazu aufgefordert, die Armen zu speisen; Konfuzius betrachtete es als primäre Pflicht des Staates, seine Bürger zu ernähren. Die Französische Revolution brachte eine Deklaration zum Recht der Armen auf ein Existenzminimmum mit sich, und verschiedenste Gruppen von Ureinwohnern teilen seit jeher die Beute ihrer Jagd.162 157  Jochen

Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel, 2018, S. 389. Alston, Ships Passing the Night: The Current State of the Human Rights and Development Debate Seen Through the Lens of the Millennium Development Goals, 27 Human Rights Quarterly 2005, S. 755, 773. 159  Jochen Rauber, Strukturwandel als Prinzipienwandel, 2018, S. 391 f. 160  Philip Alston, Ships Passing the Night: The Current State of the Human Rights and Development Debate Seen Through the Lens of the Millennium Development Goals, 27 Human Rights Quarterly 2005, S. 755, 774. 161  Markus Kotzur/Christine Meyer, Ein Recht auf Nahrung und Wasser, StudZR 2/2011, S. 199, 202, 214; siehe auch Christine Breining-Kaufmann, Hunger als Rechtsproblem – Völkerrechtliche Aspekte eines Rechtes auf Nahrung, 1991, S. 59. 162  Exodus 23,11; Deuteronomium 14,29; Levitikus 19,10; im Übrigen siehe Ro­ bert Robertson, The Right to Food in International Law, in: Kathleen E. Mahoney/ 158  Philip



B. Völkergewohnheitsrecht135

Gleichwohl können allein diese Argumente noch nicht genügen, um von einer Geltung des Rechts auf Nahrung als allgemeines Rechtsprinzip, oder als Völkergewohnheitsrecht allein aufgrund seiner humanitären Bedeutung auszugehen. Hier mangelt es vor allem an hinreichender Bestimmtheit im Hinblick auf damit einhergehende Rechte und Pflichten. Es erscheint nicht überzeugend, lediglich aufgrund eines allgemeinen Rechtsprinzips von der gewohnheitsrechtlichen Verankerung eines konkreten Individualrechts auszugehen. Eine solch deduktive Herangehensweise kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Völkergewohnheitsrecht anerkanntermaßen aus zwei Elementen besteht:163 einer allgemeinen Staatenpraxis und einer entsprechenden Rechtsansicht der Staaten (opinio iuris).164 Ob diese Elemente tatsächlich vorliegen, ist im Folgenden zu untersuchen.

II. Herleitung von Völkergewohnheitsrecht Staatenpraxis kann eine Vielzahl von Verhaltensweisen umfassen: Verwaltungshandeln oder -ansichten, Gesetzgebung, Rechtsprechung, oder den Abschluss von Verträgen.165 Ein Fokus liegt dabei gerade auch auf dem zeitlichen Faktor von Staatenpraxis, die zudem weitgehend einheitlich sein soll: Paul Mahoney (Hrsg.), Human Rights in the Twenty-First Century: A Global Challenge, 1993 S. 451. 163  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 455; Bruno Simma/Philip Alston, The Sources of Human Rights Law: Custom, Jus Cogens, and General Principles, 12 Australian Year Book of International Law 1988/1989, S. 82, 88, 96. 164  Art. 38 Abs. 1 lit. b) IGH-Statut; North Sea Continental Shelf, Deutschland v. Dänemark/Niederlande, IGH, Urteil vom 20.2.1969, ICJ Reports 1969, S. 3, 44, Rz. 77; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of America, IGH, Urteil vom 27.6.1986 (Merits), ICJ Reports 1986, S. 14, 97, Rz. 183; Jurisdictional Immunities of the State, Deutschland v. Italien, IGH, Urteil vom 3.2.2012, ICJ Reports 2012, S. 100, 122, Rz. 55; UN-Dokument A/ CN.4/672 (22.5.2014), International Law Commission, Second Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 7, Rz. 21; Tullio Treves, Customary International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. II, S. 937, 939, Rz. 8. 165  Alain Pellet/Daniel Müller, Article 38, in: Andreas Zimmermann/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court of Justice, A Commentary, 3. Auflage 2019, S. 819, 906, Rz. 218; Michael Wood, State Practice, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 509, 510, 512, Rz. 7, 20; UN-Dokument A/CN.4/672 (22.5.2014), International Law Commission, Second Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 17, Rz. 34.

136

Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

„Although the passage of only a short period of time is not necessarily, or of itself, a bar to the formation of a new rule of customary international law on the basis of what was originally a purely conventional rule, an indispensable requirement would be that within the period in question, short though it might be, State practice, including that of States whose interests are specially affected, should have been both extensive and virtually uniform in the sense of the provision invoked; and should moreover have occurred in such a way as to show a general recognition that a Rule of Law or legal obligation is involved.“166

Die für die Annahme von Völkergewohnheitsrecht neben der Staatenpraxis erforderliche opinio iuris sive necessitatis beinhaltet, dass die Staaten eine bestimmte Praxis gerade deswegen verfolgen, weil sie dies als ihre rechtliche Pflicht ansehen.167 Im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes wird die Identifikation von Völkergewohnheitsrecht dadurch erschwert, dass es auf die staatliche Behandlung von Individuen ankommt (nicht wie sonst auf die Behandlung von anderen Staaten).168 Zudem ist die Beachtung von Menschenrechten in der Regel durch ein (schwerer nachzuweisendes) Unterlassen gekennzeichnet169 – im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte, welche gerade auch ein aktives Tun der Staaten erfordern, gilt dies jedoch nur sehr eingeschränkt. Gleichzeitig gehören Menschenrechte zu den Regeln des Völkerrechts, bezüglich derer es besonders wünschenswert erscheint, ihnen gewohnheits166  North Sea Continental Shelf, Deutschland v. Dänemark/Niederlande, IGH, Urteil vom 20.2.1969, ICJ Reports 1969, S. 3, 43, Rz. 74; UN-Dokument A/CN.4/672 (22.5.2014), International Law Commission, Second Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 40, 42, Rz. 55, 57. 167  North Sea Continental Shelf, Deutschland v. Dänemark/Niederlande, IGH, Urteil vom 20.2.1969, ICJ Reports 1969, S. 3, 44, Rz. 77: „Not only must the acts concerned amount to a settled practice, but they must also be such, or be carried out in such a way, as to be evidence of a belief that this practice is rendered obligatory by the existence of a rule of law requiring it. The need for such a belief, i. e., the existence of a subjective element, is implicit in the very notion of the opinio juris sive necessitatis. The States concerned must therefore feel that they are conforming to what amounts to a legal obligation.“ [Hervorhebung hinzugefügt]; Alain Pellet/Daniel Müller, Article 38, in: Andreas Zimmermann/Christian J. Tams (Hrsg.), The Statute of the International Court of Justice, A Commentary, 3. Auflage 2019, S. 819, 909, Rz. 224; Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Auflage 1984, S. 346, § 551; UN-Dokument A/CN.4/672 (22.5.2014), International Law Commission, Second Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 45, 54, Rz. 60, 67. 168  Michael Wood, State Practice, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 509, 510, Rz. 3. 169  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 451.



B. Völkergewohnheitsrecht137

rechtlichen Status zuzuschreiben. Teils wird vertreten, dass bereits die Allgemeine Menschenrechtserklärung (und somit auch alle enthaltenden Rechte) Völkergewohnheitsrecht darstelle;170 wenngleich diese Ansicht in solch einer Allgemeingültigkeit abzulehnen ist.171 Vielmehr muss man sich für jedes einzelne Recht konkret die Frage stellen, ob dieses Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden ist. Heute ist sich die Mehrheit der Völkerrechtsakteure wohl einig, dass jedenfalls die fundamentalsten Prinzipien der Menschenrechte Völkergewohnheitsrecht darstellen, allerdings bleibt nach wie vor unklar, welche Menschenrechte tatsächlich solche Grundprinzipien darstellen.172 Jedenfalls die Verbote der Sklaverei, des Völkermordes, der Folter, von Massenmord, anhaltenden willkürlichen Gefangennahmen und systematischer Rassendiskriminierung gehören hierzu,173 wobei es sich hier primär um bürgerliche und politische Rechte handelt. Ob auch das Recht auf Nahrung Teil des Völkergewohnheitsrechts darstellt, wird im Folgenden anhand vertragsrechtlicher Indizien, der Staatenpraxis sowie der Anzahl und der Inhalte von (an sich unverbindlichen) Instrumenten des sogenannten ‚soft law‘ untersucht werden.

III. Indizien aus dem Völkervertragsrecht 1. ICESCR Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, dass eine völkervertragsrechtliche Regelung und entsprechendes Völkergewohnheitsrecht (deckungsgleich oder inhaltlich abweichend) parallel bestehen können – Völkervertragsrecht eliminiert nicht automatisch Völkergewohnheitsrecht.174 Vielfach wird versucht, allein aus der Existenz eines völkerrechtlichen Vertrages auf gleichlautendes, schon bestehendes Gewohnheitsrecht zu schließen, 170  John P. Humphrey, The International Bill of Rights: Scope and Implementation, 17 William & Mary Law Review 1979, S. 527, 529. 171  Oscar Schachter, International Law in Theory and Practice, 178 Recueil des Cours 1982, S. 9, 335 ff. 172  Ian Brownlie, The Rule of Law in International Affairs, 1998, S. 72. 173  Oscar Schachter, International Law in Theory and Practice, 178 Recueil des Cours 1982, S. 9, 336. 174  Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of America, IGH, Urteil vom 27.6.1986 (Merits), ICJ Reports 1986, S. 14, 95, Rz. 177; Tullio Treves, Customary International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. II, S. 937, 954, Rz. 84.

138

Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

wobei bereits der bloße Abschluss des Vertrages als Beweis für Staatenpraxis und/oder opinio iuris gewertet wird. Auch in Bezug auf die im ICESCR niedergelegten Rechte wird diese Meinung vertreten: „Since [the two International Covenants] are by now widely accepted, they constitute a framework which might even be said to have become binding on non-signatory states, in any event as far as their substantative content is concerned.“175

Jedoch ist bei einer solchen Herangehensweise Vorsicht geboten.176 Die Gründe für den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages können vielfältig sein. Die Kodifikation von bereits bestehendem Gewohnheitsrecht ist letztlich nur einer unter vielen. Daher sollte ein gewisser Automatismus, „that consists in blessing with the oil of custom any norm judged to be desirable ad majorem gloriam of human rights“,177 eher kritisch gesehen werden. Die Existenz einer vertragsrechtlichen Bestimmung allein kann daher noch kein hinreichender Beleg für ein parallel bestehendes Völkergewohnheitsrecht sein.178 Allein aus der Stellung des Rechts auf Nahrung im ICESCR lässt sich also nicht ohne weiteres auf Völkergewohnheitsrecht schließen. Jedoch soll ein entsprechender Rückschluss dann möglich sein, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag bereits bestehendes Gewohnheitsrecht kodifizieren sollte, sich durch den Vertrag eine aufkommende Regel des Völkergewohnheitsrechts herauskristallisiert hat, oder wenn sich im Zusammenhang mit dem Vertrag eine entsprechende Staatenpraxis herausgebildet hat und so eine neue völkergewohnheitsrechtliche Norm entstanden ist.179 175  Christian Tomuschat, Human Rights: Between Idealism and Realism, 2. Auflage 2008, S. 4 [Fußnote im Zitat entfernt]; siehe auch Thomas Buergenthal, The World Bank and Human Rights, 31 Studies in Transnational Legal Policy 1999, S. 95, 96. 176  UN-Dokument A/CN.4/682 (27.3.2015), International Law Commission, Third Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 15, Rz. 29. 177  Alain Pellet, ‚Human Rightism‘ and International Law, 10 Italian Yearbook of International Law 2000, S. 3, 7. 178  UN-Dokument A/CN.4/682 (27.3.2015), International Law Commission, Third Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 18, Rz. 34; Case Concerning the Continental Shelf, Libyan Arab Jamahiriya v. Malta, IGH, Urteil vom 3.6.1985, ICJ Reports 1985, S. 13, 29 f., Rz. 27: „It is of course axiomatic that the material of customary international law is to be looked for primarily in the actual practice and opinio juris of States, even though multilateral conventions may have an important role to play in recording and defining rules deriving from custom, or indeed in developing them.“ 179  UN-Dokument A/CN.4/682 (27.3.2015), International Law Commission, Third Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 31, Rz. 44.



B. Völkergewohnheitsrecht139

Ein Indiz hierfür, jedenfalls bezüglich des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, lässt sich direkt aus dem Wortlaut des ICESCR ableiten. Zwar inkludiert das Recht auf Nahrung (das wie andere Rechte des ICESCR progressiv verwirklicht werden soll) bereits der Natur dieser Verpflichtung nach, dass das Recht nicht auf einen Schlag zu verwirklichen ist, sondern die Geschwindigkeit der Verwirklichung den Umständen angepasst werden kann. Obgleich zumindest retrogressive Maßnahmen grundsätzlich nicht zulässig sind,180 so scheint es doch schwierig, einen absoluten Zwang anzunehmen, das Recht auf angemessene Ernährung zu befolgen. Anders ist dies jedoch beim Mindestkerngehalt des Rechts auf Nahrung, dem ‚fundamentalen‘ Recht darauf, frei von Hunger zu sein (Art. 11 Abs. 2 ICESCR). Hierbei handelt es sich um das einzige Recht, das im ICESCR als ‚fundamental‘ bezeichnet wird, zudem muss dieses sofort verwirklicht werden.181 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der ICESCR mit 170 Vertragsparteien182 einen sehr hohen Ratifikationsgrad für sich verbuchen kann – der weitaus größte Teil der Staatengemeinschaft hat also nicht nur das Recht auf Nahrung vertragsrechtlich anerkannt, sondern dem Recht darauf, frei von Hunger zu sein, einen grundlegenden Wert zugeschrieben. 2. Besondere Verträge zum Schutz von Frauen und Kindern Hinzu kommt, dass das Recht auf Nahrung auch in speziellere menschenrechtliche Verträge aufgenommen wurde, was ein weiteres Argument für zugrundeliegendes Völkergewohnheitsrecht sein könnte. Art. 12 Abs. 2 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von 1979183 erwähnt das Recht auf Nahrung im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot, in seiner besonderen Ausformung als Recht auf ausreichende Ernährung während Schwangerschaft und Stillzeit: „(1)  States Parties shall take all appropriate measures to eliminate discrimination against women in the field of health care in order to ensure, on a basis of equality of men and women, access to health care services, including those related to family planning. (2) Notwithstanding the provisions of paragraph I of this article, States Parties shall ensure to women appropriate services in connection with pregnancy, confine180  Siehe

unter Teil 2, A. III. 3. f). Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 792. 182  http://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-3 &chapter= 4&lang=en (Stand: März 2020). 183  1249 UNTS 13. 181  Smita

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

ment and the post-natal period, granting free services where necessary, as well as adequate nutrition during pregnancy and lactation.“

Unabhängig davon, ob es sich beim Diskriminierungsverbot um ein eigenständiges oder um ein bloß akzessorisches Recht handelt,184 geht jedenfalls Art. 12 Abs. 2 des Übereinkommens über dieses hinaus, indem es speziell die nahrungsspezifischen Bedürfnisse von Frauen während der Schwangerschaft und der Stillzeit anerkennt. Frauen gehören bezüglich der Ernährungssicherheit zu den besonders gefährdeten Gruppen. Gerade innerhalb der Familien können Frauen ihr Recht auf Nahrung oftmals nicht angemessen wahrnehmen, da sie wesentlich geringere Essensrationen als die männlichen Verwandten erhalten.185 Besondere Bestimmungen zum Schutz der Kinder enthalten die Art. 24 Abs. 2 lit. c) und e) sowie Art. 27 Abs. 3 der Kinderschutzkonvention186: „Art. 24: 1. States Parties recognize the right of the child to the enjoyment of the highest attainable standard of health and to facilities for the treatment of illness and rehabilitation of health. States Parties shall strive to ensure that no child is deprived of his or her right of access to such health care services. 2. States Parties shall pursue full implementation of this right and, in particular, shall take appropriate measures: […] (c) To combat disease and malnutrition, including within the framework of primary health care, through, inter alia, the application of readily available technology and through the provision of adequate nutritious foods and clean drinking-water, taking into consideration the dangers and risks of environmental pollution; […] 184  Das CESCR sieht darin ein eigenständiges Recht, UN-Dokument E/C.12/ GC/20 (2.7.2009), General Comment No. 20, Rz. 7; kritisch: Rüdiger Wolfrum, The Prohibition of Discrimination in International Human Rights Treaties: The Development from an Accessory Norm to an Independent One? in: Hanschel et al. (Hrsg.), Mensch und Recht: Festschrift für Eibe Riedel zum 70. Geburtstag, 2013, S. 209. 185  Karen Kong, The Right to Food for All: A Right-Based Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 552, 556 f. Diese Problematik wird auch von den Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization of the Right to Adequate Food in the Context of National Food Security der FAO anerkannt. Sie fordern, dass die Staaten die volle und gleiche Teilhabe der Frauen an der Wirtschaft fördern, indem sie ihr Recht schützen, Land zu erben und zu besitzen; der Ressourcenzugang müsse gewährleistet werden (Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization of the Right to Adequate Food in the Context of National Food Security, 127. Sitzung des FAO-Rates, November 2004, Prinzip 8.6). 186  1577 UNTS 3 [Hervorhebung hinzugefügt].



B. Völkergewohnheitsrecht141 (e) To ensure that all segments of society, in particular parents and children, are informed, have access to education and are supported in the use of basic knowledge of child health and nutrition, the advantages of breastfeeding, hygiene and environmental sanitation and the prevention of accidents; […].“ „Art. 27: 1. States Parties recognize the right of every child to a standard of living adequate for the child’s physical, mental, spiritual, moral and social development. […] 3. States Parties, in accordance with national conditions and within their means, shall take appropriate measures to assist parents and others responsible for the child to implement this right and shall in case of need provide material assistance and support programmes, particularly with regard to nutrition, clothing and housing. […]“

3. Regionale Menschenrechtsverträge Keinen Bezug zum Recht auf Nahrung enthält die EMRK. Traditionell (und nur mit der sehr begrenzten Ausnahme des 1. Zusatzprotokolls) statuiert die EMRK ausschließlich den klassischen Kanon der bürgerlichen und politischen Rechte.187 Aspekte des Rechts auf Nahrung können höchstens indirekt unter die geschützten Rechte fallen. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellt, dass Art. 3 EMRK (das Verbot von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe) auch dadurch verletzt werden kann, dass Gefangenen keine angemessene Nahrung zur Verfügung gestellt wird.188 Ebenso indizierte er, dass ein sonstiger großer Mangel außerhalb des Gefängniskontextes, z. B. im Hinblick auf eine vollkommen unzureichende Höhe von Pensionen oder anderen Sozialleistungen, prinzipiell zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen könnte.189 Ebenfalls denkbar wäre eine Verletzung des Eigentumsschutzes nach Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls, wenn ein Bürger durch den Verlust von So­zialansprüchen seiner Lebensgrundlage beraubt würde.190 187  Ellie Palmer, Protecting Socio-Economic Rights Through the European Convention on Human Rights: Trends and Developments in the European Court of Human Rights, 2 Erasmus Law Review 2009, S. 397, 398. 188  Dougoz v. Griechenland, EGMR, Urteil vom 6.3.2001, (2002) 34 EHRR 330, Rz. 46. 189  Larioshina v. Russland, EGMR, Entscheidung vom 23.4.2002, Application No. 56869/00, Rz. 3; Budina v. Russland, EGMR, Entscheidung vom 18.6.2009, Application No. 45603/05. 190  Kjartan Ásmundsson v. Island, EGMR, Urteil vom 12.10.2004, Application No. 60669/00, Rz. 43; Koufaki und Adedy v. Griechenland, EGMR, Entscheidung vom 7.5.2013, Application Nos. 57665/12 57657/12, Rz. 44; Da Conceicao Mateus

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Auch die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker von 1981191 enthält nicht das Recht auf Nahrung; obwohl sie – im Gegensatz zur EMRK – tatsächlich auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst (wie zum Beispiel das Recht auf körperliche und mentale Gesundheit). Den engsten Bezug zum Recht auf Nahrung weist neben dem Recht auf Leben aus Art. 4 noch Art. 22 auf, der ein Recht auf Entwicklung enthält. Allerdings findet sich zumindest in Art. 15 des Zusatzprotokolls für Frauenrechte192 aus dem Jahr 2003 ein Recht auf Nahrung: „States Parties shall ensure that women have the right to nutritious and adequate food. In this regard, they shall take appropriate measures to: a) provide women with access to clean drinking water, sources of domestic fuel, land, and the means of producing nutritious food; b) establish adequate systems of supply and storage to ensure food security.“

Art. 14 Ab. 2 lit. c) der Afrikanischen Kinderrechtscharta193 benennt im Rahmen der nötigen Mittel für die Verwirklichung des Rechts auf Gesundheit: „to ensure the provision of adequate nutrition and safe drinking water“. In der Amerikanischen Menschenrechtskonvention von 1969194 fehlte ursprünglich das Recht auf Nahrung, ebenso wie andere Menschenrechte der zweiten Generation. 1988 wurde jedoch das Zusatzprotokoll zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten – das Protokoll von San Salvador195 – erlassen, welches 1999 nach der erforderlichen Anzahl von Ratifikationen in Kraft trat. Art. 12 dieses Protokolls statutiert nunmehr das Recht auf Nahrung: „1.  Everyone has the right to adequate nutrition which guarantees the possibility of enjoying the highest level of physical, emotional and intellectual development. 2. In order to promote the exercise of this right and eradicate malnutrition, the States Parties undertake to improve methods of production, supply and distribution of food, and to this end, agree to promote greater international cooperation in support of the relevant national policies.“ and Santos Januario v. Portugal, EGMR, Entscheidung vom 8.10.2013, Application Nos. 62235/12 und 57725/12, Rz. 23. 191  Organisation für Afrikanische Einheit, Dokument CAB/LEG/67/3 rev.  5 (27.6.1981/21.10.1996). 192  www.achpr.org/instruments/women-protocol/. 193  Organisation für Afrikanische Einheit, Dokument CAB/LEG/24.9/49 (11.7.1990/29.11.1999). 194  1144 UNTS 123. 195  OAS Treaty Series No. 69. Dem Zusatzprotokoll sind 16 von 23 Mitgliedsstaaten der Menschenrechtserklärung (bzw. von 35 Mitgliedsstaaten der Organisation Amerikanischer Staaten) beigetreten, www.oas.org/juridico/english/sigs/a-52.html (Stand: März 2020).



B. Völkergewohnheitsrecht143

4. Bestimmungen des humanitären Völkerrechts Auch im humanitären Völkerrecht hat jedenfalls das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, Niederschlag gefunden, obgleich es nicht explizit als solches bezeichnet wird. Art. 55 der Vierten Genfer Konvention von 1949196 sieht unter anderem vor, dass eine Besatzungsmacht die Nahrungsversorgung der Bevölkerung sicherstellen muss, wenn nötig auch durch den Transport von Nahrungsmitteln in die besetzten Gebiete. Art. 59 verpflichtet die Besatzungsmacht zur Gestattung von Hilfsaktionen (wie unter anderem Lebensmittelsendungen), wenn die Bevölkerung unzureichend versorgt sein sollte.197 Gemäß Art. 54 Abs. 1 des 1977 verabschiedeten Ersten Zusatzprotokolls198 zu den Genfer Konventionen von 1949 ist das Aushungern von Zivilpersonen als Mittel der Kriegsführung verboten. Art. 54 Abs. 2 verbietet es zudem, für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte wie Nahrungsmittel, zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzte landwirtschaftliche Gebiete, Ernteund Viehbestände, Trinkwasserversorgungsanlagen und -vorräte sowie Bewässerungsanlagen anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder unbrauchbar zu machen, um sie wegen ihrer Bedeutung für den Lebensunterhalt der Zivilbevölkerung oder der gegnerischen Partei vorzuenthalten, gleichviel ob Zivilpersonen ausgehungert oder zum Fortziehen veranlasst werden sollen oder ob andere Gründe massgebend sind. Art. 14 des Zweiten Zusatzprotokolls199 enthält eine fast wortgleiche Verpflichtung für nicht-internationale bewaffnete Konflikte (gleichwohl ohne die letzten Halbsätze des Art. 54 Abs. 2). Art. 55 des Ersten Zusatzprotokolls wiederum erweitert Art. 54 um eine allgemeine Bestimmung zum Schutz der Umwelt, wodurch auch andere für die Nahrungsversorgung möglicherweise wichtige Gebiete als die explizit in Art. 54 Abs. 2 genannten, wie z. B. Wälder, geschützt werden.200 Nach Art. 8 Abs. 2 lit. b) xxv des Rom-Statuts zum Internationalen Strafgerichtshof201 handelt es sich bei dem Aushungern der Zivilbevölkerung um ein Kriegsverbrechen. 196  75 UNTS 287.

197  Siehe auch Art. 70 des Ersten sowie Art. 18 Abs. 2 des Zweiten Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen. 198  1125 UNTS 3. 199  1125 UNTS 609. 200  Internationales Komitee vom Roten Kreuz, Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977 to the Geneva Conventions of 12 August 1949, 1987, Art. 55, Rz. 2126, https://ihl-databases.icrc.org/applic/ihl/ihl.nsf/Comment.xsp?action =openDocument&documentId=7B82DFCC11F AE4C5C12563CD00434DBC. 201  2187 UNTS 3.

144

Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Diese Bestimmungen des humanitären Völkerrechts202 deuten darauf hin, dass jedenfalls dem Kerngehalt des Rechts auf Nahrung, dem Recht darauf, frei von Hunger zu sein, eine derart wichtige Stellung zukommt, dass es auch über den internationalen Menschenrechtsschutz im engeren Sinne hinaus in andere Völkerrechtsgebiete hineinwirkt. Mit 174 Vertragsparteien kann das Erste Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen eine außerordentlich hohe Verbreitung verbuchen.203 123 Staaten sind Parteien des Rom-Statuts.204

IV. Staatenpraxis: Die nationale Umsetzung des Rechts auf Nahrung Ein wichtiger Beleg für Staatenpraxis sind nationale Gesetze, ganz gleich, ob diese von Verfassungsrang sind oder nicht:205 „From the standpoint of International Law […], municipal laws are merely facts which express the will and constitute the activities of States, in the same manner as do legal decisions or administrative measures.“206

Gleiches gilt für die nationale Rechtsprechung, wobei den Entscheidungen der höchsten Gerichte das größte Gewicht zukommt.207 Allein aus der Tatsache, dass die meisten Staaten nach nationalem Recht in irgendeiner Weise verpflichtet sind, genügend Nahrung zu garantieren, um nicht zu verhungern, kann man zwar nicht per se schließen, dass die Staaten ein solches Recht auch international anerkennen und sich somit dem Einfluss von Drittstaaten aussetzen würden.208 Dennoch stellt die Inkorporierung 202  Zum weiteren Umfang der nahrungsbezogenen Regeln des humanitären Völkerrechts, siehe Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 101 ff.; FAO, The Right to Food Guidelines: Information Papers and Case Studies, 2006, S. 105. 203  https://ihl-databases.icrc.org/ihl/INTRO/470 (Stand: März 2020). 204  https://asp.icc-cpi.int/en_menus/asp/states%20parties/pages/the%20states%20 parties%20to%20the%20 rome%20statute.aspx (Stand: März 2020). 205  UN-Dokument A/CN.4/672 (22.5.2014), International Law Commission, Second Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 24, Rz. 41(d); Tullio Treves, Customary International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. II, S. 937, 943, Rz. 26. 206  Certain German Interests in Polish Upper Silesia, Deutsches Reich v. Polen, StIGH, Urteil vom 25.5.1926 (Merits), PCIJ Series A, No. 7, S. 4, 19. 207  UN-Dokument A/CN.4/672 (22.5.2014), International Law Commission, Second Report on Identification of Customary International Law by Michael Wood (Special Rapporteur), S. 25, Rz. 41(e). 208  Meinhard Hilf, The Right to Food in National and International Law, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann, Reforming the International Economic Order, 1987, S. 125, 145.



B. Völkergewohnheitsrecht145

eines Menschenrechts in nationale Verfassungen und Gesetze zumindest ein weiteres wichtiges Indiz für das Vorliegen von Völkergewohnheitsrecht dar.209 1. Verdeutlichung anhand dreier Beispiele Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Verfassungen von Indien und Südafrika, welche im Folgenden dargestellt werden. Deutschland soll als Beispiel für die Umsetzung des Rechts auf Nahrung in einem Industriestaat dienen.210 a) Indien Die indische Verfassung211 enthält das Recht auf Nahrung nicht in direkter Form. Während der Abschnitt ‚fundamental rights‘ größtenteils aus vor Gericht durchsetzbaren bürgerlichen und politischen Rechten besteht, sind die ‚directive principles of state policy‘ wesentlich schwächer ausgestaltet.212 So bestimmt Art. 37: „The provisions contained in this Part shall not be enforceable by any court, but the principles therein laid down are nevertheless fundamental in the governance of the country and it shall be the duty of the State to apply these principles in making laws.“

Das Recht auf Nahrung wird aus der Kombination aus dem Recht auf Leben (Art. 21) und einem staatlichen Leitprinzip (Art. 47) abgeleitet. Art. 21 im dritten Teil der Verfassung über ‚fundamental rights‘ besagt: „Protection of life and personal liberty. – No person shall be deprived of his life or personal liberty except according to procedure established by law.“

Art. 47 (enthalten im vierten Abschnitt über ‚directive principles of state policy‘) verpflichtet den Staat, den Grad der Ernährung zu steigern und den Lebensstandard der Menschen zu verbessern: 209  Oscar Schachter, International Law in Theory and Practice, 178 Recueil des Cours 1982, S. 9, 334; Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 121; siehe auch Questions relating to the Obligation to Prosecute or Extradite, Belgien v. Senegal, IGH, Urteil vom 20.7.2012, ICJ Reports 2012, S. 422, Rz. 99. 210  Zur Konstitutionalisierung von wirtschaftlichen und sozialen Rechten, siehe auch Katharine G. Young, Constituting Economic and Social Rights, 2012. 211  Verfassung der Republik Indien vom 26.11.1949, verfügbar unter http://law min.nic.in/olwing/coi/coi-english/coi-indexenglish.htm. 212  Philip Alston/Ryan Goodman, International Human Rights, 2013, S. 344 f.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

„Duty of the State to raise the level of nutrition and the standard of living and to improve public health. – The State shall regard the raising of the level of nutrition and the standard of living of its people and the improvement of public health as among its primary duties and, in particular, the State shall endeavour to bring about prohibition of the consumption except for medicinal purposes of intoxicating drinks and of drugs which are injurious to health.“

Zwar hatte der Oberste Gerichsthof Indiens schon 1990 im Fall Shantistar Builders v. Narayan Khimalal Totame grundsätzlich festgestellt, dass das Recht auf Leben auch das Recht auf Nahrung beinhaltet,213 doch ausdrücklich anerkannt wurde das Recht im Jahr 2001 im Fall People’s Union for Civil Liberties v. Union of India and Others, hergeleitet gerade aus Art. 21 i. V. m. Art.  47 der Verfassung. Die NGO People’s Union for Civil Liberties hatte 2001 eine Petition an den Obersten Gericht gesandt, in der sie – im Sinne einer public interest litigation – um die Beantwortung dreier abstrakter Fragen bezüglich des Rechts auf Nahrung bat. Im Kern wollte sie wissen, ob das Recht auf Leben in Art. 21 der indischen Verfassung das Recht auf Nahrung beinhalte, und ob das Recht auf Nahrung impliziere, dass den Staat eine Pflicht trifft, (vor allem im Dürrefall) Nahrungsmittel zur Verfügung zu stellen.214 Der Oberste Gerichtshof erkannte nicht nur das Recht auf Nahrung an, sondern erließ mehrere einstweilige Anordnungen. Diese übersetzten die Leistungen aus nahrungsbezogenen staatlichen Programmen in rechtliche Ansprüche, forderten den Staat auf, in Bezug auf diese Programme öffentliches Bewusstsein und Transparenz zu schaffen, und verpflichteten die Regierungen der Bundesstaaten dazu, innerhalb von sechs Monaten in Grundschulen Mittagessen zur Verfügung zu stellen.215 2013 wurde der National Food Security Act erlassen. Dadurch wird ca. zwei Dritteln der indischen Bevölkerung der Zugang zu bestimmten Grundnahrungsmitteln vereinfacht. Jedem Berechtigten stehen demnach monatlich 213  Shantistar Builders v. Narayan Khimalal Totame (1990) 1 SCC 520, www. escr-net.org/caselaw/2006/shantistar-builders-v-narayan-khimalal-totame-civil-appealno-25981989-cited-1990-1-scc, Rz. 9: „The right to life is guaranteed in any civilized society. That would take within its sweep the right to food […]“. 214  George Kent, Freedom from Want: The Human Right to Adequate Food, 2005, S. 144. 215  People’s Union for Civil Liberties v. Union of India and Others, Writ Petition [Civil] No. 196 of 2001, Interim Order des indischen Obersten Gerichtshofs vom 28.11.2001, www.hrln.org/hrln/images/stories/pdf/Order-28-November-2001.pdf, Rz. 3 ii; siehe umfassend Lauren Birchfield/Jessica Corsi, Between Starvation and Globalization: Realizing the Right to Food in India, 31 Michigan Journal of International Law 2009/2010, S. 691, 693 ff.; Karen Kong, The Right to Food for All: A RightBased Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 553.



B. Völkergewohnheitsrecht147

5 Kilogramm Reis oder Getreide zu einem festgelegten, stark subventionierten Preis zu.216 b) Südafrika Ein weiteres Beispiel für die nationale Umsetzung des Rechts auf Nahrung stellt Südafrika dar. Nach dem Zusammenbruch des Apartheidsystems und dem Inkrafttreten einer Übergangsverfassung in den 1990er Jahren wurde diskutiert, ob man die sozialen Rechte in der Verfassung tatsächlich als Rechte oder lediglich als Leitprinzipien (directive principles) ausgestalten sollte; wobei man sich letztendlich für die erste Variante entschied.217 Abschnitt 7(2) der südafrikanischen Verfassung218 bestimmt, dass der Staat verpflichtet ist, die in der Bill of Rights niedergelegten Rechte zu achten, zu schützen, zu fördern und zu erfüllen („respect, protect, promote and fulfil“). Gemäß Abschnitt 27(1)(b) hat jeder das Recht auf Zugang zu genügend Nahrung und Wasser hat („sufficient food and water“), der Unterpunkt (c) garantiert weiterhin das Recht auf soziale Sicherheit inklusive entsprechender Unterstützung („social security, including, if they are unable to support themselves and their dependants, appropriate social assistance“). Nach Abschnitt 27(2) ist der Staat verpflichtet, vernünftige legislative und andere Maßnahmen innerhalb der verfügbaren Ressourcen zu ergreifen, um das Recht schrittweise zu verwirklichen („The state must take reasonable legislative and other measures, within its available resources, to achieve the progressive realisation of each of these rights“). Weiterhin statuieren Abschnitt 28(1)(c), bzw. 35(2)(e) gesondert das Recht auf Nahrung von Kindern und Gefangenen. In dem Fall Mazibuko v. City of Johannesburg hat das Verfassungsgericht Aussagen über das Recht auf Wasser getroffen, die sich auf das Recht auf Nahrung (welches schließlich in der Verfassung in einem Atemzug mit dem Recht auf Wasser geregelt wurde) übertragen lassen: „[Reading] section 27(1)(b), the right of access to sufficient water, [together] with section 27(2), it is clear that the right does not require the state upon demand to provide every person with sufficient water without more; rather it requires the state to take reasonable legislative and other measures progressively to realise the achievement of the right of access to sufficient water, within available resources. 216  Avinash Kishore/P. K. Joshi/John Hoddinott, India’s Right to Food Act: A Novel Approach to Food Security, in: International Food Policy Research Institute, Global Food Policy Report, 2014, S. 29. 217  Philip Alston/Ryan Goodman, International Human Rights, 2013, S. 353. 218  Verfassung der Republik Südafrika vom 10.12.1996, verfügbar unter www.gov. za/documents/constitution-republic-south-africa-1996.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

[…] [The Constitution] does not confer a right to claim ‚sufficient water‘ from the state immediately.“219

Interessant ist das Urteil auch im Hinblick auf die konkrete gerichtliche Durchsetzung von wirtschaftlichen und sozialen Rechten: „The Constitution envisages that legislative and other measures will be the primary instrument for the achievement of social and economic rights. Thus it places a positive obligation upon the state to respond to the basic social and economic needs of the people by adopting reasonable legislative and other measures. By adopting such measures, the rights set out in the Constitution acquire content, and that content is subject to the constitutional standard of reasonableness. Thus the positive obligations imposed upon government by the social and economic rights in our Constitution will be enforced by courts in at least the following ways. If government takes no steps to realise the rights, the courts will require government to take steps. If government’s adopted measures are unreasonable, the courts will similarly require that they be reviewed so as to meet the constitutional standard of reasonableness. […] [A] measure will be unreasonable if it makes no provision for those most desperately in need. If government adopts a policy with unreasonable limitations or exclusions […], the Court may order that those are removed. Finally, the obligation of progressive realisation imposes a duty upon government continually to review its policies to ensure that the achievement of the right is progressively realised.“220

c) Deutschland Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthält keinen direkten Bezug zum Recht auf Nahrung; im Katalog der Grundrechte ist es, wie auch andere soziale Rechte, nicht enthalten. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG statutiert zwar das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, dabei handelt es sich aber in erster Linie um ein Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates.221 Ganz wesentlich für das Recht auf Nahrung sind allerdings die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“) sowie die Staatszielbestimmung des Sozialstaatsprinzips, das von Art. 20 Abs. 1 GG begründet wird („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein […] sozialer Bundesstaat.“). Aus der Garantie der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip ergibt sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmini­ mums:222 219  Lindiwe Mazibuko et al. v. City of Johannesburg et al., Constitutional Court of South Africa, 8.10.2009, CCT 39/09[2009] ZACC 28, Rz. 50, 57, 60. 220  Ibid., Rz. 66 f. [Hervorhebungen hinzugefügt]. 221  Vgl. Udo di Fabio, Art. 2 Abs. 2 S. 1, in: Theodor Maunz/Günter Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 89. Ergänzungslieferung 2019, Rz. 5, 41 ff. 222  BVerfG, Urteil vom 9.2.2010, 1 BvL 1/09, Rz. 133.



B. Völkergewohnheitsrecht149 „Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit […], als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen […].“223

Zur Gewährleistung dieses Rechts muss ein entsprechender gesetzlicher Anspruch bestehen, der Hilfsbedürftige darf nicht auf (staatliche oder private) freiwillige Leistungen verwiesen werden.224 Hier wird deutlich, dass das Recht auf Nahrung in Industriestaaten wie der Bundesrepublik in allererster Linie in Form der Gewährleistungspflicht praktische Relevanz aufweist: Wenn Menschen nicht in der Lage sind, selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, muss der Staat die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. In Deutschland bedeutet dies staatliche Unterstützung im Sinne einer Grundsicherung, im Einzelnen die Sozialhilfe nach SGB XII und das Arbeitslosengeld II nach SGB II. Diese Grundsicherungen werden direkt aus Steuergeldern finanziert und sind so vom Sozialversicherungssystem (u. a. Arbeitslosen- und Rentenversicherung) zu unterscheiden. Für sich in Deutschland aufhaltende Flüchtlinge, die entweder eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 7 oder eine Duldung nach § 60 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) besitzen, besteht ein Anrecht nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) – sie erhalten eine Grundleistung nach § 3 AsylbLG, die den notwendigen Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts erfassen soll. § 1 Abs. 1 des SGB XII sowie § 1 Abs. 1 des SGB II besagen fast wortgleich, dass es Aufgabe der Sozialhilfe bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende sei, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, „das der Würde des Menschen entspricht.“ Im Februar 2010 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die bisherigen Gesetze zum Arbeits­ losengeld II verfassungswidrig gewesen seien. Zur Konkretisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums habe „der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tat223  Ibid., 224  Ibid.,

Rz. 135 [Hervorhebungen hinzugefügt]. Rz. 136.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

sächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen.“225 Im Gegensatz zum Sozialhilferecht nach dem SGB XII habe es der Gesetzgeber im SGB II versäumt, Härtefallregelungen zu erlassen, die beispielsweise die Kosten für besondere notwendige Medikamente abdecken, die vom Regelsatz nicht berücksichtig werden. Zudem entbehrten die Regelsätze für Kinder einer fundierten Bemessungsgrundlage, diese seien vielmehr ‚ins Blaue hinein‘ geschätzt worden.226 Hier zeigt sich, dass die bloße Existenz von Grundsicherung nicht ausreicht, diese muss auch tatsächlich die Grundbedürfnisse der Betroffenen erfüllen. Im Zusammenhang mit den Leistungen nach dem AsylbLG kam das BVerfG zu weiteren interessanten Schlussfolgerungen. Im Juli 2012 bezeichnete das Gericht die bis dato bestehenden Sätze (die je nach Berechtigtem nur zwischen 27 und 54 % des Regelbedarfs für Deutsche nach dem SGB II und XII darstellten227) als evident unzureichend und somit verfassungswidrig, diese lägen deutlich unter der Grundsicherung nach SGB II und SGB XII, und hätten seit 1993 stagniert. Das sich aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 I GG ergebene Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums stünde nicht nur Deutschen, sondern auch sich in Deutschland aufhaltenden ausländischen Staatsangehörigen zu.228 In diesem Urteil bezog sich das BVerfG auch auf den ICESCR und erkannte an, dass sich aus diesem für den deutschen Gesetzgeber völkerrechtliche Verpflichtungen ergeben (wenngleich das Gericht im Einzelnen nur das Recht auf soziale Sicherheit aus Art. 9 sowie das Recht auf kulturelle Teilhabe aus Art. 15 Abs. 1 hervorhob, nicht das Recht auf Nahrung).229 Dementsprechend wurde das AsylbLG seitdem mehrfach angepasst.230 Nach wie vor liegen diese Leistungen jedoch unter den Grundsicherungen für Inländer. 2. Stand der Verankerung in verschiedenen nationalen Verfassungen Auch jenseits dieser ausgewählten Beispiele ist das Recht auf Nahrung insgesamt fest im nationalen Recht verankert. Nach einer Studie aus dem Jahr 2006 anhand von 203 Verfassungen erkennt die Mehrheit der Staaten in 225  Ibid.,

Rz. 139. Rz. 146 ff., 175, 190, 209. 227  BVerfG, Urteil vom 18.7.2012, 1 BvL 10/10, Leitsätze, Rz. 114. 228  Ibid., Leitsätze, Rz. 112 ff. 229  Ibid., Rz. 68. 230  Zuletzt durch BGBl. 2019 I 1429. 226  Ibid.,



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irgendeiner Weise das Recht auf Nahrung in ihren Verfassungen an.231 Dieser Untersuchung zufolge enthielten 22 Verfassungen eine direkte Bestimmung zum Recht auf Nahrung für die gesamte Bevölkerung, 17 schützten explizit das Recht auf Nahrung einer bestimmten Gruppe, 46 schützten ein breiteres, das Recht auf Nahrung umfassendes Recht wie das auf einen angemessenen Lebensstandard oder ein Leben in Würde. 66 Verfassungen schützten die Rechte des Kindes, 114 erkannten ein Recht auf soziale Sicherheit an, 37 enthielten Vorgaben zu Mindestlöhnen, 23 statuierten eine Verantwortung des Staates für Ernährungssicherheit, Verbraucher und Landwirtschaft etc., und 13 Verfassungen schützten das Recht auf Gesundheit, welches das Recht auf Nahrung mitenthalten könnte.232 Eine derart weite Verbreitung unterstützt die Annahme der völkergewohnheitsrechtlichen Geltung des Rechts.

V. Resolutionen und Richtlinien nach Verabschiedung des ICESCR als Ausdruck einer allgemeinen Rechtsansicht Das Recht auf Nahrung wurde nicht unwesentlich durch ‚soft law‘ geprägt; ein Faktum, das die oftmals nicht ganz einfache Unterscheidung zwischen Rechtspflichten und politischen Optionen zu erklären vermag.233 Gerade im Bereich der Menschenrechte ist es üblich, dass neue Regelungen im Prozess der Normwerdung zunächst den Status des soft law durchlaufen.234 Im Folgenden sollen die grundsätzlichen Mechanismen sowie die einschlägigen Resolutionen zum Recht auf Nahrung näher betrachtet werden. 1. Völkergewohnheitsrecht durch ‚soft law‘ Als soft law bezeichnet man in der Völkerrechtswissenschaft diejenigen „Verhaltensregeln, die außerhalb der in Art. 38 IGH-Statut kanonisierten Formen entstehen“, also zum Beispiel Resolutionen der UN-Generalversamm231  Margret Vidar, State Recognition of the Right to Food at the National Level, United Nations University – World Institute for Development Economics Research (UNU-WIDER) Research Paper No. 2006/61, S. 7. 232  Ibid., S. 8, Tabelle 1; siehe auch FAO, Constitutional and Legal Protection of the Right to Food Around the World, 2011, S. 21 (eine Studie, welche die früheren Zahlen bestätigt). 233  Kerstin Mechlem, International Protection of the Right to Food, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IV, S. 143, Rz. 3. 234  Dinah Shelton, Commentary and Conclusions, in: Dinah Shelton (Hrsg.), Commitment and Compliance: The Role of Non-binding Norms in the International Legal System, 2000, S. 449, 461.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

lung.235 Derartiges soft law (charakteristischerweise stets in Schriftform236) kann, wenn es auch nicht rechtsverbindlich ist, dennoch einen nicht geringen Einfluss auf die Völkerrechtspraxis haben – sowohl nationale wie auch internationale Organe und Organisationen berufen sich immer wieder auf solche Resolutionen.237 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer ‚relativen Normativität‘.238 Aufgrund der mangelnden Rechtskraft kann soft law durchaus bewusst eingesetzt werden, wenn eine zwischenstaatliche Einigung auf verbindlicher Vertragsebene (noch) nicht möglich scheint.239 Dementsprechend sehen manche soft law gar als einen möglichen Ausweg aus aufgrund der Machtgefälle in klassischen Vertragssituationen festgefahrenem und unflexiblem Vertragsrecht an.240 Soft law kann dabei einen wichtigen Einfluss auf bereits bestehendes Völkervertragsrecht entwickeln.241 Dies gilt in besonderem Maße, wenn man dieses als subsequent practice im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. b) der Wiener Vertragsrechtskonvention qualifiziert, welche dann bei der Auslegung einer Vertragsnorm herangezogen werden muss.242 235  Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Auflage 1984, S. 419 f., § 654. 236  Christine Chinkin, The Challenge of Soft Law: Development and Change in International Law, 38 International and Comparative Law Quarterly 1989, S. 850, Fn. 1. 237  Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Auflage 1984, S. 420 f., § 656; Christoph Schreuer, Recommendations and the Traditional Sources of International Law, 20 German Yearbook of International Law 1977, S. 103, 104 f.; Jonathan Charney, Compliance with International Soft Law, in: Dinah Shelton (Hrsg.), Commitment and Compliance: The Role of Non-binding Norms in the International Legal System, 2000, S. 115, 116; Marie von Engelhardt, Opportunities and Challenges of a Soft Law Track to Economic and Social Rights – The Case of the Voluntary Guidelines on the Right to Food, 42 Verfassung und Recht in Übersee 2009, S. 502, 504. 238  Ulrich Fastenrath, Relative Normativity in International Law, 4 European Journal of International Law 1993, S. 305. 239  Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Auflage 1984, S. 420, § 655; Marie von Engelhardt, Opportunities and Challenges of a Soft Law Track to Economic and Social Rights – The Case of the Voluntary Guide­ lines on the Right to Food, 42 Verfassung und Recht in Übersee 2009, S. 502, 504. 240  Hanspeter Neuhold, The Inadequacy of Law-Making by International Treaties: „Soft Law“ as an Alternative?, in: Rüdiger Wolfrum/Volker Röben (Hrsg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005, S. 39. 241  Ulrich Fastenrath, Relative Normativity in International Law, 4 European Journal of International Law 1993, S. 305, 314; Tadeusz Gruchalla-Wesierski, A Framework for Understanding „Soft Law“, 30 McGill Law Journal 1984, S. 37, 61. 242  Vgl. Marie von Engelhardt, Opportunities and Challenges of a Soft Law Track to Economic and Social Rights – The Case of the Voluntary Guidelines on the Right



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Die Frage, inwieweit solches soft law zu Völkergewohnheitsrecht führen kann, ist umstritten. Viele betrachten das Abstimmen der Staaten für eine bestimmte Resolution gerade im Rahmen der Vereinten Nationen entweder als einen Akt der Staatenpraxis oder als Ausdruck der opinio iuris. Vertreter der ersten Ansicht meinen, Staatenpraxis beinhalte eben auch das Verhalten in internationalen Organisationen, also das Handeln auf dem diplomatischen Parkett.243 Dieses müsse sich wie die sonstige Praxis wiederholt abspielen und den kollektiven Willen der Staatengemeinschaft darstellen. Für eine Bewertung als opinio iuris plädierte wiederum der IGH in seinem Nicaragua-Urteil, im Zusammenhang mit dem Gewaltverbot und den Resolutionen der UN-Generalversammlung: „The Parties thus both take the view that the fundamental principle in this area is expressed in the terms employed in Article 2, paragraph 4, of the United Nations Charter. They therefore accept a treaty-law obligation to refrain in their international relations from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any State, or in any other manner inconsistent with the purposes of the United Nations. The Court has however to be satisfied that there exists in customary international law an opinio juris as to the binding character of such abstention. This opinio juris may, though with all due caution, be deduced from, inter alia, the attitude of the Parties and the attitude of States towards certain General Assembly resolutions, and particularly resolution 2625(XXV) entitled ‚Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations‘. The effect of consent to the text of such resolutions cannot be understood as merely that of a ‚reiteration or elucidation‘ of the treaty commitment undertaken in the Charter. On the contrary, it may be understood as an acceptance of the validity of the rule or set of rules declared by the resolution by themselves.“244

Im Atomwaffengutachten wurde diese Sichtweise vom IGH im Folgejahrzehnt bestätigt: „The Court notes that General Assembly resolutions, even if they are not binding, may sometimes have normative value. They can, in certain circumstances, provide evidence important for establishing the existence of a rule or the emergence of an to Food, 42 Verfassung und Recht in Übersee 2009, S. 502, 506, Fn. 18. 243  Rosalyn Higgins, The Development of International Law through the Political Organs of the United Nations, 1963, S. 2: „The United Nations is a very appropriate body to look to for indications of developments in international law, for international custom is to be deduced from the practice of states, which includes their international dealings as manifested by their diplomatic actions and public pronouncements. With the development of international organizations, the votes and views of states have come to have legal significance as evidence of customary law.“ 244  Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of America, IGH, Urteil vom 27.6.1986 (Merits), ICJ Reports 1986, S. 14, 99 f., Rz. 188 [Hervorhebungen hinzugefügt].

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

opinio juris. To establish whether this is true of a given General Assembly resolution, it is necessary to look at its content and the conditions of its adoption; it is also necessary to see whether an opinio juris exists as to its normative character. Or a series of resolutions may show the gradua1 evolution of the opinio juris required for the establishment of a new rule.“245

Teils wird vertreten, dass (auch durch ein Instrumentarium des soft law) sogar das plötzliche Auftreten einer neuen gewohnheitsrechtlichen Regel als sogenannter ‚instant custom‘ (ohne vorangegangene Praxis) möglich sei.246 Dieser Ansatz ist mit der Natur des soft law, welches eher auf Rechtsentwicklung absieht, allerdings nur schwerlich zu vereinbaren.247 Das nachträgliche Verhalten der Staaten darf nicht außer Betracht gelassen werden: „Not infrequently, the aspirations nursed in the hot-house atmosphere of an organ, like the United Nations General Assembly, do not withstand the rough climate of international everyday life.“248

Zudem muss auch stets differenziert werden, ob ein Staat durch eine bestimmte Resolution tatsächlich rechtliche Pflichten anerkennen oder lediglich politische Absichten erklären möchte.249 Dabei ist es den Staaten möglich, durch die besondere Betonung der mangelnden Rechtsverbindlichkeit von vornherein auszuschließen, dass ihre Stimme für eine Resolution oder ähnliches als Ausdruck einer opinio iuris gedeutet wird.250 Im Ergebnis übt die stetige Praxis im Bereich von per se nicht bindenden Resolutionen dennoch einen unten Umständen erheblichen Einfluss auf die Fortentwicklung des Völkerrechts aus: 245  Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, IGH, Gutachten vom 8.7.1996, ICJ Reports 1996, S. 226, 254 f., Rz. 70. Ebenso für die Einordnung als opinio iuris: H.W.A. Thirlway, International Customary Law and Codification: An Examination of the Continuing Role of Custom in the Present Period of Codification of International Law, 1972, S. 66; Tullio Treves, Customary International Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. II, S. 937, 946, Rz. 44. 246  Vgl. Christoph Schreuer, Recommendations and the Traditional Sources of International Law, 20 German Yearbook of International Law 1977, S. 103, 108. 247  Christine Chinkin, The Challenge of Soft Law: Development and Change in International Law, 38 International and Comparative Law Quarterly 1989, S. 850, 857. 248  Christoph Schreuer, Recommendations and the Traditional Sources of International Law, 20 German Yearbook of International Law 1977, S. 103, 108 [Fußnote im Zitat entfernt]. 249  Michael Wood, State Practice, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 509, 512, Rz. 22. 250  Christine Chinkin, The Challenge of Soft Law: Development and Change in International Law, 38 International and Comparative Law Quarterly 1989, S. 850, 857.



B. Völkergewohnheitsrecht155 „One of the most important techniques by which innovative approaches become part of international law is through the evolution of customary international legal norms which, although usually not codified in treaty form, have become sufficiently widely accepted in practice that they are arguably binding upon governments despite their original intent not to bind themselves.“251

Die folgende Auflistung kann nur eine Auswahl der relevantesten Dokumente abbilden.252 Diese ergeben jedoch bereits einen guten Einblick in die Präzisierung des Rechts auf Nahrung. 2. Universal Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutrition von 1974 Die Universal Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutrion wurde am 16. November 1974 von der World Food Conference in Rom verabschiedet und am 17. Dezember 1974 von der UN Generalversammlung befürwortet.253 Anlass für die Konferenz waren die Hungersnöte der 1970er Jahre, die vor allem die afrikanische Sahel-Zone betrafen.254 Der Prinzipienkatalog der Erklärung, die sich auch gerade mit praktischen Maßnahmen zur Hungerbekämpfung befasst, beginnt mit den Worten: „Every man, woman and child has the inalienable right to be free from hunger and malnutrition in order to develop fully and maintain their physical and mental faculties.“255

Weder erwähnt die Erklärung das breiter angelegte Recht auf angemessene Nahrung, noch wird auf Art. 11 ICESCR verwiesen. Dies trug zur Unsicherheit bei, ob die Unterzeichner der Erklärung damit tatsächlich rechtliche Verpflichtungen eingehen wollten.256 Gleichwohl kann die Erklärung zumin251  Philip Alston, Ships Passing the Night: The Current State of the Human Rights and Development Debate Seen Through the Lens of the Millennium Development Goals, 27 Human Rights Quarterly 2005, S. 755, 771. 252  Für eine umfangreichere Sammlung entsprechender Dokumente, siehe FAO, Legislative Study 68, Extracts from International and Regional Instruments and Declarations, and other Authoritative Texts Addressing the Right to Food, 1999, S.  7 ff.; Katarina Tomasevski, The Right to Food: Guide through Applicable International Law, 1987. 253  Universal Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutrion, 16.11.1974, www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/EradicationOfHungerAndMalnutrition. aspx; UN-Dokument A/RES/3348(XXIX) (17.12.1974). 254  http://ifad.org/governance/index.htm. 255  Universal Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutrion, 16.11.1974, www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/EradicationOfHungerAndMalnutrition. aspx, Rz. 1, Satz 1 [Hervorhebung hinzugefügt]. 256  Ian Brownlie, The Human Right to Food, Study prepared for the Commonwealth Secretariat, 1987, S. 11, Rz. 19.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

dest als wichtige Bestärkung des Inhalts von Art. 11 Abs. 2 ICESCR, des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, gesehen werden. 3. Resolution der UN-Generalversammlung zu Food and Agricultural Problems von 1984 1984 äußerte sich die UN-Generalversammlung anlässlich von Nahrungsund Landwirtschaftskrisen in Entwicklungsländern grundsätzlich zur Problematik, um das entsprechende Bewusstsein auch für den rechtlichen Rahmen zu schärfen. Im Rahmen dieser Resolution bestätigte die Generalversammlung, dass „[…] the right to food is a universal human right which should be guaranteed to all people, and, in that context, [the General Assembly] believes in the general principle that food should not be used as an instrument of political pressure“.257

Insbesondere die Wortwahl, dass es sich bei dem Recht auf Nahrung um ein universelles Menschenrecht handelt, ist als besondere Betonung von dessen Bedeutung zu sehen. 4. Declaration on the Right to Development der UN-Generalversammlung von 1986 Zwanzig Jahre nach der Verabschiedung der beiden internationalen Pakte von 1966 rückte eine neue Generation von Menschenrechten in den Blickpunkt, darunter das Recht auf Entwicklung. Grundlegend war hier die Resolution der UN-Generalversammlung vom 4. Dezember 1986.258 Im Hinblick auf das Recht auf Nahrung stellt sich die Frage, inwieweit das Recht auf Entwicklung ergänzend herangezogen werden kann. Kong spricht hierbei mit Verweis auf die Präambel sowie Art. 6 Abs. 2 der Resolution von einer ‚interdependence‘ der beiden Rechte.259 Von besonderer Relevanz sind hier die Art. 1 und 8: „Article 1 (1) The right to development is an inalienable human right by virtue of which every human person and all peoples are entitled to participate in, contribute to, and 257  UN-Dokument

fügt].

258  UN-Dokument

A/RES/39/166 (17.12.1984), Rz. 6 [Hervorhebung hinzuge-

A/RES/41/128 (4.12.1986). Kong, The Right to Food for All: A Right-Based Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 562. Art. 6 (2) der Resolution A/RES/41/128 lautet: „All human rights and fundamental freedoms are indivisible and interdependent; equal attention and urgent consideration should be given to the implementation, promotion and protection of civil, political, economic, social and cultural rights.“ 259  Karen



B. Völkergewohnheitsrecht157 enjoy economic, social, cultural and political development, in which all human rights and fundamental freedoms can be fully realized. […] Article 8 (1)  States should undertake, at the national level, all necessary measures for the realization of the right to development and shall ensure, inter alia, equality of opportunity for all in their access to basic resources, education, health services, food, housing, employment and the fair distribution of income. Effective measures should be undertaken to ensure that women have an active role in the development process. Appropriate economic and social reforms should be carried out with a view to eradicating all social injustices. […]“260

Der unabhängige Experte der UNO für das Recht auf Entwicklung war der Ansicht, dass die Realisierung des Rechts auf Nahrung ein Element des Rechts auf Entwicklung sei, und verwies dabei auf den Allgemeinen Kommentar Nr. 12 des CESCR, welcher das Recht auf Nahrung als Teil eines umfänglichen Entwicklungsprogramms des entsprechenden Staates betrachte.261 Dabei könne gerade das übergeordnete Recht auf Entwicklung wichtige Impulse geben: „Looking at the right to development as a process brings out the value added clearly: it is not merely the realization of those rights individually, but the realization of them together in a manner that takes into account their effects on each other, both at a particular time and over a period of time.“262

5. Die Rome Declaration von 1996 Die Rome Declaration wurde 1996 im Rahmen des World Summit on Food Security angenommen, welcher von der FAO organisiert wurde. Diese Erklärung legte den Grundstein für die Aufnahme einer menschenrechtsbezogenen Perspektive in die Politik der Ernährungssicherung.263 Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, bezeichnete diesen Gipfel als Kairos – ein Begriff der altgriechischen Philosophie, der den rechten Moment bezeichnet, in dem eine Idee ‚reif‘ dafür ist, anerkannt zu werden: In Rom wurde der erste kohärente Plan (Plan of Action) hervorgebracht, das Recht auf Nahrung auch tatsächlich Realität werden zu lassen.264 Zudem wurde hier, im Gegensatz zur Universal 260  UN-Dokument

A/RES/41/128 (4.12.1986) [Hervorhebung hinzugefügt]. E/CN.4/2001/WG.18/2 (2.1.2001), Third Report of the Independent Expert on the Right to Development, Arjun Sengupta, Rz. 9, 10, 12. 262  Ibid., Rz. 11. 263  Marie von Engelhardt, Opportunities and Challenges of a Soft Law Track to Economic and Social Rights – The Case of the Voluntary Guidelines on the Right to Food, 42 Verfassung und Recht in Übersee 2009, S. 502, 514. 264  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 5. 261  UN-Dokument

158

Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutrition von 1974 auch explizit das Recht auf Nahrung anerkannt, trotz des Drucks einiger Regierungen, sich stattdessen lediglich auf das politische Konzept der Ernährungssicherheit zu beziehen.265 Schon der erste Satz der Erklärung spiegelt dies wider: „We […] reaffirm the right of everyone to have access to safe and nutritious food, consistent with the right to adequate food and the fundamental right of everyone to be free from hunger.“

In die Präambel der Deklaration wurde das Ziel aufgenommen, die Anzahl der unterernährten Menschen auf der Welt bis 2015 zu halbieren.266 Der dazugehörige Plan of Action enthielt sieben Zusagen (‚commitments‘), zu denen neben der Ausrottung der Armut und der Schaffung eines dauerhaften Friedens im Allgemeinen auch die Umsetzung entsprechender Politik zur Sicherstellung von ausreichender, ausgewogener und sicherer Nahrungsmittelversorgung, eine partizipatorische und nachhaltige Entwicklungspolitik für Land- und Forstwirtschaft, ein faires und marktorientiertes Welthandelssystem, die Vermeidung von bzw. bessere Vorbereitung auf Naturkatastrophen und vom Menschen verursachte Hungersnöte sowie der gezielte Einsatz von Investitionen gehören. Zudem wurde das UN-Menschenrechtskommissariat, in Abstimmung bzw. Zusammenarbeit mit den entsprechenden Vertragskörpern und Sonderorganisa­ tio­ nen/-programmen, gebeten, die nahrungsbezogenen Rechte aus Art. 11 ICESCR besser zu definieren und Umsetzungswege vorzuschlagen; darunter auch durch die Formulierung freiwilliger Leitlinien für Ernährungssicherheit.267 6. Millennium Development Goals von 2000 und die Sustainable Development Goals von 2015 Im Jahr 2000 wurde die Milleniumserklärung der Vereinten Nationen verabschiedet. Die damit zusammenhängenden (wenn auch nicht direkt aus ihnen hervorgegangenen268) Millennium Development Goals (MDGs) hatten es sich an erster Stelle zum Ziel gesetzt, die weltweite Armut sowie den Hunger bis zum Jahr 2015 zu halbieren. 265  Ibid.,

S. 7. Declaration on World Food Security, World Food Summit Plan of Action 13.11.1996, www.fao.org/docrep/003/w3613e/w3613e00.htm, Präambel, Rz. 2. 267  Ibid., Objective 7.4 lit. e. 268  Zur Geschichte der MDGs, siehe Arron Honniball/Otto Spijkers, MDGs und SDGs: Lehren aus der öffentlichen Beteiligung an der Ausarbeitung der UN-Entwicklungsziele, 6 Vereinte Nationen 2014, S. 251 ff. 266  Rome



B. Völkergewohnheitsrecht159

Dieses erste Ziel wurde in drei Unterziele unterteilt: (1) Die Halbierung (zwischen 1990 und 2015) des Anteils der Menschen, deren Einkommen weniger als 1,25 US$/Tag beträgt; (2) Das Erreichen voller und produktiver Beschäftigung und angemessener Arbeit für alle, insbesondere Frauen und junge Menschen; (3) Die Halbierung (zwischen 1990 und 2015) des Anteils der Menschen in den Entwicklungsländern, die an Hunger leiden. Nicht nur die globale Finanzkrise ab 2008 zeigte die Utopie dieser Ziele auf. Lange vor 2015 musste den Beteiligten klar gewesen sein, dass sich die ehrgeizigen Ziele nicht verwirklichen ließen. Zudem handelte es sich wohl von vornherein um eher oberflächliche Zielvorgaben, die nicht die tieferliegenden Ursachen von Armut bekämpfen.269 Ein besonderer Schwachpunkt der MDGs (wie auch bereits der Milleniumserklärung) lag darin, dass diese (abgesehen davon, dass sie völkerrechtlich nicht verbindlich sein sollten) nicht als Menschenrechte formuliert wurden, obwohl sie zu diesen doch eigentlich einen starken Bezug haben.270 269  Margot Salomon, Poverty, Privilege and International Law: The Millennium Development Goals and the Guise of Humanitarianism, 51 German Yearbook of International Law 2008, S. 39, 47. 270  Arron Honniball/Otto Spijkers, MDGs und SDGs: Lehren aus der öffentlichen Beteiligung an der Ausarbeitung der UN-Entwicklungsziele, 6 Vereinte Nationen 2014, S. 251, 254; Marie von Engelhardt, Opportunities and Challenges of a Soft Law Track to Economic and Social Rights – The Case of the Voluntary Guidelines on the Right to Food, 42 Verfassung und Recht in Übersee 2009, S. 502, 514. Auch die politische Bewertung der MDGs ist umstritten. Laut Thomas Pogge hätten die MDGs lediglich einen „propagandistischen Zweck“ erfüllt. Während man auf demWelternährungsgipfel 1996 in Rom noch die Halbierung der Anzahl der chronisch unterernährten Menschen erreichen wollte, sei im Rahmen der Milleniumserklärung nur noch von der Halbierung des Anteils ebenjener Menschen an der Weltbevölkerung die Rede gewesen. In Anbetracht der wachsenden Weltbevölkerung (von 2000 bis 2015 um ca. 20 %) habe nunmehr eine Reduzierung der Anzahl von 40 % ausgereicht, um den Anteil zu halbieren. Für die aus der Milleniumserklärung abgeleiteten MDGs sei dieses Ziel noch weiter gesenkt worden, indem man die Entwicklung nunmehr nicht mehr an der gesamten Weltbevölkerung, sondern an der schnell wachsenden Bevölkerung der Entwicklungsländer gemessen und den Anfang des Messungszeitraums auf 1990 zurückdatiert habe (wodurch man z. B. die Armutsreduzierung Chinas in den 1990er Jahren noch für sich verbuchen konnte). Zudem kritisiert Pogge die FAO-Statistisken: Während die FAO 2009 noch erstmals über eine Milliarde Hungernde meldete, habe sie im Anschluss ihre Definition von chronischer Unterernährung geändert (nunmehr rein auf einen über ein Jahr andauernden Kalorienmangel im Verhältnis zu einer sitzenden Tätigkeit bezogen; dabei habe sie nicht nur die Nährstoffversorgung vernachlässigt, sondern auch die Tatsache, dass viele Arme körperlich harte Arbeit bei entsprechend erhöhtem Kalorienbedarf verrichten müssen) und 2012 eine Neuinterpretation der bisherigen Zahlen veröffentlicht. Während man nach der alten Berechnungsmethode im Zeitraum von

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Gleichwohl leisteten die MDGs grundsätzlich einen wichtigen Beitrag zur globalen Entwicklungspolitik, da sie das Problem des globalen Hungers und die Notwendigkeit seiner Bekämpfung wieder ins öffentliche Interesse rückten. 2015, in dem Jahr, das sich die MDGs als Ziel gesetzt hatten, wurden diese offiziell durch die Sustainable Development Goals (SDGs) abgelöst. Diese definierten insgesamt 17 Ziele mit mehreren Unterzielen, welche bis 2030 erreicht werden sollen. Es handelt sich also erneut um einen 15-JahresZeitraum. Im Gegensatz zu den MDGs sollen die SDGs Entwicklungsziele für alle Staaten darstellen, nicht nur für diejenigen, die man gemeinhin als Entwicklungsländer bezeichnet. Das zweite SDG, jenes Ziel in Bezug auf die Bekämpfung des Hungers, kommt im Vergleich zu den MDGs nocheinmal wesentlich ambitionierter daher. Nunmehr soll der Hunger nicht nur halbiert, sondern ganz beseitigt werden: „End hunger, achieve food security and improved nutrition and promote sustainable agriculture“, oder auch verkürzt ‚Zero Hunger‘. Wie die anderen Ziele der SDGs ist auch dieses nocheinmal in mehrere Zielvorgaben (‚targets‘) unterteilt, darunter: •• Bis 2030 den Hunger zu beenden und den ganzjährigen Zugang aller Menschen zu sicherer, nahrhafter und ausreichender Nahrung sicherzustellen; •• Bis 2030 alle Arten von Mangelernährung zu beenden, insbesondere bis 2025 die international vereinbarten Ziele zu Wachstumsverzögerungen und Untergewicht bei Kindern unter 5 Jahren zu erreichen; •• Bis 2030 die landwirtschaftliche Produktion und das Einkommen von kleineren Nahrungsproduzenten zu verdoppeln; •• Nachhaltige Nahrungsproduktionssysteme zu schaffen, die Produktivität und Produktion erhöhen und dabei helfen, Ökosysteme zu erhalten und die Anpassungskapazitäten an den Klimawandel, extremes Wetter, Dürre, Fluten und andere Katastrophen zu stärken;

1996 bis 2009 noch eine Steigerung der Anzahl der Hungernden von 788 Millionen auf 1 Milliarde verzeichnen musste, soll die Zahl nunmehr plötzlich von 931 auf 867 Millionen gesunken sein; Thomas Pogge, Die MDGs sind moralisch ein Skandal, 6 Vereinte Nationen 2014, S. 250; siehe auch Jason Hickel, The True Extent of Global Poverty and Hunger: Questioning the Good News Narrative of the Millennium Development Goals, 37 Third World Quarterly 2016, S. 749. Im Jahr 2015 verzeichnete die FAO lediglich 795 Millionen Hungernde: FAO, The State of Food Insecurity in the World – Meeting the 2015 International Hunger Targets: Taking Stock of Uneven Progress, 2015, S. 8.



B. Völkergewohnheitsrecht161

•• Die genetische Vielfalt von Saatgut, Kulturpflanzen sowie von Nutzvieh und domestizierten Tieren und ihren verwandten wilden Arten zu erhalten; •• Investitionen zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivitätskapazitäten in Entwicklungsländern zu tätigen; •• Handelsbeschränkungen und -verzerrungen auf den Weltagrarmärkten zu korrigieren bzw. zu vermeiden. Die SDGs, unabhängig davon, ob ihre Verwirklichung ohne massive politische Maßnahmen diesmal realistischer ist als die der MDGs, zeigen erneut, dass die Weltgemeinschaft es nach wie vor als ihre Pflicht ansieht, den Hunger zu bekämpfen. Insgesamt sollten gerade die MDGs bzw. SDGs bei der Beurteilung des Rechts auf Nahrung als Völkergewohnheitsrecht eine Rolle spielen. Teils wird vertreten, dass die MDGs (bzw. nunmehr die SDGs) selbst den Status von Völkergewohnheitsrecht innehaben.271 Andere stehen dieser Annahme kritischer gegenüber. Gegen die Annahme eines völkergewohnheitsrechtlichen Charakters der MDGs spricht wohl in erster Linie, dass es sich bei ihnen vor allem um Absichtserklärungen272 handelte, nicht um rechtlich verbindliche Vorgaben. Eine vermittelnde Ansicht vertritt Alston, der zwar die pauschale Anerkennung von wirtschaftlichen und sozialen Rechten zurückhaltend betrachtet, in den MDGs allerdings einen engeren Fokus im Vergleich zu den breiteren Rechten erkennt, sodass man diesen Kern (auch in Bezug auf das Ziel der Halbierung bzw. nunmehr Beendigung des Welthungers) als Reflektion von Völkergewohnheitsrecht bezeichnen könnte.273 Dies betrifft dann weniger das breitere Recht auf angemessene Nahrung, als das Recht darauf, frei von Hunger zu sein – vor allem in diesem Zusammenhang stellen die MDGs und SDGs ein taugliches Indiz für Völkergewohnheitsrecht dar.274

271  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 789. 272  Margot Salomon, Poverty, Privilege and International Law: The Millennium Development Goals and the Guise of Humanitarianism, 51 German Yearbook of International Law 2008, S. 39, 47. 273  Philip Alston, Ships Passing the Night: The Current State of the Human Rights and Development Debate Seen Through the Lens of the Millennium Development Goals, 27 Human Rights Quarterly 2005, S. 755, 773 f. 274  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 791.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

7. Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization of the Right to Adequate Food in the Context of National Food Security der FAO von 2004 Die wohl wichtigste Errungenschaft der FAO im Hinblick auf das Recht auf Nahrung ist der Erlass der Freiwilligen Leitlinien (Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization of the Right to Adequate Food in the Context of National Food Security). Die Grundidee für die Freiwilligen Leitlinien der FAO ist 2002 bei der Konferenz ‚World Food Summit: Five Years Later‘ entstanden,275 noch im selben Jahr installierte der FAO-Rat die geforderte Intergovernmental ­Working Group. Diese erarbeitete die Richtlinien in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Vertretern der Zivilgesellschaft.276 Die Richtlinien wurden schließlich 2004 bei einem Treffen des FAO-Rates im Konsens angenommen.277 Die 19 freiwilligen Leitlinien decken ein breites Spektrum ab: darunter ‚Demokratie, gute Regierungsführung, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit‘, Institutionen, Zugang zu Ressourcen und Kapital, Sicherheitsnetze, und internationale Nahrungsmittelhilfe.278 Die FAO empfahl den Staaten nicht nur, diese Richtlinien im Kampf gegen den Hunger anzuwenden, sie wollte auch die Staaten bei der Implementierung unterstützen. Dies führte zur Gründung der Right to Food Unit innerhalb der FAO.279 Zu deren Hauptaufgaben gehört es, das Bewusstsein für das Recht auf Nahrung zu stärken, Mechanismen für die Umsetzung zu entwickeln und technische Expertise sowie politische Beratung bereitzustellen.280 Im Hinblick auf die Rechtswirkung der Richtlinien stellen diese selbst einleitend fest, dass sie weder für Staaten, noch für internationale Organisationen bindende Pflichten statuieren, auch sollten ihre Bestimmungen nicht so interpretiert werden, dass sie bestehende Pflichten abändern, modifizieren oder schmälern.281 Die Richtlinien umschreiben breitere staatliche Aufgaben 275  Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization Adequate Food in the Context of National Food Security, November 276  Ibid., Rz. 8. 277  FAO, Right to Food – Making it Happen, 2011, S. 4. 278  Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization Adequate Food in the Context of National Food Security, November 279  FAO, Right to Food – Making it Happen, 2011, S. 8. 280  Ibid. 281  Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization Adequate Food in the Context of National Food Security, November

of the Right to 2004, Rz. 5. of the Right to 2004. of the Right to 2004, Rz. 9.



