Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung 3161493052, 9783161493058, 9783161513404

Die antike Schulbildung galt den frühchristlichen Theologen als 'heidnisch' und wurde daher vielfach abgelehnt

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Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung
 3161493052, 9783161493058, 9783161513404

Table of contents :
Cover
Widmung
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Christentum und Antike
2. Christentum und antike Bildung: Forschungsstand und Fragestellung
2.1. Ein urchristliches Spannungsfeld – Norm und Wirklichkeit
2.2. Zur Erforschung von „Christentum und Bildung“ seit Marrou
2.3. Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung
3. Aufriss der Untersuchung
I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit
1. Die Organisation des antiken Schulunterrichts
1.1. Das klassische Modell des „dreigliedrigen Schulsystems“
1.2. Differenzierungen: Terminologie, Urbanität und soziale Schichtung
1.3. Ein revidiertes Modell als Ergebnis der neueren Forschung?
2. Grundzüge des antiken Schulunterrichts
2.1. Elementarunterricht
2.2. Grammatik
2.3. Rhetorik
2.4. Έγхύхλιος παιδεία und artes liberales
3. Die gesellschaftliche Funktion der Schulbildung
3.1. Ansehen und Stellung der Lehrer
3.2. Der römische Staat und das Bildungswesen
3.3. Das Ideal des litteratus als soziales Regulativ
II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit
1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen im 2. und 3. Jahrhundert
1.1. Rhetorik im Dienst der Polemik: Tertullian
1.1.1. Tertullian und die Institutionen der römischen Schulbildung
1.1.2. Tertullian und die Formkultur der antiken Rhetorik
1.1.3. Tertullian und die Inhalte der antiken Bildung
1.2. Bildung als verbindendes Element: Minucius Felix
1.3. Konversion als Lebenswende: Cyprian von Karthago
2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung
2.1. Christlich-hellenistische „Schulen“ in Rom
2.2. Ein Denker geistiger Harmonie: Justin
2.3. Ein „Barbarenphilosoph“: Tatian
2.4. Bildung als Thema antihäretischer Autoren: Hippolyt und Irenäus
3. Christen als Schüler und Lehrer in vorkonstantinischer Zeit
3.1. Sozialgeschichtliche Anmerkungen zur Bildung der frühen Christen
3.2. Vor der „konstantinischen Wende“: Eine ungelöste Frage
III. Christentum und Bildung in der Spätantike
1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft
1.1. Die Ausbreitung des Christentums nach der „konstantinischen Wende“
1.2. Die Christianisierung der oberen Gesellschaftsschichten
1.3. „Heiden“ und Christen im römischen Senat: Koexistenz und Konflikt
1.3.1. Der Streit um den Victoria-Altar
1.3.2. Die Usurpation des Eugenius
2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung
2.1. Bildung in öffentlicher Darstellung: Grabepigraphik
2.1.1. Grabinschriften für Kinder und Heranwachsende
2.1.2. Eloquium und mores
2.1.3. Eloquium und pietas
2.1.4. Die Eloquenz des Bischofs
2.2. Bildung als verbindendes Element: Epistolographie
2.2.1. Das Briefgenos und seine Topik
2.2.2. Bildung als Thema brieflicher Kommunikation
2.2.3. Veröffentlichte Kommunikation: Briefsammlungen und Briefpartner
2.3. Bildung als Hinterlassenschaft „weltlichen“ Lebens: Hagiographie
2.3.1. Formale Aspekte der spätantiken Heiligenvita
2.3.2. Gebildete Mönche?
2.3.3. Gebildete Bischöfe
3. Dürfen Kleriker gebildet sein? Amtsträger und pagane Bildung
3.1. Dürfen Kleriker „heidnische“ Bücher lesen?
3.2. Ein Leitbild der Predigt: der sermo piscatorius
3.3. Vom Nutzen der Rhetorik für die Predigt: Augustin, De doctrina christiana
4. Christen als Lehrer im Schulsystem der Spätantike
4.1. Dürfen Christen Lehrer sein? Das Schulgesetz Julians
4.2. Christliche Lehrer in der lateinischen Spätantike
4.2.1. Magistri ludi
4.2.2. Grammatici
4.2.3. Rhetores
5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht
5.1. Der Grammatikunterricht und die Dichter
5.1.1. Wesen und Nutzen der Grammatik
5.1.2. Sprachrichtigkeit versus Glaubenseinsicht?
5.1.3. Wertschätzung und Kritik der Dichter
5.2. Der Rhetorikunterricht und die Redner
5.2.1. Der „Krieg vor Gericht“
5.2.2. Innerchristliche Kontroversen um die Rhetorik
5.2.3. Lob christlicher Rhetoren
5.3. Bildung aus eigenen Quellen?
5.3.1. Geistliche Belehrung aus eigenen Quellen
5.3.2. Konversion der Gebildeten
5.3.3. Konversion der Bildung
5.3.4. Pagane Bildung als Propädeutik des Glaubens
Zusammenfassung und Ausblick
1. Etappen der Reflexion über Bildung
1.1. Apologetik zwischen Werbung und Abgrenzung
1.2. Orientierungsverunsicherung nach der „konstantinischen Wende“
1.3. Bildung als Merkmal christlicher Identität – das 5. Jahrhundert
1.4. Bildungspessimismus und Bewahrungsstreben – das 6. Jahrhundert
2. Gesellschaftliche und kirchliche Bedeutung von Bildung
2.1. Christen in der römischen Oberschicht
2.2. Kirchliche Amtsträger
2.3. Christen als Schüler und Lehrer
3. Gattungen und Diskurse der Bildungsdiskussion
3.1. Rezeption und Transformation antiker Literaturgattungen
3.2. Zwischen Hinnahme und Kritik
3.3. Die Kirche als Schola christiana?
4. Ausblick
Bibliographie
Verzeichnis der Abkürzungen
1. Prosopographische Hilfsmittel
2. Quellensammlungen
3. Einzelne Quellenschriften
4. Literatur
Register
1. Biblische Schriften
2. Antike Quellen
a) Pagane und christliche Autoren
b) Rechtsquellen
c) Inschriften
3. Antike Personen
4. Moderne Autoren
5. Begriffe, Orte, Sachen

Citation preview

Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgeber/Editor: Christoph Markschies (Berlin) Beirat/Advisory Board Hubert Cancik (Berlin) · Giovanni Casadio (Salerno) Susanna Elm (Berkeley) · Johannes Hahn (Münster) Jörg Rüpke (Erfurt)

41

Peter Gemeinhardt

Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung Bilanz, Kritik und Weiterführung der modernen Forschung zu Augustins „De trinitate“

Mohr Siebeck

Peter Gemeinhardt, geboren 1970; Studium der evangelischen Theologie in Marburg und Göttingen; 2001 Promotion; 2003 Ordination; 2006 Habilitation; Oberassistent an der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena; ab Wintersemester 2007/08 Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen.

e-ISBN PDF 978-3-16-151340-4 ISBN 978-3-16-149305-8 ISSN 1436-3003 (Studien und Texte zu Antike und Christentum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2007 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Für Bettina, Jonathan und Magdalena

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2006 von der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck wurde sie leicht gekürzt und überarbeitet; bis Ende 2006 erschienene Literatur wurde nach Möglichkeit berücksichtigt. Es gilt, vielfältig Dank abzustatten. An erster Stelle sei Prof. Dr. Martin Wallraff (jetzt Basel) genannt, der mich für Jena als Wirkungsort interessiert und ermutigt hat, die Arbeit an der Habilitationsschrift dort aufzunehmen. Ihm verdanke ich zahlreiche Denkanstöße und freundschaftliche Begleitung sowie die Erstellung des Erstgutachtens. Zweitgutachter war Prof. Dr. Volker Leppin, der die Entstehung der Arbeit begleitet und darüber hinaus manche Gesprächsimpulse gegeben hat. Auch ihm gilt herzlicher Dank, ebenso wie Prof. Dr. Walter Ameling, der ein Gutachten aus althistorischer Sicht erstellt und schon zuvor Teile des entstehenden Opus gelesen und kommentiert hat. Verschiedentlich habe ich Teile der Arbeit im DFG-Graduiertenkolleg „Leitbilder in der Spätantike“ zur Diskussion stellen dürfen; den Kollegiaten und Ausrichtern des Kollegs, namentlich Herrn Prof. Dr. Meinolf Vielberg, danke ich für die freundliche Aufnahme als assoziiertes Mitglied. Es sollte – so hoffe ich – der Arbeit abzuspüren sein, dass sie in einem Umfeld interdisziplinärer Kommunikation entstanden ist. Für kritische Lektüre von Teilen meiner Arbeit habe ich Dr. Raymund Noll (Eichstätt), Katharina Heyden (Berlin) und Prof. Dr. Christian Tornau (Jena), zu danken, letzterem auch dafür, dass er mir seine Habilitationsschrift über Augustins Bildungsdenken in De ciuitate Dei schon als Manuskript zugänglich gemacht hat. Ein Dankeswort gilt auch meinem Marburger Doktorvater, Prof. Dr. Wolfgang Bienert, der das Habilitationsprojekt in der Anfangsphase und auch weiterhin mit freundschaftlicher Anteilnahme begleitet hat. Es ist nicht die Regel, dass eine evangelische Landeskirche ihre Verbundenheit mit der wissenschaftlichen Theologie durch finanzielle Unterstützung eines Habilitationsprojekts zum Ausdruck bringt. Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck hat mir als erstem Träger das Martin-BucerStipendium zugesprochen und so die zügige Anfertigung der Habilitationsschrift ermöglicht, wofür ihr größter Dank gebührt. Die Theologische Fakultät Jena hat mich auf freundliche und unkomplizierte Weise in ihren akademischen Mittelbau aufgenommen. Prof. Dr. Volker Leppin danke ich herzlich dafür, dass er mir nach Auslaufen des Stipendiums die Möglichkeit eröffnet hat, weiterhin in Jena als Oberassistent und Professurvertreter zu wirken.

VIII

Vorwort

Schließlich danke ich Prof. Dr. Christoph Markschies (Berlin) für Gespräche und Hinweise vor und während der Arbeit an der Habilitationsschrift und für die Aufnahme des fertigen Opus in die „Studien und Texte zu Antike und Christentum“. Ebenso sei Herrn Dr. Henning Ziebritzki und Herrn Matthias Spitzner vom Verlag Mohr Siebeck (Tübingen) für ihre Unterstützung bei der Drucklegung gedankt. Zuletzt und zuerst habe ich meiner Familie zu danken. Als die Arbeit an der Habilitationsschrift gerade Fahrt aufgenommen hatte, kam im Sommer 2003 Jonathan zur Welt; als der Endspurt schon begonnen hatte, gesellte sich im Herbst 2005 Magdalena dazu. Nicht trotz, sondern wegen ihnen und vor allem durch die Unterstützung meiner Frau Bettina konnte die Arbeit schnell voranschreiten. Diesen dreien sei sie daher in größter Dankbarkeit gewidmet. Jena, im März 2007

Peter Gemeinhardt

Inhaltsverzeichnis Einleitung 1. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 3.

Christentum und Antike .................................................................................... 1 Christentum und antike Bildung: Forschungsstand und Fragestellung ..... 5 Ein urchristliches Spannungsfeld – Norm und Wirklichkeit ....................... 5 Zur Erforschung von „Christentum und Bildung“ seit Marrou ............... 11 Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung ............................................... 20 Aufriss der Untersuchung ............................................................................... 24

I.

Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

1. 1.1. 1.2. 1.3.

Die Organisation des antiken Schulunterrichts ........................................... Das klassische Modell des „dreigliedrigen Schulsystems“ ......................... Differenzierungen: Terminologie, Urbanität und soziale Schichtung ...... Ein revidiertes Modell als Ergebnis der neueren Forschung? ...................

27 28 29 33

2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4.

Grundzüge des antiken Schulunterrichts ...................................................... Elementarunterricht ......................................................................................... Grammatik ........................................................................................................ Rhetorik ............................................................................................................. ᾿Εγκύκλιος παιδεία und artes liberales ...............................................................

35 36 39 43 46

3. 3.1. 3.2. 3.3.

Die gesellschaftliche Funktion der Schulbildung ........................................ Ansehen und Stellung der Lehrer .................................................................. Der römische Staat und das Bildungswesen ................................................ Das Ideal des litteratus als soziales Regulativ .................................................

52 52 54 57

II.

Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

1.

Literarische Bildung bei lateinischen Theologen im 2. und 3. Jahrhundert ................................................................................. 1.1. Rhetorik im Dienst der Polemik: Tertullian ................................................. 1.1.1. Tertullian und die Institutionen der römischen Schulbildung ................... 1.1.2. Tertullian und die Formkultur der antiken Rhetorik .................................. 1.1.3. Tertullian und die Inhalte der antiken Bildung ............................................ 1.2. Bildung als verbindendes Element: Minucius Felix .................................... 1.3. Konversion als Lebenswende: Cyprian von Karthago ...............................

63 63 64 69 73 81 90

X

2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4.

Inhaltsverzeichnis

Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung .................. 97 Christlich-hellenistische „Schulen“ in Rom ................................................. 97 Ein Denker geistiger Harmonie: Justin ....................................................... 101 Ein „Barbarenphilosoph“: Tatian ................................................................ 104 Bildung als Thema antihäretischer Autoren: Hippolyt und Irenäus ....... 108

3. Christen als Schüler und Lehrer in vorkonstantinischer Zeit .................. 114 3.1. Sozialgeschichtliche Anmerkungen zur Bildung der frühen Christen .... 114 3.2. Vor der „konstantinischen Wende“: Eine ungelöste Frage ..................... 123

III. Christentum und Bildung in der Spätantike 1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft ................. 1.1. Die Ausbreitung des Christentums nach der „konstantinischen Wende“ ........................................................... 1.2. Die Christianisierung der oberen Gesellschaftsschichten ........................ 1.3. „Heiden“ und Christen im römischen Senat: Koexistenz und Konflikt .............................................................................. 1.3.1. Der Streit um den Victoria-Altar ................................................................. 1.3.2. Die Usurpation des Eugenius .......................................................................

152 152 161

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung .............................. 2.1. Bildung in öffentlicher Darstellung: Grabepigraphik ............................... 2.1.1. Grabinschriften für Kinder und Heranwachsende ................................... 2.1.2. Eloquium und mores ......................................................................................... 2.1.3. Eloquium und pietas ......................................................................................... 2.1.4. Die Eloquenz des Bischofs ........................................................................... 2.2. Bildung als verbindendes Element: Epistolographie ................................ 2.2.1. Das Briefgenos und seine Topik .................................................................. 2.2.2. Bildung als Thema brieflicher Kommunikation ........................................ 2.2.3. Veröffentlichte Kommunikation: Briefsammlungen und Briefpartner . 2.3. Bildung als Hinterlassenschaft „weltlichen“ Lebens: Hagiographie ....... 2.3.1. Formale Aspekte der spätantiken Heiligenvita .......................................... 2.3.2. Gebildete Mönche? ........................................................................................ 2.3.3. Gebildete Bischöfe .........................................................................................

165 165 167 172 176 179 184 187 201 223 244 246 254 276

3.. 3.1. 3.2. 3.3.

307 307 320

Dürfen Kleriker gebildet sein? Amtsträger und pagane Bildung ............ Dürfen Kleriker „heidnische“ Bücher lesen? ............................................. Ein Leitbild der Predigt: der sermo piscatorius ............................................... Vom Nutzen der Rhetorik für die Predigt: Augustin, De doctrina christiana .......................................................................

129 131 137

337

Inhaltsverzeichnis

XI

4. Christen als Lehrer im Schulsystem der Spätantike .................................. 350 4.1. Dürfen Christen Lehrer sein? Das Schulgesetz Julians ............................ 351 4.2. Christliche Lehrer in der lateinischen Spätantike ...................................... 367 4.2.1. Magistri ludi ...................................................................................................... 368 4.2.2. Grammatici ......................................................................................................... 371 4.2.3. Rhetores .............................................................................................................. 384 5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht .................... 5.1. Der Grammatikunterricht und die Dichter ................................................ 5.1.1. Wesen und Nutzen der Grammatik ............................................................ 5.1.2. Sprachrichtigkeit versus Glaubenseinsicht? ............................................... 5.1.3. Wertschätzung und Kritik der Dichter ....................................................... 5.2. Der Rhetorikunterricht und die Redner ..................................................... 5.2.1. Der „Krieg vor Gericht“ ............................................................................... 5.2.2. Innerchristliche Kontroversen um die Rhetorik ....................................... 5.2.3. Lob christlicher Rhetoren ............................................................................. 5.3. Bildung aus eigenen Quellen? ....................................................................... 5.3.1. Geistliche Belehrung aus eigenen Quellen ................................................. 5.3.2. Konversion der Gebildeten .......................................................................... 5.3.3. Konversion der Bildung ................................................................................ 5.3.4. Pagane Bildung als Propädeutik des Glaubens ..........................................

395 397 397 401 411 417 417 431 442 448 451 465 470 481

Zusammenfassung und Ausblick 1. 1.1. 1.2. 1.3. 1.4.

Etappen der Reflexion über Bildung ........................................................... Apologetik zwischen Werbung und Abgrenzung ..................................... Orientierungsverunsicherung nach der „konstantinischen Wende“ ...... Bildung als Merkmal christlicher Identität – das 5. Jahrhundert ............. Bildungspessimismus und Bewahrungsstreben – das 6. Jahrhundert ....

488 488 490 492 493

2. 2.1. 2.2. 2.3.

Gesellschaftliche und kirchliche Bedeutung von Bildung ........................ Christen in der römischen Oberschicht ...................................................... Kirchliche Amtsträger ................................................................................... Christen als Schüler und Lehrer ...................................................................

494 494 496 498

3. 3.1. 3.2. 3.3.

Gattungen und Diskurse der Bildungsdiskussion ..................................... Rezeption und Transformation antiker Literaturgattungen ..................... Zwischen Hinnahme und Kritik .................................................................. Die Kirche als Schola christiana? .....................................................................

500 500 503 506

4.

Ausblick ........................................................................................................... 508

Bibliographie .............................................................................................................. 513

XII

Inhaltsverzeichnis

Register 1. 2.

3. 4. 5.

Biblische Schriften ......................................................................................... Antike Quellen ................................................................................................ a) Pagane und christliche Autoren ............................................................... b) Rechtsquellen ............................................................................................. c) Inschriften ................................................................................................... Antike Personen ............................................................................................. Moderne Autoren ........................................................................................... Begriffe, Orte, Sachen ...................................................................................

549 551 551 574 575 577 584 590

Einleitung 1. Christentum und Antike „Warum hat das Christentum in der Antike überlebt?“ Diese Frage stellt Christoph Markschies 2001 in seiner Heidelberger Antrittsvorlesung1 und beantwortet sie nicht mit einem, sondern gleich mit sieben je für sich gewichtigen Gründen: Entscheidend gewesen seien das Auftreten von Heiligen und Märtyrern und die Offenheit des Christentums für alle Menschen ohne soziale, bildungsmäßige oder ethnische Barrieren; weiterhin die Attraktivität für Intellektuelle und die Überzeugungskraft der christlichen Ethik, der sozialdiakonische Impuls und die in Taufe und Buße veranschaulichte Heilsverheißung. Schließlich habe das Christentum ein neues „Einheitsgefühl“ angesichts der schleichenden Desintegration des Imperium Romanum zu wecken vermocht. Dies zeige sich nicht nur an der institutionellen Flexibilität, die den Untergang der römischen Administration überstand, und an der Einheit von religiöser Praxis und intellektueller Reflexion, sondern auch daran, dass das Christentum „so viele Elemente der antiken Kultur synthetisiert hatte“, dass zwischen christlichen und paganen Identitätsmustern hinreichende Kontinuität bestand, um die christliche Frömmigkeit, Theologie und Ethik trotz aller Unterschiede als attraktiv erscheinen zu lassen. Gerade der letztgenannte Bereich, die Aneignung und Transformation der antiken Kultur, zieht seit jeher ganz unterschiedliche Bewertungen auf sich. Johannes Geffcken konstatierte 1920, „daß die Elemente der höheren hellenistischen Kultur sich mehr an der Peripherie des Christentums halten und den Charakter des Zufälligen und Sporadischen, des Unbewußten und Unbeabsichtigten tragen.“2 Selbst wenn später eine „Hellenisierung“ des Christentums eingetreten sei, sei dies nicht das „Einströmen des Griechentums, des griechischen Geistes, und die Verbindung des Evangeliums mit ihm“, nach Adolf von Harnack „die größte Thatsache in der Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts“.3 Für Geffcken bewahrte das Christentum seine Eigenart: Wenn „jene alte Kultur auch in neuer Erscheinung fort[lebte]“ und „manch edles Kleinod ins neue Haus hinübergerettet“ wurde4, steht doch im Vordergrund der erfolgreiche „Kampf des Christentums mit dem innigen Glauben 1

MARKSCHIES 2004; das Folgende paraphrasiert aaO. 44–56; hiernach auch die Zitate. GEFFCKEN 1920, 227. 3 V ON H ARNACK 1900, 194 (Elfte Vorlesung). 4 G EFFCKEN 1920, 3. 2

2

Einleitung

der heidnischen Massen, mit der Überzeugung der führenden Geister“5, der höher einzuschätzen sei als der Widerstand gegen die römische Staatsgewalt. Die Vorstellung eines Kampfes zwischen Christentum und Heidentum genoss über Jahrzehnte hinweg große Prominenz; so fragte 1964 Joseph Bernhart, „wie das Heidentum dem Christlich-Neuen erliegen und gleichwohl seine höchsten Güter in der Kirche bergen konnte“6, und Jelle Wytzes veröffentlichte 1977 eine Untersuchung über den Streit um den Victoria-Altar zwischen Symmachus und Ambrosius (384) unter dem Titel: „Der letzte Kampf des Heidentums in Rom“.7 Auch wo eine kriegerische Metaphorik vermieden wird, wirkt die Vorstellung einer fundamentalen Distanz zwischen Christentum und Antike fort, so Christian Gnilka mit dem Konzept einer „Chrêsis“, der bewusst kritischen Selektion paganer Kulturgüter, die beim Umgang der Kirchenväter mit der antiken Kultur maßgebend gewesen sei.8 Nach Friedrich Prinz war das Christentum, wollte es seinem missionarischen Impuls gerecht werden, darauf angewiesen, „sich auf die umgebende, pagane, griechischlateinische Kulturwelt und ihre Werte einzulassen“, um sich gegen diese Umwelt durchzusetzen.9 Zu beschreiben sei „das Schicksal der paganen klassischen Kultur nach dem endgültigen Sieg der christlichen Kirche… mit dem kunsthistorischen Begriff der Spolie“, d.h. eines dekontextualisierten Überrestes, der nun in ganz anderer, dem ursprünglichen Zweck fremder Weise Verwendung finde.10 Eine solche Rezeption antiker Kultur durch das Christentum wurde schon 1888 von Friedrich Nietzsche als Grundübel der Menschheitsgeschichte beschrieben: „Das Christentum hat uns um die Ernte der antiken Kultur gebracht“11; seine Antwort auf die Frage, warum das Christentum in der Antike überlebt habe, lautet: „Das Christentum war der Vampyr des imperium Romanum – es hat die ungeheure Tat der Römer, den Boden für eine große Kultur zu gewinnen, die Zeit hat, über Nacht ungetan gemacht.“12 5

GEFFCKEN 1920, 1. BERNHART 1964, 7. 7 Repräsentativ für diese Perspektive ist der Sammelband: The Conflict between Paganism and Christianity in the fourth Century, hg. von Arnaldo MOMIGLIANO, Oxford 1963. 8 Vgl. GNILKA 1984, 12f.: „Die durch die christliche Religion bewirkte Metamorphose der mittelmeerischen Kultur ist ihrerseits das Ergebnis bewusst gestaltender, umformender Arbeit, ist das Resultat sorgsam auswählender, prüfender, sichtender und sondernder, kurzum: diakritischer Anstrengung.“ Vgl. auch BLÜMER 1991, 5: „Die christlichen Denker der Spätantike hatten hinsichtlich ihres Umgangs mit der antiken Kultur klare Vorstellungen: Nach dem Prinzip der ‚Chrêsis‘, des rechten Gebrauchs (lat. usus iustus) sollte der Christ die bewußte Nutzung der antiken Bildungsgüter ausüben.“ Zur Kritik s.u. S. 15f.; 20 Anm. 71. 9 PRINZ 2000, 46. 10 PRINZ 2003, 302. 11 Friedrich N IETZSCHE , Der Antichrist. Fluch auf das Christentum [1888/erschienen 1895], in: DERS., Werke, hg. von Karl SCHLECHTA, Bd. II, München 1955 = Darmstadt 1997, 1161–1235, hier 1232 Nr. 60. 12 Ebd. 1229 Nr. 58. 6

Einleitung

3

Es fehlt freilich in der altertumswissenschaftlichen und kirchenhistorischen Forschung nicht an Stimmen, die das Verhältnis von Antike und Christentum anders rekonstruieren: „Das Christentum ist von Geburt her antik“, so Jacques Fontaine.13 Nach Peter Brown beruht „der von vielen modernen Gelehrten verbreitete Eindruck, das 4. nachchristliche Jahrhundert sei durch eine allgemeine und bewußte Auseinandersetzung zwischen Christentum und Heidentum charakterisiert gewesen, weitgehend auf der geschickten Darstellung, welche christliche Historiker des 5. Jahrhunderts der römischen Welt vermittelten.“ Tatsächlich ergebe sich erst aus der Retrospektive ein religiöser und kultureller Konflikt: „Die Heiden sollten einfach wissen, daß es einen Krieg gegeben hatte und daß sie besiegt worden waren.“14 Auch Averil Cameron fragt, ob die in der christlichen Apologetik betonte Differenz zwischen christlicher und paganer Kultur nicht nur ein literarisches Konstrukt sei: „The prominence of the notion of the difference between Christian and pagan expression in the work of the Christian writers themselves is to be read as a rhetorical device and a symptom of adjustment rather than as a description of a real situation.“15 Neuere Arbeiten schenken daher vermehrt den Kontinuitäten und Interdependenzen von Christentum und Antike Aufmerksamkeit.16 Die zitierten Urteile, die sich in beiden Richtungen vermehren ließen, deuten auf eine Grundspannung hin, die das christliche Schrifttum der Antike und die Geschichte seiner Erforschung prägt: Das Christentum war Teil seiner Welt – und unterschied sich doch seinem eigenen Selbstverständnis nach fundamental von ihr. Aus der Perspektive der Umwelt handelte es sich um eine neue, dem Judentum verwandte, in erstaunlicher Geschwindigkeit im römischen Reich verbreitete Religion; von innen her gesehen waren die Christen nicht Anhänger einer, sondern der wahren Religion des einen und einzigen Gottes, was Konsequenzen für das Alltagsleben und für die Haltung zu anderen Kulten hatte. Die Differenz trat um so deutlicher hervor, je prekärer die Lage der Christen war: Angesichts von Verfolgungen war leicht zu erkennen, wer ein standhafter Anhänger Christi, ein Märtyrer oder Konfessor war. Es ist daher kein Zufall, dass sich seit dem Ende der Verfolgungen zu Beginn des 4. Jahrhunderts die Stimmen in der Kirche mehrten, die mangelnde Entschiedenheit und lebenspraktische Konsequenz bei der anwachsenden Masse von Konvertiten beklagten, während das Mönchtum den asketischen 13

FONTAINE 1982, 11. BROWN 1995, 165. 15 Av. C AMERON 1991, 7; vgl. die ausführlichen Erläuterungen dazu: aaO. 15–46. 16 Vgl. Carl A NDRESEN , in: TRE 3 (1978), 50–99; Edwin A. J UDGE , in: ANRW II 23,1 (1979), 3–58, bes. 41–47; Spätantike und Christentum. Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, hg. von Carsten COLPE u.a., Berlin 1992; Heiden und Christen im 5. Jahrhundert, hg. von Johannes VAN OORT/Dietmar WYRWA (SPA 5), Leuven 1998; Approaching Late Antiquity. The Transformation from Early to Late Empire, hg. von Simon S WAIN/Mark EDWARDS, Oxford 2004. 14

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Gegenentwurf zu den entstehenden – sit venia verbo – „volkskirchlichen“ Strukturen bot.17 Was in der Darstellung durch spätantike christliche Autoren als Verwischen der Distinktion erscheint, lässt sich daher als Indikator wachsender Integration in die bzw. Assimilation an die „heidnische“ Umwelt deuten – was für die Zeitgenossen die Schwierigkeit mit sich brachte, trennscharf zwischen „christlich“ und „heidnisch“ zu unterscheiden.18 Dies bedeutet, dass weder einfach das Imperium Romanum „christianisiert“ noch das Christentum „hellenisiert“ respektive „romanisiert“ wurde.19 Jenseits konkreter Verfolgungssituationen und erst recht nach deren Abebben lebten Christen und Nichtchristen zumeist friedlich Tür an Tür – und es war für die Zeitgenossen nicht von vorneherein ausgemacht, in welchen Hinsichten die genannte Unterscheidung zu treffen möglich, sinnvoll oder notwendig war. Ein Bereich, an dem dies exemplarisch deutlich wird, ist die Schulbildung. Der Alphabetisierungsgrad in der antiken Gesellschaft war moderat; nur eine Minderheit der Bevölkerung hatte überhaupt eine Schule besucht, davon wiederum nur ein kleiner Teil weiterführende Bildung beim Grammatiker und Rhetor genossen. Nichts deutet darauf hin, dass Christen sich darin von ihren Zeitgenossen unterschieden hätten. Dennoch lässt sich von dem Moment an, als christliche Autoren zu reflektieren begannen, wie das Christentum sich in die antike Gesellschaft einfügen sollte, eine intensive Diskussion über die Partizipation an der Schulbildung und deren Konsequenzen für christliches Leben und Denken beobachten. In der Kritik standen einerseits die in der hellenistischen und römischen Schule als Lernstoff behandelten Texte, die als „heidnisch“ beurteilt wurden: Homer, Euripides, Menander und Demosthenes in der griechischen, Vergil, Terenz, Sallust und Cicero in der lateinischen Schule. Problematisiert wurde aber auch die soziale Bedeutung der Schulbildung, die in der Einweisung des Schülers in die bestehende Gesellschaftsordnung mit ihren traditionellen Werten und Hierarchien bestand. Andererseits wurde solche Kritik durchweg von Autoren vorgetragen, die ihr eigenes Bildungsniveau nicht verleugnen konnten und oftmals auch gar nicht verleugnen wollten; und die Beständigkeit der Debatte über Jahrhunderte hinweg lässt vermuten, dass die vielfach wiederholten bildungskritischen Argumente für viele Christen keineswegs restlos überzeugend waren. In Abgrenzung zur Rede von einer „Auseinandersetzung“ zwischen Antike und Christentum hat Jacques Fontaine gerade die Schule als Ort der „Ineinandersetzung“ von antiker Kultur und christlichem Glauben bezeichnet.20 Mag dies auch wiederum eine Überpointierung der Kontinuität sein, die Rele17 Zur innerkirchlichen Diskussion über „gute“ und „schlechte“ Christen: PIEPENBRINK 2005, 125–161; zum Verständnis der Konversion seit dem 4. Jh. vgl. KREIDER 2001. 18 Dazu jetzt PIEPENBRINK 2005, 16f. 19 Vgl. dazu bes. die Arbeiten von M AC M ULLEN 1984; 1997; 2001 und L ANE FOX 1987. 20 F ONTAINE 1982, 17.

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vanz der Thematik wird daran doch deutlich: Die Frage nach der Partizipation von Christen als Lehrer und als Schüler an der zeitgenössischen Schulbildung, verbunden mit einer Analyse der theologischen und kulturkritischen Reflexion über Bedeutung und Gefahren von Bildung, kann in paradigmatischer Weise zur Klärung beitragen, wie und weshalb das Christentum in der Antike überlebt hat. Anhand der Schulbildung lässt sich nachzeichnen, dass und weshalb die Differenz von „christlich“ und „heidnisch“ kontext- und themengebunden war, mit anderen Worten: dass und warum sich das Christentum nur innerhalb seiner Umwelt von dieser unterscheiden konnte.

2. Christentum und antike Bildung: Forschungsstand und Fragestellung 2.1. Ein urchristliches Spannungsfeld – Norm und Wirklichkeit Im 11. Jahrhundert verfasste ein normannischer Dichter folgende Zeilen: „Den Gerechten, nicht den Philosophen, gewährt Christus den Siegespreis; bäurisch einfach bist du, gerecht sollst du sein, selig wirst du werden. Ein Philosoph war Varro, ein Fischer Petrus – und siehe: Petrus gehört der Himmel, für Varro bleibt die Unterwelt.“21

In diesen Versen kommt eine Denkfigur zum Ausdruck, deren Geschichte bis zu Tertullian hinabreicht: Christus habe nicht Philosophen, allgemeiner: Gebildete (wie Varro), sondern Fischer, also illiterate Männer (wie Petrus) zur Verkündigung des Reiches Gottes gesandt.22 Dass Petrus und Andreas Fischer waren, spricht Mk 1,16f. in der Tat unzweideutig aus; und Paulus’ Kritik an der „Weisheit dieser Welt“ schließt neben dem „Weisen“ (σοφός) und dem, „der über diese Weltzeit disputiert“ (συζητητὴς τοῦ αἰώνος τούτου), auch den „Schriftkundigen“ (γραµµατεύς) ein (1 Kor 1,20). Entsprechend liest man im „Neuen Pauly“, dass „Jesus und seine Jünger der ant(iken) Bildung fern[standen]. Die ‚Fischersprache‘ der Bibel und rusticitas und simplicitas der Christen – überwiegend einfacher Leute – blieben lange geschmäht.“23 21 (Ps.-) Anselm von Canterbury, carmen de contemptu mundi (PL 158, 701BC): „Et justis, non philosophis, dat praemia Christus, / rusticus es, justus esto, beatus eris. / Philosophus Varro, Petrus piscator et ecce / Petrus habet coelum, tartara Varro tenet.“ 22 Vgl. Tert. anim. 3,3 (CChr.SL 2, 785,17f. Waszink) im Zuge einer Polemik gegen sämtliche Philosophen: „Errauit et Christus piscatores citius quam sophistam ad praeconium emittens.“ Zum Motiv des sermo piscatorius vgl. HAGENDAHL 1959; MADEC 1974, 214–224; MAC MULLEN , 1997, 87–89 mit 206f. Anm. 28–36; BAMBECK 1983; s. auch unten S. 332-337. 23 Johannes CHRISTES , Bildung, in: DNP 2 (1997), 663–673, hier 671; ähnlich DERS ., Erziehung, in: DNP 4 (1998), 110–120, hier 117: „Christl. E(rziehung) ist urspr. die E. einfacher Leute und schlichter Gemüter, denen ein Leben nach der regula fidei die ewige Glückseligkeit verheißt“; zu ähnlichen Urteilen seit Franz OVERBECK vgl. MÜLLER 2002, 17–19.

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Nun es trifft zwar zu, dass die Christen von Kritikern wie Celsus und Porphyrius als ungelehrte und ungebildete Menschen dargestellt wurden24; dass diesen mit Streitschriften auf hohem rhetorischem Niveau begegnet wurde, lässt allerdings ebenso aufmerken wie das Bemühen christlicher Apologeten, sich gerade nicht in eine bildungsferne Ecke abdrängen zu lassen. Verteidigt wird – pointiert ausgedrückt – nicht Dummheit, sondern Einfältigkeit in geistlichem Sinne: Dass die Wege Gottes den „Unmündigen“ (νήπιοι) und nicht den „Weisen und Klugen“ (σοφοὶ καὶ συνετοί) offenbart worden seien (Mt 11,25), setzt die „Unverbildeten“ in Gegensatz zu denen, die sich allein auf ihre Weisheit oder Klugheit verlassen, im Anschluss an Jes 29,14 LXX: Gott werde mit seinem Volk so umgehen, dass die „Weisheit der Weisen“ (σοφία τῶν σοφῶν) und die „Klugheit der Klugen“ (σύνεσις τῶν συνετῶν) versagen müsse. Mit vergleichbarer Stoßrichtung wirft Paulus den Juden vor, sie verließen sich allein auf ihre Kenntnis des Gesetzes, um „Erzieher der Unverständigen und Lehrer der Unmündigen“ zu sein (Röm 2,20: παιδευτὴς ἀφρόνων, διδάσκαλος νηπίων), und ebenso kritisiert er die korinthischen „Pneumatiker“ aufgrund ihres Vertrauens in das eigene Erkenntnisvermögen.25 Diese Linie urchristlicher Bildungskritik beschreibt Hieronymus dreihundert Jahre später mit dem Begriff der „sancta simplicitas“: eine „heilige Einfalt“, die ebenso von schulmäßiger Rhetorik wie von wortreicher Plumpheit („uerbosa rusticitas“) zu unterscheiden ist.26 Bereits für die Diskussion des Paulus mit den Korinthern ist daher nicht eine simple Antithese „Bildung vs. Unbildung“ leitend, sondern die Frage, welche Bildung dem einzelnen Christen und der Christenheit insgesamt zuträglich ist und wie sich dies zu existierenden Wegen, Bildung zu erwerben und einzusetzen, verhält. Nach 1 Kor 1,26 sind zwar „nicht viele Weise (σοφοί), nicht viele Mächtige (δυνατοί) und nicht viele Abkömmlinge angesehener Familien (εὐγενεῖς) berufen“ – offenbar gab es aber auch solche unter den 24

Zu Celsus vgl. unten S. 358 mit Anm. 34. Porphyrius stellte kritisch zu den Evangelisten fest, dass in Mk 1,1f. die Ankündigung Jesu allein dem Propheten Jesaja in den Mund gelegt werde, während die zitierten Worte von Maleachi stammten (tatsächlich handelt es sich um eine Zitatcollage aus Mal 3,1 und Jes 40,3), und leitete daraus die Polemik ab (contra Christianos frg. 9; 48 Harnack = Hier. tract. in Marc. 1,1–12; CChr.SL 78, 452,33–36 Morin): „Euangelistae tam inperitit fuerunt homines, non solum in saecularibus, sed etiam in scripturis diuinis, ut testimonium quod alibi scriptum est, de alio ponerent propheta.“ 25 Zur altkirchlichen Auslegung von 1 Kor 1,20 vgl. VON CAMPENHAUSEN 1960, 21–28 und bes. SCHRAGE 1991, 192: Die zitierte Stelle sei „mehr als Aspekt denn als kritisches Vorzeichen der Theologie verstanden“ worden und habe ihre Wirkung vor allem in „antihäretisch-antidoketischem“ Zusammenhang und „in der altkirchlichen Auseinandersetzung mit der heidnischen Philosophie und Rhetorik“ entfaltet (aaO. 193), so bei Iren. haer. II 26,1 (FC 8/2, 214,3–25 Brox) und bei Tertullian, der mit seiner Erklärung der Kreuzesbotschaft: „credibile est, quia ineptum est“ (carn. 5,4; CChr.SL 2, 881,28 Kroymann) „eine Art negative natürliche Theologie“ biete (ebd.); vgl. hierzu auch F REDOUILLE 1972, 331–333. 26 Hier. ep. 57,12,4 (zit. S. 456). Zu Paulus’ eigener Bildung vgl. V EGGE 2006, 343–424.