B. Völkergewohnheitsrecht163

als der ICESCR oder der Allgemeine Kommentar Nr. 12,282 zudem erkennen sie eine gewisse extraterritoriale Dimension des Rechts an.283 Wie der Name der Voluntary Guidelines schon sagt, bleiben sie aber freiwilliger Natur und sind demnach kaum geeignet, um eine Rechtsansicht der Staaten bezüglich des Rechts auf Nahrung zu belegen. 8. Right to Food-Resolutionen der UN-Generalversammlung 2004 und 2006 verabschiedete die UN-Generalversammlung Resolutionen zum Recht auf Nahrung, die den in den Augen der Staatengemeinschaft hohen Stellenwert des Rechts betonen.284 Der operative Part dieser Resolutionen beginnt mit einer Wortwahl, welche gerade die Bedeutung des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, hervorhebt: „The General Assembly […] [r]eaffirms that hunger constitutes an outrage and a violation of human dignity and therefore requires the adoption of urgent measures at the national, regional and international levels for its elimination […].“285

Weiterhin bestärkte die Generalversammlung nicht nur das Recht auf angemessene Nahrung und darauf, frei von Hunger zu sein, sondern bezeichnete es auch als ‚intolerable‘, dass 870 Millionen Menschen auf der Welt chronisch unterernährt seien und nach Schätzungen des UN International Children’s Emergency Fund (UNICEF) mehr als ein Dritel der Kinder, die noch vor dem fünften Geburtstag sterben, dies aufgrund hungerbezogener Krankheiten täten, obwohl der FAO zufolge der Planet in der Lage wäre, genügend Nahrung für alle Erdbewohner zu produzieren.286 Derartige Resolutionen zeigen, dass die Staatengemeinschaft vor allem das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, weiterhin achtet und in seiner Wichtigkeit bestärken möchte. 9. Fazit Gerade in ihrer Gesamtheit deuten die Instrumentarien des soft law, derer sich die Staatengemeinschaft im Laufe der Jahre bedient hat, darauf hin, dass 282  Karen Kong, The Right to Food for All: A Right-Based Approach to Hunger and Social Inequality, 32 Suffolk Transnational Law Review 2008/2009, S. 525, 554. 283  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 9. 284  UN-DokumentA/RES/59/202 (20.12.2004); UN-DokumentA/RES/60/165 (16.12.2005); UN-Dokument A/RES/67/174 (20.12.2012). 285  UN-DokumentA/RES/67/174 (20.12.2012), Rz. 1. 286  Ibid., Rz.  2 f.

164

Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

jedenfalls das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, auch abseits des Anwendungsbereichs des ICESCR völkergewohnheitsrechtlichen Status genießt. Die Universal Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutrition von 1974 betont das ‚inalienable right to be free from hunger and malnutrition‘. Auch die Resolution der UN-Generalversammlung zu Food and Agricultural Problems von 1984 spricht vom Recht auf Nahrung als ‚universal human right‘. Die Rome Declaration von 1996 bestärkt das Recht auf Nahrung unter besonderer Betonung des ‚fundamental right‘, frei von Hunger zu sein. Eine weitere Bestätigung des Rechts stellen die Millennium Development Goals von 2000 sowie die nachfolgenden Sustainable Development Goals von 2015 dar, welche die Ansicht der Staatengemeinschaft unterstreichen, dass der weltweite Hunger unbedingt reduziert werden müsse. Die im Laufe der Zeit verabschiedeten Resolutionen u. a. der UN-Generalversammlung bestätigen demnach nicht nur das seit dem Inkrafttreten des ICESCR existente Völkervertragsrecht, sondern stellen auch einen Indikator für paralleles Völkergewohnheitsrecht dar. Allerdings gilt dies wohl primär für das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, und nicht für das darüber hinausgehende weitere Recht auf eine angemessene Nahrung.

VI. Zwischenergebnis Zusammenfasssend ist festzuhalten, dass es sich, wenn auch nicht beim Recht auf Nahrung insgesamt,287 so doch jedenfalls beim Recht darauf, frei von Hunger zu sein, um Völkergewohnheitsrecht handelt. Der Wortlaut des ICESCR, der einen sehr hohen Ratifikationsgrad aufweist, schreibt dem Recht darauf, frei von Hunger zu sein, einen herausragenden Stellenwert zu. Auch jenseits der klassischen Menschenrechtsverträge wird diesem Recht große Bedeutung zugeschrieben: Im humanitären Völkerrecht ist das Aushungern der Zivilbevölkerung verboten, das Rom-Statut qualifiziert dies als Kriegsverbrechen. Die Integration des Rechts auf Nahrung in nationale Verfassungen zeigt, dass die Staatengemeinschaft jedenfalls das Existenzminimum stets sichern möchte. Für eine entsprechende Rechtsansicht der internationalen Gemeinschaft spricht die Verabschiedung diverser Instrumentarien des soft law, 287  Für den gewohnheitsrechtlichen Charakter des Rechts auf Nahrung in seiner Gesamtheit: Kerstin Mechlem, International Protection of the Right to Food, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IV, S. 143, 145, Rz. 13.



C. Anwendbarkeit des Rechts, frei von Hunger zu sein165

welche die Bedeutung des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, wiederholt bekräftigten. Das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, ist nicht nur für das Überleben und das menschenwürdige Leben zentral, sondern genießt auch die breite Unterstützung der Staatengemeinschaft.288

C. Anwendbarkeit des Rechts, frei von Hunger zu sein, auf die Bretton-Woods-Institutionen Fraglich ist, ob dieser Teil des Völkergewohnheitsrechts, das Recht darauf frei von Hunger zu sein, möglicherweise die Bretton-Woods-Institutionen nicht bindet, da es lediglich im Verhältnis von Staaten gegenüber Individuen angewandt werden könnte. Generell ist stets zu fragen, ob eine bestimmte völkerrechtliche Norm auch tatsächlich der Struktur nach internationale Organisationen binden soll oder ob diese sich ausschließlich an Staaten richtet, sowie ob das spezifische Recht der Organisation mit Menschenrechten nicht im Widerspruch steht oder die Organisation die Bindung durch anderweitige Verträge nicht ausgeschlossen hat.289 Bereits eingehend erläutert wurde, dass die Statuten der Bretton-Woods-Institutionen eine Bindung an das gewohnheitsrechtliche Recht darauf, frei von Hunger zu sein, nicht ausschließen.290 Solche Verträge der Institutionen, welche eine Bindung ausschließen würden, existieren nicht. Im Gegensatz zu bürgerlichen und politischen Rechten291 enthält das Recht auf Nahrung (wie zahlreiche andere wirtschaftliche und soziale Rechte) einen 288  So im Ergebnis auch Margot Salomon, Global Responsibility for Human Rights: World Poverty and the Development of International Law, 2007, S. 179; Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 501; Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 798; Donald E. Buckingham, A Recipe for Change: Towards an Integrated Approach to Food Under International Law, 6 Pace International Law Review 1994, S. 285, 293. 289  Henry G. Schermers/Niels M. Blokker, International Institutional Law, 5. Auflage 2011, § 1579; Anne Peters, Jenseits der Menschenrechte: Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, 2014, S. 425; Holger Hestermeyer, The WTO and Human Rights, 2007, S. 99 ff. 290  Teil 1, F. 291  Auch bürgerliche und politische Rechte können jedoch durchaus Anwendung auf internationale Organisationen finden; siehe z. B. für die Bindung des UN-Sicherheitsrats an rechtsstaatliche Grundsätze: Clemens A. Feinäugle, Hoheitsgewalt im Völkerrecht: Das 1267-Sanktionsregime der UN und seine rechtliche Fassung, 2011,

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

starken Fokus auf der internationalen Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung. Generell wohnt wirtschaftlichen und sozialen Rechten – gerade in einer immer globalisierteren Welt, in der lokale Armut oftmals auch auf von der anderen Seite des Globus herrührende Ursachen zurückgeführt werden kann – ein wesentlich stärkerer Bezug zur internationalen Ebene inne. Das Erfordernis internationaler Zusammenarbeit, um wirtschaftliche und soziale Rechte zur verwirklichen (welches auch vom ICESCR ausdrücklich betont wurde292), meint dabei nicht nur die unmittelbare Zusammenarbeit zwischen Einzelstaaten, sondern auch jene auf der Ebene zwischenstaatlicher Organisationen. Das CESCR hat sich in seinen Kommentaren und Berichten mehrfach direkt auch gerade an die internationalen Finanzinstitutionen gewandt und sie ermahnt, das Recht zu achten, im Bewusstsein der faktischen Notwendigkeit. In seinem Statement zur Globalisierung betonte das CESCR schon 1998: „The Committee calls upon the International Monetary Fund and the World Bank to pay enhanced attention in their activities to respect for economic, social and cultural rights, including through encouraging explicit recognition of these rights, assisting in the identification of country-specific benchmarks to facilitate their promotion, and facilitating the development of appropriate remedies for responding to violations. Social safety nets should be established by reference to these rights and enhanced attention should be accorded to such methods of protecting the poor and vulnerable in the context of structural adjustment programmes. Effective social monitoring should be an integral part of the enhanced financial surveillance and monitoring policies accompanying loans and credits for adjustment purposes.“293

Auch in seinem Allgemeinen Kommentar zum Recht auf Nahrung forderte das CESCR: „The international financial institutions, notably the International Monetary Fund (IMF) and the World Bank, should pay greater attention to the protection of the right to food in their lending policies and credit agreements and in international measures to deal with the debt crisis. Care should be taken, in line with the Committee’s General Comment No. 2, paragraph 9, in any structural adjustment programme to ensure that the right to food is protected.“294

S.  129 ff.; August Reinisch, Developing Human Rights and Humanitarian Law Accountability of the Security Council for the Imposition of Economic Sanctions, 95 American Journal of International Law 2001, S. 851, 861 ff. 292  Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 und 2, Art. 23 ICESCR. 293  UN-Dokument E/1999/22-E/C.12/1998/26 (11.5.1998), Kapitel VI. A., Statement by the Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Globalization and its Impact on the Enjoyment of Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 7. 294  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No. 12, Rz. 41.



C. Anwendbarkeit des Rechts, frei von Hunger zu sein167

Seit Jahrzehnten führen die Bretton-Woods-Institutionen Programme und Operationen durch, die einen immensen Einfluss auf die Lage der Ernährungssicherheit in den jeweiligen Staaten haben – eine Ausweitung der Pflichten dieser Organisationen auf das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, wäre jedenfalls ganz im Sinne einer funktionalen Rechtspersönlichkeit.295 Im Hinblick auf die zitierten Aufforderungen des CESCR sind keine ablehnenden Reaktionen der Weltbank oder des IWF bekannt. Diese haben sich hierzu nicht geäußert bzw. sich nicht konkret dagegen gewehrt, in solch einer Weise vom CESCR adressiert zu werden.296 Vielmehr hat ein IWFVertreter (Grant B. Taplin) an den Diskussionen im Vorfeld des Statements zur Globalisierung nicht nur teilgenommen, sondern dort auch verlauten lassen, dass „[…] dialogue and informal contacts were the best means of improving relations between the IMF and the bodies dealing with human rights.“297

Zudem haben die Weltbank und der IWF auch Besuche des UN-Sonderberichterstatters für die Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte in ihren Hauptquartieren zugelassen.298 Auf der anderen Seite stehen die bereits erläuterten Äußerungen299 desselben IWF-Vertreters im Folgejahr, dort im Zusammenhang mit den Staatenpflichten unter dem ICESCR der Salomonen. Diese könnten eventuell Anlass zu der Schlussfolgerung geben, dass es sich jedenfalls beim IWF um einen ‚persistent objector‘ handelt. Als persistent objector bezeichnet man ein Völkerrechtssubjekt, das sich im Entstehungsprozess einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm seiner Bindung an diese dadurch zu entziehen vermag, dass er ihr fortwährend widerspricht.300 295  Bezogen auf das Recht auf Nahrung: Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 88. 296  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 482. 297  UN-Dokument E/C.12/1998/SR.20 (24.9.1998), Rz. 41. 298  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 484. 299  Siehe unter Teil 1, F. IV. 4. b). 300  Olufemi Elias, Persistent Objector, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. VIII, S. 280, Rz. 1; Malcolm Shaw, International Law, 7. Auflage 2014, S. 64; James A. Green, The Persistent Objector Rule in International Law, 2016, S. 59 ff.

168

Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

Allerdings verneinte der IWF explizit lediglich eine vertragsrechtliche Bindung an den ICESCR, mangels Unterzeichnung durch den IWF. Zu einer Bindung an Völkergewohnheitsrecht hat Taplin sich nicht geäußert. Lediglich betonte er, dass es nicht die Funktion des IWF sei, Achtung für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sicherzustellen, er könnte allerdings die diesbezügliche Situation der Staaten beachten (‚pay attention‘).301 Mit dieser Formulierung umschrieb der IWF-Vertreter durchaus korrekt, dass die eigentliche Funktion bzw. das Mandat des IWF als internationale Organisation nicht in der Förderung der Menschenrechte liegt. Dies schließt jedoch eine Bindung an gewohnheitsrechtlich geltende wirtschaftliche und soziale Rechte nicht aus. Dies gilt auch für andere, ähnliche Äußerungen vonseiten des IWF. Auf eine Anfrage der damaligen UN-Menschenrechtskommission meinte der IWF-Repräsentant, „[…] that [the IMF] was established to promote international monetary cooperation, exchange stability and orderly exchange arrangements, to foster economic growth and high levels of employment, and to provide temporary financial assistance to countries under adequate safeguards to help ease balance of payments adjustments. In implementing this mandate, the focus is on macro issues and not on the right to food, or any other human right. However, the Fund is available to work with individual member Governments to establish a stable macroeconomic and financial framework conducive to the implementation of a Government’s approach to the right to food, other human rights, or other appropriate policy goals of the authorities.“302

Erneut wurde in zutreffender Weise das eigentliche Mandat, sowie der tatsächliche Fokus des IWF beschrieben, ohne eine Bindung an konkretes Völkergewohnheitsrecht auszuschließen.303 Weiterhin pflegt der IWF nicht nur Beziehungen zum CESCR, sondern auch zum Hochkommissariat für Menschenrechte, was ebenso gegen die Annahme eines persistent objector spricht.304 Hieraus ergibt sich, dass das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, durchaus auf die Bretton-Woods-Institutionen angewandt werden kann. Die Struktur des Rechts steht dem nicht entgegen. Ebensowenig vermochten es die Organisationen, die Anwendbarkeit des Rechts durch Verträge oder das Auftreten als persistent objector für sich auszuschließen.

301  UN-Dokument 302  UN-Dokument

fügt].

E/C.12/1999/SR.37 (21.3.2000), Rz. 37. E/CN.4/2000/48 (13.1.2000), Rz. 13 [Hervorhebungen hinzuge-

303  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 485. 304  Ibid., S.  485 f.



D. Bestandsaufnahme169

D. Bestandsaufnahme: Der Pflichtenkanon der Bretton-Woods-Institutionen Fraglich ist nunmehr, welche konkreten Verpflichtungen aus dem Recht darauf, frei von Hunger zu sein, für die Weltbank und den IWF erwachsen. Mitunter bedürfen völkergewohnheitsrechtliche Regeln einer gewissen Anpassung, um auf internationale Organisationen sinnvoll angewandt werden zu können305 – dies gilt gerade auch für Menschenrechte, die ihrem Ursprung nach auf staatliche Herrschaftsgewalt sowie auf die besondere Fürsorgepflicht eines Staates gegenüber den ihm unterworfenen Individuen ausgerichtet waren. Im Vergleich zu anderen internationalen Organisationen haben die BrettonWoods-Institutionen einen unmittelbareren und stärkeren Einfluss auf die inneren Angelegenheiten derjenigen Mitgliedsstaaten, denen sie Kredite zur Verfügung stellen.306 Wie der dritte Teil dieser Arbeit zeigen wird, können Operationen dieser Organisationen massive Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit der Menschen vor Ort haben. Im Hinblick auf die Frage, ob die Bretton-Woods-Institutionen an den klassischen Dreiklang von Pflichten (Achtungs-, Schutz- und Erfüllungspflicht) gebunden sind, wie es bei Staaten der Fall ist,307 ergeben sich mehrere Möglichkeiten. Zum einen könnte man die Verpflichtungen der Bretton-Woods-Institutionen, im Gegensatz zu den ausgeprägten Staatenpflichten, auf die Achtungspflicht beschränken.308 Die Achtungspflicht bestünde darin, dass die Organisationen das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, respektieren müssen und ihre Operationen Ernährungsicherheit nicht gefährden oder gar verringern dürfen, bzw. die Organisationen entsprechende Programme nicht unterstützen dürfen (vor allem in Fällen ohne angemessene Reparationen für die betroffene Bevölkerung).309 Es handelt sich also um eine negative Pflicht im Sinne 305  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 380 f. 306  Daniel D. Bradlow, International Law and the Operations of the International Financial Institutions, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 1, 28. 307  Siehe hierzu ausführlich unter Teil 2, A. III. 4. c). 308  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 193; später jedoch für eine umfassende Bindung, siehe dies., The Human Rights Obligations of the World Bank and the IMF, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 45, 57. 309  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 90.

170

Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

des ‚do no harm‘-Ansatzes,310 mithin um eine minimum obligation.311 Einige sprechen hierbei statt von einer Achtungspflicht von einer Wachsamkeitspflicht (‚duty of vigilance‘) der Bretton-Woods-Institutionen, diese dürften zudem nicht die Bemühungen ihrer Mitgliedsstaaten, den Menschenrechten gerecht zu werden, torpedieren.312 Ein konkreter Punkt, den eine solche Achtungspflicht beinhaltet, ist auch das Erfordernis, vor der Implementierung von Programmen die potentiellen Folgen ebendieser für verletzliche Gruppen zu eruieren und notwendige Sicherheitsnetze zu installieren, um Hunger und Unterernährung zu verhindern.313 Im Gegensatz dazu vertreten zum Beispiel Skogly und Ghazi die Ansicht, dass auch die Weltbank und der IWF als Völkerrechtssubjekte Achtungs-, Schutz- und Erfüllungspflichten treffen, ebenso wie einen Staat; wobei Ghazi sogar noch eine vierte Variante, die ‚obligation to promote/to uphold,‘ hinzufügen möchte.314 Auch Darrow sieht, obgleich er sich auf besagte ‚duty of vigilance‘ konzentriert, Tendenzen für Schutz- und Erfüllungspflichten inter310  Ibid., S. 89 f.; siehe auch Evarist Baimu/Aristeidis Panou, Responsibility of International Organizations and the World Bank Inspection Panel: Parallel Tracks Unlikely to Converge?, 3 The World Bank Legal Review: International Financial Institutions and Global Legal Governance, 2012, S. 147, 168. 311  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 382. 312  Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 501; Manisuli Ssenyonjo, The Applicability of International Human Rights Law to Non-State Actors: What Relevance to Economic, Social and Cultural Rights, 12 International Journal of Human Rights 2008, S. 725, 742; Pierre Klein, Les Institutions Financières Internationales et les Droits de la Personne, Revue Belge de Droit International 1992, S. 97, 111 ff.; Siobhán McInerney-Lankford, International Financial Institutions and Human Rights: Select Perspectives on Legal Obligations, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 239, 260; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 132; Daniel D. Bradlow, The World Bank, the IMF and Human Rights, 6 Transnational Law & Contemporary Problems 1996, S. 47, 63; Daniel D. Bradlow/ Claudio Grossman, Limited Mandates and Intertwined Problems: A New Challenge for the World Bank and the IMF, 17 Human Rights Quarterly 1995, S. 411, 428. 313  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 90. 314  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the IMF, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 45, 57; Skogly plädierte zwei Jahre zuvor noch lediglich für eine Schutzpflicht, siehe The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 193; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 125 ff.; siehe auch Andrew Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 2006, S. 151; Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to



D. Bestandsaufnahme171

nationaler Finanzinstitutionen.315 Die Schutzpflicht würde von den BrettonWoods-Institutionen verlangen, sicherzustellen, dass ihre Partner (ob Staaten oder Private) das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, nicht verletzen; ob in gemeinsamen Projekten, beim Abschluss von Verträgen oder der Vergabe von Konzessionen.316 Eine Erfüllungspflicht schließlich bezöge sich auf die aktive Ermöglichung bzw. Unterstützung der Realisierung des Rechts, in dem Sinne, dass Menschen ermöglicht wird, sich selbst zu ernähren, und Nothilfen mit Unterstützung der Organisation zur Verfügung gestellt werden; auch die Bereitstellung prozessualer Möglichkeiten kann darunter fallen.317 Für eine solch umfassende Verpflichtung spräche auch eine Resolution der UN-Generalversammlung zum Recht auf Nahrung aus dem Jahr 2005, welche alle internationalen Organisationen aufforderte, „within their respective mandates, to take fully into account the need to promote the effective realization of the right to food for all, including in the ongoing negotiations in different fields“ und alle relevanten internationalen Organisationen, insbesondere die Weltbank und den IWF, darum bat, „to promote policies and projects that have a positive impact on the right to food, to ensure that partners respect the right to food in the implementation of common projects, to support strategies of Member States aimed at the fulfilment of the right to food and to avoid any actions that could have a negative impact on the realization of the right to food“.318

Allerdings enthalten diese Aufforderungen auch gerade die Formulierung „within their respective mandates“. Diese lässt die Annahme einer Erfüllungspflicht fraglich erscheinen. Jedenfalls in den AoA des IWF deutet nichts darauf hin, dass dieser verpflichtet wäre, sich proaktiv für die Verwirklichung des Rechts drauf, frei von Hunger zu sein, einzusetzen. Dieser ist nach wie vor primär für die Unterstützung bei Zahlungsbilanzproblemen zuständig.319 Zwar erkennen auch die AoA des IWF in ihrem Art. IV Sektion 1(i) S. 1 mittlerweile ausdrücklich Wirtschaftswachstum als ein Kriterium für das Funktionieren des Weltwährungssystems an.320 Ein Einsetzen für Ernährungssicherheit ließe sich aber nur höchst indirekt unter diese Zielvorgabe subsumieren, im Sinne Food – Lessons Learned, 2011, S. 89 f.; Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 133. 315  Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 132 f. 316  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 90. 317  Ibid.; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 132 f. 318  UN-Dokument A/RES/60/165 (16.12.2005), Rz. 9, 16. 319  Siehe Teil 1, F. IV.

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Teil 2: Das Recht auf Nahrung als Teil des Völkergewohnheitsrechts

eines trickle down-Effekts. Dementsprechend lässt sich im Hinblick auf den IWF keine positive Pflicht herleiten, sich für entsprechende Aktivitäten zu engagieren oder spezielle Gelder bereitzustellen.321 Anders könnte dies im Fall der Weltbank sein. Deren Mandat konzentriert sich spätestens seit den 1970er Jahren auf die Verminderung von Armut.322 Der damalige General Counsel der Weltbank Ibrahim Shihata schrieb in einer Legal Opinion aus dem Jahr 1995: „In fact, the World Bank has promoted a broad array of economic, social and cultural human rights. At present, its proclaimed overriding objective is to enable its borrowing countries to enjoy freedom from poverty […].“323

Dies deutet darauf hin, dass der Weltbank auch eine gewisse Erfüllungspflicht bezüglich des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, zukommt. Vom Executive Board angenommene Legal Opinions gelten als amtliche Auslegungen der AoA.324 An welche Pflichten internationale Organisationen letztlich im Ergebnis gebunden sind, ist in der Praxis noch nicht abschließend geklärt. Aus der Perspektive des bestmöglichen Schutzes der Menschenrechte müsste man für eine umfassende Bindung an die gesamte Pflichtentrias plädieren. Bei einer funktionalen Betrachtungsweise erscheint es jedoch sinnvoll, den IWF von der Erfüllungspflicht auszunehmen. Zu beachten ist hierbei, dass in Bezug auf Operationen von internationalen Finanzinstitutionen auch die Achtungs- und Schutzpflicht bereits aktive Komponenten in dem Sinne beinhalten können, dass sie durch aktives Einwirken auf den unmittelbar handelnden Staat negative Auswirkungen von Maßnahmen verhindern müssen.325

320  IWF, Social Dimensions of the IMF’s Policy Dialogue, IMF Pamphlet Series No. 47, 1995, S. 5; Margaret Garritsen de Vries, The International Monetary Fund 1972  – 1978, Cooperation on Trial, Volume II: Narrative and Analysis, 1985, S. 754; François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 133. 321  So im Ergebnis auch François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 127. 322  Zur Entwicklung des Mandats der Weltbank, siehe unter Teil 1, F. IV. 323  Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank Legal Papers, 2000, S. 233 f. 324  Daniel D. Bradlow, International Law and the Operations of the International Financial Institutions, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 1, 13. 325  Zu den daraus resultierenden Einwirkungs- und Überwachungspflichten, siehe unter Teil 3.

Teil 3

Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen – Theorie und Praxis Nunmehr soll aufgezeigt werden, welche Rolle das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, in der konkreten Arbeit von Weltbank und IWF spielt. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Teilbereiche der grundsätzlichen Herangehensweise der Institutionen an das Recht auf Nahrung und Ernährungssicherheit, Strukturanpassungsprogramme, Zwangsumsiedlungen, Landwirtschaft und Fischerei, sowie den Umgang mit Hungerkrisen. Anhand prägnanter, jedenfalls in einem gewissen Maße zur Verallgemeinerung fähiger Beispiele soll dargelegt werden, welche möglicherweise negativen Auswirkungen die Operationen der Bretton-Woods-Institutionen auf die Ernährungssicherheit in den betroffenen Ländern haben können: „[D]evelopment cooperation activities do not automatically contribute to the promotion of respect for economic, social and cultural rights. Many activities under­ taken in the name of ‚development‘ have subsequently been recognized as ill-conceived and even counter-productive in human rights terms.“1

A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF an Menschenrechte und Ernährungssicherheit I. Strukturelle Hindernisse für die Integration von Menschenrechten – Mitgliedsstaaten und Mitarbeiter An anderer Stelle wurde bereits eingehend erläutert, inwiefern sich die Weltbank und der IWF auf (tatsächlich nicht vorhandene) rechtliche Beschränkungen berufen, wenn es um die Berücksichtigung von Menschenrechten geht.2 Neben diesen behaupteten rechtlichen Hindernissen sind auch strukturelle Hürden für eine Integration der Menschenrechte in die Arbeit der Organisationen zu beobachten. Diese Hürden wirken oftmals ver1  UN-Dokument E/1990/23 (2.2.1990), General Comment No. 2 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 7. 2  Siehe unter Teil 1, F.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

steckter und treten nicht unmittelbar offen zu Tage, gerade in Anbetracht dessen, dass sich insbesondere die Weltbank vordergründig mit Menschenrechten zu beschäftigen scheint: „The bank has for a long time played a double game where a lot of the publicity suggests that they are engaging intensively with human rights. You’ll find many references on their websites. They have conferences every year where there are lots of panels on human rights and so on […]. But the reality is the exact opposite. They can talk about these issues but when it comes to country programming and the advice and so on that they give – which is their core mission – they won’t touch human rights.“3

Derartige strukturelle Hindernisse, die bisher die Integration von Menschenrechten in die Arbeit der Bretton-Woods-Institutionen behindert haben, sind zum einen in der Haltung der Mitgliedsstaaten der Institutionen zu suchen, zum anderen in der Mentalität der eigenen Mitarbeiter. 1. Politischer Widerstand der Mitgliedsstaaten und des Board of Directors Schon innerhalb der Weltbank, die thematisch einen faktisch engeren Bezug zu Menschenrechten hat als der IWF, sind die strukturellen Hürden für eine bessere Menschenrechtsagenda auffällig. Von Anfang an war das Image der Weltbank als technisch und unpolitisch geprägt, um Klienten anzuziehen (die gerade keine Einmischung in ihre Souveränität wünschten und befürchteten, dass die Einhaltung der Menschenrechte zur Kondition für Kredite gemacht wird, während den Geberländern von der Bank solche Pflichten nicht auferlegt werden) und um die Geberländer zufriedenzustellen.4 Hinzu kommt, dass viele der Mitgliedsstaaten (drei Viertel im Jahr 2006) in den Boards of Directors beider Institutionen nicht repräsentiert sind, ebenso wenig im Senior Management; viele Staaten, gerade die, die am stärksten von den Entscheidungen der Institutionen betroffen werden, sind auch nicht durch einfaches Personal vertreten.5 Für diese Staaten ist es umso schwieriger, sich im Board of Director Gehör zu verschaffen.6 3  Philip Alston, zitiert nach Guardian Online, Senior UN official castigates World Bank over its approach to human rights, 22.10.2015, www.theguardian.com/globaldevelopment/2015/oct/22/world-bank-human-rights-un-special-rapporteur-philip-alston. 4  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 3, 6. 5  Ngaire Woods, The Globalizers: The IMF, the World Bank, and their Borrow­ers, 2006, S. 190. 6  Daniel D. Bradlow, International Law and the Operations of the International Financial Institutions, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 1, 27.



A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF175

Auch das Interesse der Mitgliedsstaaten an einer stärkeren Berücksichtigung von Menschenrechten variiert. Staaten wie China und Saudi-Arabien wehren sich insgesamt gegen eine explizite Menschenrechtsagenda, vor allem, da es sich bei bürgerlichen und politischen Rechten um westliche Werte handle; Indien und Brasilien äußerten Bedenken, dass eine Menschenrechts­ agenda die Transaktionskosten von Krediten aufgrund teurer und zeitraubender Richtlinien erhöhen würde.7 Letzteres ist insbesondere bemerkenswert, da es sich hierbei um Staaten handelt, die jedenfalls von einer stärkeren Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Rechte durchaus profitieren würden. Mehrere nordische Staaten brachten hingegen im Jahr 2005 ein Arbeitspapier (‚The World Bank and Human Rights‘) in Umlauf. Zudem schufen diese 2009 den Nordic Trust Fund (ursprünglich als Justice and Human Rights Trust Fund angedacht), um entsprechende Mitarbeiterinitiativen (wie Recherche, die Anfertigung von Fallstudien sowie Aufklärung und Training innerhalb der Bank) zu unterstützen.8 Dieser Fonds wurde dafür gelobt, eine Debatte angestoßen zu haben.9 Zu den bisherigen Projekten gehörte eine Initiative, die darauf abzielte, das Wissen um die Rechte indigener Völker zu stärken.10 2. Kultur und Mentalität innerhalb der Institutionen Während die Beschränkungen der AoA sowie der politische Widerstand der Mitgliedsstaaten und der Boards of Directors vielfach als Grund für die Zurückhaltung der Bretton-Woods-Institutionen in Bezug auf Menschenrechte genannt worden sind, wurde ein dritter wesentlicher Faktor lange vernachlässigt: die grundsätzliche Kultur und Mentalität innerhalb der Institutionen, bzw. die Entscheidungsmacht, welche die Angestellten und das Seniormanagement innehaben.11 Dies offenbarte sich bereits im Fall der Korruptionsbekämpfung, die sich unter der Präsidentschaft von James Wolfensohn innerhalb der Weltbank durchsetzte, ungeachtet des Widerstands vieler Mitgliedsstaaten.12 So gab Wolfensohn eigenen Angaben zufolge 7  Ibid.,

S. 55. S. 56, 125 f.; für die Schaffung eines solchen Fonds ist die Zustimmung des Boards of Directors nicht erforderlich. 9  UN-Dokument A/70/274 (4.8.2015), Report of the Special Rapporteur on Extreme Poverty and Human Rights, Rz. 22. 10  Weltbank, Nordic Trust Fund Progress Report 2016, 2017, S. 15 ff. 11  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 7; siehe auch Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S.  196 ff. 12  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 7. 8  Ibid.,

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

zuletzt 6 – 7 Millionen US$/Jahr für Antikorruptionsmaßnahmen aus, ohne dem Board of Executive Directors jemals eine entsprechende Policy präsentiert zu haben.13 Bei vorhandenem persönlichem Engagement der Mitarbeiter könnten die Bretton-Woods-Organisationen gerade aufgrund ihrer recht weitgehenden autonomen Kompetenzen also Initiativen anstoßen, welche Mitgliedsstaaten von sich aus vermutlich nicht vorschlagen oder unterstützen würden. Kritiker betonen hier gerade die Konzentration der Mitarbeiter auf technokratische, streng wirtschaftliche Aspekte ihrer Mitarbeit als Mitursache für die mangelnde Integration von Menschenrechten, für die nicht allein die Mitgliedsstaaten oder die leitenden Organe verantwortlich gemacht werden könnten. Menschenrechten werde in dieser Denkweise der intrinsische Wert abgesprochen: „Economics and human rights have trouble communicating, with the former speaking the language of wants and the latter the language of rights“.14

Die Situation sei geprägt von einem ‚clash of normative rationalities‘.15 Die Prinzipien des Neoliberalismus seien wohl vereinbar mit individuellen Freiheiten oder Eigentumsrechten, weniger hingegen mit solchen Menschenrechten, die auf einen sozialen Ausgleich abzielen.16 Dementsprechend erlangt die Mentalität innerhalb der Bretton-Woods-Institutionen sogar gerade dann eine besondere Bedeutung, sobald es um wirtschaftliche und soziale Menschenrechte geht. Als weitere Problemfelder sind ein ‚clash of expertise‘, Revierkämpfe zwischen verschiedenen Abteilungen, mangelnde Ressourcen und mangelnde externe Unterstützung für interne Kampagnen zu sehen.17 Die Weltbank beschäftigt über 10.000 Mitarbeiter, wobei allein die Gruppe der Ökonomen etwa 3.000 Mitarbeiter stellt.18 Die entsprechende Fachrichtung stellt einen Hauptidentifikationsfaktor für die Weltbankmitarbeiter dar; Ökonomen wird innerhalb der Weltbank der größte Status und Einfluss zugeschrieben, an deren Denkweise sich die Anderen anpassen müssen.19 Der Fokus der Ökonomen liegt dabei nach wie vor auf den Abschlüssen und der Abwicklung 13  Ibid.,

S. 54. S. 13, 10. 15  Ibid., S. 8. 16  Ibid., S. 47. 17  Ibid., S.  91 ff.; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 203. 18  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 91 f. 19  Ibid., S. 92, 96 ff. 14  Ibid.,



A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF177

von Krediten.20 Beim IWF ist der Anteil der Ökonomen noch größer, etwa die Hälfte der ca. 2.700 Mitarbeiter.21 Juristen kommt eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Die Rechtsabteilung der Weltbank besteht vor allem aus Transaktionsspezialisten.22 Im Gegensatz zu Ökonomen werden sie auch nicht ermutigt, wissenschaftliche Artikel zu veröffentlichen, sie sollen vor allem praktisch arbeiten.23 All dies trug dazu bei, dass Menschenrechte innerhalb der Weltbank ein regelrechtes Tabu darstellen, auch und gerade innerhalb der Rechtsabteilung.24

II. Generelle Beschäftigung mit dem Konzept der Ernährungssicherheit Während weder die Weltbank noch der IWF sich in irgendeiner Weise mit dem Recht auf Nahrung, bzw. darauf, frei von Hunger zu sein, beschäftigen, so schenkt die Weltbank jedenfalls der Ernährungssicherheit (‚food security‘)25 eine gewisse zielgerichtete Beachtung.26 Ernährungssicherheit definierte die Bank als „access by all people at all times to enough food for an active, healthy life“. Die wesentlichen Elemente seien dabei die Verfügbarkeit von Nahrung sowie die Fähigkeit, diese zu beschaffen.27 1981 veröffentlichte die Weltbank einen Bericht, der sich speziell der Unterernährung widmete (wenngleich jeder Bezug auf Menschenrechte unterlassen wurde): „In developing societies, malnutrion plays a part in substantial numbers of death, and inadequate diet and related illness interfere with the learning ability, capacity to work, behaviour, and well-being of large segments of the populations. The nutritional state of the populace both influences and reflects the level and pace of national development. Adequate nutrition therefore must be viewed not only as an objective but also as a means of economic development. […] 20  Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 196 f. 21  www.imf.org/en/About/Factsheets/IMF-at-a-Glance (Stand: März 2020). 22  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 100 f. 23  Ibid., S. 101. 24  Ibid., S. 108  ff.; UN-Dokument A/70/274 (4.8.2015), Report of the Special Rapporteur on Extreme Poverty and Human Rights, Rz. 39. 25  Zu diesem Konzept, siehe Einleitung, B. 26  Siehe hierzu www.worldbank.org/en/topic/foodsecurity. 27  Weltbank, Poverty and Hunger Issues and Options for Food Security in Developing Countries, World Bank Policy Study, 1986, http://www-wds.worldbank.org/ex ternal/default/WDSContentServer/WDSP/IB/1999/09/17/000178830_98101901455676/ Rendered/PDF/multi_page.pdf, S. 1.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Almost all political and development policies and activities have an effect on nu­ trition. It is because development efforts are largely ineffective with respect to nutrition, however, that something special in this regard appears to be needed.“28

Im Vergleich dazu hat der IWF sich klar gegen eine gezielte Berücksichtigung des Rechts auf Nahrung positioniert. Zu einer Anfrage der Menschenrechtskommission nahm der IWF wie folgt Stellung: „The International Monetary Fund […] stated that it was established to promote international monetary cooperation, exchange stability and orderly exchange ar­ rangements, to foster economic growth and high levels of employment, and to provide temporary financial assistance to countries under adequate safeguards to help ease balance of payments adjustments. In implementing this mandate, the focus is on macro issues and not on the right to food, or any other human right. However, the Fund is available to work with individual member Governments to establish a stable macroeconomic and financial framework conducive to the implementation of a Government’s approach to the right to food, other human rights, or other appropriate policy goals of the authorities.“29

Diese ausgewählten Äußerungen stehen für die grundsätzliche Einstellung der beiden Instititutionen. Während die Weltbank die Hungerbekämpfung noch als Teil ihrer Entwicklungsarbeit ansieht, betont der IWF, dass diese höchstens eine positive Folge einer generellen Wirtschafts- und Finanzförderung sein kann, forciert wird sie nicht.

III. Die Safeguard Policies der Weltbank Im Laufe der Zeit führte die Weltbank interne Richtlinien ein (sogenannte Safeguard Policies), die negative soziale oder ökologische Auswirkungen von Projekten verhindern sollen. Den Anfang machten in den 1980er Jahren jene, die darauf abzielten, die lokale Bevölkerung, im Sinne von Umgesiedelten sowie indigenen Völkern, besser vor negativen Folgen von Infrastrukturprojekten zu schützen.30 Im Laufe der Zeit entstanden zehn Safeguard Policies zu folgenden Themenkomplexen: Environmental Assessment, Natural Habitats, Forests, Pest Management, Physical Cultural Resources, Invol­ untary Resettlement, Indigenous Peoples, Safety of Dams, International Waterways sowie Disputed Areas.31 Diese Safeguard Policies waren Teil des 28  Weltbank/Alan Berg, Malnourished People: A Policy View, 1981, http://documents.worldbank.org/curated/en/503091468780872322/pdf/multi0page.pdf, S. 1, 3. 29  UN-Dokument E/CN.4/2000/48 (13.1.2000), Rz. 13 [Hervorhebung hinzugefügt]. 30  Anthony Hall, Social Policies at the World Bank: Paradigms and Challenges, 7 Global Social Policy 2007, S. 151, 160. 31  http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/PROJECTS/EXTPOLICIES/ EXTSAFEPOL/0,,menuPK:584441~pagePK:64168427~piPK:64168435~theSitePK: 584435,00.html.



A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF179

Operational Manual der Bank.32 2018 wurden sie durch das Environmental and Social Framework ersetzt.33 1. Menschenrechtliche Bezüge in den Safeguard Policies Trotz jahrelanger Bemühungen diverser Akteure, die Menschenrechte in die Arbeit der Bank zu integrieren, zeigt sich gerade anhand der Safeguard Policies, dasss dieses Streben nur bedingt erfolgreich war. Eine spezielle Safeguard Policy für Menschenrechte existiert bis heute nicht. Das 495-seitige Operational Manual der Weltbank erwähnte den Begriff ‚human rights‘ein einziges Mal – in der Einleitung der Operational Policy bezüglich indigener Völker, in der es feststellte, dass diese Policy sicherstellen soll, dass der Entwicklungsprozess unter anderem die Menschenrechte der indigenen Völker achtet.34 Der Begriff ‚right to food‘ wurde gar nicht verwendet. Auf ‚nutrition‘ bezog sich das Handbuch einmal im Zusammenhang mit den Richtlinien zu Zwangsumsiedlungen.35 Während die Safeguard Policy 4.01 zu ‚Environmental Assessment‘ umfassende Umweltverträglichkeitsprüfungen vorsah und festschrieb, dass die Bank keine Projekte finanzieren soll, bei denen der betroffene Staat seine Verpflichtungen aus dem Umweltvölkerrecht verletzt,36 fehlen entsprechende Vorgaben zu Menschenrechten, und sei es auch nur zu stark entwicklungsbezogenen wie dem Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, völlig. Der Umweltschutz scheint in der Weltbank eine höhere Priorität zu genießen als der Schutz von Menschenrechten. Zu beachten ist weiterhin, dass den Weltbankmitarbeitern bei der Anwendung der Safeguard Policies ein Ermessen zusteht, sie können sie mit anderen Zielen abwägen.37 Die Safeguard Policies waren per se nicht rechtsverbindlich, sondern lediglich, soweit sie in die entsprechenden Loan Agree32  Bradlow spricht in diesem Zusammenhang von „soft ‚lex specialis‘ “, Daniel D. Bradlow, International Law and the Operations of the International Financial Institutions, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 1, 26. 33  Siehe unter Teil 3, A. III. 4. 34  Weltbank, Operational Manual, Juli 2015, http://siteresources.world bank.org/ EXTOPMANUAL/Resources/EntireOM_ExternalUpdatedJuly1-2015.pdf, OP 4.10 (Indigenous Peoples), Rz. 1. 35  Siehe unter Teil 3, A. III. 3. 36  Siehe hierzu Koen de Feyter, Self-Regulation, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 79, 99 f. 37  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 85.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

ments aufgenommen wurden; gleiches gilt für das neue Environmental and Social Framework.38 So hängt der tatsächliche Einfluss dieser Policies zwangsläufig nicht nur vom konkreten Fall, sondern auch von den jeweiligen Projektverantwortlichen ab. Bemängelt wird vonseiten der Weltbankmitarbeiter zudem der Konflikt zwischen verschiedenen Zielsetzungen wie der schnellen Umsetzung eines Projekts und der Teilhabe der Bevölkerung an der Entscheidung.39 In einer Bank, deren Mitarbeiter vor allem an der Anzahl und am Volumen der vergebenen und bearbeiteten Kredite gemessen werden, sind diese entsprechend zurückhaltend, wenn es um die Anwendung von Richtlinien geht, die solche Ziele in ihren Augen behindern.40 Diese Schwäche hat auch die Weltbank selbst erkannt: Laut eines Berichts des Operations Evaluation Departments der Weltbank aus dem Jahr 2003 wurde die Operational Directive 4.20 bezüglich der Rechte indigener Völker nur sehr unzureichend angewandt, in lediglich 55 von 89 Projekten zwischen 1992 und 2001, die das Potential hatten, die Rechte indigener Völker zu tangieren. Von diesen 55 Fällen wurde die Einbeziehung der Operational Directive wiederum nur in 32 Fällen als mindestens befriedigend bewertet.41 2. Die bisherige Safeguard Policy zu Rechten von indigenen Völkern Indigene Völker gehören zu den in Bezug auf das Recht auf Nahrung besonders verletzlichen Personengruppen: Seit jeher leiden sie unter Ausgrenzung, Ausbeutung und Diskriminierung, was auch ihren Zugang zu Nahung erschwert.42 Oftmals ist der Anteil der Mangelernährten unter indigen Völkern wesentlich höher als jener in der restlichen Bevölkerung, trotzdem profitieren sie oft nicht von Programmen, die den Hunger bekämpfen oder Entwicklung vorantreiben sollen.43 Für viele indigene Gemeinschaften, 38  Philipp Dann/Michael Riegner, The World Bank’s Environmental and Social Safeguards and the Evolution of Global Order, 32/3 Leiden Journal of International Law 2019, S. 537, 552. 39  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 85. 40  Ibid., S.  86 f. 41  Weltbank/Operations Evaluation Department, Report No. 25332, Implementation of Operational Directive 4.20 on Indigenous Peoples: An Independent Desk Review, 10.1.2003, https://ieg.worldbankgroup.org/Data/reports/ip_evaluation.pdf, Rz. 3.4 und 3.12. 42  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 50 f. 43  UN-Dokument A/60/350 (12.9.2005), Interim Report of the Special Rapporteur of the Commission on Human Rights on the Right to Food, Jean Ziegler, Rz. 18.



A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF181

gerade in abgelegenen Gebieten, ist die Möglichkeit zu jagen, zu fischen und zu sammeln (bzw. die Anerkennung entsprechender Rechte) essenziell für die Verwirklichung ihres Rechts auf Nahrung, da sie keinen physischen oder wirtschaftlichen Zugang zum regulären Lebensmittelmarkt haben.44 Die Safeguard Policy der Weltbank zu indigenen Völkern45 erkannte wirtschaftsbezogene Rechte wie solche auf Landrechte und die kommerzielle Entwicklung von Kulturressourcen grundsätzlich an; souveränitätsbezogene Rechte wie das Recht der indigenen Völker auf Selbstbestimmung wurden nicht behandelt.46 Weiterhin fehlten Bezüge zu entsprechenden völkerrechtlichen Verträgen, wie z. B. zur International Labour Organization (ILO) Convention No. 169 über die Rechte von indigenen Völkern.47 Als die Safeguard Policy zwischen 1998 und 2005 überarbeitet wurde, musste ein prominenter Unterstützer der Rechte indigener Völker das Überarbeitungskomitee verlassen, weil er eine Debatte über Menschenrechte und Verweise auf internationale Verträge forderte.48 Am Ende fehlten nicht nur derartige Verweise, sondern es wurde beispielsweise auch statt des im Bereich des Schutzes indigener Völker international bereits anerkannten Standards des ‚free, prior, and informed consent‘49 die wesentlich unbestimmtere Formulierung ‚free, prior, and informed consultation‘ gewählt.50 44  Ibid.,

Rz. 21, 23. Operational Manual, Juli 2015, http://siteresources.worldbank.org/ EXTOPMANUAL/Resources/EntireOM_ExternalUpdatedJuly1-2015.pdf, OP 4.10 (In­di­genous Peoples). 46  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 84. 47  27.6.1989, 28 ILM 1382; hierzu auch umfassend Camilo Pérez Bustillo, Towards International Poverty Law?: The World Bank, Human Rights, and Indigenous Peoples in Latin America, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 157. 48  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 84. 49  Declaration on the Rights of Indigenous Peoples, UN-Dokument A/RES/61/295 (13.9.2007), Arts. 10, 11 (2), 19, 28 (1), 29 (2), 32 (2); siehe Arts. 6  – 7, 15 der ILO Convention No. 169 concerning Indigenous and Tribal Peoples in Independent Countries (1989), die allerdings noch nur von einer Beratungspflicht spricht; Saramaka People v. Suriname (Urteil), Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte, Series C No 172, 28.11.2007, Rz. 127 – 129; Ángela Poma Poma v. Peru, UN HRC Communication No. 1457/2006, 27.3.2009, UN-Dokument CCPR/C/95/D/1457/2006, Rz. 7.6; Centre for Minority Rights Development (Kenya) and Minority Rights Group International on Behalf of Endorois Welfare Council v. Kenya, Afrikanische Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker, 4.2.2010, 276/2003, Rz. 226, 291; siehe auch Elisa Freiburg, Land Grabbing as a Threat to the Right to SelfDetermination – How Permanent Sovereignty over Natural Resources Limits States’ Involvement in Large-Scale Transfers of Land, 18 Max Planck Yearbook of United 45  Weltbank,

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

3. Die bisherige Safeguard Policy zu Zwangsumsiedlungen Das zweite menschenrechtsbezogene Themengebiet, zu dem die Weltbank eine Safeguard Policy erlassen hat, ist jenes der Zwangsumsiedlungen (‚invol­untary resettlements‘). Die Safeguard Policy verpflichtete den Kreditnehmerstaat, einen Umsiedlungsplan oder politische Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Auswirkungen von Zwangsumsiedlungen (wenn sie denn nicht vermieden werden können) abzumildern. Darin sollten unter anderem Regelungen enthalten sein, wie die Betroffenen über ihre Möglichkeiten und Rechte informiert, während und nach der Umsiedlung unterstützt sowie prompt und effektiv entschädigt werden.51 Besondere Beachtung sollte den verletzlichsten Gruppen geschenkt werden, vor allem den Armen, Landlosen, Älteren, Frauen, Kinden, indigenen Völkern, ethnischen Minderheiten oder anderen Menschen, die durch nationale Entschädigungsgesetze nicht hinreichend geschützt sein könnten. Indigene Völker sollten nur umgesiedelt werden, wenn dies nicht vermeidbar ist und alle anderen Möglichkeiten hinreichend in Betracht gezogen wurden.52 Die Verantwortung dafür, einen diesen Anforderungen entsprechenden Plan aufzustellen, sollte der Kreditnehmerstaat tragen, eine ordnungsgemäße Umsiedlung wäre ein Schlüsselfaktor für die Involvierung der Bank in ein Projekt.53 Im Hinblick auf Entschädigungszahlungen ging die Safeguard Policy davon aus, dass Geldzahlungen alleine grundsätzlich nicht ausreichen, sondern dass sicherzustellen wäre, dass der Lebensstandard der betroffenen Bevölkerung erhalten bleibt.54 Diese Safeguard Policy wies einige wenige Bezüge zur Ernährungssicherheit auf. Der Terminus ‚right to food‘ wurde dabei nicht verwendet, ‚malnutrion‘ schon: Ein Umsiedlungsplan sollte dem Annex zur Operational Policy Nations Law 2014, S. 507, 528 f. (plädierend für eine generelle Übertragung des Konzepts auf jegliche von Land Grabbing betroffene Bevölkerung). 50  Weltbank, Operational Manual, Juli 2015, http://siteresources.world bank.org/ EXTOPMANUAL/Resources/EntireOM_ExternalUpdatedJuly1-2015.pdf, OP 4.10 (Indigenous Peoples), Rz. 1; Fergus MacKay, Indigenous Peoples and International Financial Institutions, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 287, 315; Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 84. 51  Weltbank, Operational Manual, Juli 2015, http://siteresources.world bank.org/ EXTOPMANUAL/Resources/EntireOM_ExternalUpdatedJuly1-2015.pdf, OP 4.12 (Involuntary Resettlement), Rz. 6. 52  Ibid., Rz.  8 f. 53  Ibid., Rz. 18. 54  Ibid., Rz.  10 f.



A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF183

zufolge im Rahmen der Folgenabschätzung auch auf das Wohnungswesen, die Infrastruktur und soziale Dienste Rücksicht nehmen. Eine Fußnote wies darauf hin, dass die Bereitstellung von Gesundheitsfürsorge (vor allem für Schwangere, Kinder und Senioren) während und nach der Umsiedlung wichtig werden kann, um eine Steigerung der Morbidität sowie der Mortalität unter anderem aufgrund von Unterernährung zu verhindern.55 4. Das neue Environmental and Social Framework (ESF) seit 2018 2012 startete die Weltbank einen Reformprozess, um die Safeguard Policies zu überarbeiten, und ein neues Environmental and Social Framework (ESF) zu schaffen.56 Im Juli 2014 lag der öffentliche Entwurf vor, zu dem Ende 2014 28 Inhaber von Sondermandaten des UN-Menschenrechtsrates (darunter der Special Rapporteur on Extreme Poverty and Human Rights sowie der Special Rapporteur on the Right to Food) dem Weltbankpräsidenten eine Analyse vorlegten: „[B]y contemporary standards, the document seems to go out of its way to avoid any meaningful references to human rights and international human rights law, except for passing references in the Vision statement and Environmental and Social Standard (ESS) 7.“57

Auch der zweite Entwurf aus dem Jahr 201558 stieß auf Kritik, Oxfam bezeichnete ihn sogar als einen Rückschritt.59 Im August 2016 wurde das

55  Ibid.,

Annex A, Rz. 6, 13. grundsätzlich Jochen von Bernstorff/Philipp Dann, Reforming the World Bank’s Safeguards: A comparative legal analysis, Studie im Auftrag der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Juli 2013, http://star-www.giz.de/fetch/ 9X00oi04g001FQ9K09/giz2013-0512en-reforming-worldbank-safeguards.pdf; ­Phi­lipp Dann/Michael Riegner, The World Bank’s Environmental and Social Safeguards and the Evolution of Global Order, 32/3 Leiden Journal of International Law 2019, S. 537, 547 ff. 57  Brief von 28 Mandatsinhabern des UN-Menschenrechtsrates an den Präsidenten der Weltbank, 12.12.2014, www.ohchr.org/Documents/Issues/EPoverty/WorldBank.pdf, S. 2. 58  Weltbank, Second Draft for Consultation, 1.7.2015, Environmental and Social Framework Setting Environmental and Social Standards for Investment Project ­Financing, www.bankinformationcenter.org/wp-content/uploads/2015/07/Second-DraftWorld-Bank-Environmental-and-Social-Framework.pdf. 59  UN-Dokument A/70/274 (4.8.2015), Report of the Special Rapporteur on Ex­treme Poverty and Human Rights, Rz. 33; Oxfam, Dangerous Rollback by World Bank in Environmental and Social Protections, 5.8.2015, www.oxfam.org/en/press room/pressreleases/2015-08-05/dangerous-rollback-world-bank-environmental-andsocial. 56  Siehe

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

ESF schließlich vom Board of Executive Directors verabschiedet, trat jedoch erst im Oktober 2018 in Kraft.60 Zu beachten ist, dass das neue ESF (wie auch schon die bisherigen Safeguard Policies) nur auf Projektfinanzierungen Anwendung findet; Budgetund ergebnisorientierte Finanzierungen (welche zuletzt 26 – 39 % des Finanzierungsvolumens der Bank ausmachten) werden nicht erfasst.61 Erstmals ist ein sogenanntes Vision Statement enthalten, in dem sich die Weltbank zur UDHR bekennt: „Equally, social development and inclusion are critical for all of the World Bank’s development interventions and for achieving sustainable development. For the Bank, inclusion means empowering all people to participate in, and benefit from, the development process. Inclusion encompasses policies to promote equality and nondiscrimination by improving the access of all people, including the poor and disadvantaged, to services and benefits such as education, health, social protection, infrastructure, affordable energy, employment, financial services and productive assets. […] In this regard, the World Bank’s activities support the realization of human rights expressed in the Universal Declaration of Human Rights. Through the projects it finances, and in a manner consistent with its Articles of Agreement, the World Bank seeks to avoid adverse impacts and will continue to support its member countries as they strive to progressively achieve their human rights commitments.“62

Dieser Verweis ist nicht nur deswegen von großer Bedeutung, weil er explizit auf konkrete menschenrechtliche Standards sowie eine Achtungspflicht der Weltbank („seeks to avoid adverse impacts“) verweist, sondern damit sogar bürgerliche und politische Rechte inkludiert, was Bankvertreter früher als mandatsfremd betrachteten.63 Nach dem Vision Statement folgen eine zentrale Environmental and Social Policy for Investment Project Financing sowie zehn Environmental and Social Standards. 60  Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents. worldbank.org/curated/en/383011492423734099/pdf/114278-WP-REVI SED-PUBLICEnvironmental-and-Social-Framework.pdf; http://pubdocs.worldbank.org/en/7483914 70327541124/SafeguardsFactSheetenglishAug42016.pdf. 61  GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 8, 11. 62  Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents. worldbank.org/curated/en/383011492423734099/pdf/114278-WP-REVISED-PUBLICEnvironmental-and-Social-Framework.pdf, S. 1 f. [Hervorhebung hinzugefügt]; GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 16. 63  Philipp Dann/Michael Riegner, The World Bank’s Environmental and Social Safeguards and the Evolution of Global Order, 32/3 Leiden Journal of International Law 2019, S. 537, 555; siehe auch Teil 1, F. IV. 3.



A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF185

Im Rahmen der Environmental and Social Policy, welche eine Folgenabschätzung der Bank für entsprechende Projekte vorsieht, wird unter anderem der Begriff der ‚food security‘ genannt: „The environmental and social risks and impacts which the Bank will take into account in its due diligence are project-related and include the following: (a) Environmental risks and impacts […] (b) Social risks and impacts, including: (i) threats to human security through the escalation of personal, communal or inter-state conflict, crime or violence; (ii) risks that project impacts fall disproportionately on individuals or groups who, because of their particular circumstances, may be disadvantaged or vulnerable; (iii) any prejudice or discrimination toward individuals or groups in providing access to development resources and project benefits, particularly in the case of those who may be disadvantaged or vulnerable; (iv) negative economic and social impacts relating to the involuntary taking of land or restrictions on land use; (v) risks or impacts associated with land and natural resource tenure and use, including (as relevant) potential project impacts on local land use patterns and tenurial arrangements, land access and availability, food security and land values, and any corresponding risks related to conflict or contestation over land and natural resources; (vi) impacts on the health, safety and well-being of workers and project-affected communities; and (vii) risks to cultural heritage.“64

Im Anschluss legt die Policy dar, dass jedes weltbankunterstützte Projekt wiederum mit zehn einzelnen Standards (‚Environmental and Social Standards‘) im Einklang stehen muss. Dabei handelt es sich um Standards für die Bereiche: (1) Assessment and Management of Environmental and Social Risks and Impacts, (2) Labor and Working Conditions, (3) Resource Effi­ ciency and Pollution Prevention and Management, (4) Community Health and Safety, (5) Land Acquisition, Restrictions on Land Use and Involuntary Resettlement, (6) Biodiversity Conservation and Sustainable Management of Living Natural Resources, (7) Indigenous Peoples/Sub-Saharan African Historically Underserved Traditional Local Communities, (8) Cultural Heritage, (9) Financial Intermediaries sowie (10) Stakeholder Engagement and Information Disclosure.65 Der fünfte Standard tritt dabei an die Stelle der früheren Safeguard Policy zu Zwangsumsiedlungen, definiert deren Vorgaben jedoch klarer.66 Zudem sind nunmehr auch faktische Beeinträchtigungen des Landzugangs erfasst; 64  Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents.worldbank.org/curated/en/383011492423734099/pdf/114278-WP-REVISED-PUBLICEnvironmental-and-Social-Framework.pdf, S. 10 f. [Hervorhebung hinzugefügt und Fußnote entfernt]. 65  Ibid., S. 11. 66  GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 20.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

die Perspektiven von Frauen sollen im Konsultationsprozess besonders berücksichtigt werden.67 Als weiterer normativer Fortschritt ist es zu bewerten, dass ein Verbot von Zwangsräumungen, die nicht allen Vorgaben nationalen Rechts und des fünften Standards entsprechen, nunmehr ausdrücklich enthalten ist.68 Weitere wichtige Fortschritte des ESF im Vergleich zu den bisherigen Policies finden sich im Bereich der Rechte indigener Völker. Der siebte Standard des ESF wurde bereits dem Titel nach (‚Indigenous Peoples/Sub-Saharan African Historically Underserved Traditional Local Communities‘) auf solche lokalen Gemeinschaften Subsahara-Afrikas ausgeweitet, die ähnlich verletzlich sind, aber dem Begriff des indigenen Volkes nicht unterfallen. Dies ist der Initiative afrikanischer Staaten geschuldet.69 Während bisher kritisiert worden war, dass die Weltbank statt des Standards des ‚free, prior, and informed consent‘ die wesentlich unbestimmtere Formulierung ‚free, prior, and informed consultation‘ gewählt hatte,70 so hat sich dies geändert. Im siebten Standard des ESF findet sich nunmehr der Abschnitt: ‚Circumstances Requiring Free, Prior and Informed Consent (FPIC)‘. Den Begriff definiert die Bank zum Zwecke dieses Standards folgendermaßen: „(a) The scope of FPIC applies to project design, implementation arrangements and expected outcomes related to risks and impacts on the affected Indigenous Peoples/Sub-Saharan African Historically Underserved Traditional Local Communities; (b)  FPIC builds on and expands the process of meaningful consultation described in ESS10 and paragraph 23 above, and will be established through good faith negotiation between the Borrower and affected Indigenous Peoples/Sub-Saharan African Historically Underserved Traditional Local Communities; (c) The Borrower will document: (i) the mutually accepted process to carry out good faith negotiations that has been agreed by the Borrower and Indigenous Peoples/Sub-Saharan African Historically Underserved Traditional Local Communities; and (ii) the outcome of the good faith negotiations between the Borrower and Indigenous Peoples/Sub-Saharan African Historically Underserved Traditional Local Communities, including all agreements reached as well as dissenting views; and

67  Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents. worldbank.org/curated/en/383011492423734099/pdf/114278-WP-REVISED-PUBLICEnvironmental-and-Social-Framework.pdf, S. 54 ff., Rz. 4, 18. 68  Ibid., S. 59, Rz. 31; GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 20. 69  GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 21. 70  Siehe unter Teil 3, A. III. 2.



A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF187 (d)  FPIC does not require unanimity and may be achieved even when individuals or groups within or among affected Indigenous Peoples/Sub-Saharan African Historically Underserved Traditional Local Communities explicitly disagree. For the purposes of this ESS, consent refers to the collective support of affected Indigenous Peoples communities/Sub-Saharan African Historically Underserved Traditional Local Communities for the project activities that affect them, reached through a culturally appropriate process. It may exist even if some individuals or groups object to such project activities, as recognized by paragraph 25 (d).“71

Dass nach lit. d) keine Einstimmigkeit innerhalb oder unter den betroffenen Gemeinschaften erforderlich sein soll, kann allerdings in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen, nicht nur in Bezug auf den Umgang mit indigenen Herrschaftsstrukturen,72 sondern auch im Hinblick darauf, wie lange noch von einer einzelnen, nicht relevanten Abweichung gesprochen werden kann. Auf grundsätzlicherer Ebene ist es zudem problematisch, dass das neue ESF zwar an einigen Stellen konkretere Definitionen aufweist als zuvor, andernorts jedoch unbestimmte Rechtsbegriffe einführt. Dies soll zu mehr Flexibilität führen, birgt jedoch auch die Gefahr, Rechte Betroffener zu schwächen: Während die bisherigen Safeguards z. B. noch konkrete Fristen für die Vorlage von Umsiedlungsplänen vorsahen, ist nunmehr nur noch davon die Rede, dass dies ‚so früh wie möglich‘ geschehen solle.73 Zudem erschweren die Ermessensspielräume auch die spätere Nachweisbarkeit eines Fehlverhaltens durch die Betroffenen im Rahmen des Inspection Panels der Weltbank.74

71  Weltbank, Environmental and Social Framework: Setting Environmental and Social Standards for Investment Project Financing, 4.8.2016, http://consultations. worldbank.org/Data/hub/files/consultation-template/review-and-update-world-banksafeguardpolicies/en/materials/the_esf_clean_final_for_public_disclosure_post_board_ august_4.pdf, S.  113 f. 72  GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 22. 73  Ibid., S. 11; Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http:// documents.worldbank.org/curated/en/383011492423734099/pdf/114278-WPREVISED-PUBLIC-Environmental-and-Social-Framework.pdf, S. 57. 74  Deutsches Institut für Menschenrechte, Neue Umwelt- und Sozialstandards bei Weltbank und AIIB, Position Nr. 4, Oktober 2016, S. 1. Beim Inspection Panel handelt es sich um den bankeigenen Beschwerdemechanismus, siehe hierzu ausführlich unter Teil 4, F. II. 1.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

5. Rollenverteilung zwischen der Weltbank und dem Kreditnehmerstaat Projektfinanzierungen der Weltbank zeichnen sich auch nach dem neuen ESF bzw. nach den entsprechend abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen dadurch aus, dass die Weltbank verpflichtet ist, den Kreditbetrag auszuzahlen, während der Kreditnehmerstaat mit der Projektumsetzung betraut ist. Anders als dies z. B. beim UNDP möglich ist, implementiert die Weltbank Projekte nicht selbst.75 Sie leistet allerdings nicht nur Unterstützung, sondern prüft auch selbst die entsprechenden Risiken; somit kommt der Bank für die Umsetzung der Schutzstandards durch den Kreditnehmerstaat eine Art von Garantenstellung zu.76 Während die bisherigen Safeguard Policies noch davon sprachen, dass die Weltbank sicherstellen (‚ensures‘) würde, dass das Nehmerland die Erfordernisse der Safeguards einhält, wählt das ESF eine andere Wortwahl: Die Bank verpflichte den Nehmer zur Einhaltung (‚requires the borrower to‘).77 Dabei handelt es sich aber auch nach dem ESF nach wie vor um eine eigenständige Verpflichtung der Bank, den Kreditnehmer zur Standarderfüllung anzu­halten:78 „The Bank will require the Borrower to implement the measures and actions identified in the ESCP [‘Environmental and Social Commitment Plan’] diligently, in accordance with the timeframes specified in the ESCP, and to review the status of implementation of the ESCP as part of its monitoring and reporting. The draft ESCP will be disclosed as early as possible, and before project appraisal.“79

IV. Bewertung Bereits bei der Untersuchung der grundsätzlichen Herangehensweise der Bretton-Woods-Institutionen zeigt sich, dass strukturelle Hindernisse bestehen, sich mit Menschenrechten hinreichend zu beschäftigen. Insgesamt ist zu 75  GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 12. 76  Ibid. 77  Ibid., S. 13; siehe Weltbank, Operational Manual, Juli 2015, http://siteresources. worldbank.org/EXTOPMANUAL/Resources/EntireOM_ExternalUpdatedJuly1-2015. pdf, OP 4.01 (Environmental Assessment), Rz. 1, BP 4.01, Rz. 15, 21 ff.; Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents.worldbank.org/curated/ en/383011492423734099/pdf/114278-WP-REVISED-PUBLIC-Environmental-andSocial-Framework.pdf, S. 6, Rz. 15, S. 9, Rz. 47. 78  GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 13. 79  Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents. worldbank.org/curated/en/383011492423734099/pdf/114278-WP-REVISED-PUB LIC-Environmental-and-Social-Framework.pdf, S. 9, Rz. 47.



A. Die grundsätzliche Herangehensweise von Weltbank und IWF189

bemängeln, dass die Standards der Bretton-Woods-Institutionen, sofern vorhanden, einen Bezug zu völkerrechtlich verankerten Menschenrechten vermissen lassen. Stattdessen etablieren sie ‚Parallelstandards‘, die hinter dem völkerrechtlichen Rechtsbestand zurückbleiben und dadurch sogar das Potential bergen könnten, völkerrechtliche Maßstäbe zu unterminieren.80 Der Weltbank und dem IWF mangelt es an einer eigenständigen Menschenrechtspolitik, die in systematischer Weise grundsätzliche Richtlinien für die täglichen Entscheidungen der Mitarbeiter aufstellt. Stattdessen tauchen Menschenrechte im sogenannten ‚Programming‘-Kontext nur sehr selektiv auf und werden marginal tatsächlich angewandt, auch in der Forschungsagenda der Organisationen spielen sie kaum eine Rolle.81 Auffällig ist dabei, dass die IFC als der eher privat geprägte Teil der Weltbankgruppe im Gegensatz zur IBRD (welche die Kerninstitution der Weltbank darstellt) offen bestimmte Menschenrechte als Teil ihrer RisikomanagementStrategie übernommen hat82 und ‚human rights impact assessments‘ bewirbt.83 Indem die IFC die potentielle Verletzung von bestimmten Menschenrechten als strategisches Risiko für den Ruf und den Profit eines Unternehmens (sowie als Prozessrisiko) betitelt, ‚übersetzt‘ sie Menschenrechte in eine für Unternehmen verständliche Sprache.84 Wenn auch der Wert solch einer Ökonomisierung der Menschenrechte im Bereich der corporate social responsibil­ ity grundsätzlich umstritten ist, so ist es begrüßenswert, dass sich die IFC überhaupt ihrer annimmt. Zwar wurde auch der IFC Kritik von NGOs aufgrund ihres selektiven Einsatzes für Menschenrechte zuteil, doch ist die IFC in dieser Hinsicht der IBRD nach wie vor überlegen (obwohl die IFC vom gleichen Board of Executive Directors regiert wird wie die IBRD85). Die IFC unterstützt nicht nur den UN Global Compact, sondern übernahm auch die Rolle des leitenden Mittlers für die 2003 verabschiedeten Äquator-Prinzipien86, Standards für Privatsektorbanken, die den Sozial- und Umweltstan80  GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 5; Deutsches Institut für Menschenrechte, Neue Umwelt- und Sozialstandards bei Weltbank und AIIB, Position Nr. 4, Oktober 2016, S. 2. 81  Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 25. 82  Galit A. Sarfaty, Why Culture Matters in International Institutions: The Marginality of Human Rights at the World Bank, 103 American Journal of International Law 2009, S. 647 ff. 83  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 118. 84  Ibid., S. 24. 85  Ibid., S.  28 f. 86  www.equator-principles.com/.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

dards der IFC, bzw. der IBRD nachempfunden sind.87 2007 veröffentliche die IFC, in Zusammenarbeit mit dem International Business Leaders Forum und dem UN Global Compact den Guide to Human Rights Impact Assessment and Management als praktische Hilfestellung für Unternehmen.88 Ebenso verpflichteten sich die European Investment Bank sowie die European Bank for Reconstruction and Development, keine Projekte zu finanzieren, die zu Menschenrechtsverletzungen führen würden.89 Diesen Entwicklungen zum Trotz zeigen sich die Weltbank und der IWF nach wie vor sehr zurückhaltend, sobald es um die gezielte Beschäftigung mit Menschenrechten geht.

B. Strukturanpassungsprogramme Die wohl bekanntesten Maßnahmen der Bretton-Woods-Institutionen stellen die sogenannten Strukturanpassungsprogramme dar. Hierbei handelt es sich um großangelegte Programme für Staaten, die eine Krise durchleben und die, um einen Kredit zu erhalten, gewisse Reformen umsetzen müssen. Das Konzept beruht grundsätzlich darauf, dass ein Kredit unter konkreten Bedingungen vergeben wird (‚conditionality‘). Der IWF beschreibt den Zweck hiervon folgendermaßen: „Conditionality – that is, program-related conditions – is intended to ensure that Fund resources are provided to members to assist them in resolving their balance of payments problems in a manner that is consistent with the Fund’s Articles and that establishes adequate safeguards for the temporary use of the Fund’s resources.“90

Praktisch kann dabei zwischen quantitativen und strukturellen Auflagen unterschieden werden. Während erstere makroökonomische Zielvorgaben 87  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 27. Umfasst sind dabei Projektfinanzierungen (bzw. entsprechende Beratertätigkeiten und projektbezogene Unternehmenskredite) mit mehr als 10 Millionen US$ Umfang (höher bei Unternehmenskrediten); finanziert werden sollen nur jene Projekte, bei denen die Kreditnehmer besagte Standards erfüllen. Mittlerweile haben sich 103 Finanzinstitutionen in 38 Ländern den Prinzipien verpflichtet, https://equator-principles.com./about/ (Stand: März 2020). 88  www.ifc.org/wps/wcm/connect/Topics_Ext_Content/IFC_External_Corporate_ Site/Guide+to+Human+Rights+Impact+Assessment+and+ Management. 89  European Investment Bank, Statement of Environmental and Social Principles and Standards, 2009, www.eib.org/attachments/strategies/eib_statement_esps_en.pdf, Rz. 30, 46; European Bank for Reconstruction and Development, Environmental and Social Policy, 2008, www.ebrd.com/downloads/research/policies/2008policy.pdf, Rz. 9. 90  IWF, Guidelines on Conditionality, Decision No. 12864-02/1020, 31.12.2013, Rz. 1, www.imf.org/external/pubs/ft/sd/index.asp?decision=12864-(02/102).