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Christen. Stil und Sprache der paulinischen Briefe indizieren, dass bei den Adressaten die schulische Elementarbildung jedenfalls vorauszusetzen ist.27 Und auch bei den „Fischern“ selbst ist Vorsicht geboten: Wenn in Apg 4,13 Petrus und Johannes mit ihrer freimütigen Rede (παρρησία) deshalb Eindruck machen, gerade weil sie als ἄνθρωποι ἀγράµµατοι καὶ ἰδιῶται gelten, bedeutet das nach antikem Verständnis nicht, dass sie Analphabeten waren (s. S. 57f.). sondern dass sie nach den Maßstäben zeitgenössischer Schulbildung „illiterat“, d.h. keine Inhaber von παιδεία, waren – und deshalb gar nicht zu kunstgerechter und wirkmächtiger öffentlicher Rede befähigt sein dürften!28 Das Wortfeld παιδεία spielt im Neuen Testament keine maßgebliche Rolle29, begegnet aber schon in 1 Clem 21,8 in herausgehobener Bedeutung: Die Wortverbindung παιδεία ἐν Χριστῷ deutet ein Bewusstsein dafür an, dass christliches Leben für pädagogisches Handeln offen ist.30 Das ist gewiss keine „Umarmung der Antike“, in der die schroffe Antithese von 1 Kor 1,18ff. aufgehoben wäre.31 Vielmehr entstammt das Wortfeld παιδεία/παιδεύειν im ersten Clemensbrief der Septuaginta und ist zunächst als „Zurechtweisung“ oder „Züchtigung“ zu interpretieren, was auch für die παιδεία κυρίου in Eph 6,4 gilt.32 Wenn die Christen „durch deinen geliebten Sohn Jesus Christus 27 Vgl. S ÄNGER 2005, 85.88f.; zu 1 Kor 1,26 s. auch M ÜLLER 2002, 21. Leider behandelt SCHMELLER 2001, 68f. die Schulen unterhalb des Philosophieunterrichts nur summarisch und fragt nicht nach der Bildung der neutestamentlichen Autoren und ihrer Leserschaft. 28 Vgl. G AMBLE 1995, 9. Auf diese Stelle der Apg berief man sich später zur Hervorhebung der christlichen Unverbildetheit: Orig. Cels. VIII 47 (GCS Origenes II, 262,16f. Koetschau); Hier. in Matth. 4,19 (CChr.SL 77, 23,404–407 Hurst/Adriaen); Aug. civ. XVIII 49 (CChr.SL 48, 647,15–18 Dombart/Kalb). Auch Ignat. Ant. Magn. 8,1 (194,24f. Lindemann/ Paulsen: Μὴ πλανᾶσθε ταῖς ἑτεροδοξίαις µηδὲ µυθεύµασιν τοῖς παλαιοῖς ἀνωφελέσιν οὖσιν) belegt nicht – wie bei KRAUSE 1958, 62 – die Verwerfung des Schulunterrichts; dem Kontext nach geht es hier um kritische Rezeption der alttestamentlichen Literatur, besonders der Prophetenschriften! Vgl. auch die Beiträge zum Bildungswesen von Peter MÜLLER, Reinhard VON BENDEMANN und Ralph B RUCKER in: Neues Testament und antike Kultur II, 234–244. 29 Wohingegen an zahlreichen Stellen von διδάσκειν und διδάσκαλοι die Rede ist; dazu MÜLLER 2002, 23f. Die Didache bezeugt um 100 die Ablösung charismatischer Wanderlehrer durch kirchliche Amtsträger (vgl. Did. 11,1f.; 15,1f.; FC 1, 126,5–9; 134,4–10 Schöllgen). Der christliche διδάσκαλος erlebte im 2. Jh. seine „Blütezeit“, bevor eine Entwicklung hin zum lehrenden Bischof einsetzte, die einen in der Gemeinde lehrenden Laien wie Didymus von Alexandrien am Ende des 4. Jh.s als Ausnahme erscheinen lässt (NEYMEYR 1989, 237). 30 1 Clem 21,8 (106,4f. Lindemann/Paulsen): τὰ τέκνα ἡµῶν τῆς ἐν Χριστῷ παιδείας µεταλαµβανέτωσαν. 31 Die zitierte Wendung benutzt S TOCKMEIER 1967, 125, der aber selbst notiert, dass die Belegung des Wortfeldes noch keine inhaltliche Kongruenz bedeuten muss. 32 Vgl. 1 Clem 56,3 (140,4 L./P.) = Ps 117,18 LXX: παιδεύων ἐπαίδευσέν µε ὁ κύριος („Schwer gezüchtigt hat mich der Herr“); 1 Clem 56,4 (140,5) = Prv 3,12: ὃν γὰρ ἀγαπᾷ κύριος παιδεύει („Wen der Herr liebt, den züchtigt er“); vgl. weiterhin 1 Clem 56,2.16; 57,1 sowie Hipp. Dan. III 10,4 (GCS N.F. 7, 156,7 Richard) zu Dan 4,20.23: τοῦτο γὰρ πρὸς παιδείαν ἐγένετο τῷ βασιλεῖ. Zu Eph 6,4 vgl. JENTSCH 1951, 189-193 und LINDEMANN 2001,

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erzogen, geheiligt, geehrt“ worden seien33, lässt dies schon eher an Gottes orientierendes Einwirken auf den Menschen als an sein Strafhandeln denken. Vollends gilt dies, wenn am Schluss die Adressaten als Menschen erscheinen, „die gläubig sind und hochangesehen und die sich vertieft haben in die Aussprüche der Unterweisung Gottes“.34 Der Verfasser inszeniert demnach „seinen ganzen Brief als einen Akt christlicher Erziehung“, so Werner Jaeger.35 Die „Hellenisierung des Christentums“ ist hier bereits zu einem ersten Ergebnis gekommen: Der Begriff der παιδεία ermöglicht dem Christentum sowohl den Anschluss an den Sprachgebrauch der Septuaginta als auch an die hellenistische Bildungstradition. Dann aber ist eine Unterscheidung zwischen Christentum und Antike, die erst nachträglich überbrückt worden sei, problematisch: Die Verwobenheit des Christentums in die antike Welt und die Kritik an dieser „Weltlichkeit“ sind gleichursprünglich.36 Entsprechend kann an die antike Bildung angeknüpft und zugleich daran Kritik geübt werden: In Aufnahme der Areopagrede des Paulus (Apg 17,22– 31) lässt der Verfasser der Philippus-Akten im 4. Jahrhundert seinen Helden ebenfalls auf dem Areopag verkünden, er sei bereit, wie zuvor Paulus den Wunsch der Athener nach intellektuell Neuem zu erfüllen: „Denn mein Herr brachte eine Paideia, die neu und jugendfrisch ist, in die Welt, damit alle weltliche Paideia vertilgt würde!“37

119, wonach „hier jedenfalls ansatzweise von einer ‚christlichen Erziehung‘ gesprochen“ werde; κυρίου ist gen. obj.: „Die Kinder sollen ‚lernen‘, was man ‚in bezug auf den Herrn‘ wissen muss.“ Vgl. u. S. 310f. zur Auslegung der Stelle bei Hieronymus und Pelagius; zum Verhältnis von klassischer παιδεία und παιδεία κυρίου allgemein: SCHWENK 1992, 150f. 33 1 Clem 59,3 (144,13 L./P.): δι᾿ οὗ ἡµᾶς ἐπαίδευσας, ἡγίασας, ἐτίµησας. 34 1 Clem 62,3 (148,15f. L./P.): ἐπειδὴ σαφῶς ᾔδειµεν γραφεῖν ἡµᾶς ἀνδράσιν πιστοῖς καὶ ἐλλογιµωτάτοις καὶ ἐγκεκυόσιν εἰς τὰ λόγια τῆς παιδείας τοῦ θεοῦ. 35 J AEGER 1963, 18; vgl. auch L AMPE 1987, 174–182. Zur Konvergenz von παιδεία als „sittlicher Durchbildung des ganzen Menschen nach einem so oder so gearteten philosophischen Ideal“ und παιδεία κυρίου als Ausdruck des „erziehenden Handeln Gottes am Menschen“ vgl. RUHBACH 1974, 294f.; ähnlich bereits STOCKMEIER 1967, 124f. und jetzt VIELBERG 2000, 79: „Der erste Klemensbrief wird nicht nur vom Gedanken der Paideia getragen, sondern der traditionelle Erziehungsgedanke in diesem Mahnschreiben an die Gemeinde von Korinth auch in der Formel einer παιδεία ἐν Χριστῷ (1. Clem. 21,8) zu einem soteriologischen Paideiakonzept fortentwickelt.“ Pseudo-Clemens verbinde „zum ersten Mal alttestamentlich-theonomes, griechisch-anthropozentrisches und römisch-kommunitarisches Bildungsdenken in der Formel einer παιδεία ἐν Χριστῷ“ (aaO. 81). 36 Vgl. W YRWA 1991, 48–53; BRENNECKE 1995, 394. R APPE 2001, 410 sieht „the formation of a hybrid Christian-pagan culture even in the earliest stages of Christian education.“ 37 Acta Philippi 8[3] (AAAp II/2, 5,1–3 Bonnet): Καὶ γὰρ παιδείαν ὄντως νέαν καὶ καινὴν ἤνεγκεν ὁ κύριός µου εἰς τὸν κόσµον, ἵνα πᾶσαν ἐξαλείψῃ κοσµικὴν παιδείαν. Die Acta Philippi entstanden wohl im 4. Jh. in Kleinasien in enkratitischem Milieu (Georg RÖWEKAMP, in: LACL, 32002, 573–575, hier 574). Zu Apg 17 s. LINDEMANN 2001, 109f.: Dem lukanischen Paulus „gelingt es wie selbstverständlich, ‚klassische‘ Bildung, biblische Tradition und das

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Das Bewusstsein einer fundamentalen Spannung führt also gerade nicht dazu, den Begriff der Paideia und dessen Inhalt aufzugeben.38 Das Christentum der nachneutestamentlichen Zeit samt der von ihm hervorgebrachten Literatur entstand in diesem Spannungsfeld aus Kritik, Rezeption und Transformation. Zweifellos gab es in der frühen Kirche viele „Fischer“, Menschen ohne oder mit moderater Bildung. Aber Apologeten wie Athenagoras und Justin sahen sich durchaus als Philosophen und nahmen für das Christentum in Anspruch, eine kommunizierbare und wahrheitsfähige Lehre zu vertreten, also eine – und zwar die wahre – Philosophie. Zwischen diesen beiden Polen – der nur schemenhaft erkennbaren breiten Masse ungebildeter Christen und dem apologetischen Schrifttum auf hohem Niveau für eine kleine geistige Elite – liegt das Terrain schulischer Bildung, d.h. einer Bildung, die in institutionell geregelter Form und anhand festgefügter Curricula vermittelt wurde. Wenig spricht für eine prinzipielle Bildungsabstinenz des frühen Christentums, viel für eine weitgehende Einbindung in das soziale und kulturelle Leben seiner Umwelt und damit auch in die Bildungsvorstellungen der Antike. Als in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts der Schulbesuch erstmals thematisiert wurde, geschah dies bei Tertullian sogleich im Rahmen einer grundsätzlichen Verhältnisbestimmung von christlichem Leben und antiker Bildung, die für „heidnisch“ erklärt wurde – wohl nicht nur zum Erstaunen der Nichtchristen, sondern auch mancher Christen in Karthago (s.u. S. 63–81). Mit der Behaftung der im Unterricht verwendeten Literatur auf der Wahrheit der darin geschilderten Mythen und Göttervorstellungen brachten christliche Autoren ein religiöses Moment in den antiken Bildungsdiskurs ein, das im 4. Jahrhundert von Kaiser Julian wiederum gegen die Christen gewendet wurde: „Für Homer und Hesiod und Demosthenes und Herodot und Thukydides und Isokrates und Lysias waren die Götter Führer zu jeglicher Bildung… Ein Unding ist es deshalb nach meiner Auffassung, daß die Interpreten ihrer Werke den von ihnen verehrten Göttern die Ehre verweigern.“39

Julians Vorstoß, Christen um ihres Glaubens willen vom Lehrerberuf auszuschließen, war nicht nur aus der Sicht der antiken Schule präzedenzlos, sondern führte auch zu empörten Reaktionen christlicher Theologen, in denen sich die Selbstverständlichkeit spiegelt, mit der Christen als Lehrer und natürlich auch als Schüler am Schulgeschehen partizipierten.40 Christuskerygma in einer knappen Aussage unterzubringen und so alle drei Bereiche miteinander zu vereinen, dass dem Christuskerygma eindeutig das sachliche Prae zukommt.“ 38 Vgl. Av. C AMERON 1991, 24: „Yet this ‚new‘ Christianity was able to develop a ‚pedagogic action‘ for the reproduction of its own ideas, a means to ensure its place as a rival to and then inheritor of the old elite culture.“ 39 Julian, ep. 61c (423A Bidez/Cumont); Übers. WEIS , 179; zit. unten S. 355. 40 Die These, „daß christliche Lehrer das pagane Schulsystem von innen unterwanderten“ (VIELBERG 2000, 83), insinuiert ein subversives Agieren von Christen in der Schule, das

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Diese Selbstverständlichkeit ist der zu selten beachtete Hintergrund, vor dem sich die apologetischen Debatten um das Verhältnis des Christentums zur antiken Bildung entfalteten.41 Erst dadurch, dass Christen in vielerlei Hinsicht – um des beruflichen Aufstiegs, der sozialen Verortung oder des literarischen Geschmacks willen – Bildung erwarben, besaßen und sich darauf beriefen, konnte diese als problematisch erscheinen, so dass sie durch den Hinweis auf eine andere, geistliche Bildung depotenziert werden musste. Neben die Kritik am mythologischen Gehalt der Schultexte trat dabei das oben skizzierte Leitbild des ungebildeten Fischers; damit wird bereits unmittelbar nach der Entstehung der neutestamentlichen Schriften ein Sprachspiel erkennbar, das sich gegen eine „Hellenisierung“ des Christentums durch den Kontakt mit antiker Schulbildung wendet.42 Die Fortsetzung dieser Kritik an der eigenen „Weltlichkeit“ stellt der spätantike Diskurs über die Frage dar, wie „hellenisch“ bzw. wie „römisch“ das Christentum sein darf. Genau diese „Hellenisierung“ respektive „Romanisierung“ ist es, nach der in der vorliegenden Untersuchung gefragt werden soll. Dass eine Religion, die alle Bereiche des Lebens ihrer Mitglieder zu prägen beansprucht, selbst auch von deren Verwobenheit in ihre Lebenswelt beeinflusst würde, ist zu erwarten; dass christliche Autoren dem durch Einführung von religiös begründeten Grenzziehungen zu begegnen suchten, erstaunt angesichts des selbstreflexiven Anspruchs, mit dem das Christentum auftrat, nicht. Betrachtet man die Behandlung der Bildungsfrage bei Autoren wie Laktanz, Hieronymus, Augustin, Paulinus von Nola oder Tertullian, ist Norbert Brox zuzustimmen: „Das Christentum war gegenüber der Kultur der Spätantike von vornherein Partei und blieb das m.E. durch alle unterschiedlichen und sogar gegensätzlichen Einstellungen hindurch, die es zu diesem Bereich einnahm. Das heißt, daß Christen sich permanent zur

jedoch anhand der Quellen (s.u. S. 367-394) nicht nachzuweisen ist. Eine ähnliche Vermutung äußert BEAVIS 2000, 421, qualifiziert sie jedoch selbst als „most hypothetically“. 41 Vgl. SCHWENK 1992, 149: „Die Christen kamen ja nicht wie Invasoren. Sie wurden in der ihnen vertrauten Umwelt zu Christen, und so war auch das überkommene Erziehungsund Bildungssystem das ihre, das sie dann aber zu dem ihren erst wieder machen mußten, wollten sie sich nicht gewissermaßen wie die Hutterer in Kanada aus der Gesellschaft ausgrenzen, und das wollten sie ja nicht.“ 42 B ERGER 1992, 183 sieht in der Antithese von „Fischersprache“ und Rhetorik „Schizophrenie“ – „in Wirklichkeit aber verwenden alle christlichen Prediger, spätestens seit Paulus, in reichem Maße das Material der antiken Rhetorik. Es entsteht dabei ein unübersehbarer Spalt zwischen Theorie und Praxis, der faktisch zur Heuchelei führt.“ Mit der Diskussion über die Rhetorik sei der eigentliche Sündenfall verdeckt worden: die „unbefangene Übernahme von Machtstrukturen“ (185). Die nur verbale Ablehnung der Rhetorik entlarve „eine hochbürgerliche Elite der Kirchenführer“ (186). Damit wird freilich den christlichen Schriftstellern jegliche Fähigkeit zur Selbstironie abgesprochen und eine theologische Pointe – die ja darin liegen könnte, dass die christliche Botschaft menschliche Worte übersteigt, aber nur in diesen (mit entsprechender Kunstfertigkeit) ausgesagt werden kann – a priori negiert.

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Stellungnahme provoziert fühlten, und zwar weniger wegen heidnischer Anfragen als wegen des innerchristlichen Streits darum.“43

Zu fragen ist daher: Wo wurden solche Abgrenzungen innerhalb des Christentums und für das Zusammenleben von Christen und Nichtchristen wirksam – und wo nicht? Wie wurden, allen „heidnischen“ Inhalten zum Trotz, literarische Formen kreativ angeeignet und fortentwickelt? Und welche Begründungsmuster gestatteten es, dass die Nachfolger der Fischer vielfach auf literarischer Augenhöhe mit ihren „heidnischen“ Zeitgenossen kommunizierten und die in der antiken Schule erworbene Bildung in den Dienst von Predigt, Exegese und Theologie stellten? Auf diese und verwandte Fragen hat die Forschung, die lange selbst von den skizzierten christlichen Abgrenzungsstrategien geprägt wurde, bislang noch keine befriedigende Antwort gegeben. 2.2. Zur Erforschung von „Christentum und Bildung“ seit Marrou a) Christentum und klassische Bildung bei Henri-Irénée Marrou: „Das Christentum ist eine gelehrte Religion und kann nicht in Verbindung mit Barbarei gedacht werden.“44 Diese These prägt die „Geschichte der Erziehung im klassischen Altertums“ des französischen Patristikers Henri-Irénée Marrou (1904-1977), die in der Forschung zur antiken Bildung unbestritten einen Meilenstein markiert.45 Veröffentlicht 1948, atmet das Buch den Geist der „Nouvelle Théologie“: Die Kirchenväter erscheinen nicht (mehr) als Vorläufer der Scholastik, sondern als Menschen der Antike. Als solche teilten sie nach Marrou das Bildungsideal ihrer Zeit, das bei ihm als antiker Humanismus erscheint: „Man könnte sagen: um Christ zu sein, muß man erst Mensch, muß man auf eigentlich menschlichem Gebiet tief genug sein, um ein Glaubensbekenntnis abzulegen und sittliche Handlungen zu begehen (es ist eine Tatsache, die sowohl geschichtlich wie völkerkundlich feststeht: das Christentum erfordert ein gewisses Maß von Kultur). Wenn nun die klassische Erziehung ein wunderbares Kunstmittel zur Ausbildung eines vollkommen entwickelten menschlichen Typus darstellte, warum sollte man dann unnützerweise daneben ein anderes Erziehungssystem auszuarbeiten suchen? So oder so wird der Augenblick kommen, wo man in den eigentlich menschlichen Menschen das eigentlich religiöse Reis der übernatürlichen Gabe einpfropfen muß“ (582).46

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BROX 1981, 253. MARROU 1977, 576 (hiernach im Folgenden die Seitenangaben im Text). 45 Vgl. jetzt den Sammelband: Que reste-t-il de l’éducation classique? Relire „le Marrou“, hg. v. Jean-Marie PAILLER/Pascal PAYEN, Toulouse 2004, zum Zeitkolorit bes. JULIA 2004. 46 Die letzte Wendung kehrt, allerdings mit umgekehrter Bewertung, bei VIELBERG 2000, 82f. (als Kommentar zu Hieronymus’ Traumschilderung in ep. 22,30) wieder: „Es waren, alles in allem, nur behelfsmäßige Krücken und wohlmeinende Selbsttäuschungsversuche, um die Tatsache zu verschleiern, daß die Kirche in einem Abhängigkeitszustand verharrte, solange sie keine kirchlichen Schulen und Hochschulen aufbaute beziehungsweise das heidnische Schulsystem im gesamtstaatlichen Rahmen christianisierte, sondern die christliche Er44

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Dass das Christentum sein genuines Bildungsinteresse in der Antike nicht selbst in institutionelle Formen überführte, lag demnach am Grundvertrauen in die antike Pädagogik, der die frühen Christen wie ihre Zeitgenossen verpflichtet gewesen seien; hierin zeige sich eine „Kulturosmose“ (ebd.), die die frühen Christen – durchaus unbewusst – geprägt habe. Die „humanistische Bildung“ sei jedoch „als Nebenbuhlerin der neuen Religion“, als Vermittlerin des Weges zu gelingendem Leben, zum τέλος bzw. zur beata vita, aufgetreten, so dass die Bekehrung für gebildete antike Menschen „ein Bemühen um Verzicht, um Überwindung“ bedeutete (583). Dies betraf vor allem die Philosophie und die „heidnische Literatur“, nicht aber „die vorbereitende Bildung der Erziehung“, die eigentliche Schule47: „Im klaren Bewußtsein von der Notwendigkeit für den Gläubigen, angesichts des ‚gelehrten‘ buchmäßigen Charakters der christlichen Religion Zugang zur literarischen Bildung zu haben, sah die Kirche keine andere Lösung, als die Jugend in den Schulen der üblichen hellenistischen Art sich bilden zu lassen“ (585).

Man wird hier unschwer eine Rechtfertigung des humanistischen Gymnasiums moderner Prägung erkennen; dem entspricht die bei Marrou herausgearbeitete dreifache Gestalt des Schulunterrichts in Elementar-, Grammatik- und Rhetorikunterricht.48 Erst seit dem 4. Jahrhundert tritt eine eigene christliche Bildungsinstitution auf: die Klosterschule, die „ganz auf das religiöse Leben gerichtet ist und nichts Antikes mehr hat“ (600). Bezeichnend ist nun das Urteil, die im selben Zeitraum entstehende Bischofsschule sei auf das „Unglück der Zeiten“ zurückzuführen (607); die Ausbildung christlicher Schulen ist letztlich ein Symptom des „Verfalls“ und der „wachsenden Barbarei“ seit der Völkerwanderung (608). Immerhin findet die Presbyterialschule eine gewisse romantische Anerkennung, weil sie – mit Wirkungen bis zur Gegenwart – „die beiden Funktionen des Dorfpfarrers und des Volksschullehrers“ verbinde (611); auch herrsche beim Übergang ins Frühmittelalter „wenn nicht in der Form, so doch im Stoff eine gewisse Kontinuität der Entwicklung, die den abendländischen Menschen zu einem Erben der Klassiker macht“ (634). Beides – die Begeisterung für das klassische Erbe und der Befund eines unausweichlichen Niedergangs – prägt auch Marrous Bild von Augustin als einem „Gebildeten der Verfallszeit“49: In der Spätantike zeige sich „die völlige Abnützung, das Erstarren des Bildungsrahmens“ (79); der nach Seneca zitierziehung nur notdürftig einer humanistisch-paganen Bildung aufpfropfte, welche sie weder ihren Anforderungen entsprechend zu gestalten noch zu kontrollieren vermochte.“ 47 Ähnlich R UHBACH 1974, 297 und BROX 1981, 295f. 48 Aus US-amerikanischer Perspektive spricht L AISTNER 1951, 9 von „three stages which corresponded very roughly with the divisions with which we are still familiar – elementary school, middle or high school, and finally college training“; bei S TEINMETZ 1982, 79f. findet sich die Trias „Primarstufe – Sekundarstufe – Hochschulunterricht“. 49 M ARROU 1981, 75 u.ö. (hiernach im Folgenden die Seitenangaben im Text).

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te Stoßseufzer „Non vitae, sed scholae discimus“ (82) ist in dem zuerst 1938 erschienene Werk „Saint Augustin et la fin de la culture antique“ durchaus ehrlich gemeint.50 Zwar notiert Marrou in seiner der vierten Auflage von 1958 hinzugefügten „Retractatio“, er habe „die sozialen Komponenten des Bildungsproblems nicht genügend herausgearbeitet“ (506) und dabei vernachlässigt, dass Augustins Bildungskritik sich dem Sachverhalt verdanke, dass er nicht einer Familie der Oberschicht entstammte, für die Erwerb und Demonstration von Bildung ganz selbstverständlich gewesen wäre. Doch das erklärt noch nicht die erstaunliche Perseveranz eines scheinbar so alltagsfernen Bildungssystems, d.h. seine spezifische Funktionalität, die durch eine Darstellung antiker Bildung als vollkommen zweckfrei (und gerade darum für die humanistische Bildung der Gegenwart vorbildlich, so der Altphilologe Heinrich Dörrie) 51 gerade nicht plausibel wird. b) „Die Christen und die Klassiker“: Marrous Werke haben erheblichen Einfluss auf die nachfolgende Diskussion ausgeübt, so dass christliche Autoren vor allem als Rezipienten der klassischen Tradition und der dafür maßgeblichen Texte wahrgenommen worden sind. Typisch sind Titel wie „Die antike Kultur und das Christentum“ (Olof Gigon, 1966) „Early Christian Thought and the Classical Tradition“ (Henry Chadwick, 1966) oder „Christianity and the Classics” (hg. von Wendy E. Helleman, 1990).52 Gerard L. Ellspermann („The Attitude of the Early Christian Latin Writers toward Pagan Literature and Learning”, 1949) sieht in Augustin diesen Rezeptionsprozess in nuce abgebildet: „The attitude of St. Augustine on the whole represents in himself the history of the differing successive attitudes toward pagan culture” (257). Augustin ist dann Höhe- und Endpunkt der altkirchlichen Bildungsdiskussion, die anhand der „Haltung“ prominenter Autoren seit Minucius Felix nachgezeichnet wird. Sozialgeschichtliche Hintergründe der Autoren kommen ebensowenig zur Sprache wie literaturgeschichtliche Erwägungen zu Gattungen und Kontexten der beschriebenen Positionierungen; vielmehr erscheint die antike Bildung als kohärentes Gegenüber, zu dem sich christliche Theologen positioniert hätten. Ins Extrem getrieben wird diese Perspektive von Wilhelm Krause („Die Stellung der frühchristlichen Autoren zur heidnischen Literatur“, 1958): „Erfüllt von der Überzeugung, mit ihrem Glauben zugleich den absoluten Maßstab zu besitzen, wirkliche und vermeintliche Werte über50 Zur Würdigung vgl. Josef L ÖSSL , in: StdZ 214 (1996), 347–349 und den Forschungsbericht von Wilhelm GEERLINGS (Einführung zur dt. Übersetzung, 21995, III–XXVIII). 51 D ÖRRIE 1972, 19: „Bildung darf nicht zu eng an bestimmte Zwecke gebunden sein. Was man einem jungen Menschen an Bildung mitgibt, soll ihm wie ein Werkzeug zu freiem, verantwortungsbewußtem Gebrauch zur Verfügung stehen… Das ärgste Bildungshindernis drückt sich in der Frage aus, die an jeden beliebigen Bildungsgegenstand gerichtet wird: Wozu kann ich das gebrauchen?“ 52 Vgl. die kritischen Bemerkungen bei Av. C AMERON 1991, 19f.

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prüfen zu können, gingen sie daran, die Schöpfungen eines ganzen Jahrtausends auf allen Gebieten einer Kritik zu unterziehen“ (9). Krause geht es allein darum, „welchen Platz die Christen [der heidnischen Literatur] bewußt einräumen“; die „unbewußte Befolgung“, d.h. aber die Rolle dieser Literatur „in Schule, Hochschule und Leben“, wird gezielt ausgeblendet (10). In anspruchsvoller Form kehrt diese duale Konstellation bei Werner Jaeger (Paideia Christi, 1959) wieder. In der Spätantike sei eine doppelte Bewegung zu konstatieren: „die Selbsteinordnung des Christentums in ein schon vorgefundenes Kultursystem und Geschichtsbild; und der Anspruch der neuen Religion, eine erzieherische Weltmission zu haben, dadurch, dass sie jener von ihr vorgefundenen griechischen Geistesordnung einen neuen Sinn gibt“ (488).53 Das Christentum erscheint hier als belebendes Element in einer Kultur, die am eigenen Formalismus zu ersticken drohte: „Das Prinzip allen Klassizismus ist der Gedanke einer schöpferischen µίµησις, doch sie sollte von der imitatio Christi getragen sein, um vor dem Leerlauf eines bloß epigonalen Formenkultus bewahrt zu bleiben“ (497).54 Entsprechend beschreibt Peter Stockmeier mit Bezug auf so unterschiedliche Theologen wie Justin, Tatian und Tertullian den Anspruch des Christentums, selbst Paideia zu sein und zu bringen: „Die Begegnung von Christentum und Antike erhält unter dem Leitwort παιδεία trotz aller Gegensätzlichkeit eine Dynamik, die alsbald auch das innere Gefüge der biblischen Botschaft prägt.“55 Wird von Jaeger die Originalität der griechischen christlichen Theologie in ihrem Umgang mit der antiken Paideia herausgestellt, so betont Harald Hagendahl mit Studien zur Hieronymus (1958) und Augustin (1967) die tiefe Verpflichtung lateinischer Autoren gegenüber dem Lernstoff der Schule56: Indem sie in zahlreichen Kontexten die klassischen lateinischen Rhetoren, Dichter und Historiker zitieren, erweisen sie sich als mit der antiken Literatur vertraut, ja als ihren paganen Zeitgenossen mindestens ebenbürtig – selbst dann, wenn sie die Vorbilder aus christlicher Perspektive kritisieren. Seinen Niederschlag findet dieser Ansatz in Hagendahls literaturgeschichtlichem Abriss „Von Tertullian zu Cassiodor“ über „Die profane literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum“ (1983), womit der auch in der

53 Ausführlich J AEGER 1963; den weiteren Horizont markiert sein Opus magnum: Paideia. Die Formung des griechischen Menschen, Bde. I–III, Berlin 3.41959; zur Kritik an Jaegers weitgefassten und daher wenig präzisen Begriff von παιδεία s. SCHWENK 1992, 147. 54 Die Diskussion der Nachkriegszeit ist bequem zugänglich in dem Sammelband: Erziehung und Bildung in der heidnischen und christlichen Antike, hg. von Horst-Theodor J OHANN (WdF 377), Darmstadt 1976, hier neben J AEGER bes. die Beiträge von Harald F UCHS (1929, verarbeitet in: DERS., Bildung, in: RAC 2, 1954, 346–362), Glanville DOWNEY (1957), Robert SCHOLL (1964) und Peter STOCKMEIER (1967). 55 S TOCKMEIER 1967, 126. 56 Zu Augustin vgl. auch O’D ONNELL 1980 und bereits T ESTARD 1958.

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vorliegenden Untersuchung abzudeckende Zeitraum erfasst ist.57 In meisterhafter Form ist die innere Zusammengehörigkeit von paganer und christlicher Literatur von Manfred Fuhrmann dargestellt worden („Rom in der Spätantike“, 1994). Aus dieser Perspektive wird allerdings nur noch schwer deutlich, weshalb altkirchliche Theologen der Ansicht sein konnten, das Christentum stelle etwas ganz Einzigartiges innerhalb der antiken Welt und ihrer Literatur dar, ein Anspruch, der durch die faktische Verpflichtetheit gegenüber den griechischen und lateinischen Klassikern ja noch keineswegs erledigt ist. c) „Chrêsis“ oder „Chréseis“? Den Versuch einer theoretisch anspruchsvollen Rekonstruktion des Verhältnisses der christlichen Theologen zur antiken Kultur hat 1984 der Münsteraner Altphilologe Christian Gnilka unter dem Titel „ΧΡΗΣΙΣ. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur“ vorgelegt.58 Mit χρῆσις ὀρθή (usus iustus) wird hier ein quellensprachlicher Begriff herangezogen, um nicht den antiken Texten ein modernes Theoriekonstrukt überzustülpen, bezeugten doch christliche Texte selbst den „diakritischen“ Prozess des Sichtens und Auswählens. Aufgabe des Philologen sei es, in diesem Prozess präzise zwischen dem Alten an sich und dem Alten in neuem Gewand bzw. mit neuer Sinngebung durch Einzelelemente zu differenzieren, sich also ebenso diakritisch zu verhalten, wie es die Kirchenväter getan hätten. Entscheidend sei die Wahl des rechten Standortes: „Rang und Art dieser Aufgabe wird wohl überhaupt derjenige leichter wahrnehmen, der die Sache im Ganzen – die Umgestaltung der antiken Kultur durch das Christentum – hinsichtlich ihrer Qualität und ihres Erfolgs mit einem gewissen Maß an Zustimmung beobachtet. Res tantum intellegitur quantum diligitur!“ (23) – ein Grundsatz aus der Vergil-Exegese, mit dem Augustin bei seinem manichäischen Jugendfreund für einen Vertrauensvorschuss gegenüber der Bibel zu werben.59 Rezeption und Kritik sind also keine Zufallsprodukte einer unreflektierten Assimilation, vielmehr „arbeiteten die Kirchenväter im Um57 Dabei folge ich Hagendahl auch im Gliederungsprinzip: zuerst nach Autoren der vorkonstantinischen Zeit, hingegen nach Textsorten und -gattungen in der Spätantike. 58 Vgl. auch DERS . 1993; DERS ., Chrêsis, in: DNP 13 (1999), 638–640. Das Konzept ist vielfältig rezipiert worden, wobei die normativen Konnotationen des Kirchenväterbegriffs meist nicht übernommen werden, ebenso wenig wie die einleitend von Johannes DÖRMANN formulierten Konsequenzen für heutiges Missionsverständnis (in: GNILKA 1984, 5–9), zumal die für das Gesamtkonzept charakteristische Forderung, dass die „wissenschaftliche Methode… sich ganz dem Denken der Väter anschmiegt“, welche „die Umformung der antiken Kultur… nach einem festen Plan zielstrebig ins Werk gesetzt“ hätten (9). Die Bewertungen dieses Konzepts divergieren: Klaus ZELZER urteilt uneingeschränkt positiv (WSt 98, 1985, 255f.); Werner ERDT stellt bei prinzipieller Würdigung kritische Erwägungen zu GNILKAs Geschichtsverständnis an (ZKG 96, 1985, 416–418), Friedhelm WINKELMANN äußert Unbehagen angesichts der eingeschränkten Perspektive der Chrêsis (ByZ 79, 1986, 59–61). 59 Aug. util. cred. 5,13 (zit. unten S. 411f.).

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gang mit den vorchristlichen Geistesgütern nach einem einheitlichen großen Plan. Sie standen mit beiden Füßen auf festem Boden; sie wussten, warum sie die antike Bildung benutzen durften und benutzen mussten“ (13). Gegen die Annahme eines solchen „Masterplans“ spricht freilich die Diskrepanz der (zum Teil nicht einmal in sich selbst konsistenten) Reflexionen einzelner Autoren; so entwickelte Augustin ein theoretisch anspruchsvolles Konzept des uti (80), während sein Briefpartner Hieronymus zeitlebens zwischen Kulturbejahung und -ablehnung schwankte. Darüber hinaus ist die von Gnilka unterstellte prinzipielle Antithese zwischen antiker Kultur und ihrer christlichen „Nutzung“, die eine bewusste Distanznahme gegenüber antiken Kulturgütern voraussetzt, in den Quellen keineswegs immer aufweisbar: Bischöfe wie Sidonius Apollinaris und Ennodius von Pavia führten mitnichten einen Kampf gegen die antike Kultur, und Ambrosius von Mailand bediente sich virtuos der epistolographischen Tradition eines Plinius, um seine exegetischen Überlegungen in Briefform zu veröffentlichen. Wenn sich Chrêsis – wie es de facto in der Forschung geschieht – auf ein einzelnes Zitat, einen Gedankengang oder eine ganze Literaturgattung beziehen kann, wäre eher von „Chréseis“ zu sprechen, um den vielfältigen literarischen Kontexten gerecht zu werden, in denen christliche Autoren pagane Kulturgüter „nutzten“. Erstaunlicherweise hat der Begriff „Kirchenväter“ für den Altphilologen Gnilka normative Bedeutung, nicht zuletzt für der Auswahl der für das Chrêsis-Konzept maßgeblichen Autoren. Wer diesem Modell nicht entspricht – so scheint es –, ist dann auch kein „Kirchenvater“. Das „diakritische“ Bewusstsein ist aber für verschiedene Textsorten (Epigraphik, Briefe) nicht zu veranschlagen oder wird zwar in der Exordialtopik von Heiligenviten zitiert, meistens aber nicht durchgeführt. Das genannte Kriterium gilt allerdings nach Gnilka sogar für den modernen Forscher: „Wer sich von vornherein nicht auf die Begriffe und Bilder der Väter einlassen will, wer etwa von ‚Beeinflussung‘ spricht und nicht von ‚Nutzung‘, versperrt sich und anderen den Weg zum Verständnis des Denkens der Väter“ (134).60 Im Konzept der Chrêsis ist demnach kein Raum für den Sachverhalt, dass die wortreich in Anspruch genommene Freiheit gegenüber der antiken Kultur stets eine gebundene Freiheit war – mit Jacques Fontaine: „Der christliche Schriftsteller im lateinischen Westen des 4./5. Jahrhunderts bleibt weiterhin ein spätantiker Autor.“61

60 Dagegen fragt STEINER 1989, 233 zu Recht, „ob man nicht neben der zielgerichteten, systematischen Übernahme auch die Beeinflussung ‚von unten‘ berücksichtigen muß, die unreflektierte, spontane und manchmal vielleicht gar nicht direkt wahrgenommene Aneignung antiken Kulturguts durch die frühe Kirche“. 61 F ONTAINE 1982, 19.

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d) Impulse der neueren Forschung: In jüngerer Zeit62 ist gerade dieser Bedingtheit verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt worden.63 Dazu gehört besonders die Frage nach der gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung, die Peter Brown (1995) in einem Kapitel über „Paideia und Macht“ thematisiert, wobei Bildung Überredungskunst wie auch die Pflege von Freundschaft einschloss.64 Den von den Zeitgenossen und in der modernen Forschung oft kritisierten Konservatismus der Schule und ihrer Lernziele sieht Brown als Bedingung ihres dauerhaften Erfolgs: „Ebenso wie bei den modernen Codes formalisierter Rede garantierte genau diese ‚verknöcherte‘ Substanz den ungebrochenen Erfolg der Rhetorik im spätrömischen Leben.“65 Die Bedeutung von Bildung als sozialer Ortsanweisung hat auch Robert Kaster herausgearbeitet: Bildung sollte gerade nicht innovativ wirken, sondern junge Menschen in eine traditional strukturierte Lebenswelt einführen, in der sie auftretende Probleme anhand bewährter Vorbilder bewältigen sollten.66 Christen machten hier keine Ausnahme, weder was die briefliche amicitia noch was das macht- und traditionsbewusste Auftreten als Bischof anging. Nach Edgar Pack erleichterte es allerdings die abgebrochene Verbindung der rhetorischen Theorie zu ihren 62 Die gängigen Lexika widmen der Frage nach dem Christentum und der antiken Schule entweder nur wenig Aufmerksamkeit (Salvatore PRICOCO, School, in: EECh II, 1992, 759– 762; Pierre RICHÉ, Bildung IV. Alte Kirche und Mittelalter, in: TRE 6, 1980, 595–611, hier 595–597 – danach folgt bereits der Übergang ins Frühmittelalter; Horst F. RUPP, Schule/Schulwesen, in: TRE 30, 1999, 591–627, hier 594; Eckhard REICHERT, Erziehung V. Kirchengeschichtlich 1. Alte Kirche, in: RGG4 2, 1999, 1511–1513 – ganz unergiebig ist der Artikel „Bildung“ in der RGG4!) oder reflektieren einen veralteten Forschungsstand (Henri LECLERCQ, École, in: DACL IV/2, 1921, 1730–1883; Harald FUCHS, Bildung, in: RAC 2, 1954, 346–362; DERS., Enkyklios Paideia, in: RAC 5, 1962, 365–398; Paul BLOMENKAMP, Erziehung, in: RAC 6, 1966, 502–559 – ein Artikel „Schule“ dürfte im RAC erst in geraumer Zeit zu erwarten sein, vgl. aber demnächst Roland KANY, Lehrer, in: RAC 22 [i.V.]); zum Befund in den Lexika vgl. auch die kritische Durchsicht bei LINDEMANN 2001, 102-108. 63 Das gilt leider nicht für das 2006 erschienene „Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike“, das zwar dem antiken Israel und frühen Judentum, nicht aber dem Christentum einen eigenen Abschnitt widmet (einschlägige Stellen: KRUMEICH 2006, 119-121; KLEIN 2006, 153f.). Hier wird allzusehr die Einbindung in das Bildungssystem betont, ohne den Anspruch der Christen auf einen eigenständigen Umgang mit Bildung zu reflektieren, der sich in differenzierten Formen der Rezeption, Transformation und Kritik niederschlägt. 64 B ROWN 1995, 63. 65 B ROWN 1995, 59. 66 Vgl. zuletzt KASTER 2001, 334: „Control, finally, is what the schools of rhetoric were about. Through their lessons, the young elite males who frequented the schools learned to control their own speech so that they might one day control the opinion of others, in the law courts, in their correspondence, or in conversation. The themes dealing with rape helped to further the goals of instruction by presenting useful test cases that carried with them a key assurance: whatever the mess produced by even the most monstrous acts, the calm surface of social relations, articulated above all by the exchange of property, could be restored by reasoned arguments delivered from a position of objective distance.“ Vgl. schon DERS. 1988, 28f. und Av. CAMERON 1991, 82.

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republikanischen Ursprüngen den Christen, neue Verwertungszusammenhänge dafür zu schaffen.67 Besonders Bischöfe eigneten sich vielfach das catonische Ideal des „vir bonus dicendi peritus“ an, meist vermittelt durch eine christliche Neuinterpretation der traditionellen eloquentia und pietas.68 Dass christliche Autoren seit dem 4. Jahrhundert beachtliche Kreativität in die Entwicklung eines neuen rhetorischen Diskurses investierten, hat Averil Cameron (1991) als Teil eines komplexen Transformationsprozesses beschrieben.69 Um ihre Botschaft erfolgreich zu vermitteln, hatten christliche Prediger, Lehrer und Autoren keine Alternative zur Schulrhetorik: „The development of Christianity coincided exactly with the technologizing of rhetorical education, which was in fact virtually the only form of education available. From the first century on, a growing body of rhetorical theory came into existence, which, together with practical exercises, formed the main educational fare. With this rival body of knowledge, which was also in most cases the source of their own conceptual training, Christians had no choice but to engage. The problem was that the theory and practice of rhetoric not only informed the attitudes and tastes of every educated person; they also provided the only frame within which the truly paradoxical nature of the faith could be put into words at all“ (86).

Jenseits der Frage nach dem „Verhältnis“ oder dem „Konflikt“ von Christentum und antiker Bildung sei nach der Kontrolle über den Diskurs zu fragen, mit dem übergreifende gesellschaftliche und religiöse Leitbilder etabliert wurden (139); das Paradigma hierfür sei die christliche Hagiographie, die keineswegs eine intellektuelle Mangelerscheinung sei: „One of the greatest advantages of Christian over pagan literature was precisely this, that it could and did break out of the mold of traditional elite culture and develop types of writing that could be diffused far more widely, and yet did not lose the essential appeal to the elite audience“ (147).

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PACK 1989, 243f.: „Gerade die Vagheit der vormals durch Rekurs auf eine wie selbstverständlich vorgegebene soziopolitische Wirklichkeit gefüllten rhetorischen Theorie und ihres Vokabulars, eine Offenheit, die schon unter den gewandelten Bedingungen der Kaiserherrschaft einem Quintilian oder Tacitus ernsthaftes Kopfzerbrechen bereitet hatte, machte die christliche ‚Usurpation‘ dieser Hohlform so leicht, setzte freilich dann auch dem Versittlichungspostulat, das mit der christlichen Inanspruchnahme statuiert war, alsbald seine eigenen Grenzen.“ 68 Vgl. Av. C AMERON 1991, 135: „In the revived urban culture of the fourth century, Christian bishops succeeded to the place of the epideictic orators of the Second Sophistic.“ 69 Av. C AMERON 1991, 30: „By the fourth century A .D ., however, the situation has significantly changed: the civil and the military are now separated; an increase in the number of government posts has opened up the elite and confused the old demarcation lines; the traditional culture is challenged by an alternative, Christian one; and an alternative, institutionalized elite has come into being in the persons of Christian bishops. It can be seen that in such a context Christian ideas and Christian discourse have been able to penetrate various levels of society and to generate a universalizing impetus.“

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Die Begeisterung römischer Adliger für asketische Literatur und Lebensentwürfe zeige eine parallele Entwicklung, die Cameron als „Rhetoric of Paradox“ bezeichnet: Die christliche Literatur verband die höchsten Kunstformen der antiken Bildung mit den skurrilsten Ausprägungen von christlicher Frömmigkeit und konnte daher sowohl die Schulbildung unbefangen in Anspruch nehmen als auch im Namen christlicher Einfachheit dagegen wettern. Erst die justinianische Religionspolitik habe diese Polarität beseitigt – zum Nachteil auch der Christen, da im Zuge dieser Entwicklung auch die antiken Bildungsinstitutionen einen gravierenden Niedergang erlebten (206f.). Eben auf die Institution Schule und ihre Bedeutung für das antike Christentum hat Christoph Markschies (2002) hingewiesen.70 In Aufnahme der Harnack’schen Forderung, die Institutionen als historisches Grundgerüst zu studieren, und unter Rückgriff auf einen nicht durch juristische Normen, sondern durch soziale Dynamik definierten Institutionenbegriff (99) behandelt Markschies die Frage nach einem pagan-religiösen Charakter des (Elementar-) Unterrichts und nach dem christlichen Umgang damit, sodann die „Bedeutung des paganen Bildungskanons für die Christen und ihre Bildungsinstitutionen“ (108) und schließlich die Folgen dieser Beobachtungen für das Entstehen einer christlichen Theologie, vor allem mit Bezug auf Justin und Origenes, die als philosophische Lehrer in Analogie zu paganen Zeitgenossen erscheinen. Besonders die ersten beiden Fragenkreise sind in der vorliegenden Untersuchung aufzugreifen. Eine Christianisierung des paganen Bildungskanons wird freilich im Westen (und, abgesehen von Origenes, auch im Osten) nur sporadisch – und dann meist in rein theoretischer Perspektive wie in Augustins Frühwerken zu den liberales disciplinae – erkennbar. Die Beobachtungen zum Elementarunterricht werfen jedoch in der Tat elementare Fragen auf: Die Institution Schule war inhaltlich wie durch die Einbindung in das gesellschaftliche Leben pagan geprägt – warum führte dies nicht zur Gründung einer alternativen Schule? Markschies’ Erklärung lautet: „Vermutlich setzt die von uns immer wieder implizit vorausgesetzte Erwartung, daß Christen dem paganen Charakter des Elementarunterrichts mit aufrechtem Widerstand hätten begegnen müssen, einen höheren individuellen Christianisierungsgrad bei den Anhängern der neuen Religion voraus, als er in der Kaiserzeit vorhanden war“ (106).

Genau diesem Aspekt hat die Mannheimer Althistorikerin Karen Piepenbrink ihre Habilitationsschrift mit dem Titel „Christliche Identität und Assimilation in der Spätantike“ (2005) gewidmet. Ausgehend von der Beobachtung, dass die von Zeitgenossen geäußerte „massive Kritik an der ‚Verweltlichung‘ der Kirche… vorrangig aus einer – mehr oder weniger ausgeprägten asketischen 70 Vgl. demnächst Christoph M ARKSCHIES , Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie, Tübingen 2007 (im Druck).

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Perspektive formuliert“ wird (15), fragt Piepenbrink, wie sich der Prozess der Differenzierung und Assimilierung christlicher und paganer Identitäten religionsgeschichtlich beschreiben lässt (17). Dabei sollen einlinige Erklärungsmuster wie Robert Markus’ These einer „Desäkularisierung“ oder Gnilkas Modell der „Chrêsis“ antiker Kulturgüter vermieden werden71; statt dessen soll „die Situation ‚durchschnittlicher‘ Christen“ unter der Fragestellung in den Blick kommen, „ob und wie die Relation von ‚christlich‘ und ‚nichtchristlich‘ behandelt und ausdrücklich als diffizil markiert wird“ (20).72 Jedoch geht gerade der Abschnitt über Bildung (340–391) nur kursorisch auf die Elementar- und die Grammatikschule ein (341–343); die Autorin konzentriert sich neben der in den öffentlichen Schulen gerade nicht gelehrten Philosophie auf die Rhetorik, die Sache weniger Angehöriger gesellschaftlicher Eliten war (372–381). Weiterführend ist die Erkenntnis, dass zwar einerseits pagane Bildung als „konvertierbar“ angesehen werden kann, die Notwendigkeit einer solchen Konvertierung aber davon abhängt, „in welchem Grade der jeweilige nichtchristliche Gegenstand als pagan im Sinne einer religiösen Konnotation verstanden wird“ (395). Darüber hinaus ist zu überlegen, ob ein „heidnischer“ Gesprächspartner oder Korrespondent in jedem Fall als „Heide“ anzusehen ist oder ob in bestimmten Kommunikationszusammenhängen die religiöse Unterscheidung keine Rolle spielt, ob Bildung also gerade da verbindend wirken kann, wo Religion trennen müsste. 2.3. Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen erfordert ein Vorgehen, das im Anschluss an die skizzierten Ansätze in der gegenwärtigen Forschung sozialund literaturgeschichtliche Aspekte mit kirchen- und theologiegeschichtlichen Perspektiven verbindet. Ein solches Vorgehen wird in neuerer Zeit verschiedentlich gefordert, jedoch nur allmählich praktiziert. Dabei ist nicht – wie bei Ellspermann, Gnilka u.a. – nach den Positionen von „Kirchenvätern“ zu fragen, vielmehr muss der normative Anspruch, den der Begriff des „Vaters“ transportiert, zugunsten der Einordnung dieser Theologen in ihr soziokultu-

71 Nach PIEPENBRINK 2005, 394 wird bei Gnilka „eine Systematik [suggeriert], die in den Auffassungen einzelner Kirchenväter auftreten kann, die aber nicht auf die Reflexionen zutrifft, welche sich mit den Problemen der Majorität der Christen beschäftigen und auf deren Haltungen und Vorstellungen Bezug nehmen. Auch setzen sie letztlich eine Entschiedenheit, wenn nicht gar Kompromißlosigkeit im Umgang mit der Umwelt voraus, die für die Mehrzahl der spätantiken Christen nicht realistisch ist.“ 72 Dies ist geradezu ein Gegenentwurf zu GIGON 1966, 8: „So sehr wir [die ‚kleinen Leute‘] sub specie aeternitatis respektieren, so sehr muss auch gelten, dass nicht der schlichte Glaube der Handwerker und Freigelassenen die geschichtliche Kraft des Christentums ausgemacht hat, sondern der Wille, den Gebildeten eine christliche Bildung und den Philosophen eine christliche Theologie zu geben.“

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relles und literaturgeschichtliches Umfeld zurückgestellt werden.73 Auch wird vorwiegend von „Christen“ und „Christentum“, nur in konkret definierten Zusammenhängen von „Kirche“ gesprochen, insofern es bei der Frage nach Schulbildung nur selten um einen kirchlichen Diskussionsprozess im Sinne einer institutionellen Selbstreflexion geht (so etwa bei der Frage, wie gebildet Prediger – als berufene Verkündiger des Evangeliums – sein dürfen; s.u. S. 307–320). Die spätantike Kirche als Institution hat erstaunlich wenig zu Bildungsfragen gesagt und entschieden. Ein Bischof wie Augustin oder Ambrosius ist natürlich nicht als Privatmann zu betrachten, wenn er sich zu Bildung äußert, doch wurden Bildungsfragen erst am Ende der Spätantike durch Synodalkanones und Dekrete römischer Bischöfe (Siricius, Gelasius, Gregor) bearbeitet. Die christliche Thematisierung von Bildung in der Spätantike ist vielmehr in den komplexen Prozess der Ausbreitung und der gesellschaftlichen sowie kulturellen Integration des Christentums einzuzeichnen; insofern versteht sich die vorliegende Untersuchung auch als Beitrag zu einer religions- und kulturgeschichtlichen Betrachtung des antiken Christentums. Diese Ausrichtung der Untersuchung impliziert spezifische Vorentscheidungen, die im Folgenden zu erläutern sind. Gegenstand ist die antike Schulbildung samt ihrer Inanspruchnahme und Reflexion durch das Christentum; es geht also nicht um die Katechese in der Familie74, auch nicht um diejenige innerhalb der Gemeinde, die parallel zur Schule stattfand, und auch nicht um die Lehrer, die solche innergemeindliche Unterweisung durchführten.75 Ebenso taucht unter den literarischen Formen und Diskursen, die analysiert werden, nicht die Exegese auf: Dass grammatische und rhetorische Methoden der Textinterpretation rezipiert wurden, ist bekannt76; interessant ist im vorliegenden Zusammenhang weniger die Kommentarliteratur an sich als die Schriftauslegung als innovative Füllung traditioneller, auch von „Heiden“ verwendeter Gattungen, so besonders der Epistolographie. Von „Heiden“ (ἔθνη, gentiles bzw. pagani) ist in den Quellen natürlich aus der Perspektive der Christen die Rede. In diesem Kontext handelt sich um einen pejorativ und religiös konnotierten, also normativen Begriff für alle 73 Vgl. Av. C AMERON 1998, 666: „Traditionally, such writers have been studied under the heading of ‚patristics‘, separately from secular culture or general history. Such a division is questionable. Historians of the period can no longer ignore ‚patristic‘ sources, least of all cultural historians. In turn, theologians have become more interested in literary issues, the act and manner of writing.“ 74 Dazu M. G ÄRTNER 1985 mit der voraussetzungsreichen These: „Die christliche Erziehung in den Familien gewann für die Kirche eine besondere Bedeutung dadurch, daß ihr die Aufgabe zugewiesen wurde, den verhängnisvollen Einflüssen des profanen Unterrichts entgegenzuwirken“ (135, mit SCHOLL 1964, 512); das dürfte so allgemein kaum zu belegen sein. 75 Zu christlichen Lehrern im 2. Jh. vgl. NEYMEYR 1989; eine Untersuchung für die Spätantike, die Personen wie Didymus, aber auch Hieronymus zu berücksichtigen hätte, fehlt. 76 Dazu YOUNG 1997 sowie SCHÄUBLIN 1992; DERS . 2004.

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Nichtchristen, der im Grunde erst durch die kaiserliche antipagane Gesetzgebung im späten 4. und frühen 5. Jahrhundert präzise umrissen wird. Nicht zufällig finden sich erst in dieser Zeit Ansätze, im Gegenzug zum sich konsolidierenden Christentum eine dezidiert „heidnische“ Theologie zu entwerfen (vor allem in Macrobius’ wohl 431 abgefassten Saturnalia).77 Von „paganer“ Schulbildung zu sprechen ist aber deskriptiv gerechtfertigt, insofern damit der nicht christliche, aus einer bestimmten Perspektive kritikwürdige Charakter der dort behandelten Texte gemeint ist. Ein religiöser Charakter ihres Unterrichts entsprach zwar nicht dem Selbstverständnis der antiken Lehrer, wurde der Schule aber eben von den Christen – wiederum innerhalb spezifischer Diskurse – zugeschrieben (von Nichtchristen nur bei der prominenten Ausnahme Julian). Von der antiken als einer „paganen“ Schule zu sprechen bedeutet daher, dass die vorliegende Untersuchung das Verhältnis der Angehörigen einer bestimmten Religion – eben des Christentums – zu einer Institution ihrer soziokulturellen Umwelt thematisiert. Die Unterscheidung zwischen christlich und pagan („heidnisch“) findet hier also heuristisch, nicht normativ Verwendung: Sie hält die in der Spätantike gewiss fließende, aber in den Quellen in Anspruch genommene Differenz von Christen und „Heiden“ präsent und ist zugleich jeweils auf ihre Anwendbarkeit auf konkrete Texte und Diskurse kritisch zu überprüfen.78 Die Untersuchung ist räumlich und zeitlich begrenzt: Sie behandelt die westliche („lateinische“) Hälfte des Imperium Romanum in der Spätantike, unter Einbezug von deren Vorgeschichte im 2. und 3. Jahrhundert. Wie jede Epochenabgrenzung, so hängen auch Beginn und Ende der Spätantike von den jeweils gewählten Parametern ab: Im Fall der Bildung kann zwar von einer Kontinuität der Schulinstitutionen in der gesamten römischen Kaiserzeit ausgegangen werden, die Literaturproduktion nimmt aber im 3. Jahrhundert deutlich ab, sowohl in Bezug auf die „heidnische“ (römische) Literatur als auch auf das Schrifttum lateinischer Christen, das nach einer ersten Blüte 77 Nach M ARKUS 1974, 8 entsteht am Ende des 4. Jh.s eine Frontstellung römischer Literaten gegen das Christentum, bei der es nicht um eine „confrontation of religions“, sondern um eine „confrontation of cultures“, also um den Anspruch auf wahre romanitas geht. 78 Zur Verdeutlichung wird „heidnisch“ in Anführungszeichen gesetzt.- Aus religionswissenschaftlicher Perspektive handelt es sich bei Selbstbeschreibungen, die eine Differenz zu den „Heiden“ statuieren, natürlich um heuristisch nur bedingt brauchbare Konstrukte (vgl. VON S TUCKRAD 2002). Aufgrund der vielfältig belegten Formen von religiösen Mehrfachmitgliedschaften „die singularisierende Einteilung religiöser Konfessionen insgesamt hinter sich [zu] lassen“ (202), würde aber zur Verwischung sämtlicher Grenzen führen, ohne dass damit erklärt wäre, wie solche „rhetorischen Diskurse“ in konstruktivem Sinne identitätsstiftend wirken konnten – was sie zweifellos taten, und sei es im Sinne regulativer Ideen, was „christlich“ sei! Zur Leistungsfähigkeit solcher religionsgeschichtlichen Fragestellungen vgl. demnächst Peter GEMEINHARDT, Die religionsgeschichtliche Erforschung der Spätantike: Das Christentum, in: VuF 52 (2007) [im Druck].

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von Tertullian bis Cyprian mit Arnobius und Laktanz im 4. Jahrhundert einen Neubeginn erlebt.79 An der „Blütezeit der lateinischen Literatur“ zwischen 350 und 430 n. Chr.80 partizipierten christliche Autoren in reichem Maße, so dass es missverständlich ist, für diese Zeit von einem „Gegeneinander“ paganer und christlicher Literaturen zu sprechen, dem ein „Nebeneinander“ bis in die Zeit Konstantins vorausgegangen und ein „Miteinander“ in den „barbarischen“ Reichen gefolgt sei.81 Eher wird man die genannte Blütezeit als „Achsenzeit“ der christlichen Bildungsdiskussion ansehen müssen, in der zwar das Gegeneinander als Problem erkannt, durch das unhintergehbare Miteinander von paganer und christlicher Literatur aber erst in ganzer Schärfe gestellt war. Demgegenüber bringt das 6. Jahrhundert mit dem institutionellen Niedergang der antiken Bildungsinstitutionen auch die Bildungsdiskussion der Spätantike zu einem Ende; auf die „Klassiker“ wird bedauernd zurückgeblickt (so Gregor von Tours). Als „Spätantike“ gilt also die Zeit vom Beginn des 4. bis zum 6. Jahrhundert (doxographisch: von Arnobius und Laktanz bis zu Cassiodor). In dieser Zeit wird nicht nur politisch die Zweiteilung des Imperium Romanum unausweichlich, es manifestiert sich auch eine unterschiedliche kulturelle Entwicklung. Hatten griechischsprachige Autoren schon zuvor wenig lateinische Literatur rezipiert, hatte die hellenistische Schule nie das Lateinische im Standardrepertoire geführt, so geht seit dem 3. Jahrhundert auch im lateinischen Sprachraum die Kenntnis des Griechischen rapide zurück.82 Das bilinguale Bildungsideal hält sich noch bis ins 6. Jahrhundert, wie die Vita Fulgentii zeigt, und Angehörige der Bildungselite Roms lasen immerhin Griechisch (so Ambrosius, Hieronymus und Rufin). Der literarische Diskurs vollzieht sich jedoch sprachlich eindimensional: Zwar beruft sich z.B. Hieronymus verschiedentlich auf Cicero und Demosthenes als rhetorische Archetypen – Einfluss durch Zitate und Anspielungen hat aber nur der Lateiner. Übersetzungsleistungen von Christen richten sich im Wesentlichen auf christliche Literatur; So wird das ungeheure Kommentarwerk des Origenes von Rufin und Hieronymus übertragen, die Vita Antonii gleich von zwei Autoren und das Werk des Didymus von Alexandrien über den Heiligen Geist durch Ambrosius und wiederum Hieronymus. Die Klassiker, auf die sich Christen wie „Heiden“ gemeinsam beziehen und die in Grabinschriften wie in Briefen zur (wechselseitigen) Versicherung von Bildung dienen, sind dagegen die lateinischen Dichter und Rhetoren der späten Republik. Sowohl synchron – in Be79 Zu Abbrechen der paganen Literaturproduktion zwischen 239 und 283 n. Chr. vgl. FUHRMANN 1994, 44; zur Abgrenzung der Spätantike vgl. aaO. 13–18; HERZOG 1989, 38– 44; DEMANDT 1989, XVII. 80 D ÖPP 1988; dass die Spätantike eine literaturgeschichtliche Epoche sui generis darstellt, bezeugt neben den Arbeiten von FUHRMANN (1967; 1994) Band IV des „Neuen Handbuchs der Literaturwissenschaft“ (hg. v. Lodewijk J. ENGELS/Heinz HOFMANN, Wiesbaden 1997). 81 So F UHRMANN 1994, 392. 82 Maßgeblich zur Kenntnis des Griechischen im Westen des Reiches: C OURCELLE 1948.

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zug auf den literarischen Diskurs der Gegenwart – als auch diachron – hinsichtlich der Stilvorbilder und Quellen für Zitate – ist also der lateinische Westen des Imperiums als einheitlicher Kulturraum anzusehen; das schließt keineswegs aus, dass es Kontakte zum Osten gab, rechtfertigt aber das Vorhaben, die Rezeption und Reflexion der antiken Schulbildung seitens der Christen in diesem spezifisch begrenzten Kontext zu beleuchten. Dafür kommt eine Fülle von literarischen Gattungen und Diskursen in Frage, so dass die vorliegende Untersuchung prinzipiell keinen Anspruch auf Vollständigkeit des zu behandelnden Materials erheben kann und dies angesichts der verdienstvollen Vorarbeiten (s.o.) auch gar nicht will. Das gilt besonders für grundsätzliche hermeneutische Erwägungen christlicher Theologen zur antiken paganen Bildung, die in systematischer Auswahl zur Sprache gebracht werden (Kapitel III.5.). Dagegen sollen Textsorten herangezogen werden, die bisher in der Forschung zum christlichen Bildungsverständnis nur selten berücksichtigt oder nicht zueinander in Beziehung gesetzt wurden: Gemeint sind Grab- und weitere Inschriften als Quellen zur öffentlichen Darstellung konkreter Biographien, Briefe als Medium freundschaftlicher Kommunikation, aber auch des exegetischen Austauschs, schließlich hagiographische Texte als Dokumente des vielgestaltigen Prozesses der Entwicklung christlicher Leitbilder in Aufnahme von und Abgrenzung zu antiken biographischen Mustern (Kapitel III.2.).83 Einzugehen ist auch auf Kirchenordnungen als Niederschlag der Erwartungen, die an christliche Amtsträger gerichtet wurden, sowie auf die Diskussion der rhetorischen Formkultur in Bezug auf die Gestaltung der Predigt (Kapitel III.3.); ebenso sind theoretische Reflexionen über Bildung und den Lehrberuf zu den erhebbaren Daten über Christen als Lehrer an paganen Schulen ins Verhältnis zu setzen (Kapitel III.4.). Auch mit diesem erweiterten Fokus wird kaum die „Situation ‚durchschnittlicher‘ Christen“ erfasst84, doch methodisch führt dieser Ansatz über die Selbstdarstellung der christlichen Autoren hinaus: Gefragt wird nicht nur und nicht zuerst, was Christen meinten, wie man mit antiker Bildung verfahren solle, sondern in welcher Weise Bildung die Kommunikation von Christen miteinander und mit „Heiden“ tatsächlich prägte – und an welchen Stellen diese Unterscheidung gar nicht sinnvoll einzuziehen ist.

83 Ein weiterer, an einschlägig ausgewiesenen Autoren und möglichen Rezipienten freilich eingegrenzter Aspekt wäre die (Bibel-) Dichtung von Christen; vgl. dazu die wichtigen Studien von HERZOG 1975 und KARTSCHOKE 1975 (über die Spätantike hinausreichend) sowie FONTAINE 1981 und KIRSCH 1989; aus neuester Zeit Th. GÄRTNER 2004 und die exemplarische Untersuchung von JAKOBI 2005 zu Proba; knapp HAGENDAHL 1983, 66–74. 84 So die – von ihr selbst nicht konsequent eingelöste – Forderung von PIEPENBRINK 2005, 20 (vgl. Hans Reinhard SEELIGER, in: ThQ 186, 2006, 213–229, hier 216–218).

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3. Aufriss der Untersuchung Die materiale Untersuchung wird in drei großen Schritten vorgehen: – Das sachliche Fundament für die Frage nach der Bedeutung von Schulbildung für das antike Christentum legt Teil I, der im Gespräch mit der altertumswissenschaftlichen Forschung eine Zusammenfassung des Kenntnisstandes zum Schulwesen der Spätantike unternimmt, der sich gegenüber der Darstellung von Marrou (s.o.) in manchen großen Zügen und vielen Einzelheiten verändert und erweitert hat. Dabei wird darzulegen sein, was im Folgenden unter „Schule“ (einschließlich von Lehrstoff und -personal sowie der gesellschaftlichen Bedeutung der Schulbildung) verstanden wird. – Die apologetische und innerchristliche Bildungsdiskussion beginnt im Westen des römischen Reiches mit Tertullian, Minucius Felix und Cyprian. Für eine Zeit, in der die Liturgie- und Korrespondenzsprache der römischen Gemeinde Griechisch war, sind über die lateinischsprachige Literatur hinaus auch im Westen wirkende, Griechisch schreibende Theologen wie Justin, Tatian, Hippolyt und Irenäus zu berücksichtigen, um die frühchristliche Auseinandersetzung mit der antiken Schulbildung nachzuzeichnen. Da sozialgeschichtliche Daten für jene Zeit, wenn überhaupt, dann beschränkt auf einzelne Städte oder Regionen zu erheben sind – wie für das Karthago Tertullians –, legt sich hier ein Vorgehen nach Autoren nahe. – Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt – entsprechend den o.g. Abgrenzungen – auf dem Christentum in Rom und den westlichen Provinzen des römischen Reiches vom 4. bis 6. Jahrhundert, dem sich der dritte und umfangreichste Teil widmet. Hier ist einleitend auf die gesellschaftliche Integration des Christentums in nachkonstantinischer Zeit einzugehen, einschließlich der Frage, inwieweit hinsichtlich des Streits um den VictoriaAltar in Rom (384) und der Usurpation des Eugenius (392–394) von einer Auseinandersetzung zwischen Christen und „Heiden“ gesprochen werden kann. In vier thematischen Querschnitten (s.o. S. 24) ist sodann nach der Rezeption von Bildung durch Christen in Epigraphik, Epistolographie und Hagiographie zu fragen, weiterhin nach der Tätigkeit von Christen als Prediger und als Lehrer (ausgehend vom Lehrverbot Julians) und abschließend nach der theologischen Reflexion der antiken Bildung und ihrer Institutionen, was auch die Frage nach hermeneutischen Modellen der Aneignung und Kritik von Bildung umfasst. Das thematisch orientierte Vorgehen bringt es in diesem Teil mit sich, dass nur sporadisch fortlaufende Interpretationen einzelner Werke vorgelegt werden (etwa zu Augustin, De doctrina christiana IV).85 Vielmehr werden die Auto85 Es wird auch darauf verzichtet, antike Autoren nach „Typen“ ihres Umgangs mit Bildung zu gruppieren. LAISTNER 1950, 49f. unterscheidet strikte Bildungsgegner (Epiphanius,

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ren und Texte aus dem 4. bis 6. Jahrhundert grundsätzlich als Teilnehmer an einem übergreifenden Diskurs in den Blick genommen, der durch das Gegenüber zu den antiken römischen Bildungsinstitutionen konstituiert wird. Unterstellt wird damit nicht eine verborgene innere Einheit der christlichen Theologie der Spätantike, wohl aber ein kulturelles Kontinuum, das durch die institutionelle und inhaltliche Konstanz der antiken Bildung (wie im ersten Teil darzustellen sein wird) gewährleistet wird und auf das christliche Autoren von Laktanz bis zu Caesarius von Arles gleichermaßen als Gesprächsgrundlage innerhalb des Christentums und mit den „Heiden“ zugreifen. Diese Gesprächsgrundlage fiel weg, als im 6. Jahrhundert mit einiger Verzögerung nach dem Fall der römischen Herrschaft in den Provinzen auch das Schulwesen einen sukzessiven Niedergang erlebte; trotz ganz unterschiedlicher Bewertungen dieses Prozesses markieren Cassiodor, Gregor von Tours und Gregor I. gemeinsam den Punkt, an dem die römischen Bildungsinstitutionen kein Bestandteil der christlich gewordenen Welt des Mittelmeerraumes mehr waren. Im Schlussabschnitt wird die christliche Bildungsrezeption und -kritik innerhalb der markierten zeitlichen und räumlichen Grenzen noch einmal zusammengefasst, bevor abschließend Perspektiven über die Grenzen der Untersuchung und über die Grenzen der Patristik als theologischer Disziplin hinaus ausblicksweise benannt werden. Ob aus dem ebenso widerspruchsvollen wie auch fruchtbaren „Miteinander und Gegeneinander von Antike und Christentum… noch einmal Deutungskriterien und Maßstäbe für eine Welt erwachsen [können], die sich in Sinn- und Maßlosigkeit verliert“86, sei angesichts der Grenzen der vorliegenden Untersuchung nur gefragt. Wohl aber stellt die Rezeption und Reflexion der antiken Bildung ein Paradigma der Inkulturation des Christentums in eine nichtchristliche Umwelt dar – und könnte damit auch für die Rolle von Christentum und Kirche in der modernen Bildungslandschaft von Erkenntniswert sein.

Lucifer von Calaris, die syrische Didascalia), gebildete Gegner (Tertullian, der späte Augustin), bildungsoffene Theologen (Hieronymus, der frühe Augustin, Basilius) und Verteidiger der klassischen Bildung (Clemens von Alexandrien, Origenes, Euseb von Caesarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa). Bei näherem Hinsehen ergibt sich freilich eine solche Varianzbreite von „Typen“, dass ein Vorgehen nach literarischen Gattungen und Diskurszusammenhängen mehr Präzision bei der Einordnung verspricht. 86 Hans-Dieter B ETZ , Antike und Christentum, in: RGG 4 1 (1998), 542–546, hier 546.

Kapitel I

Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit 1. Die Organisation des antiken Schulunterrichts Die Dauerhaftigkeit der antiken Bildung und ihrer Institutionen ist oft notiert worden. Die Römer der späten Republik und frühen Kaiserzeit übernahmen die hellenistischen Bildungsinstitutionen bruchlos – „Hellas, im Kampfe bezwungen, besiegte den wilden Sieger und brachte dem bäurischen Latium die Künste.“1 In der westlichen Reichshälfte blieb das Bildungswesen bis zum Untergang des Imperiums im 5. Jahrhundert, im Osten bis in die Zeit Justinians weitgehend unverändert erhalten. Ob man nun das 3. Jahrhundert als „Reichskrise“ oder lediglich als „Zeit vielfältigen, teilweise auch beschleunigten Wandels“2 betrachtet: Es ist unbestritten, dass die Bildungsinstitutionen den Übergang von der Antike zur Spätantike unbeschadet überdauerten.3 Jedoch hat die ältere Forschung aus dieser diachronen Kontinuität zu schnell eine strukturelle Synchronität gefolgert, wonach die für einige Orte bezeugte dreistufige Organisation des Schulsystems grundsätzlich für das gesamte Imperium als gegeben vorauszusetzen sei. Neuere Untersuchungen (s.u. S. 29–33) zeigen, dass nur mit Vorsicht lokal gebundene Beobachtungen auf andere Orte zu übertragen sind. Auch besteht zwischen pädagogischen Konzepten und dem archäologisch und epigraphisch zu eruierenden Unterrichtsgeschehen nicht notwendig Deckungsgleichheit. Schließlich haben Alan Booth und – ihm folgend – Robert Kaster mit guten Gründen in Frage gestellt, dass ein Schüler, der die „höhere“ Schulbildung (Grammatik und Rhetorik) genossen habe, zuvor selbstverständlich auch die Elementarschule durchlaufen habe. Im Folgenden ist daher zu fragen, welches Bild des antiken Schulsystems sich aus der neueren Forschung ergibt, von welcher institutionellen und inhaltlichen Grundlage die Untersuchung also auszugehen hat.

1 Horaz, ep. II 1,156f.: „Graecia capta ferum victorem cepit et artes / intulit agresti Latio“ (Üb. SIMON, 275); vgl. VÖSSING 2003, 465. Zur hellenistischen Schule vgl. VEGGE 2006, 3–340. 2 So W ITSCHEL 1999, 11, der zwischen 250/60 und 280/90 außerordentliche ökonomische Schwierigkeiten (375), aber keine „generelle Umwälzung der römischen Sozialordnung“ konstatiert (133); anders z.B. FUHRMANN 1994, 23: „Diese Welt des Wohlstands und des sozialen Ausgleichs brach vor der Mitte des 3. Jahrhunderts katastrophenartig zusammen.“ 3 Vgl. F UHRMANN 1994, 82 und bereits KIRSCH 1988, 6.

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

1.1. Das klassische Modell des „dreigliedrigen Schulsystems“ „Der erste Becher macht einen durch den Anfangsunterricht des Elementarlehrers munter, der zweite belehrt einen durch die Kenntnis des Grammatikers, der dritte bewehrt einen mit der Beredsamkeit des Rhetors. Bis hierher trinken die meisten…“ – so beschreibt der Nordafrikaner Apuleius (ca. 125– 180 n.Chr.) den normalen schulischen Werdegang in Madaura und Karthago. Er selbst habe später in Athen „noch andere Becher getrunken“: „den leidenschaftlichen der Poesie, den klaren der Geometrie, den süßen der Musik, den strengen der Dialektik und schließlich den unaustrinkbaren und nektargleichen Pokal der alles umfassenden Philosophie.“4 Während unten (2.4.) nach dem Verhältnis der Schulbildung zu den Disziplinen der ἐγκύκλιος παιδεία gefragt werden soll, sei zunächst festgehalten, dass diese Schulbiographie für Apuleius und seine Leser offenbar so selbstverständlich war, dass weitere Erklärungen sich erübrigten. Drei „Schulen“ waren demnach zu durchlaufen: – die Elementarschule (ludus litterarius), in die das Kind mit etwa sieben Jahren eintrat, um beim magister ludi Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen; – die Grammatikschule (schola grammatici), wo den Schülern ab dem 11. oder 12. Lebensjahr im engeren Sinne „literarische“ Bildung vermittelt wurde; – die Rhetorikschule (schola rhetoris oder oratoris), in der man zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr die Kunstfertigkeit öffentlicher Rede erwarb.5 Dieser institutionelle Dreischritt ist für die römische Kaiserzeit umfassend bezeugt, bei christlichen Theologen wie Tertullian6, Laktanz7 und Augustin8 ebenso wie bei dem Dichter Ausonius9 und dem Grammatiker Pompeius.10 4 Apul. flor. 20,2 (40,23–41,5 Helm): „Prima creterra litteratoris rudimento excitat, secunda grammatici doctrina instruit, tertia rhetoris eloquentia armat. Hactenus a plerisque potatur. Ego et alias creterras Athenis bibi: poeticam commotam, geometriae limpidam, musicae dulcem, dialectica austerulam, iam vero universae philosophiae inexplebilem scilicet et nectaream“; übers. in Anlehnung an VÖSSING 1997, 395; vgl. HADOT 1984, 93. 5 Vgl. M ARROU 1977, 491; vgl. zusammenfassend DERS . 1972. Es ist daher irreführend, die Rhetorik dem „Hochschulunterricht“ zuzuordnen (so BORMANN 2006, 102, die selbst anmerkt, dass die Grenzen zwischen Grammatik und Rhetorik fließend waren; aaO. 106). 6 Tert. pall. 6,2 (CChr.SL 2, 750,10–16 Gerlo): „Viderit nunc philosophia, quid prosit; nec enim sola mecum est. Habeo et alias artes in publico utiles. De meo uestiuntur et primus informator litterarum et primus enodator uocis et primus numerorum harenarius et grammaticus et rhetor et sophista et medicus et poëta et qui musicam pulsat et qui stellarem coniectat et qui uolaticam spectat. Omnis liberalitas studiorum quattuor meis angulis tegitur.“ 7 Lact. inst. III 25,9–11 (CSEL 19, 258,6.8f.10f. Brandt): „discendae istae communes litterae propter usum legendi… grammaticis quoque non parum operae dandum est, ut rectam loqendi rationem scias… nec oratoria quidem ignoranda est, ut ea quae didiceris proferre atque eloqui possis.“ 8 Aug. conf. I 13,20 (CChr.SL 27, 11,3f. Verheijen): „primus magister“ – „grammaticus“; III 3,6 (29,15): „schola rhetoris“. 9 Auson. protr. 67–76 (23f. Green); ausführlich zitiert unten Anm. 25. 10 Pompeius, Commentum artis Donati (GrLat V, 96,12–14 Keil).