B. Strukturanpassungsprogramme191

umfassen (sog. Quantitative Performance Criteria, wie z. B. die gestattete Höhe eines fiskalen Defizits), beziehen sich letztere auf umfassende Reformen, welche vom Kreditnehmer verlangt werden, entweder solche, die bereits erfüllt sein müssen, um den Kredit überhaupt zu erhalten, oder Ziele, die in bestimmten Abständen künftig erreicht werden sollten und mit in Betracht gezogen werden, wenn es um die Bereitsstellung weiterer Kreditraten geht.91 In der Form, in der sich ‚conditionality‘ entwickelt hat, war sie von den Gründervätern in Bretton Woods eigentlich nie vorgesehen.92 Art. I (v) der AoA nennt als eines der Ziele des IWF, „to give confidence to members by making the general resources of the Fund temporarily available to them under adequate safeguards, thus providing them with opportunity to correct maladjustments in their balance of payments without resorting to measures destructive of national or international prosperity.“

In den Anfangsjahren beinhalteten Kreditauflagen lediglich quantitative Auflagen, strukturelle Reformen wurden erst wesentlich später gefordert.93

I. Historische Entwicklung der Strukturanpassungsprogramme 1. Aufkommen der Strukturanpassungsprogramme Ab den 1970er Jahren94 baten faktisch nur noch Entwicklungsländer beim IWF um Kredite, eine Entwicklung, welcher der IWF mangels Kapitalausstattung in der Form nicht mehr gerecht werden konnte. Darauf reagierte er 1976 mit der Einrichtung eines Treuhandfonds, der Entwicklungsländer bei ihren Zahlungsbilanzschwierigkeiten unterstützen sollte und den der IWF 91  Jesse Griffiths/Konstantinos Todoulos, Conditionally Yours: an Analysis of the Policy Conditions Attached to IMF Loans, 2014, European Network on Debt and Development (Eurodad), http://eurodad.org/files/pdf/533bd19646b20.pdf, S. 7. 92  Karl M. Meessen, IMF Conditionality and State Sovereignty, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann (Hrsg.), Reforming the International Economic Order, 1987, S. 173, 176. Zur Entwicklung, Rechtsgrundlage und generellen Problematik der conditionality, siehe ausführlich Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 45 ff.; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 15 ff., 50. 93  Alexander E. Kentikelenis/Thomas H. Stubbs/Lawrence P. King, IMF Condition­ ality and Development Policy Space, 1985 – 2014, 23 Review of International Political Economy 2016, S. 1, 13. 94  Zu den früheren Ursprüngen der Strukturanpassungsprogramme, siehe Celine Tan, Regulation and Resource Dependency: The Legal and Political Aspects of Structural Adjustment Programmes, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 167, 168 ff.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

durch Goldverkäufe und freiwillige Einzahlungen der Mitgliedsstaaten finanzierte.95 Die Weltbank führte 1980 Structural Adjustment Loans ein, welche sie 1984 auch auf Sektoranpassung ausweitete; die auferlegten Bedingungen überschritten dabei in einigen Fällen jene des IWF.96 Die AoA der Weltbank zielen nach wie vor auf Finanzierungen konkreter Projekte ab,97 doch hat sie ihren Tätigkeitsbereich mit groß angelegten Programmen stark erweitert. Der Unterschied zwischen den Aktivitäten der Weltbank und des IWF verschwamm in dieser Phase zunehmend.98 Mit den 1980er Jahren begann die lateinamerikanische Schuldenkrise. Nachdem Staaten wie Brasilien, Mexiko und Argentinien in den 1960ern und 1970ern große Kredite aufgenommen hatten, um ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, trafen die Rezession ab den späten 1970ern Jahren sowie die Ölkrise diese hart. Mit dem Beginn der Schuldenkrise erreichten nun zahlreiche Länder Lateinamerikas ihre Belastungsgrenze, weil ihre Auslandsschulden nicht mehr von entsprechender Wirtschaftsleistung gedeckt waren und auch die Kapitalmärkte sich dieser Tatsache bewusst wurden.99 Den Anfang machte im August 1982 Mexiko, mit der Ankündung, dass die Auslandsschulden nicht mehr länger bedient werden könnten; zahlreiche andere Staaten folgten.100 Viele Kreditgeber stellten daraufhin die offenen Darlehen sofort fällig, ohne reale Aussicht auf Tilgung. Die Kapitalabwanderung führte zu einer Abwertung der Währungen, diese zum Anstieg der Realzinsen und der Inflation. Diese Vorgänge wurden von den Geberstaaten als Bedrohung für das Kreditsystem betrachtet – eine Situation, auf die mit der Einführung der Strukturanpassungsprogramme (Structural Adjustment Programme – SAP) geantwortet wurde.101 Der 1976 eingesetzte Treuhandfonds des IWF wurde 1986 zur Structural Adjustment Facility (SAF) umgewandelt 95  Sabine Schlemmer-Schulte, Internationales Währungs- und Finanzrecht, in: Christian Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, S. 375, 394. 96  Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank and the IMF Relationship – Quo Vadis?, 35 The International Lawyer 2001, S. 1349, 1357. 97  Art. III Sektion 4 (vii) der Weltbank-AoA: „Loans made or guaranteed by the Bank shall, except in special circumstances, be for the purpose of specific projects of reconstruction or development.“ 98  Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank and the IMF Relationship – Quo Vadis?, 35 The International Lawyer 2001, S. 1349, 1357. 99  Andreas F. Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 567 ff. 100  Daniel Bradlow, Developing Countries Debt Crises, International Financial Institutions, and International Law: Some Preliminary Thoughs, 51 German Yearbook of International Law 2008, S. 111, 121. 101  Asbjørn Eide, Human Rights-Based Development in the Age of Economic Glob­alization: Background and Prospects, in: Bård A. Andreassen/Stephen P. Marks, Development as a Human Right: Legal, Political, and Economic Dimensions, 2006, S. 220, 230.



B. Strukturanpassungsprogramme193

und ein Jahr später zur Enhanced Structural Adjustment Facility (ESAF) erweitert.102 Unter der ESAF konnten die Gelder von den Staaten ein Stück weit flexibler gehandhabt werden, als dies vorher der Fall war.103 Neue Kredite wurden an Lateinamerika vom IWF und der Weltbank nunmehr nur noch vergeben, wenn der Empfängerstaat gewisse Bedingungen erfüllt, bzw. einen Katalog von Reformen durchführt. Die Strukturanpassungsprogramme basierten auf rigorosen marktwirtschaftlichen Prinzipien und zielten letztlich, auch wenn es natürlich Unterschiede im Detail gibt, stets auf die gleichen Reformen ab: Liberalisierung des Handels, des Kapitalverkehrs, der Zinssätze, bzw. der entsprechenden Märkte, weitgehende Deregulierungen, Privatisierung von staatlichen Unternehmen, Stärkung von Privateigentum, sowie Haushaltsdisziplin, Reduzierung von öffentlichen Ausgaben und Subventionsabbau. In der Praxis konzentrierten sich die Programme mehrheitlich auf das Dreigespann von Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung. Wohlstand auch für die Armen wird sich hier lediglich indirekt, im Sinne der Trickle-down-Theorie, erhofft: Die Wirtschaft soll generell gestärkt werden, dann würde dies letztlich immer auch den Armen (und deren Ernährungssicherheit) zugutekommen:104 „Economic growth ultimately provides most households with the incomes to ac­ quire enough food.“105

Diese Politik basierte auf dem sogenannten Washington Consensus106 und spiegelte den damaligen Zeitgeist wider. Insbesondere nach den Wahlsiegen von Margaret Thatcher in Großbritannien 1979 und Ronald Reagan in den USA 1980 betrieben gerade diese beiden Staaten (mit entsprechendem Einfluss auf die internationalen Finanzinstitutionen) konsequent eine neoliberale Politik, die durch Deregulierungen, Reduzierung von Sozialausgaben, Steuersenkungen zugunsten der wohlhabenden Bevölkerungsteile und eine Entmachtung der Gewerkschaften gekennzeichnet war.107 Aufgrund des Zusam102  Sabine Schlemmer-Schulte, Internationales Währungs- und Finanzrecht, in: Christian Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, S. 375, 394. 103  FAO, International Dimensions of the Right to Adequate Food, 2014, S. 18. 104  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 47. 105  Weltbank, Poverty and Hunger Issues and Options for Food Security in Developing Countries, World Bank Policy Study, 1986, http://www-wds.worldbank.org/ex ternal/default/WDSContentServer/WDSP/IB/1999/09/17/000178830_9810190145567 6/Rendered/PDF/multi_page.pdf, S. 28. 106  Zum Begriff des Washington Consensus, siehe Sabine Schlemmer-Schulte, Internationales Währungs- und Finanzrecht, in: Christian Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, S. 375, 395. 107  Asbjørn Eide, Human Rights-Based Development in the Age of Economic ­Globalization: Background and Prospects, in: Bård A. Andreassen/Stephen P. Marks,

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

menfalls mit der lateinamerikanischen Schuldenkrise erreichte diese Politik eine globale Dimension und prägte mit dem Washington Consensus die Rollen von IWF und Weltbank.108 Auch innerhalb der Weltbank kam es Anfang der 1980er Jahre zu entscheidenden Umwälzungen. Unter der Präsidentschaft Robert McNamaras und der Vizepräsidentschaft Hollis Chenerys hatte die Bank eine politische Neuausrichtung in Richtung Armutsbekämpfung betrieben; doch 1981 erhielt die Bank mit Alden W. Clausen einen neuen Präsidenten und mit Ann Krueger eine neue Chefvolkswirtin, welche die Lösung für die Probleme der Entwicklungsländer in erster Linie in offenen Märkten und freiem Handel sahen.109 Die Strukturanpassungsprogramme von Weltbank und IWF folgten grundsätzlich dem gleichen Muster.110 Allerdings verfolgte die Weltbank dabei eine längerfristigere, entwicklungsorientierte Strategie, während der IWF aufgrund seines Fokus auf der Behebung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten kurzfristiger dachte.111 Als Reaktion auf die zunehmende Kritik an den Programmen schlug der World Development Report 1990 der Weltbank eine zweiphasige Herangehensweise an die Armutsbekämpfung vor: breitangelegtes Wirtschaftswachstum auf der einen Seite (auch um neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die Armen zu schaffen), die Bereitstellung grundlegender Sozialleistungen wie Grundschulausbildung, Gesundheitsfürsorge und Nahrungsversorgung auf der anderen Seite, um den Armen zu ermöglichen, vom Wirtschaftswachstum auch tatsächlich zu profitieren.112 Mehrmals wurden die Strukturanpassungsprogramme, wenn auch eher im Detail, reformiert und ergänzt, wie im Folgenden dargelegt wird.

Development as a Human Right: Legal, Political, and Economic Dimensions, 2006, S. 220, 230. 108  Ibid., S. 231. 109  Joseph Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, 5. Auflage 2004, S. 29. 110  Sabine Schlemmer-Schulte, International Monetary Fund, Structural Adjustment Programme (SAP), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. V, S. 1063, 1067, Rz. 17. 111  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 20 f.; Giovanni Andrea Cornia, Adjustment Policies 1980 – 1985: Effects on Child Welfare, in: Giovanni Andrea Cornia/Richard Jolly/Frances Stewart (Hrsg.), Adjustment with a Human Face, 1987, S. 48. 112  Weltbank, World Development Report 1990: Poverty, 1990, S. 138; Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank in a Changing World: Selected Essays, 1991, S. 112 f.



B. Strukturanpassungsprogramme195

2. Die Heavily Indebted Poor Countries Initiative von 1996 1996 führten sowohl die Weltbank als auch der IWF die Heavily Indebted Poor Countries (HIPC)-Initiative ein, um sicherzustellen, dass kein Staat Auslandsschulden schultern muss, die er faktisch nicht meistern kann. Andererseits sollten die Schulden aber auch gerade nicht einfach bedingungslos erlassen werden, ohne dass der Erlass der Bevölkerung zugute kommt.113 Zurzeit gehören der Initiative 39 Staaten an.114 Bei der Initiative handelt es sich um einen Zweistufenprozess: Zunächst durchlaufen die Staaten eine Periode (‚the decision point‘), in der sie in Zusammenarbeit mit dem IWF und der Weltbank soziale und wirtschaftliche Reformen verabschieden, ein Poverty Reduction Strategy Paper (mit breiter gesellschaftlicher Teilhabe) entwickeln, und bewertet wird, ob der Schuldendienst des Staates nicht mehr tragbar ist (‚unsustainable‘) und nicht mehr durch traditionelle Mechanismen angegangen werden kann. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, entscheiden die Executive Boards von Weltbank und IWF über die Eignung für einen Schuldenerlass und die internationale Gemeinschaft einigt sich auf die Reduzierung der Schulden auf ein tragbares Niveau (diese Zwischenerleichterung wurde aber erst 1999 eingeführt115). In der zweiten Phase (‚the completion point‘) müssen die Staaten weiterhin eine gute Erfolgsbilanz in der Zusammenarbeit mit Weltbank und IWF vorweisen, Schlüsselreformen verabschieden, auf die man sich in der ersten Phase geeinigt hat, sowie ein Poverty Reduction Strategy Paper für mindestens ein Jahr annehmen und umsetzen. Erst dann folgt der Schuldenerlass.116 Nach einer kleineren Reform 1999 wurde die Initiative 2005 (im Zusammenhang mit den Millennium Development Goals der Vereinten Nationen) durch die Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) ergänzt. Diese gestattet einen vollständigen Schuldenerlass für die Länder, die die HIPC-Initiative durchlaufen. Neben dem IWF und der Weltbank gilt dies auch für Schulden beim Afrikanischen Entwicklungsfonds.117

113  IWF, Debt Relief Under the Heavily Indebted Poor Countries (HIPC) Initiative, Factsheet, 17.9.2015, www.imf.org/external/np/exr/facts/hipc.htm; siehe auch Andreas F. Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 553 f. 114  Siehe Liste der Weltbank unter http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTER NAL/TOPICS/EXTDEBTDEPT/0,,contentMDK:20260049~menuPK:528655~pageP K:64166689~piPK:64166646~theSitePK:469043,00.html (zuletzt aktualisiert am 24.1. 2012). 115  Andreas F. Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 554. 116  IWF, Debt Relief under the Heavily Indebted Poor Countries (HIPC) Initiative, Factsheet, 17.9.2015, www.imf.org/external/np/exr/facts/hipc.htm. 117  Ibid.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Der Erfolg der HIPC-Initiative wird außerhalb der beteiligten Institutionen eher kritisch bewertet.118 Die FAO spricht von einem teilweisen Erfolg der Inititiative, das Problem der Verschuldung vieler Entwicklungsländer sei dadurch aber noch lange nicht gelöst worden; zudem sei auch hier die geberzentrierte Kondititionalität zu kritisieren.119 3. Ablösung der Enhanced Structural Adjustment Facility (ESAF) durch die Poverty Reduction and Growth Facility (PRGF) 1999 sowie die Poverty Reduction Strategy Papers (PRSPs) 1999 löste der IWF seine seit 1987 bestehende Enhanced Structural Adjustment Facility (ESAF) durch die Poverty Reduction and Growth Facil­ ity (PRGF) ab. Diese wurde im Zuge der 1999er Reform der HIPC-Initiatve beschlossen und zielte ebenfalls auf Staaten mit geringem Einkommen ab.120 Zweck war die verstärkte Konzentration auf Wirtschaftswachstum und Reduzierung der Armut sowie eine verbesserte Umsetzung der Maßnahmen durch größere Einbeziehung der betroffenen Staaten. Die um Hilfe bittenden Staaten sollten ihre entsprechenden geplanten Maßnahmen in Poverty Reduction Strategy Papers (PRSPs) darlegen.121 Im November 1999 wurden von der Weltbank und dem IWF ebenjene PRSPs eingeführt, durch deren Verfassen sich Hilfe suchende Staaten für einen entsprechenden Kredit oder sogar für einen Schuldenerlass im Rahmen der HIPC-Initiative qualifizieren können.122 An früheren Programmen wurde oftmals kritisiert, dass den betroffenen Staaten einheitliche Lösungsansätze aufgezwungen worden wären, ohne hinreichende Rücksicht auf nationale Begebenheiten zu nehmen.123 So wurden die früheren Policy Framework Papers von IWF und Weltbank verfasst und lediglich im Anschluss mit den betroffenen Regierungen verhandelt.124 Ein wesentliches Ziel der PRSPs war 118  Siehe hierzu umfassend Jan Joost Teunissen/Age Akkerman (Hrsg.), HIPC Debt Relief – Myths and Reality, Fondad, 2004, www.fondad.org/product_books/pdf_ download/6/Fondad-HIPC-BookComplete.pdf. 119  FAO, International Dimensions of the Right to Adequate Food, 2014, S. 18, 25 f. 120  Andreas F. Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 555. 121  IWF, IMF Lending to Poor Countries – How Does the PRGF Differ from the ESAF?, April 2001, www.imf.org/external/np/exr/ib/2001/043001.htm. 122  IWF, Poverty Reduction Strategy Papers (PRSP), Factsheet, 30.9.2014, www. imf.org/external/np/exr/facts/prsp.htm. 123  Vgl. Frances Stewart/Michael Wang, Poverty Reduction Strategy Papers within the Human Rights Perspective, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 447, 462. 124  Gobind Nankani/John Page/Lindsay Judge, Human Rights and Poverty Reduction Strategies: Moving Towards Convergence?, in: Philip Alston/Mary Robinson



B. Strukturanpassungsprogramme197

es nun, den Staaten Entscheidungsmacht im Hinblick auf die Wahl ihrer Strategie zur Armutsbekämpfung zu verleihen und dabei gerade auch die Beteiligung verschiedener nationaler ziviler Gruppen (‚domestic stakeholders‘) zu stärken.125 Ein weiterer Vorteil sollte darin bestehen, dass die Einhaltung der in den PRSPs festgelegten Maßnahmen leichter zu überprüfen ist.126 Im Hinblick darauf, dass in den 1990er Jahren die Rücksichtnahme der Staaten auf ihre Kreditgeber im Gegensatz zu der gegenüber der eigenen Bevölkerung immer größer wurde, war es das Ziel der PRSPs, „to shift the locus of policy making and accountability back to the coutry and its citizens.“127 Die PRSPs werden durch die Regierungen von Staaten mit niedrigen Einkommen unter Beteiligung nationaler und externer Partner, wie auch Weltbank und IWF, vorbereitet und sollen eine Bewertung der vorhandenen Armut sowie ökonomische, strukturelle und soziale Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung enthalten.128 Dabei ist positiv zu bewerten, dass nunmehr nicht nur bestimmte (sozialpolitische) Ministerien miteinbezogen werden, sondern auch zum Beispiel Infrastruktur-, Landwirtschafts- und Justizministerien; generell zielen die PRSPs auch auf die Erhöhung von Zurechenbarkeit und Transparenz ab.129 Die endgültigen Dokumente bedürfen abschließend der Zustimmung durch Weltbank und IWF.130 Inwieweit die PRSPs tatsächlich eine nennenswerte Verbesserung der Strukturanpassungsprogramme darstellten, ist fraglich. Nach Einschätzung des UNDP ähnelten die makroökonomischen Vorgaben der PRSPs weitge(Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 475, 477. 125  IWF, Poverty Reduction Strategy Papers (PRSP), Factsheet, 30.9.2014, www. imf.org/external/np/exr/facts/prsp.htm. 126  Gobind Nankani/John Page/Lindsay Judge, Human Rights and Poverty Reduction Strategies: Moving Towards Convergence?, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 475, 477, 492 f. 127  Ibid., S. 477, 483 f. 128  IWF, Poverty Reduction Strategy Papers (PRSP), Factsheet, 30.9.2014, www. imf.org/external/np/exr/facts/prsp.htm; Gobind Nankani/John Page/Lindsay Judge, Human Rights and Poverty Reduction Strategies: Moving Towards Convergence?, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 475, 489. 129  Gobind Nankani/John Page/Lindsay Judge, Human Rights and Poverty Reduction Strategies: Moving Towards Convergence?, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 475, 485, 492. 130  Frances Stewart/Michael Wang, Poverty Reduction Strategy Papers within the Human Rights Perspective, in: PhilipAlston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 447, 450.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

hend denen aus früheren Programmen.131 Auch das Independent Evaluation Office des IWF kam 2004 zu dem Schluss, dass allzu oft immer noch der Eindruck hinterlassen werde, der Inhalt der PRSPs werde vor allem von den Bretton-Woods-Institutionen bestimmt.132 Die Beurteilung der Einbeziehung von Menschenrechten in die PRSPs hängt besonders vom Grad der Beteiligung der Zivilgesellschaft, entsprechenden Organisationen und den nationalen Parlamenten ab.133 Trotz durchaus vorhandener positiver Aspekte scheint die Beteiligung insgesamt einen begrenzten Einfluss auf den Inhalt der PRSPs zu haben, viele Vorschläge werden letztlich nicht berücksichtigt oder die Beteiligung von vornherein auf bestimmte Teilbereiche beschränkt.134 Auffällig ist, dass Verteilungsfragen in den vorhandenen PSRPs generell nicht (ausreichend) berücksichtigt werden, während der Schwerpunkt weiterhin auf allgemeines, durch die Privatwirtschaft erzieltes Wachstum gelegt wird.135 Wie auch bei früheren Programmen halten die PRSPs an den traditionellen Methoden fest, darunter Liberalisierung des Finanzsektors und Handels, Privatisierung sowie möglichst geringe Inflation.136

131  UNDP,

Review of the Poverty Reduction Strategy Paper, 2001, S. 5. Evaluation Office, Evaluation of the IMF’s Role in Poverty Reduction Strategy Papers and the Poverty Reduction and Growth Facility, 2004, S. 3, 10. 133  Frances Stewart/Michael Wang, Poverty Reduction Strategy Papers within the Human Rights Perspective, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 447, 451 ff. 134  Ibid., S. 463 f.; ähnlich kritisch auch Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 87 f. 135  Frances Stewart/Michael Wang, Poverty Reduction Strategy Papers within the Human Rights Perspective, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 447, 465 f.: „Even in the few PRSPs that explicitly recognize the necessity for redistribution to ensure the poor benefit from growth, policies are either vague about how this should be done in practice (e. g. Azerbaijan, Ethiopia, and Sri Lanka) or take redistribution simply to mean increasing the share of social spending devoted to the poor (e. g., Albania, Kyrgyzstan, Malawi, Tajikistan). Where land reforms are mentioned, they usually refer to consolidating property rights and establishing legal titles for the development of property markets rather than reallocating resources to the landless (e. g., Albania, Benin, Bolivia, Cameroon, Niger, Rwanda, Tajikistan, Tanzania). In only a few countries, such as Mozambique and Uganda, are land reforms specifically targeted at improving the access of marginalized groups.“ 136  Ibid., S. 466, wobei betont wird, dass eine Kausalität zwischen Deregulierungen des Finanzsektors und der Reduzierung der Armut aufgrund der nicht allzu ausgeprägten Kapitalmärkte in den armen Ländern fernliegend sei. 132  IWF/Independent



B. Strukturanpassungsprogramme199

Im Hinblick auf Ansätze zur Stärkung der Menschenrechte wird von Stewart und Wang statt der Forderung, dass die PRSPs sich die ‚language of human rights‘ zu Eigen machen sollen (was die Gefahr berge, dass es eben bei der Sprache bliebe, die entsprechenden Verpflichtungen aber nicht anerkannt würden), der ‚pragmatischere‘ Reformansatz empfohlen – die PRSPs sollten die Menschenrechte de facto unterstützen, ohne für sie dabei zu einem expliziten Vehikel zu werden.137 Dabei habe sich gezeigt, dass sich eine Mehrzahl der 2005 von Stewart und Wang untersuchten PRSPs mit Reformen der Ernährungssicherheit befasst.138 Bezüglich des Beitrages der PRSPs zum Recht auf Teilhabe fällt das Echo generell eher positiv aus, gerade durch die Einbeziehung der Zivilgesellschaft.139 Die Suche nach einer angemessenen Rolle für diese Interessenvertreter stößt allerdings in der Phase der praktischen Umsetzung der PRSPs auf Schwierigkeiten.140 Weiterhin wird kritisiert, dass bestimmte Gruppen teils ausgeschlossen werden, darunter Gewerkschaften, Frauen und Zivilgesellschaftsorganisationen in ländlichen Regionen, dass generell die Perspektiven armer Menschen nicht hinreichend berücksichtigt werden sowie dass aufgrund unzureichender Information eine Teilhabe am Prozess oftmals nicht in vollem Umfang ermöglicht wird.141 Das Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR) hat mit seinen Principles and Guidelines for a Human Rights Approach to Poverty Reduction Strategies142 im Jahre 2004 Verbesserungsvorschläge vorgelegt, die auf eine stärkere Berücksichtigung menschenrechtlicher Aspekte im PRSP-Prozess abzielen. Einige dieser Punkte wurden

137  Ibid.,

S. 469. Tabelle in Frances Stewart/Michael Wang, Poverty Reduction Strategy Papers within the Human Rights Perspective, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 447, 473. 139  Vgl. Gobind Nankani/John Page/Lindsay Judge, Human Rights and Poverty Reduction Strategies: Moving Towards Convergence?, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 475, 477, 486 („a new space for dialogue“), siehe auch die Tabelle auf S. 487. 140  Ibid., S. 487. 141  Ibid., S. 487. 142  UN-Menschenrechtskommissariat, Principles and Guidelines for a Human Rights Approach to Poverty Reduction Strategies, 2004; vorbereitet von den Juristen Manfred Nowak und Paul Hunt sowie dem Ökonomen Siddiq Osmani, siehe Asbjørn Eide, Human Rights-Based Development in the Age of Economic Globalization: Background and Prospects, in: Bård A. Andreassen/Stephen P. Marks, Development as a Human Right: Legal, Political, and Economic Dimensions, 2006, S.  220, 239 f. 138  Siehe

200

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

mittlerweile umgesetzt (insbesondere ‚country ownership, c­ omprehensiveness, and results focus‘).143 4. Einführung der Poverty and Social Impact Analysis (2001) Im Zusammenhang mit den PRSPs führten die Weltbank und der IWF in einer gemeinsamen Initiative im Jahr 2001 (wenngleich Sozialanalysen auch zuvor in einem gewissen, beschränkten Umfang stattfanden) die sogenannte Poverty and Social Impact Analysis (PSIA) ein. Diese sollte darauf abzielen, vor, während, und nach einer Operation deren Auswirkungen auf verschiedene soziale Gruppen zu untersuchen, mit einem Fokus auf den Ärmsten und Verletzlichsten.144 Diese Maßnahme hat jedoch Schwächen: Die Qualität der Analyse variiert aufgrund der unterschiedlichen Datenlage und Kapazitäten in den jeweiligen Staaten stark.145 Weltbank und IWF nehmen diese Problematik gewissermaßen hin, und betonen, dass der Kreditnehmerstaat für die Durchführung der PSIA die Verantwortung trägt. Anstatt eine umfassende Folgenabschätzung sicherzustellen, geht der IWF von vornherein davon aus, dass lediglich bestimmte Bereiche untersucht werden könnten, und beschränkt sich dabei auf solche, die kurzfristige Auswirkungen auf das Sozialgefüge haben könnten: „Countries themselves have the primary responsibility for conducting PSIA. […] Given limited capacity in many countries, PSIA must be undertaken selectively. Priority should be given to analyzing policies with a potentially significant short term impact […].“146

Inwiefern die Ergebnisse einer PSIA tatsächlich auch Einfluss auf die Durchführung eines Programms haben, wird durch Formulierungen wie diese angedeutet: 143  Gobind Nankani/John Page/Lindsay Judge, Human Rights and Poverty Reduction Strategies: Moving Towards Convergence?, in: Philip Alston/Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 475, 496. 144  IWF, Poverty and Social Impact Analysis of Economic Policies, Factsheet, 8.4.2010, www.imf.org/external/np/exr/facts/sia.htm; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 72. 145  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 281; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 266. 146  IWF, Poverty and Social Impact Analysis of Economic Policies, Factsheet, 8.4.2010, www.imf.org/external/np/exr/facts/sia.htm.



B. Strukturanpassungsprogramme201 „When specific policies are expected to have adverse effects on the poor, these effects are considered, and where appropriate, countervailing measures are built into the programs.“147

Negative Auswirkungen auf die Bevölkerung würden zwar berücksichtigt (‚considered‘), man sollte jedoch nicht damit rechnen, dass diese tatsächlich stets zur Suspendierung einer bestimmten Maßnahme führten. Eine umfassende menschenrechtliche Folgenabschätzung (‚human rights impact assessment‘) wurde bisher – trotz zahlreicher Empfehlungen – nicht eingeführt.148 5. Ablösung der Poverty Reduction and Growth Facility (PRGF) durch die Extended Credit Facility (ECF) 2011 durch den IWF Schon 2004 äußerte sich der damalige Weltbankpräsident Wolfensohn bei einer Konferenz zur Armutsbekämpfung in Shanghai folgendermaßen: „The Washington Consensus has been dead for years.“149 In demselben Jahr hat die Weltbank dann auch den Terminus ‚adjustment lending‘ durch ‚development policy lending‘ ersetzt, mit einem laut offiziellen Aussagen stärkeren Fokus auf Langfristigkeit und ‚country ownership‘, gerade auch in Bezug auf die Bedingungen der Kredite.150 2011 ersetzte der IWF die Poverty Reduction and Growth Facility, im Rahmen des Poverty Reduction and Growth Trust (PRGT), durch die Ex­tended Credit Facility (ECF). Diese Entwicklung war Teil einer breiteren Reform, die IWF-Unterstützung für Low Income Countries (LIC) flexibler und bedürfnisgerechter zu gestalten.151 Wesentliche Inhalte der vorherigen Programme wurden jedoch beibehalten: „Under the ECF, member countries agree to implement a set of policies that will help them make progress toward a stable and sustainable macroeconomic position 147  Ibid.

148  Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 267. 149  Opening Address at the Scaling Up Poverty Reduction Conference, President James D. Wolfensohn, Shanghai, China, 25.5.2004, http://info.world bank.org/etools/ docs/reducingpoverty/doc/134/file/JDWShanghaiOpening.pdf. 150  Weltbank, Development Policy Lending Replaces Adjustment Lending, 10.8.2004, http://go.worldbank.org/CFVRIV8MG0; siehe auch Celine Tan, Regulation and Resource Dependency: The Legal and Political Aspects of Strucutural Adjustment Programmes, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 167, 177. 151  IWF, IMF Extended Credit Facility (ECF), Factsheet, 3.10.2016, www.imf.org/ external/np/exr/facts/ecf.htm.

202

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

over the medium term. These commitments, including specific conditions, are ­described in the country’s letter of intent. The IMF’s program conditionality is stream­ lined and focused on policy actions that are critical to achieving the program’s objectives. ECF-supported programs should be based on the country’s own development strategy and aim to safeguard social objectives.“152

II. Kritik am Konzept der Strukturanpassungsprogramme Seit jeher kritisieren zahlreiche Stimmen die negativen Auswirkungen der Strukturanpassungsprogramme, sei es aus völkerrechtlicher, ökonomischer oder (sozial-)politischer Perspektive.153 1. Mögliche völkerrechtliche Bedenken bezüglich der Auswirkungen auf die staatliche Souveränität Eine Kritik an den Strukturanpassungsprogrammen bezieht sich bereits auf ihr Kernkonzept, nämlich die Bedingtheit der Kreditvergabe. Auf der einen Seite handelt es sich bei ‚conditionality‘ zunächst einmal um ein grundsätzlich legitimes Konzept, das dazu dienen soll, die zweckgemäße Verwendung geliehener Gelder sicherzustellen.154 Andererseits ist zu fragen, inwiefern die Bretton-Woods-Institutionen durch ihre rigorosen Bedingungen in die inneren Angelegenheiten der Kreditnehmerländer eingreifen.155 Die Erklärung der UN-Generalversammlung zum Recht auf Entwicklung aus dem Jahre 1986 erkannte in Art. 2 Abs. 3 an, dass Staaten das Recht und die Pflicht haben, eigene Entwicklungsstrategien aufzustellen: „States have the right and the duty to formulate appropriate national development policies that aim at the constant improvement of the well-being of the entire population and of all individuals, on the basis of their active, free and meaningful participation in development and in the fair distribution of the benefits resulting therefrom.“156

Allerdings folgt aus dem Prinzip der Staatensouveränität jedoch eben auch, dass ein Staat grundsätzlich frei darin ist, jedes völkerrechtliche Überein152  Ibid.

153  Hierzu ausführlicher Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 68 ff., mit weiteren Nachweisen. 154  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 114. 155  Siehe hierzu umfassend Werner Meng, Conditionality of IMF and World Bank Loans: Tutelage over Sovereign States, 21 Verfassung und Recht in Übersee 1988, S. 263. 156  UN-Dokument A/RES/41/128 (4.12.1986).



B. Strukturanpassungsprogramme203

kommen zu schließen.157 Die Aufnahme von Krediten bei der Weltbank und dem IWF erfolgt letztlich nur auf Antrag, bzw. mit Zustimmung des Kreditnehmerstaates; diesem steht es daher rechtlich frei, jederzeit auf einen Kredit mit für ihn nachteiligen Bedingungen zu verzichten (an einen Programmabbruch sind zudem keine Sanktionen geknüpft).158 Ebenfalls verbleibt eine primäre Verpflichtung dazu, keine völkerrechts- bzw. menschenrechtswidrigen Bedingungen zu unterzeichnen, beim Staat.159 In der Tat achten die Bretton-Woods-Institutionen auch im Verhandlungsprozess darauf, dass die rechtliche Verantwortlichkeit für die Ausgestaltung und die Implementierung der Strukturanpassungsmaßnahmen beim Schuldnerstaat verbleibt.160 Zwar mag in der Praxis eine gewisse Zwangslange bestehen, wenn „[d]ebtor states, in the desperate economic situation most of them are in, have little chance of escaping […] conditionality […].“161

Aus einer solchen tatsächlichen Zwangslage folgt indes noch kein völkerrechtlich relevanter Zwang. Gleichwohl ist auf einen Wertungswiderspruch einer an massive Reform­ anforderungen gekoppelten Kreditvergabe mit den eigenen Statuten hinzuweisen. Diese Programme sind letztlich der Ausfluss einer Politik der Bretton-Woods-Institutionen, die sich teils massiv in die Wirtschaftspolitik der Schuldnerstaaten eingemischt hat. Gleichzeitig haben sich die Weltbank und der IWF, sobald sie auf eine menschenrechtliche Verantwortung angesprochen wurden, auf die angeblich restriktiven Bestimmungen der AoA berufen, beziehungsweise tun dies bis heute.162 157  S.S. Wimbledon, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und Polen v. Deutsches Reich, StIGH, Urteil vom 17.8.1923, PCIJ Series A, No. 1, S. 15, 25; siehe auch Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 115. 158  Sabine Schlemmer-Schulte, Internationales Währungs- und Finanzrecht, in: Christian Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, S. 375, 398; dies., International Monetary Fund, Structural Adjustment Programme (SAP), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. V, S. 1063, 1072, Rz. 35. 159  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the IMF, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 45, 69; Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 115. 160  Daniel D. Bradlow/Claudio Grossman, Limited Mandates and Intertwined Prob­lems: A New Challenge for the World Bank and the IMF, 17 Human Rights Quarterly 1995, S. 411, 427. 161  Karl M. Meessen, IMF Conditionality and State Sovereignty, in: Thomas Oppermann/Ernst-Ulrich Petersmann (Hrsg.), Reforming the International Economic Order, 1987, S. 173, 176; siehe auch unter Teil 3. B. V. 1. 162  Siehe unter Teil 1, F.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Auf diesen Widerspruch machten Olivier de Schutter und Margot Salomon jüngst im Kontext der griechischen Schuldenkrise163 in einem Rechtsgutachten für das griechische Parlament aufmerksam: „[T]here is little basis upon which deeply interventionist policy prescriptions can be considered consistent with the political prohibition, whereas taking the impact on the exercise of human rights into account is considered to constitute political interference.“164

2. Mangelnde ökonomische Wirksamkeit und negative Auswirkungen auf die Bevölkerung Aus ökonomischer Sicht gehen auch die Meinungen zur Wirksamkeit der Strukturanpassungsprogramme auseinander. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, kritisiert die Programme und betrachtet sie für die Entwicklung der ärmsten Länder eher als hinderlich denn als förderlich. Insbesondere der IWF habe den Washington Consensus vielmehr als Selbstzweck betrachtet165 denn als Mittel zu gerechtem und nachhaltigem Wachstum, und dementsprechend auch kein Interesse daran gehabt, neuere Lösungsansätze der Wirtschaftstheorie in Betracht zu ziehen. Staaten wie China hätten gezeigt, dass auch ohne marktwirtschaftliche Reformen Wachstum möglich sei, während andere Länder in Afrika und Lateinamerika trotz der IWF-gerechten Reformen geringere Wachstumraten aufwiesen. Zudem hätten Privatisierungen oftmals dazu geführt, dass ein Staatsmonopol faktisch lediglich in ein privates Monopol umgewandelt worden sei, was die Situation vieler Menschen vor Ort letztlich verschlechtert habe. Grundsätzlich liegt ein Hauptkritikpunkt an Strukturanpassung daran, dass die entsprechenden Kreditvergabekonditionen auch von Staaten, die sich in einer schweren Wirtschaftskrise befinden, eine rigide 163  Siehe

unter Teil 3, B. III. de Schutter/Margot Salomon, Legal Brief Prepared for the Special Committee of the Hellenic Parliament on the Audit of the Greek Debt (Debt Truth Committee) – Economic Policy Conditionality, Socio-Economic Rights and Interna­ tional Legal Responsibility: The Case of Greece 2010 – 2015, 15.6.2015, www.lse. ac.uk/europeanInstitute/research/hellenicObservatory/CMS%20pdf/Events/2015-16/ SALOMON-DESCHUTTER-LEGAL-BRIEF.pdf; S. 14. 165  In diesem Sinne auch Smita Narula, Reclaiming the Right to Food as a Normative Response to the Global Food Crisis, 13 Yale Human Rights & Development Law Journal 2010, S. 403, 417: „In their dealings with the IMF, powerful states can uphold their obligations by shifting from a standardized and process-oriented approach to a tailored outcomes-oriented approach. Critics have charged that the IMF does not undertake a differential diagnosis specific to country conditions and instead offers standardized advice relating to budget cuts, trade liberalization, and privatization of state-owned enterprises, without due regard to the specific context.“ 164  Olivier



B. Strukturanpassungsprogramme205

Sparpolitik verlangen. Hierdurch würden Krisen vielmehr noch verschlimmert und es drohe das Abgleiten in eine Depression.166 Noch dazu sei die Ungleichheit in der Gesellschaft, entgegen den Prämissen der Trickle-down-Theorie, verschärft worden. Ein Beispiel dafür sei die Praxis des IWF, wiederholt von Ländern, welche sich bereits in einer Finanzkrise befanden, den Abbau von Nahrungsmittelsubventionen zu fordern, während man sich gleichzeitig bemüht habe, die Interessen der Banken zu befriedigen.167 Um negative Auswirkungen von Strukturanpassungsprogrammen auf die Bevölkerung sorgte sich bereits 1990 auch das CESCR: „The Committee recognizes that adjustment programmes will often be unavoidable and that these will frequently involve a major element of austerity. Under such circumstances, however, endeavours to protect the most basic economic, social and cultural rights become more, rather than less, urgent. States parties to the Covenant, as well as the relevant United Nations agencies, should thus make a particular effort to ensure that such protection is, to the maximum extent possible, built-in to programmes and policies designed to promote adjustment. Such an approach, which is sometimes referred to as „adjustment with a human face“ or as promoting „the human dimension of development“ requires that the goal of protecting the rights of the poor and vulnerable should become a basic objective of economic adjustment. Similarly, international measures to deal with the debt crisis should take full account of the need to protect economic, social and cultural rights through, inter alia, international cooperation.“168

Der UN-Sonderberichterstatter für die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, Danino Türk, kritisierte 1992, dass die Strukturanpassungsprogramme die Staaten daran hindern würden, wirtschaftliche und soziale Rechte zu gewährleisten, die nationale Souveränität einschränkten, dabei noch nicht einmal signifikanten wirtschaftlichen Erfolg brächten, aber nach zweifelhafter Meinung der Weltbank und des IWF alternativlos seien (der IWF argumentiere gar, dass die wirtschaftlichen und sozialen Rechte nur über eine Strukturanpassung erreicht werden könnten).169 Nach Türks Ansicht hingegen seien die Strukturanpassungs166  Joseph

161 ff.

167  Ibid.,

Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, 5. Auflage 2004, S. 78 ff.,

S. 161.

168  UN-Dokument

E/1990/23 (2.2.1990), General Comment No. 2, Rz. 9. E/CN.4/Sub.2/1992/16 (3.7.1992), Commission on Human Rights, The Realization of Economic, Social and Cultural Rights, Final report submitted by Special Rapporteur Danilo Türk, Rz. 42, 45 f., 48; vgl. Sabine SchlemmerSchulte, International Bank for Reconstruction and Development (IBRD), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. V, S. 363, 388, Rz. 102. 169  UN-Dokument

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

programme zu stark von Theorie und zu wenig von praktischen Erfahrungen beeinflusst.170 Im Laufe der Entwicklung von Policy Guidelines zu Strukturanpassungsprogrammen wurde im Rahmen der UN-Menschenrechtskommission auch der kurzfristige Fokus der Programme kritisiert. Gerade durch ihre Auslegung auf lediglich ein bis drei Jahre wären sie besonders anfällig für Menschenrechtsverletzungen.171 Für die Ökonomen der Bretton-Woods-Institutionen, welche für das betroffene Entwicklungsland weitreichende Entscheidungen träfen, „human rights appear to be non-factors, in particular the economic and social rights“.172 Empfehlenswert wäre hingegen das genaue Gegenteil: Wirtschaftliche Liberalisierung sollte gerade durch die Standards des ICESCR reguliert werden, da diese Rechte für die wirtschaftliche Liberalisierung ebenso wichtig seien wie bürgerliche und politische Rechte für die politische Liberalisierung.173 1998 richtet sich das CESCR dementsprechend mit konkreten Forderungen an die Bretton-Woods-Institutionen: „The Committee calls upon the International Monetary Fund and the World Bank to pay enhanced attention in their activities to respect for economic, social and cultural rights, including through encouraging explicit recognition of these rights, assisting in the identification of country-specific benchmarks to facilitate their promotion, and facilitating the development of appropriate remedies for responding to violations. Social safety nets should be established by reference to these rights and enhanced attention should be accorded to such methods of protecting the poor and vulnerable in the context of structural adjustment programmes. Effective social monitoring should be an integral part of the enhanced financial surveillance and monitoring policies accompanying loans and credits for adjustment purposes.“174

170  UN-Dokument E/CN.4/Sub.2/1992/16 (3.7.1992), Commission on Human Rights, The Realization of Economic, Social and Cultural Rights, Final report submitted by Special Rapporteur Danilo Türk, Rz. 49. 171  UN-Dokument E/CN.4/Sub.2/1995/10 (4.7.1995), Commission on Human Rights, The Realization of Economic, Social and Cultural Rights, Preliminary Set of Basic Policy Guidelines on Structural Adjustment Programmes and Econcomic, Social and Cultural Rights, Report of the Secretary-General, Rz. 15. 172  Asbjørn Eide, Human Rights-Based Development in the Age of Economic Glob­alization: Background and Prospects, in: Bård A. Andreassen/Stephen P. Marks, Development as a Human Right: Legal, Political, and Economic Dimensions, 2006, S. 220, 232. 173  Chaloka Beyani, The Legal Premises for the International Protection of Human Rights, in: Guy S. Goodwin-Gill/Stefan Talmon (Hrsg.), The Reality of International Law: Essays in Honour of Ian Brownlie, 1999, S. 21, 27. 174  UN-Dokument E/C.12/1998/26 (1.1.1999), Globalization and its Impact on the Enjoyment of Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 515, Unterpunkt 7.



B. Strukturanpassungsprogramme207

3. Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit Auch konkret auf die Ernährungssicherheit bzw. auf das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, können sich Strukturanpassungsprogramme negativ auswirken, wie ein Experte der früheren UN-Menschenrechtskommission feststellte: „[Structural adjustment programmes] have put the right to food in jeopardy. There is convincing evidence that shows nutritional levels decrease among poorer segments of the population as a result of removal of food subsidies. Growing unemployment has a similar result. The switching of agricultural policies, primarily from food production for local consumption to production of coffee, tobacco or cotton to generate foreign exchange, has also resulted in drastic decline in food production and in reduced nutritional levels and malnutrition […].“175

1999 forderte das CESCR in seinem Allgemeinen Kommentar zum Recht auf Nahrung: „The international financial institutions, notably the International Monetary Fund (IMF) and the World Bank, should pay greater attention to the protection of the right to food in their lending policies and credit agreements and in international measures to deal with the debt crisis. Care should be taken, in line with the Committee’s General Comment No. 2, paragraph 9, in any structural adjustment programme to ensure that the right to food is protected.“176

Wiederholt hat das CESCR sich in der Vergangenheit auch in konkreten Situationen über die möglichen negativen Folgen von Strukturanpassungsprogrammen auf wirtschaftliche und soziale Rechte besorgt gezeigt.177 Im Folgenden soll anhand einiger Beispiele angerissen werden, inwiefern die Strukturanpassungsprogramme bzw. ihre anders bezeichneten Nachfolgeinstitute negative Auswirkungen auf das Recht auf Nahrung bzw. das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, in den betroffenen Staaten hatten. Zu den zentralen nachteiligen Auswirkungen von Strukturanpassungsprogrammen zählen: •• Der Wegfall von Nahrungsmittelsubventionen, der oftmals zu großen Preis­anstiegen führte, und so disproportional große Auswirkungen auf die 175  UN-Dokument E/CN.4/1999/50 (24.2.1999), Effects of Structural Adjustment Policies on the Full Enjoyment of Human Rights, Report by the Independent Expert, Fantu Cheru, Rz. 65 (a); siehe auch Jacqueline Mowbray, The Right to Food and the International Economic System: An Assessment of the Rights-Based Approach to the Problem of World Hunger, 20 Leiden Journal of International Law 2007, S. 545, 554. 176  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No. 12, Rz. 41. 177  Aoife Nolan/Nicholas J. Lusiani/Christian Courtis, Two Steps Forward, No Steps Back? Evolving Criteria on the Prohibition of Retrogression in Economic and Social Rights, in: Aoife Nolan (Hrsg.), Economic and Social Rights after the Global Financial Crisis, 2014, S. 121, 137.

208

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

ärmsten Bevölkerungsgruppen hatte178 (und in einem Drittel der Mitte der 1980er Jahre aufgelegten IWF-Programme gefordert wurde179); •• Die geforderte Streichung von Subventionen für Düngemittel und Pestizide, was zu einem Anstieg der Preise und einem Rückgang des Verbrauchs führte;180 •• Ein Fokus auf der Produktion und dem Export von cash crops wie Kakao und Kaffee.181 Auch die Auswahl der steuerlichen Maßnahmen im Rahmen von Strukturanpassungsmaßnahmen trugen dazu bei, Ernährungsunsicherheit zu verschlimmern. So enthielten 76 % der IWF-unterstützten Programme in den Jahren 1980  – 1983 Erhöhungen indirekter Steuern (wie der Mehrwertsteuer), während nur 13  % Erhöhungen der Einkommens-, Unternehmens-, oder Eigentumssteuern vorsahen.182 Gerade eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wirkt sich besonders auf arme Menschen aus, da sie einen verhältnismäßig größeren Teil des Einkommens für den Konsum aufwenden müssen.183 Entsprechende negative Auswirkungen von Strukturanpassungsprogrammen ließen sich wiederholt beobachten. Während der IWF das Programm für den Senegal, das 1986 in Kraft trat, als Erfolg betrachtete, führte es zu massiv steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel. In Folge der Abwertung der Währung und des Wegfalls wichtiger Subventionen waren nur noch wenige Bauern in der Lage, Düngemittel und Pestizide zu erwerben. Gleichzeitig wurde auf den verstärkten Anbau von cash crops zum Export hingewirkt, der Anbau von Nahrungsmittelpflanzen ging zurück. Die Zahl der Hungernden im Senegal soll zwischen 1990 und 1992 von 33 auf 40 % der Bevölkerung angestiegen sein.184 178  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 713; unter Verweis auf Amitava Mukherjee, Structural Adjustment Programme and Food Security: Hunger and Poverty in India, 1994, S. 119 ff. 179  Per Pinstrup-Andersen/Maurice Jaramillo/Frances Stewart, The Impact on Government Expenditure, in: Giovanni Andrea Cornia/Richard Jolly/Frances Stewart (Hrsg.), Adjustment with a Human Face, 1987, S. 73, 83. 180  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 713, mit weiteren Nachweisen. 181  Ibid.; siehe hierzu ausführlich unter Teil 3, D. II. 2. 182  Giovanni Andrea Cornia, Adjustment Policies 1980 – 1985: Effects on Child Welfare, in: Giovanni Andrea Cornia/Richard Jolly/Frances Stewart (Hrsg.), Adjustment with a Human Face, 1987, S. 48, 67. 183  Magdalena Sepúlveda Carmona, Alternatives to Austerity: A Human Rights Framework for Economic Recovery, in: Aoife Nolan (Hrsg.), Economic and Social Rights after the Global Financial Crisis, 2014, S. 23, 38. 184  Friends of the Earth & The Development Gap, The All-Too-Visible Hand: A Five-Country Look at the Long and Destructive Reach of the IMF, 1999, www.



B. Strukturanpassungsprogramme209

Auch Gambia verzeichnete 1985 im Zuge eines IWF- bzw. weltbankfinanzierten Strukturanpassungsprogramms einen Anstieg der Nahrungspreise und (in Ermangelung von Maßnahmen, die dessen Auswirkungen abfederten) eine damit einhergehende sich verschlimmernde Mangelernährung von Kindern.185 Ähnliches wurde in Tansania beobachtet, wo ebenfalls 1986 ein Programm des IWF aufgelegt wurde: Aufgrund der hohen Bedeutung der Landwirtschaft für die tansanische Wirtschaft konzentrierte sich das Programm auf ebendiese. Jedoch sind nicht nur Produktion und Export in dessen Verlauf angestiegen, sondern auch ländliche Armut, Einkommensungleichheit, Ernährungsunsicherheit und Unterernährung. Kernelemente des Strukturanpassungsprogramms in Tansania waren Währungsabwertung, Subventionsabbau und Handelsliberalisierungen, was zu einem massiven Anstieg der Preise für Düngemittel und zu einem entsprechenden Rückgang der Produzenteneinkommen führte.186 Auch die Weltbank bestätigte, obgleich sie eine marginale Verbesserung der Einkommensungleichheit beobachtete, eine lokal steigende Ernährungsunsicherheit und Hunger; die Kindersterblichkeit habe sich zwischen 1991 und 1996 für das ärmste Fünftel der Bevölkerung erhöht.187 Zudem kritisierte die Weltbank, mit Blick auf die Liberalisierungen im Agrarbereich: „It is expected that the market may not, by its own volition, take care of the poor; some form of government corrective regulations seems to be desirable, for the sake of the rural producers.“188

Ein weiteres Beispiel, an dem sich die Auswirkungen der unbedingten Konzentration auf die Reduzierung der öffentlichen Ausgaben zeigen, ist die IWF-Politik gegenüber Indien. Als im Juli 1991 die indische Regierung die vom IWF auferlegten Reformen im Rahmen seines Strukturanpassungsprogramms einführte, stieg in den kommenden Monaten der Reispreis um ca. 50 % an, während die Einkommen sanken; schließlich beobachtete man im Bundesstaat Andhra Pradesh zwischen dem 30.8.1991 und dem 10.11.1991 developmentgap.org/uploads/2/1/3/7/21375820/all_to_visible.pdf, S. 25; Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 713. 185  Giovanni Andrea Cornia, Adjustment Policies 1980 – 1985: Effects on Child Welfare, in: Giovanni Andrea Cornia/Richard Jolly/Frances Stewart (Hrsg.), Adjustment with a Human Face, 1987, S. 48, 67. 186  Friends of the Earth & The Development Gap, The All-Too-Visible Hand: A Five-Country Look at the Long and Destructive Reach of the IMF, 1999, www. developmentgap.org/uploads/2/1/3/7/21375820/all_to_visible.pdf, S.  45 f. 187  Weltbank, Tanzania at the Turn of the Century: Background Papers and Statistics, 2002, https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/14054, S. 92 f. 188  Ibid., S. 103.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

73 Hungertote, welche direkt auf die Maßnahmen des Strukturanpassungsprogramms zurückgeführt wurden.189 Ein anderer Fall, in dem sogar eine externe, aber vom IWF beauftragte Untersuchung zu kritischen Befunden kam, betraf das ESAF-Programm in Sambia. Sambia ist ein Staat, der nach wie vor mit Hunger zu kämpfen hat, fast die Hälfte der Bevölkerung gilt als unterernährt. Der durch den Export von Kupfer geschaffene Wirtschaftsboom schuf nur wenige Arbeitsplätze. Die zahlreichen Kleinbauern (die Mehrheit der Bevölkerung lebt immer noch auf dem Land) beackern die begehrten, aber nährstoffarmen Böden, mit denen sie – im Gegensatz zu den erfolgreicheren Großbauern – nicht umzugehen wissen, bzw. für die es ihnen an Ressourcen mangelt.190 Schon für die erste Phase der IWF-Involvierung in Sambia (von 1976 bis 1991) wurden fallende Einkommen und eine Konzentration der Armut im ländlichen Raum konstatiert.191 Bei der Einführung des ESAF-Programms sollten nicht nur die Folgen der Reformen der ersten Phase, sondern auch die damalige Dürreperiode berücksichtigt werden; dazu gehörte auch die Verteilung von Mais zum halben Preis oder umsonst, vor allem auf dem Land.192 Die Umstrukturierung der sambischen Wirtschaft in den 1990er Jahren führte aber auch dazu, dass die Lebensmittelproduktion zurückging und der Anbau von cash crops anstieg.193 Gleichzeitig fielen die Einkommen ländlicher Haushalte zwischen 1991 und 1994 um 30 %.194 Während sich der Zugang der Landbevölkerung zu Gesundheitsfürsorge, Trinkwasser- und Sanitäreinrichtungen verbessert hat, stiegen die Fälle von Unterernährung. Die steigende Unterernährung war auch nicht allein auf die Dürre zurückzuführen, da entsprechende Maßnahmen gegen die Dürreauswirkungen recht effektiv waren; im Gegensatz dazu waren im Bereich der sozialen Absicherung für diejenigen, die durch die Strukturanpassung negativ betroffen wurden, nach Ansicht der Expertengruppe klare (vorhersehbare) Fehler festzustellen, darunter der Abbau von

189  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 47; Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 85. 190  Deutschlandfunk Online, Landwirtschaft mit Armutsgarantie, 30.11.2013, www.deutschlandfunk.de/kleinbauern-in-afrika-landwirtschaft-mit-armutsgarantie. 724.de.html?dram:article_id=270623. 191  IWF, External Evaluation of the ESAF, Report by a Group of Independent Experts, 1998, www.imf.org/external/pubs/ft/extev/index.HTM, S. 98. 192  Ibid., S. 98. 193  Ibid., S. 97. 194  Ibid., S. 99.



B. Strukturanpassungsprogramme211

bestimmten Agrarsubventionen und der abrupte Wegfall von planwirtschaftlichen Strukturen im Agrarbereich.195 2005 wurde Niger, ein Staat, der seit jeher besonders stark von Dürren und Hunger betroffen ist, von einer Hungersnot heimgesucht. Nach Einschätzung der NGO Ärzte ohne Grenzen war diese nicht nur auf eine anhaltende Dürre zurückzuführen (der Staat habe nach wie vor genügend Nahrung für die eigene Bevölkerung produziert, diese habe sich diese nur schlicht nicht leisten können), sondern auch auf den Druck von IWF und EU. Die Hungersnot hätte bei den ersten Anzeichen Anfang 2005 noch verhindert werden können, Niger sei jedoch von einigen Gebern unter Druck gesetzt worden, Nahrungsmittel höchstens zu einem günstigeren Preis anzubieten (der für viele immer noch unerschwinglich war), anstatt sie umsonst zu verteilen. Gleichzeitig drängte der IWF Anfang 2005 sogar noch auf eine 19 %-ige Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, die der Natur der Sache nach die Ärmsten am Härtesten traf.196 Auf entsprechende Berichte hin versuchte der IWF, sich konkret damit zu rechtfertigen, dass der IWF der Regierung nicht nur eine Folgenabschätzung vorgeschlagen habe, sondern die Mehrwertsteuererhöhung aufgrund öffentlicher Proteste bald rückgängig gemacht worden sei und somit nicht wesentlich zur Krise hätte beitragen können.197 Diese Beispiele illustrieren einen wesentlichen Schwachpunkt der Strukturanpassungsprogramme, nämlich die fehlende Forderung nach sozialer Absicherung seitens der Weltbank und des IWF bereits im Vorfeld der geplanten Maßnahmen.198 Auch nach der PRSP-Reform brachten die Strukturanpassungsprogramme nach wie vor teils äußerst negative Folgen mit sich.

195  Ibid.,

S. 100. ohne Grenzen/Kevin Phelan, Niger: August Will Be the Worst Month, 7.8.2005, www.doctorswithoutborders.org/news-stories/ideaopinion/niger-august-willbe-worst-month; The Independent Online, IMF and EU are blamed for starvation in Niger, 1.8.2005, www.independent.co.uk/news/world/europe/imf-and-eu-are-blamedfor-starvation-in-niger-302913.html. 197  IWF, IMF Is Combating Niger Famine, 5.8.2005, www.imf.org/external/np/ vc/2005/080505.htm. 198  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 85. 196  Ärzte

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

III. Zwang zur Sozialausgabenkürzung bei Konzentration auf Schuldentilgung – Das Beispiel der Griechenlandkrise Eine Kernproblematik der Bretton-Woods-Institutionen ist seit Jahrzehnten ihre Politik im Hinblick auf Sparmaßnahmen, die einen Beitrag dazu leisten sollen, dass die betroffenen Staaten ihre Schulden schneller zurückzahlen können. Lange bestand ein relativer Konsens, dass die Institutionen insgesamt viele verschuldete Staaten vor einem kompletten wirtschaftlichen Zusammenbruch bewahrt haben; Uneinigkeit besteht jedoch über die Erfolge im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung.199 1. Die Grundproblematik der Konzentration auf Schuldentilgung sowie die UN Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights von 2012 Die Grundproblematik der Konzentration auf die Tilgung von Auslandsschulden liegt darin, dass Staaten, die ihre Mittel vorranging dafür aufwenden müssen, Auslandsschulden zu tilgen oder zumindest die Zinsen zu bedienen, diese Mittel an anderer Stelle einsparen müssen.200 Allerdings hat sich 199  Daniel Bradlow, Developing Countries Debt Crises, International Financial Institutions, and International Law: Some Preliminary Thoughs, 51 German Yearbook of International Law 2008, S. 111, 112. 200  Nicht selten kommt erschwerend hinzu, dass Regierungen Schulden ihrer despotischen Vorgänger abbezahlen müssen, obwohl diese Gelder eigentlich nie dem Staat bzw. der Bevölkerung zu gute kamen. Dies bezeichnet man auch als ‚borrowing privilege‘, bzw. ‚odious debt:‘ „The borrowing privilege we confer upon de-facto rulers includes the power to impose internationally valid legal obligations upon the whole country. A later government that refuses to honour debts incurred by a corrupt, brutal, undemocratic, unconstitutional, repressive, unpopular predecessor will be severely punished by the banks and governments of other countries.“ Dies führt dazu, dass die Begleichung hoher Schulden, welche durch die korrupte Vorgängerregierung aufgenommen wurden, die neuen demokratischen Regierungen in ihren Möglichkeiten beschränkt, Reformen auf den Weg zu bringen und so in ihrer Stabilität beeinträchtigt (Thomas Pogge, The Role of International Law in Reproducing Massive Poverty, in: Samantha Besson/John Tasioulas (Hrsg.), The Philosophy of International Law, 2010, S. 417, 429 f.). Der (völkerrechtlich nicht unumstrittene) Begriff ‚odious debt‘ (auch illegitimate debt) bezeichnet ein solchen Vorgang, in dem von diktatorischen Regierungen Kredite aufgenommen wurden, bei denen dem Kreditgeber von vornherein bekannt war, dass diese nicht der Bevölkerung zugutekommen. In diesem Zusammenhang wird kritisiert, dass Fragen von Schuldenerlässen sich bis heute auf die Eigenschaften des Schuldners, aber nicht auf das Fehlverhalten der Geber konzentrieren – auch die HIPC-Initiative der Weltbank und des IWF prüfen einen Kriterienkatalog, der sich ausschließlich auf das Schuldnerverhalten bezieht (Joseph Hanlon, ‚Illegitimate‘



B. Strukturanpassungsprogramme213

die Herangehensweise der Bretton-Woods-Institutionen hier ein Stück weit gewandelt: Während in den früheren 1980er Jahren der Grundsatz ‚pacta sunt servanda‘ die oberste Maxime darstellte, wurden Auslandsschulden in den Folgejahren auch etwas flexiler gehandhabt und geänderten Umständen angepasst.201 Für die ärmsten Staaten schufen die Institutionen Initiativen zur Schuldenerleichterung.202 Im Juli 2012 nahm der UN-Menschenrechtsrat die Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights an, die von Cephas Lumina, Unabhängiger Experte der Vereinten Nationen für Auslandsschulden und Menschenrechte, ausgearbeitet wurden.203 Diese Guiding Principles wurden vor dem Hintergrund verfasst, dass, obwohl die Schulden von Entwicklungsstaaten die Weltgemeinschaft seit Jahrzehnten beschäftigen, bisher keine tragfähige Lösung für diese Probleme entwickelt werden konnte. Die Schulden würden weiter steigen und nicht nur die Entwicklungsmöglichkeiten der Staaten behindern, sondern auch die Verwirklichung von Menschenrechten, besonders der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte.204 In vielen der ärmsten Länder würde die Schuldentilgung auf Kosten von Investitionen im sozialen Sektor gehen; die ErreiLoans: Lenders, not Borrowers, Are Responsible, 27 Third World Quarterly 2006, S. 211, 214; generell: Christoph G. Paulus, Debts, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. II, S. 1082, 1087 ff., Rz.  25 ff.). Diese Herangehensweise entspricht dem geltenden Völkerrecht: Regierungen ‚erben‘ die Schulden ihrer Vorgänger und habe diese zurückzuzahlen, die Schuld wird als Schuld des Staates behandelt; auch in Fällen der Staatensukzession (Andreas Zimmermann, State Succession in Other Matters than Treaties, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IX, S. 536, 537, Rz. 7 ff.). Tatsächlich haben Staaten sich in der Geschichte aber immer wieder aus politischen Gründen geweigert, derartige Schulden zurückzuzahlen, siehe hierzu sowie zu Krediten von Weltbank und IWF an zweifelhafte Regime Joseph Hanlon, ‚Illegitimate‘ Loans: Lenders, not Borrowers, Are Responsible, 27 Third World Quarterly 2006, S. 211, 213  ff., 223; Daniel Bradlow, Developing Countries Debt Crises, International Financial Institutions, and International Law: Some Preliminary Thoughs, 51 German Yearbook of International Law 2008, S. 111, 133. 201  Daniel Bradlow, Developing Countries Debt Crises, International Financial Institutions, and International Law: Some Preliminary Thoughs, 51 German Yearbook of International Law 2008, S. 111, 122 ff. 202  Siehe oben unter Teil 3, B. I. 2. 203  UN-Dokument A/HRC/RES/20/10 (5.7.2012); UN-Dokument A/HRC/20/23 (10.4.2011), Report of the Independent Expert, Annex: Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights. 204  UN-Dokument A/HRC/20/23 (10.4.2011), Report of the Independent Expert, Rz. 1.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

chung von Entwicklungszielen wie jenen der Millennium Development Goals wäre in Gefahr.205 Die Guiding Principles fordern im Wesentlichen einen Primat der Menschenrechte, unter Berücksichtigung der einschlägigen Prinzipien wie dem Diskriminierungsverbot oder der Einhaltung der Mindestkernbestimmungen. Obwohl der Fokus der Guiding Principles auf Staatenpflichten liegt, richten sich die Prinzipien explizit an internationale Finanzorganisationen: „International financial organizations and private corporations have an obligation to respect international human rights. This implies a duty to refrain from formulating, adopting, funding and implementing policies and programmes which directly or indirectly contravene the enjoyment of human rights.“206

Dabei wird gerade auch die gemeinsame Verantwortung von Kreditnehmern und -gebern für die Vermeidung und Behebung nicht nachhaltiger Schuldenlagen betont, sowie das Recht eines Staates, seinen Entwicklungsprozess frei von der Einmischung internationaler Finanzinstitutionen zu bestimmen.207 Dem Prinzip der conditionality von Krediten stehen die Guid­ ing Principles sehr kritisch bzw. ablehnend gegenüber: „Creditor States and the international financial institutions must not take advantage of an economic, financial or external debt-related crisis as an opportunity to push for structural reforms in debtor States, however useful such reforms might be perceived to be in the long term. Such reforms should be initiated, formulated and implemented by the debtor States themselves, if they deem appropriate, in pursu­ ance of an independent process of national development.“

Durch die Annahme dieser Guiding Principles durch den UN-Menschenrechtsrat wurden sie jedenfalls von den dafür stimmenden Staaten befürwortet. Allerdings stimmten von 47 Staaten nur 31 dafür (überwiegend Entwicklungsländer, aber auch China und Russland), bei 11 Nein-Stimmen (darunter sämtliche im Rat vertretene EU-Staaten sowie die USA) und 5 Enthaltungen.208 Im Rahmen der Annahme der Guiding Principles stellte das Gremium fest: „[E]very State has the primary responsibility to promote the economic, social and cultural development of its people and, to that end, has the right and responsibility to choose its means and goals of development and should not be subject to external specific prescriptions for economic policy; […] structural adjustment reform programmes and policy conditionalities limit public expenditure, impose fixed expenditure ceilings and give inadequate attention to the provision of social services, and 205  Ibid.,

Rz.  3 f.

206  UN-Dokument

A/HRC/20/23 (10.4.2011), Report of the Independent Expert, Annex: Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights, Rz. 9. 207  Ibid., Rz. 23, 25. 208  UN-Dokument A/HRC/RES/20/10 (5.7.2012), S. 6.



B. Strukturanpassungsprogramme215 that only a few countries manage to achieve sustainable higher growth under these programmes“.209

Weiterhin forderte der Menschenrechtsrat die Bretton-Woods-Institutionen auf, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, die Forderungen von UN-Gipfeln wie dem Millennium Summit oder der World Conference on Human Rights umzusetzen, wobei er betonte, dass: „[…] the economic programmes arising from foreign debt relief and cancellation must not reproduce past structural adjustment policies that have not worked, such as dogmatic demands for privatization and reduced public services“.210

2. Das Beispiel der Austeritätspolitik des IWF im Rahmen der griechischen Schuldenkrise Im Folgenden soll die Problematik der Kürzung von Sozialausgaben zum Zwecke der Schuldentilgung am Beispiel der Austeritätspolitik in Griechenland dargestellt werden. In der weltweiten Finanzkrise ab 2007, die sich schnell zu einer Wirtschafts- und einer Währungskrise weiterentwickelte, gewann das Prinzip der Austerität seit etwa 2010 größten Einfluss auf den Umgang mit dieser Krise.211 Während der IWF in den Jahren zuvor mangels Kreditnachfrage an Bedeutung verloren hatte, verschaffte die Finanzkrise ihm neuen Aufschwung.212 Die Austeritätspolitik im Rahmen der anhaltenden Krise Griechenlands wurde wesentlich vom IWF mitgetragen, der neben der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Teil der bis 2015 so genannten Troika darstellte (mit dem Beitritt des Europäischen Stabilitätsmechanismus wurde die Troika zur Quadriga). Wenngleich sich das Konzept von Austeritätspolitik bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, gibt es keine einheitliche Definition zum Begriff der Austerität.213 Wohl am besten lässt sich der Terminus mit einer Politik der Reduzierung öffentlicher Defizite durch Ausgabenkürzung umschreiben, letztere vor allem mittels Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor, der Redu209  Ibid.,

Rz.  6 f. Rz. 17, 21. 211  Margot Salomon, Of Austerity, Human Rights and International Institutions, 21 European Law Journal 2015, S. 521 f. 212  Jesse Griffiths/Konstantinos Todoulos, Conditionally Yours: an Analysis of the Policy Conditions Attached to IMF Loans, 2014, European Network on Debt and Development (Eurodad), http://eurodad.org/files/pdf/533bd19646b20.pdf, S. 7. 213  Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 492. 210  Ibid.,

216

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

zierung von Sozialausgaben wie Renten sowie sonstiger Kürzungen in der öffentlichen Fürsorge wie Gesundheit und Bildung (oft durch die Privatisierung von Regierungsmonopolen).214 Bereits diese Definition zeigt, dass die heutige so genannte Austeritätspolitik viele Ähnlichkeiten zu den entsprechenden Teilen der oben beschriebenen Strukturanpassungsprogramme aufweist.215 Dementsprechend erscheint es sinnvoll, Austerität nicht als kurzfristige Antwort auf wirtschaftliche Schwierigkeiten zu betrachten, sondern als ein seit den 1980er Jahren längerfristig ausgelegtes und implementiertes Konzept, das auf eine dauerhafte Reduzierung der öffentlichen Ausgaben gerichtet ist, während gleichzeitig die Erhöhung von Steuern oft abgelehnt wird.216 Auch der IWF selbst sieht seine Austeritätspolitik in einer Linie mit seinem structural-conditionality-Konzept anstatt als eine grundlegend andere Herangehensweise.217 In Anbetracht steigender Staatsverschuldung und der alternden Gesellschaften wird Austerität eine zentrale Herausforderung für die Implementierung des ICESCR sein,218 gerade auch auf der Nordhalbkugel. Gleichzeitig spielen wirtschaftliche und soziale Rechte in den Verhandlungen um Austeritätspolitik bisher kaum eine Rolle.219 2012 zeigte sich das CESCR schon in Bezug auf Spanien besorgt, dass aufgrund der spanischen Austeritätsmaßnahmen der Schutz der Menschenrechte rückläufig wäre, noch dazu beträfen die Maßnahmen besonders benachteiligte und marginalisierte Einzelpersonen und Gruppen, vor allem Arme, Frauen, Kinder, Behinderte, Arbeitslose, Ältere, Sinti und Roma, Migranten und Asylsuchende. Daher forderte das CESCR Spanien auf, alle Anstrengungen zu unternehmen um sicherzustellen, dass die Austeritätsmaßnahmen stets jedenfalls den Kerngehalt der Menschenrechte aus dem ICESCR 214  Ibid.,

S. 493. S. 493; so auch Alexander E. Kentikelenis/Thomas H. Stubbs/Lawrence P. King, IMF Conditionality and Development Policy Space, 1985 – 2014, 23 Review of International Political Economy 2016, S. 1. 216  Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 494; Wolfgang Streeck/Daniel Martes, Politik im Defizit – Austerität als fiskalpolitisches Regime, Max-Planck-Insitut für Gesellschaftsforschung Discussion Papers 10/5, Köln 2010, S. 10. 217  Siehe z. B. IWF, 2011 Review of Conditionality, Overview Paper, 19.6.2012 – hier wird die Austeritätspolitik im Rahmen der Eurokrise ohne Begründung im größeren Conditionality-Kontext behandelt. 218  Mary Dowell-Jones, The Economics of the Austerity Crisis: Unpicking Some Human Rights Arguments, 15 Human Rights Law Review 2015, S. 193, 195. 219  Ibid., S.  199 f. 215  Ibid.,



B. Strukturanpassungsprogramme217

schützen, vor allem für benachteiligte und marginalisierte Personen und Gruppen.220 a) Eckpfeiler der Austeritätspolitik in Griechenland Griechenlands ehemals boomende Wirtschaft hatte auf den Zugang zu billigen Krediten gebaut, die Griechenland insbesondere durch die Mitgliedschaft in der Währungsunion zugute kamen.221 Seit Beginn der Schuldenkrise Ende 2009222 befolgte das Land eine Reihe von Austeritätsmaßnahmen, auf die es sich mit den Institutionen der Troika geeinigt hatte. Die Eckpfeiler wurden in mehreren Memoranda of Understanding (MoU) festgehalten. Die rechtliche Kategorisierung dieser MoU orientiert sich an den Letters of Intent, die im Rahmen von Kreditvergaben der Bretton-WoodsInstitutionen üblich sind und die bewusst gewählt werden, um völkervertragsrechtlichen Charakter zu vermeiden.223 aa) Die Rettungspakete (2010 – 2018) Als Reaktion auf die sich verschärfende Krise und die Last der Staatsverschuldung hatte die griechische Regierung bereits Anfang 2010 erste Sparmaßnahmen beschlossen. Da diese offensichtlich nicht ausreichten, wurde bald der Ruf nach internationalen Krediten laut, um den drohenden Zahlungsausfall zu vermeiden. Im Mai 2010 unterzeichneten Griechenland und die Troika aus Europäischer Kommission, EZB und dem IWF ein auf drei Jahre angelegtes Memorandum, mit dem Griechenland sich zu strukturellen Reformen sowie zu bestimmten Wirtschafts- und Finanzmaßnahmen ver220  UN-Dokument

E/C.12/ESP/CO/5 (6.6.2012), Rz. 8. Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 9. 222  Hierzu ausführlicher: UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/ Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 17 ff.; IWF, Greece: Ex Post Evaluation of Exception­al Access under the 2010 Stand-By Arrangement, IMF Country Report No. 13/156, Juni 2013, Rz.  6 ff. 223  Andreas Fischer-Lescano, Human Rights in Times of Austerity Policy: The EU institutions and the conclusion of Memoranda of Understanding, Legal opinion Commissioned by the Chamber of Labour in Vienna, 2014, www.etui.org/content/download/13817/113830/file/Legal+Opinion+Human+Rights+in+Times+of+Austerity+ Policy+(final).pdf, S. 32 ff.; zur Problematik einer faktischen Bindungswirkung ausführlicher unter Teil 3. B. V. 221  Fédération

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

pflichtete, um so einen Kredit in Höhe von 110 Milliarden € zu erhalten.224 Der IWF steuerte hierzu 30 Milliarden € bei.225 Die Grundprämisse kann man hinsichtlich des anvisierten Zeitrahmens und des Umfangs des Defizitabbaus wohl als „historisch beispiellos[…]“ bezeichnen: bis 2013 15,5 % des Bruttoinlandsprodukts,226 ein Ziel, welches ohne massivste Sparmaßnahmen nicht zu erreichen war. Da Griechenland aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Eurozone seine Währung nicht abwerten konnte, wie es in anderen Fällen auch vom IWF gefordert wurde, fielen die internen Maßnahmen umso rigider aus.227 Das auch im Vergleich mit anderen IWF-Programmen enorme Ausmaß der geforderten Anpassungen begründete der IWF damit, dass das besondere Ausmaß dieser Krise solche Maßnahmen erfordere.228 Der Schwerpunkt lag auf massiven Kürzungen der öffentlichen Ausgaben.229 Staatseigentum im Wert von 50 Milliarden € sollte privatisiert werden (ein Ziel, das nachträglich jedoch stark nach unten korrigiert werden musste).230 Weitere Maßnahmen betrafen den Privatsektor. So wurde der gesetzliche Mindestlohn erst gekürzt und schließlich abgeschafft; Kündigungen wurden vereinfacht, indem man die Kündigungsfristen verkürzte und Beschränkungen für Massenentlassungen abschaffte.231 Die Mehrwertsteuer wurde erhöht.232 224  UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 24; Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 10. 225  IWF, Greece: Ex Post Evaluation of Exceptional Access under the 2010 StandBy Arrangement, IMF Country Report No. 13/156, Juni 2013, Rz. 11. 226  Zoe Lanara, Griechische Gewerkschaften und die Krise, Friedrich-Ebert-Stiftung, März 2012, http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/09014.pdf, S. 3. 227  Ibid., S. 4. 228  IWF, 2011 Review of Conditionality, Overview Paper, 19.6.2012, S. 4. 229  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 9. 230  UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 24, 30 ff. 231  Zoe Lanara, Griechische Gewerkschaften und die Krise, Friedrich-Ebert-Stiftung, März 2012, http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/09014.pdf, S. 8  f.; UN-Men-



B. Strukturanpassungsprogramme219

Bereits vor Beginn der Schuldenkrise war die Höhe der öffentlichen Ausgaben in Griechenland eher gering: 2009 betrugen die Sozialausgaben (abzüglich Pensionen und Gesundheitskosten) lediglich 4,25 % des Bruttoinlandsprodukts, bei gleichzeitig geringer Effektivität zur Armutsbekämpfung. Während nach Schätzungen der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) die Sozialausgaben (ohne das Rentensystem) die relative Armut von 2005 bis 2009 nur um drei Prozentpunkte verringern konnte, lag der Euroraumdurchschnitt bei neun Prozentpunkten.233 Das Sozialsystem galt insgesamt als wenig effektiv: Viele Leistungen kamen allen Bürgern unabhängig vom Einkommen zugute, während es (abgesehen von Renten) keine bedürftigkeitsorientierte Grundsicherung für diejenigen gab, die diese am nötigsten hatten.234 Im Falle von Arbeitslosigkeit erhielten Betroffene nur ein Jahr lang staatliche Unterstützung in Höhe von 360 €, danach wurde diese gestrichen (in Ausnahmefällen konnte die Zeit zwei Jahre betragen, im zweiten Jahr dann allerdings nur mit 200 € Unterstützung).235 Auch der Umfang an Tagen innerhalb einer 4-JahresPeriode, für die ein Grieche (betroffen sind hierbei vor allem Saisonarbeiter) Unterstützung erhalten kann, wurde weiterhin gesenkt: ab 2013 auf 450 Tage und ab 2014 auf 400 Tage.236 Erst 2015 wurde erstmals eine allgemeine Grundsicherung in ausgewählten Kommunen getestet.237

schenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 34. 232  IWF, Greece: Ex Post Evaluation of Exceptional Access under the 2010 StandBy Arrangement, IMF Country Report No. 13/156, Juni 2013, Rz. 24. 233  Vassiliki Koutsogeorgopoulou et al., Fairly Sharing the Social Impact of the Crisis in Greece, OECD Economics Department Working Papers No. 1106, 2014, http://dx.doi.org/10.1787/5jzb6vwk338x-en, S. 16, 49. 234  Ibid., S.  16 f. 235  Nachdem der Satz im Februar 2012 um 20 % gesenkt worden war: ibid., S. 30; Handelsblatt Online, Grundsicherung in Europa und den USA: Hartz IV auf Griechisch, 26.1.2015, www.handelsblatt.com/politik/international/grundsicherung-in-euro pa-und-den-usa-hartz-iv-auf-griechisch/10968098.html. 236  Vassiliki Koutsogeorgopoulou et al., Fairly Sharing the Social Impact of the Crisis in Greece, OECD Economics Department Working Papers No. 1106, 2014, http://dx.doi.org/10.1787/5jzb6vwk338x-en, S. 51. 237  Handelsblatt Online, Grundsicherung in Europa und den USA: Hartz IV auf Griechisch, 26.1.2015, www.handelsblatt.com/politik/international/grundsicherung-ineuropa-und-den-usa-hartz-iv-auf-griechisch/10968098.html; zum aktuellen Stand, siehe European Commission, Greece – Unemployment insurance benefits and unemployment assistance benefits, http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1112&langId= en&intPageId=4 571 (Stand: März 2020).