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Das Grundschema wird ebenfalls durch das Höchstpreisedikt Diocletians von 301 gestützt, das Löhne für bestimmte Berufsgruppen festsetzte, darunter auch für den magister institutor litterarum, den grammaticus und den orator.11 Diese Trias von Schulformen gilt seit Marrou als Idealtyp antiker Schulbildung.12 Die Ausdifferenzierung dieses Systems ist für Rom seit dem 1. Jahrhundert v.Chr. belegt.13 Der Weg zur Beherrschung der literarischen Kultur14 führt von der Analyse von Texten über deren Wahrnehmung als Literatur bis zur eigenen Textproduktion in gehobener Qualität. Hierin manifestiert sich ein Element der Kontinuität über Jahrhunderte hinweg – erstaunlich genug, da die Institution Schule erst in der Spätantike zum Objekt staatlichen Verwaltungshandelns wurde. Bis dahin wurde die Institution durch Inhalte reguliert: durch das Bildungsideal, das über nationale Grenzen hinweg einen kulturellen Grundkonsens gewährleistete. 1.2. Differenzierungen: Terminologie, Urbanität und soziale Schichtung Das skizzierte System setzt klar abgegrenzte Schulformen und Funktionsträger voraus: Der γραµµατιστής/ludi magister lehrt elementare Kompetenzen im Lesen und Schreiben, der γραµµατικός/grammaticus befähigt die Schüler dazu, Literatur analytisch zu erfassen, der ῥήτωρ/orator führt sie in die Redekunst ein. Zu Recht merkt allerdings Morgan kritisch an: „So they do, in the jurists and Quintilian!“15 Schon Marrou konzedierte, dass „die Unterscheidung der 11 Edictum imperatoris Diocletiani de pretium rerum venalium VII 66. 70f. (124f. Lauffer): „magistro instituto[ri] litterarum in singulis discipulos menstruos L… [g]rammatico Graeco sive Latino et geometrae in singulis discipulos menstruos ducentos. oratori sive sofistae in singulis discipulos menstruos ducent[o]s quinquaginta.“ Die Terminologie kann variieren (vgl. HARRIS 1989, 234 Anm. 306): litterator – grammaticus – rhetor (Apuleius [s.o.]); litterator (sowie comoedus, musicus, geometra) – grammaticus – orator (SHA Marc. 2,2–4; I 48,11–19 Hohl). 12 S.o. Anm. 5; im Anschluss daran B LOMENKAMP 1966, 508; ausführlich B ONNER 1977, 34–75. Vgl. an neuerer Literatur: CHRISTES 1975, 70; SCHÖLLGEN 1984, 142–148; HERZOG 1989, 12; PAUL 1993, 21; FUHRMANN 1994, 81; BROWNING 2000, 856; weitere Belege bei VÖSSING 1997, 564 Anm. 1906; zuletzt BEAVIS 2000, 412–415 und CHRISTES 2001, 264f. 13 Cic. de orat. I 42,187 (71,22–24 Kumaniecki) setzt bereits Grammatikschulen in Rom voraus. Allgemein zur schola grammatici vgl. BOOTH 1978, 123–125; KASTER 1988, 51f. 14 Keine besondere Rolle spielte dagegen in Rom die athletische Ausbildung im hellenistischen γυµνάσιον. Wenn Salvian von Marseille von „illic artium liberalium scholae, illic philosophorum officinae, cuncta denique uel linguarum gymnasium uel morum“ (gub. 7,68; CSEL 8, 177,16– 18 Pauly) spricht, bezeichnet dies nicht noch etwas Drittes neben den Freien Künsten und der Philosophie, sondern „jede Art Übungsstätten… für Sprachen- und Sittenunterricht“. „Gymnasium ist hier also zu einem Sammelbegriff geworden für jeden Ort, an dem etwas Geistiges gelernt oder vermittelt wird“ (VÖSSING 1997, 362). Die spätantiken Glossarien (vgl. aaO. 363 Anm. 1256) erklären gymnasium als „auditorium magistrorum“ (CGL IV, 241,37), „scola“ (522,47) oder als „locus ubi aliquid docetur“ (412,18; 448,52); vgl. Cassiod. var. VIII 13,2 (CChr.SL 96, 315,8–11 Fridh); Martianus Capella IX 899 (342,18–21 Willis). 15 M ORGAN 1998, 28.

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

drei Unterrichtsstufen in der Praxis nicht immer streng durchgeführt worden sei“, verwies allerdings dafür lediglich auf die Anfänge des römischen Unterrichtswesens bis zur Zeit Ciceros und auf das spätantike Gallien, „wo der gesellschaftliche Bau des Kaiserreichs zusammenzustürzen beginnt“16. Doch ist nach Kaster zu beachten, dass die Bezeichnungen des Lehrpersonals sich grundsätzlich nicht auf das klassische Modell reduzieren lassen: γραµµατιστής kann die Bedeutung von γραµµατικός haben17, und Apuleius’ litterator begegnet andernorts im Zusammenhang mit höherer literarischer Kultur: So bringt Orosius seine Kenntnisse Vergils, des Gegenstandes des Grammatikunterrichts par excellence, explizit mit dem ludus litterarii in Verbindung.18 Ebenso ist belegt, dass Grammatiker Fragen der Rhetorik behandelten19 und Rhetoren grammatische Probleme erörterten.20 „Gehörten“ der Theorie nach die Dichter dem Grammatiker, die Historiker und Redner dem Rhetor21, so bezeichnet hingegen das Spottepigramm In grammaticum furiosum des Afrikaners Luxurius (6. Jh.) den Lehrer zugleich als „carminum interpres veterumque vatum“ und als „magister verbi disertus“.22 In den Hermeneumata Pseudodositheana traktiert der subdoctor mit den jüngeren Schülern Grammatik und Vokabular, während der magister mit den Älteren neben den Dichtern auch die Historiker und die „actiones Tullianas“ durchnimmt. Damit verwoben ist die Schilderung eines ludus litterarius, in dem zwar Schreiben und Lesen gelehrt wird, am Ende aber der fortgeschrittene Schüler sich mit „commentarium meum, et lexeis et artem“ befasst, d.h. also mit einem Handbuch der Grammatik (ars).23 Ausonius berichtet, dass in der großen Schule von Bordeaux die grammatici die prima 16

MARROU 1977, 490f. Anm. 2. KASTER 1988, 448–450 mit Liban. ep. 406,1 (X 402,13 Foerster: γραµµατιστὴς ὑπὲρ τῶν ποιητῶν [τι λέγων]) und zahlreichen weiteren Belegen. 18 Oros. hist. I 18,1 (CSEL 5, 70,3–5 Zangemeister). Möglicherweise wird auch bei Aug. civ. I 3 (CChr.SL 47, 3,6f. Dombart/Kalb) mit den „kleinen Knaben“, die bereits Vergil lesen müssten, auf die Elementarschule angespielt (VÖSSING 1997, 368 Anm. 1268). BOOTH 1981, 377 vermerkt, dass nur bei Apuleius der Begriff litterator in eindeutiger Bezugnahme auf den Elementarlehrer vorkommt und ansonsten den Grammatiker bezeichnet; vgl. z.B. Diomedes (GrLat I, 421,11f. Keil). Vgl. HARRIS 1989, 234f.; zur Mehrdeutigkeit des Ideals des litteratus vgl. GRUNDMANN 1958, 15–22 und unten Abschnitt 3.3. 19 Für die späte Republik vgl. Suet. gramm. 4,4 (8 Kaster): „veteres grammatici et rhetoricam docebant et multorum de utraque arte commentarii feruntur“; zur frühen Kaiserzeit Quint. II 1,1 (I 160 R.): „et rhetores utique nostri suas partis omiserunt et grammatici alienas occupaverunt.“ 20 Aug. conf. VI 7,11f. (81,10f.29 V.): In Karthago („ego autem rhetoricam ibi professus publica schola uterer“) traktierte er einen Text nach Art des Grammatikers („forte lectio in manibus erat“). 21 Vgl. W OLF 1952, 32: Dem Rhetor ist die „lectio historiae atque magis orationum“ aufgegeben, „quem ad modum a grammaticis exigitur poetarum enarratio“ (Quint. II 5,1; I 190 R.). 22 Anthologia latina I/1 Nr. 289 (240,1–4 Shackleton Bailey). 23 D IONISOTTI 1982, 100,34f.38; 101,41f.; vgl. Hermeneumata Einsidlensia (CGL III, 226,17f.): „commentaria, linguas, artem“; Hermeneumata Leidensia III 4 (123,3125f. FLAMMINI): „iam teneo meam lectionem“; III 6 (124,3153f.): „versus postea coepi legere“. 17

1. Die Organisation des antiken Schulunterrichts

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elementa lehrten24; zugleich beweist seine eigene Karriere, die ihn in derselben Institution vom Elementar- zum Grammatikunterricht und schließlich auf einen Lehrstuhl für Rhetorik führte25, dass auch innerhalb einer tatsächlich dreistufigen Schule die Abgrenzungen durchlässig sein konnten.26 Diese Übergänge lagen allerdings nicht an mutwilligen Usurpationen, sondern meist am Fehlen verschiedener Schulformen an einem Ort. In Madaura, dessen Schullandschaft Apuleius so eindrücklich schildert, scheint Augustin in derselben Schule Grammatik und Rhetorik studiert zu haben.27 Bereits in Thagaste hatte er Elementar- und Grammatikunterricht – möglicherweise auch hier in derselben Schule – genossen. Wenn auch die „reine“ Rhetorikschule in Karthago, auf die Augustin dank seiner Begabung und der finanziellen Anstrengungen seines Vaters wechseln konnte, gewiss in höherem Ansehen stand als die Mischtypen in Thagaste und Madaura, zeigt sich hier exemplarisch, dass abseits der großen Städte derselbe Unterrichtsstoff geboten wurde, jedoch in variabler institutioneller Gestalt.28 Gerade der Kronzeuge des dreigliedrigen Schulsystems problematisiert also dessen Voraussetzungen! Die Vorstellung dreier aufeinander folgender Stufen innerhalb eines einzigen Curriculums ist aber auch deshalb irreführend, weil die Elementarschule für viele Kinder die einzige Gelegenheit war, zu lernen, was ihnen nützlich sein konnte – sei es zur Tätigung von Geschäften, die ein gewisses Quantum 24 Auson. prof. Burd. 10,36f. (50 Green) zu Ammonius: „qui rudibus pueris / prima elementa docebat“; 21,4–6 (56 Gr.) zu Crispus: „primaevos fandique rudis / elementorum prima docebas / signa novorum“; vgl. KASTER 1983, 331 mit Anm. 26; zu Bordeaux vgl. SIVAN 1993, 74–93. 25 Vgl. Auson. protr. 67–76 (23f. Gr.): „multos lactantibus annis / ipse alui gremioque fovens et murmura solvens / eripui tenerum blandis nutricibus aevum. / mox pueros molli monitu et formidine leni / pellexi, ut mites peterent per acerba profectus, / carpturi dulcem fructum radicis amarae. / idem vesticipes motu iam puberis aevi / ad mores artesque bonas fandique vigorem / produxi, quamquam imperium cervice negarent / ferre nec insertis praeberent ora lupatis.“ Augustin wirkte erst als grammaticus in Thagaste, dann als rhetor in Karthago, vgl. Aug. conf. IV 2,2 (40,1f. V.); Poss. vita Aug. 1,2 (28,14f. Geerlings); s.u. S. 375–377. Vgl. die drei Stufen der „Musterkarriere“ (Makarios/Symeon hom. 15,42, Z. 583–590; PTS 4, 152 Dörries/Klostermann/Kroeger): Die erste Schule vermittle die σηµεῖα; danach gehe man εἰς τὴν σχολὴν τῶν ῾Ρωµαϊκῶν und schließlich zur σχολὴ τῶν γραµµάτων, woraufhin man Anwalt (σχολαστικός/δικολόγος) oder Statthalter (ἡγέµων) werden könne; vgl. KASTER 1983, 326; VÖSSING 1997, 572f. 26 Vgl. M ORGAN 1998, 28: „Outside the tidy minds of jurists and theorists, it seems, who taught what was a riot of non-regulation“; vgl. auch RICHÉ 1962, 43; KRUMEICH 2006, 112f. 27 Aug. conf. II 3,5 (19,1–3 V.): „dum mihi reducto a Madauris, in qua uicina urbe iam coeperam litteraturae atque oratoriae percipiendae gratia peregrinari“; hier sind kaum zwei verschiedene Schulen gemeint (so VÖSSING 1997, 570f.). Litteratura ist nach Quint. II 1,4; 14,3 (I 162; 228 R.) das Äquivalent zu γραµµατική; vgl. Aug. ord. II 12,37 (BAug 4/2, 274,45–47 Doignon): „grammatica… profiteri se litteras clamat, unde etiam Latine litteratura dicitur.“ 28 V ÖSSING 1997, 566: „Die ‚Regel‘ war… eine große Variationsbreite. Nicht theoretische Festlegungen, sondern die jeweiligen Umstände bestimmten den Charakter der Schule.“ Nach Av. CAMERON 1998, 673 müssen auch amtliche Dokumente wie das Preisedikt Diocletians keineswegs die an jedem Ort gegebenen Verhältnisse widerspiegeln.

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

an Kompetenz in Lesen und Schreiben erforderten, sei es zur Festigung der eigenen sozialen Stellung. In kleineren und mittleren Orten wurde meist nur eine – durch Bestandteile des Grammatik- und Rhetorikunterrichts angereicherte – Elementarbildung vermittelt, die den Schüler zum litteratus in funktionalem Sinne machte, aber immer noch eine erhebliche Differenz zu den wenigen liberaliter instituti bestehen ließ.29 Im Gegenzug existieren zahlreiche Beispiele dafür, dass der Grammatiklehrer der erste Lehrer eines Kindes war, so bei Prudentius30 und Paulinus von Nola: Augustin habe als grammaticus den jungen Licentius bereits „als kleines Kind auf seinem Schoß getragen“; so sei dieser „von Kindheit an mit der ersten Milch weltlicher Weisheit erfüllt“ worden.31 Das Lob des Sidonius Apollinaris für den jungen Consentius, er habe von Geburt an von den litterae getrunken und sei schon als Junge seinem Lehrer überlegen gewesen („hinc tu iam puer aptior magistro“), ist gewiss hyperbolisch zu verstehen; signifikanterweise wird aber der Lehrer mit dem Lehrstoff in Verbindung gebracht, „quidquid rhetoricae institutionis / quidquid grammaticalis aut palaestrae est“.32 Schließlich bezeugt Paulinus von Pella, dass dem Griechischunterricht und der Vergil-Lektüre beim Grammatiker das Erlernen der „alphabeti prima elementa“ in häuslichem Kontext vorangehen konnte.33

29 Vgl. CRIBIORE 2001, 44: „Uniformity and consistency did not characterize the organisation of ancient schools even in large urban environments. But particularly in towns and villages that where away from the main centers of education, teachers did not follow fixed schemes; rather, they catered to the population according to its needs and their own capabilities. Far from conforming to prearranged educational models, teachers aimed at leading each student up to the level of literacy demanded by that pupil’s place in the social and economic pyramid and his or her future role in the community.“ 30 Prudent. praef. 7–9 (CSEL 61, 3 Bergman): „aetas prima crepantibus / sub ferulis [Grammatik], mox docuit toga / infectum uitiis falsa loqui non sine crimine [Rhetorik]“. Zur Peitsche als geläufigem Züchtigungsmittel vgl. Hier. ep. 57,12,2 (CSEL 54, 525,5f. Hilberg): „Ego frustra tanto tempore studuimus et saepe manum ferulae subduximus“; ähnlich ep. 50,5,2 (393,14–16 H.): „et nos didicimus litterulas, et nos saepe manum ferulae subtraximus, de nobis quoque dici potest: ‚faenum habet in cornu, longe fuge‘“ (Hor. sat. I 4,34); Weiteres bei KASTER 1983, 332–335. 31 Paul. Nol. ep. 8,1 (FC 25/1, 214,4–6 Skeb): „qui te tantillum sinu gestavit suo et a parvulis primo lacte sapientis saecularis imbutum“. VÖSSING 1997, 566 Anm. 1915, sieht hierin eine Anspielung auf privaten Elementarunterricht, der dann aber als saecularis sapientia jedenfalls über den ludus litterarius hinausging. Vgl. auch Auson. parent. 3,9f. (27 Gr.): Sein Onkel Arborius („qui me lactantem, puerum iuvenemque virumque / artibus ornasti“) habe ihn mit etwa 10 Jahren als Schüler zu sich genommen, nachdem Ausonius schon bei den griechischen Grammatikern Romulus und Corinthius gelernt hatte. 32 Sidon. carm. 23, Z. 210–213 (MGH.AA VIII, 255 Luetjohann); zur häuslichen Früherziehung in den litterae vgl. ebd. Z. 206–209 („Et te de genetrice uagientem / tinxerunt [sc. Musae] uitrei uado Hippocrenes. / tunc hac mersus aqua loquacis undae / pro fluctu mage litteras bibisti“); dazu HAARHOFF 1920, 53f. 33 Paulin. Pell. euchar. 65. 72–80 (CSEL 16/1, 294 Brandes).

1. Die Organisation des antiken Schulunterrichts

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Dies erinnert daran, dass noch bei Quintilian der praeceptor bonus am Ideal des altrömischen pater familias gemessen wurde.34 Konnte der Privatunterricht zu Hause sittliche Verderbnis verhindern, so bot der Unterricht in der schola publica dagegen den Vorzug, dass ihn Fachleute erteilten.35 Quintilian, der oft als Gewährsmann für drei aufeinander aufbauende Schulstufen herangezogen worden ist36, geht noch im späten 1. Jahrhundert n.Chr. für gehobene Schichten vom Normalfall häuslicher Elementarunterweisung aus und spricht als ersten Lehrer in der schola publica den grammaticus, nicht den ludi magister an.37 Noch in der Spätantike traten Kinder aus höheren Schichten oft erst mit dem Grammatikunterricht in eine Schule ein und empfingen die elementare Unterweisung zu Hause, sei es von den Eltern oder von einem privaten paedagogus.38 Dies gilt wiederum nicht umfassend (das prominenteste Gegenbeispiel ist Augustin)39; dennoch ist nicht einfach davon auszugehen, dass die Absolventen der Grammatik- und Rhetorikschule auch den Elementarunterricht besucht hätten. Es sind vielmehr der Urbanisierungsgrad des betreffenden Ortes und die soziale Herkunft des jeweiligen Schülers in Rechnung zu stellen, die die Schulbiographie beeinflussten. Insgesamt ist mit einer Vielfalt von konkreten Schulformen zu rechnen – „and in a world without centralized direction of education of any sort, that is only what we should expect.“40 1.3. Ein revidiertes Modell als Ergebnis der neueren Forschung? Folgende Ergebnisse sind für das Schulsystem der Spätantike festzuhalten: – Das Grundmodell des „dreigliedrigen Schulsystems“ ist nachweisbar, meist aber nur für die Metropolen des Imperium Romanum. Klassische Paradigmen wie Augustin sind dafür nur bedingt in Anspruch zu nehmen; gerade seine Schulbiographie zeigt, dass zwischen den einzelnen Schulformen inhaltliche und organisatorische Überschneidungen bestehen konnten. 34

Quint. I 2,15; II 2,4 (I 30; 166 R.); vgl. RÖSGER 1989, 126. Quint. I 2,1–4 (I 164–166 R.). 36 Vgl. z.B. W IRTH 1989, 103 Anm. 17. 37 Vgl. V ÖSSING 2003, 460 Anm. 20; KASTER 1983, 339: Wenn Quint. I 4,27 zu den „genera et qualitates et personas et numeros“ bemerkt: „litterarii paene ista sunt ludi et trivialis scientiae“, sei dies keine obligatorische schulische Vorstufe, vielmehr zeige sich die Differenz zweier Typen: Elementar- („providing a ‚common‘ or ‚vulgar‘ literacy“) und Grammatikschule („including elements of ‚common knowledge‘ in its instruction and in this respect overlapping with the ‚school of letters‘, but also providing more complete and exquisite knowledge“). 38 Zu diesem – oft unfreien – Hauslehrer oder Begleiter des Schülers vgl. CRIBIORE 2001, 47–50; KUNST 2006, 52f. 39 Vgl. V ÖSSING 1997, 565f.: Augustins Elementarschulbesuch sei innerhalb der Oberschicht von Thagaste üblich gewesen, während die Elite Karthagos sich noch in vandalischer Zeit Hauslehrer habe leisten können. Vgl. auch KASTER 1988, 25: „One must not generalize from the familiar but perhaps exceptionally brilliant (and fortunate) case of Augustine.“ 40 KASTER 1983, 346. 35

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

– Die Mehrheit der Kinder, die überhaupt eine Schule besuchten, lernten lediglich die Elementarschule kennen – dies aber nicht als erste Stufe, nach der die Schullaufbahn systemwidrig abgebrochen worden wäre, sondern von vorneherein als einzige Schule, die neben den Fähigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens die lebensnotwendigen Kenntnisse in Grammatik und Rhetorik bereithielt („situational literacy“41). – Wer zum grammaticus und rhetor ging, hatte zuvor dagegen keineswegs selbstverständlich den Unterricht des magister ludi genossen. Kinder aus Familien der Oberschicht erhielten vielmehr oft die elementare Unterweisung zu Hause durch ihre Eltern oder einen paedagogus und begannen ihre Schulaufbahn dann unmittelbar in der schola grammatici. Jedoch wird man das „klassische“ Modell nicht einfach durch ein anderes ersetzen dürfen.42 Vielmehr ist mit Vössing festzuhalten: „Was beim sog. Drei-Stufen-System an der Realität vorbeigeht, ist nicht die Dreizahl (sie ist hinreichend belegt), sondern die Vorstellung, der Schüler habe diese drei Schulformen in drei klar voneinander getrennten Etappen hinter sich gebracht.“43 Zu unterscheiden ist also zwischen unterschiedlichen Formen, in denen das umfassende Ideal einer „liberalis eruditio“ am jeweiligen Ort institutionell umzusetzen versucht wurde. Die Einheit des Bildungssystems liegt nicht in einer reichsweit analogen Organisationsstruktur, sondern in einer verbindlichen und verbindenden Grundidee, die in der je konkreten Gestaltung von Schule und Unterricht zu Tage tritt, und zwar so, dass auch der Absolvent einer Elementarschule im afrikanischen Hinterland oder in einem kleinen gallischen Dorf sich der Gemeinschaft der litterati zugehörig – und damit über die Masse der illitterati erhaben – fühlen durfte.

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KASTER 1983, 343. So zu Recht CRIBIORE 2001, 37 gegen BOOTH 1979, der ein zweistufiges Schulsystem als Normalfall ansehen will (zwischen ludus litterarius und höheren Schulen habe es prinzipiell keinen Übergang gegeben, da es sich um Bildungsstätten unterschiedlicher sozialer Schichten gehandelt habe); vgl. HARRIS 1989, 238. 43 V ÖSSING 1997, 567; ebenso jetzt auch KRUMEICH 2006, 116. 42

2. Grundzüge des antiken Schulunterrichts

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2. Grundzüge des antiken Schulunterrichts Jede Darstellung des Unterrichtsgeschehens in den antiken Schulen findet ihre Grenze an der Selektivität der Quellen: Was alltäglich geschieht und den Beteiligten als selbstverständlich erscheint, wird nur selten dokumentiert. Theoretische Reflexionen über Bildungsziele müssen dagegen auf ihr Verhältnis zum realen Unterrichtsablauf und -inhalt befragt werden; zudem orientieren sich wirkungsgeschichtlich bedeutsame Erziehungskonzeptionen, namentlich diejenigen Ciceros und Quintilians, an dem von Cato formulierten Ideal des „vir bonus dicendi peritus“44, das nicht Ziel der normalen Schullaufbahn sein konnte, sondern eher für die sozial gehobenen Kreise relevant war, aus denen jene Autoren stammten und für die sie schrieben.45 Schließlich sind die Quellen auch regional breit gestreut: Für das ländliche Schulwesen in Ägypten lassen die von Raffaella Cribiore ausgewerteten Papyri relativ sichere Schlüsse zu, während der lateinische Westen mit Ausnahme der Hermeneumata Pseudodositheana nur wenige Zeugnisse des konkreten Unterrichtsgeschehens bietet. Die erhaltenen Inschriften für Lehrer und Schüler lassen dagegen eher das (reale oder postulierte) Ergebnis von Bildungsprozessen erkennen; archäologische Funde konnten wiederum bislang nur sporadisch zum Schulwesen in Beziehung gesetzt werden, da sich das Unterrichtsgeschehen meist in Ladenlokalen auf dem Forum abspielte, die sich kaum von denen des calculator oder notarius unterschieden haben dürften.46 Allein durch regionaler Tiefenbohrungen wie der Arbeit von Vössing zu Nordafrika gelangt man zu in sich validen, überregional vergleichbaren Ergebnissen. Andererseits lassen die verfügbaren Quellen nicht auf eine grundsätzliche Inkommensurabilität zwischen Ost und West schließen. Obwohl die Ideale der 44 Cato, ad fil. frg. 14 (80,1 Jordan): „Orator est, Marce fili, vir bonus, dicendi peritus“; dazu RECHENAUER 1994, 1175; zur Person s. RÜPKE/GLOCK 1230 Nr. 2809; zum Bildungsideal, seiner Rezeption in der Kaiserzeit und seinen teils ironischen Brechungen vgl. PETERSMANN 1997; VEGGE 2006, 266f. Cato wird zitiert bei Quint. XII 1,1; 12,11 (684; 792 R.); vgl. auch die Paraphrase in I praef. 9 (6 R.): „Oratorem autem instituimus illum perfectum, qui esse nisi vir bonus non potest…“ und Seneca rhetor, contr. I praef. 9 (3,11 Håkanson). Zu diesem doppelten Ideal vgl. die Inschrift für den achtzehnjährig in Agger (Byzacena) verstorbenen M. Antonius Faustianus Nepos Principinus (CIL VIII 12159): „insigni piaetate praeditus, | moribus et ingenio clarus, | acceptus patriae, dicen|di peritus, his cum sum|mo honore parentium | dilectus“; dazu VÖSSING 1997, 117–119. Deutlich ist die Ausrichtung der rhetorischen Ausbildung auf den Dienst für das Gemeinwesen sowie die Klassifizierung des Jugendlichen nach Kriterien, die eigentlich nur für Erwachsene gelten konnten; zur Sicht der Heranwachsenden als „Mängelwesen“ vgl. BORMANN 2006, 43; KUNST 2006, 48 sowie u. S. 271 zum puer senex Benedikt. 45 M ORGAN 1998, 45f. 46 D IONISOTTI 1982, 98,19f.: „Eo foras auditorium calculatoris, notarii, Graeci, Latini [= zwei Grammatiker, aaO. 110], oratoris“; vgl. MARROU 1977, 505f.; zu den Quellengattungen VÖSSING 1997, 46–61, bes. 49–55.

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

artes liberales und der ἐγκύκλιος παιδεία nicht deckungsgleich sind, ist doch im Blick zu behalten, dass es sich eben um Ideale handelt; dass die Schulwirklichkeit in den einzelnen Teilen des Imperium Romanum im Grundzug übereinstimmte, lassen neuere Studien vermuten.47 2.1. Elementarunterricht Folgt man Quintilian, dann vermittelte der Elementarlehrer nichts weiter als die Fähigkeit des Lesens und Schreibens; alles weitere gehörte bereits in die Kompetenz des Grammatikers.48 Zweifellos wurde im ludus litterarius49 Lesen und Schreiben vermittelt, der Theorie nach aufsteigend von Buchstaben über Silben zu Wörtern50; als erste zusammenhängende Texte dienten knappe moralische Maximen (Gnomen). Darüber hinaus wurden kleine Texte diktiert, auswendig gelernt und wohl auch inhaltlich besprochen. Augustin nennt als Beschäftigung der Elementarschüler neben „legere et scribere et numerare“ auch „cogitare de litteris“.51 Damit übereinstimmend klagt Tertullian, dass schon die ludi magistri „sich in der Lage sehen, die Kenntnis der heidnischen Götterlehren verbreiten zu müssen, die Kenntnis ihrer Namen, Abstammung, ihrer Mythen und sämtlicher ehrender Abzeichen anzugeben“.52 Zumindest in Kar-

47 CRIBIORE 2001, 2: „The evidence from Egypt provides a window on the vast panorama of educational practices around the Mediterranean.“ 48 Quint. I 4,1 (44 R.): „Primus in eo, qui scribendi legendique adeptus erit facultatem, grammaticis est locus“; entsprechend MARROU 1977, 498. Zum Folgenden vgl. HARRIS 1989, 233–248; MORGAN 1998, 90–119; CRIBIORE 2001, 160–184. 49 Die Bezeichnung ludus erklärt sich kaum als Euphemismus, der die Kinder über den Ernst des Unterrichts hinwegtäuschen sollte (so eine antike Etymologie, vgl. CHRISTES 2001, 263), ist aber wohl auch als „nicht zweckgerichtetes spielerisches oder übendes Tun“ (ebd.) unterbestimmt; VÖSSING 2003, 458 verweist auf die ursprünglich militärische Konnotation: „ludus war die (durchaus zielgerichtete) Übung, im Gegensatz zum ‚blutigen‘ Ernst.“ 50 Quint. I 1,25.30.34f. (24–26 R.). Nach Orig. hom. 27,13 (SC 461, 342,862–344,866 Doutreleau) wurden die Kinder in abecedarii, syllabarii und nominarii eingeteilt; vgl. MARROU 1977, 499. Vgl. Hier. ep. 107,4,2 (CSEL 55, 294,4–6 H.) an Laeta über die Unterweisung von deren Tochter Paula im Alphabet: „Fiant ei litterae uel buxeae uel eburneae et suis nominibus appellentur: ludat in eis, ut et lusus eius eruditio est“; ep. 128,1,3 (CSEL 56, 157,1–3 H.) über das Lesen-Lernen: „Itaque Pacatula nostra hoc epistolium post lectura suscipiat; interim modo litterularum elementa cognoscat, iungat syllabas, discat nomina, uerba consociet.“ Vgl. auch das Beispiel des Elementarunterrichts in einer ursprünglich an Katechumenen gerichteten Homilie bei Ambrosius (Abr. I 4,30; CSEL 32/1, 525,9–12 Schenkl): „uti si puerulum litteris imbuas, a singulis litterarum elementis incohandum est tibi, ut a singulis apicibus ad syllabas, a syllabis eum per ordinem ad nomina orationemque deducas“; vgl. dazu CRIBIORE 1996, 129. In ord. II 7,24 (232,131–138 D.) tadelt Augustin ambitionierte Elementarlehrer, die ihren Schülern die Silben vor den Buchstaben beibringen möchten – und so der göttlichen Ordnung der Dinge widersprechen! 51 Aug. conf. I 9,15; 13,20 (8,29f.; 11,4f. V.). 52 Tert. idol. 10,1 (SVigChr 1, 38,3f. Waszink/van Winden): „deos nationum praedicare, nomina, genealogias, fabulas, ornamenta honorifica quaeque eorum enuntiare“.

2. Grundzüge des antiken Schulunterrichts

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thago wurde also bereits im Elementarunterricht „mitunter jedenfalls fast systematisch Sachkunde betrieben“.53 Im Vordergrund stand der Erwerb von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen.54 Dass gelegentlich neben dem magister ludi ein calculator genannt wird (z.B. in Diocletians Preisedikt), bedeutet nicht, dass es mehrere Elementarlehrer gegeben habe: Eine Persönlichkeit wie der calculator Melioris aus Ostia, der bereits im zarten Alter von 13 Jahren (!) hochgerühmte Kommentare zu seiner ars verfasst habe und sich aufgrund seiner Belesenheit nur noch selbst hätte übertreffen können, war ein hauptberuflicher „Rechenmeister“.55 Den „Grundschulunterricht“ erteilte hingegen grundsätzlich ein und derselbe Lehrer, ggf. unterstützt von einem älteren Schüler oder Gehilfen (subdoctor). Die Hermeneumata Pseudodositheana bieten eine einzigartige Dokumentation des Unterrichts (und stellen wiederum zugleich das Material für denselben dar)56: Den ersten Schritt bildete die Rezeption des vorgegebenen Stoffes und dessen Memorieren. Dass das Gedächtnistraining so großen Raum einnahm, deutet darauf hin, dass die Verwertbarkeit des Gelernten zu einem erheblichen Teil von der Vorbildung abhing, d.h. von den Kategorien, in die Neues eingeordnet und daraus im Bedarfsfall auch wieder abgerufen werden konnte.57 Die Unterrichtsmethoden – leises und lautes Lesen58, Schreiben, Diktatübungen, Memorieren – wiederholten sich jeweils auf den Ebenen der Buchstaben, der Silben, der Wörter und der Texte. Man wird freilich das in theoretischen Werken verteidigte Lernen in aufsteigender Schwierigkeit (vom Buchstaben zum Kurztext) nicht für „selbstverständlich“59 halten dürfen: In praxi begann man oft gleich mit dem Schreiben des eigenen Namens bzw. mit dem

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VÖSSING 1997, 367. Hierzu vgl. CRIBIORE 2001, 180–183. 55 CIL XIV 482 (Ostia, a. 144): „Melioris calculatoris, | vixit ann. XIII. Hic tantae memoriae et scientiae | fuit, ut ab antiquorum memori[a] usque in diem | finis suae omnium titules superavit; | singula autem quae sciebat volumin[e] potius | quam titulo scribi potuerunt; nam | commentarios artis suae quos reliq(u)it | primus fecit et solus posset imitari, si cum | iniq(u)a fata rebus humanis non invidissent.“ 56 D IONISOTTI 1982, 98–101, Z. 18–29.40–42. Die bilingual konzipierten, sich eher einer gemeinsamen Schultradition als einem einzelnen Archetyp verdankenden Hermeneumata bestehen jeweils aus vier Teilen: einem allgemeinen Glossar, einem thematisch geordneten Glossar, einer Anzahl von Alltagsschilderungen und einer Sammlung von Kurztexten. 57 M ORGAN 1998, 118; vgl. C RIBIORE 2001, 150: „Rather than store old schoolwork somewhere in the house, a student stored its contents in his memory: the cubbyholes of his mind contained the syllabaries of the past, the lists of mythological figures, and the works of the poets he had scrutinized.“ 58 Gegen die traditionelle Meinung, in der Antike sei grundsätzlich laut gelesen worden, weist GAVRILOV 1997, 68f. auf Beispiele hin, wo das leise Lesen eine wichtige Rolle spielt. Zu Lesetechniken und deren sozialen Implikationen vgl. jetzt umfassend JOHNSON 2000. 59 M ARROU 1977, 498. 54

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Abschreiben von Wörtern und Kurztexten.60 Vom Kopieren der vom Lehrer erstellten Vorlagen gelangte der Schüler zum verstehenden Lesen und zum selbständigen Schreiben – wobei Schüler, die nicht oder kaum in der Lage waren, das mühsam Geschriebene selbst lesen zu können, anzeigen, dass diese Reihenfolge nicht unumkehrbar war.61 Bereits auf dieser Schulstufe war der Unterricht grundsätzlich literarisch ausgerichtet: Als Übungstexte fungierten Auszüge aus den großen Werken, die später ganz oder teilweise im Grammatikunterricht analysiert werden sollten, wenn auch meist nur wenige prominente Textpassagen behandelt wurden.62 „Literarisch“ gebildet zu sein bedeutete demnach, mit einem der klassischen Autoren immerhin in Berührung gekommen zu sein. Dieses Ziel verfolgte auch das Abschreiben und Auswendiglernen von gnomischen Sentenzen, die nebenbei eine Einweisung in Alltagsethik boten.63 Hier entspricht die rekonstruierbare Praxis der theoretischen Begründung Quintilians: „Die Erinnerung an solche Sprüche begleitet den Knaben bis zum Alter; und weil sie sich dem noch ungebildeten Geist einprägt, wird sich ihr Nutzen bis auf die Lebensführung auswirken.“64 Der kulturelle Kernbestand kam so auch den Kindern zu Gute, die den Aufstieg zu den eigentlichen litterae nicht schafften oder gar nicht erlangen wollten. Mit Raffaella Cribiore kann bereits für diese Ebene von „intellectual gymnastics“ gesprochen werden, die sowohl die meisten Schüler mit nicht zu unterschätzenden kulturellen Kenntnissen aus der Elementarschule entließ als auch ihren ambitionierteren Kollegen den Weg zum grammaticus ermöglichte.65

60 CRIBIORE 2001, 169f. VÖSSING 1998, 125 weist darauf hin, dass hier eine erhebliche Diskrepanz zwischen Theorie (z.B. Quint. I 1,25–36; 24–26 R.) und Praxis besteht. 61 CRIBIORE 2001, 177f. 62 Vgl. M ORGAN 1998, 106: Von den in Pompeji erhaltenen Graffiti der Aeneis bietet die Hälfte Zeile 1 aus Buch I, ein weiteres Viertel Zeile 1 aus Buch II; s. auch HARRIS 1989, 261. 63 Vgl. den Anfang der Liste der praecepta in Delphis ab Apolline in columna scripta sunt secus deum in den Hermeneumata Stephani (CGL III, 386,17–20): „deum cole.- parentes reverere.- lauda bona.- philosophus esto.- inuidias amoue.- nubere cogita.- badimonium fuge.- cognosce te…“. 64 Quint. I 1,36 (I 26 R.): „prosequitur haec memoria in senectutem et inpressa animo rudi usque ad mores proficiet“; zur Inkulturation durch das Lernen solcher Gnomen vgl. MORGAN 1998, 144. 65 CRIBIORE 2001, 184: „And yet, in the precarious conditions of teaching and learning in antiquity, what was accomplished was not minor. Students who would go on to pursue more ambitious goals had a taste of what awaited them and, through rigorous mental gymnastics, began to develop the skills needed to overcome the hurdles that lay ahead. Not less were the attainments of those whose education ended at the elementary level. The possession of a modest cultural package and of basic techniques in the art of decoding writing engendered a strong sense of distinction from the uneducated.“

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2.2. Grammatik Das antike Unterrichtswesen war grundsätzlich auf die Vermittlung literarischer Kenntnisse ausgerichtet. „The grammaticus or ‚grammarian‘ was the backbone of this system.“66 Denn erst hier wurden die in der Elementarschule oder in der häuslichen Erziehung rezeptiv angeeigneten sprachlichen Ausdrucksmittel durch die Herausbildung analytischer und konstruktiver Kompetenzen aktiv beherrschbar67: „Die Schule der Grammatiker ist die denkbar schönste Grundlage der Literatur, die ruhmreiche Mutter der Redekunst, die lobenswert zu denken und ohne Fehler zu sprechen weiß“, so Cassiodor.68 Der Weg zur eloquentia führte über die Kenntnis der litterae, so dass der Grammatikunterricht für jede öffentliche Betätigung als Redner, Jurist oder Beamter die unabdingbare Voraussetzung darstellte. „Die gesprochene Rede wird bestimmt durch Vernunftgründe, Alter, Gewicht der Autorität und Üblichkeit der Ausdrucksmittel“, definierte Quintilian.69 Diese Komponenten zu durchschauen, zu klassifizieren und damit deren selbständigen Einsatz vorzubereiten war das Ziel des Grammatikunterrichts. Leitend unter den vier genannten Kategorien war dabei das hermeneutische Prinzip der vetustas70: Schon bei Quintilian bildet sich ein Kanon von Autoritäten heraus, an dem sich Grammatik und Rhetorik orientieren, namentlich Vergil und Cicero, deren Sprache sich durch „besondere Würde“, ja durch „religiöse Weihe“ auszeichne.71 Die Sprachregeln haben sich daher im Zweifelsfall den klassischen Vorbildern unterzuordnen: „Selbst ein Fehler kann einem Ehre machen, wenn man darin bedeutenden Vorgängern folgt!“72 Der grammaticus wurde dadurch, wie Robert Kaster treffend formuliert hat, zum „guardian of language“, zum „Wächter der Sprachrichtigkeit“ – und als solchen haben ihn seine Zeitgenossen auch tatsächlich wahrgenommen.73 Insofern die Kriterien des Althergebrachten und der Autorität einander wechselseitig stützen, wird auch der Sprachgebrauch (consuetudo) präzise bestimmbar: Statt sich auf das zu konzentrieren, was von der Mehrzahl der impe66

Av. CAMERON 1998, 674. Zum Folgenden vgl. M.L. CLARKE 1971, 11–28; HOVDHAU1991; IRVINE 1994. 67 Vgl. M ORGAN 1998, 170. 68 Cassiod. var. IX 21,3 (371,14–17 Fr.): „Prima enim grammaticorum schola est fundamentum pulcherrimum litterarum, mater gloriosa facundiae, quae cogitare nouit ad laudem, loqui sine uitio.“ 69 Quint. I 6,1 (I 86 R.): „Sermo constat ratione vel vetustate, auctoritate, consuetudine“; zum Folgenden vgl. UHL 1998, 27–32. 70 Vgl. z.B. Macr. sat. III 14,2 (196,18f. Willis): „vetustas quidem nobis semper, si sapimus, adoranda est.“ 71 Quint. I 6,1 (I 86–88 R.): „vetera maiestas quaedam et, ut sic dixerim, religio commendat.“ 72 Quint. I 6,2 (I 88 R.): „cum summorum in eloquentia virorum iudicium pro ratione, et vel error honestus sit magnos duces sequentibus“. „Barbarismen“ sind natürlich zu vermeiden (I 5,5; 61 R.). 73 Seneca, ep. 95,65 (II 398,15f. Reynolds): „custos Latini sermonis“; Aug. soliloq. II 19,2 (112,19 Fuchs/Müller): „vocis articulatae custos“; weitere Belege bei KASTER 1988, 17f. GEN

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riti gesprochen werde, müsse der Grammatiker „das Gebräuchliche in der Sprache die Übereinstimmung der Gebildeten nennen, so wie im Leben die Übereinstimmung der Guten“74, d.h. den Konsens derer, die sich an der Autorität der „Alten“ orientierten.75 Konkret bedeutete dies, dass der Schüler in den Hermeneumata Pseudodositheana sich mit Homer, Cicero, Vergil, Persius, Lucan, Statius, Terenz, Sallust, Theokrit, Thukydides, Demosthenes, Hippokrates und Xenophon beschäftigen musste76, also mit Autoren der beschworenen klassischen Epoche, denen auch die Dichter der Gegenwart nachzueifern versuchten, wie Claudian, Juvencus, Ausonius, Prudentius oder Paulinus von Nola. Die Liste der genannten Autoren dürfte freilich selbst unter den litterati im eminenten Sinne nur von einer Minderheit im Manuskript studiert worden sein; zumeist stellte der Lehrer Exzerpte zur Verfügung, die analysiert wurden, oftmals unter Zuhilfenahme eines Kommentars. Diese Literaturgattung erlebte in der lateinischen Spätantike eine bemerkenswerte Blüte, woraus besonders die zahlreichen Vergil-Kommentare hervorstechen.77 Als Standardlektüre beim grammaticus zitiert Cassiodor die Quadriga Messii, eine Zusammenstellung aus dem Jahr 39578: Vergil und Terenz als Dichter, Sallust als Historiker und Cicero als Redner.79 Ob der grammaticus tatsächlich nur die Poeten behandelte oder auch weitere Autoren traktierte, kann aufgrund der systemimmanenten Uneindeutigkeit der Abgrenzung zwischen den Schulstufen jeweils nur für eine gegebene Schule geklärt werden. Die oben zitierten Hermeneumata lassen erkennen, dass der Grammatikunterricht im lateinischen Westen noch im 4. Jahrhundert – zumindest in den kulturellen Zentren – bilingual ausgerichtet war.80 Quintilian optierte gar dafür, 74 Quint. I 6,45 (I 104 R.): „ergo consuetudo sermonis vocabo consuetudo eruditorum, sicut vivendi consensum bonorum“; vgl. MORGAN 1998, 174. 75 M ARROU 1977, 510: „Der Grammatiker lehrt weniger den Gebrauch einer lebenden Sprache, er gibt vielmehr das Inventar des von den großen klassischen Schriftstellern gebrauchten Materials, die Sprache, die ihre Meisterwerke für die Ewigkeit zum Gesetz gemacht haben.“ 76 D IONISOTTI 1982, 100,38f. 77 F UHRMANN 1994, 86f. 90f.; vgl. DERS . 1997, 185–187 und IRVINE 1994, 118–161. Zu Servius’ Vergil-Kommentar als Paradigma seiner Gattung vgl. KASTER 1988, 169–196. 78 Cassiod. inst. I 15,7 (FC 39/1, 198,9 Bürsgens) nach Arusianus Messius, Exempla elocutionum ex Vergilio Sallustio Terentio Cicerone digesta per litteras (4. Jh.; GrLat VII, 449–514). 79 Vgl. die Anweisung bei Quintilian, andere Rhetoren seien in dem Maße zu studieren, „ut quisque erit Ciceroni simillimus“, der bereits „für den Anfänger fesselnd und hinreichend verständlich sei“ (II 5,20; I 196 R.: „iucundus incipientibus quoque et apertus est satis“); anders Aug. in psalm. 103,3,4 (CChr.SL 40, 1501,13–1502,17 Dekkers/Fraipont): „Sonat strepitus uocis Tullianae, Cicero legitur, aliquis liber est, dialogus eius est, siue ipsius, siue Platonis, seu cuiuscumque talium: audiunt imperiti, infirmi minoris cordis, quis audet illuc aspirare?“ 80 In Nordafrika war griechische Sprachkompetenz allerdings rar: Augustin sandte ein griechisches Werk nach Karthago zu Bischof Quodvultdeus, „qui possit apud Carthaginem in latinam linguam uerti facilius atque commodius“ (ep. 222,2; CSEL 57, 448,5–7 Goldbacher).

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mit dem Erlernen der Grammatik in griechischer Sprache zu beginnen, was noch bei Paulinus von Pella und Fulgentius von Ruspe auch so geschah.81 Augustins Klage über seine Schwierigkeiten mit dem Griechischen zeigt, dass die zweisprachige Unterweisung noch im 4. Jahrhundert für ambitionierte Heranwachsende keineswegs fakultativ war.82 Freilich begann sich schon in der Zeit zwischen Cicero und Quintilian das Griechische für die Römer vom „humanistischen Lebensgefühl“83 zum (allerdings unerlässlichen) Bildungsgut zu wandeln; die Hermeneumata Pseudodositheana versuchen eindrucksvoll, dieses Lebensgefühl unter den Bedingungen des sich seit dem 3. Jahrhundert vertiefenden sprachlichen Grabens zwischen den Reichshälften wachzuhalten. Der Grammatik wurde in der Antike eine doppelte Aufgabe zugewiesen: „recte loquendi scientia et poetarum enarratio“ – so von Quintilian84 bis zu Damascius, dem letzten Schulhaupt der Athener Akademie85, und mit einer bündigen Formulierung fügt sich schließlich auch Cassiodor diesem Konsens ein: „Die Grammatik ist ferner die anhand von Beispielen aus den berühmten Dichtern und Autoren gewonnene Fähigkeit zur kultivierten Sprache. Ihre Aufgabe ist die fehlerfreie Ausdrucksweise in Prosa oder Versen. Ihre Vollendung indes besteht darin, durch die Fähigkeit zur ausgefeilten Rede und makellosen Schreibweise zu gefallen.“86

81 Quint. I 4,1 (I 44–46 R.); Paulin. Pell. euchar. 73f. (294 Br.); Ferrand. vita Fulg. 1,4 (PL 65, 119B): „Quem religiosa mater moriente celeriter patre graecis litteris imbuendum primitus dedit, et quamdiu totum simul Homerum memoriter reddidisset, Menandri quoque multa percurreret, nihil de latinis permisit litteris edoceri…, quo facilius posset victurus inter Afros locutionem graecam servatis aspirationibus tamquam ibi nutritus exprimere“; vgl. KASTER 1983, 327. 332f.; BERSCHIN 1986, 236f.; VÖSSING 1997, 181f. Zum Ideal des utraque lingua vgl. ZGUSTA 1980, 138; NIQUET 2000, 169 zu CIL VI 1793 für den Patron von Sena Gallica: „probitate morum industriae vivendi adque utrisque litteris erudito“. Vgl. REBENICH 1992, 55 zur Relevanz der Bilingualität für die Karriere im Reichsdienst; vgl. Amm. XV 13,1 (I 68,5f. Seyfarth): Der Stratege Musonianus, ein „facundia sermonis utriusque clarus“, wurde 354 PPO Orientis; kritisch dazu Joh. Chrys. oppugn. 3,5 (PG 47, 357): πάλιν ἕτερος... τὴν ᾿Ιταλῶν γλῶσσαν ἐκπαιδευθείς, ἐν τοῖς βασιλείοις ἐστι λαµπρός. 82 Aug. conf. I 13,20 (11,1–3 V.); vgl. VÖSSING 1997, 368 Anm. 1268. 83 M ARROU 1977, 480. 84 Quint. I 4,2 (I 46 R.); vgl. Seneca, ep. 88,3 (I 313,5–7 R.): „Grammatice circa curam sermonis versatur et, si latius evagari vult, circa historias, iam ut longissime fines suos proferat, circa carmina“; Diomedes (GrLat I, 426,18–20): „tota autem grammatica consistit praecipue intellectu poetarum et scriptorum et historiarum prompta expositione et in recte loquendi scribendique ratione“; Marius Victorinus, gramm. (GrLat VI, 4,1f.): „intellectu poetarum et recte loquendi scribendique ratione“; Sergius, explan. in Don. (GrLat IV, 486,15f.): „Ars grammatica praecipue consistit in intellectu poetarum et in recte scribende loquendive ratione“; Aug. doct. christ. IV 3,5 (CChr.SL 32, 119,48 Martin): „ipsa arte grammatica, qua discitur locutionis integritas“; Mart. Cap. III 230 (62,4f. W.): „docte scribere legereque… erudite intellegere probareque“ nach Varro, gramm. frg. 107 (227,6 Götz/Schöll). 85 Damascius, Isid. frg. 111,12f. (89 Zintzen): ὁ δὲ ᾿Αµµωνιανὸς ἠγάπα τὴν ἐπὶ ποιητῶν ἐξηγήσει καὶ διορθώσει τῆς ῾Ελληνικῆς λέξεως καθηµένην τέχνην. 86 Cassiod. inst. II 1,1 (300,10–14 B.): „Grammatica vero est peritia pulchre loquendi ex poetis illustribus auctoribusque collecta; officium eius est sine vitio dictionum prosalem metricamque componere; finis

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Der Unterricht hatte somit zwei Ziele: klassische Texte verstehen zu lehren („historice“) und auf die eigene Tätigkeit als Redner vorzubereiten („methodice“), was eine durchaus beabsichtigte Überschneidung mit den „primordia“ des Rhetorikunterrichts mit sich brachte.87 Der Grammatiker näherte sich dem Text in dem schon bei Varro belegten methodischen Vierschritt: „lectio – emendatio – enarratio – iudicium“88, dessen innere Struktur Quintilian erläutert: „Einmal ist die Rechtschreibung mit der Sprachlehre verbunden, dann setzt die Dichtererklärung fehlerfreies Lesen voraus, und zu alledem gehört die kritische Urteilskraft.“89

Ziel des Unterrichts war damit die Fähigkeit, die Bestandteile eines Textes durch analytische Zerlegung wahrzunehmen („grammatica diuidit“, wie Sidonius Apollinaris prägnant formuliert90), seinen Zusammenhang und seine Hintergründe zu erschließen und seine literarische Bedeutung zu erkennen, d.h. den vorliegenden Text überhaupt als Text in einem präzisen Sinn anzuerkennen.91 Dabei hatte der grammaticus nicht nur das (Vor-) Lesen der Schüler zu prüfen und zu korrigieren, sondern überhaupt erst für einen brauchbaren Text zu sorgen, angefangen bei der Markierung der Worttrennungen. Die Textkritik (emendatio) selbst war nicht Bestandteil des Unterrichts, aber die unmittelbare Voraussetzung der lectio, die nur möglich war, wenn der Text syntaktisch erschlossen und inhaltlich in Grundzügen verstanden war.92 Auch in dieser Hinsicht fungierte der Grammatiker als „guardian of language“, insofern er vero elimatae locutionis vel Scripturae inculpabili placere peritia“; Cic. de orat. I 42,187: „In grammatica poetarum pertractatio, historiarum cognitio, verborum interpretatio, pronuntiandi quidem sonus.“ 87 Quint. I 9,1 (I 124 R.): „Et finitae quidem sunt partes duae, quas haec professio pollicetur, id est ratio loquendi et enarratio auctorum, quarum illam ‚methodicen‘, hanc ‚historicen‘ vocant, adiciamus tamen eorum curae quaedam dicendi primordia, quibus aetates nondum rhetorem capientis instituant.“ Der Grammatiker muss sich freilich der Differenz seiner προγυµνάσµατα zum eigentlichen Rhetorikunterricht genauestens bewusst sein (II 4,6; 162 R.); vgl. IRVINE 1994, 50–55. 88 Varro, gramm. frg. 236 (228,1 G./Sch.); ähnlich Diomedes (GrLat I, 426,21f.); Maximus Victorinus (GrLat VI, 188,7f.); vgl. SCHÄUBLIN 1992, 171. 89 Quint. I 4,3 (I 46 R.): „nam et scribendi ratio coniuncta cum loquendo est, et narrationem praecedit emendata lectio, et mixtum his omnibus iudicium est.“ 90 Sidon. ep. V 2,1 (II 185 Loyen; zit. unten Anm. 131). Nach Augustin ist die Grammatik die „scientia definiendi, diuidendi atque partiendi“ (doct. christ. II 35,53; 69,1f. M.). 91 Vgl. I RVINE 1994, 15: „In an important sense, therefore, there were no texts, no institutionally constructed linguistic objects, before grammatica… With the institution of grammatica, a written work could become a text, that is, a work which takes its place in a larger cultural library and which is interpreted as part of a system of other texts, genres, and discourses. With its concern for a normative latinity, understood to be dispersed through a wide range of texts, and for understanding texts as part of a canon, grammatica produced a culture that was explicitly intertextual, based on transtextual competencies. Grammatica thus provided the sole access to the whole library of textual culture.“ 92 Vgl. Quint. I 8,13 (I 120 R.): „In praelegendo grammaticus et illa quidem minora praestare debebit, ut partes orationis reddi sibi soluto versu desideret et pedum proprietates, quae adeo debent esse notae in carminibus, ut etiam in oratoria compositione desiderentur.“

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für die unverfälschte Vermittlung der Klassiker zu sorgen hatte. Im 4. und 5. Jahrhundert entwickelte sich – nicht im Schulbetrieb selbst, wohl aber mit Rückwirkungen auf diesen – in den gebildeten Kreisen Roms eine regelrechte Editions- und Emendationsmaschinerie, die in engem Zusammenhang mit der buchtechnisch revolutionären Umstellung von der Schriftrolle zum Codex zu sehen ist93, wodurch die Autoren des klassischen Altertums für die Nachwelt bewahrt – oder für immer verworfen wurden. Die enarratio vollzog sich durch einleitende Bemerkungen zu Autor, Gattung und Hintergründen des Textes, sodann durch eine zeilenweise explanatio, die sowohl sprachliche Besonderheiten als auch die historiae behandelte, die im Text vorkamen.94 Hier spielten die Kommentare eine entscheidende Rolle, aus denen der grammaticus seine Informationen bezog. In aller Regel besaß nur er einen Text, während die Schüler manches mitschrieben, vor allem aber Text und Erklärung auswendig lernten. Bezüglich linguistischer und semantischer Probleme wurde im 5. Jahrhundert Donatus die dominierende Autorität, die selbst wieder kommentiert wurde.95 „Man macht sich daher schwerlich einer Übertreibung schuldig, wenn man behauptet, dass die lateinischen Grammatiker der Spätantike – als die ersten, die einer großen, schon fernen Vergangenheit wieder nahe sein wollten – entscheidende Mittlerdienste zwischen dem antiken Rom und allen späteren Epochen geleistet haben.“96 2.3. Rhetorik Die höchste Stufe der Bildung, die in der antiken Schule erreicht werden konnte, war die Kunst der öffentlichen Rede.97 Der vir eloquentissimus, als der man im Erfolgsfall den Rhetoriklehrer verließ, war für alle Aufgaben qualifiziert, die Staat oder civitas zu vergeben hatten.98 Zwar beschränkt sich die Institutio oratoria Quintilians nicht auf die Technik der Rede, sondern entwickelt eine „allgemeine Theorie und Kritik der Kunstprosa“99 im Anschluss an Cice93

Dazu vgl. Al. CAMERON 1977, 5–7; DEMANDT 1989, 354; FUHRMANN 1997, 185. Vgl. MARROU 1977, 515f.; BROWNING 2000, 859. Die enarratio dokumentieren anschaulich die Hermeneumata Einsidlensia und Stephani (CGL III, 226,19–30; 381,58–73). 95 Vgl. B ROWNING 2000, 858; zu Pompeius’ Kommentar zur ars Donati vgl. KASTER 1988, 139–168. 96 F UHRMANN 1997, 182; vgl. MARROU 1981, 10; ähnlich auch H ERZOG 1989, 12. 97 Zur antiken Rhetorik vgl. M.L. C LARKE 1968, bes. 142–154 zu Quintilian; DERS . 1971, 28–45; weiterhin Josef MARTIN 1974; KENNEDY 1980; FUHRMANN 1990; LAUSBERG 1990. 98 Cic. de orat. III 20,76 (291,6–12 K.): „illa vis autem eloquentiae tanta est, ut omnium rerum virtutum officiorum omnisque naturae quae mores hominum, quae animos quae vitam continet, originem vim mutationesque teneat, eadem mores leges iura describat, rem publicam regat, omniaque ad quamcumque rem pertineant ornate copioseque dicat.“ 99 F UHRMANN 1990, 71. Der Einfluss Quintilians auf die Schulpraxis der Spätantike war freilich begrenzt; ein so belesener Aspirant der Rhetorik wie Augustin scheint ihn gar nicht gekannt zu haben (MARROU 1981, 44 mit Anm. 8; VÖSSING 1997, 377 mit Anm. 1292). 94

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ro, der für den guten Redner umfassende Kenntnis aller Wissenschaften voraussetzte.100 Doch blieb die Schulrhetorik auf die Einweisung in die Kunst der öffentlichen Rede beschränkt; anders als der Grammatiker, der Experte für die Analyse literarischer Einzelprobleme, sollte der Rhetor das Ganze der Kultur im Blick haben, musste also „ein ‚virtuoso‘ und kein ‚pedante‘“ sein.101 Der bereits für die Grammatik konstatierte „Klassizismus“ setzte sich in der Rhetorik bruchlos fort. Dabei verharrte die spätantike Rhetorik nicht nur hermeneutisch, sondern auch methodisch in diesem Ideal: In der Spätantike entstand kein innovatives Lehrbuch vom Format eines Donatus oder Priscian, das Ciceros De inventione oder die Rhetorica ad Herennium hätte ersetzen können oder wollen. Die methodische Orientierung an den Lehrbüchern der späten Republik entspricht den Inhalten der Schülerdeklamationen, die nach wie vor einen Auftritt vor der Volksversammlung voraussetzten – obwohl dieser „Sitz im Leben“ der klassischen Rhetorik längst obsolet geworden war.102 Wenn Augustin daher Cicero als „Tullius noster“ preist103, kommt darin nicht nur die Wertschätzung des Autors zum Vorschein, sondern auch eine spezifische Gleichzeitigkeit mit dem Altmeister, die die spätantike Rhetorik insgesamt prägte (s.u.).104 Insofern entfaltete die spätantike Rhetorik ihre Blüte gerade unter Aufgabe ihrer traditionell kritischen Funktion in den panegyrici: 100

Cic. de orat. III 13,50 (281,1–10 K.) u.ö.; weitere Belege bei MARROU 1977, 523. WIFSTRAND 1967, 50. 102 Vgl. W IRTH 1983, 91 mit Verweis auf Tacitus, dial. 19,5 (19,7–16 Heubner). Vgl. auch das maliziöse Diktum Juvenals (sat. VII 154): „occidit miseros crambe repetita magistros“ – in der Paraphrase bei LAMPE 1987, 247 Anm. 480: „Elend stirbt an dem Kohl, dem ewig erwärmten, der Lehrer“; weitere Belege zeitgenössischer Kritiker bei KASTER 2001, 322f. 103 Aug. c. Acad. III 18,41 (CChr.SL 29, 59,19 Green); vgl. Hier. quaest. hebr. in Gen. praef. (CChr.SL 72, 1,11f. de Lagarde): „qui in arce eloquentiae Romanae stetit, rex oratorum et Latinae linguae inlustrator“; ep. 85,1,1 an Paulinus (CSEL 55, 135,3f. H.): „in epistolari stilo prope Tullium repraesentas“; weiterhin Lact. opif. 20,5 (CSEL 27/1, 64,3 Brandt): „eloquentiae ipsius unicum exmplar“. Ein hohes Lob war und blieb der Vergleich mit Quintilian; vgl. Auson. prof. Burd. 1,2 (41 Gr.: „alter rhetoricae Quintiliane togae“); Mosella 403f. (127 Gr.) über städtische Honoratioren, „quos praetextati celebris facundia ludi / contulit ad veteris praeconia Quintiliani“; Ennod. dictio 21,2 (MGH.AA, 261,2 Vogel): „eloquentissimum virum“; Sidon. carm. 9,316f. (226 L.): „Et sic scribere non minus ualentem / Marcus Quintilianus ut solebat“ (vgl. carm. 2,191 [178]; ep. V 10,3; II 191 L.); Hier. ep. 70,5,3 (CSEL 54, 707,17f. H.): Hilarius’ De trinitate habe in Stil und Zahl Quintilians 12 Bücher imitiert (s.u. S. 443); vgl. HAARHOFF 1920, 58. 104 Nach V ÖSSING 2003, 480 war „die Kritik am ‚lebensfremden‘ Prinzip der Deklamationen ganz auf den früheren Prinzipat beschränkt“, während dies in der Spätantike keineswegs als Problem empfunden wurde. Vgl. KASTER 2001, 325f. „Declamation tended tacitly to instil the belief that convention and tradition were sufficient to meet even the most unexpected needs; and this belief in turn fostered the self-confidence – not to say, complacence – and sustained the social reproduction of the conservative elite who patronized the schools of rhetoric: declamation told this elite, in effect, what it wanted to hear… By becoming steeped in all the values, beliefs, and stereotypes implied in declamatory arguments, the students of declamation acquired the reflexes needed to live as respectable men.“ 101

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Der größte Nutzen der Redekunst, so Eumenius, der neue Leiter der Schulen von Autun, sei es, die Taten der größten Herrscher zu feiern.105 Ungeachtet dieses Relevanzverlustes in ihrem traditionellen Aufgabengebiet erlebte auch die Rhetorikschule im 4. Jahrhundert einen Aufschwung, der mit der Bedeutung der rhetorischen Ausbildung als Eingangsvoraussetzung für die juristische und administrative Laufbahn zusammenhängt. Wer sich einem Rhetoriklehrer anvertraute, wurde in drei Schritten in die Kunst der öffentlichen Rede eingewiesen106: Am Anfang standen die sogenannten progymnasmata, bei denen die Schüler Beispiele rhetorischer Stil- und Argumentationsfiguren aus der Literatur kennen lernten und zu imitieren versuchten; diese Erfahrungen wurden durch die Lektüre eines oder mehrerer Lehrbücher vertieft107, wobei das besondere Augenmerk den rhetorischen Arbeitsschritten galt (inventio, dispositio, elocutio, memoria, actio)108, bevor sich der Schüler schließlich daran wagte, selbst Reden zu konzipieren und sie dem Lehrer oder gar coram publico vorzutragen. Als Vorbilder dienten neben den Reden und philosophischen Dialogen Ciceros (u.a. dem Hortensius) auch die historischen Werke des Sallust, insofern „die Geschichtsschreibung weithin als Zweig der Rhetorik“ galt.109 Aufgabe des Lehrers war es, den Schülern die genera dicendi zu demonstrieren: das genus iudiciale, dessen Zweck darin bestand, vor Gericht Partei zu ergreifen (controversia); das genus deliberativum, vermittels dessen einer anderen Person angesichts einer schwierigen Situation geraten werden sollte (suasoria); und das genus demonstrativum, mit dem eine fiktive oder reale Person gepriesen werden sollte.110 Der Bezug zur Realität war natürlich beim ersten Genus am ehesten gegeben, insofern die rhetorische Bildung zur anwaltlichen Tätigkeit qualifizierte.111 Jedoch zeitigte die späte römische Kaiserzeit auch eine Blüte des genus demonstrativum (γένος ἐπιδεικτικόν), dem die Mehrzahl der erhaltenen Reden angehört.112 Schließlich erfolgte durch die rhetorische Verarbeitung der 105

Paneg. IX (IV) 10,2 a. 298 (236,13f. Mynors): „maximorum principum facta celebrare (quis enim melior usus est eloquentiae?)“; vgl. KIRSCH 1980, 288; zu Eumenius vgl. PLRE I 294f.; NELLEN 1977, 19f. 106 Zum Folgenden vgl. M ARROU 1977, 524f.; VÖSSING 1997, 377–383; Av. C AMERON 1998, 674f.; MORGAN 1998, 190–239; BROWNING 2000, 860–862; CRIBIORE 2001, 220–244. 107 Augustin erwähnt bezüglich der „libri eloquentiae“ einen „usitatus ordo discendi“ (conf. III 4,7; 29,1–3 V.), in dessen Verfolg er auf Ciceros Hortensius stieß. 108 Ähnlich Cic. de orat. I 42,187 (72,1 K.): „excogitare, ornare, disponere, meminisse, agere“. 109 V ÖSSING 1997, 379; vgl. EIGLER 2003, 234–265. 110 Vgl. F UHRMANN 1990, 66–69; VÖSSING 1997, 382; vgl. aaO. 269 zum karthagischen Rhetor Phosphorus, von dem Tert. adv. Val. 8,3 (96,15–97,21 Fr.) spöttisch berichtet: „In scholis Karthaginiensibus fuit quidam frigidissimus rhetor Latinus, Phosphorus nomine. Cum uirum fortem peroraret, ‚uenio‘, inquit, ‚ad uos, optimi ciues, de proelio cum uictoria mea, cum felicitate uestra, ampliatus, gloriosus, fortunatus, maximus, triumphalis‘. Et scholastici statim familiae Phosphori εῦ acclamant.“ 111 V ÖSSING 1997, 384–387 und 577f. 112 I RMSCHER 1992, 162f.

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mythischen, historischen und moralischen Tradition auch die „Eingliederung in die Autoritätsverhältnisse der römischen Oberschicht“.113 Die Deklamationen, in denen Schüler ihre Lernerfolge öffentlich unter Beweis stellten, dienten neben der Vorbereitung auf die spätere Berufstätigkeit ebenso der Selbstpräsentation vor den Angehörigen der oberen sozialen Schichten ihrer Stadt. Entsprechend sorgfältig wollten die Reden ausgearbeitet sein.114 Quintilian kritisierte die Methode des Auswendig-Lernens und Vortragens, da die Väter ihre Söhne nur deklamieren hören wollten, um sich von deren Lerneifer zu überzeugen, „während doch die Fortschritte hauptsächlich auf der sorgfältigen Arbeit beruhen“.115 Die Mahnung, bei allem Streben nach sprachlicher Brillanz die diligentia in den Vordergrund zu stellen, war ein Grundmotiv spätantiker rhetorischer Didaktik: „Ein sorgfältiges Streben nach dieser Beweisfähigkeit vernachlässigt manchmal die gepflegteren Worte und kümmert sich nicht darum, was gut klingt, sondern was diejenige Sache gut veranschaulicht und einprägt, die er zu zeigen beabsichtigt“, erläuterte Augustin die Prioritäten im Anschluss an Cicero, weshalb „eine gewisse Nachlässigkeit auch Sorgfalt sein kann“.116 Aulus Gellius konnte noch über einen dilettantischen Rhetor lästern, er meuchele die Sätze und betone die Wörter in verderbter Weise.117 Hierin zeigt sich der sukzessive Wandel der Rhetorik „von der forensischen Technik zur höheren literarischen Bildung“118, die sich in der römischen Kaiserzeit vollzog – d.h. zu der höchsten Stufe von Bildung, die im Rahmen des antiken Schulwesens erreicht werden konnte.119 2.4. ᾿Εγκύκλιος παιδεία und artes liberales Wie verhält sich nun die beschriebene Schulbildung zum Ideal des homo liberaliter eruditus? In antiken Bildungstheorien spielt der Begriff der ἐγκύκλιος παιδεία als Inbegriff des hellenistischen Bildungsziels eine zentrale Rolle.120 So fährt Quintilian nach der Ausbildung beim Grammatiker wie folgt fort: 113

VÖSSING 2006, 137. Vgl. Aug. conf. VI 9,14 ( 83,3f. V.) über den ganz in Gedanken versunkenen Alypius: „cogitaret in foro quod recitaturus erat, sicut exerceri scholastici solent.“ Nach ord. I 10,30 (146,76–79 D.) ließen sich allerdings besonders faule Schüler ihre Übungsreden von anderen schreiben! 115 Quint. II 7,1 (I 202 R.): „quod quidem maxime patres exigunt, atque ita demum studere liberos suos, si quam frequentissime declamaverint, credunt, cum profectus praecipue diligentia constet.“ 116 Aug. doct. christ. IV 10,24 (132,1–3 M.): „Cuius euidentiae diligens appetitus aliquando negligit uerba cultiora nec curat, quid bene sonat, sed quid bene indicet atque intimet, quod ostendere intendit“ (Übers. POLLMANN, 169); vgl. Cic. orat. 23,78: „quaedam etiam negligentia est diligens“. 117 Gell. XIII 31,9 (II 423,24f. Marshall): „ita et sententias intercidebat et verba corrupte pronuntiabat“; zu ihm s. Aug. civ. IX 4 (252,32): „vir elegantissimi eloquii et multae undecumque scientiae“. 118 F UHRMANN 1990, 71. 119 Vgl. Ennod. opusc. 6,17 (MGH.AA VII, 314,15 Vogel): „ars mihi regna dedit“ nach Pacuvius, trag. frg. XIV 177 (I 111 Ribbeck): „flexanima atque omnium regina rerum oratio“. 120 Vgl. dazu bes. H ADOT 1984; s. auch CHRISTES 1975, 196–206; RECHENAUER 1994. 114

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„Nun will ich knappe Bemerkungen über die übrigen Fächer hinzufügen, in denen meines Erachtens die Knaben, ehe sie zum Redelehrer gegeben werden, unterwiesen werden sollen, damit der Kreis des Wissens sich schließe, den die Griechen ἐγκύκλιος παιδεία nennen.“121

Demnach gab es einen Bildungskanon, dessen Erwerb notwendige Voraussetzung war, um ein orator perfectus und damit ein vir eloquentissimus zu werden.122 Der Begriff des Kreises impliziert dabei nicht Vollständigkeit, sondern Vollkommenheit, also eine „abgerundete“ Bildung, die dafür sorgt, dass „der Menschen in vollem Sinne Mensch wird“123, in den Worten des Aulus Gellius: „Man kann es beinahe als Mensch-Sein bezeichnen, was die Griechen Paideia nennen, wir aber Erziehung und Unterweisung in den guten Künsten.“124 Im Lateinischen bürgerte sich zwar nicht die quintilianische Wendung orbis doctrinae als Übersetzung ein, sondern artes liberales, doch ist die Pointe dieselbe: Die Künste, die eines freien Mannes würdig sind125, stellen ihren Inhaber auf eine bestimmte kulturelle Stufe und qualifizieren ihn damit für spezifische Aufgaben.126 So stellte Cicero zur Notwendigkeit des Bildungserwerbs fest:

121 Quint. I 10,1 (I 126 R.): „Nunc de ceteris artibus, quibus instituendos, priusquam rhetori traduntur, pueros existimo, strictim subiungam, ut efficiatur orbis ille doctrinae, quem Graeci ἐγκύκλιον παιδείαν vocant.“ Im Anschluss an diese Ankündigung werden Musik (I 10,9–33) und Geometrie (I 10,34–49) behandelt. 122 Quint. I praef. 9 (I 6 R.); ähnlich Aug. ep. 138,1,1 (CSEL 44, 126,5 G.); vgl. M ARROU 1981, 75 mit Anm. 2; VEGGE 2006, 239f. 123 B LOMENKAMP 1966, 515; vgl. VÖSSING 1997, 27 zu Cic. Cael. 54 („vir illa humanitate praeditus, illis studiis, illis artibus atque doctrina“); IRMSCHER 1992, 161; VEGGE 2006, 235–237. 124 Gell. XIII 17,1 (II 399,27–29 M.): „humanitatem appellarunt id propemodum, quod Graeci παιδείαν vocant, nos eruditionem institutionemque in bonas artes dicimus“; s. STOCKMEIER 1967, 123. 125 Nach KOLLER 1955, 17 „schimmern in der Bestimmung ‚liberales‘ die Verhältnisse der athenischen Demokratie des 5. Jahrhunderts durch: Nur der Freibürtige nahm ja teil am κύκλιος χορὸς und seiner musischen Schulung.“ Etymologisch wird damit eine Linie zur musischen Erziehung gezogen; vgl. Platon, Nomoi II 654a: ὁ µὲν ἀπαίδευτος ἀχόρευτος ἡµῖν ἔσται, τὸν δὲ πεπαιδευµένον ἱκανῶς κεχορευκότα θετέον. Den Übergang markiert Philon von Alexandrien, demzufolge „die mittlere Bildung im Kreis [der Wissenschaften] tanzt“ (Cher. I 3: ἡ µέση παιδεία ἡ ἐν τοῖς ἐγκυκλίοις χορεύουσα; vgl. RECHENAUER 1994, 1164f.). Statt von artes konnte auch von disciplinae gesprochen werden, so Martianus Capella IX 998 (385,5 W.): „disciplinae cyclicae“; vgl. auch Vitruv I 1,12 (30,25f. Fensterbusch): „encyclios enim disciplina uti corpus unum ex his membris est composita.“ Augustin kennt die „eruditio disciplinarum liberalium“ als Synonym zu „artes illae omnes liberales“ (ord. I 8,24; II 16,44; 126,60f.; 294,27f.). MCKECHNIE 1994, 284–289 zeigt, dass auch einer jungen römischen Frau alle Bildungsstufen offen standen (zu pass. Perp. 2,1; SC 417, 104,3–106,4 Amat: „honeste nata, liberaliter instituta, matronaliter nupta“); vgl. auch GORDON 2003, 284. SALZMAN 2002, 320f. Anm. 121 verweist auf Claudian, epith. Hon. et Mariae 229–237 (96 Hall); vgl. MRATSCHEK 2002, 31 zu Hier. chron. a. 336 (GCS Eusebius VII/1, 233,1 Helm): „Nazarii rhetoris filia in eloquentia patri coaequatur.“ 126 Nach CHRISTES 1975, 216 galt zur Zeit Ciceros, dass man sich als Gebildeter zwar mit den artes liberales befassen konnte, jedoch kein professioneller Lehrer sein durfte, da jeder Beruf Unfreiheit bedeutet hätte! Nicht die ausgeübte Tätigkeit bestimmt in dieser Hinsicht

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit „Niemand darf unter die Rhetoren gerechnet werden, der nicht vollkommen in allen Künsten bewandert ist, die eines freien Mannes würdig sind; denn selbst wenn wir sie nicht für die Rede gebrauchen, wird dennoch erkennbar, ob wir in ihnen ungeübt sind oder sie erlernt haben.“127

Damit wird die Bewandertheit in den artes liberales zum Kriterium der Befähigung zur öffentlichen Rede, d.h. zur politischen und juristischen Mitgestaltung der res publica. Die Bildungsentwürfe Ciceros und Quintilians haben bis zur Gegenwart die Annahme eines „öffentlichen Schulwesens“ in der Antike inspiriert, „dessen Lehrplan sich insbesondere aus den Artes liberales speiste“.128 Freilich stellt sich die Frage, welche „Disziplinen“ bzw. Gegenstandsbereiche die ἐγκύκλιος παιδεία bzw. die artes liberales beinhalteten. Die für das Mittelalter zentrale Unterscheidung von „Trivium“ (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und „Quadrivium“ (Musik, Geometrie, Astronomie, Arithmetik) ist um 400 erstmals – voneinander unabhängig – bei Augustin und Martianus Capella bezeugt; nach Marrou griffen sie dabei auf die „philosophische κοινή“ der vorchristlichen Jahrhunderte zurück. Die artes liberales seien als Propädeutik der Philosophie bereits im 1. Jahrhundert v.Chr. – nach Dionysius Thrax und vor Varro – „endgültig festgelegt“ gewesen.129 Allerdings vermitteln die genannten Kronzeugen der sieben „Freien Künste“ bei näherem Hinsehen nicht den Eindruck, als fußten sie auf einem seit Jahrhunderten feststehenden Kanon von Disziplinen. Augustin bietet mehrere, voneinander abweichende Auflistungen der artes liberales130; dass Martianus den sozialen Status, sondern genau umgekehrt: Das soziale Prestige erlaubte bestimmten Eliten die Beschäftigung mit den Wissenschaften. 127 Cic. de orat. I 16,72 (29,1–5 K.): „Sic sentio neminem esse in oratorum numero habendum, qui non sit omnibus iis artibus, quae sunt libro dignae, perpolitus; quibus ipsis si in dicendo non utimur, tamen apparet atque exstat, utrum simus earum rudes an didicerimus“; vgl. de orat. I 6,20 (9,9–11 K.): „mea quidem sententia, nemo poterit esse omni laude cumulus orator, nisi erit omnium rerum magnarum atque artium scientiam consecutus.“ 128 So noch RUPP 1999, 594. Obwohl R ECHENAUER 1994, 1174 zu Recht anmerkt, dass sich die späteren artes liberales bei Cicero nur in de orat. III 15,58 (284,11–22 K.) angedeutet finden (und hier ohne Beziehung zur Bildung, vgl. HADOT 1984, 54f.), wiederholt er die These eines schon in der späten römischen Republik feststehenden Curriculum, bezeichnenderweise mit späten Belegen wie einem Scholion zu Gregor von Nazianz (PG 36, 914C). 129 M ARROU 1977, 337; vgl. DERS . 1981, 190: „Mit Sicherheit ist das Bildungsprogramm, das von Augustinus an das Mittelalter weitergegeben wurde, im wesentlichen identisch mit dem der gesamten hellenistischen Philosophie.“ Auch nach S ALLMANN 1997, 226 hätten die Römer die artes liberales im 1. Jh. v.Chr. von den Griechen als deren „gängiges Curriculum“ übernommen; ähnlich HAGENDAHL 1983, 106. 130 Der locus classicus bei Augustin ist ord. II 12,35–16,44 (270,1–294,32 D.). Gerade an dieser Kardinalstelle fehlt aber die Arithmetik, stattdessen wird die Philosophie genannt (der doch die artes liberales als Propädeutik zugeordnet sind). Die bei MARROU 1981, 167f. Anm. 26 gebotene Lösung, Augustin habe in eigenständiger Weise in die feststehende Liste die Philosophie einführen wollen und daher die mathematischen Wissenschaften um eine reduzieren müssen, „um die mystische Siebenzahl wiederzugewinnen“, überzeugt nicht, weil sie