220

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Als praktischer Ersatz für ein Sozialhilfesystem dient in Griechenland vielfach das Rentensystem, mittels ‚Umverteilung‘ innerhalb der Familie.238 Das komplexe Rentensystem wiederum galt als uferlos, von Ungleichheit geprägt, missbrauchsanfällig und gar als ein Mitantrieb für die Fiskalkrise.239 Unterstützung für Familien wurde in der Regel erst ab einer Anzahl von drei Kindern gewährt, unabhängig vom Einkommen der Familie. Ende 2012 wurde dieses System abgeschafft, und durch je nach monetärem Bedarf bis max. 40 €/Monat steigende Sätze pro Kind ersetzt. Der Maximalsatz wird dabei nur Familien zuteil, die über höchstens 6.000 € Jahreseinkommen verfügen, über einem Jahreseinkommen von 18.000 € entfällt die Unterstützung.240 Mit der steigenden Arbeitslosigkeit verschlimmerten sich die Probleme. Zwischen 2008 und 2011 hat sich die Zahl der Haushalte, die bei der Zahlung ihrer Hypotheken oder Mieten im Rückstand sind, auf 11 % verdoppelt, unter den Niedrigverdienerhaushalten mit Kindern lag der Anteil nunmehr bei 30 %. Die Obdachlosigkeit soll zwischen 2009 und 2011 um 20 – 25 % gestiegen sein.241 Im Juni 2011 warnte der Unabhängige Experte der Vereinten Nationen für Auslandsschulden und Menschenrechte davor, dass die Austeritätsmaßnahmen und Strukturreformen, die Griechenland von seiner Schuldenlast befreien sollten, zu einer Verletzung von Menschenrechten führen können und richtete seine Warnung ausdrücklich auch an die Troika: „The implementation of the second package of austerity measures and structural reforms, which includes a wholesale privatization of state-owned enterprises and assets, is likely to have a serious impact on basic social services and therefore the enjoyment of human rights by the Greek people, particularly the most vulnerable sectors of the population such as the poor, elderly, unemployed and persons with 238  Guardian Online, Unsustainable futures? The Greek pensions dilemma explain­ ed, 15.6.2015, www.theguardian.com/business/2015/jun/15/unsustainablefutures-greece-pensions-dilemma-explained-financial-crisis-default-eurozone? CMP=share_btn_tw; Spiegel Online, Schuldenstreit: Die Mär vom griechischen Luxusrentner, 18.6.2015, www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-was-rent ner-im-vergleich-zu-deutschland-wirklich-kriegen-a-1039256.html. 239  Vassiliki Koutsogeorgopoulou et al., Fairly Sharing the Social Impact of the Crisis in Greece, OECD Economics Department Working Papers No. 1106, 2014, http://dx.doi.org/10.1787/5jzb6vwk338x-en, S.  33 ff. 240  Ibid., S. 49. 241  Ibid., S. 24; UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3. 2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 76.



B. Strukturanpassungsprogramme221 disabilities. […] The rights to food, water, adequate housing, and work under fair and equitable conditions should not be compromised by the implementation of austerity measures.“242

Im Laufe des Jahres 2011 wurde es offensichtlich, dass Griechenland einen weiteren hohen Kredit benötigt. Diese Rettungsaktion wurde im März 2012 im zweiten Memorandum zwischen Griechenland und der Troika festgeschrieben und ermöglichte einen erneuten Kredit in Höhe von 130 Milliarden €, wiederum unter der Auflage von Strukturanpassungen.243 Bereits im Versuch, sich diesen zweiten Kredit zu sichern, strich Griechenland perspektivisch bis 2015 150.000 Stellen im öffentlichen Dienst und setzte Neueinstellungen aus. Auch die Mindestlöhne wurden gekürzt, um 22 % für Arbeiter über 25, um 32 % für jene unter 25 Jahren.244 Das Arbeitslosengeld wurde um 20 % auf nunmehr 360 € gekürzt.245 Im Memorandum of Understanding verpflichtete Griechenland sich weiterhin, seine Ausgaben für Gesundheit bei 6 % des Bruttoinlandsproduktes zu deckeln, was zu zahlreichen Kürzungen im Gesundheitssektor führte (vor allem durch Reduzierungen der Personalzahl und der Medikamentenkosten).246 Die Warnungen vor den negativen Auswirkungen der Austeritätspolitik nahmen nicht ab. Im August 2012 stellte der UN-Kinderrechtsausschuss zum Staatenbericht Griechenlands fest: „While noting the serious financial and economic crisis currently being faced by the State party, the Committee expresses its deep concern at the negative effects that it is having on public spending affecting services provided to children and on 242  Pressemitteilung des OHCHR vom 30.6.2011, Greek crisis: „Keep in mind the people’s basic human rights“ – UN expert on rights and foreign debt, http://www2. ohchr.org/english/issues/development/debt/; siehe auch UN-Menschenrechtsrat, UNDokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of ­States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 40 ff. 243  UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 25. 244  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 11. 245  Vassiliki Koutsogeorgopoulou et al., Fairly Sharing the Social Impact of the Crisis in Greece, OECD Economics Department Working Papers No. 1106, 2014, http://dx.doi.org/10.1787/5jzb6vwk338x-en, S. 30. 246  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 12.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

subsistence costs incurred by families for basic needs such as food, fuel and housing, including increasing demands on payments for public services such as health care. […] The Committee expresses its deep concern about the right to life, survival and development of children and adolescents whose families are quickly losing their means of living and access to State-funded social services, including health care and social security, as well as their sources of family income.“247

Dementsprechend verlangte der Kinderrechtsausschuss von Griechenland, bei der Budgetplanung verstärkt darauf zu achten, dass Kinder vor finanziellen Einschnitten geschützt werden, gerade die besonders gefährdeten wie unbegleitete Flüchtlingskinder. Weiterhin wurde empfohlen, dass Griechenland schnellstmöglich eine Bewertung der Auswirkungen der Krise auf die Perspektiven und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen vornimmt, um entsprechende Risiken zu minimieren; die aufgrund der Krise steigende Kinderarmut solle kurz- wie langfristig durch entsprechende politische Maßnahmen bekämpft werden.248 Dennoch verschlechterte sich die Lage in Griechenland weiterhin. Zwischen 2009 und 2013 (1. Quartal) stieg die Anzahl von Menschen, die in Arbeitslosenhaushalten lebten, von 600.000 auf 1,48 Millionen an; die entsprechende Anzahl der betroffenen Kinder stieg von 93.375 auf 277.149.249 2014 konstatierte der Unabhängige Experte der UNO für Auslandsschulden und Menschenrechte, dass mittlerweile, auch wenn Griechenland schon vor 2009 die höchste Armutsrate der Eurozone gehabt habe, aufgrund der Sparmaßnahmen 11 % der Griechen in extremer Armut lebten.250 Das Memorandum für das letzte, dritte Hilfsprogramm wurde am 11. August 2015 zwischen der Europäischen Kommission (stellvertretend für den Europäischen Stabilitätsmechanismus) und Griechenland unterzeichnet,251 und brachte Griechenland einen weiteren Kredit in Höhe von 86 Milliar247  UN-Dokument

CRC/C/GRC/CO/2-3 (13.8.2012), Rz. 17, 28. Rz. 18, 29, 59. 249  UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 53. 250  Ibid., Rz. 81. 251  Der IWF hat das Memorandum formal nicht mitgezeichnet, jedoch entsprechenden Input geliefert und Einfluss ausgeübt – Memorandum of Understanding between the European Commission on Behalf of the European Stability Mechanism and the Hellenic Republic and the Bank of Greece, 19.8.2015, http://ec.europa.eu/ economy_finance/assistance_eu_ms/greek_loan_facility/pdf/01_mou_20150811_en. pdf, Einleitung, lit. (D), S. 4. 248  Ibid.,



B. Strukturanpassungsprogramme223

den €. Ein Schwerpunkt des Memorandums lag auf einer Vielzahl von Privatisierungen.252 Eine besonders problematische Forderung der Gläubiger bereits im Vorfeld (im Rahmen eines Brückenkredits bis zur Aushandlung des dritten Memorandums im Sommer 2015) betraf die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel: Diese stieg von bisher 13 auf 23 %.253 Eine derartige Forderung nach einer Erhöhung der Mehrwertsteuer hatte der IWF bereits auch Afghanistan und Zypern auferlegt.254 Gleichzeitig wurde in dem Memorandum betont: „The economic crisis has had an unprecedented impact on social welfare. The most pressing priority for the government is to provide immediate support to the most vulnerable to help alleviate the impact of the renewed downturn. Already, a package of measures on food, housing and access to health care has been adopted and is being implemented. […] A fairer society will require that Greece improves the design of its welfare system, so that there is a genuine social safety net which targets scarce resources at those in most need.“255

Um dies umzusetzen, verpflichtete sich die griechische Regierung zunächst dazu, mit Unterstützung der Weltbank eine Social Welfare Review durchzuführen, um dann später entsprechende Maßnahmen zu erlassen (in dieser Hinsicht enthält das Memorandum of Understanding jedoch keine konkreten Vorgaben).256 Im August 2018 ist das dritte Hilfsprogramm ausgelaufen; nach gegenwärtigem Stand soll es kein viertes geben.257

252  Ibid.,

S.  27 ff. Online, Neuanfang in Griechenland: Die Banken öffnen, die Steuern steigen, 20.7.2015, www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-banken-oeffnenwieder-a-1044403.html; Zeit Online, Leben in Griechenland wird teurer, 19.7.2015, www.zeit.de/wirtschaft/2015-07/griechenland-mehrwertsteuer-erhoehung-reformpa ket-ouzo. 254  Jesse Griffiths/Konstantinos Todoulos, Conditionally Yours: an Analysis of the Policy Conditions Attached to IMF Loans, 2014, European Network on Debt and Development (Eurodad), http://eurodad.org/files/pdf/533bd19646 b20.pdf, S. 15. 255  Memorandum of Understanding between the European Commission on Behalf of the European Stability Mechanism and the Hellenic Republic and the Bank of Greece, 19.8.2015, http://ec.europa.eu/economy_finance/assistance_eu_ms/greek_ loan_facility/pdf/01_mou_20150811_en.pdf, S.  16 f. 256  Ibid., S. 17. 257  Spiegel Online, Ende des dritten Rettungsprogramms: Kommt Griechenland allein klar?, 10.3.2018, www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-das-rettungs programm-laeuft-aus-und-dann-a-1196732.html. 253  Spiegel

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

bb) Beeinträchtigungen des Rechts auf Nahrung im Zuge der griechischen Krise Die Krise in Griechenland hat zu gravierenden negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung geführt, wie eine gemeinsame Studie der Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme und der Hellenic League for Human Rights feststellte: Dazu gehören die grassierende Arbeitslosigkeit (besonders innerhalb der jungen Bevölkerung), geringerer Arbeitnehmerschutz (auch in Bezug auf sichere Arbeitsbedingungen und Tarifverhandlungen), wesentliche Einschnitte in die öffentlichen Ausgaben und die soziale Sicherheit, regressive Steuerreformen, welche die Armut verschlimmerten, eine Senkung des allgemeinen Lebensstandards, ein Anstieg der Obdachlosigkeit, Einschnitte in Bildungsetats und Verringerung des Lehrpersonals sowie Einschnitte im Gesundheitssektor.258 All dies führte zu teils massiven Auswirkungen auf das Recht auf Gesundheit und das Recht auf Arbeit.259 Die Arbeitslosenquote in Griechenland lag Ende 2015 bei ca. 26 %,260 die Jugendarbeitslosigkeit bei 47,9 %.261 36 % der Bevölkerung war in diesem Zeitraum von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht.262 Ebenfalls beobachtet wurde ein rasanter Anstieg der Lebensmittelverteilungen durch Stiftungen und Kirchen.263 Schätzungen zufolge sollen schon im Jahr 2012 etwa 10 % der Grund- und Mittelschüler ein Opfer von Ernährungsunsicherheit geworden sein, also entweder Hunger

258  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 5. 259  Siehe hierzu umfassend ibid., S. 15 ff.; UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/HRC/25/50/Add.1 (7.3.2014), Report of the Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Cephas Lumina, Mission to Greece, Rz. 40 ff. 260  CESCR, Presseerklärung vom 6.10.2015, www.ohchr.org/EN/NewsEvents/ Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=16568&LangID=E. 261  UN-Menschenrechtskommissariat, End of Mission Statement, United Nations Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and Other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, P ­ articularly Economic, Social and Cultural Rights, Juan Pablo Bohoslavsky, Athens, 8.12.2015, www.ohchr.org/Documents/Issues/IEDebt/EOM_Statement_Greece_IEForeignDebt_ EN.pdf, S. 2. 262  Ibid. 263  Vassiliki Koutsogeorgopoulou et al., Fairly Sharing the Social Impact of the Crisis in Greece, OECD Economics Department Working Papers No. 1106, 2014, http://dx.doi.org/10.1787/5jzb6vwk338x-en, S. 24.



B. Strukturanpassungsprogramme225

gelitten haben oder davon bedroht gewesen sein.264 Athena Linos, Professorin für Medizin an der Universität von Athen, folgerte 2013 in Anbetracht dieser Zahlen: „When it comes to food insecurity, Greece has now fallen to the level of some African countries.“265

Wie schon bei früheren Strukuranpassungsprogrammen wird auch in Bezug auf die Griechenland auferlegte Austeritätspolitik vom IWF vorgebracht, diese Maßnahmen seien nötig, um noch schlimmere Auswirkungen der Krise auf die Bevölkerung zu verhindern: „[I]n certain programs, successful crisis resolution has required significant cuts in expenditures, including in social sectors, and in real wages (the Greece program is a leading example). These cuts, while necessary for economic stability and a return to sustained growth, have undoubtedly been painful for many in the concerned countries.“266

Doch solchen Argumenten ist mit Vorsicht zu begegnen: „While a banking collapse would have had unpredictable further negative social impacts, it is equally important to prevent onerous human rights costs caused by austerity measures implemented in order to repay the funds used for bailing out the banks. […] After more than five years of adjustment policies, indicators tracking economic, social and cultural rights in Greece have not improved. To the contrary in many areas they have even worsened.“267

b) Menschenrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Akteure aa) Kriterien des UN-Menschenrechtskommissariats Das UN-Menschenrechtskommissariat hat sich 2013 in einem Bericht an den ECOSOC zu den Auswirkungen der Austeritätspolitik geäußert. Dabei geht es von der Grundprämisse aus, dass die Austeritätsmaßnahmen die Auswirkungen der globalen Finanzkrise weiter verschlimmert und den wirt264  New York Times Online, More Children in Greece Are Going Hungry, 17.4.2013, www.nytimes.com/2013/04/18/world/europe/more-children-in-greece-startto-go-hungry.html?r=0. 265  Ibid. 266  IWF, 2011 Review of Conditionality, Overview Paper, 19.6.2012, S. 17. 267  UN-Menschenrechtskommissariat, End of Mission Statement, United Nations Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and Other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Par­ ticularly Economic, Social and Cultural Rights, Juan Pablo Bohoslavsky, Athens, 8.12.2015, www.ohchr.org/Documents/Issues/IEDebt/EOM_Statement_Greece_IEForeignDebt_EN.pdf, S. 2.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

schaftlichen Genesungsprozess verzögert hätten. In der Folge wären nicht nur die Möglichkeiten der Individuen, ihre Menschenrechte auszuüben, sondern auch jene der Staaten, ihren Schutzpflichten nachzukommen, verringert worden. Besonders betroffen seien die verletzlichsten und marginalisierten Mitglieder der Gesellschaft, wie Frauen, Kinder, Minderheiten, Migranten und von Armut Betroffene.268 Zudem bezweifelt das OHCHR die generelle Zweckmäßigkeit von Austeritätspolitik und zieht dafür eine Studie der International Labour Organization (ILO) aus dem Jahr 2012 heran.269 Diese kam zu dem Schluss, dass in Staaten, die Austeritätsmaßnahmen durchführten, die Wachstums- sowie die Beschäftigungsraten weiterhin sinken, vor allem, weil die Maßnahmen gerade keine privaten Investitionen fördern. Die ILO spricht diesbezüglich von einer Austeritätsfalle (‚austerity trap‘).270 In seinem Bericht legt das Kommissariat sechs Kriterien vor, anhand derer beurteilt werden soll, ob Austeritätsmaßnahmen wirtschaftliche und soziale Rechte verletzen oder nicht: •• Die Existenz eines zwingenden Staatsinteresses; •• Die Notwendigkeit, Angemessenheit, zeitliche Begrenztheit und Verhältnismäßigkeit der Austeritätsmaßnahmen; •• Ausschöpfung von alternativen und milderen Mitteln; •• Nichtdiskriminierende Natur der Maßnahmen; •• Schutz eines Mindestkerngehalts der Rechte; •• Wirkliche Beteiligung betroffener Gruppen und Individuen.271 Wenn man die Austeritätsmaßnahmen in Griechenland anhand dieser Kriterien begutachtet, kommt man zu einem negativen Ergebnis. Die Internationale Menschenrechtsliga argumentierte, die Austeritätsmaßnahmen verletzten

268  UN-Dokument

E/2013/82 (7.5.2013), Rz. 2. Rz. 4. 270  ILO, World of Work Report 2012, Better Jobs for a Better Economy, www.ilo. org/global/research/global-reports/world-of-work/WCMS_179453/lang--en/index. htm, S. viii. Zudem beruft sich das Menschenrechtskommissariat in seinem Bericht (UN-Dokument E/2013/82 [7.5.2013], Rz. 4, Fn. 3) auf die entsprechenden Ansicht des ehemaligen Weltbank-Chefökonomen Joseph Stiglitz; Bloomberg News, Stiglitz Says Austerity Kills Jobs, Brings Economic Decline, 13.5.2011, www.bloomberg. com/news/articles/2011-05-13/nobel-winner-stiglitz-warns-job-killing-austerity-meas ures-hurt-economies. 271  UN-Dokument E/2013/82 (7.5.2013), Rz. 15 ff. 269  Ibid.,



B. Strukturanpassungsprogramme227

jedes Kriterium.272 Bezüglich des ersten Kriteriums ist nach den Ausführungen des OHCHR entscheidend, dass das Staatsinteresse mit der Gesamtheit (‚totality‘) der durch den ICESCR gewährten Rechte abgewogen und im Kontext der vollen Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Mittel betrachtet wird.273 Diese Formulierung stammt aus dem Allgemeinen Kommentar Nr. 3 des CESCR zu den Staatenpflichten aus Art. 2 Abs. 1 ICESCR. Dort bezieht sich das CESCR auf bewusst retrogressive Maßnahmen eines Staates und fordert „the most careful consideration“.274 Der Staat könne nur dann die Rechtfertigung der Austeritätsmaßnahmen begründen, wenn Faktoren, die außerhalb seiner Kontrolle liegen, zu einer Reduzierung der verfügbaren Mittel geführt haben, und es so erforderlich machen, diejenigen, die sich noch in einer vergleichsweise starken Position befinden, stärker zu belasten, um so gerade das vom ICESCR anerkannte Niveau der Rechte für die verletzlichsten Mitglieder der Gesellschaft sicherzustellen. Ein reiner Verweis auf die Notwendigkeit zu sparen reiche nicht.275 Selbst wenn man annehmen würde, dass die Gründe für die griechische Krise primär außerhalb der nationalen Politik zu suchen wären, so hat es die griechische Regierung wohl zumindest versäumt, zuerst diejenigen belasten, die in einer vergleichsweise stärkeren wirtschaftlichen Position sind, um so Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.276 Kritisch ist es auch zu bewerten, wenn Einschnitte vor allem den Sozial- und Fürsorgesektor treffen, während andere Bereiche (wie z. B. die Ausgaben für Rüstung) unberührt bleiben.277 Das zweite sowie das vierte Kriterium hängen zusammen und sind wohl ebenfalls nicht erfüllt, wenn es um die griechischen Austeritätsmaßnahmen geht: Diese seien weder angemessen noch verhältnismäßig oder zeitlich begrenzt (da es sich ja gerade um strukturelle Reformen handeln soll). Die Schwächsten würden besonders hart getroffen; noch dazu würden sie (im

272  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S.  55 ff. 273  UN-Dokument E/2013/82 (7.5.2013), Rz. 16. 274  UN-Dokument E/1991/23 (14.12.1990), General Comment No. 3, Rz. 9. 275  UN-Dokument E/2013/82 (7.5.2013), Rz. 16. 276  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 55. 277  Radhika Balakrishnan/Diane Elson, Auditing Economic Policy in the Light of Obligations on Economic and Social Rights, 5 Essex Human Rights Review 2008, S. 1, 6; Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 512.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Sinne des sechsten Kriteriums) auch nicht in die Ausgestaltung der Maßnahmen miteingebunden.278 Im Hinblick auf das dritte Kriterium, das Erschöpfen milderer Mittel, verweist das Menschenrechtskommissariat auf Anpassungen der Steuerpolitik.279 Gerade Griechenland wird immer wieder dafür kritisiert, dass die wohlhabendsten Bürger zu wenig oder sogar gar keine Steuern zahlen, was von den griechischen Behördern nicht hinreichend geahndet würde.280 Dies betrifft hauptsächlich die drei Gruppen der sehr vermögenden Reeder (die ihre Unternehmen allerdings meist im Ausland registriert haben), der Freiberufler und der kleineren Unternehmer.281 Eine menschenrechtliche Herangehensweise fordert jedoch gerade auch die Bekämpfung von Steuerflucht sowie ein progressives Steuersystem, das sich vor allem auf direkte Steuern stützt und nicht durch indirekte (wie die Mehrwertsteuer) ärmere Menschen unverhältnismäßig belastet.282 Dieses dritte Kriterium sollte auch im Zusammenhang mit dem ersten gelesen werden: Maßnahmen wie einer Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel im Sommer 2015, die alle Menschen und ganz besonders die Bedürftigsten trifft, wäre beispielsweise die Erhöhung der Spitzensteuersätze auf Einkommen vorzuziehen gewesen. Im Hinblick auf den einzuhaltenden Mindestgehalt der Menschenrechte verweist das OHCHR auf die Einrichtung eines ‚social protection floor‘. Mit diesem Begriff ist das Mindestniveau an sozialer Absicherung bezüglich Obdach, Gesundheit, Nahrung und Armenfürsorge gemeint.283

278  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S.  55 f. 279  UN-Dokument E/2013/82 (7.5.2013), Rz. 18. 280  Zeit Online, Steuerhinterziehung kostet Griechenland jährlich 20 Milliarden Euro, 10.10.2015, www.zeit.de/wirtschaft/2015-10/griechenland-ermittelt-gegen-steuer suender. 281  Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, Vermögend und verschont, 23.2.2015, www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/steuern-bei-reichen-die-probleme-in-grie chenland-13445378.html. 282  Magdalena Sepúlveda Carmona, Alternatives to Austerity: A Human Rights Framework for Economic Recovery, in: Aoife Nolan (Hrsg.), Economic and Social Rights after the Global Financial Crisis, 2014, S. 23, 46. 283  UN-Dokument E/2013/82 (7.5.2013), Rz. 20.



B. Strukturanpassungsprogramme229

bb) Verursachungsbeiträge im Verhältnis zwischen dem griechischen Staat und dem IWF Fraglich ist, welchen Anteil an den oben genannten Einschränkungen der Ernährungssicherheit jeweils Griechenland als Territorialstaat sowie den IWF als Teil der Troika bzw. Quadriga trifft.284 Griechenland als Staat trifft eine primäre Pflicht, die Rechte der seiner Herrschaftsgewalt unterfallenen Menschen sicherzustellen. Unabhängig von behaupteten ökonomischen Notwendigkeiten ist Griechenland aufgrund seiner Mitgliedschaft285 beim ICESCR verpflichtet, jedenfalls den minimalen Kerngehalt des Rechts auf Nahrung sicherzustellen, frei von Diskriminierung. Dem Staat zugerechnet werden kann auch das Handeln von nationalen Zentralbanken, welche Einheiten des Staates sind, auch wenn sie mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit ausgestattet wurden.286 Zur Schutzpflicht Griechenlands wiederum gehört es, auch in der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten. Auf diese Pflicht verwies das CESCR bereits 1999 in seinem Allgemeinen Kommentar zum Recht auf Nahrung. Unter den dort genannten konkreten Verletzungsmöglichkeiten in Bezug auf das Recht findet sich die Nichtberücksichtigung der entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen durch einen Staat beim Abschluss von Vereinbarungen mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen.287 In der Anhörung zum Ende 2013 übermittelten griechischen Staatenbericht im Oktober 2015 stellte ein Mitglied des CESCR die Frage, ob Griechenland 284  Zur Verantwortung der EU-Mitgliedsstaaten sowie der EU-Institutionen, siehe Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 62 ff.; Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/ Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 504 ff. (hier mit Fokus auf den extraterritorialen Staatenpflichten aus dem ICESCR); Margot Salomon, Of Austerity, Human Rights and International Institutions, 21 European Law Journal 2015, S. 521; Andreas Fischer-Lescano, Human Rights in Times of Austerity Policy: The EU Institutions and the Conclusion of Memoranda of Understanding, Legal Opinion Commissioned by the Chamber of Labour in Vienna, 2014, www.etui.org/content/download/13817/113830/file/Legal+O pinion+Human+Rights+in+Times+of+Austerity+Policy+(final).pdf. 285  Griechenland ist dem ICESCR am 16.5.1985 beigetreten, https://treaties.un. org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-3&chapter=4&lang=en. 286  Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 499. 287  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 19.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

in seinen Verhandlungen mit der Troika auf seine Verpflichungen aus dem ICESCR verwiesen habe. Diese Frage wurde nicht direkt beantwortet, der griechische Arbeitsminister bezog sich allerdings (nach einem Verweis auf die Versuche der neuen linken Regierung, die Austeritätsmaßnahmen abzumildern) im Laufe der Anhörung auf den Grundsatz pacta sunt servanda, der erst recht für internationale Einkünfte gelten müsse, die im Vergleich zu bilateralen Memoranden (womit die mit der Troika abgeschlossenen Memoranden gemeint sein dürften) Vorrang genössen. Individuen würde das Recht offen stehen, sich an das CESCR zu wenden.288 In anderen Situationen verwies Griechenland darauf, dass dem Staat aufgrund des Einflusses der Troika die Hände gebunden seien.289 Der IWF hatte als Teil der Troika bzw. Quadriga einen entscheidenden Anteil an den griechischen Austeritätsmaßnahmen. Zum ersten Hilfspaket hat der IWF ungefähr ein Viertel der Gelder beigetragen, zum zweiten 12 %.290 Da die Troika keine internationale Organisation, sondern lediglich ein Netzwerk dreier unabhängiger Institutionen darstellt (Krajewksi spricht diesbezüglich von einem ‚hybrid transnational network‘), handelte es sich nicht um ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt mit eigener Rechtspersönlichkeit – ein Rückgriff auf die Organisationen, welche die Troika bilden, ist somit in vollem Umfang möglich.291 Nichts anderes kann für die Quadriga gelten. Nach Angaben des IWF bestand zwischen den Mitgliedern der Troika keine klare Arbeitsteilung (wie es sonst zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit der Weltbank der Fall sei).292 Für gewöhnlich beruft sich der IWF darauf, dass seine Vorgaben vager Natur sind und keinen konkreten Einfluss auf das Verhalten eines Staates haben.293 Im Falle Griechenlands verfängt diese Begründung allerdings nicht:

288  CESCR, Presseerklärung vom 6.10.2015, www.ohchr.org/EN/NewsEvents/ Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=16568&LangID=E. 289  Margot Salomon, Of Austerity, Human Rights and International Institutions, 21 European Law Journal 2015, S. 528 ff. 290  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 66. 291  Markus Krajewski, Human Rights and Austerity Programmes, in: Thomas Cottier/Rosa M. Lastra/Christian Tietje (Hrsg.), The Rule of Law in Monetary Affairs, 2014, S. 490, 503. 292  IWF, Greece: Ex Post Evaluation of Exceptional Access under the 2010 StandBy Arrangement, IMF Country Report No. 13/156, Juni 2013, Rz. 62. 293  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 10f.



B. Strukturanpassungsprogramme231

Die Memoranden zeigen eindeutig die Zielgerichtetheit der Vorgaben, ihre Messbarkeit und ihre Kontrolle im Trimester-Rhythmus.294 Die konkreten Auswirkungen der Maßnahmen abzuschätzen, die (unter anderem) durch den IWF veranlasst wurden, und diese von den Auswirkungen der Krise selbst abzugrenzen, ist nicht einfach. Generell kann aber wohl angenommen werden, dass die sozialen Auswirkungen der Krise sowohl von den sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen, wie auch durch politische Maßnahmen beeinflusst wurden.295 Ein OECD-Arbeitspapier kam zu dem Schluss, dass Austeritätsmaßnahmen zumindest anfangs die Ungleichheit in einer Gesellschaft reduziert und so die Auswirkungen der Rezession abgeschwächt hätten. Ab 2012 sollen sie die Einkommensverteilung hingegen leicht (wenngleich statistisch signifikant) ungleicher werden haben lassen. Mit jeder Runde von Austeritätsmaßnahmen habe sich dann der Anteil der Bevölkerung, der unter eine 2005 definierte Armutsgrenze gefallen ist, weiter erhöht, verstärkt durch die stetig steigende Arbeitslosigkeit. Von den zusätzlichen 13,6 %, die sich 2012 im Vergleich zu 2009 zusätzlich unter jener Armutsgrenze von 2005 befanden, soll es 40 % allein aufgrund der Konsolidierungsmaßnahmen getroffen haben.296 Während gewisse Maßnahmen wie die Veränderung der Steuersätze 2010/11, Kürzungen im öffentlichen Dienst (deren Angehörige sich vor der Krise ihren Einkommen nach zu drei Viertel in den obersten 30 % der Bevölkerung befanden) sowie Besteuerung bzw. Kürzungen im Rentensystem einen gewissen positiven redistributiven Effekt gehabt hätten, wären die Kürzungen von Arbeitslosenunterstützungen im Jahr 2012 nachteilig gewesen.297 Auch ein Arbeitspapier des IWF hat „The Distributional Effects of Fiscal Consolidation“ untersucht, anhand von 17 OECD-Staaten im Zeitraum von 1978 bis 2009. Dabei kamen die Autoren zu dem Schluss, dass Fiskalkonsolidierung – also Sparmaßnahmen im Sinne einer Austeritätspolitik – typischerweise die Ungleichheit in einer Gesellschaft steigert und Langzeitarbeitslosigkeit erhöht.298 Insgesamt sind die öffentlichen Sozialausgaben in 294  Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme/Hellenic League for Human Rights, Downgrading Rights: The Costs of Austerity in Greece, 2014, S. 67. 295  Vassiliki Koutsogeorgopoulou et al., Fairly Sharing the Social Impact of the Crisis in Greece, OECD Economics Department Working Papers No. 1106, 2014, http://dx.doi.org/10.1787/5jzb6vwk338x-en, S. 25. 296  Ibid., S. 27. 297  Ibid., S. 28. 298  Laurence Ball/Davide Furceri/Daniel Leigh/Prakash Loungani, The Distribu­ tional Effects of Fiscal Consolidation, IMF Working Paper No.WP/13/151, 2013, S. 11.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Griechenland von 2011 – 2013 um 2,5 % gesunken.299 Im Rahmen der generellen Reduzierung des öffentlichen Sektors wurde, wie ausdrücklich von der Troika gefordert, der Träger des sozialen Wohnungsbaus für Arbeiter (OEK) geschlossen, mit einher ging die Abschaffung des bedarfsorientierten Mietzuschusses (wenngleich Pläne für eine neuartige Version verkündet wurden).300 Jedoch muss man der Troika, und mithin auch dem IWF, zugestehen, dass sie Griechenland dazu aufgefordert hatten, bis zum Sommer 2014 eine Sozialhilfe einzuführen, die jedenfalls das Existenzminimum deckt. Dies habe die griechische Regierung damals jedoch aus wahlkampftaktischen Gründen abgelehnt, angeblich um Sozialleistungen weiterhin als Wahlversprechen einsetzen zu können.301 Ab November 2014 lief schließlich ein entsprechendes Pilotprogramm an,302 welches von der Weltbank unterstützt wurde.303 Das MoU von 2015 betonte die Wichtigkeit eines entsprechenden Systems der sozialen Absicherung.304 Anfang 2017 wurde landesweit eine Sozialhilfe eingeführt, die auf Geld- und sonstigen Leistungen wie einer Krankenversicherung und der Bereitstellung von Schulmahlzeiten beruht.305 Jenseits der konkreten Verantwortlichkeit für die verzögerte Einführung einer Sozialhilfe ist jedoch gerade auch das Wechselspiel mit den Forderungen nach Rentenkürzungen zu betrachten. Mag die Kürzung zu hoher Renten objektiv bzw. für sich genommen wichtig gewesen sein, so darf dabei nicht 299  Vassiliki Koutsogeorgopoulou et al., Fairly Sharing the Social Impact of the Crisis in Greece, OECD Economics Department Working Papers No. 1106, 2014, http://dx.doi.org/10.1787/5jzb6vwk338x-en, S. 30. 300  Ibid.; Zoe Lanara, Griechische Gewerkschaften und die Krise, Friedrich-EbertStiftung, März 2012, http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/09014.pdf, S. 8. 301  Spiegel Online, Schuldenstreit: Die Mär vom griechischen Luxusrentner, 18.6.2015, www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-was-rentner-im-vergleichzu-deutschland-wirklich-kriegen-a-1039256.html. 302  Europäische Kommission, Assessment of the Social Impact of the new Stabil­ ity Support Programme for Greece, Commission Staff Working Document, 19.8.2015, SWD(2015) 162 final, https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/ecfin_assessment_so cial_impact_en.pdf, S. 18. 303  Greek News Agenda (Hellenische Republik/Generalsekretariat für Medien und Kommunikation), Government to roll out nationwide Social Solidarity Income scheme, 23.1.2017, www.greeknewsagenda.gr/index.php/topics/politics-polity/6271government-to-roll-out-nationwide-social-solidarity-income-scheme. 304  Memorandum of Understanding between the European Commission on Behalf of the European Stability Mechanism and the Hellenic Republic and the Bank of Greece, 19.8.2015, http://ec.europa.eu/economy_finance/assistance_eu_ms/greek_loan_ facility/pdf/01_mou_20150811_en.pdf, S.  16 f. 305  Siehe Europäische Kommission, Greece – Unemployment insurance benefits and unemployment assistance benefits, http://ec.europa.eu/social/main. jsp?catId=1112 &langId=en&intPageId=4 571 (Stand: März 2020).



B. Strukturanpassungsprogramme233

die Bedeutung des Rentensystems als familieninternes Umverteilungssystem und somit als Ersatz für eine allgemeine Sozialhilfe außer Acht gelassen werden. Auf eine Senkung der Rentenzahlungen zu pochen, während gleichzeitig noch kein Ersatz für die über ihren unmittelbaren Zweck hinausgehende soziale Funktion dieser Gelder sichergestellt wird, kann nur zu (vorhersehbaren) negativen Auswirkungen auf das Existenzniveau der Bevölkerung führen. Insgesamt bedeutet eine Verantwortlichkeit internationaler Organisationen nicht, dass sich Staaten ihrer eigenen Verantwortlichkeit entziehen können – die Weltbank und der IWF kann vielmehr eine geteilte Verantwortlichkeit neben dem betroffenen Staat treffen.306 Aus diesem Grund ist es grundsätzlich nicht einmal nötig, genauestens nach (möglicherweise prozentualen) Verursachungsteilen zu differenzieren, solange man davon ausgehen kann, dass der IWF zumindest zu einem nicht lediglich untergeordneten Teil zu einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse, und mithin auch zu einer rückläufigen Entwicklung des Rechts auf Nahrung beigetragen hat, die im Sinne des grundsätzlichen Verbots retrogressiver Maßnamen in Bezug auf wirtschaftliche und soziale Rechte in dieser Form jedenfalls unter dem ICESCR nicht zulässig wäre. Allerdings ist hier einschränkend zu berücksichtigen, dass wohl lediglich das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, Völkergewohnheitsrecht darstellt und somit auch den IWF bindet, nicht das weitere Recht auf Nahrung.307 Konkreten Anlass für die Prüfung einer völkerrechtlichen Verantwortung des IWF können somit nur die schwerwiegendsten Folgen einer Austeritätsmaßnahme bieten. cc) Mangelnde Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Rechte im Austeritätsprozess Auch unabhängig davon, ob letztlich die Austeritätspolitik oder die Krise selbst größeren Anteil an der Not der Bevölkerung hat, lässt sich jedenfalls feststellen, dass die Troika bzw. Quadriga und mithin auch der IWF wirtschaftliche und soziale Rechte unzureichend berücksichtigt haben. Allem Anschein nach wurden bei der Zusammenstellung der Austeritätsmaßnahmen, welche die Institutionen von Griechenland forderten, um weitere Kredite zu erhalten, Menschenrechtsstandards nicht berücksichtigt.308 306  Siehe unter Teil 1, G.; im Detail zur Begründung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit Teil 3, B. V.; Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 193. 307  Siehe hierzu umfassend in den Teilen 1 und 2. 308  Mary Dowell-Jones, The Economics of the Austerity Crisis: Unpicking Some Human Rights Arguments, 15 Human Rights Law Review 2015, S. 193, 200.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Weder im Entstehungs- noch im Monitoringprozess der Maßnahmen und ihrer Umsetzung waren Menschenrechtsexperten beteiligt309 – was die zurückhaltende Einstellung des IWF gegenüber Menschenrechten, auch wirtschaftlichen und sozialen, widerspiegelt. Im Jahr 2011 schien der IWF dies erkannt zu haben, und empfahl eine Stärkung der vor einem Programm allzu selten durchgeführten Folgenabschätzungen auf sozialer Ebene.310 Eine Bewertung des IWF-Verhaltens während der Weltfinanzkrise durch das hauseigene Independent Evaluation Office aus dem Jahr 2014 ließ jedoch erneut jegliche Berücksichtigung der menschenrechtlichen Situation vermissen.311 Im Jahr 2015, im Zusammenhang mit der Verabschiedung des dritten Rettungspaketes, hat die Europäische Kommission (als Teil der Quadriga) erstmals eine soziale Folgenabschätzung vorgenommen.312 Der UN-Experte für die Auswirkungen von Auslandsschulden bezeichnete diese Untersuchung jedoch als enttäuschend, sie habe nur einen begrenzten Umfang gehabt und bei weitem nicht den Anforderungen entsprochen, die bereits sein Vorgänger für die Durchführung einer menschenrechtlichen Folgenabschätzung aufgestellt hätte. Auch mangele es an einer Bewertung der bisherigen Maßnahmen sowie an entsprechenden Lehren, die man daraus ziehen könnte. Der Begriff ‚human rights‘ taucht in dem gesamten Bericht kein einziges Mal auf.313 Auch das griechische Parlament hat durch das sogenannnte Truth Committee on Public Debt eine Folgenabschätzung vornehmen lassen.314 Wie sich der IWF in ähnlichen Schuldenkrisen weiter positionieren wird, ist noch nicht vollständig abzusehen. Auffallend ist jedoch, dass er jedenfalls in kleinen Schritten Abstand von jahrzehntelang fest verankerten Ansichten nimmt. In einer generellen Bestandsaufnahme zu Austerität schrieb der IWF 2012: 309  Ibid.,

S. 212. 2011 Review of Conditionality, Overview Paper, 19.6.2012, S. 18. 311  IWF/Independent Evaluation Office, IMF Response to the Financial and Economic Crisis, 2014. 312  Europäische Kommission, Assessment of the Social Impact of the new Stabil­ ity Support Programme for Greece, Commission Staff Working Document, 19.8.2015, SWD(2015) 162 final, http://ec.europa.eu/economy_finance/assistance_eu_ms/greek_ loan_facility/pdf/assessment_social_impact_en.pdf. 313  UN-Menschenrechtskommissariat, End of Mission Statement, United Nations Independent Expert on the Effects of Foreign Debt and Other Related International Financial Obligations of States on the Full Enjoyment of All Human Rights, Particularly Economic, Social and Cultural Rights, Juan Pablo Bohoslavsky, Athens, 8.12.2015, www.ohchr.org/Documents/Issues/IEDebt/EOM_Statement_Greece_IEFor eignDebt_EN.pdf, S.  3 f. 314  Griechisches Parlament, Truth Committee on Public Debt: Preliminary Report, 18.6.2015, www.hellenicparliament.gr/en/Enimerosi/Grafeio-Typou/Deltia-Typou/? press=f660f87e-9410-414c-9476-a4bb016e6c48. 310  IWF,



B. Strukturanpassungsprogramme235 „Both spending and revenue measures have important implications for employment and social equity, which need to be taken into account if the large consolidation efforts underway are to be sustainable. An appropriate degree of progressivity in taxation and access to social benefits is imperative for limiting the negative social effects of adjustment packages. Better-designed tax and social benefit policies, accompanied by active labor market programs, can help boost labor supply and demand. However, structural reforms remain the key to better growth and employment prospects.“315

2013 kritisierte der IWF in einem Länderbericht zu Griechenland das Austeritätsprogramm der Troika von 2010. Unter anderem bedauerte der IWF, dass er die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts verkannt habe (eine Schlussfolgerung, welche die Europäische Kommission unter Verweis auf die Verflechtungen innerhalb des Euroraums zurückwies).316 Auch die sozialen Auswirkungen des Programms betrachtet der IWF nunmehr kritisch: „The burden of adjustment was not shared evenly across society. The public sector wage bill was cut by lowering wages and bonuses, but specific plans to downsize the number of civil servants were limited to a commitment to replace only 20 percent of those who retired. The state enterprises also remained generously staffed. By contrast, the private sector sustained enormous job losses partly because wage setting mechanisms were not liberalized. Moreover, little progress was made in checking tax evasion by high income earners. While the program recognized that it would take time to show results from improved tax administration, the absence of quick progress in collecting evaded taxes came at the cost of any demonstrable improvement in the equity of the tax burden.“317

Dabei verweist der IWF allerdings gerade auch auf eine in seinen Augen mangelnde Reformbereitschaft Griechenlands: „Reform efforts in Greece under the program might have been more enduring if more visible progress had been made with regard to getting those on high incomes to pay their taxes. The program made an attempt to reflect distributional concerns by shielding those on low incomes from cuts in state pensions. The risks to public support for the program from not reducing tax evasion were also continually flagged by the Fund. The lack of political will to make clear progress with improving tax compliance was nonetheless a considerable obstacle to the program’s success.“318

Im Jahr 2016 veröffentlichten hochrangige Mitarbeiter der Forschungsabteilung des IWF einen Bericht zum Thema „Neoliberalism: Oversold?“, in 315  IWF,

Taking Stock: A Progress Report on Fiscal Adjustment, 2012, S. ix. Zeitung Online, IWF entschuldigt sich ein bisschen bei Griechenland, 6.6.2013, www.sueddeutsche.de/wirtschaft/krisenstrategie-iwf-entschuldigt-sichein-bisschen-bei-griechenland-1.1690444. 317  IWF, Greece: Ex Post Evaluation of Exceptional Access under the 2010 StandBy Arrangement, IMF Country Report No. 13/156, Juni 2013, Rz. 47. 318  Ibid., Rz. 68. 316  Süddeutsche

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

dem sie mehrere Kernprinzipien des Konzepts verurteilten. Zwar habe die Ausweitung des Welthandels Millionen Menschen aus der Armut befreit, ausländische Direktinvestitionen Entwicklungsländern Technik und Knowhow beschert, und die Privatisierung von Staatsunternehmen oftmals zu effizienteren Dienstleistungen und niedrigeren Kosten für die Regierungen geführt. In Bezug auf die Kürzung von Staatsausgaben und freie Kapitalmärkte (welche das Risiko von Finanzcrashs erhöhen würden) könne man jedoch eine wachstumsfördernde Wirkung nicht beweisen, stattdessen würden sie die wirtschaftliche Nachfrage senken und Ungleichheit in der Gesellschaft erhöhen.319 Inwieweit sich derartige Erkenntnisse innerhalb des IWF wirklich durchsetzen und zu einer Änderung der tatsächlichen Herangehensweise führen werden, kann bislang noch nicht abgesehen werden.

IV. Haltung gegenüber der Sozialpolitik in Form von sozialen Sicherheitsnetzen Trotz des bereits beschriebenen Fokus der Bretton-Woods-Institutionen auf der Ausgabenkürzung stehen die Institutionen Sozialprogrammen nicht ablehnend gegenüber. Vielmehr zeichnete sich schon in den 1980er Jahren eine gewisse Unterstützung von solchen Sozialprogrammen ab, die geeignet waren, die Auswirkungen der Strukturanpassungsprogramme ein wenig abzufedern.320 So begann der IWF 1987 mit der Eingliederung bestimmter Sozialausgleiche in seine Strukturanpassungsprogramme.321 Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sowie im Zusammenhang mit der Asienkrise assistierte die Weltbank bei der Einführung großangelegter neuer Sozialmaßnahmen in den betroffenen Staaten, die nunmehr eher auf Langfristigkeit als auf konkretes Krisenmanagement abzielten; im gleichen Zeitraum gründet die Weltbank eine Social Protection Unit.322 Während Investitionen mit jedenfalls teilwei319  Jonathan D. Ostry/Prakash Loungani/Davide Furceri, Neoliberalism: Oversold?, 53 Finance & Development 2016, www.imf.org/external/pubs/ft/fandd/2016/06/ pdf/ostry.pdf, S.  38 ff. 320  Anthony Hall, Social Policies at the World Bank: Paradigms and Challenges, 7 Global Social Policy 2007, S. 151, 152 ff.; ders., From Fome Zero to Bolsa Família: Social Policies and Poverty Alleviation under Lula, 38 Journal of Latin American Studies 2006, S. 689, 696. 321  Michael Lucas, The International Monetary Fund’s Conditionality and the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: An Attempt to Define the Relation, Revue Belge de Droit International 1992, S. 104, 130. 322  Anthony Hall, From Fome Zero to Bolsa Família: Social Policies and Poverty Alleviation under Lula, 38 Journal of Latin American Studies 2006, S. 689, 696.



B. Strukturanpassungsprogramme237

ser Unterstützung für soziale Entwicklung in den frühen 1980er Jahren noch 5 % der Weltbankkredite ausmachten, lag der Anteil 1994 schon bei 15 % und wuchs stetig weiter.323 Mit der Finanzkrise ab 2008 intensivierte der IWF seine Bemühungen; 2014 wurden die Conditionality Guidelines überarbeit, um sozialen Sicherheitsnetzen mehr Gewicht zu verleihen.324 Soziale Sicherheitsnetze (‚social safety nets‘) umfassen dabei diverse Arten von Unterstützung für arme und armutsgefährdete Personen und Familien, wie z. B. direkte Geldzahlungen, Sachleistungen, Subventionen, Arbeitgegen-Leistung-Maßnahmen (‚workfare programs‘) und sonstige Aktivitäten zur Risikomilderung.325 Dabei kann es sich auch um kurzfristige Maßnahmen handeln, die in akuten Notlagen dennoch eine wichtige Funktion einnehmen.326 In seinem World Development Report 1990 zur Armutsbekämpfung widmete die Weltbank sozialen Sicherheitsnetzen und Transferleistungen ein eigenes Kapitel. In ihm betont sie eingangs, dass soziale Sicherheitsnetze gerade dann erforderlich sind, wenn die Ernährungssicherheit, und mithin das Überleben der Menschen, gefährdet ist. In diesem Rahmen werden vor allem drei Varianten genannt: Einfluss auf Nahrungsmittelpreise und Verteilungen (‚food pricing and distribution‘), öffentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (‚public employment schemes‘) sowie Sozialhilfe (‚social security‘).327 Als hilfsbedürftig benennt der Bericht zwei Sorten von Menschen: „those unable to participate in the growth process and those who may be temporarily in danger when events take an unfavourable turn“.328 Auch der IWF betrachtet soziale Sicherheitsnetze (jedenfalls seit den 1990er Jahren und verstärkt im Zuge der globalen Finanzkrise ab 2008329) als das Mittel der Wahl, die Auswirkungen von Sparmaßnahmen abzufedern: „The IMF recognizes that it must be aware of any adverse effects of the policies it recommends. Adjustment efforts create winners and losers, and sometimes the poor 323  Weltbank, Putting Social Development to Work for the Poor: An OED Review of World Bank Activities, 2005, S. 8. 324  IWF/Independent Evaluation Office, The IMF and Social Protection, 2017, S. 4, 6; IWF, Revised Operational Guidance to IMF Staff on the 2002 Conditionality Guidelines, Juli 2014, www.imf.org/external/np/pp/eng/2014/072314.pdf, S. 8. 325  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 280; IWF/Independent Evaluation Office, The IMF and Social Protection, 2017, S. 3. 326  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 747. 327  Weltbank, World Development Report 1990: Poverty, 1990, S. 90. 328  Ibid., S. 101. 329  IWF/Independent Evaluation Office, The IMF and Social Protection, 2017, S.  4 f.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

suffer disproportionately. In those cases, it may be necessary to introduce appropriate safety nets to help alleviate adverse social consequences.“330

Die Maßnahmen ähneln dabei denen der Weltbank, auch weil der IWF sie von dieser im Wesentlichen übernommen hat.331 Jedoch blieb die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen für soziale Sicherheit oft zweifelhaft: So wurde kritisiert, dass zu oft lediglich auf bereits existierenden Programmen aufgebaut werden würde, ohne die Besonderheiten der aktuellen Probleme zu berücksichtigen, dass sie viele Menschen in Not nicht erreichten, und schlecht ausgestattet sowie anfällig für korruptionsbedingtes ‚Versanden‘ seien.332 Ein positives Beispiel stellt der Strukturanpassungskredit in Höhe von ca. 2,5 Milliarden US$ dar, den Argentinien 1998 von der Weltbank erhalten hat, um den Verfall seiner Währung zu verhindern. Hier enthielten die Vorgaben der Bank eine Klausel, die vorsah, dass die Regierung ein Sicherheitsnetz an Sozialprogrammen im Wert von etwa 680 Millionen US$ sicherstellen muss. Als die argentinische Regierung im Vorfeld anstehender Wahlen fast zwei Drittel der Gelder aus dem Pro-Huerta-Programm abzog, das ca. 3 Millionen Menschen durch Saatbereitstellung und technische Unterstützung dabei half, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen, rief eine lokale NGO das In­spection Panel der Weltbank an. Der Weltbank wurde vorgeworfen, die Implementierung der Vorgaben nicht hinreichend überwacht zu haben. In Folge der Beschwerde übte die Weltbank Druck auf die argentinische Regierung aus, die Finanzierung des Programms wiederherzustellen.333 Auch kommt es vor, dass die Bretton-Woods-Institutionen relativ isoliert großangelegte Sozialprogramme unterstüzen. Im Jahr 2003 wurde in Brasilien unter der Präsidentschaft Luis Inácio Lula da Silvas das Programm ‚Fome Zero‘ (‚Null Hunger‘) lanciert, das den Hunger und die extreme Armut in Brasilien bekämpfen sollte.334 Die drei Hauptsäulen des Programms waren Bolsa Família (direkter Geldtransfer an 12 Millionen arme Familien, vorausgesetzt, ihre Kinder besuchen die Schule und nehmen an Gesundheits330  Sérgio Pereira Leite, Human Rights and the IMF, 38 Finance & Development 2001, www.imf.org/external/pubs/ft/fandd/2001/12/leite.htm. 331  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 305. 332  Hierzu ausführlich Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 100 f. 333  Weltbank/Inspection Panel, Argentina: Special Structural Adjustment Loan, Management Response vom 13.9.1999, http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/ PanelCases/17-Management%20Response%20(English).pdf; Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 747 f. 334  Siehe umfassend Anthony Hall, From Fome Zero to Bolsa Família: Social Policies and Poverty Alleviation under Lula, 38 Journal of Latin American Studies 2006, S. 689.



B. Strukturanpassungsprogramme239

vorsorgemaßnahmen teil), die großflächige Einführung kosten­ loser Schulspeisungen sowie Maßnahmen zur Stärkung der familiären Landwirtschaft.335 Schnell wurde das Programm von der Weltbank, dem IWF und der Interamerikanischen Entwicklungsbank befürwortet.336 Das Programm wurde weltweit als Erfolg gewertet und hatte eine Vorbildfunktion für andere Staaten in Lateinamerika und Afrika in Sachen Hungerbekämpfung.337 Es wurde nicht nur von der FAO finanziell und technisch unterstützt, sondern auch von der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank.338 Im Juni 2004 stellte die Weltbank für den Programmteil Bolsa Família einen Kredit in Höhe von 572 Millionen US$ bereit;339 2010 einen weiteren in Höhe von 200 Millionen US$.340 Während der IWF in den letzten Jahren stets betonte, dass er den Staaten zunehmend den nötigen finanziellen Freiraum für eine bessere Sozialpolitik gewähre und sich Sozialausgaben unter seinen Programmen erhöhten,341 kam eine Studie 2016 zu einem anderen Schluss: Ihr zufolge habe der IWF in seinen Programmen nach 2008 von den Kreditnehmerstaaten viele Reformen gefordert, die der Fonds vorgab, gerade nicht mehr zu verfolgen.342 Wie bei so manch anderer internationalen Organisation ließe sich die Divergenz zwischen den erklärten Zielen des IWF und dem tatsächlichen Handeln als eine Form der ‚organisierten Scheinheiligkeit‘ bezeichnen.343 335  FAO,

Right to Food – Lessons Learned in Brazil, 2007, S. 11 f. Hall, From Fome Zero to Bolsa Família: Social Policies and Poverty Alleviation under Lula, 38 Journal of Latin American Studies 2006, S. 689, 695. 337  Oxfam, Fighting Hunger in Brazil: Much Achieved, More to Do, Case Study, Juni 2010, S. 5. 338  FAO, Right to Food – Making it Happen, 2011, S. 57. 339  Anthony Hall, From Fome Zero to Bolsa Família: Social Policies and Poverty Alleviation under Lula, 38 Journal of Latin American Studies 2006, S. 689, 698. 340  Oxfam, Fighting Hunger in Brazil: Much Achieved, More to Do, Case Study, Juni 2010, S. 4. 341  Benedict Clements/Sanjeev Gupta/Masahiro Nozaki, What Happens to Social Spending in IMF-Supported Programs?, IMF Staff Discussion Note, 2011, www.imf. org/external/pubs/ft/sdn/2011/sdn1115.pdf, S. 16. 342  Alexander E. Kentikelenis/Thomas H. Stubbs/Lawrence P. King, IMF Conditionality and Development Policy Space, 1985 – 2014, 23 Review of International Political Economy 2016, S. 1; siehe auch schon Jesse Griffiths/Konstantinos Todoulos, Conditionally Yours: an Analysis of the Policy Conditions Attached to IMF Loans, 2014, European Network on Debt and Development (Eurodad), http://eurodad. org/files/pdf/533bd19646b20.pdf, S. 4; IWF Independent Evaluation Office, Structural Conditionality in IMF-Supported Programs, 2007, S. 19 f. 343  Alexander E. Kentikelenis/Thomas H. Stubbs/Lawrence P. King, IMF Conditionality and Development Policy Space, 1985 – 2014, 23 Review of International Political Economy 2016, S. 1, 4, mit weiteren Nachweisen. 336  Anthony

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Seit 2005 hat sich die Anzahl der Auflagen pro Kredit erhöht, wobei ein Drittel der Vorgaben kritische Bereiche wie Privatisierungen und Liberalisierungen betreffen.344 Zwar schafft der IWF in der Tat zunehmend solche Auflagen mit gewissen Mindestvorgaben, die der Armutsreduzierung dienen sollen: Vor 1997 enthielten weniger als 10 % der IWF-Programme Bedingungen mit sozialem Bezug, seit 2012 liegt der Anteil bei etwa 70 %.345 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch ein etwas anderes Bild. Eine Untersuchung begutachtete 475 Vorgaben für Sozialausgaben in Operationen in Subsahara-Afrika zwischen 1995 und 2014. Von diesen (im Gegensatz zu makroökonomischen Bedingungen unverbindlichen) Vorgaben wurde fast die Hälfte nicht erfüllt, ohne dass der IWF darauf reagierte oder die Staaten entsprechend unterstützte; stattdessen zeigten sich die Vorgaben als in Anbetracht der rigiden Sparauflagen vielmehr als von vornherein nicht erfüllbar.346 Auf der anderen Seite gibt es auch Fälle, in denen der IWF selbst sich bemühte, die negativen Auswirkungen eines Programms auf die Schwächsten der Gesellschaft abzufedern, während der Staat (wie z. B. Lettland) das IWFAnliegen, die Sozialausgaben zu erhöhen, mit der Begründung zurückwies, dass das bestehende System ausreichend wäre und man lieber eine drastischere und dafür hoffentlich kürzer andauernde Phase der Haushaltsanpassung wünsche.347 Eine Untersuchung des IWF-eigenen Independent Evaluation Office kam 2017 zu dem Schluss, dass die Qualität der Einbeziehung sozialer Sicherheit abhängig vom Interesse des Personals stark schwanke. In einigen Fällen werde sehr gute Arbeit geleistet, in anderen „[…] it seemed that attention to social protection devolved into a box-ticking exercise […]“.348

Zudem hätten die öffentlichen Verlautbarungen bezüglich einer verstärkten Berücksichtigung sozialer Belange und einer Zusammenarbeit des IWF mit der ILO, UNICEF und anderen UN-Institutionen zu Erwartungen geführt, die letztlich enttäuscht worden seien. Tatsächlich hätte eine Zusammenarbeit mit

344  Jesse Griffiths/Konstantinos Todoulos, Conditionally Yours: an Analysis of the Policy Conditions Attached to IMF Loans, 2014, European Network on Debt and Development (Eurodad), http://eurodad.org/files/pdf/533bd 19646b20.pdf, S. 7. 345  Alexander E. Kentikelenis/Thomas H. Stubbs/Lawrence P. King, IMF Conditionality and Development Policy Space, 1985 – 2014, 23 Review of International Political Economy 2016, S. 1, 19. 346  Ibid., S.  20 ff. 347  IWF/Independent Evaluation Office, The IMF and Social Protection, 2017, S. 26. 348  Ibid.,S. 39.



B. Strukturanpassungsprogramme241

der UNO, der ILO oder der OECD kaum bis gar nicht stattgefunden.349 Weiterhin kritisierte das Independent Evaluation Office, dass der IWF zu grundlegenden Fragen wie Sozialhilfen nach europäischem Modell, die dauerhaft ein Mindesteinkommen garantieren sollen, oder Rentensystemen (jenseits der Frage ihrer finanziellen Durchführbarkeit) keine hinreichenden eigenen Analysen durchgeführt und dementsprechend auch keine spezifische Herangehensweise entwickelt hätte.350 Dabei müsse gerade der IWF auch eine klare Strategie zu sozialen Sicherheitsnetzen ausarbeiten und dementsprechend verfolgen; entsprechende Ratschläge oder Weisungen müssten auf einer länderspezifischen Analyse beruhen.351 Positiv bewertet wurde hingegen die Zusammenarbeit mit der Weltbank, derer Expertise zu sozialen Sicherheitsnetzen und Rentenreformen sich der IWF gerne bedienen würde. Die Weltbank nimmt hier eine zunehmend wichtige Rolle ein: 2015 begründete sie zusammen mit der ILO eine Initiative für universelle soziale Absicherung (‚universal social protection‘) in Form von Geldzahlungen und Renten für alle Bedürftigen.352 Phasen der Zusammenarbeit des IWF mit der ILO oder UNICEF wurden dagegen nach relativ kurzer Zeit aus unbekannten internen Gründen wieder beendet, obwohl diese tatsächlich gute Ergebnisse hervorgebracht hätten.353 2019 reagierte der IWF auf den kritischen Bericht des Independent Evaluation Office mit der Verabschiedung einer neuen Strategy for IMF Engagement on Social Spending. Anlässlich der Veröffentlichung forderte die da­­ malige geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde: „[S]ocial spend­ing must now take its rightful place at the center of macroeconomic policy discussions“.354 Die Strategie umfasst nicht nur social protection im engeren Sinne, sondern auch Bildungs- und Gesundheitsausgaben.355 Dabei wird auf die Not349  Ibid.,

S. 9 f., 33. S. 12, 19. 351  Ibid., S. 40 f., 42. 352  ILO, The World Bank Group and ILO Universal Social Protection Initiative, Concept Note, www.ilo.org/global/topics/social-security/WCMS_378991/lang--en/ index.htm; IWF/Independent Evaluation Office, The IMF and Social Protection, 2017, S. 34. 353  IWF/Independent Evaluation Office, The IMF and Social Protection, 2017, S.  35 ff. 354  IWF/Christine Lagarde, Forging a Stronger Social Contract – the IMF’s Approach to Social Spending, Rede vom 14.6.2019, www.imf.org/en/News/Artic les/2019/06/14/sp061419-md-social-spending. 355  IWF, Strategy for IMF Engagement on Social Spending, Policy Paper No. 19/016 vom 14.6.2019, www.imf.org/en/Publications/Policy-Papers/Issues/2019/ 06/10/A-Strategy-for-IMF-Engagement-on-Social-Spending-46975, S. 8. 350  Ibid.,

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

wendigkeit inklusiven Wachstums356 sowie auf die Sustainable Development Goals verwiesen.357 Ziel der Strategie ist es, die IWF-Politik zu systematisieren und effektiver zu gestalten. Sie beinhaltet makroökonomische Analysen, die Zusammenarbeit mit Entwicklungsinstitutionen und Organisationen aus der Zivilgesellschaft, eine verbesserte Projektgestaltung auch im Hinblick auf ‚conditionality‘ (mit einem Fokus darauf, nachteilige Auswirkungen auf die Schwachen in der Gesellschaft zu mildern), sowie eine verbesserte Kommunikation im Zielland.358

V. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen für negative Auswirkungen von Strukturanpassungsprogrammen Fraglich ist nunmehr, nach welchen völkerrechtlichen Prinzipien sich eine Verantwortlichkeit der Weltbank und des IWF für die negativen Folgen von Strukturanpassungsprogrammen richten kann. 1. Einfluss der mangelnden Pflicht zur Kreditvergabe und -inanspruchnahme auf die völkerrechtliche Verantwortlichkeit Gegen eine Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen könnte möglicherweise vorab bereits eingewandt werden, dass diese keine Pflicht trifft, einem Staat Kredite bereit zu stellen, sondern es sich um eine freiwillige Leistung handelt, die ein Staat annehmen oder ablehnen kann, ein Argument, wie es auch vom IWF-Vertreter im Rahmen der Anhörungen zu den ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations vorgetragen wurde.359 In der Tat ist die Kreditvergabe durch die Bretton-Woods-Institutionen (wie auch durch sonstige Geber auf internationaler Ebene) durch einen großen Ermessensspielraum gekennzeichnet.360 Zudem handelt es sich bei den 356  Siehe

hierzu bereits Teil 1, F. IV. 4. f). Strategy for IMF Engagement on Social Spending, Policy Paper No. 19/016 vom 14.6.2019, www.imf.org/en/Publications/Policy-Papers/Issues/2019/ 06/10/A-Strategy-for-IMF-Engagement-on-Social-Spending-46975, S. 13. 358  Ibid., S.  1 f. 359  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 10 ff. 360  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 57 ff. 357  IWF,



B. Strukturanpassungsprogramme243

Beziehungen zwischen den Institutionen und den Staaten oftmals nicht um solche vertraglicher Natur. Wird tatsächlich ein Loan Agreement abgeschlossen, handelt es sich um einen klassischen, völkerrechtlichen Vertrag zwischen einem Staat und einer internationalen Organisation – so handhabt es die Weltbank.361 Der IWF hingegen legt Wert auf die Feststellung, dass die Bedingtheit seiner Kreditvergabe gerade keine Vertragsbeziehung zum Empfängerstaat begründe.362 Dementsprechend werden die Bedingungen oftmals auch nicht in einem Vertrag festgehalten, sondern in einem Letter of Intent oder einem Memorandum on Economic and Financial Policies (das durch ein Technical Memorandum of Understanding ergänzt werden kann).363 Den Rahmen bietet ein Stand-by-Agreement, also jene Entscheidung des IWF, durch die einem Staat zugesichert wird, dass er Gelder aus den Ressourcen des IWF erhalten wird (Art. XXX (b) AoA). Auch hierbei handelt es sich, trotz des Terminus ‚Agreement‘, jedoch nicht um einen bindenden Vertrag,364 sondern um einen einseitigen Akt des IWF. a) Bestehen einer Zwangslage nach Art. 16 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations Mit dem Hinweis auf die nicht-vertragliche Natur dieser Beziehung wies der IWF im Rahmen der Beratungen der ILC in einer schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass er auf einen Staat, der völkerrechtswidrig handelt, eben deshalb gar keinen Zwang ausüben könnte365 – eine Situation für die 361  Koen de Feyter, Self-Regulation, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 79, 127 f.; Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 28 ff.; John W. Head, Evolution of the Governing Law for Loan Agreements of the World Bank and Other Multilateral Development Banks, 90 American Journal of International Law 1996, S. 214. 362  IWF, Guidelines on Conditionality, Decision No. 12864-02/1020, 30.4.2019, Rz.  9, www.imf.org/external/SelectedDecisions/Description.aspx?decision=12864-(02/ 102); International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 12. 363  IWF, Guidelines on Conditionality, Decision No. 12864-02/1020, 31.12.2013, Rz. 10, www.imf.org/external/pubs/ft/sd/index.asp?decision=12864-(02/102). 364  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 31. 365  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 12 (inwiefern auf diese Stellungnahme unmittelbar reagiert wurde, kann nicht ermittelt werden).

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Art. 16 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations folgendes vorsähe: „An international organization which coerces a State or another international organization to commit an act is internationally responsible for that act if: (a) the act would, but for the coercion, be an internationally wrongful act of the coerced State or international organization; and (b) the coercing international organization does so with knowledge of the circumstances of the act.“

Zwar sind die DARIO als Arbeitsprodukt der ILC nicht völkerrechtlich verbindlich und haben lediglich empfehlenden Charakter. Dennoch ist ihnen aufgrund der im weiteren Sinne ‚legislativen‘ Unterstützerfunktion der ILC im UN-Gefüge ein großer faktischer Wert zuzuschreiben.366 Im Völkerrecht besteht allerdings keine Unterscheidung zwischen Verantwortlichkeit aus Vertrag und solcher aus Deliktsrecht.367 Dies bedeutet, dass der formelle Mangel vertraglicher Beziehungen im Bereich von Entwicklungs- und Finanzoperationen keinen entscheidenden Einfluss auf die Frage einer etwaigen Verantwortlichkeit hat. Nun könnte man fragen, ob eine Verantwortlichkeit der Bretton-WoodsInstitutionen generell aus einer Zwangslange der Kreditnehmerstaaten folgt. Zwar kann eine gewisse faktische Zwangslage betroffener Staaten, insbesondere bei großangelegten Strukturanpassungs- oder Austeritätsprogrammen, zunächst einmal nicht verneint werden.368 Während reichere Staaten die Hilfe der Bretton-Woods-Institutionen kaum oder nie in Anspruch nehmen müssen, weil sie sich Kredite auf dem Markt auch anderweitig beschaffen können, haben gerade viele arme Staaten praktisch keine Wahl, und stimmen 366  Pemmaraju Sreenivasa Rao, International Law Commission (ILC), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. V, S. 875, 877 f., 886, Rz. 5, 40; zur Kritik an den DARIO: Alain Pellet, International Organizations Are Definitely Not States: Cursory Remarks on the ILC Articles on the Responsibility of International Organizations, in: Maurizio Ragazzi (Hrsg.), Responsibility of International Organizations: Essays in Memory of Sir Ian Brownlie, 2013, S. 41; José E. Alvarez, International Organizations: Accountability or Responsibility?, Rede vor dem Canadian Council of International Law vom 27.10.2006, www.temple.edu/law/ils/CCILspeech.pdf, S. 2. Vermittelnd: Mirka Möldner, Responsibility of International Organizations – Introducing the ILC’s DARIO, 16 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2012, S. 281, 322 ff. 367  Rainbow Warrior, Neuseeland v. Frankreich, Schiedsspruch vom 30.4.1990, XX RIAA, S. 215, 251, Rz. 75. 368  Siehe Sigrun I. Skogly, Right to Adequate Food: National Implementation and Extraterritorial Obligations, 11 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2007, S. 339, 351; Erik M. G. Denters, IMF Conditionality: Economic, Social and Cultural Rights, and the Evolving Principle of Solidarity, in: Paul de Waart/Paul Peters/Erik Denters (Hrsg.), International Law and Development, 1988, S. 235, 237.



B. Strukturanpassungsprogramme245

daher jeder Kondition zu, die ihnen auferlegt wird.369 Dies gilt umso mehr, als sich der IWF zu einer wichtigen Autorität auf dem Finanzmarkt entwickelt hat, und ein Staat kaum noch auf andere (auch private) Kapitalquellen zurückgreifen kann, wenn seine Politik nicht vom IWF befürwortet wird.370 Jedoch ist eine solche faktische Zwangslage nicht automatisch auch völkerrechtlich relevant.371 Dies wird durch die Anmerkungen der ILC selbst zu Art. 16 der DARIO bestätigt. Dort heißt es, dass im Verhältnis zwischen einer internationalen Organisation und ihren Mitgliedern eine bindende Entscheidung der Organisation nur unter außergewöhnlichen Umständen zu einem Zwang führen könne. Hierzu wird auch der entsprechende Kommentar zu den ILC Articles on the Responsibility of States zitiert, in welchem es heißt: „Coercion for the purpose of article 18 has the same essential character as force majeure under article 23. Nothing less than conduct which forces the will of the coerced State will suffice, giving it no effective choice but to comply with the wishes of the coercing State.“372

b) Ausübung von ‚direction and control‘ nach Art. 15 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations Trotz der Verneinung eines Zwangs im rechtlichen Sinne führt die Zustimmung eines Staates zu den Kreditbedingungen allerdings noch nicht dazu, dass eine Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen generell zu verneinen wäre. Auch unterhalb der Stufe des Zwangs ist eine Zurechnung durchaus möglich, wenn eine Organisation entsprechende Kontrolle ausübt, wie es von Art. 15 der DARIO anerkannt wird: „An international organization which directs and controls a State or another international organization in the commission of an internationally wrongful act by the State or the latter organization is internationally responsible for that act if: (a) the former organization does so with knowledge of the circumstances of the internationally wrongful act; and (b) the act would be internationally wrongful if committed by that organization.“ 369  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 86; Michael Lucas, The International Monetary Fund’s Conditional­ ity and the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: An Attempt to Define the Relation, Revue Belge de Droit International 1992, S. 104, 108. 370  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 117. 371  Siehe auch schon unter Teil 3, B. II. 1. 372  UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 107, Art. 16, Rz. 4.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Im Vergleich zu den ILC-Artikeln zur Staatenverantwortlichkeit kann man den Begriff der ‚direction and control‘ im Kontext der internationalen Organisationen nach Ansicht der ILC wohl weiter verstehen, sodass bereits eine den Mitgliedsstaat bindende Entscheidung einer internationalen Organisation unter bestimmten Umständen genügt: „The commentary on article 17 on the responsibility of States for internationally wrongful acts explains that ‚Article 17 is limited to cases where a dominant State actually directs and controls conduct which is a breach of an international obligation of the dependent State‘, that ‚the term ‚controls‘ refers to cases of domination over the commission of wrongful conduct and not simply the exercise of oversight, still less mere influence or concern‘, and that ‚the word ‚directs‘ does not encompass mere incitement or suggestion but rather connotes actual direction of an operative kind‘. If one interprets the provision in the light of the passages quoted above, the adoption of a binding decision on the part of an international organization could constitute, under certain circumstances, a form of direction or control in the commission of an internationally wrongful act. The assumption is that the State or international organization which is the addressee of the decision is not given discretion to carry out conduct that, while complying with the decision, would not constitute an internationally wrongful act.“373

Bezüglich einer ‚direction and control‘ im Sinne von Art. 15 ist jedoch fraglich, ob die Beziehung zwischen den Bretton-Woods-Institutionen und ihren Kreditnehmern diese Schwelle überschreitet. Dagegen könnte sprechen, dass eine „unilaterale bindende Entscheidung“ der Organisation gerade nicht vorliegt.374 Jeder Staat kann rechtlich frei entscheiden, ob er den Kreditbedingungen zustimmt. Hat er dies jedoch einmal getan, bestehen in der Tat, jedenfalls sofern der Kredit weiterhin bestehen soll, kaum oder keine Ermessensspielräume. Falls man das faktische Ausbleiben von Ermessen in diesem Stadium noch als ausreichend sehen würde, müsste eine Verantwortlichkeit bereits aufgrund von ‚direction and control‘ im Sinne von Art. 15 bejaht werden. Die Weltbank sieht dies indes anders. Im Rahmen der ILC äußerte sie sich zum jetzigen Art. 15 der DARIO wie folgt: „As to ‚direction and control‘, what are they? As a result of an agreement between an international financial institution and a borrower or recipient, direction and control for the implementation of project or programme activities is never really ceded, because the responsibility for implementation remains with the borrower or recipient, while the international financial institution engages at most in the exercise of oversight. Oversight is neither ‚control‘ nor ‚direction‘, though. As the commentary 373  UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 106, Art. 15, Rz. 4 [Fußnoten im Zitat entfernt, Hervorhebung hinzugefügt]. 374  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 118, Fn. 515.



B. Strukturanpassungsprogramme247 to the corresponding provision in the articles on the responsibility of States for ­internationally wrongful acts appropriately points out, control ‚refers to cases of dom­ination over the commission of wrongful conduct and not simply the exercise of oversight‘. An express clarification to this effect in the commentary to draft article 14 would be critical to an accurate understanding of the text and to assuage any possible concern on the meaning and effect of such a provision.“375

Korrekterweise verwies die Weltbank hier auf den ILC-Kommentar zu dem entsprechenden Artikel für die Verantwortlichkeit von Staaten, wonach eine bloße Aufsichtstätigkeit gerade nicht genügen soll, um von ‚direction and control‘ zu sprechen.376 Auch wenn die DARIO grundsätzlich insoweit weiter verstanden werden können, dass auch bindende Entscheidungen für die Anwendbarkeit von Art. 15 ausreichen können (s. o.), so darf dies nicht so weit gehen, dass keinerlei echte Kontrolle (z. B. von vor Ort das Regierungshandeln dirigierenden IWF-Mitarbeitern) mehr vorliegen muss. Daher ist im Ergebnis eine Zurechnung mittels Art. 15 der DARIO zu verneinen. c) Beihilfe nach Art. 14 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations In solchen Fällen, in denen die Schwelle zu einer ‚direction and control‘ nicht überschritten wird, könnte man mit Art. 14 der DARIO von einer Verantwortlichkeit für Fälle völkerrechtswidriger Beihilfe ausgehen: „An international organization which aids or assists a State or another international organization in the commission of an internationally wrongful act by the State or the latter organization is internationally responsible for doing so if: (a) the former organization does so with knowledge of the circumstances of the internationally wrongful act; and (b) the act would be internationally wrongful if committed by that organization.“

In Bezug auf den entsprechenden Art. 16 der ILC Articles zur Staatenverantwortlichkeit hat der IGH bestätigt, dass dieser als Ausdruck geltenden Völkergewohnheitsrechts angesehen werden kann.377 375  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/637 (14.2.2011), S. 28 [Fußnote im Zitat entfernt]; siehe auch Maurizio Ragazzi, The World Bank and the ILC’s Project on the Responsibility of International Organizations, in: Maurizio Ragazzi (Hrsg.), Responsibility of International Organizations: Essays in Memory of Sir Ian Brownlie, 2013, S. 235, 242. 376  International Law Commission, Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with Commentaries, ILC Yearbook 2001, Vol. II, Part Two, Art. 17, Rz. 7. 377  Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Bosnien und Herzegovina v. Serbien und Montenegro, IGH, Urteil (Merits) vom 26.2.2007, ICJ Reports 2007, S. 43, 217, Rz. 420; Georg Nolte/Helmut

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Beide Artikel (sowohl für die Verantwortlichkeit von Staaten als auch von internationalen Organisationen) teilen dabei die Formulierung ‚knowledge of the circumstances‘, wobei fraglich ist, welche Anforderungen an die Annahme eines solchen Wissens zu stellen sind. Der Kommentar der ILC zu Art. 14 der DARIO verweist auf einen Fall, in dem eine UNO-Mission in der Demokratischen Republik Kongo ‚reason to believe‘ gehabt hätte, dass die staatliche Armee das humanitäre Völkerrecht, Menschenrechte sowie das Flüchtlingsrecht verletzt, und deshalb, nach Ansicht des UN Legal Counsel, die staatliche Armee nicht mehr weiter unterstützen durfte.378 Nach Ansicht der ILC soll also ein begründeter Verdacht für das Vorliegen des Wissenselements der Beihilfe ausreichen. Umstritten ist, ob zusätzlich ein voluntatives Element erforderlich ist. Die ILC Kommentierung zu Art. 14 der DARIO verweist auf jene zu Art. 16 der ILC Articles zur Staatenverantwortlichkeit: „[T]he aid or assistance must be given with a view to facilitating the commission of the wrongful act, and must actually do so. This limits the application of article 16 to those cases where the aid or assistance given is clearly linked to the subsequent wrongful conduct. A State is not responsible for aid or assistance under article 16 unless the relevant State organ intended, by the aid or assistance given, to facilitate the occurrence of the wrongful conduct and the internationally wrongful conduct is actually committed by the aided or assisted State. There is no requirement that the aid or assistance should have been essential to the performance of the internationally wrongful act; it is sufficient if it contributed significantly to that act.“379

Im Rahmen der Beratungen zu den ILC Articles zur Staatenverantwortlichkeit hatten sich die Niederlande dafür ausgesprochen, dass es lediglich darauf ankommen müsse, ob der unterstützende Staat die Umstände der international unrechtmäßigen Handlung kennt oder hätte kennen müssen.380 In der Tat Philipp Aust, Equivocal Helpers – Complicit States, Mixed Messages and Internation­al Law, 58(1) International and Comparative Law Quarterly 2009, S. 1, 7 ff.; siehe umfassend Helmut Philipp Aust, Complicity and the Law of State Responsibility, 2011, S.  97 ff.; Miles Jackson, Complicity in International Law, 2015, S. 150 ff.; Vladyslav Lanovoy, Complicity in an Internationally Wrongful Act, in: André Nollkaemper/Ilias Plakokefalos (Hrsg.), Principles of Shared Responsibility in International Law, 2014, S. 134 ff. 378  Siehe UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 104 f., Art. 14, Rz. 6. 379  International Law Commission, Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with Commentaries, ILC Yearbook 2001, Vol. II, Part Two, S. 66, Art. 16, Rz. 5 [Hervorhebungen hinzugefügt]; Verweis durch UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 104, Art. 14, Rz. 4. 380  International Law Commission, State Responsibility: Comments and observations received from Governments, UN-Dokument A/CN.4/515, 19.3./3.4./1.5./28.6.2001, S. 52.



B. Strukturanpassungsprogramme249

stellt sich die Frage, ob eine derartige Einschränkung nicht dazu führt, dass für eine Beihilfe kaum noch Anwendungsspielraum bleibt. Zudem dürfte jedenfalls dann, wenn sicheres Wissen um den völkerrechtswidrigen Akt vorliegt, das voluntative Element bereits in Form eines dolus directus 2. Grades zu bejahen sein – ein Begriff, der auch zumindest dem Völkerstrafrecht (wenn auch hier bezüglich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Individuen) nicht fremd ist.381 Es erscheint nicht sinnvoll, im Bereich der Verantwortlichkeit von Staaten, bzw. internationalen Organisationen vergleichsweise höhere Anforderungen an das voluntative Element zu stellen und hier nur Absicht (also dolus directus 1. Grades) ausreichen zu lassen. Im Fall von Strukturanpassungsprogrammen, in denen die Bretton-WoodsInstitutionen dem Staat ebenjene Strukturanpassungen vorgeben bzw. sich stets im engen Austausch mit der Regierung befinden, ist in der Regel von einem entsprechend hohen Grad des Wissens um damit einhergehende mögliche Menschenrechtsverletzungen auszugehen. Mag die Menschenrechtsverletzung an sich auch unerwünscht sein, so wird sie doch mindestens in Kauf genommen. Verletzt ein Kreditnehmerstaat durch die Annahme entsprechender Kreditbedingungen seine eigenen menschenrechtlichen Pflichten (soweit an diese, wie beim Recht darauf, frei von Hunger zu sein, mittels Gewohnheitsrecht auch die Bretton-Woods-Institutionen gebunden sind), überschreitet die Weltbank bzw. der IWF als Kreditgeber damit bei entsprechendem Wissen die Schwelle zu einer Beihilfe im Sinne von Art. 14.382 Hier wäre dann die Organisation verpflichtet, den Staat anzuhalten, die Pflichtverletzung zu beenden (so wie im Kreditverhältnis zwischen der Weltbank und Argentinien geschehen, als Argentinien Gelder aus einem von der Bank geforderten Sozialprogramm abzog383). 381  Harriet Moynihan, Aiding and Assisting: Challenges in Armed Conflict and Counterterrorism, Chatham House Research Paper, November 2016, www.chathamhouse.org/sites/files/chathamhouse/publications/research/2016-11-11-aiding-assistingchallenges-armed-conflict-moynihan.pdf, S. 19 f., Rz. 68 ff.; unter Verweis auf Pro­ secutor v. Bemba, Pre-Trial Chamber, ICC-01/05-01/08, IStGH, Enscheidung vom 15.6.2009, Rz. 359: „Dolus directus in the second degree does not require that the suspect has the actual intent or will to bring about the material elements of the crime, but that he or she is aware that those elements will be the almost inevitable outcome of his acts or omissions, i. e., the suspect ‚is aware that […] [the consequence] will occur in the ordinary course of events‘ (article 30(2)(b) of the Statute). In this context, the volitional element decreases substantially and is overridden by the cognitive element, i. e. the awareness that his or her acts or omissions „will“ cause the undesired pro­ scribed consequence.“ [Fußnote im Zitat entfernt]; Art. 30 Abs. 2 lit. b) Rom-Statut. 382  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 118. 383  Siehe oben unter Teil 3, B. IV.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Einer Beihilfe steht nicht entgegen, dass ein Staat sich entsprechende Gelder auch möglicherweise aus anderen Quellen hätte beschaffen können. Zwar fordert der ILC-Kommentar zu Art. 14 DARIO, dass die Unterstützungshandlung „should contribute ‚signifcantly‘ to the commission of the act.“384

Nach Ansicht des IWF-Vertreters im Rahmen der ILC-Beratungen könnten die IWF-Gelder wegen der Vielzahl möglicher Kreditgeber für ein bestimmtes staatliches Verhalten bereits per se nie essenziell sein, bzw. wesentlich dazu beitragen.385 Dabei übersieht der IWF allerdings, dass in der Praxis einem den IWF um Hilfe ersuchenden Staat oftmals gerade keine anderen Kreditgeber mehr offenstehen.386 Zum anderen finden sich weder in den DARIO noch in der Rechtspraxis Hinweise auf einen solchen Ausschluss der Verantwortlichkeit aufgrund einer etwaigen alternativen Kausalkette. d) Unbeachtlichkeit der Zustimmung des Staates  – Art. 20 der ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations Auch eine Zustimmung des Staates zur Begehung völkerrechswidriger Akte lässt hier nicht die Verantwortlichkeit der Organisation entfallen. Für eine derartige Argumentation könnte man zwar Art. 20 der DARIO heranziehen: „Valid consent by a State or an international organization to the commission of a given act by another international organization precludes the wrongfulness of that act in relation to that State or the former organization to the extent that the act remains within the limits of that consent.“

Würde demnach ein Staat in die Durchführung eines Strukturanpassungsprogramms einwilligen, welches auf seinem Territorium zu Menschenrechts384  UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 104, Art. 14, Rz. 4. 385  International Law Commission, Responsibility of International Organizations, Comments and Observations Received from International Organizations, UN-Dokument A/CN.4/582 (1.5.2007), S. 10 f.; siehe auch schon unter Teil 1, F. IV. 4. e). 386  Siehe Sigrun I. Skogly, Right to Adequate Food: National Implementation and Extraterritorial Obligations, 11 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2007, S. 339, 351; Erik M. G. Denters, IMF Conditionality: Economic, Social and Cultural Rights, and the Evolving Principle of Solidarity, in: Paul de Waart/Paul Peters/Erik Denters (Hrsg.), International Law and Development, 1988, S. 235, 237; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 86; Michael Lucas, The International Monetary Fund’s Conditionality and the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights: An Attempt to Define the Relation, Revue Belge de Droit International 1992, S. 104, 108.



B. Strukturanpassungsprogramme251

verletzungen führt, könnte dies auf den ersten Blick die Verantwortung der jeweiligen Bretton-Woods-Institution ausschließen.387 Um mittels Einwilligung die Völkerrechtswidrigkeit ausschließen zu können, müsste der betroffene andere Akteur aber auch wirksam einwilligen können. Zwar stellen die meisten Menschenrechte kein jus cogens dar, sodass die Sondervorschrift des Art. 26 der DARIO, welche eine entsprechende Einwillung schon deshalb wirkungslos machen würde, nicht greift. Bezüglich drohender Menschenrechtsverletzungen steht einer Einwilligung jedoch entgegen, dass internationale Menschenrechte gerade nicht einem Staat zustehen, sondern Individuen – sie sind die Inhaber dieser Rechte.388 Auch internationale Organisationen, soweit sie an völkergewohnheitsrechtliche Menschenrechte gebunden sind, schulden die Einhaltung ebenjener nicht den Staaten, sondern den in ihnen lebenden Individuen. Auf ein Recht, das der Staat selbst nicht innehat, kann er auch nicht wirksam verzichten.389 Aus diesem Grund kann ein Staat auch jenseits von jus cogens-Normen nicht wirksam auf die Einhaltung von Menschenrechten verzichten bzw. in ihre Verletzung durch eine internationale Organisation einwilligen.390 2. Keine Berufung auf Notstand Gerade bei Strukturanpassungsprogrammen, welche oftmals, wie im Fall von Griechenland, nicht nur darauf abzielen, die Stabilität eines einzelnen Staates wiederherzustellen, sondern auch darauf, negative Auswirkungen einer Krise auf Drittstaaten zu verhindern, ist zu fragen, ob sich eine internationale Organisation nicht auf das Institut des Notstands berufen kann. 387  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 197. 388  Louis Henkin, The Age of Rights, 1990, S. 31  ff.; in diesem Sinne auch Anne Peters, Humanity as the A and Ω of Sovereignty, 20 European Journal of International Law 2009, S. 513, 526: „The obligation to protect basic rights of all persons within the state is owed not only to them, but also to the international community.“ 389  Vgl. die Anmerkungen der ILC zu dem entsprechenden Art. 20 der ILC Arti­ cles zur Staatenverantwortlichkeit, International Law Commission, Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with Commentaries, ILC Yearbook 2001, Vol. II, Part Two, Art. 20, Rz. 10: „The rights conferred by interna­ tional human rights treaties cannot be waived by their beneficiaries, but the individual’s free consent may be relevant to their application“. Daraus lässt sich ableiten, dass, wenn noch nicht einmal Individuen auf ihre Rechte verzichten können, ein Staat dies erst recht nicht an ihrer Stelle tun kann. 390  So auch Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 196 f.

252

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Art. 25 der DARIO eröffnet auch für internationale Organisationen diese (eng umgrenzte) Möglichkeit: „1.  Necessity may not be invoked by an international organization as a ground for precluding the wrongfulness of an act not in conformity with an international obligation of that organization unless the act: (a) is the only means for the organization to safeguard against a grave and imminent peril an essential interest of its member States or of the international community as a whole, when the organization has, in accordance with international law, the function to protect the interest in question; and (b) does not seriously impair an essential interest of the State or States towards which the international obligation exists, or of the international community as a whole. 2.  In any case, necessity may not be invoked by an international organization as a ground for precluding wrongfulness if: (a) the international obligation in question excludes the possibility of invoking necessity; or (b) the organization has contributed to the situation of necessity.“

Die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 lit. a) könnten im Einzelfall z. B. bei einer massiven Wirtschafts- und Finanzkrise mit entsprechend drohenden Gefahren auch für andere Mitgliedsstaaten der Bretton-Woods-Institutionen durchaus vorliegen, die Verhinderung solcher Krisen ist von deren Mandaten umfasst. Allerdings dürfte es praktisch sehr schwer sein, zu beurteilen, ob es sich bei dem angedachten Strukturanpassungsprogramm tasächlich um die einzige mögliche Maßnahme zum Schutz vor einer solchen Krise handelt. Bezüglich drohender Einschränkungen bzw. Verletzungen des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, ist jedoch auch das Vorliegen der zweiten Vorausetzung nach Art. 25 Abs. 1 lit. b) der DARIO fraglich, da diese essenzielle Interessen des Staates beeinträchtigen würden, schließlich handelt es sich um den Kerngehalt eines bedeutsamen Menschenrechts. Zu dem entsprechenden Art. 25 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit schrieb die ILC: „In other words, the interest relied on must outweigh all other considerations, not merely from the point of view of the acting State but on a reasonable assessment of the competing interests, whether these are individual or collective.“391

Eine derartige Abwägung wird nur im konkreten Einzelfall vorgenommen werden können. Es scheint jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, dass in gewissen Extremfällen Einschränkungen des Rechts darauf, frei von Hunger 391  International Law Commission, Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with Commentaries, ILC Yearbook 2001, Vol. II, Part Two, Art. 25, Rz. 17.



C. Zwangsumsiedlungen253

zu sein, im Zielland eines Strukturanpassungsprogamms hingenommen werden könnten, um eine ansonsten entstehende größere Krise der Weltwirtschaft mit möglicherweise damit einhergehender Massenarmut und entsprechender Ernährungsunsicherheit zu verhindern. In diesen Fällen wäre dann eine Berufung auf den Notstand im Sinne von Art. 25 der DARIO denkbar. An solch ein Vorbringen wären jedoch hohe Hürden zu stellen, damit eine solch hypothetische Argumentation nicht leichtfertig vorgebracht werden kann.

C. Zwangsumsiedlungen Ein weiteres für das Recht, frei von Hunger zu sein, relevantes Tätigkeitsfeld der Weltbank sind (vor allem mit Infrastrukturprojekten verbundene) Zwangsumsiedlungen. Im Frühjahr 2015 wurden die Ergebnisse einer großangelegten Untersuchung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlicht, welches tausende Dokumente ausgewertet, hunderte Interviews geführt und mehrere Projekte im Feld selbst besucht hat.392 Das Kernergebnis dieser Untersuchung bestand darin, dass im Zusammenhang mit Weltbankprojekten innerhalb des letzten Jahrzehnts über 3,4 Millionen Menschen umgesiedelt (‚physically or economically displaced‘) worden seien, indem sie aus ihren Häusern vertrieben, ihnen ihr Land genommen oder ihre Lebensgrundlage beschädigt worden seien.393 So viel Aufsehen diese Untersuchung auch erregte, so war es nicht das erste Mal, dass die Bank auf die massiven negativen Auswirkungen von Zwangsumsiedlungen hingewiesen wurde.394 Im Hinblick auf speziell diese Veröffentlichung hat der Weltbankpräsident „schwere Fehler“ zugegegeben, auch ein Aktionsplan wurde verabschiedet – dessen Angemessenheit sowie Umsetzungschancen erschien jedoch ehemaligen Weltbankmitarbeitern zweifelhaft; auch von einer nachträglichen Entschädigung der Betroffenen war nicht die Rede.395 Die Herangehensweise der Weltbank an Zwangsumsiedlungen ist eine solche der Risikominimierung. Grundsätzlich erkennt sie zwangsweise 392  Süddeutsche Zeitung Online, Wie Weltbank-Projekte den Ärmsten schaden, 16.4.2015, www.sueddeutsche.de/politik/vertreibung-und-verfolgung-wie-weltbank-pro jekte-den-aermsten-schaden-1.2437465. 393  Key Findings, www.icij.org/project/world-bank. 394  Dana L. Clark, The World Bank and Human Rights: The Need for Greater Accountability, 15 Harvard Human Rights Journal 2002, S. 205, 211 ff. 395  Süddeutsche Zeitung Online, Umstrittene Umsiedlungsprojekte: Ehemalige Weltbank-Mitarbeiter glauben nicht an Besserung, 29.5.2015, www.sueddeutsche.de/ wirtschaft/umstrittene-umsiedlungsprojekte-ehemalige-weltbank-mitarbeiter-glaubennicht-an-besserung-1.2498622.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Umsiedlungen als legitimes Mittel der Politik und mithin auch der Durchführung von weltbankfinanzierten Operationen an: „The right of a state to exploit its natural resources, and its right to take private property for public purposes, are universally recognized.“396

Auch die negativen Auswirkungen solcher Umsiedlungen, selbst wenn dem Marktwert entsprechende Entschädigungen gezahlt werden, hatte die Bank grundsätzlich früh im Blick, insbesondere im Hinblick auf betroffene indigene Völker, deren emotionaler und kultureller Verlust bei Landentzug nicht einfach materiell entschädigt werden kann. Dementsprechend gestand die Bank zu, dass materielle Entschädigung allein nicht ausreicht.397 Aufbauend auf diesen Erkenntnissen erließ die Weltbank in den 1980er Jahren eine Safeguard Policy zu Zwangsumsiedlungen.398 Im Folgenden sollen exemplarisch einige Operationen der Weltbank dargestellt werden, in denen Zwangsumsiedlungen negative Auswirkungen gerade auf die Ernährungssicherheit hatten.

I. Das Staudammprojekt in Kedung Ombo/Indonesien Umsiedlungen können die Folge von ganz verschiedenen Projekten sein. Sie können zum Beispiel im Rahmen von Land Grabbing399 zugunsten großer Agrarunternehmen stattfinden, in der Form, dass ehemalige Klein- den künftigen Großbauern weichen müssen. Ebenso sind Umsiedlungen aber auch eine typische Folge von Groß- bzw. Strukturprojekten, in dessen Rahmen zum Beispiel Staudämme gebaut werden, für die zuvor einer Vielzahl von Menschen, oft vor allem Ureinwohner, ihre Lebensgrundlage entzogen wurde.400 So wurden in den 1980er Jahren auf der indonesischen Insel Java im Rahmen des Kedung-Ombo-Dammbauprojekts zehntausende Menschen gezwungen, ihr Land zu verlassen.401 Zudem wurde der Damm im Januar 1989 geschlossen, als noch mehrere tausend Menschen sich der Umsiedlung verweigerten und nun von stetig steigendem Wasser bedroht waren.402 396  Ibrahim Shihata, The World Bank in a Changing World: Selected Essays, 1991, S. 130. 397  Ibid. 398  Siehe hierzu unter Teil 3, A. III. 3. 399  Siehe hierzu unter Teil 3, D. III. 400  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 84. 401  Ibid., S. 85. 402  Bundestagsdrucksache 11/4921, 4.7.1989, S. 1.



C. Zwangsumsiedlungen255

Das Projekt wurde in wesentlichen Teilen von der Weltbank finanziert. Diese gewährte Indonesien ein Darlehen in Höhe von 156 Millionen US$; die Gesamtkosten lagen bei 283,1 Millionen US$.403 Die Umsiedlungen fanden dabei nicht im nahen Umkreis statt, sondern sollten eine Vielzahl von Menschen tausende Kilometer von ihren Dörfern auf Java weg in weniger dicht besiedelte Gebiete der Insel Sumatra führen.404 Die Weltbank schrieb 1995, dass wegen der soziopolitischen Geschichte des Areals sowie wegen des Mangels an Farmland bereits von Anfang an bekannt war, dasss die Umsiedlungen schwierig werden würden.405 1984 hatte eine Studie noch behauptet, dass 75 % der betroffenen Bevölkerung freiwillig umsiedeln wollten, eine zweifelhafte Zahl, die wohl auf einer missverständlichen (und vor allem auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse gerichteten) Fragestellung beruhte und letztlich nicht der Realität entsprach,406 wie auch die Bank später anerkannte.407 Auf die Bevölkerung wurde durch die indonesischen Behörden massiver Druck mittels Drohungen und Einschüchterungen ausgeübt.408 Wie hoch die Entschädigungen waren, die an die Betroffenen für ihren Landverlust gezahlt wurden, ist nicht ge­ sichert: Die Angaben variieren zwischen 3.000 Rupiah (damals ca. 1,50 US $) und lediglich 700 Rupiah pro m2. 34 Betroffene klagten bis zum indonesischen Obersten Gerichtshof und bekamen dort 1994 die Summe von 50.000 Rupiah/m2 zugesprochen. Die Regierung schaffte es jedoch, das Urteil aufzuheben  – die Bevölkerung von Kedung Ombo soll nie mehr als 250 – 300 Rupiah/m2 erhalten haben (weniger als 15 US-Cent), ein Zehntel des Marktwertes der Grundstücke.409 Die Rolle der Weltbank in der Umsiedlungs- und Entschädigungsfrage ist nicht einfach zu bewerten. Die Nichtregierungsorganisationen, die zugunsten 403  Ibid.

404  Augustinus Rumansara, Indonesia: The Struggle of the People of Kedung Ombo, in: Jonathan A. Fox/L. David Brown (Hrsg.), The Struggle for Accountability: The World Bank, NGOs, and Grassroots Movements, 1998, S. 123. 405  Weltbank, Project Completion Report: Indonesia, Kedung Ombo Multipurpose Dam and Irrigation Project, 19.6.1995, S. 56. 406  Augustinus Rumansara, Indonesia: The Struggle of the People of Kedung Ombo, in: Jonathan A. Fox/L. David Brown (Hrsg.), The Struggle for Accountability: The World Bank, NGOs, and Grassroots Movements, 1998, S. 123 f. 407  Weltbank, Project Completion Report: Indonesia, Kedung Ombo Multipurpose Dam and Irrigation Project, 19.6.1995, S. 56. 408  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 42. 409  Augustinus Rumansara, Indonesia: The Struggle of the People of Kedung Ombo, in: Jonathan A. Fox/L. David Brown (Hrsg.), The Struggle for Accountability: The World Bank, NGOs, and Grassroots Movements, 1998, S. 125 f.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

der Betroffenen eine internationale Kampagne starteten, haben sich gerade auch an die Weltbank gewandt, damit diese ihren Einfluss auf die indonesische Regierung geltend macht. 1987 wurde die Bank durch NGOs über die Zustände vor Ort informiert, doch erst 1988 entsandte sie einen Berater, der sich die Situation anschauen sollte, 1989 folgte eine größere Feldmission.410 Auch nachdem der Damm geschlossen und die Gegend geflutet worden war, gingen die Kampagnen weiter. Die internationale Nichtregierungsallianz INGI (International NGO Group on Indonesia), die just zu diesem Zwecke gegründet wurde, wandte sich mehrmals postalisch an die Westbank und klagte (neben der Entschädigungsproblematik) an, dass die Betroffenen nicht im Entscheidungsprozess berücksichtigt und ihre Interessen nicht gehört worden wären. Ebenso habe es die Weltbank versäumt, die Durchführung des Projekts regelmäßig zu überwachen, auch der Zugang zu Informationen wäre beschränkt gewesen.411 Die Weltbank reagierte gegenüber der INGI eher ausweichend, fragte aber die indonesische Regierung, ob die Vorwürfe den Tatsachen entsprächen. In der Folge warnte die Regierung NGOs davor, im Ausland ‚schmutzige Wäsche zu waschen‘ und für ausländische Interessen zu agieren. Der Innenminister wurde beauftragt, NGOs entsprechend schlecht zu behandeln; wenngleich später doch noch ein offizieller Dialog eröffnet wurde.412 Insgesamt vertraute die Weltbank wohl zu sehr den Berichten der indonesischen Regierung und wies auch in Fragen von Umsiedlungen und Entschädigungen die Verantwortung von sich – für diesbezügliche Probleme sei die Regierung vor Ort zuständig, nicht die Bank.413 In einem späteren Bericht schrieb die Bank: „Problems with the resettlement program began almost immediately, although it was several years before they were brought to the attention of the Bank.“414

In Anbetracht einer solchen Aussage drängt sich die Frage auf, warum die Bank das Projekt nicht selbst besser überwacht hat. Hier zeigt sich, dass eine eigenständige Überwachung in der Implementierungsphase nötig ist, um sicherzustellen, dass bei der Projektdurchführung durch einen Staat keine Menschenrechte verletzt werden.

410  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 42 f. 411  Augustinus Rumansara, Indonesia: The Struggle of the People of Kedung Ombo, in: Jonathan A. Fox/L. David Brown (Hrsg.), The Struggle for Accountability: The World Bank, NGOs, and Grassroots Movements, 1998, S. 135 ff. 412  Ibid., S. 137. 413  Ibid., S. 144. 414  Weltbank, Project Completion Report: Indonesia, Kedung Ombo Multipurpose Dam and Irrigation Project, 19.6.1995, S. 56.



C. Zwangsumsiedlungen257

II. Das China Western Poverty Reduction Project Ein bekannter Fall eines Weltbankprojekts, welches noch abgebrochen wurde, bevor es zu massiven Zwangsumsiedlungen kam, war das China West­ern Poverty Reduction Project. Geplanter Projektort waren die chinesischen Provinzen Gansu und Qinghai sowie die autonome Region der Inneren Mongolei; das Projekt zielte offiziell darauf ab, für 1,7 Millionen der ärmsten Bewohner Chinas Verbesserungen in den Bereichen Gesundheitsfürsorge, Bildung, Arbeit und Landwirtschaft zu erreichen.415 Im Juni 1999 erhielt das Inspection Panel (der hauseigene Beschwerdemechanismus der Weltbank416) noch in der Vorbereitungsphase des Projekts eine Beschwerde bezüglich des Teilprojekts in der Qinghai-Provinz, welche im Nordosten des tibetischen Hochlandes gelegen ist. Die NGO Internation­al Campaign for Tibet als Beschwerdeführerin beklagte, dass bei einer Projektumsetzung die Gruppen der Tibeter und Mongolen irreversiblen S ­ chaden nehmen würden, da ca. 58.000 Han-chinesische Farmer zulasten der an­ gestammten Bevölkerung in die traditionell tibetisch bzw. mongolisch geprägten Projektregionen umgesiedelt werden sollen, was zu einer Eskalation ethnischer Spannungen und zu Ressourcenkonflikten führen könnte. Dies sei auf eine mangelhafte Anwendung der Safeguard Policies unter anderem zu Zwangsumsieldungen, Umweltprüfungen, und indigenen Völkern zurückzuführen. Tatsächliche Profiteure des Projekts wären gerade nicht die örtliche Bevölkerung, sondern die umgesiedelten Han-Chinesen gewesen. Besonders riskant sei auch der geplante Bau eines Dammes, der negative Auswirkungen auf das Grasland habe könnte, auf welches die dort lebenden Nomaden für ihr Vieh angewiesen sind. Dieses Risiko sei im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht hinreichend berücksichtigt worden.417 Im Jahr 2000, ein Jahr nach der Beschwerdeeinlegung und bevor das In­spection Panel einen Bericht vorlegen konnte, hat das Board of Executive Directors nach weiteren Protesten von NGOs wie auch Staaten der Projektunterstützung des Bankmanagements widersprochen. Daraufhin sah sich

415  Weltbank, World Bank Approves China Western Poverty Reduction Project, Pressemitteilung vom 24.6.1999, http://web.worldbank.org/external/default/main?page PK=34370&piPK=34424&theSitePK=4607&menuPK=34463&contentMDK=2001 6088. 416  Siehe hierzu umfassend unter Teil 4, F. II. 1. 417  Weltbank/Inspection Panel, China – Western Poverty Reduction Project, Request for Inspection vom 18.6.1999, http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/Panel Cases/16-Request%20for%20Inspection%20(English).pdf.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

China gezwungen, seinen Projektantrag zurückzuziehen und das Projekt aus eigenen Mitteln zu finanzieren.418

III. Das Kohleminenprojekt in Jharkhand/Indien Ebenfalls negative Folgen hatte ein von der Weltbank gefördertes Minenprojekt im ostindischen Bundesstaat Jharkhand, einem Gebiet, das für seinen Kohleabbau bekannt ist. Generell sind die sogenannten extraktiven Industrien, darunter besonders die Minenindustrie, sehr anfällig für davon ausgehende menschenrechtliche Beeinträchtigungen; mit einer besonderen Gefährdung der natürlichen Ressourcen indigener Völker, die auf das Land als Lebensgrundlage angewiesen sind.419 Eine entsprechende Studie betonte dabei auch mögliche Auswirkungen auf das Recht auf Nahrung: „[R]elocating individuals in the construction phase of a mine to a place where they no longer have longer access to food, due to a lack of arable land or access to localmarkets […], violates Art. 11 (1) ICESCR. States directly involved through their organs or a state owned mining company would fall short of fulfilling their respective obligations to respect the right o food under art. 11 (1) ICESCR. As part of their obligation to protect, States further have to enact and enforce adequate legislation to prevent third parties, such as private mining companies or their security forces, from violating the right to food through mining-related area clearing measures.“420

Das Coal Sector Environmental and Social Mitigation Project (CSESMP) der Weltbank zielte darauf ab, die Coal India Ltd. dabei zu unterstützen, ihre Minen auszubauen und gleichzeitig die ökologischen und sozialen Folgen der Minenausweitungen im Rahmen des direkt damit verbundenen Coal Sec418  BBC News Online, World Bank rejects Tibet land plan, 7.7.2000, http://news. bbc.co.uk/2/hi/asia-pacific/823072.stm; Weltbank, China to Implement Qinghai Component of the China Western Poverty Reduction Project with its Own Resources, Pressemitteilung vom 7.7.2000, http://web.worldbank.org/external/default/main?page PK=34370&piPK=34424&theSitePK=4607&menuPK=34463&contentMDK=2001 2466. 419  Max-Planck-Foundation for International Peace and the Rule of Law, Human Rights Risks in Mining: A Baseline Study, 2016, S. 21 ff., 42 ff.; Weltbank, Extractive Industries Review, Striking a Better Balance – Volume 1: The World Bank and Extractive Industries, 2003, http://documents.worldbank.org/curated/en/222871468331889 018/pdf/842860v10WP0St00Box382152B00PUBLIC0.pdf, S.  40 f. 420  Max-Planck-Foundation for International Peace and the Rule of Law, Human Rights Risks in Mining: A Baseline Study, 2016, S. 39; siehe auch Human Rights Watch, „What is a House without Food?“: Mozambique’s Coal Mining Boom and Resettlements, Mai 2013, www.hrw.org/sites/default/files/reports/mozambique0513_ Upload_0.pdf, S.  48 ff.



C. Zwangsumsiedlungen259

tor Rehabilitation Project (CSRP) abzumildern.421 Für beide Projekte stellte die IBRD, bzw. die IDA, eine Gesamtkreditsumme von 600 Millionen US$ bereit. Tatsächlich kam es jedoch mit der Parej East Mine zu Umsiedlungen mit massiven negativen Auswirkungen, die das Inspection Panel der Weltbank dazu brachte, sich für Entschädigungszahlungen auszusprechen. Bewohner der dortigen Dörfer hatten 2001 mittels einer lokalen NGO eine Beschwerde beim Panel eingereicht. Sie trugen vor, dass die Bank (unter anderem) ihre Safeguard Policies zu Zwangsumsiedlungen und indigenen Völkern verletzt habe. Nach mehreren Besuchen vor Ort stellte das Inspection Panel – obwohl das Projekt bereits während der Durchführung recht intensiv von Bankmitarbeitern beobachtet wurde422 – insgesamt über 30 Verstöße gegen BankRichtlinien fest. Die Antwort des Managements auf diesen Bericht fiel verhalten aus. In 25 der vom Inspection Panel angemahnten Punkte lautete der Vermerk des Managements: ‚no action to be taken‘.423 Auch dieser Fall illustriert gut die besondere Problematik von mit Zwangsumsiedlungen verbundenen Entschädigungszahlungen. Zwar wurden die vertriebenen Menschen für ihren unmittelbaren Landverlust entschädigt; was jedoch nur sehr unzureichend anerkannt wurde, war die Lebensgrundlage, die mit dem Land zusammenhängt, wie der Zugang zu natürlichen Ressourcen (z. B. Quellen und Flüsse für Wasserzugang, Wälder für Brennholz),424 sowie insgesamt der Verlust der Einkommensmöglichkeiten. Dies bemängelte auch das Inspection Panel: „A major continuing problem is the failure of income restoration. […] Because of the inadequacy of the income restoration programs, some of them have been forced to spend whatever remains of their compensation simply to survive. This is an extremely urgent matter. It should not happen in a Bank-financed project.“425

421  Weltbank/Inspection Panel, India: Coal Sector Environmental and Social Mitigation Project (Credit No. 2862-IN), Investigation Report vom 25.11.2002, http:// ewebapps.worldbank.org/apps/ip/PanelCases/23-Investigation%20Report%20(Eng lish).pdf, Rz. 1. 422  Tony Herbert/Kuntala Lahiri-Dutt, World Bank, Coal and Indigenous Peoples: Lessons from Parej East, Jharkhand, in: Kuntala Lahiri-Dutt (Hrsg.), The Coal Nation: Histories, Ecologies and Politics of Coal in India, 2014, S. 145, 147. 423  Ibid., S. 148. 424  Ibid., S. 148. 425  Weltbank/Inspection Panel, India: Coal Sector Environmental and Social Mitigation Project (Credit No. 2862-IN), Investigation Report vom 25.11.2002, http:// ewebapps.worldbank.org/apps/ip/PanelCases/23-Investigation%20Report%20(Eng lish).pdf, Rz. 478.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Die von den Umsiedlungen Betroffenen erhielten entgegen erweckter Erwartungen auch keine Arbeit im Minenbetrieb.426 Weiterhin kritisierte das Panel, dass den Betroffenen keine Entschädigung in der Variante ‚land for land‘ angeboten wurde, obwohl diese Option von der Safeguard Policy einer rein finanziellen Entschädigung vorgezogen werde.427 Besonders gelitten hätten unter den Umsiedlungen jene, die keine formalen Landrechte ihr Eigen nennen konnten: „The Panel notes that Management has failed to provide the Panel with evidence that it has complied with the OD 4.30 with regard to the compensation of [projectaffected persons] who own land under traditional or customary rights, prior to their relocation.“428

IV. Der Fall des Anuak-Volkes in der äthiopischen Gambella-Region Zu den jüngeren Betroffenen der von der Weltbank unterstützten Umsiedlungsprojekte gehörten Angehörige des äthiopischen Volks der Anuak in der Gambella-Region. Die Weltbank hatte ab 2006 ein Projekt finanziert (Promot­ ing Basic Services Project [PBS] I – III), das unter anderem darauf abzielte, die Wasserversorgung und den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung für die Anuak zu verbessern, aber mit einem Programm der Regierung zusammenhing, das fast zwei Millionen Menschen (mitunter gewaltsam) aus abgelegenen Gegenden umsiedelte, darunter fast 40.000 Haushalte in der Gambella-Region.429 Die entsprechende Beschwerde beim Inspection Panel der Weltbank wurde 2012 eingereicht. Sie hatte unter anderem thematisiert, dass das Projekt bzw. die Vertreibungen zu Verschlechterungen der Lebensgrundlagen geführt hätten, da die Betroffenen weniger fruchtbares Land erhalten hätten und in der neuen Umgebung ein Mangel an anderen Einkommensmöglichkeiten bestehen würde. Zudem wurde vorgetragen, dass die Anuak ihre Felder kurz vor der Ernte verlassen mussten und von der Regierung keine Nahrungshilfen erhielten. Dies soll bei vielen Familien zu Hunger geführt haben, einige Menschen (darunter Kinder) sollen gar an Hunger gestorben sein.430 426  Ibid.,

Rz.  219 ff. Rz. 231, 235. 428  Ibid., Rz. 41. 429  Süddeutsche Zeitung Online, Gewalt statt Hilfe, 21.1.2015, www.sueddeut sche.de/wirtschaft/weltbank-projekt-in-aethiopien-gewalt-statt-hilfe-1.2313021. 430  Weltbank/Inspection Panel, Ethiopia: Protection of Basic Services Program Phase II Additional Financing and Promoting Basic Services Phase III Project, Investigation Report vom 21.11.2014, http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/PanelCases/ 427  Ibid.,



C. Zwangsumsiedlungen261

Bei seinem Feldbesuch in Äthiopien fand das Panel heraus, dass einige Familien weniger Land als versprochen erhalten haben. In den meisten besichtigten Dörfern erzählten die Bewohner den Panelmitgliedern, dass ihr neues Land noch nicht gerodet war und sie keine Werkzeuge erhalten haben, um es landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Die dafür versprochene Unterstützung der Regierung hätten sie nie erhalten, ebensowenig wie angekündigte Nahrungsmittelhilfen oder auch tatsächlich funktionierende Mühlen. In einem Ort berichteten die Bewohner, dass nur wenige noch auf ihren alten Feldern arbeiten könnten; diese Menschen würden ihren Ertrag mit den anderen Familien teilen, welche sonst nichts zu essen hätten. Dementsprechend haben viele Gemeinden die Panelmitglieder informiert, dass sie Probleme hätten, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. In einem Ort wurde Hunger als das größte Problem beschrieben.431 Im Ergebnis verneinte jedoch das Panel eine Verletzung der Safeguard Policy zu Zwangsumsiedlungen (OP 4.12), da das Umsiedlungsprojekt der äthiopischen Regierung nicht im Sinne der Rz. 4 der OP 4.12 direkt und signifikant mit dem Bankprojekt zusammenhinge und nicht zwingend notwendig gewesen wäre, um die Ziele des Bankprojekts zu erreichen.432 Für anwendbar hielt das Panel hingegen – im Gegensatz zur Ansicht des Managements – die Safeguard Policy zu indigenen Völkern (OP 4.10). Diese sei auch verletzt worden, da die Bank die Lebensgrundlage, das Wohlergehen, und den Zugang zu Grundversorgungsleistungen, die bei indigenen Völkern wie den Anuak eng an den Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen gebunden sind, bei der Entwicklungs des Projekts nicht berücksichtigt habe.433 Auch Überwachungsmechanismen wie von der Investment Lend­ ing Policy (OP/BP 10.00) gefordert, seien teils nicht eingehalten worden.434 Die Weltbank reagierte auf den Untersuchungsbericht mit einem Aktionsplan, der von Human Rights Watch kritisiert wurde: Der Plan versuche, die Schlussfolgerungen des Untersuchungsberichts zu relativieren und wiese zudem die Aussage des Panels, dass die Weltbank seine Policy zu indigenen Völkern verletzt habe, zurück.435 82-%20Inspection%20Panel%20Investigation%20Report%20Ethiopia%20PBS%20 Phase%20III%20Project.pdf., Rz. 209. 431  Ibid., Rz. 118 sowie Box 1; Rz. 217. 432  Ibid., Rz. 186. 433  Ibid., Rz. 208. 434  Ibid., Rz. 233. 435  Human Rights Watch, World Bank: Address Ethiopia Findings, Response to Inquiry Dismissive of Abuses, 23.2.2015, www.hrw.org/news/2015/02/23/worldbank-address-ethiopia-findings.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

V. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen Zwangsumsiedlungen werden nicht von der Weltbank bzw. deren Mitarbeitern selbst angeordnet und durchgeführt, sondern von den nationalen/ lokalen Behörden des Kreditnehmerstaates. Die bis Oktober 2018 noch geltende Safeguard Policy zu Zwangsumsiedlungen beschrieb den Prozess folgendermaßen: „The borrower is responsible for preparing, implementing, and monitoring a reset­ tlement plan, a resettlement policy framework, or a process framework (the ‚reset­ tlement instruments‘), as appropriate, that conform to this policy. The resettlement instrument presents a strategy for achieving the objectives of the policy and covers all aspects of the proposed resettlement. Borrower commitment to, and capacity for, undertaking successful resettlement is a key determinant of Bank involvement in a project. […] The borrower is responsible for adequate monitoring and evaluation of the activities set forth in the resettlement instrument. The Bank regularly supervises resettlement implementation to determine compliance with the resettlement instrument.“436

Auch das neue ESF geht von einer Verantwortung des Nehmerstaates für die Umsiedlungsplanung aus.437 Daher stellt sich die Frage, inwiefern die Bank für staatlich veranlasste Verletzungen des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, eine parallele (Mit-)Verantwortung trägt. Die Zurechnung einer staatlichen Zwangsumsiedlung zur internationalen Organisation nach Art. 7 der DARIO, „The conduct of an organ of a State or an organ or agent of an international organization that is placed at the disposal of another international organization shall be considered under international law an act of the latter organization if the organization exercises effective control over that conduct.“

muss man mangels effektiver Kontrolle der Bank in der Regel verneinen. Effektive Kontrolle im Sinne einer Zurechnung völkerrechtswidrigen Verhaltens stellt darauf ab, ob eine Organisation direkt die Begehung spezifischer Akte kontrolliert.438 Im Falle von Zwangsumsiedlungen hat die Weltbank 436  Weltbank, Operational Manual, Juli 2015, http://siteresources.worldbank.org/ EXTOPMANUAL/Resources/EntireOM_ExternalUpdatedJuly12015.pdf, OP 4.12 (In­ voluntary Resettlement), Rz. 18, 24. 437  Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents. worldbank.org/curated/en/383011492423734099/pdf/114278-WP-REVISED-PUBLICEnvironmental-and-Social-Framework.pdf; http://pubdocs.worldbank.org/en/7483914 70327541124/SafeguardsFactSheetenglishAug42016.pdf, S. 60. 438  UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 54 ff., Art. 7, Rz. 4; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Nicaragua v. United States of



C. Zwangsumsiedlungen263

allerdings oftmals nicht einmal detaillierte Kenntnisse von den Umsiedlungen, bzw. kann vorher nicht zwingend absehen, ob es überhaupt zu Umsiedlungen kommen wird.439 Eine effektive Kontrolle der Umsiedlungen liegt demnach nicht vor. Nunmehr ist Art. 14 der DARIO heranzuziehen: „An international organization which aids or assists a State or another international organization in the commission of an internationally wrongful act by the State or the latter organization is internationally responsible for doing so if: (a) the former organization does so with knowledge of the circumstances of the internationally wrongful act; and (b) the act would be internationally wrongful if committed by that organization.“

In dem Moment, in dem eine internationale Organisation einem Staat Gelder zur Verfügung stellt, und der Staat in diesem Zusammenhang Menschenrechtsverletzungen begeht (wie eben auch durch Zwangsumsiedlungen), kann die Organisation grundsätzlich wegen Beihilfe verantwortlich sein. Auch hier steht jedoch im Wege, dass es der Weltbank, im Gegensatz zu schädlichen Bedingungen von Strukturanpassungsprogrammen, oftmals an (detaillierten) Kenntnissen von den Umsiedlungen mangelt.440 Fraglich ist daher in diesem Zusammenhang, ob der Maßstab des Art. 14 tatsächlich absolute Gewissheit über konkrete Umstände verlangt. Der entsprechende Kommentar der ILC verweist auf einen Fall, in dem eine UNOMission in der Demokratischen Republik Kongo ‚reason to believe‘ gehabt hätte, dass die staatliche Armee das humanitäre Völkerrecht, Menschenrechte sowie das Flüchtlingsrecht verletzt, und deshalb, nach Ansicht des UN Legal Counsel, die staatliche Armee nicht mehr weiter unterstützen durfte.441 Nach Ameri­ca, IGH, Urteil vom 27.6.1986 (Merits), ICJ Reports 1986, S. 14, 64 f., Rz. 115; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Bosnien und Herzegovina v. Serbien und Montenegro, IGH, Urteil (Merits) vom 26.2.2007, ICJ Reports 2007, S. 43, S. 208 f., Rz. 401; Loizidou v. Türkei, EGMR, Application No. 15318/89, Urteil vom 18.12.1996, Rz. 52; Bankovic v. Belgien u. a., EGMR, Application No. 52207/99, Urteil (Zulässigkeit) vom 19.12.2001, Rz.  34 ff.; Issa u.  a. v. Türkei, EGMR, Application No. 31821/96, Urteil vom 16.11.2004, Rz.  67 ff.; Al-Skeini u. a. v. Vereinigtes Königreich, EGMR, Application No. 55721/07, Urteil vom 7.7.2011, Rz. 149; Al-Jedda v. Vereinigtes Königreich, EGMR, Application No. 27021/08, Urteil vom 7.7.2011, Rz. 74 ff. 439  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 120. 440  Ibid., S. 120 f.; siehe schon unter Teil 3, B. V. 1. c) (auch zur Frage des voluntativen Elements). 441  Siehe UN-Dokument A/66/10, Ch. V E., ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations with Commentaries, S. 104 f., Art. 14, Rz. 6.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Ansicht der ILC soll also ein begründeter Verdacht für das Vorliegen des Wissenselements442 der Beihilfe bereits ausreichen. Aus rechtspolitischer Perspektive ist dies nicht unproblematisch: Eine Zurechnung im Falle eines begründeten Verdachts könnte aus Sicht der Organisation ein Argument gerade gegen eine (eigentlich vielfach gewünschte) sorgfältige Überwachung des Projekts darstellen, da sie es so vermeiden kann, einen begründeten Verdacht überhaupt erst aufkommen zu lassen. Ob der Beihilfe-Ansatz der ILC eine angemessene Grundlage für die Zurechenbarkeit staatlichen Handelns zu einer internationalen Organisaton darstellt, ist daher entsprechend zweifelhaft. Sinnvoller wäre es, im Kontext der negativen Auswirkungen von Entwicklungsprojekten nicht allein auf das tatsächliche Wissen der Organisation abzustellen, sondern darauf, ob diese zumindest versucht haben, durch eine hinreichende Überwachung des Projekts die ordnungsgemäße, nicht-menschenrechtswidrige Verwendung der Gelder sicherzustellen. Eine internationale Organisation sollte sich der Verantwortung nicht dadurch entziehen dürfen, dass sie bewusst die Augen vor glaubhaften Anhaltspunkten oder gar Beweisen für einen Einsatz von Mitteln zu völkerrechtswidrigen Zwecken verschließt.443 Im Sinne einer derartigen Auslegung wäre dann das Vorliegen einer völkerrechtswidrigen Beihilfe zu bejahen. Positiv zu bewerten ist, dass es wie im Fall des China Western Poverty Reduction Project durchaus Projekte gab, die wegen drohender negativer Folgen für die Bevölkerung noch rechtzeitig abgebrochen wurden.444 Indes zeigt sich aber eben auch ein strukturelles Problem der Bank, Zwangsumsiedlungen in ihrer Gesamtheit hinreichend zu vermeiden bzw. wenigstens zu überwachen. Mit den oben erwähnten Untersuchungsergebnissen der Journalisten-Vereinigung aus dem Jahr 2015 konfrontiert, gestand die Weltbank ein, dass sie oftmals nicht wisse, wie viele Menschen von einem Projekt betroffen seien. Laut eines internen Prüfberichts sei in 60 % der untersuchten Fälle das wei442  Zum

Erfordernis eines voluntativen Elements, siehe unter Teil 3, B. V. 1. c). für den Bereich der Staatenverantwortlichkeit: Harriet Moynihan, Aiding and Assisting: Challenges in Armed Conflict and Counterterrorism, Chatham House Research Paper, November 2016, www.chathamhouse.org/sites/files/ chathamhouse/publications/research/2016-11-11-aiding-assisting-challenges-armedconflict-moynihan.pdf, S. 24. 444  Allerdings zeigt dieses Beispiel auch gerade die Komplexität der Materie auf. Möglicherweise wäre es für die Betroffenen vor Ort vorteilhafter gewesen, wenn die Bank das Projekt weiter finanziert und so weit wie möglich auf die Einhaltung ihrer Vorgaben geachtet hätte. Stattdessen finanzierte China das Projekt mit eigenen Mitteln, ohne auf externe Vorgaben Rücksicht nehmen zu müssen. 443  Entsprechend



D. Landwirtschaft und Fischerei265

tere Leben der Umgesiedelten nicht dokumentiert worden. Schon Mitte der Neunziger Jahre hatte die Weltbank gewusst, dass innerhalb von acht Jahren 2,5 Millionen Menschen (viele unfreiwillig) von ihrem Land vertrieben worden waren, vielen davon sei es später schlechter gegangen als zuvor.445 Dies in Kombination mit den näher beschriebenen Fällen zeigt, dass bei der Weltbank ein erhebliches Informationsdefizit vorliegt; sie scheint oftmals gar nicht allzu genau wissen zu wollen, wie ihre Kreditnehmer vor Ort vorgehen. Ein derartiges (mehr oder weniger bewusstes) Unterlassen genügt indes nicht menschenrechtlichen Maßstäben.

D. Landwirtschaft und Fischerei Im Folgenden soll untersucht werden, welchen Einfluss die BrettonWoods-Institutionen, bzw. vor allem die Weltbank, auf die Bereiche hat, in denen Nahrungsmittel produziert werden: die Land- sowie die Fischereiwirtschaft, wobei ein Fokus auf Afrika liegen wird. Dabei soll es nicht nur um die Produktionsmengen gehen, sondern vor allem darum, wie die Produzenten dieser Lebensmittel von entsprechenden Strategien betroffen werden.

I. Strategien für ländliche Entwicklung der Weltbank Wie die Weltbank richtig erkennt, lebt eine Vielzahl der weltweit Hungernden auf dem Land: 2002 lebten etwa 75 % der armen Bewohner der Entwicklungsländer (883 Millionen Menschen) in ländlichen Gegenden, von denen die meisten direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig waren.446 Kleinbauerei, die vor allem Grundnahrungsmittel hervorbringt, bildete dabei im Jahr 2008 etwa 80 % der afrikanischen Landwirtschaft.447 Ein ganz wesentliches Ziel der Weltbank besteht darin, den Agrarsektor weltweit zu fördern und mitunter ruhendes Potential, gerade auch in Afrika, auszuschöpfen: „With an abundance of labor, land and untapped water, Africa has the resources necessary for a massive expansion of agricultural production. […] Transforming agriculture in Africa is not simply about helping Africa; it is essential for ensuring 445  Süddeutsche Zeitung Online, Wie Weltbank-Projekte den Ärmsten schaden, 16.4.2015, www.sueddeutsche.de/politik/vertreibung-und-verfolgung-wie-weltbankprojekte-den-aermsten-schaden-1.2437465. 446  World Bank, World Development Report 2008 – Agriculture for Development, 2007, S. 26. 447  FAO, The State of Food Insecurity in the World: High Food Prices and Food Security – Threats and Opportunities, 2008, S. 35.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

global food security. Reducing poverty in Africa is the world’s supreme development challenge and growing the agricultural sector is key. […] But Africa’s agriculture is also of critical importance when it comes to meeting the world’s future needs for food and fiber. With the global population expected to exceed 9 billion by 2050, food security – producing enough food of sufficient quality and making it accessible and affordable for consumers around the world – is one of the most important policy objectives of our time.“448

In diesem Zusammenhang kritisiert die Bank, dass Afrika einen immer geringeren Anteil an der globalen Nahrungsproduktion habe, mittlerweile exportiere Thailand mehr Nahrung als das gesamte Subsahara-Afrika. Die Ursache sieht die Bank darin, dass die ‚Grüne Revolution‘ an Afrika vorbeigegangen sei: Zwar wachse die Größe der bewirtschafteten Fläche, nicht aber die Produktivität an sich, in Ermangelung der Nutzung technologischer Neuerungen (wie dem Einsatz von modernem Saatgut und Düngemitteln) und privater Investitionen.449 Trotz der riesigen Flächen, die für den Nahrungsmittelanbau zur Verfügung stünden, sei Afrika zunehmend von Nahrungsmittelimporten abhängig, um seinen Bedarf zu decken.450 Auch in Zeiten, als die Weltbank noch keine eigenständige Strategie für ländliche Entwicklung hatte, war doch bereits ein entsprechendes Bewusstsein vorhanden. 1981 erkannte ein Bankbericht zu Unterernährung an, dass die bloße Erhöhung der Lebensmittelproduktion für sich allein nicht ausreiche, um den Hunger in Entwicklungsländern zu bekämpfen: „A traditional response to the nutrition problem has been to grow more food. Increasing the food supply is fundamental to meeting the problem of inadequate nutrition, but the often impressive agricultural development of the past twenty years has demonstrated that it is not enough. At the height of India’s Green Revolution, for example, while agricultural production in the Punjab became a model for that of the world, the poor nutritional status of the low-income population did not improve. There is widening recognition that programs aimed at increasing the production of food, even if they are successful, must be accompanied by efforts designed to affect the distribution of income and patterns of diet.“451

448  Weltbank, Unlocking Africa’s Agricultural Potential: An Action Agenda for Transformation, 2013, S. 13, 21. 449  Ibid., S.  13 f., 27 ff. 450  Weltbank/John C. Keyser, Opening Up the Markets for Seed Trade in Africa, Africa Trade Practice Working Paper Series No. 2, 2013, S. 3. 451  Weltbank/Alan Berg, Malnourished People: A Policy View, 1981, http://docu ments.worldbank.org/curated/en/503091468780872322/pdf/multi0page.pdf, S. 2; siehe auch Weltbank, Poverty and Hunger Issues and Options for Food Security in Devel­ oping Countries, World Bank Policy Study, 1986, http://www-wds.worldbank.org/ external/default/WDSContentServer/WDSP/IB/1999/09/17/000178830_98101901455 676/Rendered/PDF/multi_page.pdf, S. 49.



D. Landwirtschaft und Fischerei267

Im gleichen Jahrzehnt nannte ein Weltbankbericht die Kleinbauern sowie die Landbewohner ohne Landbesitz als die Hauptrisikogruppen (neben armen Stadtbewohnern) für chronische Ernährungsunsicherheit.452 1997 verkündete die Weltbank erstmals eine Strategie für ländliche Entwicklung, „From Vision to Action“.453 2003 veröffentlichte sie eine erneuerte Strategie unter dem Schlagwort „Reaching the Rural Poor“,454 welche im Gegensatz zu der Strategie von 1997, die nicht den erwünschten Erfolg mit sich brachte, ergebnisorientierter sein sollte und sich auf die folgenden Punkte fokussierte: •• Ein Verständnis für die Realitäten und Bedürfnisse der auf dem Land lebenden Armen zu entwickeln; •• Breit angelegtes Wirtschaftswachstum zu stärken; •• Sich mit ländlichen Gegenden umfassend zu beschäftigen (auch im Sinne einer Abkehr von kurzfristigen, rein sektor-orientierten Lösungen); •• Allianzen zwischen den unterschiedlichen Akteuren zu schmieden; •• Die Auswirkungen globaler Entwicklungen für die betroffenen Staaten anzugehen (in Anerkennung der Tatsache, dass Globalisierung und Wirtschaftsliberalisierung nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer hervorbringen).455

II. Fokus auf der Massenproduktion Die Gründe für die prekäre Lage der Landwirte in Entwicklungsländern sind vielfältig. Zu einem nicht geringen Teil sind sie aber auch in einem Wirtschaftssystem zu suchen, dass einerseits Marktöffnungen, Handelsliberalisierungen und den Abbau von Handelshemmnissen wie Subventionen verlangt, in dem aber Landwirtschaftsprodukte der Industriestaaten enorm sub452  Weltbank, Poverty and Hunger Issues and Options for Food Security in Devel­ oping Countries, World Bank Policy Study, 1986, www-wds.worldbank.org/external/ default/WDSContentServer/WDSP/IB/1999/09/17/000178830_98101901455676/Rendered/PDF/multi_page.pdf, S. 29. 453  Weltbank, Rural Development: From Vision to Action, 1997, www-wds. worldbank.org/external/default/WDSContentServer/WDSP/IB/2000/09/23/000009265 _3980319100022/Rendered/PDF/multi_page.pdf. 454  Weltbank, Reaching the Rural Poor – A Renewed Strategy for Rural Development, 2003, www-wds.worldbank.org/external/default/WDSContentServer/WDSP/IB/ 2006/09/06/000112742_20060906121359/Rendered/PDF/267630REACHING0THE0 RURAL0POOR0.pdf. 455  Ibid., S.  xiv ff.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

ventioniert werden. Auch die Weltbank und der IWF fordern von den Staaten seit jeher die Öffnung ihrer Märkte und freien Handel, unter anderem für Agrarprodukte.456 Von dieser Liberalisierung profitieren zwar Konzerne und Großfarmer, aber nicht die Kleinbauern, welche stattdessen eher weiter ‚an Boden verlieren‘.457 Speziell bezüglich des Rechts auf Nahrung werden sowohl Kleinbauern als auch Fischer zu den besonders verletzlichen Gruppen gezählt.458 Der Grund für diese weitverbreitete ländliche Armut ist dem ehemaligen UNSonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung de Schutter zufolge vor allem darin zu sehen, dass Kleinbauern nicht so unterstützt werden, wie sie es sollten. Dementsprechend sieht er die primäre Herausforderung nicht darin, schlicht ein ‚Mehr‘ an Nahrung zu erreichen, sondern Nahrungsmittel so zu produzieren, dass sie das Einkommen der ärmsten Produzenten und zudem auch die Resilienz gegenüber dem Klimawandel vergrößern. Dies erfordere mehr Diversität im Anbau und der Nutzpflanzen.459 Auch die Weltbank ist sich der Bedeutung der Anpassung an den Klimawandel bewusst: „A priority in the Bank’s support of technology generation and diffusion will be the mainstreaming of climate-smart agriculture, focusing on water management, agricultural risk management, and conservation farming. Climate-smart agriculture (CSA) is about strengthening farmers’ resilience to climate change, while at the same time reducing agriculture’s climate imprint through curbing greenhouse gas (GHG) emissions by limiting deforestation and increasing carbon storage, including in the soil.“460

1. Förderung der Kleinbauern vs. Investitionen in Massenproduktion In der Förderung der ländlichen Entwicklung bzw. der Landwirtschaft vertritt die Weltbank seit jeher eine großen Investitionen gegenüber grundsätzlich sehr positive Haltung. In den Augen der Weltbank sind solche Agrar­

456  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 69. Siehe schon unter Teil 3, B. 457  Ibid., S. 71. 458  Ibid., S.  34 ff. 459  Olivier de Schutter, The Right of Everyone to Enjoy the Benefits of Scientific Progress and the Right to Food: From Conflict to Complementarity, 33 Human Rights Quarterly 2011, S. 304, 306. 460  Weltbank, Unlocking Africa’s Agricultural Potential: An Action Agenda for Transformation, 2013, S. 18.



D. Landwirtschaft und Fischerei269

investitionen der Entwicklung eines Staates zuträglich. Negative Folgen gilt es abzumildern, doch an dem Konzept selbst wird nicht gerüttelt. Die Weltbank nimmt dabei in dreierlei Hinsicht eine wichtige Rolle ein: als Kreditgeber für Agrarinvestitionen, als Berater für Enwicklungsländer, sowie als Vorbild (‚standard-setter‘) für andere Investoren.461 Hierbei geht es gerade auch um eine sehr grundlegende Problematik. Im Bezug auf die Frage, ob die Nahrungsmittelversorgung für eine wachsende Weltbevölkerung462 nur durch Förderung der Massenproduktion durch Großbauern sichergestellt werden kann, herrscht seit Jahren ein regelrechter ‚Glaubenskrieg‘. Der Ökonom und ehemalige Leiter der Forschungsabteilung der Weltbank, Paul Collier, ist der Ansicht, dass „peasant farming is not well suited to innovation and investment“; der realistischste Weg, um die Nahrungspreise niedrig zu halten, sei das weltweite Kopieren des brasilianischen Models der großen, technisch fortschrittlichen Agrarunternehmen.463 461  Oxfam,

S.  9 ff.

‚Our Land, Our Lives‘: Time Out on the Global Land Rush, 2012,

462  Inwiefern tatsächlich eine unzureichende Nahrungsproduktionsmenge eine Hauptursache für Hunger ist, bzw. künftig sein wird, ist nicht unumstritten. Amartya Sen betonte, dass der Kampf gegen den Hunger sich statt auf die bloße Erhöhung der Lebensmittelmenge in der Gesamtwirtschaft auf den Anspruch (‚entitlement‘) des Einzelnen auf Nahrung konzentrieren müsse (Amartya Sen, Development as Freedom, 1999, S. 161 f.: „What we have to concentrate on is not the total food supply in the economy but the ‚entitlement‘ that each person enjoys: the commodities over which she can establish her ownership and command. People suffer from hunger when they cannot establish their entitlement over an adequate amount of food.“ [Fußnote im Zitat entfernt]). Dass Hunger oftmals gerade nicht auf einen Mangel an Nahrung zurückzuführen ist, zeigt sich auch an konrekten Beispielen. Bei den Hungersnöten in Bengalen von 1943 und in Bangladesh von 1974 war kein oder nur ein geringer Rückgang der Nahrungsmittelproduktion zu beobachten. Solche Fälle zeigen, dass eine Steigerung der Nahrungsproduktion für sich genommen noch kein ausreichendes Mittel zur Bekämpfung des Hungers ist (Philip Alston, International Law and the Human Right to Food, in: Philip Alston/Katarina Tomaševski (Hrsg.), The Right to Food, 1984, S. 9, 11). Derartige Forderungen schließen jedoch nicht aus, dass künftig in Anbetracht der rasant wachsenden Weltbevölkerung auch gerade auf eine Erhöhung der Nahrungsproduktion gesetzt werden muss, siehe hierzu FAO, How to Feed the World in 2050, 2009, S. 2: „By 2050 the world’s population will reach 9.1 billion, 34 percent higher than today. […] In order to feed this larger, more urban and richer population, food production (net of food used for biofuels) must increase by 70 percent. Annual cereal production will need to rise to about 3 billion tonnes from 2.1 billion today and annual meat production will need to rise by over 200 million tonnes to reach 470 million tonnes.“ 463  Paul Collier, Food Shortages: Think Big, Times Online, 15.4.2008, www. nextbillion.net/newspost.aspx?newsid=1882; ders., The Politics of Hunger, Foreign Affairs 87.6 (November/Dezember 2008), S. 67.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Dieser Ansicht hat sich auch z. B. die Bill and Melinda Gates Stiftung angeschlossenen,464 einer der wichtigsten privaten Akteure im Entwicklungsbereich. Andere wiederum denken, dass gerade die Förderung der Kleinbauern eine wichtige Strategie im Kampf gegen den Hunger darstellt. Dieser Gedanke ist auch Teil des sogenannten Food Sovereignty-Ansatzes, der als Gegenreaktion auf die Strukturanpassungsprogramme und damit verbundenen Marktöffnungen der Bretton-Woods-Institutionen entwickelt wurde.465 Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter de Schutter kritisiert kulturelle Vorurteile gegenüber Kleinbauern, sie würden als rückständig und nicht als wertvolle Partner betrachtet werden, was einer selbsterfüllenden Prophezeiung gleichkomme.466 Ein großangelegter Bericht zu International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (eine Initiative der Weltbank und der FAO) kam 2009 zu dem Schluss, dass Ernährungssicherheit durch Förderung des Kleinbauerntums und Steigerung der Profitabilität gestärkt werden sollte.467 Die gleiche Initiative erkennt an, dass eine bloße Produktionssteigerung nicht ausreicht, um Ernährungssicherheit zu verwirklichen – stattdessen betont sie auch die Wichtigkeit des Zugangs zu Nahrung (was einen wichtigen Bestandteil des Rechts auf Nahrung darstellt468): „Production measures create the conditions for food security, but they need to be looked at in conjunction with people’s access to food (through own production, exchange and public entitlements) and their ability to absorb nutrients consumed (through adequate access to water and sanitation, adequate nutrition and nutritional information) in order to fully achieve food security.“469

2008 stellte der World Development Report der Weltbank fest, dass in landwirtschaftsbasierten Ländern (wozu der Großteil Subsahara-Afrikas gehöre) diese Landwirtschaft essenziell für Wachstum sowie geringere Armut und Ernährungssicherheit sei. Um diese Ziele zu erreichen, sei eine ‚produc464  Jochen von Bernstorff, ‚Land Grabbing‘ und Menschenrechte: die FAO Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure, INEF Forschungsreihe Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und Nachhaltige Entwicklung 11/2012, Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen, S. 14. 465  Ibid., S. 15 ff.; siehe auch Colin Hines, A Global Look to the Local: Replacing Economic Globalization with Democratic Localization, IIED, 2003, www.diverse foodsystems.org/lfs_docs/GlobaltoLocal_Hines.pdf, S.  26 f. 466  Zitiert nach Fred Pearce, The Landgrabbers: The New Fight over Who Owns the Earth, 2012, S. 346. 467  International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development, Agriculture at a Crossroads, Synthesis Report, 2008, S. 5. 468  Siehe unter Teil 2, A. 4. 469  International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development, Agriculture at a Crossroads, Synthesis Report, 2008, S. 5.