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Capella in seinem Werk De nuptiis Philologiae et Mercuri eine schon in Varros Disciplinarum libri zu findende Reihenfolge der Disziplinen aufgreife, hat Ilsetraut Hadot als Konstrukt zu erweisen versucht131: Ihr zufolge lassen sich erst in der Mittleren Akademie bei Philon von Larissa und Nikomachos von Gerasa Vorstufen des späteren Zyklus finden; und erst Porphyrius, auf dessen De regressu animae Augustin zurückgreife, biete ein System, „das einerseits die drei Fächer des künftigen Triviums organisch und in einer bestimmten Reihenfolge eng miteinander verbindet und andererseits diese drei Fächer mit den vier mathematischen Wissenschaften des Quadriviums zu einer Einheit zusammenfügt.“132 Selbst wenn man den Einfluss des Neuplatonismus auf Augustin geringer einschätzt und hinsichtlich des verlorenen Werkes Varros optimistischer urteilt133, ist doch die Beobachtung wichtig, dass Augustin die sieben freien Künste in De ordine als Propädeutik der (neuplatonischen) Philosophie darstellt, während sie in De doctrina christiana keine systematische Rolle mehr spielen; es handelte sich also kaum um ein seit Jahrhunderten fixiertes Curriculum, das sich als durch die Schulbildung vertrautes Propädeutikum als Ganzes in den Dienst der „wahren Philosophie“, der Interpretation der Heiligen Schrift im Raum der Kirche, hätte stellen lassen.134 voraussetzen muss, was doch erst zu zeigen wäre: dass Augustin sich frei in einer fixierten Tradition bewegt! Gegen eine solche spricht z.B. auch das oben erwähnte Zitat des Apuleius (flor. 20,2; s.o. Anm. 4), wo die Arithmetik durch die Poesie ersetzt wird, während die Philosophie als achte Wissenschaft Erwähnung findet. Vgl. Aug. ord. II 4,13–5,14 (200,63–204,28 D.); quant. anim. 33,72 (CSEL 89, 220,14–17 Hörmann); conf. IV 16,30 (55,36–40 V.); retract. I 5,6 (CSEL 36, 27,12–28,7 Knöll). Innerhalb der Übersicht bei MARROU 1981, 164 und 188f. stimmen unter zehn Aufstellungen der ἐγκύκλιος παιδεία von Heraklides Ponticus bis Laktanz niemals zwei einzelne völlig überein. 131 H ADOT 1984, 190: „Quoi qu’on ait pu dire et écrire des Disciplinarum libri de Varron, nous ne savons quasiment rien sur leur contenu et sur leur ordre, et ni Augustin, ni Licentius, ni Claudianus Mamertus ne nous apprennent quelque chose sur eux.“ Varro bezog in sein Werk Architektur und Medizin ein und kam damit auf neun wissenschaftliche Disziplinen, worunter sich nach Gell. XVI 8,1–6 (II 485,7–24 M.) möglicherweise nicht einmal ein Traktat De dialectica befand (ENGLISCH 1994, 163f.). Sidonius Apollinaris kennt zwar das Quadrivium (carm. 22 praef. 2; 244,6f. L.), bietet aber in einer Paraphrase von Claudianus Mamertus’ De statu animae eine auf neun Disziplinen erweiterte Gesamtzahl (ep. V 2,1; II 175 L.): „Illic enim et grammatica diuidit et oratoria declamat et arithmetica numerat et geometrica metitur et musica ponderat et dialectica disputat et astrologia praenoscit et architectura struit et metrica modulatur“; dazu vgl. SHANZER 2005, 88f. Für METTE 1960, 34 ist der bei Cicero aufscheinende „systematische Gedanke“ der artes liberales „ein Novum“: „Varro hat ihn aufgegriffen, aber bei Vitruv ist er noch nicht durchgedrungen.“ Letzterer bezeichnet die Architektur als eine ars, „quae non potest esse probata sine litteratura encyclioque doctrinarum omnium disciplina“ (VI praef. 4; 258,24f. F.), lässt jedoch gerade Rhetorik und Dialektik (Philosophie) aus! 132 H ADOT 1989, 108; kritisch dazu jetzt wieder S HANZER 2005, 75-88. 133 In diese Richtung bewegt sich die Forschung nach V ÖSSING 2003, 462f. mit Anm. 36. 134 Aug. doct. christ. II 18,28 (53,3f. M.): Die literarische Kultur der Antike sei „utile ad intellegendas sanctas scripturas“. Vgl. RICHÉ 1980, 597; ausführlich zu De doctrina christiana: unten

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

Das leitet aber zu der Frage über, wie sich artes liberales bzw. ἐγκύκλιος παιδεία zum Schulunterricht verhielten. Eine Grabinschrift für den 22jährig verstorbenen Mauretanier M. Damatius Urbanus behauptet: Dieser war „in den höchsten Stufen der freien Künste, in der Literatur beider Sprachen vollkommen ausgebildet, von glänzender Rednergabe“, obwohl er vom Alter her kaum mehr als das Schulcurriculum absolviert haben konnte.135 Die artes liberales werden hier als Grammatik und Rhetorik präzisiert, also als diejenigen Kenntnisse, die erst den Zugang zum Studium des gesamten orbis doctrinae ermöglichten bzw. die Stufe bildeten, die im „regulären“ Schulsystem zu erreichen war; alle weiteren Wissensgebiete konnten entweder in einer locker organisierten Philosophenschule erworben werden (wie im Fall des Apuleius in Athen136) oder waren dem Selbststudium anheim gestellt wie bei Augustin. Dass Possidius diesen als „in den weltlichen Wissenschaften erzogen, d.h. in allen Künsten unterwiesen, die man die ‚freien‘ nennt“ preist137, belegt nicht nur dessen in der Schule genossene Bildung, sondern schließt auch das Selbstzeugnis über seine darüber hinausgehende Lektüre ein: Nach der rhetorischen Ausbildung „las ich alle Bücher der freien Künste… für mich und verstand [sie] auch, soviel ich ihrer nur immer lesen konnte“.138 Erst durch solche Belesenheit kommt für Augustin die schulische Bildung zu ihrem eigentlichen Ziel, erst jetzt darf der Mensch als „homo eloquentissimus neque id tantum, sed etiam doctissimus“ gelten.139 Im Umkehrschluss kann dies keineswegs für den durchschnittlichen Absolventen der Grammatik- und Rhetorikschule vorausgesetzt werden; der manichäische Bischof Faustus von Mileve galt als „in allen angesehenen Wissenschaften außerordentlich beschlagen, zumal in

S. 340–349). Zu der später zur Norm gewordenen Zusammenstellung der sieben „freien Künste“, die für das Mittelalter zunächst als Vorbereitung des monastischen Bibelstudiums prägend werden sollte, vor allem durch das zweite Buch der Institutiones Cassiodors und durch Buch I–III der Etymologiae Isidors von Sevilla vgl. summarisch FUCHS 1962, 395f.; FUHRMANN 1994, 97f. und jetzt ENGLISCH 1994. 135 CIL VIII 8500 = ILS 7761 (Setif/Sitifis, 229 n.Chr.), Z.4–10: „summarum ar|tium liberalium, | litterarum studiis | utriusq(ue) lingua | perfecte eruditus, | optima facundia | praeditus“; vgl. VÖSSING 1997, 392 Anm. 1337. 136 Vgl. V ÖSSING 1997, 400f. und 404–410 zu „Ausbildungsberufen“ wie dem der Architekten, für die keine reguläre Schule vorgesehen war, die aber nach einem Edikt Konstantins von 334 (Cod. Theod. XIII 4,1; 745,1–5 Mommsen) „von den freien Künsten gekostet haben sollten“ („qui… liberales litteras degustaverint“). 137 Poss. vita Aug. 1,1 (28,13f. G.): „saecularibus litteris eruditus adprime, omnibus videlicet disciplinis inbutus, quas liberales vocant“. 138 Aug. conf. IV 16,30 (55,1–3 V.): „omnes libros artium, quas liberales uocant… per me ipsum legi et intellexi, quoscumque legere potui“; Übers. BERNHART 185. 139 Aug. quant. anim. 33,70 (217,19f. H.); dieses Prädikat erhielten z.B. Aulus Gellius (s.o. Anm. 117) und Cicero (civ. IX 4; XXII 6; 252,32; 812,16f. D./K.), der als Redner von Varro als Wissenschaftler unterschieden wurde (civ. VI 2; 167,3–7); vgl. MARROU 1981, 93.

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den freien Künsten wohl bewandert“, erwies sich aber im Gespräch als lediglich in der Grammatik und kaum in der Rhetorik geschult.140 Es muss also unterschieden werden zwischen einer liberalis eruditio bzw. den studia liberalia im Kontext der Schule141 und dem Ideal „einer traditionsreichen, ehrenvollen, den freien Bürger schmückenden, umfassenden ‚Allgemeinbildung‘“142, an das sich die Zielbestimmung der Schullaufbahn anlehnte, ohne dass ein Absolvent dieser Laufbahn ein liberaliter eruditus im Vollsinne gewesen wäre. In einem Digest Ulpians wird festgehalten: „Wir erkennen aber als liberalia studia an, was die Griechen ἐλευθερία nennen; dies umfasst die Rhetoren, die Grammatiker und Geometrielehrer.“143 Auch Konstantin gewährte den Rhetoriklehrern Immunität, „wodurch sie leichter viele [Schüler] in den freien Studien und vorgenannten Künsten unterweisen mögen“144 – die Rhetorik war also Teil der „freien Künste“, nicht Medium der Vermittlung ihrer Gesamtheit! Daran wird erkennbar, dass die Bildungsinstitutionen der Antike, deren formaler Organisationsgrad schwach war, durch eine „idée directrice“ strukturiert wurden, die universale Anerkennung erwarten konnte: Gerade weil ἐγκύκλιος παιδεία und artes liberales dynamisch organisiert waren, herrschte im Imperium Romanum ein die Sprachräume übergreifender, nur selten explizierter Konsens, wer als „gebildet“ zu gelten habe. Vom Glanz des Ideals der vollkommenen Bildung zehrten auch die konkreten Schulen vor Ort trotz ihrer vielfältigen Unzulänglichkeiten.145

140 Aug. conf. V 3,3 (58,9f. V.): „honestarum omnium doctrinarum peritissimus et adprime disciplinis liberalibus eruditus“; Übers. BERNHART 193–195; vgl. auch conf. V 6,11 (62,39–44). 141 Vgl. dazu Apul. flor. 18 (33,24–34,12 H.); Tert. pall. 6,2 (750,15f. G.); Aug. conf. III 3,6; IV 1,1 (29,16–25; 40,1–12 V.); ep. 179,2 (CSEL 57, 682,3f. G.): „adulescentes honestissime nati et institutis liberalibus eruditi“; weitere Belege zum Sprachgebrauch bei VÖSSING 1997, 392 Anm. 1338; vgl. jetzt auch DERS. 2006, 142; BORMANN 2006, 108; KRUMEICH 2006, 119. 142 V ÖSSING 1997, 393; vgl. M ARROU 1981, 195f.; ausführlich H ADOT 1984, 263–269. 143 Dig. 50,13,1,1 (II 929,12–14 Krüger/Mommsen): „liberalia autem studia accipimus, quae Graeci ἐλευθερία appellant: rhetores continebuntur, grammatici, geometrae“. 144 Cod. Iust. X 53,6 (27.9.333; 422 Krüger): „quo facilius liberalibus studiis et memoratis artibus multos instituant“. 145 V ÖSSING 1997, 576: „᾿Ελευθερία µαθήµατα, artes liberales, doctrinae liberales, studia honesta (ingenua) etc. sind zwar seit der späten Republik übliche, letztlich auf die ἐγκύκλιος παιδεία zielende Bezeichnungen für die Schulbildung, sollen aber nicht die Wirklichkeit beschreiben, sondern das Prestige einer – ursprünglich aus der Philosophie stammenden und nur in diesem Zusammenhang auch weiterhin lebendigen – vollkommenen, wissenschaftlichen und elitären Geistesbildung evozieren.“ Zutreffend bemerkt MORGAN 1998, 38: „Rather than studying an activity in practice, we are studying the self-representation of a system in its theory and its artefacts.“ Vgl. auch die abschließenden Bemerkungen bei HADOT 1984, 293.

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

3. Die gesellschaftliche Funktion der Schulbildung 3.1. Ansehen und Stellung der Lehrer Die Informationen über den sozialen Status der Lehrer in der Spätantike sind genauso vielfältig wie die konkret erkennbaren Ausformungen des Schulsystems. Zudem – so Kaster – kann eine Persönlichkeit umso weniger als „typisch“ angesehen werden, je mehr von ihr bekannt ist, insofern angesichts der generellen Überlieferungslage Bekanntheit für eine außergewöhnliche Karriere spricht.146 Vor allem die Elementarlehrer sind in den Quellen kaum dokumentiert, gewiss auch deshalb, weil ihre Klientel kaum in der Lage gewesen sein dürfte, ihren Lehrern literarische Denkmäler zu setzen.147 Die Zeugnisse, die sich unmittelbar mit den ludi magistri bzw. γραµµατισταί befassen, stammen daher meistens aus sozialen Schichten, die auf die Absolventen des elementaren Schulunterrichts und auf deren Lehrer herabsahen, wie z.B. das Epigramm De magistro ludi neglegenti aus dem vandalischen Karthago: Hier wird dem „indoctus“ vorgeworfen, seinen Eleven nicht genug Schrecken einzujagen und sie nicht mit Peitschenhieben zu züchtigen, so dass die Kinder ihre Tafeln wegwerfen und das Floralia-Fest feiern – „und schon trägt der Lehrer zu Recht seinen Namen ludi magister!“148 Allerdings ist die Beschwerde über zu wilde Schüler ein Topos; so klagt Augustin sogar über seine Rhetorikklasse in Karthago: „Sie stürzen unverschämt herein und bringen wie eine Horde von Rasenden die Ordnung durcheinander, die der einzelne Lehrer zum Besten seiner Schüler eingeführt hat!“149 Die Unfähigkeit des Lehrers, seinen Stoff zu meistern und mit seinen Schülern fertigzuwerden, klingt auch in dem Spottgedicht In grammaticum furiosum an: Wer sich in Schreien und Schlagen flüchte (was dem ludi magister anempfohlen wird!), sei nicht würdig, zu den Grammatikern gerechnet zu werden.150 Die Lehrer aller Schulformen waren beliebte Ziele des Spotts und der Kritik – was wiederum darauf hindeutet, dass sie eine wohlvertraute Erscheinung in jeder Stadt und in jedem Dorf waren. 146

KASTER 1988, 99; zu den folgenden Ausführungen vgl. aaO. 99–134. Vgl. CRIBIORE 2001, 50–53 mit Beispielen für die Tätigkeit des γραµµατιστής. 148 Anthologia latina I/1 Nr. 85 (81,1–6 Sh.B.): „Indoctus teneram suscepit cauculo pubem, / quam cogat primas discere litterulas. / Sed cum discipulos nullo terrore coercet / et ferulis culpas tollere cessat iners, / proiectis pueri tabulis Floralia ludunt. / Iam nomen ludi rite magister habet.“ Vgl. dazu VÖSSING 1997, 368f. mit Anm. 1269. 149 Aug. conf. V 8,14 (64,13–15 V.): „inrumpunt inpudenter et prope furiosa fronte perturbant ordinem, quem quisque discipulis ad proficiendum instituerit.“ Vgl. KUNST 2006, 83: „Die Gewaltbereitschaft junger Männer an den Hochschulorten war notorisch.“ Dies spiegelt die römische Studien- und Verhaltensordnung von 370 (Cod. Theod. XIV 9,1; zit. bei KLEIN 2006, 155). 150 Anthologia latina I/1 Nr. 289 (240,5–9 Sh.B.): „cur in horrendam furiam recedis / et manu et telo raperis cruentes? / non es, inquam, dum furor his probatus, / dignus inter grammaticos vocari, / sed malos inter sociari Orestas.“ Zu Gewalt als „didaktischer“ Methode vgl. CRIBIORE 2001, 65–73. 147

3. Die gesellschaftliche Funktion der Schulbildung

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Tatsächlich waren die Elementarlehrer gerade für eine dörfliche Gemeinschaft, in der nur wenige Menschen überhaupt zu den litterati zu zählen waren, mit ihren Kompetenzen unverzichtbar.151 Zwischen ihnen sowie den Grammatikern und Rhetoren lag jedoch eine soziale Kluft, die durch administrative Maßnahmen befestigt wurde: So rechnet ein Digest Ulpians die Letztgenannten zu den privilegierten „praeceptores studiorum liberalium“, nicht aber die ludi litterarii magistri, „licet non sint professores“.152 Nur ausnahmsweise durfte eine Steuerbefreiung auch für einen verdienten Elementarlehrer veranlasst werden.153 Dass eine civitas seinen Dienst finanziell honorierte, war nicht vorgesehen; die ludi magistri lebten ausschließlich von Schulgebühren, waren also völlig von der Zahlungsmoral der Eltern abhängig.154 Ein Grammatiker dagegen konnte durch die Befreiung von den munera, die Zuwendungen seitens der Kommune und das höhere Schulgeld ein komfortables Auskommen haben.155 Nach Diocletians Höchstpreisedikt (s.o. S. 29) durfte er mit 200 denarii pro Schüler und Monat viermal soviel wie ein Elementarlehrer verdienen. Die Rhetoren wurden mit 250 denarii noch besser bezahlt. Nach Gratians Schuledikt verdiente ein nordgallischer Grammatiker 12 annonae im Jahr (d.h. das Sechseinhalbfache dessen, was ein Soldat erhielt), ein Rhetor 24 annonae; in der Kaiserresidenz Trier erhöhte sich dieser Lohn auf 20 bzw. 30 annonae, während ein grammaticus graecus sich mit 12 annonae bescheiden musste.156 Neben der relativen Wertigkeit der Schulstufen zueinander wird deutlich, dass oberhalb der Elementarschule der Lehrberuf ein gesichertes Auskommen, wenn auch keine Reichtümer, versprach.157 Wohl auch deshalb wurde in der Spätantike der Beruf des grammaticus für Männer aus dem Kurialen-, aber 151

CRIBIORE 2001, 59f. Dig. 50,13,1,6 (II 929,26f. Kr./M.). 153 Dig. 50,5,2,8 (II 916,37–40 Kr./M.): „Qui pueros primas litteras docent, immunitatem a civilibus muneribus non habent; sed ne cui eorum in supra vires indicatur, ad praesidis religionem pertinet, sive in civitatibus sive in vicis primas litteras magistri doceant.“ 154 CRIBIORE 2001, 73. Nach Cassiod. var. IX 21,1 (371,7–11 Fr.) litten auch Rhetoriklehrer unter ausbleibenden Zahlungen ihrer Schüler, nach Symm. ep. V 35 (MGH.AA VI/1, 133,10 Seeck) auch die Grammatiker: „Romanae iuventutis magistris subsidia detracta.“ 155 Vgl. zum Folgenden KASTER 1988, 115–118. 156 Cod. Theod. XIII 3,11 a. 376 (743,5–11 M.); vgl. dazu K ASTER 1984. 157 Juvenal (sat. VII 186–190) spottete, kein Lehrer sei durch den Unterricht reich geworden, mit Ausnahme Quintilians; vgl. MCKECHNIE 1994, 288 mit Anm. 39 zu Quintilians eigenem Lehrer Remmius Palaemon, der 400.000 Sesterzen im Jahr verdient haben soll – „but Palaemon had used a combination of opportunism, talent and flamboyance to make himself into a literary superstar in the Neronian period, when anything could happen in literature“; dazu Sueton, gramm. 23 (26 K.). Eine spätantike Ausnahme war offensichtlich Marcellus in Bordeaux (Auson. prof. Burd. 17,7; 54 Gr.): „Mox schola… grammatici nomen divitiasque dedit.“ Dass der Mailänder Grammatiker Verecundus (s.u. S. 377f.) das Landgut Cassiciacum besaß, auf dem er Augustin und seine Freunde 386/87 beherbergte, deutet eher auf ungewöhnlichen persönlichen Wohlstand als auf ein einträgliches Unterrichtswesen hin. 152

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auch aus dem Dekurionenstand attraktiv.158 Die Grammatiker galten als geachtete Mitglieder ihrer civitas, auch wenn sie nie in die sozial dominierende Schicht aufstiegen. Der Beruf des grammaticus war trotz geographischer Mobilität von sozialer Stabilität geprägt. Karriere machten eher die Rhetoren, unter denen als glänzendes Beispiel Ausonius hervorragt, der es vom Lehrer in Bordeaux zum Tutor des jungen Gratian und zum quaestor sacri palatii (375/76) brachte, bevor er schließlich zum praefectus praetorio avancierte (377– 379).159 Dem kaiserlichen magister sacrae memoriae Eumenius legte Konstantius I. sogar nahe, wieder die Kathedra eines Rhetors in Autun zu besteigen, „denn diese ehrenvolle Tätigkeit beeinträchtigt deine Würde nicht, sondern vermehrt sie noch.“160 Ausonius äußert sich allerdings unterschiedlich über den Stellenwert des Grammatikers; einmal spricht er von dessen „exilis cathedra“, rühmt dann aber wieder das „nomen grammatici tam nobile“.161 Diese Unbestimmtheit spiegelt die Differenz zwischen Grammatiker und Rhetor hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz: Der Grammatiker bewahrte den Schlüssel zur Bildung, die soziale Integration und Distinktion regulierte; deren Exponent innerhalb des Gemeinwesens war der Rhetor, der die Gemeinschaft durch öffentliche Demonstration der althergebrachten Redekunst ihrer Zugehörigkeit zur Kulturtradition des Imperium Romanum vergewisserte. 3.2. Der römische Staat und das Bildungswesen Wie oben erwähnt (S. 29), war „Bildung“ in der römischen Antike ein sich selbst regulierendes, im Sinne Niklas Luhmanns „autopoietisches“ System, dessen interne Funktionalität nicht von außen determiniert, sondern durch immanente Operationen des Systems stabilisiert und, wenn nötig, modifiziert wurde. Der römische Staat übte in Bildungsfragen bemerkenswerte Zurückhaltung. Im 3. Jahrhundert n.Chr. versuchte Kaiser Antoninus Pius erstmals, mit einem Edikt auf die Organisation des Bildungswesens unmittelbar Einfluss zu nehmen: Je nach Größe einer Stadt wurden – in einem dreistufigen Schema – fünf, sieben oder zehn Ärzte sowie je drei, vier oder fünf Rhetoren und Grammatiker vorgesehen.162 Die Ausführung dieser Anweisung einschließlich der Auswahl der Lehrer und der Finanzierung blieb allerdings den 158 Nach KASTER 1988, 109 gab es vor 425 keinen grammaticus senatorischer Herkunft. SCHINDEL 2003, 177 sieht in Aelius Donatus ein Beispiel für einen vir clarissimus als grammaticus und beruft sich dafür auf KASTER, der tatsächlich aber die in einigen Handschriften bezeugte Titulatur „v.c., orator urbis Romae“ für sachlich nicht zutreffend hält (aaO. 277f.); wenn überhaupt, wäre hier ein senatorischer rhetor bezeugt. 159 Vgl. K ASTER 1988, 130; 248f. 160 Paneg. IX (IV) 14,4 (238,21f. M.): „cum honesta professio ornet potius omnem quam destruat dignitatem“; vgl. VÖSSING 1997, 594. 161 Auson. prof. Burd. 7,10; 9,2.5 (48f. Gr.) zu Leontius und Iucundus. 162 Dig. 27,1,6,2 (I 783,2–11 Kr./M.). Vgl. dazu ausführlich V ÖSSING 2002.

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einzelnen Kommunen überlassen; wenn Antoninus Pius nach der Historia Augusta „in allen Provinzen für die Rhetoren und Philosophen Ehrenstellungen und Gehälter festsetzte“163, waren damit keine staatlichen Zuwendungen verbunden. Ebenso ist der Erlass Kaiser Gordians (238–244), der Grammatiker und Rhetoren bei Ungedeihlichkeit ihres Wirkens vom Lehrbetrieb auszuschließen erlaubte, nicht als staatliche Schulaufsicht zu interpretieren.164 Nach Kaster verfolgten kaiserliche Interventionen lediglich das Ziel, die Funktionalität des Bildungswesens innerhalb der einzelnen civitates zu gewährleisten – die Relevanz der Heranbildung einer Gruppe gut ausgebildeter künftiger Beamten für den administrativen Dienst war zwar ein willkommenes Ergebnis der Bildungsanstrengungen, keineswegs aber deren dominierendes Motiv.165 Im Rahmen ihrer kommunalen Tätigkeit wurden den Lehrern als Vermittlern von „necessariae artes“166 von den Kaisern beneficia gewährt, d.h. Immunität gegenüber Steuern oder sonstigen den Bürgern vom Staat auferlegten Verpflichtungen, etwa bezüglich der Beherbergung von Soldaten.167 Die Steuerausfälle belasteten aber nicht den staatlichen, sondern den kommunalen Etat. Die Festsetzung von Lehrstellen pro Stadt durch Antoninus Pius diente daher nicht dem Ausbau des Bildungswesens, sondern vielmehr der Begrenzung und Steuerung der Lehrtätigkeit, insofern die civitates reiche Bürger gegebenenfalls daran hindern konnten, Lehrer zu werden und sich damit ihrer Abgabenlasten zu entledigen!168 Jedoch konnten im Ausnahmefall besonders kundige Lehrer

163 SHA Anton. Pius 11,3 (I 44,26f. H.): „rhetoribus et philosophis per omnes provincias honores et salaria detulit.“ 164 Cod. Iust. X 53,2 (422 Kr.): „Grammaticos seu oratores decreto ordinis probatos, si non se utiles studentibus praebeant, denuo ab eodem ordine reprobari posse incognitum non est.“ Damit ist noch nicht das Schulgesetz Kaiser Julians vorweggenommen; zu diesem vgl. unten S. 351–367. 165 Gegen KIRSCH 1980, 286 („Beamte also, nicht Dichter sollen das Produkt der im wesentlichen rhetorisch-literarischen Ausbildung sein!“) und WIRTH 1983, 92. KASTER 1988, 225f. verweist auf offensichtliche Widersprüche: So gewährten die Kaiser Septimius Severus und Caracalla den Lehrern Immunität, damit diese sich ganz dem Dienst in ihrer Stadt widmen könnten, versuchten aber gleichzeitig, die besten darunter nach Rom zu locken (vgl. dig. 27,1,6,9 mit n. 11; 783,29–32.34–29 Kr./M.). 166 Cod. Theod. XIII 3,18 (745,8 M.). 167 KASTER 1988, 223. Eine „auf Dauer angelegte und auch die Provinzen betreffende Immunitätspolitik für Lehrer und Ärzte“ ist erst seit Vespasian zu belegen (VÖSSING 2003, 488f.). Vgl. die Privilegien nach Cod. Theod. XIII 3,16 (744,1–17 M.): „Grammaticos, oratores adque philosophiae praeceptores, nec non etiam medicos, praeter haec quae retro latarum sanctionum auctoritate consecuti sunt privilegia immunitatesque, frui hac praerogativa praecipimus, ut universi qui in sacro palatio inter archiatros militarunt cum comitiva primi ordinis vel secundi, nulla municipali, nulla curialium conlatione, nulla senatoria vel glebali describtione vexentur… sint ab omni functione omnibusque muneribus publicis immunes, nec eorum domus ubicumque positae militem seu iudicem suscipiant hospitandum. Quae omnia filiis etiam eorum et coniugibus inlibata praecipimus custodiri, ita ut nec ad militiam liberi memoratorum trahantur inviti. Haec autem et professoribus memoratis eorumque liberis deferenda mandamus.“ 168 KASTER 1988, 226; vgl. STEINMETZ 1982, 84.

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über die festgelegte Anzahl hinaus Immunität genießen, was Spielräume im Werben um prominente Vertreter ihres Faches eröffnete.169 Die zu beobachtende Inkonsistenz der staatlichen Bildungs-„Politik“ zeigt sich auch da, wo Kaiser unmittelbar gestaltend auf die Bildungsorganisation einwirkten, so durch die Schaffung und Alimentierung von zwei Lehrstühlen für Rhetorik durch Vespasian.170 Bezeichnenderweise war es Quintilian, der als erster Römer staatlich finanzierte Räumlichkeiten und zusätzlich ein festes Salär erhielt.171 Eine solche schola publica war jedoch keineswegs eine von der öffentlichen Hand unterhaltene Schule im heutigen Sinne: „Öffentlich“ bedeutete zunächst nur, dass der Unterricht sich im Rahmen des städtischen oder dörflichen Lebens vollzog, etwa in einem Laden am Forum.172 Die staatliche Alimentierung Quintilians ist daher nicht mehr und nicht weniger als eine prominente Ausnahme von der Regel.173 Grundsätzlich agierten die Kaiser als Wohltäter (Euergeten) in bestimmten Situationen, ohne dabei aktiv an der inhaltlichen Gestaltung des Schulwesens interessiert zu sein, und beschränkten sich auf die Regulierung von Rahmenbedingungen.174 Diocletians Höchstpreisedikt (s.o.) wollte mit der Deckelung von Löhnen der Inflation entgegenwirken, ohne die erwähnte Trias des Lehrpersonals als verbindlich vorzuschreiben oder gar auf die Inhalte der Bildung Einfluss zu nehmen.175 Gratians Schuledikt von 376 sollte zunächst nur für eine Verbesserung der Bildungssituation im nördlichen Gallien sorgen, also im unmittelbaren Umfeld der Residenzstadt Trier.176 Sogar bei der Gründung der „Universität“ von Konstantinopel im Jahr 425 wurde lediglich die Verteilung der 31 Professuren geregelt, ohne Festlegungen bezüglich der Lehrpläne 169

Dig. 27,1,6,10 (I 783,32–34 Kr./M.). Sueton, Vesp. 18 (62 Ailloud): „primus e fisco Latinis Graecisque rhetoribus annona centena constituit“; vgl. MARROU 1977, 553f.; HADOT 1984, 44. 171 Hier. chron. a. 88 (190,20f. H.): „primus Romae publicam scholam et salarium e fisco accepit.“ 172 Häufig mussten junge Lehrer ihre Schüler anfangs zu sich nach Hause bestellen, wie Augustin in Rom (conf. V 12,22; 69,2f. V.). Zur schola publica vgl. VÖSSING 1997, 325–335. 173 Einen wertvollen Einblick in alltägliche Verhältnisse bietet die Grabinschrift des Grammatikers L. Memmius Probus, dem das spanische Tritium Magallum (Tricio) ein Jahresgehalt von 4.400 Sesterzen gewährte (CIL II 2892, undatiert): „D(is) M(anibus). L. Me[m]mio Prob[o] Cluniensi gramma[ti]co Latino, cui res[p(ublica)] Tr[i]t[i]ensium an(nos) haben(ti) XXV [s]a[l]ar(ium) cons[t]itu[it].“ Die Einkommensuntergrenze zum Dekurionat dürfte damit zwar nicht erreicht worden sein, als Leiter einer schola publica hatte Memmius aber zweifellos ein sorgenfreies Leben (so ESPINOSA 1987, 245), vor allem weil er ein salarium bezog und nicht (wie freischaffende Lehrer) auf die rara merces angewiesen war (Juvenal, sat. VII 228). 174 V ÖSSING 2003, 493: „Neu war somit nur der (heute häufig mißverstandene) proklamatorische Charakter der Verlautbarungen, in denen die kaiserliche Fürsorge und Freigebigkeit lauter als je zuvor gepriesen wurden, obwohl der staatliche Fiskus gar nicht wirklich involviert war.“ 175 Zu den legislativen Maßnahmen der Kaiser im 4. Jh. vgl. W IRTH 1986, 77–84. 176 Cod. Theod. XIII 3,11 (744,2–7 M.); vgl. die Analyse bei VÖSSING 1997, 335–356. 170

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zu treffen; immerhin wurde hiermit erstmals der Unterricht auf diese Institution beschränkt und das freie Lehren für die Hauptstadt untersagt.177 Grundsätzlich gilt mit Kaster für das Bildungswesen der Spätantike: „Imperial intervention cannot have resulted in imperial control in any substantive sense.“178 Bezeichnend für die Unabhängigkeit der Bildungsinstitutionen von der politischen und militärischen Lage ist das Lob der „Bildungsstadt“ Rom, als diese längst in den Händen von „Barbaren“ war.179 Von einer „Verstaatlichung“ des Bildungswesens in der Spätantike kann daher nicht gesprochen werden180; das System war und blieb „autopoietisch“, d.h. selbst-regulativ. 3.3. Das Ideal des litteratus als soziales Regulativ ΑΡΧΗ ΜΕΓΙΣΤΗ ΤΟΥ ΦΡΟΝΕΙΝ ΤΑ ΓΡΑΜΜΑΤΑ, lautet der Text auf einem Übungstäfelchen des ägyptischen Grammatikers Flavius Kollouthos aus Antinoopolis, und die darunter zu findenden Versuche des namenlosen Schülers, die Worte abzuschreiben, zeigen, dass wie aller Anfang, so auch dieser schwer ist.181 In Kollouthos’ Sentenz kommt treffend das Leitmotiv der antiken Bildung zum Ausdruck: Mit der Beherrschung der litterae beginnt sich der Schüler in der von Wort und Schrift geprägten Kultur der Antike zurechtzufinden. Er hat die Buchstaben nicht nur abzuschreiben, sondern sich auch kritisch-reflexiv dazu zu verhalten – „cogitare de litteris“ (s.o. S. 36). Von den ersten ungelenken Schreibversuchen bis zu den geschliffenen Reden eines Libanius und der komplexen Lyrik eines Prudentius spannt sich das kulturelle Kontinuum, innerhalb dessen dem Menschen durch den Grad seiner Partizipation am Ideal des litteratus sein Platz zugewiesen wird. Dieses Ideal ist dabei in seiner Differenziertheit wahrzunehmen. Während im frühen Mittelalter litteratus vor allem „lateinkundig“ bedeutete und fast ausschließlich auf Kleriker und Mönche zutraf, wurde es in der Spätantike vorwiegend in einer engeren Bedeutung verwendet182: Seit Cicero rückten 177 Cod. Iust. XI 18[19] (434 Kr.); vgl. IRMSCHER 1992, 167; das Verbot freier Lehrtätigkeit: Cod. Theod. XIV 9,3 (787,1–22 M.); zur „Hochschule“ in Konstantinopel: HAARHOFF 1920, 145; SCHLANGE-SCHÖNINGEN 1995, 114–121; LIEBESCHUETZ 1991, 871f.891f. 178 KASTER 1988, 229. 179 Vgl. Ennod. ep. VI 23,1 (MGH.AA VII, 225,17f. Vogel): „urbs amica liberalibus studiis“; vgl. ep. V 9,2 (179,27f. V.): „in qua est natalis eruditio“; Sidon. ep. I 6,2 (II 18 L.): „domicilium legum, gymnasium litterarum“; Cassiod. var. IV 6,3 (147,15f. Fr.): „illa eloquentiae fecunda mater, illa uirtutum omnium latissimum templum“. 180 So V ÖSSING 1997, 620 mit KASTER (s.o.) gegen die z.B. von KIRSCH 1980, 287; KENNEDY 1983, 134; HADOT 1984, 230; IRMSCHER 1992, 166f. und F UHRMANN 1994, 84 vertretene „Verstaatlichungsthese“. 181 CRIBIORE 2001, 39 (Fig. 8; Paris, Louvre, Inv. AF 1195); ausführliche Beschreibung: DIES. 1996, 211 Nr. 160; vgl. auch KASTER 1988, 258. 182 G RUNDMANN 1958, 15: „Für die alten Römer konnte das Wort litteratus nicht zugleich lateinkundig bedeuten – das waren sie alle – und nicht zugleich Kleriker – das waren sie

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litteratus und eruditus eng aneinander; ein illitteratus war, wie Seneca betont, kein Analphabet, sondern einer, „der zwar nicht gänzlich roh, aber nicht zur höheren Bildung vorgedrungen ist“.183 Für Sueton galten als litterati „im eigentlichen Sinne die Interpreten der Dichter, die von den Griechen ‚Grammatiker‘ genannt werden“184, was auch auf diejenigen angewandt wurde, die bei jenen Grammatikern gelernt hatten, Literatur zu erkennen und zu deuten. In diesem Sinne bezeichnete Sulpicius Severus in seiner Vita Martini den Heiligen als „inlitteratus“, nicht aufgrund völliger Unbildung, sondern weil er in seiner Jugend Soldat gewesen sei, also nicht den Weg der litterae beschritten habe.185 Wenn Hieronymus seinem Gegner Rufin von Aquileia vorwirft, dieser habe im „litteras discere“ versagt186, heißt dies natürlich nicht, dass Rufin des Schreibens unkundig gewesen wäre, sondern dass er nie zur eigentlichen Bildung gelangt sei – eine Anklage, die in der Antike oftmals selbstironisch vorgetragen wurde.187 „Bildung“ ist dabei nicht als „Ausbildung“ misszuverstehen: Im Idealfall war man mit ihr nie fertig, auch nicht als Erwachsener. In der späten Republik und frühen Kaiserzeit stand in der Bildungsreflexion nicht die schola im institutionellen Sinn, sondern die ursprüngliche Bedeutung von σχολή als „Muße für Bildung“ im Vordergrund; die einschlägigen Traktate hatten diejenigen im Blick, die sich diese Muße leisten konnten. Der Kritik Senecas an der Lebensfremdheit der Schulbildung, die in dem Verdikt gipfelte: „Non vitae, sed scholae discimus!“188, setzte Quintilian die Hoffnung entgegen, dass „der Liebe zur Grammatik und dem Gewinn der Lektüre nicht die Schulzeit, sondern nur die Lebensdauer ein Ende setzt.“189 Ziel der schulischen Bildung war nicht ein angehäufter Wissensschatz, der mit einem Examen zertifiziert wurde; vielmehr bezeichnet litteratus eine Lebenshaltung, einen eigenständigen nicht!“ Zum Alphabetisierungsgrad in der Spätantike vgl. HARRIS 1989, 285–322: Trotz der insgesamt geringen Lese- und Schreibkompetenzen erfolgte am Ende des römischen Reiches kein dramatischer Abfall; vgl. KASTER 1988, 39f. 183 Seneca, benef. 5,13,3 (II 18 Préchac): „non ex toto rudem, sed ad litteras altiores non perductum“; vgl. Cic. Brut. 21,81 (zu A. Albinus); 56,205 (zu Cotta); dazu GRUNDMANN 1958, 17. 184 Suet. gramm. 4,1 (6): „proprie poetarum interpretes, qui a Graecis γραµµατικοὶ nominentur.“ 185 Sulp. Sev. Mart. 25,8 (SC 133, 312 Fontaine); dazu unten S. 268f.; vgl. die Einleitung seiner Chronik (praef. 2; SC 441, 88,19 de Senneville-Grave), die zwei Gruppen von Rezipienten im Blick habe: „ut et inperitos docerem et litteratos conuincerem“. 186 Hier. adv. Rufin. I 30 (CChr.SL 79, 30,41–53 Lardet); s.u. S. 432. 187 Vgl. die Selbstbezichtigung des jüngeren Plinius als „inliteratissimae litterae“ (ep. I 10,9; 18,23 Schuster/Hanslik); dazu vgl. VÖSSING 1997, 552: „Die Grenze zwischen Bildung und Unbildung wurde nicht mit dem Erlernen des ABC überschritten, sondern mit der Hinführung zur Literatur, die unter Umständen schon im Elementarunterricht begonnen werden konnte, dann aber vor allem in der Dichterlektüre beim grammaticus bestand.“ 188 Seneca, ep. 106,12 (II 447,16 R.). 189 Quint. I 8,12 (I 120 R.): „cum grammatices amor et usus lectionis non scholarum temporibus, sed vitae spatio terminentur.“

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Umgang mit der römischen Kultur: „Denn was bezwecken wir sonst mit unserer Unterweisung, als dass sie [sc. die Schüler] nicht immer Unterweisung brauchen?“190 Für Cicero war klar, „daß die Schule sich – als Bereich von zeitlich und inhaltlich begrenzter Relevanz – mit der Rolle der Vorbereitung auf Größeres begnügen sollte“.191 Noch Apuleius sah in der Bildungsbeflissenheit der Karthager das Band, das die civitas zusammenzuhalten vermochte: „In der Gesamtheit eurer Bürgerschaft seid ihr hochgebildet; bei euch lernen die Jungen alles Wissen, die Jünglinge beweisen es, die Greise lehren es.“192 Ungeachtet der Fortdauer dieses Ideals in den Kreisen der römischen Senatsaristokratie vollzog sich in der Spätantike eine Bedeutungsverschiebung: „Die auf der Schulbank erworbenen literarischen Fähigkeiten erhielten jetzt auch für das geistige Leben der Erwachsenen eine zentrale Bedeutung.“193 In einer Zeit sukzessiver Veränderungen des gesellschaftlichen Gefüges, was die „Umstrukturierung des lateinischen Literatursystems“ einschloss194, wurde das Kriterium des litteratus zum Indikator sozialer Distinktion, die nicht mehr umstandslos gegeben war: „So wie die Menschen die Bestien überragen, so übertreffen die Gebildeten die Ungebildeten“195, formulierte Sidonius Apollinaris im Anschluss an den Grammatiker Diomedes; dabei näherten sich die studia liberalia dem Unterrichtsinhalt beim grammaticus und rhetor an.196 Bildung wurde damit in vierfacher Hinsicht funktional respezifiziert197: – Sie wirkte distinktiv, und zwar sowohl als kulturelles Ideal, das innerhalb der Gesellschaft Unterschiede präzise erkennen ließ, als auch als Merkmal der romanitas gegenüber den Einwohnern eroberter Länder wie später gegenüber den Barbaren, die das Imperium bedrohten.198 Dabei musste nur der Wille 190

Quint. II 5,13 (I 194 R.): „nam quid aliud agimus docendo eos, quam ne semper docendi sint?“ VÖSSING 1997, 38; vgl. Cic. rep. I 18,30 (20,21–23 Ziegler): „artes, si modo aliquid, id ualent, ut paulum acuant et tamquam inritent ingenia puerorum, quo facilius possint maiora discere.“ 192 Apul. flor. 20,4 (41,16–18 H.): „Tota civitas eruditissimi estis, penes quos omnem disciplinam pueri discunt, iuvenes ostentant, senes docent“; Übers. SCHÖLLGEN 1984, 142. 193 V ÖSSING 1997, 40. 194 K IRSCH 1988, 15 sieht für die Spätantike als neues Kriterium den „Instrumentalwert“: Literatur konnte Gegenwartsangst durch Historisierung bewältigen, ganz gleich ob nur ein „allgemeines Unsicherheitsgefühl“ (WITSCHEL 1999, 376) oder eine wirkliche Krise vorlag. 195 Sidon. ep. IV 17,2 (II 150 L.): „quanto antecellunt beluis homines, tanto anteferri rusticis institutos“; ähnlich Diomedes (GrLat I, 299,19–23): „Tanto maxime rudibus praestare cognoscimur, qui rusticitatis enormitate incultique sermonis ordine sauciant, immo deformant examussim normatam orationis integritatem, politumque lumen eius infuscant ex arte prolatum, quanto ipsi a pecudibis differre videantur“; vgl. BROWNING 2000, 858. 196 Vgl. Sidon. ep. IV 21,4 (II 158 L.): „Hic te imbuendum liberalibus disciplinis grammatici rhetorisque studia florentia monitu certante fouerunt, unde tu non tam mediocriter institutus existi, ut tibi liceat Aruernos uel propter litteras non amare.“ 197 Vgl. zum Folgenden V ÖSSING 1997, 595–613; vgl. DERS . 2003, 481–483. 198 Dabei konnten sich „barbarische“ Eroberer selbst diesem kulturellen Kontinuum einfügen, wie der Ostgotenkönig Athalarich, der an den römischen Senat schrieb (Cassiod. var. 191

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I. Die Bildungsinstitutionen der römischen Kaiserzeit

zur Partizipation bekundet werden, ohne dass der Nachweis tatsächlicher Kenntnisse notwendig war: Auch die, die dem Rhetor im Theater applaudierten, durften sich als zugehörig fühlen.199 – Sie wirkte integrativ, insofern das Ideal des litteratus gewissermaßen eine Skala vorgab, auf der alle Grade von Bildungsintensität Platz fanden. Dazugehören und sich abheben waren gleichrangige Bildungsziele in einer Zeit, in der auch die Oberschicht sich durch Bildungsbesitz zu definieren begann.200 „Wenn die Stufen sich auflösen, vermittels derer der Höchste sich vom Niedrigsten zu unterscheiden pflegte, dann wird schließlich das einzige Kennzeichen unseres Adels sein, mit der Literatur vertraut zu sein“, klagte Sidonius Apollinaris angesichts des Zusammenbruchs der römischen Sozialordnung in Gallien – und bezeugt damit die eminente soziale Funktion von traditioneller literarischer Bildung in der römischen Spätantike.201 – Bildung wirkte aber auch als Mittel der Kommunikation: Zumindest dem Anspruch nach bildete das doppelte, ethische und ästhetische Prädikat „bonus et facundus“ ein allgemein anerkanntes Qualitätsmerkmal, im Anschluss an das catonische Bild des „vir bonus, dicendi peritus“.202 Sogar in juristischen Texten konnte proklamiert werden, die Kenntnis der Literatur sei „omnium virtutum maxima“203. Bildung wirkte kommunikativ, insofern sie Einlass in den jeweils nächsthöheren Kreis der eruditi ermöglichte. So bildeten sich literarische Netzwerke, in denen in weitgehender Zweckfreiheit das klassizistische BilIX 21,4; 371,21–372,27 Fr.): „Grammatica magistra uerborum, ornatrix humani generis, quae per exercitationem pulcherrimae lectionis antiquorum nos cognoscitur iuuare consiliis. Hac non utuntur barbari reges: apud legales dominos manere cognoscitur singularis. Arma enim et reliquae gentes habent: sola reperitur eloquentia, quae Romanorum dominis obsecundat.“ 199 V ÖSSING 1997, 599. 200 KASTER 1988, 14: „Whatever its other shortcomings, the grammarian’s school did one thing superbly, providing the language and mores through which a social and political elite recognized its members.“ 201 Sidon. ep. VIII 2,2 (III 84 L.): „remotis gradibus dignitatum, per quos solebat ultimo a quoque summus quisque discerni, solum erit posthac nobilitatis indicium litteras nosse.“ 202 Quint. XII 2,1 (II 704 R.): „mores ante omnia oratori studiis erunt excolendi atque omnis honesti iustique disciplina pertractanda, sine quo nemo nec vir bonus esse nec dicendi peritus potest.“ Vgl. z.B. Aug. ep. 2*,12 (BAug 46 B, 90,369–377 Divjak) mit Zitat aus Cic. inv. 1,1; inschriftliche Belege bei VÖSSING 1997, 605f. Anm. 2048; vgl. u.a. CIL XIII 1393: „artis grammatices | doctor morumq(ue) mag[is]|ter, Blaesianus Biturix, M|usarum semper amator“; CIL VIII 2409 für M. Virrius Flavius Iugurtha (Thamugadi), Z. 7–9: „tan|tum diserto quan|tum bono“; weiterhin Auson. protr. 73–75 (24 Gr.): „idem vesticipes motu iam puberis aevi / ad mores artesque bonas fandique vigorem / produxi“; Flor. Verg. 3,5 (115 Jal): „praecipientem bonos mores et sacrarum studia litterarum“; dazu STEINMETZ 1982, 90f. Vgl. auch KASTER 1988, 27: „Doctrina presumed mores!“ 203 Cod. Theod. XIV 1,1 (771,5 M.); vgl. den Panegyricus des Eumenius von 298 (paneg. IX[IV] 8,1f.; 234,26–235,3 M.): „Caesar Herculius… tanto studium litterarum favore prosequitur, ut non minus ad providentiam numinis sui existimet pertinere bene dicendi quam recte faciendi disciplinas, et pro divina intelligentia mentis aeternae sentiat litteras omnium fundamenta esse virtutum, utpote continentiae modestiae vigilantiae patientiae magistras.“

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dungsideal gepflegt wurde (s.u. S. 184–187): In einer Zeit staatlichen Niedergangs sollte Bildung „die Verbindung zu den maiores wahren und durch diese Tradition ihren Adepten Sicherheit und Orientierung vermitteln.“204 – Schließlich konnte Bildung auch als Mittel sozialer Promotion wirken, zumal die seit dem 3. Jahrhundert rasch anwachsende Bürokratie nach Fachkräften verlangte, die sich aber nicht durch eine spezifische Ausbildung, sondern durch literarische Bildung empfehlen mussten. Der traditionsbewusste Senator Symmachus beklagte gegenüber Ausonius, einem Protagonisten des gerade in seiner Heimat Gallien blühenden Bildungssystems, „dass der Weg, sich in den Magistrat zu drängen, häufig durch die Kenntnis der Literatur befördert wird.“205 Via negationis zeigt dies, dass die Schulbildung in der Spätantike als Mittel beruflicher Etablierung begriffen wurde, unbeschadet ihres literarischen Gepräges: Gerade der Advokat, der Prototyp einer ehrenvollen Betätigung auch für Angehörige der Oberschicht, war nicht als Kenner juristischen Fachwissens gefragt, sondern als „Fachmann für literarische Kommunikation“206. Das Ideal des litteratus, wie es hier in groben Strichen skizziert wurde, war – darin liegt eine entscheidende Differenz zur römischen Republik – an die Institution Schule geknüpft, wo Kinder zu litterati unterschiedlicher Intensität herangebildet wurden. Für die Einweisung in dieses Ideal spielte der Lehrer die zentrale Mittlerrolle als Hüter der kulturellen Kommunikationsregeln, die es den Schülern erlaubten, sich im Kontinuum literarischer Bildung zu verorten.207 Dieses (durchaus als vorläufig zu betrachtende) Panorama der Bildungsinstitutionen, -vermittler und -inhalte ist im Folgenden vorausgesetzt, wenn nach der Stellung der Christen der ersten Jahrhunderte zu der paganen Bildung der römischen Antike gefragt wird.

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VÖSSING 1997, 610. Symm. ep. I 20,1 (12,25 S.): „iter ad capessandos magistratus saepe litteris promovetur.“ 206 V ÖSSING 1997, 613; zur Möglichkeit des sozialen Aufstiegs für gebildete Beamte vgl. NELLEN 1977, 6–18. 207 Vgl. CRIBIORE 2001, 46: „Ancient education, which consisted of an accumulation of systematic rules administered in order, identified a teacher as the individual who had the key to interpret some or all of those rules.“ 205

Kapitel II

Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit 1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen im 2. und 3. Jahrhundert 1.1. Rhetorik im Dienst der Polemik: Tertullian Im Werk Tertullians (ca. 160–220 n.Chr.)1 bündeln sich konzise die Herausforderungen, die sich aus dem Zusammenleben der Christen mit ihrer „heidnischen“ Umwelt ergaben, einschließlich des Problems, die Grenze zwischen beidem trennscharf zu bestimmen. Seine Annäherung an den Montanismus hat im Urteil der Nachwelt zu einem spezifischen Zwiespalt geführt: „Bei Tertullian loben wir den Scharfsinn, aber wir verdammen die Irrlehre“2, wie Hieronymus mit offenkundigem Bedauern konstatiert; ebenso beklagt Hilarius von Poitiers, dass „der spätere Irrtum des Menschen seinen lobenswerten Schriften die Glaubwürdigkeit entzieht“.3 Und Augustin erwähnt zwar „viele hervorragend geschriebene Traktate“ aus Tertullians Feder, verbindet dies aber mit einer Warnung vor den häretischen „Tertullianistae“.4 Eine solche christliche Gruppierung ist sonst nicht bezeugt, doch weiß Hieronymus zu berichten, dass Tertullians Schriften noch lange in Ehren gehalten wurden: „Ich habe selbst einen gewissen Paulus aus Concordia (einer Stadt in Italien), einen Greis, getroffen, der sagte, er habe in seiner Jugend in Rom den damals schon hochbetagten Schreiber des seligen Cyprian gesehen; dieser habe ihm die Gewohnheit berichtet, dass Cyprian niemals einen Tag ohne die Lektüre Tertullians verstreichen ließ und häufig zu ihm sagte: ‚Gib mir den Meister‘, womit er Tertullian meinte.“5

1 Zu Biographie und Bibliographie vgl. Hermann T RÄNKLE , in: HLL 4, 438–511; Christel BUTTERWECK, in: TRE 33 (2002), 93–107; Eva SCHULZ-FLÜGEL, in: LACL 3, 668–672. 2 Hier. adv. Rufin. II 27 (CChr.SL 79, 98,9f. Lardet): „In Tertulliano laudamus ingenium, sed damnamus haeresin.“ 3 Hilar. in Matth. 5,1 (SC 254, 150,11f. Doignon): „consequens error hominis detraxit scriptis probabilibus auctoritatem.“ 4 Aug. haer. 86 (CChr.SL 46, 338,1f. vander Plaetse/Beukers): „[Tertullianus] cuius multa leguntur opuscula eloquentissime scripta“. 5 Hier. vir. ill. 53,3 (BPat 12, 150 Ceresa-Gastaldo): „Vidi ego quendam Paulum Concordiae [oppidum Italiae est] senem, qui se beati Cypriani iam grandis aetatis notarium, cum ipse admodum esset adulescens, Romae vidisse diceret referreque sibi solitum, numquam Cyprianum absque Tertulliani lectione unam praeterisse diem ac sibi crebro dicere ‚Da magistrum‘, Tertullianum videlicet significans.“ Vgl. auch

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Freilich beeilt sich Hieronymus anzufügen, dass Tertullian „bis zu seinen mittleren Jahren Presbyter der Kirche war, dann aber aufgrund der Missgunst und Kränkungen durch die Kleriker der römischen Kirche zum Dogma des Montanus abfiel und in vielen Büchern die ‚Neue Prophetie‘ erwähnt.“6 Doch waren sich spätere Theologen bewusst, welcher Gewinn aus seinen Schriften zu ziehen war. Diese bieten noch der gegenwärtigen Forschung wichtige, teils einzigartige Einblicke in eine Zeit der Klärung existenzieller Lebensfragen, deren Beantwortung dem Christentum – in Kontinuität und Abgrenzung zur „heidnischen“ Umwelt – erst seine Gestalt gab. Ein solcher Konflikt wird paradigmatisch an der Frage nach dem Schulbesuch der Christen und nach der Möglichkeit, als Christ den Lehrberuf auszuüben, erkennbar.7 1.1.1. Tertullian und die Institutionen der römischen Schulbildung Tertullian selbst war kein Lehrer. Obgleich er nirgendwo seine Schulbildung erwähnt, lassen die literarischen und rhetorischen Mittel, die er nutzt, erschließen, dass er die Grammatik- und Rhetorikschule absolviert hatte8; seine Schriften belegen die Existenz aller drei Schularten in Karthago.9 In De idololatria thematisiert er unter den Verstrickungen in den „Götzendienst“, denen

ep. 84,2,2 (CSEL 55, 122,11f. Hilberg): „Beatus Cyprianus Tertulliano magistro utitur, ut eius scripta probant.“ 6 Hier. vir. ill. 53,4 (150 C.-G.): „His usque ad mediam aetatem presbyter ecclesiae, invidia postea et contumeliis clericorum Romanae ecclesiae ad Montani dogma delapsus in multis libris novae prophetiae meminit.“ Tertullians Übertritt zum Montanismus führte langfristig zur Indizierung seiner Schriften im 5. Jh. (Decr. Gelas. V 7,2; TU 38/4, 12,311 von Dobschütz). 7 Tertullians Verhältnis zu antiker Kultur und Bildung ist nach E LLSPERMANN 1949, 23– 42 monographisch von FREDOUILLE 1972, KOURI 1982 und STEINER 1989 behandelt worden; zu den apologetischen Schriften vgl. PRICE 1999, 107–111. Im Gefolge Fredouilles hat sich die Annahme einer tertullianischen Synthese von antiker Bildung und christlichem Glauben durchgesetzt, in Abkehr von der älteren These einer Konfrontation, die meist auf der isolierten Analyse von Tertullians Aussagen zur antiken Philosophie basierte (so bes. L ABHARDT 1950 und BRAUN 1971); zur Diskussion vgl. FAUTH 1978, 89–93. 8 D ALY 1958, 14 folgert aus Tertullians familiärer Herkunft aus dem Centurionenstand wohl zutreffend, dass die Grundlagen seiner Bildung im häuslichen Unterricht gelegt wurden. Dass er danach mit seinen Geschwistern den Elementarunterricht besucht hätte (ebd.), ist unwahrscheinlich (s.o. S. 31f.). 9 Adv. Val. 8,3 (SC 280, 95,15f. Fredouille) zeigt durch die besondere Betonung des „rhetor latinus“, dass es auch griechischen Rhetorikunterricht gab. Für das Ideal des utraque lingua eruditus bietet Tertullian Cato als Beispiel auf, „der zwar als Zensor die Griechen aus Rom vertrieb, sich in seinen alten Tagen aber noch in ihrer Sprache und Wissenschaft unterrichten“ ließ (pall. 3,7; CChr.SL 2, 741,68f. Gerlo: „Atque adeo ipse qui Graecos praeter urbem censebat, litteras eorum uocemque senex iam eruditus“; Übers. KELLNER, BKV 7, 21). Vgl. SCHÖLLGEN 1984, 220: „Tertullian ist mit seiner breiten Bildung… in der karthagischen Gemeinde also höchstwahrscheinlich keine Ausnahme, sondern nur der herausragende Vertreter einer relativ breiten Schicht von Gebildeten, die bis in die Spitzen des Klerus hinaufreicht.“

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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ein Christ im Alltags- und Berufsleben unterliegt, auch die Schule, und zählt den Lehrerstand zu den Berufen, die schädlichen Einflüssen unterliegen: „Auch den Fall der Schulmeister muß man prüfen und ebenso den der Lehrer des höheren Unterrichts. Oder eher: es gibt gar keinen Zweifel, daß sie mit vielerart Götzendienst in Verbindung stehen; denn sie müssen die heidnischen Götter verkünden, ihre Namen und die Abstammung nennen, die jeweiligen Mythen und Ehrenattribute erklären, schließlich müssen sie deren Feste und Feiertage beachten, an denen sie ja ihren Lohn erhalten.“10

Die Elementarlehrer11 waren neben dem Schulgeld auf Geschenke an Feiertagen angewiesen. Das Problem besteht dann darin, dass mit der Beachtung des Festkreises auch dessen mythologischer Gehalt den Schülern vermittelt wird: „Bei jeder Art von Götzendienst ist man also dabei. Wer wird wohl meinen, daß dies alles zu einem Christen paßt, wenn er es nicht auch bei einem, der nicht Lehrer ist, für unbedenklich hält?“12

Der Umkehrschluss lautet: Was einem Christen allgemein nicht erlaubt ist, ist einem Lehrer erst recht nicht zu konzedieren. Dass es sich bei der Teilnahme an heidnischen Festen nicht um Adiaphora handelt, macht die spätere – sicher montanistische – Schrift De corona deutlich: An der scheinbar unspektakulären Frage, ob ein Soldat mit Lorbeer bekränzt zum Empfang eines Donativs antreten dürfe, zeigt Tertullian, dass sich „eine Art der Idololatrie schon in dem bloßen Ursprunge der Kränze findet, welche bei allen diesen Anlässen gewunden werden“.13 Selbst die klassischen griechischen Dichter bezeugten, dass der Himmel von Gott mit Sternen bekränzt worden sei, weshalb der Mensch ebenfalls nur von Gott bekränzt werden dürfe14; hingegen „werden auch die Hurenhäuser von der Welt bekränzt sowie die Abtritte, die Stampfmühlen, die Kerker, die Elementarschulen, sogar das Amphitheater und seine 10 Idol. 10,1 (SVigChr 1, 38,1–5 Waszink/van Winden): „Quaerendum autem est etiam de ludimagistris, sed et ceteris professoribus litterarum. Immo non dubitandum affines illos esse multimodae idololatriae: primum quibus necesse est deos nationum praedicare, nomina, genealogias, fabulas, ornamenta honorifica quaeque eorum enuntiare, tum sollemnia festaque eorundem observare, ut quibus vectigalia sua suppetent“; übers. nach VÖSSING 1997, 304–306. Die Datierung ist umstritten; SCHULZFLÜGEL, LACL 3, 668 votiert für ca. 196 (vor Ad Nationes); TRÄNKLE, HLL 4, 489f. hält die Zeit des Übergangs zum Montanismus (203/206) für wahrscheinlicher. 11 V ÖSSING 1997, 307–309 (mit Anm. 1121) merkt an, dass nur zu Beginn die weiteren Lehrberufe Erwähnung finden, die Argumentation sich aber auf die Elementarlehrer bezieht (vgl. BAYER 1983; SCHWARZKOPF 2002, 44 Anm. 88; anders SCHÖLLGEN 1984, 231). 12 Idol. 10,4 (38,1–5 W./v.W.): „Omnis diaboli pompa frequentatur. Quis haec competere Christiano existimabit, nisi qui putabit convenire etiam non magistro?“ 13 Coron. 13,7 (CChr.SL 2, 1062,49–51 Kroymann): „in omnibus istis idololatriae, in solo quoque censu coronarum, quibus omnia ista redimita sunt“; Übers. ESSER, BKV 24, 260. 14 Coron. 13,8 (1062,51–53 Kr.): „Praefabitur quidem Claudius etiam caelum sideribus apud Homeri carmina coronatum – certe a deo, certe homini; igitur et homo ipse a deo coronandus est“; vgl. Homer, Ilias XVIII 485.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Leichenkammern, endlich auch die Totenbahren“.15 Auch hier wird also der Lese- und Schreibunterricht in den Grundkonflikt der Zugehörigkeit zur paganen oder zur christlichen Religionskultur eingeordnet. In De idololatria lässt die Vehemenz, mit der Tertullian seine These vertritt, vermuten, dass er nicht die Mehrheit seiner Gemeinde hinter sich hatte. Einen möglichen Einwand von christlicher Seite greift er selbst auf: „Wenn es den Dienern Gottes nicht erlaubt ist, Lesen und Schreiben zu lehren, ist es ihnen auch nicht erlaubt, dies zu erlernen; und wie könnte jemand (ohne diese Fertigkeiten) angeleitet werden zunächst einmal zu menschlicher Einsicht oder zu irgendeiner Erkenntnis oder Tätigkeit, da doch Lesen und Schreiben für das ganze Leben eine wichtige Hilfe ist? Wie können wir die weltlichen Studien zurückweisen, ohne die die religiösen nicht bestehen können?“16

Wer den Christen den Lehrberuf verweigern wollte, müsste ihnen dann auch den Zugang zu den litterae insgesamt verwehren – was freilich bedeutete, sich nicht nur von jeder Kommunikation weitgehend abzukoppeln, sondern auch die Grundlage der christlichen Erkenntnis zu zerstören, die auf den Umgang mit (heiligen) Schriften angewiesen sei! Dabei geht es nicht allein um litteras discere im Sinne von „lesen und schreiben lernen“ als einer im Alltag auch für Christen wichtigen Kompetenz, vielmehr klingt mit dem Gegensatz von saecularia et divina studia auch der weitergehende Anspruch an, dass die Heilige Schrift in ihrer Eigenschaft als „Literatur“ der kunstgerechten, d.h. grammatischen und rhetorischen Analyse bedarf. Dagegen wendet sich Tertullian wiederholt mit Bezug auf 1 Kor 1,18ff.: „Du wirst nicht weise sein, wenn du nicht im weltlichen Wissen töricht wirst, indem du die Torheit Gottes glaubst.“17 Dies gilt der aus Glauben motivierten Neugier: „Möge die Wissbegierde dem Glauben Platz machen, der Ruhm dem Heil! Doch sollen sie wenigstens ihnen nicht im Wege stehen oder zur Ruhe kommen! Nichts gegen die Glaubensregel zu wissen, heißt alles zu wissen.“18

15 Coron. 13,8 (1062,54–56 Kr.): „A saeculo coronantur et lupanaria et latrinae et pistrinae et carcer et ludus et ipsa amphitheatra, et ipsa spolaria et ipsaeque libitinae“. 16 Idol. 10,4 (38,1–5 W./v.W.): „Si docere litteras dei servis non licet, etiam nec discere licebit, et quomodo quis institueretur ad prudentiam interim humanam vel ad quemcumque sensum vel actum, cum instrumentum sit ad omnem vitam litteratura? Quomodo repudiamus saecularia studia, sine quibus divina non possunt?“ 17 Carn. 5,1 (CChr.SL 2, 880,7–9 Kroymann): „Sed non eris sapiens, nisi stultus in saeculo fueris, dei stulta credendo.“ Vgl. coron. 2,3 (1042,22–24 Kr.): „laudo fidem, quae ante credidit obseruandam esse quam didicit.“ 18 Praescr. 14,5 (FC 42, 258,6–8 Schleyer): „Cedat curiositas fidei, cedat gloria saluti. Certe aut non obstrepant aut quiescant. Adversus regulam nihil scire omnia scire est“; zur Kritik an der curiositas in Glaubensdingen vgl. weiterhin praescr. 7,12f. (244,22–25 Schl.): „Nobis curiositate opus non est post Christum Iesum nec inquisitione post evangelium. Cum credimus nihil desideramus ultra credere. Hoc enim prius credimus non esse quod ultra credere debeamus.“

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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Nicht zufällig zitiert Tertullian in De idololatria im Kapitel über die Astrologen 1 Kor 1,20: „Wo ist nun ein Weiser, wo ein litterator, wo einer, der diese Weltzeit erforscht?“19 Für γραµµατεύς steht im Lateinischen nicht – wie später bei Hieronymus und in der Vulgata – scriba, sondern litterator, womit bei Tertullians älterem Zeitgenossen Apuleius der Elementarlehrer, ansonsten meist der Grammatiklehrer bezeichnet wird.20 Im Rahmen einer polemischen Argumentation rückt gerade der Lehrer, der den Einstieg in die Welt der litterae vermittelte, auf die Seite der Torheit. Für das „weltliche“ Leben der Christen konzediert Tertullian immerhin eine „necessitas litteratoriae eruditionis“, die man nicht zugleich akzeptieren und negieren könne.21 Dass der Christ als Lehrer wie als Schüler unweigerlich mit paganen Texten in Berührung kommt, führt zu einer Unterscheidung von Vermittlung und Rezeption des Lehrstoffs: „Für Gläubige ist das Erlernen von Lesen und Schreiben eher möglich als das Lehren; denn beim Lernen und Lehren geht es jeweils ganz anders zu. Wenn der Gläubige Lesen und Schreiben lehrt, dann empfiehlt er dabei ohne Zweifel die (in den Texten) eingestreuten Preisungen der Götter; dadurch, daß er sie weitergibt, bekräftigt er sie, und indem er sie erwähnt, legt er Zeugnis für sie ab. Die Götter bezeichnet er mit eben diesem Namen, obwohl doch das Gesetz verbietet, wie wir schon sagten, sie Götter zu nennen und diesen Namen grundlos zu gebrauchen. So wird der Grund zum Glauben an den Teufel schon mit den Anfängen der Bildung gelegt. Nun untersuche noch lange, ob Götzendienst treibt, wer über die Götzen unterrichtet!“22

Ein Lehrer kann also nicht seinen Gegenstand überzeugend präsentieren und sich zugleich glaubwürdig davon distanzieren (zumal er ja Christen und „Heiden“ miteinander unterweisen muss). Die Begriffe „praedicare“ und „catechizare“ zeigen an, dass aus christlicher Perspektive ein Lehrer nicht nur Informationen vermittelt, sondern eine Unterweisung mit religiöser Bindungsfunktion

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Idol. 9,7 (36,37f. W./v.W.): „Ubi sapiens, ubi litterator, ubi conquisitor huius aevi?“ Vgl. oben S. 30 mit Anm. 18. Zur Identifikation von litterator mit scriba als Übersetzung von γραµµατεύς vgl. Hier. in Matth. 8,19 (CChr.SL 77, 51,1144–1150 Hurst/Adriaen): „Scriba iste legis qui tantum litteram nouerat occidentem si dixisset: domine sequar te quocumque ieris, non fuisset repulsus a domino, sed quia magistrum unum de pluribus aestimabat et litterator erat (quod significantius graece dicitur γραµµατεύς et non spiritalis auditor) ideo non habet locum in quo possit reclinare Iesus caput suum.“ Von litterator spricht in Bezug auf die biblischen Schriften auch Aug. ep. 104 (CSEL 34/2, 584,4 Goldbacher): „hoc congruit et litteris sacris, quarum me cupio litteratorem.“ AGUSTA-BOULAROT 1994, 656 weist auf Titus Aurelius Telesphorus hin, einen scriba medicorum (CIL VI 9566) bzw. γραµµατεὺς ἰατρῶν. 21 Idol. 10,5 (40,21f. W./v.W.): „Videamus igitur necessitatem litteratoriae eruditionis, respiciamus ex parte eam admitti non posse, ex parte vitari“; vgl. STEINER 1989, 256. 22 Idol. 10,5f. (40,21–28 W./v.W.): „Fideles magis discere quam docere litteras capit; diversa est enim ratio discendi et docendi. Si fidelis litteras doceat, insertas idolorum praedicationes sine dubio, cum docet, commendat, dum tradit, affirmat, dum commemorat, testimonium dicit. Deos ipsos hoc nomine obsignat, cum lex prohibeat, ut diximus, deos pronuntiari et nomen hoc in vano collocari. Hinc prima diabolo fides asdificatur ab initiis eruditionis. Quaere, an idololatrian committat qui de idolis catechizat!“ 20

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

betreibt und so in Konkurrenz zum kirchlichen Katechumenat tritt.23 Tertullian setzt darauf, dass die christlichen Schüler entweder bereits mit einem kritischen Bewusstsein für wahre und falsche Götterlehren oder – noch besser – ganz ohne solche Kenntnisse, dafür mit unerschütterlichem Vertrauen in die regula fidei zum Elementarunterricht kommen: „Wenn im Gegensatz dazu der Gläubige diese Dinge lernt, wird er, wenn ihm schon klar geworden ist, um was es sich dabei handelt, sie weder annehmen noch aufnehmen; noch viel weniger wird er dies tun, wenn er es noch nicht erkannt hat und es gerade zu erkennen beginnt, denn er muß dann an erster Stelle das im Sinn behalten, was er zuerst gelernt hat, nämlich die Lehre von Gott und vom Glauben. Deshalb wird er alles jenes zurückweisen und nicht annehmen, und er wird sicher sein wie einer, der wissentlich von einem Unwissenden Gift nimmt, es aber nicht trinkt.“24

Der wahrhaft Wissende ist also der Glaubende, der die bedeutungsleeren Götterlehren durchschaut, die ihm als Lerngegenstände begegnen – der Unwissende ist hingegen der („heidnische“) Lehrer! Ein gläubiger Schüler habe es leichter als ein magister, „auch den übrigen Befleckungen durch die Schule, die aus den öffentlichen und speziellen Festlichkeiten erwachsen, aus dem Weg zu gehen“25 – dies dürfte als Mahnung an allzu anpassungswillige Gemeindeglieder zu verstehen sein, die mit äußeren Zwängen ihre Teilnahme an paganen Begängnissen rechtfertigten. Ein Lehrer dürfe sich nicht auf eine necessitas docendi berufen, auch nicht aus Sorge um den eigenen Lebensunterhalt („non habeo quo vivam“).26 Die Traditio apostolica, der sich in Rom in zeitlicher Nähe dasselbe Problem stellte, war hier eher zu Konzessionen bereit.27 Freilich rechnete Tertullian (im Einklang mit den antiken Bildungstheoretikern) mit Elementarschülern mit der Lebensgewandtheit von Erwachsenen, die von einem gefestigten christlichen Standpunkt aus die Lehrinhalte kritisch prüfen sollten. Im Apologeticum betont er, an die „Heiden“ gewandt: „Wir ge-

23 Auf praedicare als Indikator dieser Problematik weist SCHWARZKOPF 2002, 44 hin. Tertullian verwendet catechizare nicht als feststehenden Begriff für kirchliche Unterweisung, die hier aber anklingt: „By the instruction in mythology the belief in the heathen gods is fostered; it is as it were a ‚heathen catechumenate‘“ (WASZINK/VAN WINDEN 1987, 197). 24 Idol. 10,6 (40,28–32 W./v.W.): „At cum fidelis haec discit, si iam sapit, qui sit, neque recipit neque admittit; multo magis, si nondum sapit aut ubi coeperit sapere, prius sapiat oportet quod prius didicit, id est de deo et fide. Proinde illa respuet nec recipiet, et erit tam tutus quam qui sciens venenum ab ignaro accipit nec bibit.“ Vgl. hierzu SCHWARZKOPF 2002, 45. 25 Idol. 10,7 (40,34–36 W./v.W.): „Tanto autem facilius est litteras non docere quam non discere, quanto et reliqua scholarum de publiis propriis sollemnitatibus inquinamenta facilius discipulus fidelis non adibit quam magister non frequentabit.“ 26 Idol. 12,1 (44,2 W./v.W.). 27 Trad. ap. 16 (FC 1, 246,8f. Geerlings): „Qui docet pueros, bonum est ut cesset; si non habet artem (τέχνη), permittatur ei“; zu Lokalisierung, Datierung und Verfasser s.u. S. 98 Anm. 178.