D. Landwirtschaft und Fischerei271

tivity revolution in smallholder farming‘ notwendig.470 Hierzu gehöre gerade auch die Erhöhung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, unter anderem durch die Erleichterung des Landzugangs für die Landlosen, den besseren Zugang zu Krediten oder Versicherungen vor wetterbedingten Ausfällen.471 In der Weltbank-Studie „Awakening Africa’s Sleeping Giant“ aus dem Jahre 2009 heißt es: „What is the optimal farm size for driving rapid agricultural commercialization? This question has taken on added urgency with the recent appearance of a growing number of mainly foreign investors who are looking to launch large-scale agribusiness schemes in Africa. Based on a comprehensive review of the literature, as well as the value chain analysis presented in this report, there is little to suggest that the large-scale farming model is either necessary or even particularly promising for Africa. Although some advocates of large-scale agriculture have pointed to the settler farms of eastern and southern Africa as successful examples, closer examination reveals that in many cases these farms were created by expropriating land from indigenous populations and nurtured with a stream of preferential policies, subsidies, and supporting investments.“472

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Weltbank nicht auch nach wie vor gerade die Massenproduktion unterstützen würde. Für ihr Konzept für Ernährungssicherheit stellt die Weltbank die Grundprämisse auf, dass die Welt, um im Jahr 2050 9 Milliarden Menschen ernähren zu können, mindestens 50 % mehr Nahrungsmittel produzieren müsse. Aus diesem Grund sei es eine Prioriät der Bank, in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu investieren, um die Nahrungsmittelproduktion und Ernährung anzukurbeln.473 Hierbei betont die Bank auch gerade die Chancen von Investitionen im Bereich der Massenproduktion: „That large-scale farming is in most cases unlikely to be the most appropriate avenue for the commercialization of African agriculture does not mean that there are not important investment opportunities waiting in the sector. […] Over the longer term, attractive opportunities for large-scale farming could emerge in plantation crops, including sugarcane and oil palm, which are the most efficient sources of biofuels.“474 470  World Bank, World Development Report 2008 – Agriculture for Development, 2007, S. 1. 471  Ibid., S.  138 ff. 472  Weltbank, Awakening Africa’s Sleeping Giant, Prospects for Commercial Agriculture in the Guinea Savannah Zone and Beyond, 2009, S. 8. 473  www.worldbank.org/en/topic/foodsecurity/overview. Die FAO spricht gar davon, dass man bis 2050 70 % mehr Nahrungsmittel produzieren müsste – FAO, 2050: A Third More Mouths to Feed, 23.9.2009, www.fao.org/news/story/en/ item/35571/icode/. 474  Weltbank, Awakening Africa’s Sleeping Giant, Prospects for Commercial Agriculture in the Guinea Savannah Zone and Beyond, 2009, S. 10.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

An späterer Stelle, an der die Weltbank aufzeigt, wie die breite afrikanische Bevölkerung von einer Agrarrevolution am meisten profitieren könnte, zieht sie zum Vergleich entsprechende Entwicklungen in Brasilien (wo vor allem große Argrarunternehmen vorherrschten) und Thailand (wo der Fokus auf einer Profitoptimierung für Kleinbauern lag) heran. Zwar hätte in Brasilien die Bevölkerung insgesamt profitiert, die Bank kritisiert jedoch explizit negative Auswirkungen auf Kleinbauern und Farmarbeiter, die durch die Ausbreitung von mechanisierten Großfarmbetrieben ihr Land, ihre Lebensgrundlage, und manchmal sogar ihr Leben selbst verloren hätten.475 Im Vergleich dazu wären die negativen sozialen Auswirkungen in Thailand geringer gewesen.476 Gleichermaßen betonte die Weltbank, dass über Jahrzehnte gesammelte empirische Daten aus aller Welt dafür sprechen würden, dass große Farmen mit angestelltem Personal pro Hektar erstaunlicherweise sogar weniger Ertrag einbringen würden als kleinere Familienbetriebe – trotz einiger Relativierungen dieser Ansicht schlussfolgerte die Weltbank letztlich, dass die großangelegte Massenproduktion für die afrikanische Landwirtschaft weder notwendig noch besonders vielversprechend sei.477 In drei Szenarien könnten jedoch gerade große Unternehmungen von Vorteil sein: bei Plantagenpflanzen (wie Zucker, Ölpalme, Tee, Bananen), die nach der Ernte schnell verarbeitet oder richtig gelagert werden müssen; bei solchen Produkten, für die auf dem Exportmarkt ein starker Wettbewerb mit hohen Qualitätsstandards stattfindet; sowie bei Land in sehr dünn besiedelten Gebieten, in denen es an Arbeitskräften mangelt.478 Im Zusammenhang mit Ernährungssicherheit sei allerdings zu berücksichtigen, dass in vielen abgelegenen Gegenden Afrikas mit unterentwickelter Infrastruktur Haushalte gerade auf ihre eigene Produktion angewiesen seien – daher müsse man deren Ernährungssicherheit dort direkt angehen, anstatt nur auf indirekte Weise über eine generelle Produktionserhöhung im Land.479

475  Ibid.,

S.  138 f. S. 140. 477  Ibid., S. 143  ff., 148; siehe auch UN-Menschenrechtsrat, UN-Dokument A/ HRC/13/33/Add.2, Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Olivier de Schutter, Large-Scale Land Acquisitions and Leases: A Set of Minimum Principles and Measures to Address the Human Rights Challenge, 28.12.2009, Rz. 18. 478  Weltbank, Awakening Africa’s Sleeping Giant, Prospects for Commercial Agriculture in the Guinea Savannah Zone and Beyond, 2009, S. 149. 479  Ibid., S.  157 f. 476  Ibid.,



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2. Förderung von bestimmten Nahrungsmittelgruppen Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich die Landwirtschaft stark verändert. Während große Mengen an Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Mais, Reis, Milch und Fleisch mittlerweile vor allem in Industriestaaten produziert werden, wandelten sich Entwicklungsländer zu Lebensmittelimporteuren: Dort werden weniger Nahrungsmittel, sondern vielmehr sogenannte (zum Export bestimmte) cash crops wie Kaffee, Baumwolle oder Blumen angebaut.480 Nach Zahlen aus dem Jahr 2012 fokussiert sich eine Vielzahl der ausländischen Landinvestoren in Entwicklungsländern (welche oft selbst ein großes Hungerproblem haben) auf das Exportgeschäft.481 Während man dem Anbau von cash crops einerseits zu Gute halten könnte, dass er im Sinne einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft den Bauern mehr Einkommen generieren kann, birgt er gleichzeitig enorme Risiken, auch für das Recht auf Nahrung. Schon 1981 warnte eine Weltbankpublikation vor den negativen Auswirkungen derartiger Politik: „Planners must take care that changes in agricultural technology or policies do not have detrimental nutritional effects. Sometimes when food prices are falling, governments choose to export food or encourage a shift from food to nonfood crops. Although during nearly twenty years of a rural development project in Tabasco, Mexico, agricultural production increased sixfold – while the population doubled – the nutritional status of the poorest 30 percent of the population of the project area dropped.“482

Dennoch förderte die Weltbank immer wieder auch cash crops-bezogene Investitionen. Gerade vor der Nahrungsmittelkrise 2007/2008483 war eine verstärkte Förderung des Anbaus von cash crops statt food crops zu beobachten. Die FAO schrieb der Weltbank hier ausdrücklich eine Mitverantwortung zu.484

480  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 71. 481  International Land Coalition/CDE/CIRAD/GIGA/GIZ, Transnational Land Deals for Agriculture in the Global South: Analytical Report based on the Land Matrix Database, 2012, www.oxfam.de/system/files/20120427_report_land_matrix.pdf, S. 35; Oxfam, ‚Our Land, Our Lives’: Time Out on the Global Land Rush, 2012, S. 6. 482  Weltbank/Alan Berg, Malnourished People: A Policy View, 1981, http://docu ments.worldbank.org/curated/en/503091468780872322/pdf/multi0page.pdf, S. 33. 483  Siehe hierzu ausführlicher unter Teil 3, E. 484  FAO, International Dimensions of the Right to Adequate Food, 2014, S. 4.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

3. Haltung gegenüber der Verbreitung von genmanipuliertem Saatgut Ebenfalls ambivalent ist die Förderung der Verbreitung von genmanipuliertem Saatgut zu sehen. Befürworter derartiger Neuerungen verweisen auf den mit einer wachsenden Weltbevölkerung steigenden Nahrungsmittelbedarf, welcher nur durch die größere Verbreitung von neuartigem Saatgut gestillt werden könne.485 Patentiertes genmanipuliertes Saatgut bringt es jedoch oftmals mit sich, dass es jedes Jahr aufs neue zu entsprechenden Preisen angeschafft werden muss, da es nicht möglich ist, einen Teil der Ernte als Samen für die nächste Aussaat zu verwenden.486 Verfügen die Bauern in einem Jahr nicht über die nötigen finanziellen Mittel, so können sie nicht aussähen und ihre Lebensgrundlage entfällt auf einen Schlag. Zudem trägt die Verbreitung von genmanipuliertem Saatgut generell zu steigenden Preisen nicht nur für Saatgut selbst, sondern auch für die dazu passenden Düngemittel und Pestizide bei.487 Dies birgt Gefahren für die Ernährungssicherheit gerade in Entwicklungsländern. Auch wenn kein Farmer direkt verpflichtet ist, sich genmanipulierte Pflanzen anzuschaffen, so ist die steigende faktische Abhängigkeit doch nicht zu vernachlässigen: Durch Paketangebote für Kredite, Saatgut, Düngemittel und Pestizide wird Druck auf die Bauern ausgeübt; auch die Käufer der Ernten oder sogar Regierungen verlangen vermehrt die Nutzung von bestimmtem Saatgut.488 Im Kontext von genmanipuliertem Saatgut hängt das Recht auf Nahrung auch mit dem Recht darauf zusammen, an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts und seiner Anwendung teilzuhaben, wie es in Art. 15 Abs. 1 lit. b) des ICESCR niedergeschrieben ist.489 Die Stärkung von Urheberrechten der Saatguthersteller, welche den Fortschritt mitbewir485  Siehe zum Beispiel Paul Collier, The Politics of Hunger, Foreign Affairs 87.6 (November/Dezember 2008), S. 67: „[C]ontrary to the romantics, the world needs more science: the European ban and the consequential African ban on genetically modified (GM) crops are slowing the pace of agricultural productivity growth in the face of accelerating growth in demand.“ 486  Margot Salomon, Poverty, Privilege and International Law: The Millennium Development Goals and the Guise of Humanitarianism, 51 German Yearbook of International Law 2008, S. 39, 59. 487  UN-Dokument E/C.12/IND/CO/5 (8.8.2008), Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Concluding Observations on India, Rz. 29. 488  Olivier de Schutter, The Right of Everyone to Enjoy the Benefits of Scientific Progress and the Right to Food: From Conflict to Complementarity, 33 Human Rights Quarterly 2011, S. 304, 331 f. 489  Ibid., S. 306.



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ken, hat Auswirkungen auf diejenigen, welche diesen nutzen wollen bzw. müssen.490 Das Recht auf Nahrung im Sinne des ICESCR selbst befürwortet zunächst einmal klar den technischen Fortschritt. Nach Art. 11 Abs. 2 lit. a) ICESCR sollen die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen (individuell und durch internationale Zusammenarbeit), um Methoden der Erzeugung, Haltbarmachung und Verteilung von Nahrungsmitteln durch volle Nutzung der technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, durch Verbreitung der ernährungswissenschaftlichen Grundsätze sowie durch die Entwicklung oder Reform landwirtschaftlicher Systeme mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Erschließung und Nutzung der natürlichen Hilfsquellen, zu verbessern. Auch die Kinderrechtskonvention sowie das Zusatzprotokoll zur Amerikanischen Menschenrechtskonvention enthalten ähnliche Bestimmungen.491 Während diese von einer grundsätzlich positiven Wirkung von wissenschaftlichem Fortschritt ausgehen, sollte bedacht werden, dass dies nicht immer der Fall ist: Fortschritt muss als ein Mittel zum Zweck angesehen werden, nicht als Selbstzweck.492 Die staatliche Schutzpflicht bezüglich des Rechts auf Nahrung wird verletzt, wenn ein Staat die Aktivitäten von Patentinhabern oder Pflanzenzüchtern nicht dergestalt reguliert, dass diese die Rechte der Bauern nicht beeinträchtigen.493 Die Freiwilligen Leitlinien der FAO zum Recht auf Nahrung494 fordern die Staaten zudem dazu auf, landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung zu fördern, besonders zwecks der positiven Effekte einer verbesserten Grundnahrungsmittelproduktion auf die Einkommen der Kleinbauern sowie auf arme Konsumenten. Desweiteren sollen die Staaten im Rahmen der relevanten internationalen Verträge, insbesondere jenen zu geistigem Eigentum, aber auch den Zugang der Kleinbauern und solcher auf mittlerer Ebene zu Forschungsergebnissen fördern, welche die Ernährungssicherheit steigern.495 490  Ibid.,

S. 307. Abs. 2 lit. c) der Kinderrechtskonvention; Art. 12 Abs. 2, 14 Abs. 1 lit. b) des San Salvador Protokolls zur Amerikanischen Menschenrechtskonvention. 492  Olivier de Schutter, The Right of Everyone to Enjoy the Benefits of Scientific Progress and the Right to Food: From Conflict to Complementarity, 33 Human Rights Quarterly 2011, S. 304, 309. 493  Ibid., S. 315, unter Verweis auf UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No. 12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 19. 494  Siehe hierzu Teil 2, B. V. 7. 495  Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization of the Right to Adequate Food in the Context of National Food Security, 127. Sitzung des FAORates, November 2004, Prinzipien 8.4 und 8.5. 491  Art. 24

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So empfahl das CESCR Indien, den Bauern staatliche Hilfen zur Verfügung zu stellen, damit diese genmanipuliertes Saatgut erwerben, das sie auch wiederverwenden können, um so ihre Abhängigkeit von Konzernen zu beseitigen.496 Gerade in Indien zeigen sich die Risiken gewisser Agrarpolitiken besonders deutlich. Ende der 1990er Jahre öffnete Indien – im Zuge von Krediten der Weltbank und des IWF, bzw. der damit verbundenen Strukturanpassungsprogramme – seinen Markt für internationale Saatgutkonzerne. Seitdem erregen immer wieder die hohen Zahlen von – oftmals öffentlichen – Suiziden von Farmern Aufsehen. Nach Erhebungen des National Crime Records Bureau sollen die Zahlen in den letzten Jahren leicht gesunken sein – 2012 haben sich 13.754 Farmer das Leben genommen, 2013 immer noch 11.744.497 Insgesamt begingen von 1995 bis Mitte 2014 fast 300.000 indische Farmer Suizid, davon wohl besonders viele, die mit cash crops (wie Baumwolle, Zuckerrohr oder Erdnüsse) arbeiteten und die Probleme wie Verschuldung und Preisvolatilität besonders hart trafen.498 Die Weltbank sieht die Biotechnologie primär als Chance – genmodifizierte Landwirtschaftsprodukte könnten unter den richtigen Bedingungen eine Schlüsselrolle für Ernährungssicherheit und Armutsbekämpfung spielen. Hier wünscht sich die Weltbank mehr finanzielle Förderung durch die Regierungen der Entwicklungsländer, auch damit entsprechendes Wissen sich nicht in privaten Unternehmen konzentriere. In diesem Zusammenhang betrachtete die Weltbank die Ausgestaltung des Schutzes geistigen Eigentums gerade im Rahmen der WTO, die den Zugang der Armen zu neuem Wissen erschweren würde, als durchaus kritisch.499 In einer Weltbankstudie hieß es: „Resource-poor farmers must have free and easy access to new agricultural biotechnologies, to ensure food security and improved rural living standards.“500

Die Rolle der Weltbank wurde im gleichen Bericht als diejenige des größten Unterstützers für staatliche Förderung der Agrarforschung in NichtOECD-Ländern bezeichnet, wobei indiziert wird, dass diese den wachsenden privaten Investitionen etwas entgegensetzen könnte, um so den Zugang armer Bauern zu den neuen Technologien zu erleichtern.501

496  UN-Dokument

E/C.12/IND/CO/5 (8.8.2008), Rz. 69. News Online, Have India’s farm suicides really declined?, 14.7.2014, www.bbc.com/news/world-asia-india-28205741. 498  Ibid. 499  Weltbank, World Development Report 2000/2001 – Attacking Poverty, 2001, S.  184 f. 500  Weltbank, Intellectual Property Rights in Agriculture, The World Bank’s Role in Assisting Borrower and Member Countries, 1999, S. 76. 501  Ibid., S. 76 f., 80. 497  BBC



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Eine derartige Sichtweise ist grundsätzlich positiv zu bewerten, sofern man in genmanipuliertem Saatgut auch Chancen für die Sicherstellung der Welternährung sieht. Unter dieser Prämisse ist es verständlich, dass die Weltbank diesem nicht feindlich gegenübersteht, sondern stattdessen eine nachhaltige Nutzung mit möglichst wenig negativen Folgen für die Beteiligten unterstützen möchte.

III. Haltung gegenüber dem Ankauf von großen Landflächen durch ausländische Investoren, ­insbesondere zum Anbau von Pflanzen für Biokraftstoff Ein wesentlicher Bestandteil des Menschenrechts auf Nahrung, vor allem für ländliche Gemeinschaften, ist der Zugang zu Land.502 Dieser ist in doppelter Weise geschützt: zum einen als Einkommensgrundlage, zum anderen als direkte Nahrungsquelle.503 Mit dem sogenannten Land Grabbing ist nun zunehmend ein Phänomen aufgetreten, welches die Ernährungssicherheit der Bevölkerung beeinträchtigen kann. 1. Begriff und Erscheinungsformen des Land Grabbing Mit dem Begriff ‚Land Grabbing‘ bezeichnet man den großflächigen Erwerb (ab ca. 1.000 Hektar,504 sei es Eigentums- oder bloßer Besitzerwerb mittels Pacht) von Landflächen in Entwicklungsstaaten durch fremde Regierungen oder Investoren.505 Entscheidend ist dabei auch, dass dieses Land in 502  UN-Dokument A/57/356 (27.8.2002), Report of the Special Rapporteur on the right to food Jean Ziegler, Rz. 22; UN-Dokument A/65/281 (11.8.2010), Report of the Special Rapporteur on the right to food, Olivier de Schutter, Rz. 1; Christophe Golay/ Irene Biglino, Human Rights Responses to Land Grabbing: A Right to Food Perspective, 34 Third World Quarterly, 2013, S. 1630, 1634; Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization of the Right to Adequate Food in the Context of National Food Security, 127. Sitzung des FAO-Rates, November 2004, Prinzip 8b. 503  Jochen von Bernstorff, ‚Land Grabbing‘ und Menschenrechte: die FAO Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure, INEF Forschungsreihe Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und Nachhaltige Entwicklung 11/2012, Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen, S. 36. 504  Lorenzo Cotula/Sonja Vermeulen/Rebecca Leonard/James Keeley, Land Grab or Development Opportunity? Agricultural Investment and International Land Deals in Africa, IIED/FAO/IFAD, 2009, S. 3. 505  Vgl. Fred Pearce, The Landgrabbers: The New Fight over Who Owns the Earth, 2012, S. viii; Margot Salomon, The Ethics of Foreign Investment, The Majalla, 4.8.2010, www.majalla.com/eng/2010/08/article5594948; Joachim von Braun/Ruth Meinzen-Dick, „Land Grabbing“ by Foreign Investors in Developing Countries: Risks

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irgendeiner Weise der Bevölkerung vor Ort entzogen wird, für die das Land die Lebensgrundlage darstellt.506 Obgleich die konkreten Erscheinungsformen des Land Grabbing sich stark unterscheiden können,507 sind doch einige generelle Beobachtungen möglich. Anders als früher werden weniger hochpreisige Produkte für den Weltmarkt (wie z. B. Blumen oder Gemüse) angebaut, sondern verstärkt auch Grundnahrungsmittel und Pflanzen für Biokraftstoffe.508 Eine andere Erscheinungsform des Land Grabbing ist solche zugunsten extraktiver Industrien, vor allem für Minen sowie die Gas- und Ölförderung.509 Zu den Hauptinvestoren gehören China, Südkorea, Indien und die Golfstaaten, besonders Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, aber auch europäische und nordamerikanische Investmentfonds. Bei den Zielländern handelt es sich in erster Linie um die besonders einkommensschwachen Staaten Afrikas, Südostasiens, Südamerikas und Osteuropas.510 Jedoch kann sich Land Grabbing auch ohne transnationalen Bezug durch heimische Investoren abspielen,511 die Weltbank sieht derartige Konstellationen sogar in der Mehrzahl (wenngleich entsprechende heimische Investitionen oftmals einen vergleichsweise kleinen Umfang aufweisen).512 Die üb­liche and Opportunities, IFPRI Policy Brief 13, April 2009, www.ifpri.org/sites/default/ files/publications/bp013all.pdf, S. 1; Lorenzo Cotula/Sonja Vermeulen/Rebecca Leonard/James Keeley, Land Grab or Development Opportunity? Agricultural Investment and International Land Deals in Africa, IIED/FAO/IFAD, 2009, S. 4. 506  Yasin Abdalla Eltayeb Elhadary/Franklin Obeng-Odoom, Conventions, ­Changes, and Contradictions in Land Governance in Africa: The Story of Land Grabbing in North Sudan and Ghana, 59(2) Africa Today 2012, S. 59, 68; Olivier de Schutter, The Green Rush: The Global Race for Farmland and the Rights of Lands Users, 52 Harvard International Law Journal 2011, S. 503. 507  Hierzu kritisch Ruth Hall, Land Grabbing in Southern Africa: The Many Faces of the Investor Rush, 38 Review of African Political Economy 2011, S. 193. 508  Lioba Weingärtner/Claudia Trentmann/Deutsche Welthungerhilfe, Handbuch Welternährung, 2011, S. 78. Zur Problematik der Biokraftstoffe, siehe ausführlich unter Teil 3, D. III. 2. 509  Ruth Hall, Land Grabbing in Southern Africa: The Many Faces of the Investor Rush, 38 Review of African Political Economy 2011, S. 193, 198. 510  FAO, Foreign Direct Investment – Win-Win or Land Grab?, 2009, S. 1; Margot Salomon, The Ethics of Foreign Investment, The Majalla, 4.8.2010, www.majalla.com/ eng/2010/08/article5594948; Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 57. 511  Ruth Hall, Land Grabbing in Southern Africa: The Many Faces of the Investor Rush, 38 Review of African Political Economy 2011, S. 193, 207. 512  Weltbank, Rising Global Interest in Farmland: Can It Yield Sustainable Benefits?, 2011, S. 61, 63.



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Inhaberschaft der Investition kann je nach Staat variieren. Während z. B. (zumindest bis 2011) die dokumentierten Landaneignungen in Äthiopien und Madagaskar sich alle in Privathand befanden, waren in Mali viele durch einen Investorenstaat gedeckt.513 Die Frage der Eigentümerschaft einer solchen Investition kann gerade im Bereich des Menschenrechtsschutzes von enormer praktischer Relevanz sein. Während Staaten auch im Rahmen von Landkäufen im Ausland gewissen Regeln des Völkerrechts unterworfen sind, sowohl in eigenständigem Handeln als auch in kollektiven Entscheidungen innerhalb internationaler Organisationen,514 ist die Frage, inwiefern der investitionsexportierende Staat, aber auch der Gaststaat, Verantwortung dafür tragen, dass private Investoren das Recht auf Nahrung nicht beeinträchtigen, wesentlich problematischer.515 In diesem Kontext ist es wichtig, den Staaten Handlungsspielräume zur Erfüllung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen zu lassen.516 Bei alledem spielt es für die Bewertung der Auswirkungen von Land Grabbing kaum eine Rolle, ob das Land verkauft oder verpachtet wird.517 Bei dieser Art von Agrarinvestitionen ist es üblich, Pachtverträge über viele Jahre abzuschließen, mitunter bis hin zu der beliebten Anzahl von 99 Jahren.518 513  Kjell Havnevik, Grabbing of African Lands for Energy and Food: Implicators for Land Rights, Food Security and Smallholders, in: Prosper B. Matondi/Kjell Havnevik/Atakilte Beyene, Biofuels, Land Grabbing and Food Security in Africa, 2011, S. 20, 28. 514  Margot Salomon, The Ethics of Foreign Investment, The Majalla, 4.8.2010, www.majalla.com/eng/2010/08/article5594948. 515  Zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen der am Land Grabbing beteiligten Akteure (dort in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker), siehe Elisa Freiburg, Land Grabbing as a Threat to the Right to Self-Determination – How Permanent Sovereignty over Natural Resources Limits States’ Involvement in Large-Scale Transfers of Land, 18 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2014, S. 507; Margot Salomon, The Ethics of Foreign Investment, The Majalla, 4.8.2010, www. majalla.com/eng/2010/08/article5594948. 516  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 64. 517  Elisa Freiburg, Land Grabbing as a Threat to the Right to Self-Determination – How Permanent Sovereignty over Natural Resources Limits States’ Involvement in Large-Scale Transfers of Land, 18 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2014, S. 507, 512. 518  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 63.

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Nach Schätzungen der FAO haben ausländische Investoren zwischen 2007 und 2009 in Afrika 20 Millionen Hektar erworben,519 die Weltbank spricht von 29 Millionen Hektar allein 2009 in Subsahara-Afrika.520 Dabei können Investoren das Land von Privatpersonen erwerben (die dieses oft, mehr oder weniger freiwillig, zu einem unverhältnismäßig niedrigen Preis hergeben) oder von Regierungen, die zu diesem Zweck mitunter ohne angemessene Entschädigung die Landbewohner enteignen oder das Land als Regierungseigentum betrachten und dabei nicht-formale Landnutzungsrechte, bzw. den Charakter des Landes als Lebensgrundlage für indigene Völker und sonstige örtliche Gemeinschaften, missachten.521 Als Vorteile solcher großflächigen Landkäufe wird generell das wirtschaftsund somit entwicklungsfördernde Potential von ausländischen Investitionen angeführt.522 Zweifelsohne sind Investitionen in die ländliche Entwicklung wichtig und notwendig: Sie können die Produktivität des Bodens verbessern, Arbeitsplätze schaffen und weitere Entwicklungsimpulse geben.523 Daneben birgt Land Grabbing aber auch große Risiken für die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung bzw. darauf, frei von Hunger zu sein: zum einen die unmittelbare Vertreibung der Bevölkerung von den verfügbaren ländlichen Ressourcen,524 was wiederum zu steigender Verarmung und Wegzug in städtische Slums führt.525 Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit trifft die lokale Bevölkerung umso mehr, wenn im Rahmen der neuen Landnut519  FAO, Foreign Direct Investment – Win-Win or Land Grab?, 2009, www.fao. org/tempref/docrep/fao/meeting/018/k6358e.pdf, S. 1. 520  World Bank, Rising Global Interest in Farmland: Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits?, 2011, S. xiv, xxxii. 521  Elisa Freiburg, Land Grabbing as a Threat to the Right to Self-Determination – How Permanent Sovereignty over Natural Resources Limits States’ Involvement in Large-Scale Transfers of Land, 18 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2014, S. 507, 510. 522  Vgl. Joachim von Braun/Ruth Meinzen-Dick, „Land Grabbing“ by Foreign Investors in Developing Countries: Risks and Opportunities, IFPRI Policy Brief 13, April 2009, www.ifpri.org/sites/default/files/publications/bp013all.pdf, S. 1 – 2. 523  Lioba Weingärtner/Claudia Trentmann/Deutsche Welthungerhilfe, Handbuch Welternährung, 2011, S. 79; siehe auch FAO, International Dimensions of the Right to Adequate Food, 2014, S. 6. 524  Vgl. Joachim von Braun/Ruth Meinzen-Dick, „Land Grabbing“ by Foreign Investors in Developing Countries: Risks and Opportunities, IFPRI Policy Brief 13, April 2009, www.ifpri.org/sites/default/files/publications/bp013all.pdf, S. 1. 525  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 57; Olivier de Schutter, The Green Rush: The Global Race for Farmland and the Rights of Lands Users, 52 Harvard International Law Journal 2011, S. 503, 541.



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zung keine Arbeitsplätze für sie geschaffen werden.526 Die Ansicht, dass die ehemaligen Kleinbauern neue Arbeit fänden, wenn sie von den ‚Land Grabbern‘ angestellt werden, ist nur mäßig realistisch – gerade die industrielle Landwirtschaft ist wesentlich weniger arbeitsintensiv, bzw. benötigt viel weniger Arbeitskräfte als die vergleichbare Menge von Kleinbauernbetrieben.527 Auch die Weltbank kritisiert, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen oft hinter den Erwartungen zurückbleibe.528 Sehr stark sind oftmals indigene Völker betroffen, die auf ihr angestammtes Land in besonders hohem Maße angewiesen sind.529 In einigen Staaten verkleinern sich die Flächen, die noch durch die lokale Bevölkerung bewirtschaftet werden können, dramatisch – die Verfügbarkeit von Land sinkt, während die Bevölkerung wächst.530 Hinzu 526  Joachim von Braun/Ruth Meinzen-Dick, „Land Grabbing“ by Foreign Investors in Developing Countries: Risks and Opportunities, IFPRI Policy Brief 13, April 2009, www.ifpri.org/sites/default/files/publications/bp013all.pdf, S. 3. 527  Olivier de Schutter, The Green Rush: The Global Race for Farmland and the Rights of Lands Users, 52 Harvard International Law Journal 2011, S. 503, 541 f.; siehe auch The Economist, When others are grabbing their land – Evidence is piling up against acquisitions of farmland in poor countries, 5.5.2011, www.economist.com/ node/18648855: „The farmers of Makeni, in central Sierra Leone, signed the contract with their thumbs. In exchange for promises of 2,000 jobs, and reassurances that the bolis (swamps where rice is grown) would not be drained, they approved a deal granting a Swiss company a 50 year lease on 40,000 hectares of land to grow bio­fuels for Europe. Three years later 50 new jobs exist, irrigation has damaged the bolis and such development as there has been has come „at the social, environmental and economic expense of local communities“, says Elisa Da Vià of Cornell Universiy. […] In Mozambique, the World Bank found, one project had promised 2,650 jobs and created a mere 35 –  40 fulltime positions. A survey by Thea Hilhorst of 99 smaller projects in Benin, Burkina Faso and Niger reported ‚hardly any‘ rural job creation.“ 528  Weltbank, Rising Global Interest in Farmland: Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits?, 2011, S. 61. 529  Siehe hierzu ausführlich Olivier de Schutter, The Green Rush: The Global Race for Farmland and the Rights of Lands Users, 52 Harvard International Law Journal 2011, S. 503, 534 ff. Um das erhöhte Schutzbedürfnis indigener Völker zu sichern, gibt es spezielle völkerrechtliche Instrumente zu ihrem Schutz. Besonders relevant sind hier die Art. 13 bis 19 der ILO Convention No. 169, welche sich auf die Landrechte dieser Völker beziehen. Auch Art. 8 Abs. 2 (b) der UN Declaration on the Rights of Indigenous Peoples bestimmt: „States shall provide effective mechanisms for prevention of, and redress for: […] Any action which has the aim or effect of dispossessing [indigenous peoples] of their lands, territories or resources […].“ (UN-Dokument A/ RES/61/295 [13.9.2007]). 530  Olivier de Schutter, The Green Rush: The Global Race for Farmland and the Rights of Lands Users, 52 Harvard International Law Journal 2011, S. 503, 521; Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 60.

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kommt, dass sich laut Studien der Weltbank und des IWF Land Grabbing gerade in denjenigen Staaten häuft, in denen der Schutz der Landrechte der Bevölkerung besonders schwach ausgeprägt ist; was wiederum (in dem Versuch, Investoren anzuziehen) zu einem sogenannten ‚race to the bottom‘ im Hinblick auf staatliche Deregulierung führen kann.531 Zum anderen wird auf den Flächen, die vorher primär die Bevölkerung vor Ort ernährt hat, nunmehr oftmals für den Export produziert (oder das Land völlig anderweitig, da industriell, genutzt), wodurch die Ernährungsunsicherheit für die lokale Bevölkerung weiter steigt.532 Eine nicht unübliche Praxis im Bereich von Agrarinvestitionen ist es sogar, bereits in den entsprechenden Verträgen das Recht festzuschreiben, die gesamte oder den Großteil der Produktion zu exportieren.533 Hinzu kommt, dass durch die Regularien des internationalen Investitionsschutzrechts ein Ungleichgewicht zwischen den ausländischen Investoren und dem Gaststaat zugunsten des Investors entstehen kann.534 Diese Investoren fokussieren sich fast ausschließlich auf großangelegte Agrarprojekte und ignorieren kleinbäuerliche Strukturen.535 Von besonderer Problematik ist der Ankauf großer Landflächen in Entwicklungsländern, wenn die örtliche Bevölkerung diese nicht als Eigentümer bewirtschaftet, sondern lediglich ein vom staatlichen Eigentümer qua Gewohnheitsrecht abgeleitetes Nutzungsrecht hat; dies führt oft dazu, dass diese Menschen keinerlei Kompensation für ihren Landverlust erhalten.536 So werden zum Beispiel im Nordsudan und Ghana fast 80 % des Landes gewohnheitsrechtlich bewirtschaftet.537 531  Rabah Arezki/Klaus Deininger/Harris Selod, What Drives the Global Land Rush?, IMF Working Paper WP/11/251, 2011, S. 17; Weltbank, Rising Global Interest in Farmland: Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits?, 2011, S. xxxii, 55. 532  Siehe Margot Salomon, The Ethics of Foreign Investment, The Majalla, 4.8.2010, www.majalla.com/eng/2010/08/article5594948. 533  Fred Pearce, The Landgrabbers: The New Fight over Who Owns the Earth, 2012, S. 123. 534  Jochen von Bernstorff, ‚Land Grabbing‘ und Menschenrechte: die FAO Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure, INEF Forschungsreihe Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und Nachhaltige Entwicklung 11/2012, Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen, S. 13 f. 535  Fred Pearce, The Landgrabbers: The New Fight over Who Owns the Earth, 2012, S. x. 536  Joachim von Braun/Ruth Meinzen-Dick, „Land Grabbing“ by Foreign Investors in Developing Countries: Risks and Opportunities, IFPRI Policy Brief 13, April 2009, www.ifpri.org/sites/default/files/publications/bp013all.pdf, S.  2; Olivier de Schutter, The Green Rush: The Global Race for Farmland and the Rights of Lands Users, 52 Harvard International Law Journal 2011, S. 503, 524 ff. 537  Yasin Abdalla Eltayeb Elhadary/Franklin Obeng-Odoom, Conventions, ­Changes, and Contradictions in Land Governance in Africa: The Story of Land Grabbing in North Sudan and Ghana, 59(2) Africa Today 2012, S. 59, 61.



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Weiterhin wird in solchen Fällen der Landkauf gerne damit gerechtfertigt, dass das Land zuvor ungenutzt gewesen sei, obwohl es beispielsweise immer noch zum Grasen von Vieh oder zum Sammeln von Holz und Heilpflanzen genutzt wurde, oder auch lediglich zwischen zwei Anbauperioden brach lag.538 Verstärkt wird diese Problematik durch den vielfachen Mangel an Partizipationsmöglichkeiten der Menschen vor Ort im Vorfeld der Landverkäufe.539 Frauen sind von Land Grabbing oftmals besonders hart betroffen, ohne entsprechend berücksichtigt zu werden.540 Insgesamt handelt es sich bei der Problematik des Land Grabbing um einen Bereich, in dem auch die Weltbank ein wichtiger Akteur ist. Sie kann sich dafür entscheiden, problematische Investitionen zu unterstützen, oder im Gegenteil auf die Entwicklung mahnend Einfluss nehmen. 2. Besonderheiten bei der Produktion von Biokraftstoff Weiteren Antrieb erhielt das Land Grabbing durch die Produktion von Biokraftstoff aus eigentlich klassischen Nahrungsmittelpflanzen,541 eine Praxis, die für die Nahrungspreiskrise 2007/08 als mitursächlich betrachtet wird.542 538  Joachim von Braun/Ruth Meinzen-Dick, „Land Grabbing“ by Foreign Investors in Developing Countries: Risks and Opportunities, IFPRI Policy Brief 13, April 2009, www.ifpri.org/sites/default/files/publications/bp013all.pdf, S. 2; Le Monde diplomatique, Wie Gold, nur besser: Fette Dividenden aus Afrikas Böden, 15.1.2010, https:// monde-diplomatique.de/artikel/!502760; vgl. auch FAO, Foreign Direct Investment – Win-Win or Land Grab?, 2009, www.fao.org/tempref/docrep/fao/meeting/018/k6358e. pdf, S. 3. 539  Lioba Weingärtner/Claudia Trentmann/Deutsche Welthungerhilfe, Handbuch Welternährung, 2011, S. 79. 540  Jessica Chu, Gender and ‚Land Grabbing‘ in Sub-Saharan Africa: Women’s Land Rights and Customary Land Tenure, 54 Development 2011, S. 35. 541  Smita Narula, Reclaiming the Right to Food as a Normative Response to the Global Food Crisis, 13 Yale Human Rights & Development Law Journal 2010, S. 403, 412; Lorenzo Cotula/Sonja Vermeulen/Rebecca Leonard/James Keeley, Land Grab or Development Opportunity? Agricultural Investment and International Land Deals in Africa, IIED/FAO/IFAD, 2009, S. 54; Ruth Hall, Land Grabbing in Southern Africa: The Many Faces of the Investor Rush, 38 Review of African Political Economy 2011, S. 193, 196  ff.; grundlegend auch Prosper B. Matondi/Kjell Havnevik/Atakilte Beyene, Biofuels, Land Grabbing and Food Security in Africa, 2011. 542  Le Monde diplomatique, Wie Gold, nur besser: Fette Dividenden aus Afrikas Böden, 15.1.2010, https://monde-diplomatique.de/artikel/!502760; siehe hierzu ausführlich unter Teil 3, E.

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Die Förderung von Biokraftstoffen soll langfristig die Abhängigkeit der Menschheit von fossilen, nicht nachwachsenden Brennstoffen beenden. Diese Kraftstoffe werden vor allem aus Pflanzen wie Mais, Zuckerrohr, Ölpalmen oder Sojabohnen gewonnen.543 Bedeutet eine gesteigerte Quote von Biokraftstoffen für die einen einen Beitrag zum globalen Klimaschutz544 und zu einer geringeren Abhängigkeit von zu Neige gehenden fossilen Brennstoffen, steht sie für die anderen für die Verschwendung von Lebensmittelressourcen. Die Problematik von Biokraftstoff in Bezug auf das Recht auf Nahrung besteht primär in zwei Punkten. Zum einen werden für sie Anbauflächen benötigt, die ansonsten für Nahrungsmittel eingesetzt werden könnten (gerade auch von Kleinbauern, die von ihren Feldern verdrängt werden). Zum anderen entsteht weiterhin eine sogenannte Nutzungskonkurrenz, da die spätere Ernte wortwörtlich ‚verheizt‘ wird, anstatt der Ernährung zu dienen.545 In Staaten wie Ghana, Madagaskar, Äthiopien und Mali übersteigt die flächenmäßige Verteilung von Land für die Biokraftstoffproduktion noch dazu diejenige von Land für die Nahrungsproduktion.546 In einer Stellungnahme zur Nahrungspreiskrise forderte das CESCR die Staaten im Mai 2008 unter anderem explizit dazu auf, den rapiden Anstieg der Nahrungsmittelpreise zu begrenzen, indem die Produktion von lokalen Grundnahrungsmitteln für den Verbrauch vor Ort gefördert wird, anstatt Hauptanbauflächen, die für den Anbau von Nahrungspflanzen geeignet sind, 543  Lioba Weingärtner/Claudia Trentmann/Deutsche Welthungerhilfe, Handbuch Welternährung, 2011, S. 76 f. 544  Allerdings werden selbst die Vorteile für den Klimaschutz angezweifelt. Der Grundgedanke, abgesehen von der Erneuerbarkeit der Rohstoffe, besteht darin, dass die Pflanze während des Anbaus so viel Sauerstoff produziert, wie sie bei ihrer späteren Verbrennung Kohlendioxid abgibt. Bei dieser Rechnung wird allerdings regelmäßig das Kohlendioxid vergessen, das für den Anbau vonnöten ist, sei es für die Produktion von Düngemitteln oder die Ernte und Umwandlung in Ethanol. Des Weiteren darf nicht außer Acht gelassen werden, wofür die Böden eigentlich genutzt wurden bzw. werden könnten. Wenn gerade Regenwald- oder Moorfläche, die beide relativ viel Kohlendioxid speichern und so einen enormen positiven Beitrag zum globalen Klima leisten können, für den Anbau von Biokraftstoff aus Palmöl verwendet wird, entsteht ein hoher ‚CO2-Fußabdruck‘, der den von fossilem Brennstoff oftmals übersteigen kann; siehe hierzu Fred Pearce, The Landgrabbers: The New Fight over Who Owns the Earth, 2012, S. 299 f. 545  Ibid., S. 77. 546  Kjell Havnevik, Grabbing of African Lands for Energy and Food: Implicators for Land Rights, Food Security and Smallholders, in: Prosper B. Matondi/Kjell Havnevik/Atakilte Beyene, Biofuels, Land Grabbing and Food Security in Africa, 2011, S. 20, 27; berechnet nach Lorenzo Cotula/Sonja Vermeulen/Rebecca Leonard/James Keeley, Land Grab or Development Opportunity? Agricultural Investment and International Land Deals in Africa, IIED/FAO/IFAD, 2009, S. 51, Tabelle 2.3.



D. Landwirtschaft und Fischerei285

für die Produktion von Agrarbrennstoffen zweckzuentfremden oder Nahrungspflanzen für die Herstellung von Kraftstoff zu nutzen.547 Auch die Weltbank hat den Beitrag von Biokraftstoffen zu steigenden Nahrungsmittelpreisen erkannt. 2007 bezeichnete der bankeigene World Development Report Biokraftstoffe als Chance und Herausforderung zugleich – sie könnten einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel darstellen und neue Märkte für die Landwirtschaft schaffen, hätten aber sowohl soziale (im Hinblick auf steigende Nahrungspreise) als auch ökologische Risiken.548 2008 wurde berichtet, dass nach einem internen Weltbankbericht die Unterstützung von Biokraftstoff die globalen Nahrungsmittelpreise um bis zu 75 % in die Höhe steigen ließ.549 Im Mai 2008, im Rahmen eines 10-PunktePlans zum Umgang mit der Nahrungspreiskrise, forderte der damalige Präsident der Weltbank, Robert Zoellick, die Subventionen und Aufträge für Biokraftstoffe, die aus Mais und Ölsaamen hergestellt werden, zu senken. Die US-Nutzung von Mais für die Ethanolherstellung habe 75 % der Steigerung der globalen Maisproduktion in den drei Vorjahren verschlungen. Gleichzeitig müsse die Wahl nicht ‚Biotreibstoff oder Nahrung‘ lauten – durch Zollkürzungen für Importe in die USA und die EU würde die Produktion von Treibstoff aus Zuckerrohr gefördert werden, der nicht unmittelbar mit der Nahrungsproduktion konkurriert und auch die Marktchancen für ärmere Staaten u. a. in Afrika erhöhen würde.550 Dementsprechend äußerte sich die Bank 2009 wieder positiv zum Entwicklungspotential von Biokraftstoff: „Africa’s Guinea Savannah zone contains probably the largest area of underutilized agricultural land in the world. This land could be tapped to produce food, agricultural raw materials, and biofuels feedstocks, not only for Africa but also for other regions.“551 547  UN-Dokument E/C.12/2008/1 (20.5.2008), CESCR, The World Food Crisis, Statement, Rz. 11: „The Committee therefore urges States to take urgent action, includ­ing by: […] Limiting the rapid rise in food prices by, inter alia, encouraging production of local staple food products for local consumption instead of diverting prime arable land suitable for food crops for the production of agrofuels, as well as the use of food crops for the production of fuel […]“. 548  World Bank, World Development Report 2008 – Agriculture for Development, 2007, S. 17. 549  Guardian Online, Secret report: biofuel caused food crisis, 3.7.2008, www. theguardian.com/environment/2008/jul/03/biofuels.renewableenergy. 550  Robert Zoellick, A 10-point Plan for Tackling the Food Crisis, Financial Times Online, 29.5.2008, www.ft.com/cms/s/0/d1a2981c-2da7-11dd-b92a-000077b07658.html #axzz3rm4lhSRP; siehe auch unter Teil 3, E. III. 551  Weltbank, Awakening Africa’s Sleeping Giant, Prospects for Commercial Agriculture in the Guinea Savannah Zone and Beyond, 2009, S. 175.

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Bis 2011 hat die Weltbank indes eine kritischere Haltung entwickelt. Sie stellte fest, dass eine weitere Förderung der Biokraftstoffproduktion in den nächsten zehn Jahren eher geringe Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben, aber dazu beitragen würde, dass sich arme Menschen in einigen Entwicklungsländern schwerer damit tun werden, sich eine angemessene Ernährung zu leisten. Die Preise für mehrere Nahrungsmittel würden in die Höhe steigen – die für Mais und andere Getreide um 3 %, die für Zucker um 8 %. Biokraftstoff exportierende Staaten wie Brasilien, Argentinien und Indonesien würden von dem steigenden Bedarf profitieren. Negative Auswirkungen entstünden für jene Staaten, die Anbauflächen für Nahrungsmittel in solche für Biokraftstoff umwandeln, wodurch ein erhöhter Importbedarf für Nahrungsmittel entstehe – besonders für Indien oder viele Staaten SubsaharaAfrikas. Zu diesen Ergebnissen kam die Development Research Group der Weltbank in Zusammenarbeit mit Partnern innerhalb der Bank sowie mehreren Universitäten. Ziel der Untersuchung war es, die Auswirkungen der von den Staaten selbst gesetzten Zielvorgaben bezüglich der Biokraftstoffproduktion zu bewerten. Auch die zwispältigen Auswirkungen auf das Klima erkannte die Weltbank an: Aufgrund der zerstörten Weide- und Waldflächen würden die Emissionen kurzfristig vielmehr steigen statt gesenkt werden. Um diesen Trend umzukehren, wären mehr als zwei Jahrzehnte Zeitablauf nötig. Neuartige Biokraftstoffe, die aus nicht-pflanzlichen Rohstoffen gewonnen werden, seien für die Massenproduktion technisch noch nicht hinreichend ausgereift.552 3. Die Herangehensweise der Weltbank an das Land Grabbing Während viele das Land Grabbing sehr kritisch bewerten, betont die Weltbank vor allem die Chancen solcher Investitionen, welche maßgeblich zur Entwicklung vor Ort beitragen könnten553, gerade auch in Afrika: „Stronger demand, higher prices, better macro and sector policies, as well as an improved overall business climate create the opportunity for higher returns to agriculture in Africa, inducing increased investment from home and abroad. Foreign capital (including repatriated funds that previously fled Africa for safer havens) is beginning to flow into African agriculture and related value chains, as evidenced by much recent activity, including the Chinese acquisition of land leases in Tanzania and the Democratic Republic of Congo, rising interest on the part of European 552  Weltbank, How Global Biofuel Expansion Could Affect the Economy, Environment and Food Supply, 27.6.2011, http://go.worldbank.org/QPII43RIJ0. 553  Jochen von Bernstorff, ‚Land Grabbing‘ und Menschenrechte: die FAO Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure, INEF Forschungsreihe Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und Nachhaltige Entwicklung 11/2012, Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen, S. 8.



D. Landwirtschaft und Fischerei287 energy firms in securing land concessions for biofuels feedstock production, and surging foreign investment in high-value African agricultural export enterprises.“554

Grundsätzlich befürwortet werden dabei auch solche Agrarinvestitionen, die sich als Land Grabbing werten lassen. Diese gehören für die Bank zu der generell (unter anderem im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen) seit den 1980er Jahren unterstützten Marktliberalisierung für ausländische Investitionen.555 Die zur Weltbankgruppe gehörige IFC zählt ebenfalls zu den grundsätzlichen Unterstützern des Land Grabbing.556 In der Tat bergen (ausländische) Investitionen im Agrarsektor durchaus Chancen. Die Landwirtschaft war viele Jahre über ein Bereich, der sowohl von der nationalen Politik als auch von der internationalen Entwicklungszusammenarbeit stiefmütterlich behandelt wurde und der es nicht geschafft hat, ausländische Direktinvestitionen anzuziehen, ganz besonders in SubsaharaAfrika – daher ist eine Entwicklung in dieser Hinsicht durchaus zu begrüßen.557 Richtig ausgeführt könnten Investitionen die Produktion erhöhen, Ernährungssicherheit verbessern, Arbeitsplätze schaffen und die Steuereinnahmen erhöhen.558 Auch sämtliche ernährungsbezogenen Organisationen der UNO sehen (öffentliche und private) Investitionen als einen wichtigen Bestandteil der Armuts- und Hungerbekämpfung.559 Kritische Berichte, wie jene des ehemaligen UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, oder des International Food Policy Research Institute sind sich einig in der dringenden Erforderlichkeit 554  Weltbank, Unlocking Africa’s Agricultural Potential: An Action Agenda for Transformation, 2013, S. 42. 555  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 58 ff. 556  Le Monde diplomatique, Wie Gold, nur besser: Fette Dividenden aus Afrikas Böden, 15.1.2010, https://monde-diplomatique.de/artikel/!502760. Die IFC vergibt ihre Kredite im Gegensatz zur IBRD gerade nicht an Staaten, sondern an Private, die ohne Regierungsgarantie in Entwicklungsprojekte investieren möchten, Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis, 3. Auflage 1984, S. 199 f., § 334. 557  UN-Dokument A/HRC/13/33/Add.2 (28.12.2009), Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Olivier de Schutter, Large-Scale Land Acquisitions and Leases: A Set of Minimum Principles and Measures to Address the Human Rights Challenge, Rz. 13; FAO, The State of Food Insecurity in the World: How Does International Price Volatility Affect Domestic Economies and Food Security?, 2011, S. 4. 558  Olivier de Schutter, The Green Rush: The Global Race for Farmland and the Rights of Lands Users, 52 Harvard International Law Journal 2011, S. 503, 520. 559  FAO/IFAD/WFP, Achieving Zero Hunger: The Critical Role of Investments in Social Protection and Agriculture, In Brief, 2015, www.fao.org/3/a-i4959e.pdf, S. 2.

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von Maßnahmen, die zur Verbesserung der Lage beitragen sollen. Dazu zählen Transparenz in den Verhandlungen, die Einhaltung der Rechte der lokalen Bevölkerung, die Teilung der Profite zwischen ebenjener und den Investoren, ökologische Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit.560 Auch die UN Guiding Principles on Extreme Poverty and Human Rights widmen sich dem Phänomen des Land Grabbing und fordern in ihrem Maßnahmenkatalog bezüglich der Verwirklichung des Rechts auf Nahrung die jeweiligen Staaten dazu auf, effektive Landverteilungs- und Agrarreformen umzusetzen, diskriminierende Gesetze und Verwaltungspraktiken zu überarbeiten, welche die Anerkennung von Landeigentum oder Pachtrechten vor allem von armen Menschen erschweren, sowie sicherzustellen, dass die Handels- und Investitionspolitik (auch auf internationaler Ebene) der Ernährungssicherheit zuträglich ist; Strategien zur ländlichen Entwicklung sollten auf Menschenrechten basieren, nachhaltige Nahrungsproduktion fördern und Preisschwankungen reduzieren.561 2010 erschien ein großer Bericht der Weltbank, der die Risiken des Land Grabbing zwar anerkannte,562 aber vor allem die Chancen von großen Agrar­ investitionen betonte, auch im Hinblick auf die Nahrungspreiskrise 2007/08 und die Verringerung der Abhängigkeit von Importen.563 In den letzten Jahren, gerade als Reaktion auf die Nahrungspreiskrise, nahm das Engagement der Weltbank im Agrarsektor stark zu. Die agrarbezogene Kreditvergabe der Weltbank stieg um 48 %, von 8,8 Milliarden US$ (im Zeitraum von 2006 – 2008) auf 13 Milliarden US$ (2009 – 2011).564 Die NGO Oxfam begrüßte diesen Anstieg, verwies jedoch auf die damit verbundenen Risiken, insbesondere auf die 21 allein im Zeitraum zwischen 2008 und 2012

560  UN-Dokument A/HRC/13/33/Add.2 (28.12.2009), Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Olivier De Schutter, Addendum, Large-Scale Land Acquisitions and Leases: A Set of Minimum Principles and Measures to Address the Human Rights Challenge; Joachim von Braun/Ruth Meinzen-Dick, „Land Grabbing“ by Foreign Investors in Developing Countries: Risks and Opportunities, IFPRI Policy Brief 13, April 2009, www.ifpri.org/sites/default/files/publications/bp013all.pdf; Kjell Havnevik, Grabbing of African Lands for Energy and Food: Implicators for Land Rights, Food Security and Smallholders, in: Prosper B. Matondi/Kjell Havnevik/Atakilte Beyene, Biofuels, Land Grabbing and Food Security in Africa, 2011, S. 20, 21. 561  UN-Dokument A/HRC/21/39 (18.7.2012), Rz. 76 (e) – (f), (j). 562  Weltbank, Rising Global Interest in Farmland: Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits?, 2011, S. xv, xxxiii. 563  Ibid., S. 1. 564  Weltbank/IFC/MIGA, Independent Evaluation Group, The World Bank Group and the Global Food Crisis: An Evaluation of the World Bank Group Response, 2013, S.  47 f.



D. Landwirtschaft und Fischerei289

vorgebrachten Beschwerden von Bevölkerungen, die sich durch Weltbankprojekte in ihren Landrechten verletzt sahen.565 Die Weltbank meint, Landinvestitionen müssten nicht zwangsläufig zu einer Verdrängung kleiner Farmer führen, auch fruchtbare Partnerschaften seien möglich.566 Ihre eigene Rolle definierte die Bank folgendermaßen: „Building on the work done thus far, the World Bank is committed to work together with its partners to help countries integrate investment into their rural development strategies and spending plans, strengthen land governance and relevant institutions, establish complementary infrastructure, and support multistakeholder initiatives to facilitate monitoring and sharing of experience.“567

Auch in dem Bericht „Unlocking Africa’s agricultural potential“ aus dem Jahr 2013 unterstrich die Weltbank die Bedeutung privater Investitionen und von Public Private Partnerships.568 Das Problem des Land Grabbing sehen die Verfasser in der Art und Weise, wie mit derartigen Investitionen umgegangen wird: „The downside of the increasing interest in agricultural investments is the threat of ‚land grabs.‘ Millions of hectares (at least 1 million each in Ethiopia, Liberia, Mozambique, and Sudan) have been claimed by investors; and in some cases poor governance has led to violations of principles for responsible agro-investment and dispossession of local communities. This threat is amplified by the fact that less than 20 percent of occupied land in [Sub-Saharan Africa] is registered; the rest is undocumented, informally administered and thus vulnerable to land grabbing and expropriation without adequate compensation – especially for women, who are often disadvantaged by cultural practices.“569

Zur eng mit der Land Grabbing-Problematik verbundenen Frage der Landreformen bildete sich die Weltbank schon früh eine Meinung. In den 1960er und 1970er Jahren zeigte sich eine deutliche Präferenz formaler Landtitel gegenüber gewohnheitsrechtlichen Systemen – formale Landtitel seien eine Vorbedingung für moderne Entwicklung, da nur sie die nötige Sicherheit für Investitionen und überhaupt für die produktive Landnutzung mit sich brächten.570 Dieses Denken prägte in den Folgejahrzehnten dann auch zahlreiche Landre565  Oxfam,

‚Our Land, Our Lives‘: Time Out on the Global Land Rush, 2012, S. 4. Rising Global Interest in Farmland: Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits?, 2011, S. 34. 567  Ibid., S. xliv. 568  Weltbank, Unlocking Africa’s Agricultural Potential: An Action Agenda for Transformation, 2013, S. 19. 569  Ibid., S. 47. 570  Jessica Chu, Gender and ‚Land Grabbing‘ in Sub-Saharan Africa: Women’s Land Rights and Customary Land Tenure, 54 Development 2011, S. 35, 37; Pauline E. Peters, Inequality and Social Conflict Over Land in Africa, 4 Journal of Agrarian Change 2004, S. 269, 273. 566  Weltbank,

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formen in Subsahara-Afrika und war in der Weltbank bis Ende der 1980er Jahre vorherrschend.571 Mittlerweile hat sich die Weltbank in dieser Hinsicht jedoch weiterentwickelt. Im Einklang mit der Herangehensweise anderer Entwicklungsakteure wie dem UNDP erkennt die Bank nunmehr die Vorteile traditionellerer Landtitel an (darunter auch Kosteneffektivität und Fairness) und betont, dass man der Formalität von Landtiteln nicht zu große Bedeutung zumessen sollte; obgleich die Bank immer noch großen Wert auf die Verlässlichkeit von Eigentumstiteln legt.572 Diese Wende, bzw. jedenfalls gewachsene Flexibilität, wird negativen Erfahrungen mit den früheren Reformen zugeschrieben, wie auch einer größeren Offenheit gegenüber ‚kommunalen‘ Landbewirtschaftungssystemen nach dem Ende des Kalten Krieges.573 Ein neuer Bericht deutet darauf hin, dass die Weltbank eine differenzierte Herangehensweise befürwortet, da sie positiv hervorhebt, dass „[a] number of African countries have already reformed (or are in the process of reforming) their land laws, protecting customary rights while at the same time creating opportunities for security of tenure for investors.“574

Dabei lobt die Weltbank Initiativen von Staaten, gewohnheitsrechtlich bzw. gemeinschaftlich genutztes Land zu registrieren und entsprechende Datenbanken zu erstellen.575 Auch in ihrem neuen Environmental and Social Framework erkennt die Bank informelle bzw. gewohnheitsrechtliche Landrechte an, die im nationalen Recht entweder bereits anerkannt sind oder noch anerkannt werden können.576 Zudem betont die Bank die Wichtigkeit, informelle Landrechte anzuerkennen, bevor eine Operation durchgeführt wird. Der Kreditnehmerstaat solle einen Plan vorlegen, der entweder gewohnheitsrechtliche Landtitel voll anerkennt, oder sie in formale Titel umwandelt. Falls dies im nationalen

571  Pauline E. Peters, Inequality and Social Conflict Over Land in Africa, 4 Journal of Agrarian Change 2004, S. 269, 273 ff. 572  Ibid., S.  275 f.; Weltbank/John W. Bruce/Shem E. Migot-Adholla (Hrsg.), Searching for Land Tenure Security in Africa, 1994, http://documents.worldbank.org/ curated/en/1994/01/3028162/searching-land-tenure-security-africa, S.  251 ff. 573  Pauline E. Peters, Inequality and Social Conflict Over Land in Africa, 4 Journal of Agrarian Change 2004, S. 269, 276. 574  Weltbank, Unlocking Africa’s Agricultural Potential: An Action Agenda for Transformation, 2013, S. 41. 575  Ibid., S. 43. 576  Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents. worldbank.org/curated/en/383011492423734099/pdf/114278-WP-REVISED-PUB LIC-Environmental-and-Social-Framework.pdf, S. 55, Rz. 10.



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Recht nicht möglich sei, müsse die Achtung dieser Rechte anderweitig sichergestellt werden.577 4. Die Principles for Responsible Agricultural Investment der Weltbank von 2010 2010 hat die Weltbank in Koopertion mit der FAO, dem IFAD und der UNCTAD die ‚Principles for Responsible Agricultural Investment that Re­spects Rights, Livelihoods and Resources‚ verabschiedet (im Folgenden: RAI-Prinzipien). Damit beauftragt wurden diese Institutionen von der G-20.578 Die Prinzipien nehmen in der Frage, ob große Investitionen grundsätzlich schädlich oder wünschenswert sind, keine Seite ein – stattdessen fordern sie schlicht, dass Agrarinvestitionen keine negativen Auswirkungen auf Umwelt, Angestellte und lokale Bevölkerungen haben sollen.579 Die insgesamt sieben Prinzipien widmen sich der Achtung von Landrechten, Ernährungssicherheit, Transparenz, guter Verwaltung und einer ermutigenden Umgebung, Beratung und Teilhabe, verantwortungsvollem Handeln der Investoren, sozialer Nachhaltigkeit, sowie ökologischer Nachhaltigkeit. Die Veröffentlichung dieser Prinzipien wurde kontrovers aufgenommen. Auf der einen Seite stellen sie ein Zeichen guten Willens dar.580 Das erste Prinzip besagt: „Existing rights to land and associated natural resources are recognized and respected.“ An diesem Prinzip kritisierten NGOs unter anderem, dass Landlose oder solche mit nicht formell anerkannten Titeln massiv benachteiligt würden.581 Allerdings führen die Prinzipien selbst zu diesem 577  Weltbank, Environmental and Social Framework: Setting Environmental and Social Standards for Investment Project Financing, 4.8.2016, http://consultations. worldbank.org/Data/hub/files/consultation-template/review-and-update-world-banksafeguard-policies/en/materials/the_esf_clean_final_for_public_disclosure_post_ board_august_4.pdf, S. 115. 578  Jochen von Bernstorff, ‚Land Grabbing‘ und Menschenrechte: die FAO Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure, INEF Forschungsreihe Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und Nachhaltige Entwicklung 11/2012, Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen, S. 9. 579  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 58. 580  Jessica Chu, Gender and ‚Land Grabbing‘ in Sub-Saharan Africa: Women’s Land Rights and Customary Land Tenure, 54 Development 2011, S. 35, 37. 581  Global Campaign for Agrarian Reform Land Research Action Network, Why We Oppose the Principles for Responsible Agricultural Investment (RAI), October 2010, www.fian.org/fileadmin/media/publications/2010_09_Oppose_RAI.pdf, S. 3.

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Punkt näher aus, dass von diesen Rechten auch solche, welche nur gewohnheitsrechtlich ausgeübt werden, umfasst seien: „Many investments requiring access to land on a large-scale focus on areas that outsiders have often considered to be ‚empty‘ or ‚marginal‘. Yet it is important to recognize that there are few areas truly ‚unoccupied‘ or ‚unclaimed‘, and that frequently land classified as such is in fact subject to long-standing rights of use, access and management based on custom. Failure to recognize such rights, including secondary ones, will deprive locals of key resources on which their wealth and livelihoods depend. […] Specific attention to land rights by herders, women, and indigenous groups that have often been neglected in past attempts is critical to achieving a fair, inclusive outcome.“582

Als praktische Lösung wird vorgeschlagen, gerade langfristig und großflächig bestehende Landrechte diverser Arten zu dokumentieren, anstatt dies erst dann zu tun, wenn ein Investor sein Interesse für konkretes Land bekundet hat, um so Zeitdruck und die damit verbundenen Risiken zu umgehen.583 Das zweite RAI-Prinzip betrifft die Ernährungssicherheit: „Investments do not jeopardize food security but rather strengthen it.“ Zur Erläuterung wird – im Bewusstsein der Risiken großer Agrarinvestitionen für die Ernährungslage – ausgeführt: „Whenever there are potential adverse effects on any of aspect of food security (availability, access, utilization or stability), policy-makers should make provisions for the local or directly affected populations certain such that: (i) equivalent access to food is assured; (ii) opportunities for outgrower involvement and off-farm employment are expanded to protect livelihoods and raise incomes; (iii) dietary preferences are taken into account if the mix of products grown may change; and (iv) strategies to reduce potential instability of supply are adopted. Moreover, whenever the proposed project is large enough to affect food security at the national level, project design and approval should also consider these four kinds of aggregate impact.“584

Als besonders riskante Situationen nennen die Erläuterungen zu den Richtlinien solche Investitionen, bei denen statt Nahrungsmitteln jetzt Biokrafstoff oder Futtermittel angebaut werden, nunmehr angebaute Nahrungsmittel primär für den Export gedacht sind, Monokulturen sich negativ auf die Widerstandsfähigkeit gegen Wetterumschwünge oder Krankheiten auswirken, oder die Konsumentenpräferenzen oder Nährwertbedürfnissen zuwiderlaufen.585 582  FAO/IFAD/UNCTAD/Weltbank, Principles for Responsible Agricultural Invest­ment that Respects Rights, Livelihoods and Resources, 25.1.2010, S. 3. 583  Ibid., S. 2. Auch an anderer Stelle finden sich Ausführungen zur Durchführung entsprechender Registrierungen – Weltbank, Rising Global Interest in Farmland: Can It Yield Sustainable and Equitable Benefits?, 2011, S. 100 ff. 584  FAO/IFAD/UNCTAD/Weltbank, Principles for Responsible Agricultural Investment that Respects Rights, Livelihoods and Resources, 25.1.2010, S. 6. 585  Ibid., S.  6 f.



D. Landwirtschaft und Fischerei293

Weitere Prinzipien betreffen größere Transparenz und Beteiligung der betroffenen Akteure im Investitionsprozess, die Geltung der Rule of Law, ökonomische Realisierbarkeit, gemeinschaftlichen Nutzen und positive soziale Auswirkungen eines Projekts sowie die Verhinderung von Umweltschäden. Dabei ist hier noch besonders das vierte Prinzip von Relevanz: „All those materially affected are consulted, and agreements from consultations are recorded and enforced.“ Klingt dies doch zunächst nach einer angemessenen Beteiligung der betroffenen Bevölkerung, so zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass diese Formulierung nicht den anderweitig im Völkerrecht entwickelten Prinzipien entspricht. Anstatt des geforderten Prinzips des ‚free, prior, and informed consent‘, das im Kontext des Schutzes indigener Völker entwickelt worden ist,586 wurde lediglich der ungleich vagere Begriff der Teilhabe (‚participation‘) bzw. der ‚consultation‘ aufgenommen – vor allem Kanada wehrte sich verhement gegen die Aufnahme des Konsensprinzips in die RAI-Prinzipien.587 Insgesamt ist an den RAI-Prinzipien zu bemängeln, dass, obgleich sie aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte eine gewisse normative Wirkung entfalten, sie keinerlei Verweise auf bindendes Recht beinhalten, sei es nationales Recht, internationale Menschenrechtsverträge oder Völkergewohnheitsrecht.588 Diejenigen Menschen, welche die Risiken von Land Grabbing am eigenen Leib erfahren, werden in den RAI-Prinzipien nicht erwähnt.589 Auch an der Konsultierung jener Menschen und Staaten mangelte es: „RAI started as an agency-led initiative without participation of the governments of poor countries and of the people affected by such investments: women, peasants/ farmers, indigenous peoples, fisherfolks, pastoralists and agricultural workers. […] Rather, RAI is a product of market-driven ‚global governance‘ of food and agricul586  Siehe hierzu Elisa Freiburg, Land Grabbing as a Threat to the Right to SelfDetermination – How Permanent Sovereignty over Natural Resources Limits States’ Involvement in Large-Scale Transfers of Land, 18 Max Planck Yearbook of United Nations Law 2014, S. 507, 528 f. (plädierend für eine generelle Übertragung des Konzepts auf jegliche von Land Grabbing betroffene Bevölkerung). 587  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 70. 588  Global Campaign for Agrarian Reform Land Research Action Network, Why We Oppose the Principles for Responsible Agricultural Investment (RAI), October 2010, www.fian.org/fileadmin/media/publications/2010_09_Oppose_RAI.pdf, S. 7. 589  Jessica Chu, Gender and ‚Land Grabbing‘ in Sub-Saharan Africa: Women’s Land Rights and Customary Land Tenure, 54 Development 2011, S. 35, 36.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

ture in which technocrats with close ties to the private sector, and following a business agenda and certain ideological dogmas decide how the world’s and peoples’ resources should be used.“590

Einen auch im direkten Vergleich nochmal wesentlich umfassenderen Prinzipienkatalog erließ die FAO im Jahr 2012, zwei Jahre nach den RAI-Prinzipien: die ‚Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests in the Context of National Food Security‘ (im Folgenden: UN-Richtlinien), die im Mai 2012 vom UN Committee on World Food Security angenommen wurden. Die FAO bemühte sich dabei, gerade auch in Abgrenzung zu den RAI-Prinzipien, um eine breite Partizipation der UN-Mitgliedsstaaten und der Zivilgesellschaft, auch der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung war beteiligt.591 Ebenso wie die RAIPrinzipien schweigen die UN-Richtlinien zu der Frage, ob große Investitionen grundsätzlich schädlich sind.592 In insgesamt 25 Unterabschnitten versuchen sie jedoch umfassend, negative Auswirkungen zu verhindern oder zu mildern: „These Voluntary Guidelines seek to improve governance of tenure of land, fish­ eries and forests. They seek to do so for the benefit of all, with an emphasis on vulnerable and marginalized people, with the goals of food security and progressive realization of the right to adequate food, poverty eradication, sustainable livelihoods, social stability, housing security, rural development, environmental protection and sustainable social and economic development.“593

Dabei betonen die UN-Richtlinien an zahlreichen Stellen die Bedeutung von Menschenrechten.594 Im Gegensatz zu den RAI-Prinzipien sprechen die UN-Richtlinien die Problematik von Zwangsumsiedlungen595 an. Allerdings betreten auch diese 590  Global Campaign for Agrarian Reform Land Research Action Network, Why We Oppose the Principles for Responsible Agricultural Investment (RAI), October 2010, www.fian.org/fileadmin/media/publications/2010_09_Oppose_RAI.pdf, S. 8. 591  Jochen von Bernstorff, ‚Land Grabbing‘ und Menschenrechte: die FAO Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure, INEF Forschungsreihe Menschenrechte, Unternehmensverantwortung und Nachhaltige Entwicklung 11/2012, Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen, S. 20 ff., mit weiteren Details; Christophe Golay/Irene Biglino, Human Rights Responses to Land Grabbing: A Right to Food Perspective, 34 Third World Quarterly, 2013, S. 1630, 1642. 592  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 58. 593  FAO Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests in the Context of National Food Security, Prinzip 1.1. 594  Ibid., Prinzipien 1.1, 2.2, 3.2, 3.B.1, 3.B.4, 4.1, 4.3, 4.8, 4.9, 9.3, 12.4, 12.6, 12.8, 16.7, 16.9. 595  Siehe hierzu ausfürhlich unter Teil 3, C.



D. Landwirtschaft und Fischerei295

kein (rechtliches) Neuland,596 da sie zwar vor willkürlichem Entzug von Landrechten schützen sollen, nicht aber vor dem Entzug an sich: „States […] should protect tenure right holders against the arbitrary loss of their tenure rights, including forced evictions that are inconsistent with their existing obligations under national and international law.“597

Wie schon die RAI-Prinzipien sind auch die UN-Richtlinien den Forderungen von Vertretern der Zivilbevölkerung nach Vetorechten der lokalen Bevölkerung nicht nachgekommen.598 Gleichwohl zeugen die UN-Richtlinien von einer im Vergleich zu den RAI-Prinzipien menschenrechtsfreundlicheren Herangehensweise. Dementsprechend wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Weltbank sich im Folgenden an diesen Richtlinien orientiert hätte, bzw. dies künftig tun würde. Deutschland hatte gefordet, dass das neue, ab 2018 die bisherigen Safeguard Policies ersetzende ESF der Weltbank599 in seinem fünften landrechtsbezogenen Standard ausdrücklich Bezug auf die UN-Richtlinien nimmt, hatte hiermit jedoch keinen Erfolg. Der Forderung der UN-Richtlinien, Frauen verstärkt zu berücksichtigen, ist der Standard indes nachgekommen, wenngleich ohne eine entsprechende Bezugnahme.600

IV. Fischerei 1. Die Bedeutung von Fischen für die Ernährungssicherheit und die Rolle der Kleinfischer In vielen Regionen ist der Fischfang von großer Bedeutung für die Ernährung der Bevölkerung. Zwar ist Fisch weltweit betrachtet nur für 17 % der 596  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 72. 597  FAO Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests in the Context of National Food Security, Prinzip 3.1, Nr. 2. 598  Jochen von Bernstorff, Who is Entitled to Cultivate the Land? Sovereignty, Land Resources and Foreign Investments in Agriculture in International Law, in: Francesca Romanin Jacur/Angelica Bonfanti/Francesco Seatzu (Hrsg.), Natural Resources Grabbing: An International Law Perspective, 2016, S. 55, 59. 599  Siehe unter Teil 3, A. III. 4. 600  GIZ, Safeguard-Review der Weltbankgruppe: Ein neuer Goldstandard für das globale Umwelt- und Sozialrecht?, 2017, S. 20; Weltbank, Environmental and Social Framework, 2017, http://documents.worldbank.org/curated/en/383011492423734099/ pdf/114278-WP-REVISED-PUBLIC-Environmental-and-Social-Framework.pdf, S. 56, Rz. 18.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

menschlichen Zufuhr von tierischem Protein verantwortlich, dieser Anteil kann jedoch je nach Land bei weit über 50 % liegen – dies gilt vor allem für die Küstenstaaten Westafrikas (in Sierra Leone gar 70 %), einige Staaten Asiens (z. B. 65 % in Kambodscha) und kleine Inselstaaten (71 % auf den Malediven).601 Viele Fischer und Fischfarmer (womit Betreiber bzw. Mitarbeiter von Aquakulturen gemeint sind) in Entwicklungsländern sind Kleinfischer bzw. -farmer.602 Nach Schätzungen der FAO arbeiteten im Jahr 2010 90 % der Fischer (ohne Aquakulturen) in kleinem Ausmaß.603 Die Bedeutung dieser kleinen Fischer für die Sicherung der Nahrungsversorgung wird zunehmend anerkannt. Im Rahmen der FAO wird diese in den Right to Food Guidelines, den Voluntary Guidelines on Responsible Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests in the Context of National Food Security sowie in den Voluntary Guidelines for Securing Sustainable Small-scale Fisheries in the Context of Food Security and Poverty Eradication berücksichtigt. Der damalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung schrieb: „The small-scale fisheries sector is […] an extremely important, albeit undervalued, source of livelihood, providing employment and income to millions of people, including women, in the post-harvest sector. It also plays an important safety net function, however. In times of crisis, often caused by failing agriculture, conflict or recession, fishing provides important part-time or temporary income or relatively free food.“604

2. Unterschiede zur Landwirtschaftsförderung Die Aktivitäten der Weltbank im Bereich der Fischerei verfolgen eine andere Zielrichtung als jene zur Landwirtschaft. Der Fokus der Förderung liegt in der Unterstützung einer nachhaltigen Fischerei, um die Überfischung der Meere zu reduzieren bzw. zu verhindern. Dazu gehören auch die Reduzierung der Schiffzahlen, Quotensysteme und (bessere) Kontrollen.605 Obgleich die Weltbank anerkennt, dass die Lebensgrundlage und Ernäh601  FAO,

The State of World Fisheries and Aquaculture, 2014, S. 105. Fish to 2030: Prospects for Fisheries and Aquaculture, Report Nr. 83177-GLB, 2013, http://documents.worldbank.org/curated/en/2013/12/18882045/ fish-2030-prospects-fisheries-aquaculture, S. xiv. 603  FAO, The State of World Fisheries and Aquaculture, 2012, S. 17. 604  UN-Dokument A/67/268 (8.8.2012), Interim Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Rz. 8. 605  Weltbank, Saving Fish and Fishers – Toward Sustainable and Equitable Governance of the Global Fishing Sector, Report No. 29090-GLB, Mai 2004, http://sitere sources.worldbank.org/INTARD/Resources/SavingFishandFishers.pdf, S. 75, 31 f. 602  Weltbank,



D. Landwirtschaft und Fischerei297

rungssicherheit vieler kleiner Fischer vom Fischfang abhängt,606 stellt deren direkter Schutz bzw. Förderung keinen Schwerpunkt dar. Dass viele Fischer aufgrund von Regulierungen weniger fangen oder die Fischerei ganz aufgeben müssen, nimmt die Weltbank in Kauf: „Adjustment programs cannot effectively reduce fishing pressure without reducing the number of fishers.“607

Anstatt darauf hinzuwirken, dass kleine Fischer weiterhin dieser Arbeit nachgehen können, möchte die Weltbank alternative Methoden zum (verbesserten) Lebensunterhalt fördern, unter Berücksichtigung der lokalen Begebenheiten und Kultur, der Fähigkeiten der Fischer, und der Rolle der Frauen in der Fischverarbeitung.608 Diese Programme werden gerne mit solchen zum Schutz der Meeresumwelt kombiniert. So finanzierte die Weltbank in Indonesien das Coral Reef Rehabilitation and Management Program (COREMAP), welches in zwölf Fischereigemeinden alternative Einkommensmöglichkeiten in Form von Kleinstunternehmen (wie z. B. Schneidereien, Bäckereien oder auch Fischnetzherstellung und Seetangverarbeitung) bewarb, was von den Fischern zunehmend angenommen wurde.609 Die interne Evaluierung dieses Programms ergab, dass verstärkt auf Möglichkeiten jenseits der Fischerei (auch jenseits von Aquakulturen, welche oftmals keine geeignete Alternative darstellten) hingewiesen werden müsse; zudem sollten entsprechende Förderprogramme auf effektive Weise mit allgemeinem Fischereiressourcenmanagement verbunden werden, um gerade deren Auswirkungen auf die Bevölkerung abzufedern. Die tatsächlichen Bedürfnisse der Fischer seien im Sinne einer bottom-up-Herangehensweise zu bewerten; auch auf Trainingsmöglichkeiten sollte Wert gelegt werden.610 2005 etablierte die Weltbank zusammen mit wichtigen Gebern PROFISH, ein Programm zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der Fischerei; mit einem Fokus auf dem Wohl der Armen in Küsten- und Fischereigemeinden in Entwicklungsländern.611 Ein geographischer Schwerpunkt des Programms liegt in Subsahara-Afrika.612 606  Ibid.,

S. 25. S. 75. 608  Ibid., S. 75. 609  Ibid., S. 77. 610  Ibid., S.  77 f. 611  Weltbank, What is PROFISH? – The World Bank’s Global Program on Fish­ eries, September 2009, http://documents.worldbank.org/curated/en/2009/09/18612458/ profish-world-banks-global-program-fisheries, S. 1. 612  Ibid., S. 2. 607  Ibid.,

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

In ihrem „Fish to 2030“-Bericht aus dem Jahr 2013 fokussierte sich die Weltbank wiederum stark auf die Förderung von Aquakulturen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und die Preise für Fisch niedrig zu halten; gleichzeitig zeigt die Bank aber durchaus Problembewusstsein, da sie auch vor negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder dem oft nach wie vor zu hohen Einsatz von Fischmehl warnte.613 Fischmehl ist, wie auch Fischöl, immer noch ein wesentlicher Bestandteil von Futtermitteln für Aquakulturen, wobei dieses Mehl oft aus Wildfisch hergestellt wird.614 Weltweit werden nach Zahlen der Weltbank aus dem Jahr 2013 ca. 20 % der Fischmenge für die Fischmehl- und Fischölproduktion aufgewandt, wobei der damalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung 2012 bereits von 34 % sprach.615 Wurde Fischmehl früher vor allem aus Fischabfällen hergestellt, trifft dies heute nur noch auf einen geringen Anteil der Produktion zu.616 Besonders problematisch ist dies, wenn die zu Mehl verarbeiteten Fischteile auch direkt als Nahrungsmittel genutzt werden könnten.617 Insgesamt entspricht jedoch die grundsätzliche Befürwortung von Aquakulturen auch den Ansätzen der FAO, die ebenfalls Aquakulturen befürwortet, um so die Versorgung mit Fisch sicherzustellen.618

613  Weltbank, Fish to 2030: Prospects for Fisheries and Aquaculture, Report Nr. 83177-GLB, 2013, http://documents.worldbank.org/curated/en/2013/12/18882045/ fish-2030-prospects-fisheries-aquaculture, S. vii, xiii. 614  FAO, The State of World Fisheries and Aquaculture, 2014, S. 107; UN-Dokument A/67/268 (8.8.2012), Interim Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Rz. 35. 615  Weltbank, Fish to 2030: Prospects for Fisheries and Aquaculture, Report Nr. 83177-GLB, 2013, http://documents.worldbank.org/curated/en/2013/12/18882045/ fish-2030-prospects-fisheries-aquaculture, S. 47; UN-Dokument A/67/268 (8.8.2012), Interim Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Rz. 35. 616  Weltbank, Fish to 2030: Prospects for Fisheries and Aquaculture, Report Nr. 83177-GLB, 2013, http://documents.worldbank.org/curated/en/2013/12/18882045/ fish-2030-prospects-fisheries-aquaculture, S. 48. 617  FAO, The State of World Fisheries and Aquaculture, 2014, S. 107; UN-Dokument A/67/268 (8.8.2012), Interim Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Rz. 9. 618  FAO, The State of World Fisheries and Aquaculture, 2014, S. 105, 107.



D. Landwirtschaft und Fischerei299

3. Auswirkungen anderweitiger Projekte auf den Fischfang – Das Tata Mundra Ultra Mega Power Project und der Fischfang in Tragadi Bandar Relevanz weist auch im Kontext der Fischerei die Problematik der ‚Kollateralschäden‘ durch andersartige Weltbankprojekte auf. Aufsehen erregten hier die negativen Auswirkungen eines Kraftwerkbaus in der westindischen Region Gujarat. Die Weltbankgruppe, bzw. die IFC, beteiligte sich an diesem Projekt mit 450 Millionen US$. Mutmaßlich weil der Betrieb des Kraftwerks die Küstengewässer zu sehr aufgeheizt hat, waren nunmehr rund 10.000 Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Fischerei in den Küstengewässern verdient hatten, gezwungen, weiter aufs Meer hinauszufahren. 2011 wandte sich eine lokale Vereinigung für Fischerrechte mit einer entsprechenden Beschwerde an den Ombudsmann der IFC.619 Ebenfalls hochproblematisch sind solche Schäden, die im Bereich der extraktiven Industrien entstehen können. Kontaminierungen der Umwelt, wie z. B. durch Mienenabbau, haben oft nachteilige Auswirkungen auf Nahrungsquellen wie Fischpopulationen und gefährden so die Nahrungssicherheit der lokalen Bevölkerung.620 Das CESCR sieht den Wesensgehalts des Rechts auf Nahrung schließlich gerade auch in der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, die frei von schädlichen Stoffen sind.621

V. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen Die Förderung des Agrarsektors ist seit langem ein wichtiger Aspekt in der Arbeit der Weltbank. Schon bevor die Bank schließlich eigenständige Strategien für ländliche Entwicklung entwickelte, erkannte sie bereits an, dass die bloße Erhöhung der Lebensmittelproduktion für sich allein nicht ausreicht, um den Hunger in Entwicklungsländern zu bekämpfen. Spätere Strategien behandelten gerade auch Maßnahmen zugunsten der auf dem Land lebenden Armen.

619  Barry Yeoman, The World Bank Group’s Uncounted, International Consortium of Investigative Journalists, 1.5.2015, www.icij.org/project/world-bank/world-bankgroups-uncounted. 620  Max-Planck-Foundation for International Peace and the Rule of Law, Human Rights Risks in Mining: A Baseline Study, 2016, S. 55. 621  UN-Dokument E/C.12/1999/5 (12.5.1999), General Comment No.  12 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, Rz. 10.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Kritischer zu bewerten ist, dass die Weltbank und der IWF von den Staaten seit jeher die Öffnung ihrer Märkte und freien Handel, auch für Agrarprodukte, fordern. Von dieser Entwicklung profitieren primär Konzerne und Großfarmer, nicht die Kleinbauern. Ebenso bringt die Förderung des Anbaus von cash crops statt food crops, sowie von Biokraftstoff aus Nahrungsmittelpflanzen große Risiken mit sich. Nach Ansicht der FAO trug die Weltbank aufgrund dieser Strategie eine Mitverantwortung an der Nahrungspreiskrise von 2007/2008.622 Führt eine solche Strategie zu sinkender Ernährungssicherheit, bzw. wird dadurch schließlich das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, verletzt, so kann dies der Bank als Beihilfe zum entsprechenden Handeln des Staates vor Ort im Sinne von Art. 14 der DARIO zugerechnet werden. Im Bereich des Land Grabbing sowie auch der Biokraftstoffförderung ist es indes zu befürworten, dass die Bank von ihrer zeitweise unkritischen Haltung Abstand genommen und einen differenzierteren Blick für Chancen und Risiken entwickelt hat. Auch unterstützt die Weltbank mittlerweile Initiativen zur Registrierung von gewohnheitlich bzw. gemeinschaftlich genutztem Land und erkennt solche Landrechte in ihrem neuen, Ende 2018 in Kraft getretenen Environmental and Social Framework ausdrücklich an. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn die Weltbank in ihre Principles for Responsible Agricultural Investment von 2010 explizit menschenrechtliche Bezüge aufgenommen hätte. Bezüglich der Fischereiförderung verfolgt die Weltbank einen Ansatz mit Fokus auf ökologischer Nachhaltigkeit. Dies ist sehr begrüßen, insbesondere da die Bank auch die Lebensgrundlage und Ernährungssicherheit kleiner Fischer nicht vernachlässigt, sondern versucht, Alternativen zum Fischfang aufzuzeigen. Problematisch dabei könnte allerdings eine Verdrängung der traditionellen Lebensweise lokaler Fischer durch große Unternehmen sein. Auch bei nicht primär gewässerbezogenen Projekten wie der Förderung von Kohlekraftwerken muss hinreichend gesichert sein, dass diese keine negativen Auswirkungen auf die Gewässer haben. Ansonsten kann sich die Organisation einer völkerrechtswidrigen Beihilfe aufgrund einer Verletzung ihrer Überwachungspflichten verantwortlich machen.623

622  Hierzu 623  Siehe

ausführlicher unter Teil 3, E. II. auch unter Teil 3, C. V.



E. Umgang mit Hungerkrisen301

E. Umgang mit Hungerkrisen Zuletzt soll mit dem Umgang mit Hungerkrisen ein Bereich aufgezeigt werden, in dem es nicht um mitunter negative Auswirkungen von Programmen der Bretton-Woods-Institutionen geht, sondern um deren Versuche, zusätzliche Unterstützung in Krisenzeiten zu liefern.

I. Die Food Financing Facility des IWF von 1981 Nachdem 1979 die Verhandlungen zu einem neuen internationalen Getreideübereinkommen gescheitert waren, gab der IWF 1981 – nach entsprechenden Forderungen der FAO und des Welternährungsrates – die Einrichtung einer ‚Food Financing Facility‘ bekannt. Diese basierte auf einer Erweiterung der bereits vorhandenen ‚Compensatory Financing Facility‘ (CFF)624 und sollte dazu dienen, Zahlungsbilanzprobleme zu lösen, die auf im Vergleich zu den Vorjahren stark erhöhte Kosten für Getreideimporte zurückgingen. Die Inanspruchnahme der Gelder war an entsprechende Kooperationspflichten zur langfristigen Lösung der Zahlungsbilanzprobleme gekoppelt.625 1978 hatte der IWF eine entsprechende Initiative noch abgelehnt, da er es für unangemessen hielt, gerade Nahrungsimporte als Zahlungsbilanzprobleme hervorzuheben, ließ sich jedoch 1981 durch das Drängen von FAO und Welternährungsrat umstimmen und betonte dabei auch die „human consider­ ations associated with this issue“. Anfänglich sollte die Initiative nur vier Jahre dauern, sie besteht seitdem aber fort.626

II. Die Nahrungspreiskrise von 2007/2008 2007/2008 verschlimmerte eine massive Nahrungspreiskrise den Hunger von Millionen von Menschen. 2008 stieg der Nahrungspreisindex der Weltbank innerhalb weniger Monate um 60 %. Die Preise für Mais, Weizen und Reis stiegen (im Vergleich zu Mitte 2007) um jeweils 70, 120 und sogar 624  Die CFF wurde 1963 eingerichtet, um Staaten bei temporären, exogenen ‚Schocks‘ mit negativen Auswirkungen auf ihre Exportgewinne zu unterstützen; IWF, Review of the Compensatory and Contingency Financing Facility (CCFF) and Buffer Stock Financing Facility (BSFF) – Preliminary Considerations, 9.12.1999, www.imf. org/external/np/ccffbsff/review/index.htm. 625  Colin Kirkpatrick, The IMF’s Food Financing Facility: Much Ado about Nothing, 10(4) Food Policy 1985, S. 303. 626  IWF, Review of the Compensatory and Contingency Financing Facility (CCFF) and Buffer Stock Financing Facility (BSFF) – Preliminary Considerations, 9.12.1999, www.imf.org/external/np/ccffbsff/review/index.htm.

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Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

180 %. Nach Schätzungen der Weltbank wurden durch diese Krise 105 Millionen Menschen in die Armut getrieben. Auch nach 2008 sollten die Nahrungsmittelpreise noch mehrmals neue Höhen erreichen, Anfang 2011 und im Sommer 2012, wobei diese Male die Auswirkungen weniger dramatisch ausfielen (aufgrund von zwischenzeitlich erhöhter Getreideproduktion in den Entwicklungsländern, geringeren Importen, und niedrigeren Öl- und Dünger­ preisen).627 Über die Ursache der Preiskrise besteht weitestgehend Einigkeit, sie lässt sich auf eine Kombination von Faktoren zurückführen: eine steigende Biotreibstoffproduktion, höhere Dünger- und Treibstoffpreise, die Reduzierung von Getreidelagern, nachteilige Wetterbedingungen, das Wiederaufkommen von Getreidekrankheiten wie Weizenbraunrost, und eine Stagnation von Investitionen zur Erhöhung der Anbauproduktivität in Entwicklungsländern.628 Mitte 2008 kam ein Bericht der Weltbank zu der Schlussfolgerung, dass „the most important factor was the large increase in biofuels production in the U.S. and the EU“.629 Ein weiterer Faktor dieses massiven Preisanstiegs lag in der Spekulation auf Nahrung. Während Spekulationen mit Nahrungsmitteln bzw. mit Agrarrohstoffen als Risikoversicherungen gegen Preisschwankungen einen gewissen Nutzen haben und von Landwirten, Händlern und Verarbeitern zu diesem Zwecke seit jeher eingesetzt werden, entstand 2007/08 eine Preisblase, die sich wohl damit erklären lässt, dass Banken und Fonds in Anbetracht der allmählich kollabierenden (Immobilien-)Kreditmärkte nach neuen Anlagemöglichkeiten suchten, um kurzfristig Gewinne zu erzielen.630 Ein ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung sieht eine weitere Ursache für die Nahrungspreiskrise in den Handelsliberalisierungen, welche von den Bretton-Woods-Institutionen in den vorangegange627  Zahlen nach www.worldbank.org/en/results/2013/04/11/global-food-crisis-response-program-results-profile. 628  Weltbank/IFC/MIGA, Independent Evaluation Group, The World Bank Group and the Global Food Crisis: An Evaluation of the World Bank Group Response, 2013, S. 3; Weltbank/Donald Mitchell, A Note on Rising Food Prices, World Bank Policy Research Working Paper 4682, Juli 2008; Olivier de Schutter, The Role of Global Governance in Supporting Human Rights: The Global Food Price Crisis and the Right to Food, in: Aoife Nolan (Hrsg.), Economic and Social Rights after the Global Financial Crisis, 2014, S. 90, 93. 629  Weltbank/Donald Mitchell, A Note on Rising Food Prices, World Bank Policy Research Working Paper 4682, Juli 2008, S. 1. 630  Lioba Weingärtner/Claudia Trentmann/Deutsche Welthungerhilfe, Handbuch Welternährung, 2011, S. 81; etwas zögerlicher: Weltbank/Donald Mitchell, A Note on Rising Food Prices, World Bank Policy Research Working Paper 4682, Juli 2008, S. 15.



E. Umgang mit Hungerkrisen303

nen Jahrzehnten im Rahmen ihrer Strukturanpassungsprogramme forciert wurden. Aufgrund dieser Reformen müssten Farmer unmittelbar auf den Markt reagieren, ohne dass der Staat (z. B. durch den Festpreisankauf von Agrarprodukten oder durch Subventionen für Kleinbauern) regulierend eingreifen dürfte – dies gelinge gerade vielen Kleinbauern nur schwer. Hinzu käme der zunehmende Wettbewerb durch das Senken von Importzöllen für ausländische Agrarprodukte, auf den Kleinbauern oftmals nicht einfach mit dem Anbau von für den Export geeigneten cash crops reagieren könnten.631 Auch die FAO gibt der handelsbasierten Ernährungssicherheitsstrategie der Weltbank eine Mitverantwortung an der Nahrungspreiskrise: „The trade-based food security strategy promoted by the World Bank since 1986 has faced new challenges. The World Bank strategic recommendation to concentrate production on the most valuable products and to import staple food from the world market led to a substantial increase in net food importing countries, from 20 – 30 at the beginning of the 1980s to more than 100 in 2005. A large number of these are [least developed countries]. These countries have been affected considerably by the price increase and the use of export restrictions following the food price crisis of 2007/2008 […].“632

III. Reaktionen der Weltbank auf die Preiskrise Im Mai 2008 veröffentlichte der damalige Präsident der Weltbank, Robert Zoellick, einen 10-Punkte-Plan633 zum Umgang mit der Nahrungspreiskrise. Bemerkenswert ist hierbei bereits die Eingangsthese: „What has been described as a silent tsunami is not a natural catastrophe, but is man-made. The nexus between high energy and food prices is unlikely to be broken, and will be exacerbated by global climate change. The results have been rising production and transport costs for agriculture, falling food stocks and land shifted out of food production to produce energy substitutes. This is a 21st century foodfor-oil crisis.“

Im Anschluss legte Zoellick zehn Punkte dar, zu denen auch die Zusammenarbeit mit dem World Food Programme (WFP) und der FAO gehört, um Soforthilfe (darunter die direkte Bereitstellung von Nahrung) zu leisten. Des Weiteren betonte er den Bedarf nach Saatgut und Düngemittel für die Anbau631  Olivier de Schutter, The Role of Global Governance in Supporting Human Rights: The Global Food Price Crisis and the Right to Food, in: Aoife Nolan (Hrsg.), Economic and Social Rights after the Global Financial Crisis, 2014, S. 90, 95 f. 632  FAO, International Dimensions of the Right to Adequate Food, 2014, S. 4. 633  Im Folgenden: Robert Zoellick, A 10-point Plan for Tackling the Food Crisis, Financial Times Online, 29.5.2008, www.ft.com/cms/s/0/d1a2981c-2da7-11dd-b92a000077b07658.html#axzz3rm4lhSRP.

304

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

saison, gerade für die Kleinbauern in armen Staaten. Hierbei sollte nicht nur auf bloße Finanzierung, sondern auch auf direkte Zurverfügungstellung gesetzt werden. Generell sollten Forschung und Investitionen in die Landwirtschaft gefördert werden; die Landwirtschaft sollte insgesamt produktiver werden. Weiterhin vonnöten sei die Risikominimierung, wie Ernteversicherungen für Kleinbauern. Im Einzelnen kreierte die Weltbank ‚Wetterderivate‘, für die Malawi als erster Klient auserkoren wurde. Sollte ein Land dann eine Dürre erleiden, erhält es eine Auszahlung, um entsprechende Importe zu finanzieren. Schließlich forderte Zoellick, die Subventionen und Aufträge für Biokraftstoffe, die aus Nahrungsmittelpflanzen hergestellt werden, zu senken.634 Zudem müssten Exportverbote aufgehoben werden, die Nahrungspreise weiter in die Höhe schnellen ließen. Zu viele Länder würden ihre Reisvorräte horten – mit deren auch nur teilweisen Freigabe könnte man die Preise drastisch senken. Besonders erwähnenswert ist auch, dass Zoellick sich im Kontext der WTO für den Abbau der Wettbewerbsverzerrung durch Agrarsubventionen ausspricht, um so einen anpassungsfähigeren, effektiveren und faireren globalen Handel zu ermöglichen.

IV. Global Food Crisis Response Program (GFRP) der Weltbank von 2008 Die direkte Antwort der Weltbank auf die Nahrungspreiskrise bestand darin, dass sie im Mai 2008 (am Tag der Veröffentlichung von Zoellicks 10-Punkte-Plan) das Global Food Crisis Response Program (GFRP) einführte, welches das ‚fast-track funding‘ der IBRD und der IDA mit Treuhandfonds vermischte. Ziel war die Soforthilfe bei der Bewältigung der Nahrungspreiskrise sowie Präventionsmaßnahmen für die Zukunft. Bis heute kamen durch das GFRP Gelder in Höhe von 1,6 Milliarden US$ 49 (größtenteils afrikanischen) Ländern zu Gute.635 Dabei sollte das GFRP gerade auch eine Alternative zu den Lösungen der 1960er und 1970er Jahre bieten, in denen auf Nahrungskrisen mit einer Schließung der Grenzen und Regierungsinterventionen geantwortet wurde, was nach Ansicht der Weltbank zu einer Entmutigung von Investoren in der 634  Siehe

hierzu schon Teil 3, D. III. 2. www.worldbank.org/en/results/2013/04/11/global-food-crisis-response-pro gram-results-profile; Weltbank/IFC/MIGA, Independent Evaluation Group, The World Bank Group and the Global Food Crisis: An Evaluation of the World Bank Group Response, 2013, S. ix. 635 



E. Umgang mit Hungerkrisen305

Landwirtschaft führte. Im Gegensatz dazu baute das GFRP auf den Ausbau des Sozialschutzes (‚social protection‘) zur Verminderung der Negativimplikationen auf die Nahrungsmittelversorgung des Einzelnen (wie z. B. die Bereitstellung von kostenlosen Mahlzeiten für über 900.000 Schulkinder und von Ergänzungsmitteln für fast 300.000 schwangere und stillende Frauen), die Erweiterung von Haushaltsspielräumen (‚fiscal space‘; etwa durch Zoll- und Steuererleichterungen für Grundnahrungsmittel), die Aufrechterhaltung der Lebensmittelproduktion (z. B. durch die Verteilung von Saat- und Düngemitteln an 8,5 Millionen Farmhaushalte) und die Nahrungsmittelmarktstabilisierung. Ein Fokus wurde auf die ärmsten und gefährdetsten Länder gelegt. In elf Staaten arbeitete die Weltbank mit verschiedenen UN-Organisationen zusammen, in 18 Ländern verstärkt mit Organisationen der Zivilgesellschaft.636 Eine weltbankinterne Evaluierung des GFRP ergab jedoch durchaus Mängel im Programm. So hätten nur wenige Operationen auf Unterstützung für Kinder unter zwei Jahren sowie schwangere und stillende Frauen abgezielt, obwohl gerade diese Gruppen für Unterernährung besonders anfällig wären; die fokussierte Ausweitung von Schulspeisungen in Zusammenarbeit mit dem WFP habe diese Gruppen nicht erreicht.637 Generell wären Sozialprogramme in den meisten Programmländern nicht hinreichend durchdacht gewesen, insbesondere wenn die Bank zuvor nicht in diesen involviert war, und im Rahmen des GFRP vor allem schnell reagieren wollte.638 Positiv ist hier aber gerade zu bewerten, dass derartige Kritikpunkte bereits mittels einer relativ zeitnahen internen Evaluierung aufgebracht wurden. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die Bank bei künftigen Krisenprogrammen entsprechende Lehren zieht. Im Juni 2012 ist das GFRP ausgelaufen, wobei die entsprechend geförderten Projekte weitergeführt werden sollen. Um den klimawandelbedingten, zunehmend extremen Wetterphänomenen sowie deren Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit besser begegnen zu können, hat die Weltbank 2011 ihre Notfallreaktion (‚emergency response‘) angepasst. Der sogenannte Immediate Response Mechanism wird von der zur Weltbankgruppe gehörenden International Development Association verwaltet und zielt darauf ab, entsprechende Hilfen wesentlich schneller und flexibler als zuvor zur Verfügung stellen zu können.639 636  www.worldbank.org/en/results/2013/04/11/global-food-crisis-response-pro gram-results-profile. 637  Weltbank/IFC/MIGA, Independent Evaluation Group, The World Bank Group and the Global Food Crisis: An Evaluation of the World Bank Group Response, 2013, S.  xv f. 638  Ibid., S. xv. 639  Siehe https://ida.worldbank.org/financing/immediate-response-mechanism.

306

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

Die aus dem GFRP gezogenen Lehren flossen in den World Bank Group Agricultural Action Plan FY13-15 ein, der weiterhin zwischen 7 und 9 Milliarden US$ an Krediten jährlich bereitstellen soll, um künftigen Krisen besser begegnen zu können.640

V. Weitere Programme Abseits des bankeigenen GFRP hat sich die Weltbank auch in anderen Initiativen engagiert. Am bedeutendsten ist das Global Agriculture and Food Security Program (GAFSP), welches auf Inititative der G20 im Jahr 2009 als Treuhandfonds gegründet und von der Weltbank vorbereitet wurde. Ziel dieses Programms ist es, langfristig die Ernährungssicherheit durch eine Steigerung der Agrarproduktivität zu verbessern.641 Im Übrigen verweist die Weltbank auch auf langfristig angelegte Reaktionen auf die Nahrungspreiskrise. So hat sie ingesamt ihre Kreditaktivitäten im Agrarsektor ausgeweitet und sich verstärkt auf die Unterstützung der Produktivität konzentriert. Die agrarbezogene Kreditvergabe der Weltbank hat sich im Referenzzeitraum um 48 % gesteigert, von 8,8 Milliarden US$ (im Zeitraum vor der Krise: 2006 – 2008) auf 13 Milliarden US$ (nach der Krise: 2009 – 2011); die nahrungsanbaubezogenen Operationen der IFC sind um 63 % gestiegen.642

VI. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen Die beschriebenen Initiativen, um Hungerkrisen zu begegnen, stellen ein Beispiel dafür dar, dass die Bretton-Woods-Institutionen gelegentlich auch direkt versuchen, positiv auf die Ernährungssicherheit in krisengebeutelten Staaten einzuwirken. Besondere Beachtung verdient, dass der IWF 1981 mit der Erweiterung der CFF für Zahlungsbilanzprobleme aufgrund gestiegener Getreideimportpreise auch gerade die „human considerations associated with this issue“, also die humanitäre Dimension der Materie, berücksichtigte. 640  www.worldbank.org/en/results/2013/04/11/global-food-crisis-response-pro gram-results-profile. 641  Weltbank/IFC/MIGA, Independent Evaluation Group, The World Bank Group and the Global Food Crisis: An Evaluation of the World Bank Group Response, 2013, S. 85, mit weiterem Verweis auf das Agricultural Market Information System (AMIS), gegründet von der G20 im Jahr 2011 (mit wesentlicher Beteiligung der Weltbank, und darauf abzielend, die Transparenz auf den Getreidemärkten zu erhöhen). 642  Ibid., S.  47 f.



F. Fazit307

In derartigen Fällen wäre es verfehlt, von negativen Auswirkungen der Initiativen zu sprechen – stellen sie doch jedenfalls ein zusätzliches Hilfsangebot für die Staaten dar, um Krisen im Land, welche die Ernährungssicherheit gefährden, zu begegnen. Entsprechende völkerrechtliche Pflichten der Organisationen bezüglich des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, solche Programme bereit zu stellen, müsste man bereits als Teil einer menschenrechtlichen Erfüllungspflicht begreifen, der jedenfalls der IWF nicht unterliegt.643 Dementsprechend können etwaige Mängel in dessen Initiativen (in dem Sinne, dass diese nicht zu optimalen Ergebnissen führten oder suboptimal konzipiert wären) nicht zu einer völkerrechtlichen Verantwortung des IWF führen, da in solch einem Kontext bereits keine Primärpflicht vorliegt, die verletzt werden könnte. Im Falle der Weltbank ist indes das Ausmaß ihrer Erfüllungspflicht644 fraglich. Eine entsprechende Erfüllungspflicht beträfe die aktive Unterstützung der Realisierung des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, in dem Sinne, dass Menschen ermöglicht wird, sich selbst zu ernähren, und Nothilfen mit Unterstützung der Organisation zur Verfügung gestellt werden.645 Indem die Weltbank derartige Notprogramme wiederholt initiiert, kommt sie ihrer Erfüllungspflicht nach. Mängel in der Programmgestaltung wurden bisher durch interne Evalulierungen relativ zeitnah aufgedeckt und die erworbenen Erkenntnisse für künftige Programme nutzbar gemacht. Insgesamt zeugen solche Initiativen von einem positiv zu bewertenden Bewusstsein der Institutionen für die Problematik der Ernährungssicherheit.

F. Fazit – Das Verletzungspotential der Bretton-Woods-Institutionen für das Recht, frei von Hunger zu sein Wie anhand mehrerer konkreter Themenkomplexe gezeigt wurde, ist das Verletzungspotential für das Recht auf Nahrung bzw. darauf, frei von Hunger zu sein, durch Operationen der Bretton-Woods-Operationen mitunter enorm. Während sich die Debatte um eine menschenrechtliche Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen gerne auf bürgerliche und politische Rechte konzentriert, sind gerade wirtschaftliche und soziale Rechte wie das Recht 643  Siehe 644  Ibid.

unter Teil 2, D.

645  Jean Ziegler/Christophe Golay/Claire Mahon/Sally-Anne Way, The Fight for the Right to Food – Lessons Learned, 2011, S. 90; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 132 f.

308

Teil 3: Nahrungsspezifische Politik der Bretton-Woods-Institutionen

auf Nahrung in der Praxis durch ihren engeren Bezug zur Entwicklungszusammenarbeit ungleich leichter aktiv zu verletzen. Bei bürgerlichen und politischen Rechten läge der Schwerpunkt eher auf einer gewünschten Verpflichtung der Institutionen, eine Menschenrechtspolitik der Entwicklungsländer entsprechend zu fördern. Dabei geht es weniger um die Gefahr, dass zum Beispiel die Weltbank in ihrer Projektdurchführung selbst das Recht auf Meinungsfreiheit der lokalen Bevölkerung verletzt, sondern darum, dass die Weltbank Anreize für den Schutz der Menschenrechte setzen soll, indem sie diesen zur Bedingung für eine finanzielle Förderung macht. Die wirtschaftlichen und sozialen Rechte sind hingegen viel stärker mit der Aufgabe der Bretton-Woods-Institutionen verknüpft. Wirtschaftliche Entwicklung hängt direkt mit Rechten, die auf einen angemessenen Lebensstandard abzielen, zusammen. Projekte, die primär auf ökonomisches Wachstum abzielen, können unmittelbare, mitunter sehr negative Auswirkungen auf die wirtschaftlichen und sozialen Rechte des Einzelnen haben. Gleichzeitig haben die wirtschaftlichen und sozialen Rechte in den internationalen Entwicklungs- und Finanzinstitutionen einen schweren Stand. Während bürgerliche und politische Rechte zwar nicht aktiv unterstützt, aber doch grundsätzlich als existent anerkannt werden, unterlassen die BrettonWoods-Institutionen konkrete Bezugnahmen auf (auch als solche formulierte) wirtschaftliche und soziale Rechte. Die Errungenschaften dahinter werden teils gefördert, aber eine menschenrechtsbezogene Sprache und Herangehensweise vermieden. Auch dies trägt dazu bei, dass bei konkreten Operationen Verletzungen des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, nicht immer hinreichend vermieden werden. Gerade die Beispiele der Strukturanpassungsprogramme und der Zwangsumsiedlungen zeigen Fälle auf, in denen sich auf Grundlage der DARIO eine entsprechende Verantwortlichkeit der Bretton-Woods-Institutionen im Sinne einer völkerrechtswidrigen Beihilfe zum Akt des unmittelbar handelnden Staates statuieren lässt. Mangels Einwilligungsfähigkeit des Staates in Verletzungen der Menschenrechte seiner Bewohner ist eine etwaige Zustimmung des Staates unbeachtlich. Auch werden sich die Weltbank und der IWF in aller Regel nicht auf einen Notstand berufen können, um Verletzungen des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, im Zielland zugunsten der allgemeinen Lage der Weltwirtschaft rechtfertigen zu können. Der Umgang der Bretton-Woods-Institutionen mit dem Bereich ‚Landwirtschaft und Fischerei‘ sowie mit Hungerkrisen ist grundsätzlich deutlich positiver zu bewerten. Hier ist, auch wenn noch Verbesserungspotential besteht, insbesondere die Weltbank auf einem durchaus guten Weg, auf eine Stärkung der Ernährungssicherheit hinzuwirken.

Teil 4

Mögliche Reformen für eine neue Phase der Verantwortlichkeit von Weltbank und IWF Nachdem die letzten Kapitel dieser Arbeit gezeigt haben, dass die Weltbank und der IWF an das Menschenrecht darauf, frei von Hunger zu sein, jedenfalls grundsätzlich gebunden sind und ihre Operationen massives Gefährdungspotential für dieses Recht aufweisen können, stellt sich die Frage, was diese Institutionen an ihrer Herangehensweise konkret ändern könnten, denn: „Human rights scholarship […] urgently needs to move forward and find new ways to conceptualize socio-economic rights if it is to be relevant to the problems now faced by the advanced economies.“1

A. Beitritt zum ICESCR und Modifizierung der Articles of Agreement Wie bereits gezeigt wurde,2 sind die Weltbank und der IWF bereits de lege lata an Völkergewohnheitsrecht und mithin auch an das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, gebunden. Dennoch erscheint es – nicht nur allein aus Klarstellungsgründen – sinnvoll, dies durch einen Beitritt zum ICESCR und durch eine Änderung der AoA zu unterstreichen und auszuweiten. Solche Maßnahmen würden nicht nur zur endgültigen Klärung der Rechtslage beitragen, sondern zudem auch eine Veranwortung über den völkergewohnheitsrechtlichen Kern des Rechts auf Nahrung hinaus statuieren. Ein weiterer gewichtiger Vorteil bestünde darin, dass die Weltbank und der IWF dann künftig den Monitoring-Mechanismen des ICESCR unterworfen wären.3 1  Mary Dowell-Jones, The Economics of the Austerity Crisis: Unpicking Some Human Rights Arguments, 15 Human Rights Law Review 2015, S. 193, 212. 2  Siehe oben unter Teil 1 und 2. 3  Kristina Daugirdas, How and Why International Law Binds International Organizations, 57 Harvard International Law Journal 2016, S. 325, 381.

310 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Ein Beitritt zum ICESCR würde allerdings zunächst eine Änderung von Art. 26 Abs. 1 ICESCR voraussetzen, wonach die Mitgliedschaft momentan nur Staaten offensteht. Hier stellt sich die Frage, ob eine derartige Erweiterung des Verpflichtetenkreises von den Vertragsstaaten mehrheitlich überhaupt gewünscht wird. Im Anschluss müssten die Organisationen dem Beitritt zustimmen. Mittels Vertragsvorbehalten könnten die Organisationen zudem klarstellen, inwieweit Bestimmungen im Verhältnis zu ihnen angepasst werden müssten.4 Ein weiterer Ansatzpunkt für eine neue Herangehensweise der Weltbank und des IWF im Hinblick auf das Recht auf Nahrung bestünde in einer Anpassung der Articles of Agreement an die sich verändernden Bedürfnisse. Während die Aufgaben dieser Institutionen in den 1940er Jahren noch eng umgrenzt waren, ist eine solche restriktive Betrachtung nicht mehr angemessen. Weltbank und IWF sollten beide eine umfassendere Sichtweise auf ihre globale Verantwortung entwickeln und Menschenrechte nicht mehr einfach ausblenden. Gerade solche elementaren Menschenrechte wie das Recht auf Nahrung verlangen umfassenden Schutz von allen Akteuren. Internationale Entwicklungs- und Finanzinstitutionen sollten dementsprechend reagieren und – wenn ihre Gründungsstatuten ihrer Meinung nach eine entsprechende Politik nicht zulassen – auf eine Anpassung durch die Mitgliedsstaaten hinwirken. Eine Änderung der AoA der Weltbank bzw. des IWF würde die Zustimmung des Board of Governors erfordern. Im Anschluss müssten drei Fünftel der Mitgliedsstaaten, welche zusammen mindestens 85 % Stimmanteile innehaben, zustimmen (Art. VIII lit. a) der AoA der IBRD, Art. XXVIII der AoA des IWF). Gefragt wäre eine Modifikation der AoA, die es eindeutig zulässt, Menschenrechte zu berücksichtigen. Auch eine solche Reform erscheint aktuell nur mäßig realistisch, da sie ebenfalls die Unterstützung einer großen Mehrheit von Vertragsstaaten erfordert.

4  Ibid.



B. Entwicklung eines ‚human rights-based approach to development‘311

B. Entwicklung eines Bretton-Woods-eigenen ‚human rights-based approach to development‘ I. Der ‚human rights-based approach to development‘ der Vereinten Nationen Lange galt Entwicklung als ein rein ökonomisches Konzept, das mit Menschenrechten keine Berührungspunkte hatte, dementsprechend spielten Menschenrechte auch in der Entwicklungszusammenarbeit internationaler Organisationen keine Rolle. Dies änderte sich mit dem sogenannten ‚human rights-based approach‘ im Hinblick auf Entwicklung und Armutsbekämpfung. Hierunter verstehen die Vereinten Nationen: „[…] a conceptual framework for the process of human development that is normatively based on international human rights standards and operationally directed to promoting and protecting human rights. It seeks to analyse inequalities which lie at the heart of development problems and redress discriminatory practices and unjust distributions of power that impede development progress. Mere charity is not enough from a human rights perspective. Under a human rights-based approach, the plans, policies and processes of development are anchored in a system of rights and corresponding obligations established by international law.“5

Mithin handelt es sich hierbei nicht um ein neues Rechtskonzept, sondern um ein Modell, das bestehende Menschenrechtsstandards in die praktische Entwicklungszusammenarbeit integriert, bzw. für diese einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Im Ergebnis soll dies (neben der Anerkennung des intrinsischen Wertes von Menschenrechten) auch dazu führen, im Ergebnis bessere, da nachhaltigere, Entwicklungsarbeit zu leisten.6 Im Gegensatz zu Modellen, die unter Armutsbekämpfung allein die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums verstehen, vertritt dieses Konzept eine multidimensionale Betrachtungsweise, die über die bloße Einkommensarmut hinausgeht und gerade auch die Verwirklichung der Menschenrechte als Ziel von Entwicklung umfasst: Armut an sich wird als die Verweigerung von Rechten (‚denial of rights), als ein Ausschluss von Teilhabe an der Gesellschaft, betrachtet, nicht als eine rein ökonomische Begebenheit.7 5  UN-Menschenrechtskommissariat, Frequently Asked Questions on a Human Rights-Based Approach to Development Cooperation, 2006, www.ohchr.org/Documents/Publications/FAQen.pdf, S. 15. 6  Ibid., S. 16. 7  Christine Chinkin, The United Nations Decade for the Elimination of Poverty: What Role for International Law?, 54 Current Legal Problems 2001, S. 553, 554 f., 564 ff.; Christine Kaufmann/Mirina Grosz, Poverty, Hunger and International Trade:

312 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Kernelement des menschenrechtsbasierten Ansatzes ist die Anerkennung von Rechtsinhabern (‚rights holders‘) und Verpflichteten (‚duty bearers‘) – denn ein Recht erfordert letztlich eine korrespondierende Verpflichtung.8 Gerade daran mangelt es jedoch im Bereich der internationalen Entwicklung, wo Menschenrechte oftmals als Prinzipien anerkannt, aber nicht als rechtliche Verpflichtungen von konkreten Akteuren begriffen werden.9 Darauf aufbauend zielt der menschenrechtsbasierte Ansatz darauf ab, den Inhabern der Rechte zu ermöglichen, diese auch geltend zu machen (‚capacity build­ ing‘), bzw. darauf hinzuwirken, dass die Verpflichteten ihren Obligationen tatsächlich nachkommen.10 Im Unterschied zum traditionellen Entwicklungsansatz, der sich auf allgemeines Wirtschaftswachstum konzentriert, legt der menschenrechtsbasierte Ansatz den Fokus auf das Individuum – entscheidend ist dabei nicht, wie das Bruttoinlandsprodukt oder das Pro-Kopf-Einkommen im Durchschnitt gestiegen ist (während möglicherweise große Teile der Bevölkerung weiter in Armut leben), sondern ob Individuen ihre Grundrechte verwirklichen können.11 Auch toleriert der menschenrechtsbasierte Ansatz keine kurzfristigen Verschlechterungen der Situation in der Hoffnung, dass diese langfristig wirtschaftlichen Erfolg mit sich bringen – sollten Menschen sich aufgrund staatlicher Ausgabenkürzungen zwischenzeitlich keine Nahrung mehr leisten können, müssen ensprechende Hilfen gestellt werden; der Hunger dieser What’s Law Got to Do with It? Current Mechanisms and the Doha Development Agenda, 51 German Yearbook of International Law 2008, S. 75, 79; siehe auch Mary Robinson, What Rights Can Add to Good Development Practice, in: Philip Alston/ Mary Robinson (Hrsg.), Human Rights and Development, Towards Mutual Reinforcement, 2005, S. 25. 8  Margot Salomon, Global Responsibility for Human Rights: World Poverty and the Development of International Law, 2007, S. 55, 114 ff.; UN-Menschenrechts­ kommissariat, Frequently Asked Questions on a Human Rights-Based Approach to Development Cooperation, 2006, www.ohchr.org/Documents/Publications/FAQen. pdf, S. 15. 9  Siobhán McInerney-Lankford, International Financial Institutions and Human Rights: Select Perspectives on Legal Obligations, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 239, 254. 10  UN-Menschenrechtskommissariat, Frequently Asked Questions on a Human Rights-Based Approach to Development Cooperation, 2006, www.ohchr.org/Documents/Publications/FAQen.pdf, S. 15; Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 700. 11  Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 702.



B. Entwicklung eines ‚human rights-based approach to development‘313

Menschen darf nicht billigend in Kauf genommen werden, um die Situation eventuell langfristig verbessern zu können.12 Im Vorwort zu den Principles and Guidelines for a Human Rights Approach to Poverty Reduction Strategies des UN-Menschenrechtskommissariats von 2004 fasste Louise Arbour den Kern des Ansatzes zusammen: „Poverty is not only a matter of income, but also, more fundamentally, a matter of being able to live a life in dignity and enjoy basic human rights and freedoms. It describes a complex of interrelated and mutually reinforcing deprivations, which impact on people’s ability to claim and access their civil, cultural, economic, political and social rights. In a fundamental way, therefore, the denial of human rights forms part of the very definition of what it is to be poor.“13

Gegen die Legitimität eines human rights-based approach to development wird gelegentlich eingewandt, dass es sich dabei um ‚Kulturimperialismus‘ handle, im Sinne einer Auferzwingung westlicher Werte auf andere Kulturräume mittels Entwicklungspolitik. Diese Debatte ist als ‚Asian values critique‘ bekannt geworden, da sie vor allem von Vertretern des asiatischen Raumes in den frühen 1990er Jahren angestoßen wurde. Ein Kernargument der Diskussion lautet, dass ‚westliche‘ Werte (bürgerliche und politische Rechte) für den ökonomischen Fortschritt eines Staates nicht erforderlich seien, viel wichtiger seien Ordnung und Stabilität.14 Diese Kritik umfasst in der Regel allerdings gerade nicht die wirtschaftlichen und sozialen Rechte,15 deren Verwirklichung einen engeren Zusammenhang zum ökonomischen Fortschritt hat und somit diesbezüglich auch aus der Sicht der Kritiker des Ansatzes über mehr Legitimität verfügt.

12  Ibid., S.  703; zur Zulässigkeit von retrogressiven Maßnahmen unter dem ICESCR, siehe unter Teil 2, A. III. 3. f); zu den negativen Auswirkungen von Sparmaßnahmen, siehe Teil 3, B. 13  UN-Menschenrechtskommissariat, Principles and Guidelines for a Human Rights Approach to Poverty Reduction Strategies, 2004, S. iii. 14  Bilahari Kausikan, Asia’s Different Standard, 92 Foreign Policy 1993 (Autumn), S. 24, 35; siehe auch Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S.  213 ff.; grundsätzlich: Amartya Sen, Development as Freedom, 1999, S. 227 ff.; Christine Chinkin, The United Nations Decade for the Elimination of Poverty: What Role for International Law?, 54 Current Legal Problems 2001, S. 553, 567 ff. 15  Christine Chinkin, The United Nations Decade for the Elimination of Poverty: What Role for International Law?, 54 Current Legal Problems 2001, S. 553, 570; vgl. den indirekten Vorwurf, dass viele westliche Menschenrechtsaktivisten den bürger­ lichen und politischen Rechten mehr Beachtung schenken würden als den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten, Bilahari Kausikan, Asia’s Different Standard, 92 Foreign Policy 1993 (Autumn), S. 24, 35.

314 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Zum human rights based-approach im weiteren Sinne kann man auch das Recht auf Nahrung zählen.16 Im internationalen Entwicklungsdiskurs ist im Zusammenhang mit dem Welthunger allerdings nur selten vom Recht auf Nahrung die Rede, für gewöhnlich spricht man vor allem von der Notwendigkeit erhöhter Ernährungssicherheit, auch wenn sich dies allmählich ändert.17 Im Bezug auf Nahrung umfasst der human rights-based approach gerade auch die größere Beachtung des Rechts auf Nahrung, in Abgrenzung zu dem politischen Streben nach größerer Ernährungssicherheit – man spricht hier auch von einem ‚right to food approach‘ bezüglich der Verwirklichung von Ernährungssicherheit.18

II. Human rights mainstreaming der UN-Entwicklungsorganisationen in Zusammenarbeit mit dem UN-Menschenrechtskommissariat Die Vorreiterrolle bei der Integration von Menschenrechten in die Entwicklungspolitik kam den Vereinten Nationen zu.19 Seit 1990 veröffentlicht das UNDP seine Human Development Reports, die vom wirtschafts- und wachstumszentrierten (und die Bretton-Woods-Institutionen geprägten) Washingtoner Verständnis von Entwicklung20 abwichen und den Menschen in den Mittelpunkt stellten. Dank der zunehmenden Unterstützung für den human rights-based approach to development umfasst die Entwicklungspolitik der Vereinten Nationen innerhalb der zuständigen Unterorganisationen mittlerweile das sogenannte human rights mainstreaming. 2009 führte die UN Development Group (UNDG) – die Dachinstitution der entwicklungsbezogenen UN-Sonderorganisationen – auf Verlangen des UN-Generalsekretärs den Human Rights Mainstreaming Mechanism ein. Unter dem Vorsitz des OHCHR zielt dieser sogenannte ‚inter-agency‘Mechanismus darauf ab, dass die einzelnen entwicklungsbezogenen UNOrganisationen einheitliche Antworten finden, um ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gegenüber den Mitgliedsstaaten gerecht zu werden. Die Mitarbeiter des Mechanismus sind um einen ganzheitlichen Ansatz bemüht und zielen dabei sowohl auf das UN-System als solches, als auch auf die regio16  Siehe hierzu FAO, International Dimensions of the Right to Adequate Food, 2014, S.  10 ff. 17  Kerstin Mechlem, Food Security and the Right to Food in the Discourse of the United Nations, 10 European Law Journal 2004, S. 631, 633. 18  Ibid., S. 645, 648. 19  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 25. 20  Siehe hierzu ausführlich unter Teil 1.



B. Entwicklung eines ‚human rights-based approach to development‘315

nale und nationale Ebene ab. Abgesehen vom OHCHR hat der Mechanismus 18 Mitglieder unter den UN-Sonderorganisationen.21 Zu beachten ist, dass der zu Grunde liegende Gedanke des human rights mainstreaming gerade nicht jenem Verständnis von Menschenrechten entspricht, dem zufolge Menschenrechte keiner Abwägung mit anderen Interessen zugänglich seien, sondern als ‚Trumpf‘ stets obsiegen müssten.22 Stattdessen fungieren Menschenrechte in diesem Zusammenhang als ein Interesse, das gegen andere abgewogen wird.23 Bereits der Begriff mainstreaming indiziert eine Eingliederung von Menschenrechten in bereits bestehende Strukturen. Eine Besonderheit stellt die Tätigkeit der FAO dar, welche zu den drei UN-Sonderorganisationen (neben dem WFP und dem International Fund for Agricultural Development) gehört, die speziell für Ernährungsfragen zuständig sind. Die FAO wurde 1945 gegründet; seit 1946 stellt sie eine UN-Sonderorganisation nach Art. 57 UN-Charta dar.24 Die Pflicht, die Menschheit vom Hunger zu befreien, wurde 1965 in die Präambel aufgenommen. Fest eingebettet ist das Recht auf Nahrung seit 2009, als es in das ‚Strategic Framework‘ der FAO aufgenommen wurde.25 Auch die FAO unterstützt den menschenrechtsbasierten Ansatz zur Ernährungssicherheit. Dazu gehört vor allem die Prämisse, dass die Menschen Inhaber von konkreten Rechten (‚right holders‘) wie eben dem Recht auf Nahrung sind, nicht bloße Begünstigte bzw. Empfänger von Leistungen (‚beneficiaries‘). Spiegelbildlich dazu steht das Ziel, dass die entsprechenden ‚duty bearers‘ für ihr Handeln, bzw. ihr Unterlassen, verantwortlich gemacht werden können; weshalb auch Beschwerdemechanismen gefordert werden. Die (progressive) Verwirklichung des Rechts auf Nahrung soll eine rechtliche Pflicht darstellen, die nicht zur Debatte steht.26 Die Herangehensweise der FAO basiert auf den vier Säulen der Ernährungssicherheit: Verfügbarkeit, Zugang, Stabilität des Angebots und Nutzung.27 21  www.ohchr.org/EN/NewYork/Pages/MainstreamingHR.aspx.

Ronald Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 153. Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 15. 24  Kerstin Mechlem, Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. IV, S. 134, Rz. 3. 25  FAO, Right to Food – Making it Happen, 2011, S. 8. 26  FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 11. 27  FAO, Right to Food – Making it Happen, 2011, S. 6. 22  Siehe 23  Galit

316 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Darauf aufbauend wurden sieben sogenannte PANTHER-Prinzipien ent­ wickelt. Das Akronym steht für Participation (Teilhabe), Accountability (Zurechenbarkeit), Non-discrimination (Nichtdiskriminierung), Transparency (Trans­­parenz), Human dignity (Menschenwürde), Empowerment (Mitwirkungsmöglichkeit) und Rule of Law (Rechtsstaatlichkeit).28

III. Übertragung des Konzepts auf die Bretton-Woods-Institutionen Es stellt sich die Frage, inwieweit auch die Bretton-Woods-Institutionen den human rights-based approach to development der Vereinten Nationen übernehmen und für sich fortentwickeln können. Das Mandat der Weltbank konzentriert sich spätestens seit den 1970er Jahren auf die Verminderung von Armut.29 Für die Bewältigung dieser Aufgabe wäre die Übernahme eines human rights-based approach, jedenfalls soweit es sich um wirtschaftliche und soziale Rechte handelt, ohne weiteres möglich und aus menschenrechtlicher Perspektive sehr sinnvoll. Der Ansatz der Vereinten Nationen ließe sich dabei ohne wesentliche Einschränkungen übernehmen. Ratsam wäre hierfür eine enge Zusammenarbeit insbesondere mit dem OHCHR und der UNDG, um auf die dort bereits gesammelten Erfahrungen zurückgreifen zu können. Anderes könnte für den IWF gelten. Dieser ist, trotz seiner Strukturanpassungsprogramme, die große Ähnlichkeit zu jenen der Weltbank aufweisen, nach wie vor primär für die Unterstützung bei Zahlungsbilanzproblemen zuständig.30 Allerdings erkennen auch die AoA des IWF in ihrem Art. IV Sektion 1(i) S. 1 mittlerweile ausdrücklich Wirtschaftswachstum als ein Kriterium für das Funktionieren des Weltwährungssystems an.31 Diesbezüglich wäre es dem IWF grundsätzlich möglich, auch menschenrechtliche Erwägungen in den Wachstumsbegriff miteinzubeziehen und im Sinne des human rights-based approach nicht allein auf das Bruttoinlandsprodukt oder das Pro-Kopf-Einkommen abzustellen (Zahlen, die für sich betrachtet außer Acht lassen, ob weiterhin große Teile der Bevölkerung in Armut leben), sondern 28  FAO,

Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 11. Entwicklung des Mandats der Weltbank, siehe unter Teil 1, F. IV. 30  Siehe Teil 1, F. IV. 31  IWF, Social Dimensions of the IMF’s Policy Dialogue, IMF Pamphlet Series No. 47, 1995, S. 5; Margaret Garritsen de Vries, The International Monetary Fund 1972 – 1978, Cooperation on Trial, Volume II: Narrative and Analysis, 1985, S. 754; François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 133. 29  Zur

C. Stärkung der institutionsinternen Rule of Law317



auch darauf, ob Individuen ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte verwirklichen können. Problematisch an einer solchen Herangehensweise wäre indes, dass dies als Überschreitung des Mandats gesehen werden könnte, da die menschenrechtliche Facette von Wirtschaftswachstum zumindest keinen direkten Einfluss auf das Weltwährungssystem haben dürfte, in dessem Kontext Art. IV Sektion 1(i) S. 1 der AoA jedoch das Kriterium des Wirtschaftswachstums nennt. Andererseits verfolgt der IWF, wie im Rahmen der 2019 verabschiedeten Social Spending Strategy deutlich wurde, bei der Programmgestaltung zunehmend einen erweiterten Wachstumsbegriff, der gerade auch auf die Inklusion benachteiligter Bevölkerungsteile bedacht ist (‚inclusive growth‘).32 Von diesem Wachstums- bzw. erweitertem Mandatsverständnis ausgehend, wäre dann auch die Entwicklung eines human rights-based approach möglich.

C. Stärkung der institutionsinternen Rule of Law Wie bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegt, messen die Weltbank und der IWF der Rule of Law zwar eine gewisse Bedeutung zu, begreifen diese aber primär im nationalen Kontext, als etwas, das von den Kreditnehmern im innerstaatlichen Bereich umgesetzt werden soll.33 Gleichzeitig verweisen sie, um eine menschenrechtliche Verantwortlichkeit zu negieren, auf die angeblich zu restriktiven Bestimmungen ihrer AoA. Tatsächlich könnte man diesen Fokus der Bretton-Woods-Institutionen auf ‚lawfare‘34 aber auch als Chance betrachten. An die moralische Verantwortung zu appellieren wird wohl weniger von Erfolg gekrönt sein als wenn es gelingen würde, Menschenrechte als festen, unantastbaren Bestandteil der Rule of Law zu begreifen – dann würden die Institutionen sich auch selbst in der Pflicht sehen. Dabei ist die Anwendung der Rule of Law für internationale Organisationen, wenn auch Uneinigkeit über die konkret anwendbaren Regeln besteht, eine Frage der Glaubwürdigkeit – wer von anderen Akteuren die Einhaltung der Regeln verlangt, sollte selbst in diesem Geiste handeln.35 Bisher hat sich der Prozess der Legalisierung von Entwicklungsorganisationen vor allem im Bereich des Managements und des Auditing 32  Siehe

hierzu ausführlicher unter Teil 1, F. IV. 4. f), sowie unter Teil 3, B. IV. unter Teil 1. E. II. 2. 34  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 61. 35  Vgl. François Gianviti, Economic, Social, and Cultural Human Rights and the International Monetary Fund, in: Philip Alston (Hrsg.), Non-State Actors and Human Rights, 2005, S. 113, 138. 33  Siehe

318 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

ausgewirkt.36 Vielmehr ist es aber vonnöten, diese Organisationen ähnlich wie nationale Akteure schon in ihrer Entscheidungsfindung stärkeren Regeln zu unterwerfen. Das Begreifen des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, als Bestandteil der Regeln, welche die Bretton-Woods-Institutionen binden, würde gerade auch beinhalten, dass dieses nicht lediglich ein weiterer Bestandteil einer Interessenabwägung innerhalb konkreter Mandate ist. Im Rahmen von Projektplanungen ist eine Vielzahl von Überlegungen zu berücksichtigen. Dabei stehen sich nicht nur Menschenrechte und rein ökonomische Interessen gegenüber. Auch die Rechte verschiedener Bevölkerungsgruppen können in bestimmten Situationen ganz unterschiedlicher Art sein und unter Umständen gar kollidieren. Vorhaben wie z. B. Infrastrukturprojekte für Staudämme oder Pipelines bergen das Potential, einigen Bevölkerungsteilen eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu bescheren, während anderen durch Vertreibung von ihrem auch landwirtschaftlich genutzten Grund und Boden ihre Lebensgrundlage entzogen wird. Abseits einer Unterscheidung zwischen ‚normalen‘ völkerrechtlichen Regeln und jus-cogens-Normen existiert im Völkerrecht keine Normenhierarchie. Menschenrechte gelten daher im Verhältnis zu Normen anderer Völkerrechtsgebiete nicht per se als höherwertiger, wenngleich Art. 103 der UN-Charta in Verbindung mit Art. 55 und 56, welche auch (sehr generelle) Verpflichtungen zur Förderung der Menschenrechte enthalten, auf eine gewisse herausragende Stellung hindeutet.37 Allerdings beruhen die Operationen von Weltbank und IWF in der Regel nicht auf bestimmten völkerrechtlichen Überlegungen, sondern auf ökonomischen Interessen. Gegenüber letzteren muss Menschenrechten stets der höhere Rang zugesprochen werden. Um dies sicherzustellen, müssen die Bretton-Woods-Institutionen ihre Mitarbeiter auf sämtlichen Ebenen so schulen, dass sie sich der Existenz menschenrechtlicher Verpflichtungen stärker bewusst werden und lernen, wie sie diese in ihre Arbeit zu integrieren haben.38

36  Galit Sarfaty, Values in Translation: Human Rights and the Culture of the World Bank, 2012, S. 62. 37  Siehe auch Tilburg Guiding Principles on World Bank, IMF and Human Rights, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 249, Prinzip Nr. 26. 38  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 264.



D. Schaffung entsprechender Safeguard Policies319

D. Schaffung entsprechender Safeguard Policies Vielfach wurde bemängelt, dass die Weltbank nicht über eine menschenrechtliche Safeguard Policy verfügt, während der IWF sogar keinerlei Safe­ guards verabschiedet hat.39 Die früheren Safeguard Policies der Weltbank, wie auch das neue Environmental and Social Framwork, enthalten kaum menschenrechtliche Bezüge. Der Begriff der Menschenrechte tauchte nur ein einziges Mal auf, in der Einleitung der Operational Policy bezüglich indigener Völker. Zum Recht auf Nahrung oder darauf, frei von Hunger zu sein, fand sich kein Wort – der Begriff der Unterernährung wurde knapp im Rahmen der Operational Policy zu Zwangsumsiedlungen verwendet. Mit der Verabschiedung des neuen ESF hat sich dies noch nicht ausreichend geändert.40 Allerdings wäre es durchaus nicht unproblematisch, eine Policy zu verabschieden, die gleichermaßen auf alle Menschenrechte anwendbar ist. Auf diese Weise müsste man völlig unterschiedliche Herangehensweisen an bürgerliche und politische Rechte (die durch entsprechende Projekte vor Ort gefördert werden könnten) sowie an wirtschaftliche und soziale Rechte (bei denen auch gerade verhindert werden muss, dass die Bretton-Woods-Institutionen diese aktiv verletzen) innerhalb einer Policy kombinieren. Im Rahmen der Safeguard Policy für indigene Völker ist eine relativ umfassende Regelung noch möglich, weil es sich um die speziellen Rechte von konkreten, abgrenzbaren Gruppen handelt. Angehörige indigener Völker sind selbstverständlich auch Inhaber der allgemeinen Menschenrechte, doch schützt die Safeguard Policy gerade jene Rechte, die den indigenen Völkern (bzw. seit Verabschiedung des ESF auch weiteren lokalen Gemeinschaften) zusätzlich aufgrund dieser Eigenschaft zukommen sollen, auch aufgrund der Begebenheit, dass diese aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung bzw. ihrer Abschottung von der Mehrheitsgesellschaft besonders verletzlich sind. Insgesamt würde es sich daher anbieten, entweder eine spezielle ernährungsbezogene Safeguard Policy (welche allerdings zu der berechtigten Kritik führen würde, warum lediglich dieses Menschenrecht derartig hervorgehoben wird), oder – was deutlich praktikabler sein dürfte – eine umfassendere für wirtschaftliche und soziale Rechte41 zu schaffen. Alternativ könnte zumindest die Weltbank das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, stärker in die existenten Policies bzw. das seit 2018 geltende ESF integrieren. 39  So z. B. David Kinley, Human Rights and the World Bank: Practice, Politics and Law, 2 The World Bank Legal Review: Law, Equity, and Development 2006, S. 353, 373. 40  Siehe unter Teil 3, A. III. 41  So auch Philip Alston, UN-Dokument A/70/274 (4.8.2015), Report of the Special Rapporteur on Extreme Poverty and Human Rights, Rz. 85.

320 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Durch die Schaffung menschenrechtlicher Safeguard Policies werden die Entscheidungsträger der Institutionen in die Lage versetzt, menschenrechtliche Problemkonstellationen zu erkennen und in den Abwägungsprozess zu integrieren. Auf einer solchen Grundlage ist es dann möglich, menschenrechtliche Gesichtspunkte gegen andere (durchaus legitime) Interessen des Staates bzw. der Institution, darunter Gemeinwohlbelange wie allgemeines Wirtschaftswachstum oder Umweltschutz, zu gewichten.

E. Pflicht zu Folgenabschätzungsprüfungen – human rights impact assessment als Erweiterung der Safeguard Policies Um ihren materiellen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, treffen die Weltbank und den IWF auch gewisse prozedurale Pflichten.42 Die Existenz von Safeguard Policies allein reicht nicht aus. Um sicherzustellen, dass menschenrechtliche Erwägungen in der konkreten Arbeit der Institutionen ausreichend berücksichtigt werden, müssen sie von Anfang an Teil der Projektplanung sein, ähnlich wie dies bei Umweltverträglichkeitsprüfungen der Fall ist.43 Dies gilt ebenso für das Recht darauf, frei von Hunger zu sein,44 weswegen eine primäre Verpflichtung die Durchführung von Folgenabschätzungsprüfungen (human rights impact assessments – im Folgenden: HRIA) betreffen muss. Folgenabschätzungsprüfungen bzw. Risikobewertungen werden von den Bretton-Woods-Institutionen zwar durchgeführt, die Kriterien sind gerade im Bereich der sozialen Auswirkungen jedoch sehr schwach und allgemein formuliert.45 Die Investment Lending Policy sprach lediglich davon, dass unter anderem soziale Auswirkungen eines Projekts bei der Kreierung und Umsetzung eines Projekts berücksichtigt werden sollen.46 Konkrete menschenrechtliche Erwägungen tauchen in solchen Leitlinien nirgends auf. 42  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 152, 162 ff. 43  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the IMF, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 45, 61; Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S.  264 ff. 44  UN-Dokument A/HRC/13/33/Add.6 (19.2.2009), Report of the Special Rapporteur on the Right to Food, Olivier de Schutter, Mission to Brazil, Rz. 51 (e). 45  Siehe auch unter Teil 3, B. I. 4. 46  Weltbank, Operational Manual, Juli 2015, http://siteresources.worldbank.org/ EXTOPMANUAL/Resources/EntireOM_ExternalUpdatedJuly1-2015.pdf, OP 10.00, BP 10.00, Rz. 6(e), 19, 23, 25(c).



E. Pflicht zu Folgenabschätzungsprüfungen321

I. Rechtspflicht zum human rights impact assessment Die einschlägigen internationalen Verträge wie auch internationale Spruchkörper schweigen bisher zur Frage des HRIA. Im Pulp-Mills-Fall hat der IGH festgestellt, dass es eine völkerrechtliche Pflicht der Staaten gäbe, eine Umweltverträglichkeitsprüfung (environmental impact assessment) durchzuführen, wenn ein Vorhaben das Risiko einer erheblichen grenzüberschreitenden Schädigung birgt („where there is a risk that the proposed industrial activity may have a significant adverse impact in a transboundary context, in particular, on a shared resource“).47 Daraus könnte man schließen, dass eine entsprechende Pflicht auch für grenzüberschreitende Menschenrechtsverletzungen bestehen müsse.48 So forderten die durch den UN-Menschenrechtsrat angenommenen Guid­ ing Principles on Foreign Debt and Human Rights: „Lenders should not finance activities or projects that violate, or would foreseeably violate, human rights in the Borrower States. To avoid this eventuality, it is incumbent upon lenders intending to finance specific activities or projects in Borrower States to conduct a credible Human Rights Impact Assessment [HRIA] as a prerequisite to providing a new loan. Alternatively, lenders may request the national human rights institution of the Borrower State, if any, to conduct such assessment.“49

Im Rahmen der Befürwortung dieser Prinzipien hob der Menschenrechtsrat 2012 diesen Teil nochmals explizit hervor, indem er Kreditgeber, insbesondere internationale Finanzinstitutionen, wie auch Schuldner dazu aufforderte, „to consider the preparation of human rights impact assessments with regard to development projects, loan agreements or poverty reduction strategy papers; […] the exercise of the basic rights of the people of debtor countries to food, housing, clothing, employment, education, health services and a healthy environment cannot be subordinated to the implementation of structural adjustment policies, growth programmes and economic reforms arising from the debt […].“50

Auch die Guiding Principles on Extreme Poverty and Human Rights, ebenfalls 2012 vom UN-Menschenrechtsrat angenommen, verlangen ein HRIA: 47  Pulp Mills on the River Uruguay, Argentinien v. Uruguay, IGH, Urteil vom 20.4.2010, ICJ Reports 2010, 14, 83, Rz. 204. 48  So Margot Salomon, Europe’s Debt to Greece, EJIL: Talk!, 25.8.2015, www. ejiltalk.org/europes-debt-to-greece/. 49  UN-Dokument A/HRC/RES/20/10 (5.7.2012); UN-Dokument A/HRC/20/23 (10.4.2011), Report of the Independent Expert, Annex: Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights, Rz. 40 [Hervorhebung hinzugefügt]. Zu Inhalt und Akzeptanz der Guiding Principles, siehe auch oben unter Teil 3, B. III. 1. 50  UN-Dokument A/HRC/RES/20/10 (5.7.2012), Rz. 23 f.

322 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF „As part of international cooperation and assistance, States have an obligation to respect and protect the enjoyment of human rights, which involves avoiding conduct that would create a foreseeable risk of impairing the enjoyment of human rights by persons living in poverty beyond their borders, and conducting assessments of the extraterritorial impacts of laws, policies and practices.“51

Obgleich sich diese Guiding Principles in erster Linie an Staaten richten, betonen sie auch die Verantwortung internationaler Organisationen für die Rechte jener, die in Armut leben.52 Folgenabschätzungen sind grundsätzlich für alle Arten von Operationen, gleich welcher Größe, notwendig. Konkrete Problemfelder wie das Land Grabbing zeigen sehr deutlich auf, welche Bedeutung dem HRIA zukommt bzw. künftig zukommen sollte. Landwirtschaftsprojekte stehen bereits thematisch der Ernährungssicherheit bzw. dem Recht auf Nahrung nahe – im Gegensatz zu großangelegten Strukturanpassungsprogrammen oder Reformen, welche die Wirtschaftskrise eines Landes im Ganzen lösen sollen, ist der Zusammenhang zwischen einer Operation und den Folgen für die Nahrungsversorgung vor Ort unmittelbar sichtbar. Doch auch bei Strukturanpassungsprogrammen ist eine sorgfältige Folgenabschätzung vonnöten – hier müssen die Bretton-Woods-Institutionen vorab bestimmen, ob Maßnahmen wie höhere Konsumentenpreise, Subventionsabbau und Veränderungen des Einkommensniveaus das Risiko bergen, das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, zu gefährden.53 Die bloße Durchführung eines HRIA, um im Anschluss darauf verweisen zu können und ein Projekt aber gleichwohl unverändert fortzusetzen, reicht nicht aus. Die Ergebnisse einer Folgenabschätzung müssen auch tatsächlich einen Einfluss auf die finale Entscheidung haben.54

II. Modell der FAO Fraglich ist, wie ein entsprechendes HRIA aussehen könnte. Das Modell der FAO für ein ‚Right to Food Assessment‘ beruht auf der menschenrechtsbasierten Herangehensweise an Ernährungssicherheit. Wenngleich es einem grundsätzlich anderen Zweck dient, nämlich dem, herauszufinden, wie es zu 51  UN-Dokument

fügt].

52  Ibid.,

A/HRC/21/39 (18.7.2012), Rz. 92 [Hervorhebungen hinzuge-

Rz. 9. I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 157. 54  Magdalena Sepúlveda Carmona, Alternatives to Austerity: A Human Rights Framework for Economic Recovery, in: Aoife Nolan (Hrsg.), Economic and Social Rights after the Global Financial Crisis, 2014, S. 23, 49. 53  Sigrun



E. Pflicht zu Folgenabschätzungsprüfungen323

einem konkreten Zeitpunkt in einem Staat um die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung steht, so könnte es doch Anregungen für ein auch für die Weltbank und den IWF taugliches HRIA liefern. Richtlinie 13.2 der FAO Voluntary Guidelines zum Recht auf Nahrung lädt Staaten dazu ein, „to systematically undertake disaggregated analysis on the food insecurity, vulnerability and nutritional status of different groups in society, with particular attention to assessing any form of discrimination that may manifest itself in greater food insecurity and vulnerability to food insecurity, or in a higher prevalence of malnutrition among specific population groups, or both, with a view to removing and preventing such causes of food insecurity or malnutrition.“55

Das FAO-Modell untersucht zunächst, welche Gruppen unter Ernährungsunsicherheit leiden, bzw. in dieser Hinsicht verletzlich und marginalisiert sind, und deren Recht auf Nahrung nicht verwirklicht wird. Anschließend sind die konkreten Ursachen dafür zu verstehen, ebenso wie die entsprechenden rechtlichen und institutionellen Umstände, in deren Rahmen Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssten. In einem vierten Schritt ist zu fragen, welche Implementierungsprozesse und Auswirkungen geplanter oder bereits existenter politischer oder operationeller Maßnahmen nötig sind, um die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung zu erleichtern.56 1. Vulnerable group profiling Der erste Schritt läuft auf ein vulnerable group profiling hinaus.57 Im Hinblick auf das HRIA ist es nötig, die betroffenen Gruppen örtlich, demographisch, sozioökonomisch, und im Hinblick auf die Charakteristika ihrer Lebensgrundlage genau zu beschreiben, damit passende Konzepte entwickelt werden können.58 1999 identifizierte die FAO in ihrem jährlichen Bericht zur Ernährungslage sechs besonders verletzliche Gruppen: (1) die Opfer von Konflikten (darunter Flüchtlinge, Binnenvertriebene, landlose Heimkehrer, Kriegsinvaliden, Kriegswitwen und -waisen, Opfer von Landminen); (2) Wanderarbeiter und ihre Familien; (3) Randgruppen in Ballungsgebieten (z. B. Schulabbrecher, Arbeitslose, Slumbewohner, Obdachlose, Straßenkinder, Alleinlebende 55  FAO, Voluntary Guidelines to Support the Progressive Realization of the Right to Adequate Food in the Context of National Food Security, angenommen bei der 127. Sitzung des FAO-Rates, November 2004, www.fao.org/docrep/009/y7937e/ y7937e00.htm. 56  FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 3. 57  Ibid., S.  16 f. 58  Ibid., S. 3.

324 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

mit kleinem Einkommen); (4) Angehörige gefährdeter sozialer Gruppen wie indigene Völker, Minderheiten und durch Analphabetismus geprägte Haushalte; (5) Angehörige von Haushalten mit geringem Einkommen in unsicheren Lebensumständen (z. B. Kleinbauern, landlose Pächter, Fischer, Nomaden, Tagelöhner); und (6) unselbständige Menschen, die allein oder in großen Haushalten mit geringem Einkommen leben (Ältere, gebärfähige und vor allem schwangere und stillende Frauen, Kinder unter 5 Jahren, Behinderte und Kranke).59 Gerade auch für die spätere Ursachenanalyse ist es hilfreich, sich die verschiedenen ‚Kapitale‘ von betroffenen Gruppen bewusst zu machen, die es einem Menschen ermöglichen, eine ausreichende Lebensgrundlage zu erreichen. Diese wurden vom britischen Department for International Development im Rahmen des von der FAO befürworteten ‚sustainable livelihoods approach‘ herausgearbeitet. Hierzu gehören das natürliche (die zur Verfügungen stehenden natürlichen Ressourcen wie Land, Fauna, Biodiversität), das soziale (soziale Ressourcen wie Netzwerke oder Zugang zu gesellschaftlichen Institutionen), das humane (die Fähigkeiten, das Wissen, die Arbeitsfähigkeit und die Gesundheit, die es ermöglichen, auf verschiedene Weisen für seinen Lebensunterhalt zu sorgen), das physische (die grundsätzliche Infrastruktur, wie Transportwesen, Unterkunft, Wasser, Energie und Kommunikation) sowie das finanzielle Kapital (ob Ersparnisse, Kreditangebote, regelmäßige Zahlungen oder Pensionen).60 Um menschenrechtlichen Standards zu genügen, sollten jedoch auch Diskriminierungen bestimmter Gruppen eindeutig als solche identifiziert werden, anstatt beim vageren Konzept der vulnerability zu verbleiben.61 2. Ursachenanalyse Die zweite wesentliche Säule ist die Ursachenforschung (causality analysis). Die besondere Verletzlichkeit bestimmter Gruppen kann physiologische Ursachen haben (z. B. stillende Mütter), wirtschaftliche (mangelnder Zugang zu den nötigen Ressourcen) oder politische (Diskriminierung von bestimmten ethnischen Gruppen).62 59  FAO, The State of Food Insecurity in the World: Food Insecurity – When People Must Live with Hunger and Fear Starvation, 1999, S. 15. 60  FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 19. 61  Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 267 f. 62  FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 3, 13.



E. Pflicht zu Folgenabschätzungsprüfungen325

Die FAO schlägt für die Ursachenanalyse einen Dreischritt vor (basierend auf einem Konzept von UNICEF): (1) unmittelbare Ursachen (‚immediate causes‘) von Mangelernährung, die direkt auf die Nahrungsaufnahme und die Fähigkeit des Körpers, diese Nahrung zu verwerten, gerichtet sind; (2) tieferliegende Ursachen (‚underlying causes‘), welche die Nahrungsaufnahme und die entsprechenden Körperfunktionen bestimmen, z. B. in welchem Ausmaß die Umgebung, in der ein Individuum lebt, die Nahrungsaufnahme unterstützt oder behindert; sowie (3) jene Ursachen (‚root causes‘), die sich auf das Makrolevel beziehen und auf subnationaler, nationaler und internationaler Ebene das System bewerten, welches das Potential eines Individuums betrifft, das Recht auf Nahrung zu verwirklichen.63 Sofern im Rahmen des HRIA auch die Wirtschaftspolitik eines Staates untersucht werden soll, empfiehlt die FAO zwei Schritte. Zunächst sollen die Folgen der einzelnen makroökonomischen Maßnahmen für die Faktoren analysiert werden, die über die Ernährungssicherheit auf dem Mikrolevel entscheiden. Im Anschluss sollte untersucht werden, wie diese Maßnahmen sich konkret auf jene Bevölkerungsgruppen auswirken, deren Ernährungssicherheit besonders gefährdet ist (basierend auf den Ergebnissen der vorgelagerten Ursachenforschung).64 Zu dieser Frage hat die FAO 1998 ein spezielles Handbuch65 herausgegeben, das einen Fokus auf fünf Faktoren legt: (1) der Grad der Monetarisierung der Wirtschaft, (2) die Bedeutung der internationalen Märkte für die in der nationalen Wirtschaft produzierten Waren, (3) der Grad der Urbanisierung, (4) die Kapazitäten der staatlichen Verwaltung, und (5) die Gesamteinstellung der Regierung (z. B. bezüglich der Bedeutung der Regierung als Bereitsteller von Gütern und Dienstleistungen).66 In diesem Zusammenhang stellt die FAO fest: „Every policy change creates winners and losers. From a right to food perspective, it must be ensured that the hungry and destitute are not affected negatively by policy changes. This implies that between alternate strategies the favoured approach should be more beneficial to the vulnerable. At a minimum, negative effects that threaten the ability to realize the right to food should be compensated for.“67

Im Rahmen des HRIA sollen dann die Auswirkungen der jeweiligen wirtschaftlichen Maßnahmen auf verschiedene gefährdete Bevölkerungsgruppen untersucht werden. Relevant sind dabei:

63  Ibid.,

S. 20. S. 36. 65  FAO, Implications of Economic Policy for Food Security: A Training Manual, 1998, www.fao.org/docrep/004/x3936e/x3936e00.htm. 66  FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 36 f. 67  Ibid., S. 37. 64  Ibid.,

326 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

•• Die Wahrscheinlichkeit eines positiven oder negativen Einflusses; •• Die Schwere einer negativen Auswirkung und die Signifikanz einer positiven; •• Die Dauer des Einflusses (kurz- oder langfristiger Gewinn bzw. Verlust); •• Die Inkubationszeit (unmittelbarer Effekt oder zeitlich verzögert, schlagartig oder fortschreitend); •• Die Dynamik der Veränderungen (wie sich die Veränderungen über die Zeit entwickeln werden und welche Anpassungsprozesse sie mit sich bringen können).68

III. Übertragung des Modells auf die Bretton-Woods-Institutionen Die Übertragung solch eines Modells auf die Bewertung der Auswirkungen von Bretton-Woods-Operationen auf das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, erfordert einige Anpassungen. 1. Schaffung eines Komitees zur besseren Einbindung der Regierung und der Zivilgesellschaft Zunächst ist es ratsam, das HRIA im Rahmen einer engen Kooperation zwischen der Organisation und dem Zielland durchzuführen. Das UN OHCHR Handbook on National Human Rights Plans of Action empfiehlt im Rahmen der Aufstellung von nationalen Aktionsplänen zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes die Schaffung eines Koordinierungskomitees (alternativ auch z. B. Task Force oder Steering Committee genannt), das vorzugsweise von einem hochrangigen Regierungsvertreter geführt und von Vertretern der Zivilgesellschaft (insbesondere von Vertretern der besonders verletzlichen Gruppen) begleitet wird.69 Ein derartiges Komitee würde sich auch im Rahmen von Bretton-Woods-Operationen anbieten, zugeschnitten auf die Art des Programms. Bei einem lokalen Projekt der Weltbank (wie z. B. einem Staudammprojekt) sollte vorrangig die Bevölkerung unmittelbar vor Ort eingebunden werden, unter Umständen auch eher lokale Regierungsbzw. Verwaltungsmitglieder als Vertreter der Regierung des gesamten Staates. 68  Ibid.,

S. 38. Handbook on National Human Rights Plans of Action, Professional Training Series No. 10, 2002, S. 45 f.; zur Wichtigkeit der Einbindung der Regierung und der Zivilbevölkerung: Smita Narula, The Right to Food: Holding Global Actors Accountable under International Law, 44 Columbia Journal of Transnational Law 2006, S. 691, 749. 69  OHCHR,



E. Pflicht zu Folgenabschätzungsprüfungen327

Bei einer großangelegten Operation, die einen Staat als Ganzes betrifft, wäre die Teilnahme von hochrangigen Regierungsvertretern sowie von Interessenverbänden und Zivilorganisationen von nationaler Bedeutung zweckgemäß. Ebenfalls hilfreich wäre es, dem Komitee Experten für die verschiedenen relevanten Bereiche zur Seite zu stellen oder diese direkt als Komiteemitglieder aufzunehmen. In erster Linie sollte es sich um Entwicklungs- bzw. Wirtschaftsexperten, Experten für Ernährungssicherheit sowie Menschenrechtsexperten (vorzugsweise mit einem Schwerpunkt auf wirtschaftlichen und sozialen Rechten) handeln.70 2. Konkrete Folgenabschätzung Die grundsätzliche Frage des HRIA lautet, ob sich das Ernährungsniveau in der Bevölkerung durch die geplante Operation verbessern, verschlechtern oder konstant bleiben wird.71 Als erster Schritt des HRIA wäre es nötig, den aktuellen Ist-Zustand im Zielland zu erfassen. Dieser Schritt entspricht in Großteilen dem Modell der FAO. Hierbei kann auch auf statistisches Material der FAO zurückgegriffen werden, die Indikatoren für Unterernährung werden in den jährlichen Berichten ‚The State of Food Insecurity in the World‘ nach Staaten aufgeschlüsselt. Daten, welche die einzelnen Regionen oder sozioökonomische Kategorien wie das Geschlecht betreffen, können dagegen auch aus nationalen Quellen gezogen werden.72 Die FAO schlüsselt die Ernährungszustände in die Kategorien Kümmerwuchs (stunted – gemessen anhand der Körpergröße-Lebensalter-Relation) – Abgemagert (wasted – gemessen anhand der Gewicht-Körpergröße-Relation) – Untergewicht (wasted – gemessen anhand der Gewicht-LebensalterRelation bei Kindern, bzw. anhand des BMI73 bei Erwachsenen) – Übergewicht – Fettleibigkeit auf.74 Entscheidend für den Ernährungszustand ist nicht allein die Quantität der zur Verfügung stehenden Nahrung; auch schwere Erscheinungen von Mangelernährung wie Eisen-, Jod- oder VitaminA-Mangel sollten in Betracht gezogen werden – diese können z. B. zu vermindertem Wachstum, einer verzögerten kognitiven Entwicklung, Anämie 70  Siehe auch FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 6. 71  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 158. 72  FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 13. 73  Body-Mass-Index; sofern Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in Meter < 18,5. 74  FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 14.

328 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

oder Blindheit führen.75 Vitamin A- sowie Zinkmangel gehören nach wie vor zu den vordersten Ursachen für erkrankungsbedingten Tod in Entwicklungsländern.76 Im Rahmen dieser Kategorisierungen sollte zudem zwischen chronischer, vorübergehender, und akuter Unterernährung unterschieden werden. Der Schweregrad wiederum lässt sich in schwer, moderat, leicht, marginal und gefährdet unterteilen.77 Anschließend ist abzuschätzen, wie sich die Situation ohne die geplante Operation der Weltbank oder des IWF prognostisch entwickeln würde. In einem dritten Schritt ist festzustellen, welche konkreten Auswirkungen die entsprechende Operation auf die Ernährungssituation vor Ort hätte. Innerhalb dieses Schrittes ist es nötig, die verschiedenen Gruppen von Betroffenen aufzuschlüsseln. Kleinbauern werden höchstwahrscheinlich in einer anderen Art und Weise betroffen sein als Tagelöhner, Stadtbewohner oder indigene Völker. Diese und weitere unterschiedliche Gruppen muss das HRIA gleichermaßen berücksichtigen. Je nachdem, ob die Operation bereits begonnen wurde oder noch in der Planungsphase steckt, liegt der Fokus hier auf der Analyse der konkreten Kausalzusammenhänge zwischen den wirtschaftlichen Maßnahmen und den Auswirkungen auf die Bevölkerung. Hierbei sind auch gemischte Kausalketten unbedingt zu berücksichtigen. So kann eine Hungerwelle primär durch eine Dürre verursacht worden sein, die selbstverständlich ersteinmal außerhalb des Einflussbereichs der BrettonWoods-Institutionen liegt. Sollten konkrete wirtschaftliche Maßnahmen im Rahmen der Operation jedoch dazu geführt haben, dass die Bevölkerung auf diese Dürre schlechter reagieren konnte, als es ansonsten der Fall gewesen wäre, so trägt die Institution hier eine Mitverantwortung. Sollte sich nach diesem dritten Schritt zeigen, dass die Operation Auswirkungen hätte, die negativ vom fiktionalen Szenario des Nichteingreifens abweicht, sind in einem vierten Schritt entsprechende Änderungen am Konzept der Operation vorzunehmen. Die folgende Tabelle fasst diese Schritte in einem kompakten HRIA-Vorschlag zusammen. Der Natur der Sache nach wird dieser Vorschlag je nach geplanter Operation zahlreiche Unterpunkte und Indikatoren umfassen müssen, die enthaltenen groben Schritte sind jedoch wohl der Verallgemeinerung zugänglich: 75  Ibid.,

S. 15. de Schutter, The Right of Everyone to Enjoy the Benefits of Scientific Progress and the Right to Food: From Conflict to Complementarity, 33 Human Rights Quarterly 2011, S. 304, 305. 77  FAO, Guide to Conducting a Right to Food Assessment, Book 3, 2009, S. 18. 76  Olivier



E. Pflicht zu Folgenabschätzungsprüfungen329 Tabelle 1 Vorschlag für ein HRIA-Modell für Weltbank und IWF Schritt 1

Ist-Zustand

Analyse der Lage im Zielgebiet

Schritt 2

Hypothetischer Zustand in der Zukunft ohne Operation

Wie würde sich die Lage im Zielgebiet voraussichtlich entwickeln, wenn die geplante Operation nicht durchgeführt werden würde?

Soll-Zustand

1. Was soll die Operation im Idealzustand erreichen? 2. Welche konkreten Risiken birgt die Operation? a) Identifikation besonders betroffener Gruppen i. Charakteristische Merkmale, Anzahl, Lokalisierung ii. Chronische, vorübergehende oder akute Unterernährung? iii. Grad der Unterernährung: schwer, moderat, leicht, marginal oder gefährdet? b) Konkreter Kausalzusammenhang zwischen den geplanten wirtschaftlichen Maßnahmen und den Auswirkungen auf die Bevölkerung

Schritt 3

Falls die Operation bereits begonnen wurde: Wie hätte sich die Lage im Zielgebiet ohne die Operation voraussichtlich entwickelt?

Falls die Operation bereits durchgeführt wurde: Welche negativen Auswirkungen hatte sie auf die Bevölkerung? 1. Identifikation besonders betroffener Gruppen a) Charakteristische Merkmale, Anzahl, ­Lokalisierung b) Chronische, vorübergehende oder akute Unterernährung? c) Grad der Unterernährung: schwer, moderat, leicht, marginal oder gefährdet? 2. Analyse des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen den getätigten wirtschaftlichen Maßnahmen und den Auswirkungen auf die Bevölkerung 3. Durch welche Maßnahmen hätten die negativen Auswirkungen verhindert oder zumindest gemindert werden können? Schritt 4

Angepasster Soll-Zustand

1. Zielerreichung weitestgehend wie vorgesehen 2. Safeguard-Mechanismen zur weitestgehenden Ausschaltung der unter Schritt 3 festgestellten Risiken

330 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

IV. Fortsetzung im Auditing-Prozess So wichtig die Berücksichtigung des Rechts auf Nahrung bereits auf der Planungsebene in Form eines gründlichen HRIA ist, so reicht dies allein nicht aus. Vielmehr muss auch im Zuge der Implementierung des Projekts stetig überwacht werden, ob sich unerwartete negative Auswirkungen ergeben, sowie in der Ex-Post-Perspektive eine angemessene Evaluierung stattfinden, die auch Entschädigungszahlungen in Betracht zieht78 und Lehren für künftige Operationen aufzeigt.

F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen Ein im Bereich der Entwicklung bisher eher vernachlässigter Aspekt ist der des effektiven Rechtsschutzes.79 Art. 10 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung spricht davon, dass jeder bei der Feststellung seiner Rechte und Pflichten in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht hat. Hierbei geht es sowohl um das substantielle Recht auf ein Rechtsmittel sowie um das Prozessrecht auf einen effektiven Zugang.80 Weiterhin beinhaltet die Rechtsschutzgewähr neben der Möglichkeit, eine Beschwerde überhaupt vorzutragen, auch die Chance, Abhilfe bzw. Kompensation zu erlangen.81 78  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 165 f.; siehe auch Mac Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 241; Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 251. 79  Zum Rechtswegzugang im internationalen Menschenrechtsschutz, siehe ausführlich Dinah Shelton, Remedies in International Human Rights Law, 3. Auflage 2015; Antônio Augusto Cançado Trindade, The Access of Individuals to International Justice, 2011. 80  Dinah Shelton, Remedies in Intenational Human Rights Law, 3. Auflage 2015, S.  16 f.; Eisuke Suzuki, Responsibility of International Financial Institutions under International Law, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 63, 97. 81  International Law Commission, Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with Commentaries, ILC Yearbook 2001, Vol. II, Part Two, Art. 31, Rz. 1; Factory at Chorzów, Deutsches Reich v. Polen, StIGH, Urteil vom 26.7.1927 (Jurisdiction), PCIJ Series A, No. 9, S. 4, 21: „It is a principle of international law that the breach of an engagement involves an obligation to make reparation in an adequate form.“



F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen331

Dabei dienen effektive Beschwerdemechanismen nicht nur allein den unmittelbar von einer Entscheidung Betroffenen. Zusätzlich können sie zu einem generellen Lernprozess innerhalb der Institution beitragen und dort das Bewusstsein für menschenrechtliche Problemkonstellationen schärfen. Im Gegensatz zu Art. 2 Abs. 3 lit. a) ICCPR enthält der ICESCR keine Bestimmung, welche die Schaffung eines Rechtsweges verlangt.82 Dementsprechend wird teils sowohl von Staaten als auch in der Wissenschaft argumentiert, dass traditionelle Rechtsbehelfe für die Verwirklichung von wirtschaftlichen und sozialen Rechten nicht die angemessene Lösung seien.83 Das CESCR vertritt die Ansicht, dass das ‚right to an effective remedy‘ nicht zwingend immer auch den Rechtsweg voraussetze, in vielen Fällen seien Verwaltungsbehelfe (‚administrative remedies‘) ausreichend.84 Im Hinblick auf negative Auswirkungen auf das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, durch Operationen der Bretton-Woods-Institutionen tun sich jedoch gleich mehrere Problemfelder auf. Zum einen genießen diese Organisationen Immunität vor nationalen Gerichten, während sie vor internationalen Gerichten von Individuen nicht verklagt werden können. Zum anderen stellt sich die Frage, ob interne Mechanismen tatsächlich effektiven Rechtsschutz gewähren.

I. Die Immunität internationaler Organisationen vor nationalen Gerichten und der Mangel an internationalen Beschwerdemöglichkeiten Im Falle von Verletzungen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte durch den Staat können Individuen zum einen vor nationale Gerichte ziehen, zum anderen steht ihnen seit 2013 auch der Weg der Individualbeschwerde im Rahmen des ICESCR offen (wenn auch bisher nur in Bezug auf 24 Staaten85). Bei Verletzungen dieser Rechte durch internationale Organisationen wie Weltbank und IWF besteht keine dieser beiden Möglichkeiten. Zunächst sind offensichtlich weder die Weltbank noch der IWF Mitglieder des ICESCR, somit kann gegen sie weder eine Staaten- noch eine Individualbeschwerde eingereicht werden. 82  Philip 83  Ibid.

Alston/Ryan Goodman, International Human Rights, 2013, S. 331.

84  UN-DokumentE/C.12/1998/24 (3.12.1998), General Comment No.  9 des Committee on Economic, Social and Cultural Rights, The domestic application of the Covenant, Rz. 9. 85  Zum aktuellen Ratifikationsstatus, siehe https://treaties.un.org/pages/view details.aspx?src=ind&mtdsg_no= iv-3-a&chapter=4&lang=en (Stand: März 2020).

332 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Zum anderern schützt die Immunität der Bretton-Woods-Institutionen diese vor Klagen vor nationalen Gerichten.86 Die Möglichkeit von Verfahren vor nationalen Gerichten richtet sich nach den einschlägigen Bestimmungen bezüglich der Immunität internationaler Organisationen. Die Convention on Privileges and Immunities of Specialized Agencies von 194787 (ein Jahr nach der Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations88 geschlossen) umfasst gemäß ihres Art. I Sektion 1 (e) und (f) auch den IWF und die IBRD. Art. III Sektion 4 sichert diesen eine umfassende Immunität zu: „The specialized agencies, their property and assets, wherever located and by whomsoever held, shall enjoy immunity from every form of legal process except in so far as in any particular case they have expressly waived their immunity. It is, however, understood that no waiver of immunity shall extend to any measure of execution.“

Aus Art. IX Sektion 31 lässt sich zudem folgern, dass keine zusätzlichen Streitbeilegungsmechanismen für Menschenrechtsverletzungen internationaler Organisatonen vorgesehen waren – stattdesssen werden die Organisationen lediglich aufgefordert, zusätzliche Mechanismen für vertrags- bzw. privatrechtliche Streitigkeiten (oder für solche, die einzelne Amtsträger betreffen) zu schaffen. Hiervon sind Streitigkeiten wegen behaupteter Menschenrechtsverletzungen aber gerade nicht erfasst, diese wären hoheitlicher Natur. Zu beachten ist allerdings auch Annex VI zur Konvention, betreffend die Sonderbestimmungen für die IBRD. Die bereits zitierte Sektion 4 wird im Verhältnis zur IBRD durch den folgenden Text ersetzt: „Actions may be brought against the Bank only in a court of competent jurisdiction in the territories of a member of the Bank in which the Bank has an office, has appointed an agent for the purpose of accepting service or notice of process, or has issued or guaranteed securities. No actions shall, however, be brought by members or persons acting for or deriving claims from members. The property and assets of the Bank shall, wheresoever located and by whomsoever held, be immune from all forms of seizure, attachment of execution before the delivery of final judgment against the Bank.“

Diese Bestimmung entspricht so gut wie wortwörtlich Art. VII Sektion 3 der AoA der IBRD. Dies hat zur Konsequenz, dass die Weltbank (im Gegensatz zu den meisten internationalen Organisationen) keine volle funktionale Immunität besitzt,89 sondern lediglich eine, die dem ‚functional necessity‘86  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 34. 87  21.11.1947, 33 UNTS 261. 88  13.2.1946, 1 UNTS 15/90 UNTS 327 (Corrigendum). 89  August Reinisch/Jakob Wurm, International Financial Institutions before Na­tional Courts, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 103, 104.



F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen333

Standard entspricht.90 Der Grund hierfür liegt darin, dass internationale Finanzinstitutionen ihre Kreditvergabe damit finanzieren, dass sie selbst auf den Kapitalmärkten agieren und bei ihren eigenen Kreditgebern mit dem Zugang zu Rechtsschutz Vertrauen aufbauen müssen.91 Die AoA des IWF enthalten in Art. IX Sektion 3 hingegen in eine Bestimmung, die im Wesentlichen Art. I Sektion 1 (e) und (f) der Convention on Privileges and Immunities of Specialized Agencies gleichkommt: „The Fund, its property and its assets, wherever located and by whomsoever held, shall enjoy immunity from every form of judicial process except to the extent that it expressly waives its immunity for the purpose of any proceedings or by the terms of any contract.“

Während also die Bretton-Woods-Institutionen Immunität vor nationalen Gerichten genießen, ist zum anderen gegen sie keine Beschwerde im Rahmen des ICESCR zulässig. Auch vor sonstigen internationalen Spruchkörpern ist kein Rechtsschutz möglich. Beim IGH käme, um das Handeln einer internationalen Organisation überprüfen zu lassen, lediglich das Ersuchen eines Rechtsgutachtens in Betracht. Nach Art. 96 Abs. 1 UN-Charta steht das Anforderungsrecht für solch ein Gutachten, das jede Rechtsfrage betreffen kann, der UN-Generalversammlung und dem UN-Sicherheitsrat zu. Nach Abs. 2 können auch andere Organe der Vereinten Nationen und Sonderorganisationen mit jeweiliger Ermächtigung durch die Generalversammlung Gutachten über solche Rechtsfragen anfordern, die sich in ihrem Tätigkeitsbereich stellen. Eine derartige Autorisierung von Weltbank und IWF ist durch den jeweiligen Art. VIII der Kooperationsabkommen mit der UNO bereits frühzeitig geschehen, wobei Rechtsfragen über das Verhältnis zwischen der Institution und der UNO ausgenommen wurden. Das Initiationsrecht läge somit jedoch bei Weltbank und IWF – betroffene Bevölkerungen haben keinerlei Möglichkeit, ein Gutachten des IGH anzufordern; Staaten lediglich, wenn sie die UN-Generalversammlung von ihrem Anliegen überzeugen können, damit diese wiederum das Gutachten anfordert. 90  Steven Herz, Rethinking International Financial Institution Immunity, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 137; siehe auch August Reinisch, International Organizations before National Courts, 2000, S. 164 ff. 91  August Reinisch/Jakob Wurm, International Financial Institutions before National Courts, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 103, 105; Evarist Baimu/Aristeidis Panou, Responsibility of International Organizations and the World Bank Inspection Panel: Parallel Tracks Unlikely to Converge?, 3 The World Bank Legal Review: International Financial Institutions and Global Legal Governance, 2012, S. 147, 151; Chanaka Wickremasinghe, International Organizations or Institutions, Immunities Before National Courts, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, 2012, Vol. VI, S. 10, 13, Rz. 2, 13.

334 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Ein weiterer Beschwerdemechanismus für betroffene Staaten wäre im Bereich der Schiedsverfahren zu finden,92 ein solches würde aber stets eine entsprechende Vereinbarung voraussetzen. In jedem Fall muss die Immunität einer internationalen Organisation jedoch von der Frage nach internationaler Verantwortlichkeit für völkerrechtswidriges Handeln (inklusive einer möglichen entsprechenden Kompensationspflicht) unterschieden werden: „[T]he question of immunity from legal process is distinct from the issue of compensation for any damages incurred as a result of acts performed by the United Nations or by its agents acting in their officia1 capacity.The United Nations may be required to bear responsibility for the damage arising from such acts. However, as is clear from Article VIII, Section 29, of the General Convention, any such claims against the United Nations shall not be dealt with by national courts but shall be settled in accordance with the appropriate modes of settlement that „[t]he United Nations shall make provisions for“ pursuant to Section 29.“93

Mithin schließt Immunität gerade nicht die internationale Verantwortlichkeit als solche aus.

II. Interne Mechanismen In dem Fall Effect of Awards of Compensation Made by the United Nations Administrative Tribunal stellte der IGH fest, dass die UN-Generalversammlung die Kompetenz innehabe, ein unabhängiges Tribunal zu schaffen, das zumindest in Bezug auf Mitarbeiterstreitigkeiten für die Generalversammlung bindende Entscheidungen erlassen könnte.94 Daraus kann man schließen, dass gleiches grundsätzlich auch für andere internationale Organisationen gilt. Wenn die Boards of Directors der Weltbank und des IWF Entscheidungen zu allen Aspekten der Operationen treffen können, dann liegt es auch in ihrer Macht, einen Mechanismus zu kreieren, der bindende Entscheidungen für die Organisation erlässt.95 92  Eisuke Suzuki, Responsibility of International Financial Institutions under International Law, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 63, 87. 93  Difference Relating to Immunity from Legal Process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, IGH, Gutachten vom 29.4.1999, ICJ Reports 1999, S. 62, 88 f., Rz. 66. 94  Effect of Awards of Compensation Made by the United Nations Administrative Tribunal, IGH, Gutachten vom 13.7.1954, ICJ Reports 1954, S. 47, 53. 95  Eisuke Suzuki, Responsibility of International Financial Institutions under International Law, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 63, 86.



F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen335

1. Das Inspection Panel der Weltbank a) Einrichtung und Struktur des Inspection Panels In der Weltbankgruppe finden sich mehrere Mechanismen, die zu Verantwortlichkeit und Kontrolle beitragen sollen: das Administrative Tribunal, das Internal Auditing Department (IAD), die Independent Evaluation Group (IEG) und die Integrity Vice Presidency (INT).96 Mit dem Inspection Panel verfügt die Weltbank seit 199497 jedoch auch über einen unabhängigen Beschwerdemechanismus für jene Menschen, die durch weltbankfinanzierte Projekte (entweder durch die IBRD oder die IDA98) negativ betroffen werden. Das Inspection Panel besteht aus drei Mitgliedern, die vom Board of Executive Directors für eine nicht erneuerbare 5-jährige Amtszeit ernannt werden. Es soll unparteiisch und unabhängig99 Fakten feststellen und berichtet direkt an das Board. Es bewertet eventuelle Schäden für Menschen und Umwelt, und überprüft, ob die Weltbank ihre Operational Policies und Procedures eingehalten hat.100 Unterstützt wird das Panel von einem Sekretariat und Sachverständigen.101 b) Der Umgang mit Beschwerden Die formalen Hürden einer Beschwerde an das Inspection Panel sind recht gering. Wenn sich mindestens zwei Menschen von einem Weltbank-finanzierten Projekt betroffen fühlen, können sie (in jeder beliebigen Sprache) einen kurzen Brief an das Panel schreiben und um eine Untersuchung bitten. Dabei müssen das konkrete Projekt sowie die (tatsächlichen oder potentiel96  Evarist Baimu/Aristeidis Panou, Responsibility of International Organizations and the World Bank Inspection Panel: Parallel Tracks Unlikely to Converge?, 3 The World Bank Legal Review: International Financial Institutions and Global Legal Governance, 2012, S. 147, 151 f. 97  Gegründet durch Resolution No. IBRD 93-10/No. IDA 93-6, ‚The World Bank Inspection Panel‘, 22.9.1993, http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/PanelMandateDocuments/Resolution1993.pdf. Am 1.8.1994 nahm das Panel seine Arbeit auf: Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 2. 98  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 28; für Beschwerden bezüglich Projekten, die durch die IFC oder die MIGA finanziert wurden, ist der Compliance Advisor Ombudsman (CAO) zuständig. 99  Siehe hierzu auch Daniel D. Bradlow, Private Complainants and International Organisations: A Comparative Study of the Independent Inspection Mechanisms of International Financial Institutions, 36 Georgetown International Law Journal 2005, S. 403, 412. 100  http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/Pages/AboutUS.aspx. 101  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 15.

336 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

len) materiellen negativen Auswirkungen, die das Projekt direkt für Menschen oder Umwelt verursachen soll, erläutert werden; die anwendbaren Regelungen der Bank müssen hingegen nicht genannt werden, wenn diese den Antragstellern nicht bekannt sind. Falls nötig, können sie anonym bleiben; auch eine Einreichung durch einen (vorzugsweise lokalen) Vertreter, wie z. B. eine NGO, ist möglich.102 Nach einem ersten Statement des Managements der Bank beginnt die Bewertungsphase. Die Vorgehensweise des Inspection Panels beinhaltet Feldarbeit, Tatsachenfeststellung, öffentliche Sitzungen, Interviews mit Betroffenen sowie Mitarbeitern und eine Untersuchung der relevanten Projektdokumente. Wenn das Panel seine Arbeit abgeschlossen hat, schickt es einen Schlussbericht mit einer Empfehlung an das Board of Executive Directors sowie das Mangement. Das Management antwortet auf diesen Bericht hin wiederum mit Empfehlungen und einem Aktionsplan. Das Board entscheidet dann aufgrund des Panelberichts und der Antwort des Managements über die weiteren Schritte.103 Allerdings handelt es sich bei dem Inspection Panel gerade nicht um eine Art von Gerichtsersatz – es kann weder bindende Entscheidungen erlassen, noch Entschädigungen zusprechen.104 Sobald eine Beschwerde eingereicht wurde, werden die Beschwerdeführer nicht weiter beteiligt,105 auch nachdem das Panel seinen Report veröffentlicht, haben diese (im Gegensatz zum Management der Bank) keine Möglichkeit der Stellungnahme. Jedoch sind die Entscheidungen sowie die Antwort des Managements öffentlich zugänglich.106 Dementsprechend handelt es sich beim Inspection Panel eher um einen halb-internen Evaluierungsmechanismus mit anschließenden Abhilfemöglichkeiten (und somit in erster Linie um ein problemlösungsorientiertes107 compliance-Verfahren) als um einen Beschwerdekörper, bei dem Betroffene konkrete Rechte einklagen könnten.

102  Ibid.,

S. 51. S. x. 104  Bhupinder S. Chimni, International Financial Institutions and International Law: A Third World Perspective, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 31, 49; Oxfam, A Case for Reform: Fifty Years of the IMF and the World Bank, 1995, http://policypractice.oxfam.org.uk/publications/a-case-for-reform-fifty-years-of-the-imf-and-worldbank-115386, S. 33. 105  Eisuke Suzuki/Suresh Nanwani, Responsibility of International Organizations: the Accountability Mechanisms of Multilateral Development Banks, 27 Michigan Journal of International Law 2005, S. 177, 195, 219. 106  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 11. 107  Ibid., S.  52 ff. 103  Ibid.,



F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen337

Erschwerend kommt hinzu, dass das Panel nicht mehr angerufen werden kann, sobald über 95 % eines Projektkredits bereits zurückgezahlt worden sind – obwohl die Auswirkungen eines Projekts auf die Bevölkerung sich auch gerade noch in oder nach der Abschlussphase zeigen können.108 c) Der Prüfungsmaßstab Der Prüfungsmaßstab des Inspection Panels ist begrenzt: Laut Gründungsdokument überprüft das Panel die Übereinstimmung eines Projekts mit ‚oper­ational policies and procedures‘. Gemäß der dort enthaltenen Definition umfasst dieser Terminus „the Bank’s Operational Policies, Bank Procedures and Operational Directives, and similar documents issued before these series were started, [but not] Guidelines and Best Practices and similar documents or statements“.109 In der Beschwerde von Angehörigen des äthiopischen Volkes der Anuak in Bezug auf Zwangsumsiedlungen110 hat das Inspection Panel zudem jüngst nochmals klargestellt, dass sein Mandat nicht die Überprüfung der Vereinbarkeit von Bankoperationen mit Menschenrechten beinhalte,111 gleiches dürfte für sonstiges Völkerrecht gelten. Bezüglich einer Beschwerde, in der vorgetragen wurde, dass die Weltbank 1991 ergangene UN-Sanktionen gegen Südafrika verletzt habe, entschied das Panel, dass diese „clearly outside the mandate of the Panel“ sei.112 Trotz der begrenzten Möglichkeiten des Panels hat es im Fall des ChadCameroon Petroleum and Pipeline Project erstmalig113 einen indirekten Bezug zwischen Menschenrechtsverletzungen und der Einhaltung der Bankregularien dargestellt. Im Tschad waren mehrere Oppositionspolitiker sowie 108  Resolution No. IBRD 93-10/No.IDA 93-6, The World Bank Inspection Panel, 22.9.1993, Rz. 14 lit. c), http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/PanelMandateDocu ments/Resolution1993.pdf; Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 285. 109  Resolution No.IBRD 93-10/No.IDA 93-6, The World Bank Inspection Panel, 22.9.1993, http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/PanelMandateDocuments/Resolution 1993.pdf, Rz. 12. 110  Siehe hierzu schon unter Teil 3, C. IV. 111  Weltbank/Inspection Panel, Ethiopia: Protection of Basic Services Program Phase II Additional Financing and Promoting Basic Services Phase III Project, Investigation Report vom 21.11.2014, http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/PanelCases/ 82-%20Inspection%20Panel%20Investigation%20Report%20Ethiopia%20PBS%20 Phase%20III%20Project.pdf., Rz. 41, 103. 112  Weltbank/Inspection Panel, Report and Recommendation on Request for In­ spection on Lesotho Highlands Water Project, 19.7.1999, http://www-wds.world bank.org/external/default/WDSContentServer/WDSP/IB/2004/05/25/000265513_200 40525153710/Rendered/PDF/28414.pdf, Rz. 7. 113  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 50.

338 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Journalisten, die sich gegen das von der Weltbank finanzierte Projekt ausgesprochen hatten, wegen ‚diffamierender Äußerungen‘ gegen den Präsidenten des Tschad inhaftiert worden; einer der Politiker wurde (einen Monat, nachdem er die Beschwerde beim Inspection Panel eingereicht hatte) zudem gefoltert.114 In seiner ersten Entgegnung auf die Beschwerde vertrat das Management die bekannte Ansicht, dass die AoA eine Berücksichtigung der Menschenrechtssituation vor Ort nur zuließen, wenn diese einen direkten ökonomischen Effekt auf das Projekt habe; hier sei dies nicht der Fall gewesen.115 Allerdings hatte der Präsident der Weltbank mehrmals persönlich interveniert, um eine Freilassung der Oppositionspolitiker zu erwirken.116 In seinem Untersuchungsbericht bemerkte das Panel, dass es zwar nicht seine Aufgabe sei, generell die Menschenrechtssituation im Tschad zu bewerten, aber dass es untersuchen müsse, ob Menschenrechtsverletzungen die Durchführung des Projekts unter Einhaltung der Bankrichtlinien gefährden.117 Die Situation im Land sei „far from ideal“, werfe Fragen bezüglich der Einhaltung der Richtlinien auf und fordere eine erneute Beobachtung durch die Bank.118 Im Zusammenhang mit dem Honduras Land Administration Project wurde das Inspection Panel erneut mit potentiellen Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Das Volk der Garífuna bemängelte, dass die Bank ein Projekt unterstützte, das angeblich die Rechte des Volkes bezüglich des traditionell von ihm genutzten Landes verletze. Weiterhin beinhaltete die Beschwerde die Aussage, dass das Projekt zu einer Verletzung der Pflichten von Honduras unter der ILO Convention No. 169 über die Rechte indigener Völker führe.119 Das Inspection Panel kam zu dem Schluss, dass die Bank bei der Projektplanung internationale Verträge berücksichtigen sollte – dies ergebe sich aus der Bank Policy on Project Appraisal, Operational Manual Statement (OMS) 2.20: „[A] project’s possible effects on the country’s environment and on the health and wellbeing of its people must be considered at an early stage […] Should international agreements exist that are applicable to the project and area, such as those involving the use of international waters, the Bank should be satisfied that the project plan is consistent with the terms of the agreements.“120 114  Investigation Report: Chad-Cameroon Petroleum and Pipeline Project, http:// ewebapps.worldbank.org/apps/ip/PanelCases/22-Investigation%20Report%20(Eng lish).pdf, Rz. 213. 115  Ibid., Rz. 212. 116  Ibid., Rz. 213. 117  Ibid., Rz. 215. 118  Ibid., Rz. 217. 119  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 74. 120  Ibid.



F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen339

Den Einwand des General Counsel, dass diese Bestimmung nur Umweltverträge erfasse, wollte das Inspection Panel nicht gelten lassen.121 In der Sache kam das Panel zu dem Schluss, dass die Bank nicht hinreichend berücksichtigt hätte, ob das Projekt mit der ILO Convention No. 169 vereinbar sei.122 In der Beschwerde bezüglich der Democratic Republic of Congo (DRC) Forest-Related Operations, vorgebracht von Vertretern des Pygmäenvolkes, bestand ein recht konkreter Bezug zum Recht auf Nahrung. Nach Ansicht der Beschwerdeführer hatte die Weltbank bei einem Projekt in der DRC, das auch den Verleih von Abholzungskonzessionen beinhaltete, die Rechte der in den Wäldern lebenden Pygmäen als indigenes Volk missachtet. In seinem Untersuchungsbericht stellte das Inspection Panel fest, dass die Bank tatsächlich Kernbestimmungen der Safeguard Policies, insbesondere jene zu Umweltverträglichkeitsprüfungen und zu indigen Völkern, missachtet hatte; sie hatte nicht einmal die Pygmäen als von der Operation betroffenes indigenes Volk identifiziert und ihnen dementsprechend keinerlei Mitwirkungsmöglichkeiten eröffnet.123 Weiterhin führte das Panel aus: „[I]f access to these non-timber resources were considerably restricted by the timber operations, there would be no way of compensating for the loss. The Panel’s expert notes that for the forest-living people who find difficulties in satisfying their subsistence needs, the promotion of logging industry, or commercialization for export products, is by no means the only way, nor the best way, to solve the problem of poverty. Instead, it is of vital importance in the first place to secure ample subsistence-oriented life. They need by all means healthy life with nutritionally adequate food supply, which is obtained in culturally appropriate ways. What they want first is an ample subsistence base that can also afford means of fulfilling their social and cultural needs, rather than short-term economic benefits from industrial logging and related activities, which may risk their subsistence base in the longer term.“124

Anschließend bemühte sich das Bankmanagement darum, die Interessen der Pygmäen und anderer Waldbevölkerung stärker zu berücksichtigen. Zu einem vorgeschlagenen Aktionsplan schrieb das Panel, dass dieser bereits 121  Ibid.,

S. 75.

122  Weltbank/Inspection

Panel, Honduras: Land Administration Project, Investigation Report vom 12.6.2007, http://documents.worldbank.org/curated/en/51028146803 4825301/pdf/35470.pdf, Rz. 258. 123  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 83 ff. 124  Weltbank/Inspection Panel, DRC: Transitional Support for Economic Recov­ery Grant and Emergency Economic and Social Reunification Support Project, Investigation Report vom 31.8.2007, http://siteresources.worldbank.org/EXTINSPECTIONPA NEL/Resources/FINALINVREPwhole.pdf, Rz. 307 [Hervorhebung bereits im Original vorhanden].

340 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

wichtige Elemente enthalte, aber spezifischer werden müsste, vor allem in Bezug auf die Probleme der Landnutzung der Pygmäen in den Wäldern der DRC im Rahmen der Überprüfung der Abholzungskonzessionen.125 Die Vertreter der Pygmäen begrüßten zwar ihre Anerkennung als betroffenes indigenes Volk, zeigten sich aber im weiteren Prozess enttäuscht über den nach wie vor bestehenden Mangel an Partizipationsmöglichkeiten. Dem Inspection Panel mangelte es an der Kompetenz, weitere Untersuchungen durchzuführen und sich so ein eigenes Bild zu machen.126 Das Inspection Panel selbst bewertete den Ausgang des Verfahrens und die Reaktionen der Bank in einem späteren Bericht dennoch positiv.127 Auch in anderen Fällen wies das Inspection Panel darauf hin, dass die Weltbank bei der Projektplanung bestimmte betroffene Gruppen nicht hinreichend berücksichtigt habe, so im Pakistan National Drainage Program, im India Mumbai Urban Transport Project sowie im Rahmen des Cambodia Forest Concession Management and Control-Pilotprojekts.128 d) Bedeutung des Inspection Panels für die Rolle der Menschenrechte in der Weltbank Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung das Inspection Panel für die Rolle der Menschenrechte in der Weltbank spielt. Seit der Gründung wurden insgesamt 146 Beschwerden vorgetragen, davon fast zwei Drittel allein seit 2009.129 In jenem Jahr hatte das Panel noch bemängelt, dass viele potentielle Betroffene keine Kenntnis von seiner Existenz hätten und dadurch keine Beschwerden einreichen könnten, und forderte entsprechende Maßnahmen.130 Ob die enorme Steigerung der Beschwerdefälle im letzten Jahrzehnt auf eine größere Bekanntheit des Inspection Panels oder auf eine größere Zahl von Bankprojekten mit schädlichen Auswirkungen zurückzuführen ist, kann jedoch nicht geklärt werden. Den größten Einfluss haben die Vorgänge des Inspection Panels in Bezug auf den konkreten Fall, der untersucht wird.131 In einigen Fällen hat die 125  Weltbank/Inspection Panel, World Bank Board Discusses Inspection Panel Investigation of Forest Sector Operations in the Democratic Republic of Congo, Presse­ mitteilung vom 15.1.2008, https://www.inspectionpanel.org/news/world-bankboard-discusses-inspection-panel-investigation-forest-sector-operations-democratic. 126  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 85 f. 127  Weltbank/Inspection Panel, Indigenous Peoples, Emerging Lessons Series No. 2, 2016, S. 21 f. 128  Ibid., S. xii, 81 f. 129  www.inspectionpanel.org/panel-cases (Stand: März 2020). 130  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 48. 131  Ibid., S.  11 f.



F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen341

Bank die Projektgelder gestoppt, gepaart mit Bemühungen, die Einhaltung der Regeln sicherzustellen, so in den Fällen des Albania Coastal Zone Management and Clean-Up Project und des India Mumbai Urban Transport Project.132 Das China Western Poverty Reduction Project, bei dem massive negative Auswirkungen auf die in den Projektregionen lebenden Tibeter und Mongolen zu befürchten waren, wurde in den entsprechenden Teilen vom Board of Executive Directors bereits in der Vorbereitungsphase gestoppt, ein Jahr nach Einreichung einer Beschwerde beim Inspection Panel.133 Doch auch eine generelle Ausstrahlungswirkung auf andere, vor allem auf ähnlich gelagerte Fälle, kann nicht verneint werden. Das Inspection Panel selbst nannte als positive Aspekte seiner Arbeit die generellen Lehren, welche die Bank aus den Fällen ziehe, wie auch die Vorbildfunktion für andere Institutionen sowie die Stärkung einer Kultur von mehr Demokratie und Teilhabe in internationalen Organisationen.134 Auf der anderen Seite steht es letztlich im Ermessen der Executive Directors, den Panel-Empfehlungen zu folgen; deren Reaktion fiel in der Vergangenheit nicht selten ablehnend aus.135 Dies liegt darin begründet, dass das Inspection Panel lediglich unverbindliche Empfehlungen aussprechen und keine bindenden Entscheidungen erlassen kann. Generell betrachtet hat die Weltbank gerade auch im Vergleich zu anderen internationalen Organisationen mit der Schaffung des Inspection Panels einen großen Schritt nach vorne gemacht; entstanden aus der Einsicht, dass die Bank allzu oft gegen ihre eigenen Richtlinien verstößt.136 Dies zeigt aber auch direkt die Schwachstelle auf: Das Inspection Panel stellt primär Fakten fest137 und prüft am Maßstab der bereits vorhandenen internen Richtlinien; es prüft nicht, inwiefern allgemeines Völkerrecht bzw. allgemeine Menschenrechte verletzt sein könnten. Daher kann der tatsächliche Schutz von Betroffenen von vornherein nicht weiter gehen als die entsprechenden Safeguard Policies der Weltbank, selbst wenn diese in ihrer Konzeption unzulänglich sein sollten. 132  Ibid., S. 12; siehe auch Dana L. Clark, The World Bank and Human Rights: The Need for Greater Accountability, 15 Harvard Human Rights Journal 2002, S. 205, 211 ff. 133  Siehe hierzu unter Teil 3, C. II. 134  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 13. 135  Cornelia Janik, Die Bindung internationaler Organisationen an internationale Menschenrechtsstandards, 2012, S. 284; Koen de Feyter, Self-Regulation, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 79, 122. 136  Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 3. 137  Ibid., S. 16.

342 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Dennoch ist anzuerkennen, dass die Weltbank mit dem Inspection Panel den Zugang zum Recht (‚access to justice‘) von Individuen vor internationalen Organisationen grundsätzlich stärkt.138 Die Vereinten Nationen bieten eine derartige Möglichkeit nicht. Zwar sind diese durch Art. VIII Sektion 29 lit.a) des Abkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen verpflichtet, zur Beilegung von privatrechtlichen Streitigkeiten ein System der Streitbeilegung einrichten. Doch steht beispielsweise im Fall der Peacekeeping Mission in Haiti, der die dortige Verbreitung der Cholera zugeschrieben wird,139 den Betroffenen kein Zugang zu irgendeiner Art von Gerichtsbarkeit offen, da es sich bei der Streitigkeit nicht um eine von privatrechtlicher, sondern von hoheitlicher Natur handelt, während die Vereinten Nationen vor den nationalen Gerichten Immunität genießen. Im Vergleich dazu sticht die Weltbank positiv hervor: „If you compare the history of the Inspection Panel to human rights bodies when they were established what the Panel has achieved in 15 years is quite impressive […] [W]ith the Panel, decisions have been made, projects have improved, and concrete changes have actually happened on the ground.“140

Eine jüngere positive Entwicklung besteht weiterhin darin, dass das In­spection Panel begonnen hat, von konkreten Fällen losgelöst Berichte zu übergeordneten Problemfeldern zu veröffentlichen, in denen sich die in der Fallarbeit gesammelten Erfahrungen wiederfinden. 2016 erschien ein erster Bericht zu Zwangsumsiedlungen, da es sich hierbei um ein Hauptfeld der Panel-Beschwerden handelt.141 Es folgten solche zu indigenen Völkern, Umweltprüfungen sowie zum Komplex ‚Konsultation, Teilhabe und Informationsfreigabe‘.142 In dem Bericht zu Zwangsumsiedlungen wird als 138  Laurence Boisson de Chazournes, Public Participation in Decision Making: The World Bank Inspection Panel, in: Edith Brown Weiss/Andres Rigo Sureda/Laurence Boisson de Chazournes (Hrsg.), The World Bank, International Financial Institutions, and the Development of International Law, Studies in Transnational Legal Policy No. 31, American Society of International Law, 1999, S. 84, 93. 139  Siehe hierzu Melina Garcin, The Haitian Cholera Victims’ Complaints Against the United Nations, 75(3) ZaöRV 2015, S. 671; Mara Pillinger/Ian Hurd/Michael N. Barnett, How to Get Away with Cholera: The UN, Haiti, and International Law, 14/1 Perspectives on Politics, März 2016, S. 70; Kristina Daugirdas, Reputation and the Responsibility of International Organizations, 25 European Journal of International Law 2015, S. 991, 1000 ff.; Clemens A. Feinäugle, The UN Declaration on the Rule of Law and the Application of the Rule of Law to the UN: A Reconstruction From an International Public Authority Perspective, 7 Goettingen Journal of International Law 2016, S. 157, 172 ff. 140  Daniel Bradlow, zitiert in: Weltbank, The Inspection Panel at 15 Years, 2009, S. 3. 141  Weltbank/Inspection Panel, Involuntary Resettlement, Emerging Lessons Series No. 1, 2016, S. iv. 142  http://ewebapps.worldbank.org/apps/ip/Pages/Publications.aspx.



F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen343

eine wichtige Lektion aufgezählt, dass die Weltbank Umsiedlungen besser beaufsichtigen müsse.143 Jedenfalls die Publikation zu indigenen Völkern erwähnt auch (wenngleich ohne Bezugnahme auf internationale Standards oder Verträge) die Bedeutung von Menschenrechten.144 2. Der Grievance Redress Service der Weltbank Der erst im April 2015 von der Weltbank eingerichtete Grievance Redress Service (im Folgenden: GRS) ist sowohl für Beschwerden bezüglich der Projekte der IBRD, als auch solcher der IDA zuständig. Die Überlegung hinter der Schaffung dieses neuen Mechanismus war es (auch im Vergleich zum Inspection Panel), schneller auf Probleme reagieren zu können. Im Gegensatz zum Inspection Panel ist der GRS allerdings nicht unabhängig vom Management; wohingegen positiv anzumerken ist, dass es nicht auf Fragen der Policy-Befolgung beschränkt ist, sondern sich jeder Problematik annehmen kann.145 Beschweren können sich sowohl betroffene Individuen und Gemeinschaften, als auch (potentielle) Teilnehmer einer Weltbank-Projektausschreibung. Die Antwort des GRS mit einem Vorschlag für Abhilfe und einem entsprechenden Zeitplan soll den Beschwerdeführer innerhalb von 30 Tagen nach Eingang der Beschwerde erreichen.146 Wenn der Beschwerdeführer mit dem Lösungsvorschlag nicht einverstanden ist, wird er unter Umständen an andere Stellen weiterverwiesen, darunter nationale Einrichtungen oder das Inspection Panel.147 Insgesamt handelt es sich auch hierbei nicht um einen Mechanismus des effektiven Rechtsschutzes, sondern um eine Stelle, die sich um schnelle Lösungen bemüht.

143  Weltbank/Inspection Panel, Involuntary Resettlement, Emerging Lessons Series No. 1, 2016, S. 11. 144  Weltbank/Inspection Panel, Indigenous Peoples, Emerging Lessons Series No. 2, 2016, S. 21 f. 145  Bretton Woods Project, World Bank fails to support project critics, 6.7.2015, www.brettonwoodsproject.org/2015/07/world-bank-fails-to-support-project-critics/. 146  http://pubdocs.worldbank.org/en/440501429013195875/GRS-2015-Brochure Dec.pdf. 147  www.worldbank.org/en/projects-operations/products-and-services/grievanceredress-service#3.

344 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

3. Independent Evaluation Office des IWF Ein direktes Äquivalent zum Inspection Panel der Weltbank existiert beim IWF nicht. Die Einrichtung, die dem noch am nächsten kommt, ist das Independent Evaluation Office (IEO).148 Dieses wurde 2001 (im Kielwasser der Asien-Krise, deren Handhabung durch den IWF bis heute umstritten ist149) mit dem Ziel gegründet, unabhängige und objektive Bewertungen der Strategien und Aktivitäten des Fonds durchzuführen. Dadurch soll innerhalb des IWF eine Lernkultur gefördert, die Glaubwürdigkeit nach außen gestärkt sowie die institutionelle ‚governance‘ unterstützt werden.150 Insgesamt hinkt der IWF den Strukturen anderer internationaler Finanzinstitutionen im Hinblick auf Selbstregulierung hinterher.151 Im Gegensatz zum Inspection Panel der Weltbank handelt es sich beim IEO nicht um einen Beschwerdemechanismus. Menschen, die sich von Aktivitäten des IWF in ihren Rechten betroffen fühlen, haben keine Möglichkeiten, direkt an den IWF heranzutreten. Safeguard Policies, die das IEO konkret prüfen könnte, existieren nicht. Fraglich ist allerdings, ob ein dem Inspection Panel ähnelnder oder weitergehender Beschwerdemechanimus der Struktur des IWF nach überhaupt möglich wäre. Im Gegensatz zur IBRD finanziert der IWF keine konkreten Projekte (wie z. B. den Bau eines Staudamms), sondern verfolgt großangelegte Maßnahmen, die einen Staat in seiner Gesamtheit betreffen. Dies erschwert es im Einzelfall umso mehr, den unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen einem Kredit des IWF, bzw. den damit zusammenhängenden Bedingungen, und einer konkreten Menschenrechtsverletzung im Empfängerstaat aufgrund der Politik, die diesem Kredit folgte, festzustellen.152 148  Auch die Weltbank verfügt über eine entsprechende Abteilung, die Independent Evaluation Group (IEG), die Bankprogramme und deren Effektivität überprüft. Seit 2001 gibt es zudem ein Department of Institutional Integrity (INT), das Anschuldigungen bezüglich Korruption, Betrug und sonstigem Fehlverhalten untersucht; Susan Park, Designing Accountability, International Economic Organisations and the World Bank’s Inspection Panel, 64 Australian Journal of International Affairs 2010, S. 13, 18. 149  Ibid. 150  www.ieo-imf.org/ieo/pages/ieohome.aspx. 151  Bahram Ghazi, The IMF, the World Bank Group and the Question of Human Rights, 2005, S. 240; Andreas Fischer-Lescano, Human Rights in Times of Austerity Policy: The EU Institutions and the Conclusion of Memoranda of Understanding, Legal Opinion Commissioned by the Chamber of Labour in Vienna, 2014, www.etui. org/content/download/13817/113830/file/Legal+Opinion+Human+Rights+in+Times+ of+Austerity+Policy+(final).pdf, S. 58. 152  Susan Park, Designing Accountability, International Economic Organisations and the World Bank’s Inspection Panel, 64 Australian Journal of International Affairs 2010, S. 13, 16.



F. Schaffung und Erweiterung von Beschwerdemechanismen345

Gleichwohl hat diese Arbeit gezeigt, dass es möglich ist, auch im Fall von Strukturanpassungsprogrammen dem IWF eine konkrete (Teil-)Verantwortlichkeit zuzurechnen.153 Der IWF sollte daher mindestens die Position einer unabhängigen Ombudsperson schaffen,154 was allerdings nur dann zielführend wäre, wenn der IWF hierfür entweder die Prüfung von allgemeinem Völkerrecht zulassen oder interne Safeguard Policies schaffen würde, die als Prüfungsmaßstab herangezogen werden können.

III. Mögliche Erweiterungen anderer bereits bestehender Beschwerdemechanismen Abgesehen von der Erweiterung bzw. Schaffung eigener Beschwerdemechanismen wäre es ratsam, eine erweiterte Kompetenz bereits bestehender internationaler Mechanismen anzudenken. Eine Öffnung der Individualbeschwerde nach dem Zusatzprotokoll zum ICESCR155 für Beschwerden gegen internationale Organisationen würde verdeutlichen, welche Bedeutung diese schon längst global für die Verwirklichung der Menschenrechte erreicht haben. Hierfür müssten die entsprechenden Organisationen gerade nicht nur auf völkergewohnheitsrechtlicher Ebene an im ICESCR niedergelegte Rechte gebunden sein, sondern auch als Vertragspartei unmittelbar an den ICESCR selbst. Dies würde zunächst einen Beitritt der Weltbank und des IWF zum ICESCR voraussetzen, was wiederum ensprechende Änderungen des Vertragstextes (da der ICESCR gemäß Art. 26 Abs. 1 lediglich Staaten offensteht) erforderlich machen würde. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einrichtung einer Unterkommission oder einer Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats, die sich ausschließlich mit Beschwerden über die menschenrechtlichen Auswirkungen von Opera­ tionen internationaler Organisationen beschäftigt.156 Präferiert man Bretton-Woods-eigene Mechanismen, so käme auch eine Erweiterung der Verwaltungstribunale in Betracht, welche die Institutionen für die Beilegung von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten eingerichtet haben, da diese sich bei einer entsprechenden Kompetenzerweiterung (auf nicht vertragliche, deliktsrechtliche Haftung für Schäden von Individuen) auch für bindende Entscheidungen zu anderen Materien eignen würden.157 153  Siehe

unter Teil 3, B. III. Darrow, Between Light and Shadow: The World Bank, the International Monetary Fund and International Human Rights Law, 2003, S. 233. 155  Siehe unter Teil 2, A. III. 5. b). 156  Sigrun I. Skogly, The Human Rights Obligations of the World Bank and the International Monetary Fund, 2001, S. 188. 154  Mac

346 Teil 4: Mögliche Reformen für Verantwortlichkeit von Weltbank u. IWF

Ebenfalls möglich wäre die Öffnung von schiedsgerichtlichen Klagewegen. Der Ständige Schiedsgerichtshof hat bereits Optional Rules for Arbitration between International Organizations and Private Parties158 erlassen, die man grundsätzlich auch auf menschenrechtsbezogene Beschwerden von betroffenen Individuen gegen die Weltbank und den IWF anwenden könnte, sofern die Institutionen bereit wären, in diesen Fällen auf ihre Immunität zu verzichten.159 Bezüglich des anwendbaren Rechts könnten nach Art. 33 Abs. 1 dieser Regeln durchaus auch Menschenrechte berücksichtigt werden: „In resolving the dispute, the arbitral tribunal shall have regard both to the rules of the organization concerned and to the law applicable to the agreement or relationship out of or in relation to which the dispute arises and, where appropriate, to the general principles governing the law of international organizations and to the rules of general international law.“

G. Fazit Der vierte Teil dieser Arbeit hat gezeigt, dass den Bretton-Woods-Institutionen eine Reihe von Maßnahmen offenstehen würde, um ihrer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit für das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, besser gerecht zu werden. Einige davon sind leichter, andere schwerer zu verwirklichen (vor allem, wenn sie eine Änderung völkerrechtlicher Verträge voraussetzen). Jede erfordert eine eingehende Auseinandersetzung mit den menschenrechtlichen Pflichten der Organisationen im Allgemeinen, und mit dem Recht darauf, frei von Hunger zu sein, im Besonderen. Allesamt hätten sie das Potential, das Problembewusstsein zu stärken; bessere Richtlinien und erweiterte Prüfungsmaßstäbe könnten dazu beitragen, Risiken für Rechtsverletzungen zu verringern.

157  Eisuke Suzuki, Responsibility of International Financial Institutions under International Law, in: Daniel D. Bradlow/David B. Hunter (Hrsg.), International Financial Institutions and International Law, 2010, S. 63, 99 f. 158  Permanent Court of Arbitration, Optional Rules for Arbitration between International Organizations and Private Parties, 1.7.1996, https://pca-cpa.org/wp-content/ uploads/sites/175/2016/01/Optional-Rules-for-Arbitration-Between-InternationalOrganizations-and-Private-Parties-1996.pdf. 159  Koen de Feyter, Self-Regulation, in: Willem van Genugten/Paul Hunt/Susan Mathews (Hrsg.), World Bank, IMF and Human Rights, 2003, S. 79, 135.

Zusammenfassung und Ausblick „[T]he ‚right to be a man‘ starts with the right to have enough to eat.“1 – dieses Zitat war dem Beginn dieser Arbeit vorangestellt. Doch bindet dieses so grundlegende Recht, welches in Art. 11 ICESCR niedergelegt ist, auch die Weltbank und den IWF? Die ICESCR-Mitgliedsstaaten trifft zwar eine Pflicht, in den Gremien der Bretton-Woods-Institutionen auf eine menschenrechtskonforme Politik hinzuwirken. Praktisch handelt es sich hierbei allerdings um Institutionen, die (auch im direkten Vergleich zur UNO) relativ unabhängig vom konkreten Einfluss der Staaten agieren. Das Handeln gerade der Bretton-Woods-Institutionen hat eine derartige Eigendynamik entwickelt, dass, würde man eine eigenständige Verantwortung der Organisationen verneinen und lediglich auf die Mitgliedsstaaten verweisen, massive Rechtsschutzlücken entstünden. Grundlage jeder internationalen Verantwortlichkeit ist der Status als Völkerrechtssubjekt, welcher sich aus der internationalen Rechtspersönlichkeit der Organisationen ergibt. Zwar sind die Weltbank und der IWF keine Vertragsparteien des ICESCR und mithin nicht direkt an die dort statuierten Bestimmungen gebunden, dennoch besteht aufgrund ihrer Völkerrechtssubjektivität eine Bindung an das geltende Völkergewohnheitsrecht, einschließlich der entsprechenden Menschenrechte, soweit diese auch auf Organisationen anwendbar sein können. Dabei können sich die Bretton-Woods-Institutionen nicht darauf berufen, dass sie für Menschenrechte nicht zuständig und ihnen dementsprechende Tätigkeiten sogar untersagt wären. Die jeweiligen Articles of Agreement von Weltbank und IWF sowie die Organisationspraxis lassen eine derartige Interpretation nicht mehr zu. Vielmehr müssen die Organisationen ihre Mandate im Einklang mit der Entwicklung des Völkerrechts interpretieren. Dies gilt umso mehr, sobald es nicht um bürgerliche und politische, sondern um wirtschaftliche und soziale Rechte geht. Wirtschaftliche und soziale Rechte weisen nicht nur einen direkten Zusammenhang zur wirtschaftlichen Entwicklung eines Staates auf, sie können durch die Operationen der Bretton-Woods-Institutionen auch wesentlich unmittelbarer beeinträchtigt werden. Das Mandat dieser Organisationen besteht gewissermaßen auch darin, die ökonomischen Grund1  Alain Pellet, ‚Human Rightism‘ and International Law, 10 Italian Yearbook of International Law 2000, S. 3, 8.

348

Zusammenfassung und Ausblick

bedingungen für die Verwirklichung wirtschaftlicher und sozialer Rechte zu schaffen. Wenngleich es nicht angemessen ist, internationalen Organisationen stets die gleichen umfassenden Achtungs-, Schutz-, und Erfüllungspflichten aufzuerlegen wie Staaten (den IWF dürfte aufgrund seines begrenzten Mandats keine Erfüllungspflicht treffen), so dürfen die Bretton-Woods-Institutionen (wenn sie schon – wie der IWF – nicht verpflichtet sind, aktiv darauf hinzuwirken, die Menschenrechtslage im Zielgebiet zu verbessern) diese aber jedenfalls nicht verschlechtern. Um dies zu verhindern, besteht nicht nur eine Achtungspflicht, sondern auch eine Schutzpflicht, wenn sich die Institution in der Durchführung eines Projekts anderer Akteure bedient. Diese Arbeit hat auch gezeigt, dass das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, im Völkerrecht hinreichend klar verankert ist – nicht nur im Völkervertragsrecht (hier vor allem im Rahmen des ICESCR als umfassender zu verstehendes Recht auf Nahrung), sondern auch als Teil des Völkergewohnheitsrechts. Das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, muss als Grundvoraussetzung für das menschliche Leben auch als Voraussetzung aller anderen Menschenrechte betrachtet werden. An dieses Völkergewohnheitsrecht sind mithin auch die Bretton-Woods-Institutionen gebunden. Das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, ist in seiner Anwendbarkeit nicht auf Staaten begrenzt. Die Untersuchung mehrerer konkreter Tätigkeitsfelder der Weltbank und des IWF hat zu dem Ergebnis geführt, dass diese bezüglich des Rechts darauf, frei von Hunger zu sein, ein doch erhebliches Verletzungspotential aufweisen. Strukturelle Hindernisse sowie eine mangelnde Beschäftigung mit dem Konzept des Rechts, grundsätzlich und auch im Rahmen etwaiger Safeguard Policies, behindern eine angemessene Berücksichtigung bzw. Integrierung in die Arbeit der Organisationen. In einigen Bereichen, so zum Beispiel im Hinblick auf den Umgang mit der Biokraftstoffförderung oder mit akuten Hungerkrisen, ist gerade die Weltbank durchaus problembewusst. In anderen, insbesondere bei Zwangsumsiedlungen, wird die Zeit zeigen, inwieweit ein neues Problembewusstsein auch zu tatsächlichen Verbesserungen führen wird. Die Strukturanpassungsprogramme, für welche die Bretton-Woods-Institutionen seit Jahrzehnten massiv kritisiert werden, haben sich im Laufe der Zeit zwar ein Stück weit positiv entwickelt, grundsätzliche Probleme bestehen jedoch fort – dies zeigte sich auch aktuell im Rahmen der griechischen Schuldenkrise und der dort unter anderem vom IWF implementierten Austeritätspolitik. Zuletzt scheint aber beim IWF ein gesteigertes Bewusstsein für deren negativen Auswirkungen und für die Wichtigkeit von sozialpolitischen Maßnahmen eingesetzt zu haben. Hier hat die Arbeit gezeigt, dass das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, über die bisherigen Annahmen zum Verhältnis internationaler Entwick-



Zusammenfassung und Ausblick349

lungs- und Finanzinstitutionen zu den Menschenrechten hinausgeht. Aufgrund der globalen Dimension der wirtschaftlichen und sozialen Rechte im Allgemeinen und speziell dieses Rechts im Besonderen kann von einem lediglich indirekten Rechtsverletzungspotential (und dementsprechend von einer höchstens indirekten Verpflichtung) keine Rede sein. Sowohl die Weltbank als auch der IWF sind in der Lage, das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, zu beeinträchtigen. Besondere praktische Relevanz (etwa bei Strukturanpassungs- oder Umsiedlungsprogrammen) hat dabei die Form einer Beihilfe zum völkerrechtswidrigen Verhalten eines Staates. Nun stellt sich die Frage: Quo vadis? Wenn die Bretton-Woods-Institutionen derartige Menschenrechtsverletzungen künftig verhindern wollen, sollten sie zu konkreten Verbesserungsmaßnahmen greifen. Sinnvoll wäre es, dem ICESCR (nach einer entsprechenden Änderung des Vertrages durch die Mitgliedsstaaten) beizutreten sowie die Articles of Agreement der Organisationen so zu überarbeiten, dass die Berücksichtigung menschenrechtlicher Erwägungen ausdrücklich zugelassen wird. Doch auch ohne derartige Anpassungen der Verträge wäre der Weg frei für eine Reihe von Reformen. Dazu gehört die Entwicklung eines Bretton-Woods-eigenen ‚human rightsbased approach to development‘, welcher sich an dem der Vereinten Nationen orientieren könnte. Das Konzept der Rule of Law sollte von den Organisationen – nicht zuletzt auch aus Gründen der Glaubwürdigkeit – so verstanden werden, dass es die Weltbank und den IWF in ihrem Handeln gewissen völkerrechtlichen Regeln unterwirft. Die Weltbank sollte ihre Safeguard Policies weiter überarbeiten. Auch das lang erwartete und im Oktober 2018 in Kraft getretene Environmental and Social Framework hat in menschenrechtlicher Hinsicht noch nicht zu ausreichenden Verbesserungen geführt. Der IWF sollte damit beginnen, ähnliche Richtlinien zu erarbeiten. Nötig ist zudem ein für jedes Projekt obligatorisches human rights impact assessment. Weiteres Verbesserungspotential liegt im Bereich des Rechtsschutzes, bzw. der Einrichtung von effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Immunität internationaler Organisationen führt dazu, dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen diese nicht vor nationalen Gerichten verklagen können. Auch vor dem Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte oder internationalen Gerichten kann gegen Organisationen keine Beschwerde eingereicht werden. Grundsätzlich ist positiv zu bewerten, dass die Weltbank (im Gegensatz zu den Vereinten Nationen z. B. in Bezug auf Peacekeeping-Operationen) mit dem Inspection Panel über einen internen Beschwerdemechanismus verfügt.

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Zusammenfassung und Ausblick

Dabei könnte die Bank indes einen noch größeren Fokus auf den individuellen Rechtsschutz legen, gerade bezüglich der Vereinbarkeit von Operationen mit Menschenrechten. Auch hierfür wäre die Existenz einer speziellen Safeguard Policy von Vorteil, da diese womöglich leichter in den Prüfprozess integriert werden kann als ein recht abstrakt wirkendes Menschenrecht, wie es in allgemeinen Verträgen verankert ist. Der IWF hat – wohl auch, da er gerade nicht projektbezogen tätig wird – keinerlei Form von Beschwerdemechanismus. Das Independent Evaluation Office des IWF erfüllt nicht den Zweck des individuellen Rechtsschutzes und reicht insgesamt nicht aus, um die Menschenrechtskonformität der IWFOperationen sicherzustellen. Die Frage der Verantwortlichkeit von internationalen Organisationen stellt somit im Ergebnis bisher eine Sackgasse dar: Diese besitzen eine von ihren Mitgliedsstaaten separate Rechtspersönlichkeit, weswegen man nicht einfach letztere zur Verantwortung ziehen kann, während gegen die Organisationen gleichzeitig keine ausreichenden Klagemöglichkeiten offenstehen. Letztlich ist insgesamt ein Paradigmenwechsel innerhalb der BrettonWoods-Institutionen nötig. Das Recht darauf, frei von Hunger zu sein, nimmt unter den Menschenrechten eine besondere Stellung ein. Als für die bloße Existenz eines Menschen auf Erden grundlegendes Recht birgt es besonderes Konfliktpotential, dem sich auch internationale Organisationen stellen müssen. Maßnahmen, die dieses Recht missachten, können zu schwerwiegendsten Folgen führen, im Extremfall gar zum Tode. Am wichtigsten ist es, Menschen, die aufgrund von Operationen der Bretton-Woods-Institutionen ihre Lebensgrundlage verlieren oder gar hungern müssen, nicht mehr als ‚Kollateralschäden‘ zu betrachten, sondern als Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Internationale Organisationen, die sich selbst nicht an das Völkerrecht halten, werden letztendlich nicht nur ein Legitimationsproblem bekommen, sondern auch ein Effektivitätsproblem – die Qualität der (auch finanziellen) Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren wird früher oder später sinken.2 Eine Weltbank oder ein IWF, die Staaten aus ihren Krisen helfen und Entwicklung fördern wollen, und gleichzeitig wiederholt Anteil daran haben, das Leben der Bevölkerung zu verschlechtern, bewegen sich nicht nur politisch, sondern auch völkerrechtlich auf dünnem Eis. 2  Kristina Daugirdas, Reputation and the Responsibility of International Organizations, 25 European Journal of International Law 2015, S. 991, 1007 f.; Allen Buchanan/Robert O. Keohane, The Legitimacy of Global Governance Institutions, 20 Ethics and International Affairs 2006, S. 405, 407; Anne Peters, International Organizations and International Law, in: Jacob Katz Cogan/Ian Hurd/Ian Johnstone (Hrsg.), The Oxford Handbook of International Organizations, 2016, S. 33, 59.

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Personen- und Sachregister Achtungs-, Schutz- und Erfüllungspflichten  119 ff., 127 f.,169 f., 307 Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker  142 Afrikanische Kinderrechtscharta  142 Allgemeine Menschenrechtserklärung  49, 66, 102, 137, 184 Amerikanische Menschenrechtskonvention  142, 275 Articles of Agreement  30 ff., 35 ff., 61 ff., 309 f. Auditing  317, 330, 335 Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte  88 ff., 110, 113, 115 ff., 124, 130 f., 166 ff., 227, 345 Austerität   215 ff. Beihilfe  247 ff., 263 ff., 300, 308 Biokraftstoff  278, 283 ff., 300, 302 Bretton-Woods-Konferenz  29 Bundesverfassungsgericht   148 ff. Camdessus, Michel  90, 96 Dañino, Robert  78 ff. Declaration on the Right to Development   156 f. Diskriminierungsverbot  122, 139 f., 214 Elementary considerations of human­ ity   131 ff. Enhanced Structural Adjustment Facility  64, 193, 196, 210 Environmental and Social Framework  183 ff., 262, 290 f., 319 Europäische Menschenrechtskonven­ tion  125, 141 f.

Europäischer Gerichtshof  33, 55 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte  46, 127, 141, 263 Extended Credit Facility  64, 201 f. Extraterritoriale Pflichten  126 ff., 163 Fischerei   295 ff. Food and Agriculture Organiza­ tion  162 f., 280, 294 f., 315 f., 322 ff. Food Financing Facility  301 Genfer Konventionen und Zusatzprotokolle  132, 143 Genmanipuliertes Saatgut  274 ff. Georgieva, Kristalina  30 Gianviti, François  64, 91 ff. Global Food Crisis Response Program   304 ff. Good Governance  51 ff., 75 f., 88 Griechenlandkrise   212 ff. Grievance Redress Service  343 Grundgesetz   148 ff. Heavily Indebted Poor Countries Initiative   195 f. Humanitäres Völkerrecht   143 f. Human rights-based approach to development   311 ff. Human rights impact assessment  189, 320 ff. Human rights mainstreaming  314 ff. ILC Draft Articles on the Responsibility of International Organizations  46 f., 93 f., 96 ff., 242 ff., 262 ff., 300, 308 Independent Evaluation Office  198, 234, 240 f., 344 f.

384

Personen- und Sachregister

Indigene Völker  76, 105, 118, 120, 131, 175, 178 ff., 254 ff., 280 f., 293, 319, 324, 328, 338 ff., 343 Inspection Panel  76, 187, 238, 257 ff., 335 ff. Internationaler Gerichtshof  31 ff., 56, 58 f., 67, 69, 126, 131 f., 153 f., 247, 321, 333 f. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR)  20, 103, 106 ff., 123, 125, 127, 129 ff., 331 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR)  20, 40, 42, 70, 75, 88 ff., 91 f., 103 ff., 137 ff., 150, 155 ff., 163 f., 166 ff., 206, 216, 227, 229 ff., 258, 274 f., 309 f., 331, 345 International Finance Corporation  29, 189 f., 287, 299, 306 International Tin Council  32 f. Interpretation of the Agreement of 25 March 1951 between the WHO and Egypt-Gutachten  56 Kim, Jim Yong  19 Kindersrechtskonvention  275 Kleinbauern  210, 267 ff., 303, 324, 328 Köhler, Horst  90 Lagarde, Christine  95, 241 Land Grabbing  277 ff. Ländliche Entwicklung  265 ff., 299 Landwirtschaft  143, 151, 160 f., 209, 239, 257, 265 ff., 304 f. Leroy, Anne-Marie   83 ff. Limburger Prinzipien  123 f. Maastricht Principles on Extraterritorial Obligations  127 Malpass, David  30 Millennium Development Goals  158 ff., 164 Mindestkerngehalt  117 ff., 139, 228

Nahrungspreiskrise   283 ff., 301 ff. Notstand  251 ff., 308 Opinio iuris  46, 135 ff., 153 f. Organisationspraxis   61 ff. Organisationstreue   38 f. Palacio, Ana de  82 f. Persistent objector  60, 167 f. Poverty and Social Impact Analysis   200 f. Poverty Reduction and Growth Facility  64, 87, 92, 196, 201 Poverty Reduction Strategy ­Papers   196 ff., 321 Principles for Responsible Agricultural Investment  291 ff., 300 Recht auf Leben  49, 66, 106 f., 133 f., 142, 145 ff. Rechtspersönlichkeit  31 ff., 40, 54 ff., 97 ff., 167, 229 f. Reparation for Injuries-Gutachten  31 ff., 56, 58 f. Retrogressive Maßnahmen  114 f., 139, 227, 233, 312 f. Rome Declaration  24, 157 f., 164 Rom-Statut zum Internationalen Strafgerichtshof  143 Rule of Law  43, 47 ff., 293, 316, 317 f. Safeguard Policies  76, 178 ff., 254, 257, 259, 260 ff., 295, 319 f., 339, 341, 344 f. Shihata, Ibrahim F. I.  73 ff., 96, 172 Social Spending Strategy  95, 317 Soft law  132, 151 ff. Soziale Sicherheitsnetze  162, 170, 236 ff. Staatenpraxis  46, 57, 135 f., 138, 144 ff. Staatensouveränität  174, 202 ff. Ständiger Internationale Gerichtshof  66



Personen- und Sachregister385

Strukturanpassungsprogramme  72, 190 ff., 263, 270, 276, 287, 303, 308, 316, 322, 345 Sustainable Development Goals  158 ff., 164 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau   139 f. UN-Charta  20, 27, 35 ff., 41, 63, 72, 101 f., 126, 318, 333 UN Guiding Principles on Foreign Debt and Human Rights  115, 212 ff., 321 UN-Menschenrechtsausschuss  106, 113, 131 UN-Menschenrechtskommissariat  158, 225 ff., 313 f. UN-Sonderorganisation  28, 36 ff., 89, 158, 315, 333

Universal Declaration on the Eradication of Hunger and Malnutrition  155 f., 158, 164 Völkergewohnheitsrecht  42 ff., 67, 69, 86, 93, 131 ff., 165 ff., 233, 247, 293, 309, 345 Völkerrechtssubjektivität  31 ff., 54 ff., 99 f. Voluntary Guidelines der FAO  119, 140, 162 f., 275, 296, 323 Wiener Vertragsrechtskonvention  41, 65 ff., 69 ff., 95, 152 Wolfensohn, James  53, 76 ff., 90, 96, 175 f., 201 Zwangsumsiedlungen  76, 179, 182 f., 253 ff., 294, 319, 337, 342