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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hörten einst zu euch – man wird, ist nicht von Geburt aus Christ.“28 Dem entspricht seine kritische Haltung zu der allmählich zum kirchlichen Normalfall werdenden Kindertaufe. Das Herrenwort Mt 19,14 („Wehret den Kindern nicht, zu mir zu kommen!“) gelte nicht den unmündigen Kindern: „Sie sollen demnach auch kommen, wenn sie herangewachsen sind; sie sollen kommen, wenn sie gelernt haben, wenn sie darüber belehrt sind, wohin sie gehen sollen; sie mögen Christen werden, sobald sie imstande sind, Christus zu kennen! Aus welchem Grunde hat das Alter der Unschuld es so eilig mit der Nachlassung der Sünden? Will man etwa in zeitlichen Dingen mit mehr Vorsicht verfahren und die göttlichen Güter einem anvertrauen, dem man irdische noch nicht anvertraut?“29

Für Tertullian war die Schule aufgrund ihrer Alternativlosigkeit der Punkt, an dem es keine via media geben konnte. Es ging hier nicht um eine Nebenfrage, sondern um den Weg durch die Welt zum ewigen Heil: „Man darf mit den Heiden wohl zusammenleben, aber nicht mit ihnen sterben!“30 1.1.2. Tertullian und die Formkultur der antiken Rhetorik „Während die alten christlichen Schriftsteller der Form ihrer Schriften nicht viel Aufmerksamkeit schenkten – teils fehlte ihnen die erforderliche Bildung, teils glaubten sie der göttlichen Wahrheit etwas zu vergeben, wenn sie ihr mit menschlichen Argumenten zu Hilfe eilten –, so hat [Tertullian] gewußt, daß es immer auch darauf ankommt, wie eine Wahrheit ausgesprochen wird.“31 So erweist er sich in seinen Schriften nicht als „Fachjurist“, wie gelegentlich unterstellt, sondern als versierter Absolvent der Rhetorenschule.32 Zwar wird man kaum „alle seine Werke [als] Streitschriften, in denen in Form juristi-

28 Apol. 18,4 (CChr.SL 1, 118,17f. Dekkers): „De uestris sumus: fiunt, non nascuntur Christiani“; Übers. BECKER, 123; vgl. als möglichen Hintergrund Seneca, de ira II 10,6: „scit [sc. sapiens] neminem nasci sapientem, sed fieri“; vgl. test. anim. 1,7 (CChr.SL 1, 176,50f. Willems). 29 Bapt. 18,5 (CChr.SL 1, 293,29–34 Borleffs): „Veniant ergo dum adolescunt, dum discunt, dum quo ueniant decentur; fiant Christiani cum Christum nosse potuerint! Quid festinat innocens aetas ad remissionem peccatorum? Cautius agetur in saecularibus, ut cui substantia terrena non creditur diuina credatur? Norint petere salutem ut petentibus dedisse uidearis!“; Übers. KELLNER, BKV 7, 297; zur Kindertaufe in Karthago vgl. SCHÖLLGEN 1984, 280. 30 Idol. 14,5 (50,23f. W./v.W.): „Licet convivere cum ethnicis, commori non licet.“ 31 H OLL 1897, 1; vgl. F REDOUILLE 1972, 182f. und T RÄNKLE , HLL 4, 505: „Durch seine grammatische und rhetorische Ausbildung hat er Teil an der raffinierten Formkultur der sog. ‚Zweiten Sophistik‘… Insgesamt handhabt Tertullian die Sprache mit einer gewalttätigen Virtuosität, die kaum ihresgleichen hat.“ 32 S TEINMETZ 1982, 231; vgl. HAGENDAHL 1983, 23: „In Tertullian steckt kein iuris consultus: er war ein rechtskundiger Rhetor, in dem die antike Sophistik ‚einen ihrer grössten Triumphe feiert‘“ (so Johannes Geffcken); anders Eus. h.e. II 2,4 (GCS Eusebius II/1, 110,16–18 Schwartz): Tertullian sei im römischen Recht sehr bewandert gewesen; doch vgl. TRÄNKLE, HLL 4, 440: Seine einschlägigen Kenntnisse reichten „kaum über das Niveau eines halbwegs gebildeten Juristen hinaus“; ebenso STEINER 1989, 31.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

scher Plädoyers eine bestimmte Sache verfochten werden soll“33 bezeichnen können; wohl aber ist das Schrifttum Tertullians ohne das Vorbild des genus iudiciale undenkbar. Robert Sider benennt drei grundlegende Charakteristika: – Tertullian verwende traditionelle Formen „with a great degree of flexibility… as the demands of rhetorical effectiveness suggested“. – Einige Redeteile erhielten eine fast stereotype Form, z.B. das exordium, das die Opposition herausarbeite, die dem jeweiligen Traktat zu Grunde liege. – Besonderes Interesse finde die praemunitio, oft in Verbindung mit einer abschließenden amplificatio, durch die die argumentatio eingerahmt werde.34 So widmet sich das Apologeticum in der praemunitio (apol. 4,3–6,11) vor der konkreten Verteidigung gegen „die verleumderische Bezichtigung insgeheim begangener Schandtaten“35 dem Grundproblem, dass die „Heiden“ auf der Basis geltenden, nicht verhandelbaren Rechts sagen könnten: „Es ist nicht erlaubt, dass ihr da seid!“36 Die Verteidigung muss demnach vor allem darauf hinwirken, einen offenbar gesetzeswidrigen Zustand, die Existenz der christlichen Gemeinden in ihrer religiösen Eigenart, zu sanktionieren.37 Die praemunitio tritt hier also im Gewand des grundsätzlichen Vorbehalts (praescriptio) gegenüber der Anwendung bestimmter juristischer Argumentationen auf den zur Verhandlung stehenden Fall auf.38 Entsprechend wird die argumentatio in apol. 46–49 durch eine amplificatio beschlossen, die sich der Einzigartigkeit des Christentums gegenüber den bekannten Philosophien widmet. Dasselbe Phänomen begegnet in anderem Kontext in Adversus Praxean, wo die biblische confirmatio und refutatio (cap. 11–26) nicht nur durch eine ausführliche, die Trinitätstheologie konzise entfaltende praemunitio (cap. 3–10) präludiert, sondern auch durch eine Darlegung der Inkarnation (cap. 27–30) ergänzt und gerahmt wird.39 Die wenigen Beispielen zeigen, wie sehr Tertullian der rhetorischen Tradition verpflichtet war, wie kreativ er aber in diesem Rahmen arbeitete, und zwar auch nach Eintritt in seine montanistische Schaffensphase.40 33

KOURI 1982, 72; als Ausnahmen benennt er De oratione und De patientia. SIDER 1971, 22; vgl. aaO. 21–40 (zur rhetorischen Strukturierung fast aller tertullianischen Traktate) und FREDOUILLE 1972, bes. 29–178 zum „idéal stylistique ‚stoïcisant‘“ (173); vgl. als Zusammenfassung früherer Untersuchungen STEINER 1989, 46–92. 35 Apol. 6,11 (98,57f. D.): „Nunc enim ad illam occultorum facinorum infamiam respondebo“; Üb. BECKER, 81. 36 Apol. 4,4 (93,17 D.): „Non licet esse uos!“ (Übers. BECKER , 71); vgl. den (unterstellten) juristischen Grundsatz in apol. 4,3 (93,14 D.): „nihil dicatur retractandum esse post leges.“ 37 Vgl. STEINER 1989, 55f. In apol. 2,7 wird das einschlägige Reskript Kaiser Trajans paraphrasiert (88,31f. D.): „hoc genus inquirendos quidem non esse, oblatos uere puniri oportere.“ 38 Dazu STEINER 1989, 56f.; vgl. auch SIDER 1971, 34f.; ECKERT 1993, 98–107. 39 Vgl. S IDER 1971, 37f.; ECKERT 1993, 184f. 40 Nach KLEIN 1990, 61f. kann „der Bruch… Tertullians mit der orthodoxen Kirche geradezu als ein Symbol für die Sackgasse angesehen werden, in die man mit einer allzu starren 34

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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Die Verwurzelung in der rhetorischen Tradition wird besonders an Tertullians biblischer Exegese und Hermeneutik deutlich. Tertullian erweckt zwar den Eindruck, „daß er hermeneutische Prinzipien häufig und gern formulierte, sich aber selbst nicht streng an sie hielt“.41 Doch ergibt sich eine spezifische Konsistenz aus der Verwendung rhetorischer Argumentationsprinzipien, die Cicero in De inventione für die „controuersiae quae in scripto uersantur“ aufstellt.42 In dem dort skizzierten Regelwerk fand Tertullian den „ständigen Interpretationsgerichtshof“ für die Auslegung der Schrift.43 Seine Aufmerksamkeit widmete er dabei – wie bereits Cicero und Quintilian – vor allem der Mehrdeutigkeit eines Textes (ambiguitas) und dem Konflikt von wörtlicher Textgestalt und Autorintention (discrepatio scripti et uoluntatis).44 Beides war in den innerchristlichen Auseinandersetzungen hoch aktuell und führte bei Tertullian zu strikter Reserve gegenüber eigenständiger Lektüre der Schrift durch Gemeindeglieder.45 Wie das Problem der ambiguitas durch systematische Kontextanalyse zu lösen ist, zeigt sich paradigmatisch in De monogamia, wo Tertullian nach der Diskussion von 1 Kor 7,39 resümiert: „Das wäre die Erklärung dieses Abschnittes. Sie ist daraufhin zu prüfen, ob sie passe zu der Zeit und der Ursache, zu den Vorbildern und Lehrbeispielen, die vorhergehen, als auch zu den Sentenzen und Gedanken, die nachfolgen, und vor allem, ob sie zu dem stimmt, was der Apostel als seinen eigenen Rat und seine eigene Lehranweisung hinstellt. Es ist auf nichts so sehr zu sehen, als darauf, daß jemand nicht mit sich selbst im Widerspruch gefunden werde.“46

Gelegentlich finden sich bei Tertullian methodologische Anmerkungen, die unmittelbar auf Cicero zurückgreifen, etwa das in De praescriptione zur Erklärung von 1 Tim 6,13f. notierte Prinzip: „ex supra et infra scriptis intellegere erat“.47 Haltung zur heidnischen Paideia gelangt war.“ Diese prima facie einleuchtende These lässt sich an seinem Schrifttum freilich nicht verifizieren. 41 SPEIGL 1996, 171; zur Forschungslage vgl. aaO. 161 mit Anm. 1. 42 Vgl. das Urteil über das Vorbild in apol. 11,16 (109,75f. D.): „quis eloquentior Tullio?“; vgl. FREDOUILLE 1972, 171; SIDER 1971, 9.85 mit Verweis auf Cic. inv. II 39,115. 43 S PEIGL 1996, 173: „Tertullian erhebt die Anklage, der Gegner hat die Verteidigung, und die Heilige Schrift liefert den Hauptbeweis bei der Zeugenvernehmung.“ 44 Vgl. S IDER 1971, 85f. mit Cicero, inv. II 40,116 (203,8–11 Achard): „In scripto uersatur controversia, cum ex scriptionis ratione aliquid dubii nascitur. Id fit ex ambiguo, ex scripto et sententia, ex contrariis legibus, ex ratiocinatione, ex definitione“; zu den ersten beiden Problemfelder vgl. Quint. VII 6,6–9,15 (II 98–116 Rahn). Vgl. WASZINK 1979, 22f.; weiterhin FREDOUILLE 1972, 142. 45 Praescr. 14,4 (258,3–6 Schl.): „Fides in regula posita est, habet legem et salutem de observatione legis. Exercitatio autem in curiositate consistit, habens gloriam solam de peritiae studio.“ 46 Monog. 11,13 (1246,97–102 D.): „Haec erit interpretatio capituli istius de hoc examinanda, an et tempori et causa, et tam exemplis et argumentibus praecendentibus quam et sententiis et sensibus subsequentibus, et in primis an ipsius apostoli et consilio proprio congruat et instituto; nihil enim custodiendum est quam ne diuersus sibi deprehendatur“; Übers. ESSER, BKV 24, 508; vgl. dazu SIDER 1971, 95f. mit Verweis auf Cic. inv. II 40,117; STEINER 1989, 86–89. 47 Praescr. 25,6 (278,20f. Schl.); dazu SIDER 1971, 97f.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Eine große Rolle spielt weiterhin die exakte semantische und grammatische Analyse, deren Nichtbeachtung Tertullian seinen Gegnern immer wieder vorwirft.48 In De pudicitia geht es hingegen um das Problem der „Nützlichkeit“ einer Interpretation: Die Gegner Tertullians – seine ehemaligen Mitchristen – deuteten das Gleichnis vom verlorenen Sohn gemäß dem lukanischen Textzusammenhang in Analogie zu den Gleichnissen vom verlorenen Schaf und der verlorenen Drachme (Lk 15,1–32): Was verloren ist, wird gefunden; der verschwenderische Sohn ist also der Christ auf seinem Weg zu Gott. Die Erwiderung beginnt mit der Frage „quod utilius“. Wäre der jüngere Sohn das Vorbild des Christen, hätte dies fatale Konsequenzen: „Wer wird sich dann scheuen, verschwenderisch mit einer Sache umzugehen, die er wieder erwerben kann? Wer wird besorgt sein, sich das für immer zu bewahren, was er nicht für immer verlieren kann?“49

Das hieße, „daß der ganze Bestand des Seelenheils, der ja auf der Festigkeit der Disziplin beruht, durch diese Interpretation, welche man gerne aus dem gegensätzlichen Verständnis ableiten möchte, völlig untergraben wird“50 – was gewiss nicht dem entspricht, „was für [den Autor] nützlicher und ehrenvoller zu schreiben war“.51 Eine zweifelhafte Schriftstelle ist also nicht so zu deuten, dass sie allgemein akzeptierten Wertmaßstäben widerstreitet. Ciceros De inventione bietet das hermeneutische Handwerkszeug, mit dessen Hilfe Tertullian die Auseinandersetzung um die rechte Deutung der Heiligen Schrift führt. Die rhetorischen Fähigkeiten setzt er nach eigenem Bekunden nur unter äußerem Druck ein – „so zwingen uns die Häretiker, rhetorisch zu argumentieren, wie die Philosophen uns drängen, philosophisch zu reden.“52 Trotz ihres Offenbarungscharakters werden die biblischen Schriften damit als literarische Texte behandelt, die den schulmäßigen Methoden der Interpretation unterliegen. Davon dürfen sich auch die Christen nicht ohne Not verabschieden, wollen sie nicht der curiositas freien Lauf lassen und in Beliebigkeit der Deutung abdriften. Das würde allerdings den Besuch der „heidnischen“ Schule zwingend erfordern; eine entsprechende Würdigung dieser Institution ist bei Tertullian aber nirgends zu erkennen. Ihm geht es nicht um den Erwerb von Bildung, sondern um deren Einsatz zum Zweck literarischer Analyse, die nach Tertullian in sacris nicht prinzipiell zu vermeiden ist. Er bewegt sich dabei ganz souverän auf einem kulturellen Terrain, das er mit Gegnern wie An48

Vgl. praescr. 25,9 (280,5–7); adv. Prax. 11,3; 13,3 (FC 34, 144,14–17; 156,1–3 Sieben). Pudic. 9,10 (1297,44–1298,46 D.): „Quis enim timebit prodigere, quod habebit, postea recuperare? Quis curabit perpetuo conseruare, quod non perpetuo poterit amittere?“; Üb. ESSER, BKV 24, 408. 50 Pudic. 9,8 (1297,32–34 D.): „Totum autem status salutis in tenore disciplinae constitutum subuerti uidemus ea interpretatione, quae ex diuerso adfectatur“; Übers. ESSER, BKV 24, 407. 51 Cic. inv. II 41,121: „quid utilius et quid honestius et illi ad scribendum“; SIDER 1971, 91–94. 52 Resurr. 5,1 (CChr.SL 2, 926,6f. Borleffs): „Ita nos rhetoricari quoque prouocant haeretici, sicut etiam philosophari philosophi“; vgl. FREDOUILLE 1972, 67. 49

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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hängern teilt und auf das er beide Adressatengruppen ansprechen zu können meint. Ein „Amt“ in der christlichen Gemeinde, das die Kontinuität theologischer wie rhetorischer Kompetenz gewährleisten könnte, kennt Tertullian nicht. Christlichen Glauben und rhetorisches Geschick vereint er nicht systematisch, sondern lebensgeschichtlich – in seiner Person.53 1.1.3. Tertullian und die Inhalte der antiken Bildung Die grundsätzliche Skepsis bezüglich der Schulbildung erweitert sich verschiedentlich im Werk Tertullians zur prinzipiellen Abgrenzung zwischen Christentum und paganer Kultur. Der locus classicus ist das Verdikt gegen die Philosophie in De praescriptione haereticorum: „Was haben also Athen und Jerusalem gemeinsam, was die Akademie und die Kirche, was Häretiker und Christen? Unsere Unterweisung stammt aus der ‚Halle Salomos‘ [Joh 10,23], der dazu in eigener Person gelehrt hatte, daß man den Herrn ‚in der Einfalt des Herzens‘ [Sap 1,1] suchen müsse. Sollen die für sich zusehen, die ein stoisches, ein platonisches, ein ‚dialektisches‘ Christentum hervorgebracht haben!“54

Im Hintergrund dieser schroffen Alternative steht die Abwehr der curiositas, die das Kennzeichen der Philosophie sei, „die ihrerseits in ihre verschiedenen Richtungen gespalten ist durch die Mannigfaltigkeit der einander widersprechenden Schulen“55. Darin spiegele sich – was erst den Anlass zur Kritik an der Philosophie bietet! – die Spekulationslust der christlichen Häresien, die sich aus dem methodischen Arsenal der Philosophie bedienten, anstatt die christliche Lehre allein aus der Überlieferung der Apostel herzuleiten.56 53 Vgl. FREDOUILLE 1972, 482: „En fait Tertullien attribue à la ‚rhétorique‘ le rôle le plus noble qui soit: rendre accessible et persuader la verité. Elle est pour lui une ‚psychagogie‘ légitime et nécessaire… Les liens tissés entre rhétorique et philosophie par l’éloquence antique transparaissent aussi chez le premier Père de l’Église d’Occident.“ 54 Praescr. 7,9–11 (244,16–21 Schl.): „Quid ergo Athenis et Hierosolymis? quid academiae et ecclesiae? quid haereticis et christianis? Nostra institutio de porticu Salomonis est qui et ipse tradiderat Dominum in simplicitate cordis esse quaerendum. Viderint qui Stoicum et Platonicum et dialecticum christianismum protulerunt.“ Vgl. bereits apol. 46,18 (162,80–83 D.): „Adeo quid simile philosophus et Christianus, Graeciae discipulus et caeli, famae negotiator et salutis uitae, uerborum et factorum operator, et rerum aedificator et destructor, et interpolator et integrator ueritatis, furator eius et custos?“ Zu dieser Antithese vgl. FREDOUILLE 1972, 301–357. 55 Praescr. 7,8 (244,15f. Schl.): „ipsam quoque in suas haereses multipartitam varietate sectarum invicem repugnantium.“ Vgl. praescr. 43,1 (320,12–14 Schl.), wo den Häretiker vorgeworfen wird, Umgang zu pflegen „cum magis quam pluribus, cum circulatoribus, cum astrologis, cum philosophis, curiositati scilicet deditis.“ FREDOUILLE 1972, 418 unterscheidet zwischen falscher und angemessener curiositas: „En opposant à une curiosité stérile, qu’il condamne, une curiosité utile, qu’il subordonne à une fin nouvelle et supérieure, notre converti demeurait fidèle à une antique tradition et conciliait, dans le cadre d’éthique stoïcienne, culture païenne et christianisme“; so jetzt auch SCHLEYER, FC 42, 86–93 (Einleitung) 56 Praescr. 6,4 (240,17–20 Schl.): „Apostolos Domini habemus auctores qui nec ipsi quicquam ex suo arbitrio quod inducerent elegerunt, sed acceptam a Christo disciplinam fideliter nationibus adsignave-

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Die Polemik gegen die Philosophie im allgemeinen und die peripatetische Dialektik im besonderen richtet sich also primär gegen die innerchristliche intellektuelle Konkurrenz. Tertullian nimmt Platon in Schutz nehmen: Er sei „bona fide“ zum „Gewürzkrämer“ (condimentarius) aller Häresien geworden.57 In apologetischem Kontext kann das Christentum selbst als Philosophie gelten: „Ich halte es nun auch mit jener bekannten Philosophenschule Gottes und ihrer Sittenlehre. Freue dich, Pallium, und frohlocke! Eine bessere Philosophie hat dich nunmehr ihrer gewürdigt, seitdem du einen Christen zu bekleiden angefangen hast.“58

Es sind also Adressaten und Textgattungen zu beachten, wenn man nicht voreilig Urteile über die Haltung Tertullians zu der antiken Kultur fällen will. Eine gewisse Konsistenz seiner Haltung ergibt sich aus der wiederholten – impliziten oder expliziten – Berufung auf 1 Kor 1,18ff.59 Die Gebildeten können dabei geradezu als „ver-bildet“ gelten: Ironisch wird im Apologeticum überlegt, ob Christus möglicherweise sein Gott-Sein selbst ersonnen habe, „nicht um damit ungeschliffene und noch wie Tiere lebende Menschen angesichts einer solchen Fülle zu verehrender Gottheiten erstarren zu machen und so zur Menschlichkeit zu läutern, wie Numa [Pompilius], sondern um bereits Kultivierten und eben durch ihre Zivilisation Irregeleiteten die Augen zur Erkenntnis der Wahrheit zu öffnen.“60

Dass Menschen eher an eine Vielzahl mythologischer Götter als an den einen, in Christus offenbarten Gott glauben, erklärt sich also aus dem Einfluss der klassischen Literatur, „durch die ihr zu Lebensklugheit und zu edlem, vornehmem Tun erzogen werdet – was finde ich da für Spott und Hohn!“61 Die runt“ vgl. praescr. 7,3 (242,9f.): „Ipsae denique haereses a philosophia subornantur“; vgl. auch adv. Marc. V 19,7 (CChr.SL 1, 722,9f. Kroymann), wo Tertullian Kol 2,8 interpretiert: „hac sententia omnes haereses damnari, quod omnes ex subtililoquentiae uiribus et philosophiae regulis constent“. 57 Anim. 23,5 (CChr.SL 2, 815,21f. Waszink): „Doleo bona fide Platonem omnium haereticorum condimentarium factum“. 58 Pall. 6,2 (750,20–23 G.): „At ego iam illi etiam diuinae sectae ac disciplinae commercium confero. Gaude pallium et exsulta! Melior iam te philosophia dignata est ex quo Christianum uestire coepisti“; vgl. pall. 4,10 (746,127–131 G.): „Enimuero cum hanc primum sapientiam uestit, quae uanissimis superstitionibus renuit, tunc certissime pallium super omnes exuuias et peplos augusta uestit superque omnes apices et titulos sacerdos suggestus.“ Diese „Apologie in Kurzform“ richtet sich nach TRÄNKLE, HLL 4, 457 an „literarische Feinschmecker und Schöngeister“. 59 Vgl. auch das Zitat von 1 Kor 3,19 in spect. 17,6 (243,27–30 D.): „doctrinam saecularis litteraturae ut stultitiae apud deum deputatam aspernamur“ (dazu SCHWARZKOPF 2002, 85); vgl. adv. Marc. V 19,8 (722,22–24 Kr.) zu 1 Kor 1,27: „Hac simplicitate ueritatis contraria subtililoquentiae et philosophiae nihil peruersi possumus sapere“; vgl. dazu KLEIN 1990, 57–62. 60 Apol. 21,30 (128,150–153 D.): „non qua rupices ad adhuc feros homines multitudini tot numinum demerendorum attonitos efficiendo ad humanitatem temperaret, quod Numa, sed qua iam expolitos et ipsa urbanitate deceptos in agnitionem ueritatis ocularet“; Übers. BECKER, 139. Numa Pompilius (zu ihm vgl. Livius I 18,2) habe einst „die Römer mit der Last des mühseligsten Aberglaubens beladen“ (127,148f.: „qui Romanos operosissimis superstitionibus onerauit“). 61 Apol. 14,2 (112,8f. D.): „Sed conuersus ad litteras uestras, quibus informamini ad prudentiam et liberalia officia, quanto inuenio ludibria!“; Übers. BECKER, 109.

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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Unglaubwürdigkeit der Göttermythen sei seinen paganen Zeitgenossen aber durchaus bewusst gewesen: „Denn sooft wir auf die Erbärmlichkeiten, Schändlichkeiten oder Grausamkeiten der Götter losziehen, so verteidigt ihr sie, weil sagenhaft, unter Berufung auf die dichterische Freiheit. Sooft aber unsererseits über solches Schweigen herrscht, klagt ihr die Dichtkunst nicht nur nicht an, sondern ehrt sie obendrein noch, rechnet ihr sie ja unter die notwendigen Bildungsfächer; endlich fördert ihr durch diese Einführung ins Schrifttum den Lehrgang der freigeborenen Jugend.“62

Die Kritik richtet sich also nicht auf den Erwerb der Bildung, sondern auf die Mittel dazu, die nicht nur die Christen aufgrund des inhärenten Polytheismus zurückweisen müssen, sondern die auch den „Heiden“ selbst nicht recht einzuleuchten scheinen. Analog dazu geht es auch in De praescriptione haereticorum um die Ernsthaftigkeit religiöser Überzeugungen, nicht um Bildungsfeindschaft, wenn Tertullian philosophierenden Gnostikern entgegnet: „Besser ist es, nicht zu wissen: So vermeidest du, das zu kennen, was du nicht zu kennen brauchst, da du ja kennst, was du kennen sollst.“63 Der Kenner der philosophischen Tradition fällt entsprechend in De anima das Urteil, dass der Christ dieser Kenntnis nicht bedarf64, ja dass „Nichtwissen diesbezüglich am sichersten ist. Denn es ist besser, durch Gott nicht zu wissen, was er nicht offenbart hat, als durch den Menschen zu wissen, was dieser selbst sich anmaßt.“65 Im Rahmen dieser grundsätzlichen Skepsis gegenüber der philosophischen Suche nach Wahrheit ist es konsequent, dass in De testimonio animae mit der Seele des Menschen zwar ein klassisches Thema der Philosophie aufgegriffen wird, dieses Thema aber vordergründig auf ganz unspekulative Weise angegangen wird: In den Zeugenstand wird die Seele gerufen, „aber nicht dich rufe ich herbei, die du in Schulen gebildet, in Bibliotheken bewandert, in den Akademien und attischen Säulenhallen geistig gespeist, Weisheit von dir gibst. Dich rede ich an, die du einfach und unverfeinert, ungebildet und unwissend bist, wie bei Leuten, die dich allein haben und weiter nichts, die Seele, ganz wie sie von der Gasse, von den Straßenecken, aus der Werkstätte herkommt.“66

62 Nat. II 7,9–10 (CChr.SL 1, 52,3–8 Borleffs): „Nam quotiens misera uel turpia uel atrocia deorum exprobramus, allegatione poeticae licentiae ut fabulosa defenditis; quotiens ultro siletur de eiusmodi, poeticam non modo non oneratis, sed insuper honoratis, utique in necessariis artibus habetis: denique per hanc initiatricem litteraturae ingenuitatis studia producitis“; Übers. HAIDENTHALLER, 27. Vgl. knapp nat. II 1: „apud poetas omnia indigna, quia turpia“ (41,26f. B.); dazu RAPPE 2001, 410; test. anim. 1,3 (175,19f. W.): „Tunc uani poetae, cum deos humanis passionibus et fabulis designant.“ 63 Praescr. 14,2 (256,25–258,2 Schl.): „Novissime ignorare melius est ne quod non debeas noris quia quod debeas nosti“. 64 Vgl. anim. 2,7 (785,66–71 W.). 65 Anim. 1,6 (783,54–56 W.): „Vnde et ignorare tutissimum est. Praestat per deum nescire, quia non reuelauerit, quam per hominem scire, quia ipse praesumpserit.“ 66 Test. anim. 1,6 (176,42–46 W.): „Sed non eam te aduoco, quae scholis formata, bybliothecis exercitata, academiis et porticibus Atticis pasta sapientiam ructas. Te simplicem et rudem et impolitam et

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

In ihrem schöpfungsmäßigen Zustand ist die Seele rein und unverbildet: „Jedenfalls war die Seele vor der Schrift da, die Sprache vor dem Buche, der Gedanke vor dem Griffel, der Mensch an sich vor dem Philosophen und Dichter“.67 Die Weisheit, die Menschen durch Bildung erwerben können, macht sie also keineswegs zum „vernünftigen, für Einsicht und Wissen empfänglichen Wesen“.68 Auf Tertullian passen die Adjektive „simplex et rudis, impolitus et idioticus“ natürlich nicht: Er selbst redet mit den Gebildeten auf Augenhöhe.69 Er weiß aber, dass die Erkenntnis der Wahrheit „aus dem Gemeinsinn, mit dem Gott die Seele auszustatten geruht hat“70, stammt – d.h. nicht aus erworbener Bildung. Darum kann bereits das Apologeticum an das Zeugnis der „von Natur aus christlichen Seele“ (anima naturaliter christiana) appellieren – wobei die Berufung auf den publicus bzw. communis sensus die stoischen κοιναὶ ἔννοιαι (d.h. ein philosophisches Konzept) voraussetzt.71 Tertullian rechnete offenbar damit, dass seine christlichen Leser diese Anspielungen goutieren würden. Noch mehr schöpft Tertullian, wo er sich an ein paganes Publikum wendet, aus der hellenistisch-römischen Bildungstradition, um seiner Argumentation Farbe und Brillanz zu verleihen. Neben den älteren Autoren des Schulkanons (Plautus, Accius, Lukrez, Ennius, Cato) begegnen die Größen der griechischen Tradition (Homer, Herodot, Platon) und auch Vertreter der „silbernen Latinität“ (Seneca, Plinius maior und Tacitus).72 So wird in De anima „Seneca saepe noster“ zitiert73; Zitate und Wendungen aus Vergil zieren seine Schriften an zahlreichen Stellen, und der Dichter fungiert gelegentlich sogar explizit als Gewährsmann.74 Tacitus wird im Apologeticum zwar als „mendacioidioticam compello qualem te habent qui te solam habent, illam ipsam de compito, de triuio, de textrino totam“; Übers. BKV 7, 205. Apuleius tituliert ganz ähnlich die in Karthago lehrenden Kyniker als „rudes“, „sordidi“ und „imperiti“ (Flor. 7,7f.; 9,9 Helm); vgl. SCHÖLLGEN 1984, 146. 67 Test. anim. 5,4 (181,22–25 W.): „Certe prior anima quam littera, et prior sermo quam liber, et prior sensus quam stilus et prior homo ipse quam philosophus et poeta“; Übers. BKV 7, 212. 68 Test. anim. 1,5 (176,41f. W.): „animal rationale, sensus et scientiae capacissimum.“ 69 Nach SCHÖLLGEN 1984, 273f. sind die simplices in Tertullians montanistischen Schriften nicht mehr die Träger der lobenswerten simplicitas (vgl. praescr. 41,3; 316,18–20 Schl.), sondern Gemeindeglieder, die häretischen Einflüsterungen kritiklos verfallen (vgl. adv. Prax. 3,1; 108,1f. S.; resurr. 2,11; 5,1; 923,58f.; 926,31f. B.; Scorp. 1,5; CChr.SL 2, 1069,10f. Reifferscheid/Wissowa). Auch die Valentinianer verwendeten diesen Kampfbegriff gegen ihre „katholischen“ Gegner (adv. Val. 2,1; 80,1–4 Fr.). Doch standen die simplices divergierenden christlichen Lehrmeinungen gerade „aufgrund des theologiefeindlichen Klimas in ihrer Kirche“ hilflos gegenüber, woran Tertullian nicht unschuldig war (SCHÖLLGEN 1984, 285f.)! 70 Anim. 2,1 (783,6f. W.): „de publico sensu, quo animam deus dotare dignatus est.“ 71 Apol. 17,6 (117,27 D.); vgl. H AGENDAHL 1983, 22. 72 Vgl. S TEINER 1989, 93–130 zu Zitaten antiker Literatur; vgl. TRÄNKLE, HLL 4, 506. 73 Anim. 20,1 (811,3 W.); zit. wird Seneca, benef. 4,6; vgl. TRILLITZSCH 1971, bes. 126f. 74 Nat. II 13,20 (67,20f. B.) für das Epithet „aequus Iuppiter“; gemeint ist Aen. VI 129f.: „pauci, quos aequus amauit Iuppiter“; vgl. STEINER 1989, 115. Weitere Vergil-Zitate finden sich u.a. in nat. I 7,2 und apol. 7,8 (17,32; 99,32 = Aen. IV 174: „Fama, malum qua non aliud uelocius ullum“); nat. II 13,14f. (66,15–18 = Georg. I 125–128); nat. II 17,8 und apol. 25,8 (73,6–8;

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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rum loquacissimus“ abqualifiziert, zugleich aber als Autorität unter den Geschichtsschreibern in Anspruch genommen.75 Varros fragmentarisch überkommene 16 Bücher Antiquitates rerum divinarum werden in Ad nationes zur Strukturierung der Auseinandersetzung mit dem römischen Vielgötterglauben herangezogen.76 In De anima wird schließlich die „tota saeculi litteratura“ für eine gerade vorgeführte Argumentation als Zeugin angerufen.77 In apologetischen Werken war diese Berufung auf „weltliche“ Literatur geradezu unverzichtbar, um gebildete pagane und christliche Leser zu erreichen. Ein Vergil-Zitat eröffnet einen Zugang zu Tertullians Rezeption „heidnischer“ Gedanken: Das „Pallium“ erinnert mit einer geschichtlichen Analogie daran, dass es für die Karthager ein altgewohntes Kleidungsstück sei und damit viel neuer als die römische Toga: Ebenso habe Karthago, „voll rauhen, kriegerischen Strebens“ (studiis asperrima belli), einst selbst die „Widder“ genannte Kriegsmaschine erfunden und diese dennoch, als sie in den Punischen Kriegen gegen die Stadt eingesetzt wurde, als neue und fremdartige Erfindung bestaunt. „So sehr vermag das ferne Altertum die Verhältnisse umzukehren!“78 Man staune also heute über das, was tatsächlich das Althergebrachte und Ehrwürdige sei – genauso rekonstruiert Tertullian das Verhältnis von biblischer Botschaft und klassischem Altertum. Statt das Christentum als „Neuheit“ zu begreifen, sollten die „Heiden“ einsehen, dass in Wirklichkeit die Dichter und Philosophen in die Schule des Alten Bundes gegangen seien: „Älter als alles ist, soviel ich weiß, die Wahrheit; auch dabei kommt mir das früher bewiesene Alter der göttlichen Schrift zugute, daß man nun leicht glauben wird, sie sei für jedwede spätere Weisheit die Schatzkammer gewesen… Welchen Dichter gibt es, welchen Dialektiker, der nicht ganz und gar von dem Quell der Propheten getrunken hätte?

136,36–38 = Aen. I 20–22); apol. 25,16 (137,76 = Aen. I 279: „imperium sine fine“); spect. 9,3 (235,9f. D. = Georg. III 113). Vgl. zu Zitaten paganer Schriftsteller bei Tertullian KRAUSE 1958, 153–174 (der freilich vom Rekurs auf den „allgemeinen Bildungsschatz“ spricht), zu Vergil ausführlich FREUND 2000, 29–96, der auch deutlich macht, wie schwer im Einzelfall zu entscheiden ist, ob Tertullian einen Text tatsächlich gelesen oder ein passendes Bonmot aus einer Anthologie abgeschrieben hat (vgl. DALY 1958, 15: „It was an age of the digest“). 75 Apol. 16,3 (115,12–16 D.; Zitat Z. 13) zu Tacit. hist. V 3 (169,10–23 Wellesley). 76 Nat. II 9,3 (55,10f. B.). Tertullian greift hier auf die Bücher XIV–XVI zurück, betitelt „De deis certis – de deis incertis – de deis electis“ (die Fragmente sind gesammelt und kommentiert von CARDAUNS), und übt scharfe Kritik daran (55,10-18 B.): „Tantam uanitatem! Quid enim illis cum incertis, si certos habebant? Nisi si Attico stupore recipere uoluerunt: nam et Athenis ara est inscripta: ‚ignotis deis‘ [vgl. Apg 17,23]. Colit ergo quis quod ignorat? Tum si certos habebant, contenti esse debuerunt nec electos desiderare, in quo etiam inreligiosi deprehenduntur: si enim dei ut bulbi seliguntur, qui non seliguntur, reprobi pronuntiantur.“ Hier wird als theologische Aussage genommen, was Varro rein klassifikatorisch meinte: Über manche Götter liegen viele Informationen vor, über andere weniger, und schließlich werden ausgewählte (!) Götter eingehender thematisiert! Zum Verhältnis Tertullians zu Varro vgl. jetzt PRICE 1999, 124–126. 77 Anim. 46,10 (852,57f. W.). 78 Pall. 1,3 (734,35.41 G. = Aen. III 415): „Tantum aeui longinqua ualet mutare uetustas.“

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit Dorther also haben die Philosophen ihr schmachtendes Talent benetzt, so daß erst das, was sie von uns haben, uns ihnen vergleichbar macht.“79

Das Antiquitätsprinzip wird damit zum hermeneutischen Schlüssel für das Verhältnis von Christentum und paganem Altertum. Die Anrede an die „uetustate nobiles“ indiziert, dass das Prinzip der „Autorität durch Antiquität“ von seinen intendierten Lesern geteilt wurde.80 Darauf basiert auch seine Kritik an dem Anspruch der römischen Geschichtsschreibung, die kriegerischen Umwälzungen der Welt vollständig und luzide dargestellt zu haben: „In der Regel geht bei euch der Griffel nicht weiter hinauf. Frühestens mit den Assyriern öffnet sich die Pforte der Weltgeschichte. Wir aber, die wir die heiligen Schriften fleißig lesen, besitzen Kenntnis der Weltgeschichte von Anbeginn der Welt selber an.“81

Die pagane Literatur muss demnach am Leitfaden der Heiligen Schriften kritisch geprüft werden. Wo sich aber die heidnische Weisheit in Übereinstimmung mit Gottes Offenbarung zeigt, da darf sie auch von Christen rezipiert und ausgewertet werden, seien diese doch keineswegs weltabgewandt: „Wir sind ja doch nicht Brahmanen oder indische Gymnosophen, nicht Waldbewohner oder lebensflüchtig. Wir denken daran, daß wir Gott, unserm Herrn und Schöpfer, Dank schulden; den Gebrauch keiner seiner Gaben lehnen wir ab, üben allerdings Mäßigung, um uns ihrer nicht über Gebühr oder in verkehrter Weise zu bedienen.“82

Wenn Tertullian die Teilnahme der Christen am öffentlichen Leben rechtfertigt, gilt das auch für die Rezeption der paganen Bildung. Die Christen dürfen Bildungsgüter in Anspruch nehmen, wie das bereits Christus selbst getan hat: „Es gibt, so höre ich sagen, viele Dinge, die von den vermeintlichen Göttern der heidnischen Welt auf die Bahn gebracht worden sind und die doch heutzutage noch in unserem Gebrauch, sowie auch im Gebrauch der früheren Gläubigen, in der heiligen Geschichte und bei Christus selbst angetroffen werden, indem letzterer nämlich nicht anders die Rolle des Menschen spielte als unter Einsatz der gewöhnlichen Hilfsmittel seines menschlichen Auftretens. Gut, möge es immerhin so sein, und ich will nicht weiter noch

79 Apol. 47,1f. (163,1–3.5–8 D.): „Adhuc enim [antiquior omnibus ueritas, nisi fallor, et hoc] mihi proficit antiquitas praestructa diuinae litteraturae, quo facile credatur, thesaurum eam fuisse posteriori cuique sapientiae… Quis poetarum, quis sophistarum, qui non de prophetarum fonte potauerit? Inde igitur et philosophi sitim ingenii sui rigauerunt, ut quae de nostris habent, ea nos comparent illis“ (Übers. BECKER 207). Zum Altersbeweis vgl. KINZIG 1994, 243–251, wonach Tertullian in anderen Kontexten auch die Neuheit des Christentums hervorheben konnte (apol. 37,4; 148,20f. D.: „Hesterni sumus, et orbem iam et uestra omnia impleuimus…“); vgl. FREDOUILLE 1972, 239f. 80 Pall. 1,1 (733,2f.); apol. 19,1 (119,1–3): „Primam igitur instrumentis istis [sc. sacris scripturis] auctoritatem summa antiquitas uindicat. Apud uos quoque religionis est instar, fidem de tempore adserere.“ 81 Pall. 2,5 (736,57–737,60 G.): „Ferme apud uos ultra [sc. Ninum] stilus non solet: ab Assyriis, si forte, aeui historiae patescunt. Qui uero diuinas lectitamus, ab ipsius mundi natalibus compotes sumus“; zu Ninos, dem sagenhaften Gründer Ninives, vgl. PRE XVII/1 (1936), 634f. 82 Apol. 42,1f. (157,4–8 D.): „Neque enim Brachmanae aut Indorum gymnosophistae sumus, siluicolae et exsules uitae. Meminimus gratiam nos debere Deo domino creatori: nullum fructum operum eius repudiamus, plane temperamus, ne ultra modum aut perperam utamur“; Übers. BECKER, 195.

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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angelegentlicher die Art und Weise ihres Ursprungs untersuchen. Merkur hat zuerst den Gebrauch der Buchstaben mitgeteilt, und ich muß gestehen, sie sind für den menschlichen Verkehr und unsere Beziehungen zu Gott notwendig. Und wenn er es ebenfalls war, der die Saiten durch Anschlagen zum Klingen brachte, so kann ich – wenn ich David zuhöre – nicht weiter leugnen, daß auch diese Erfindung den Heiligen zu statten gekommen sei und Gott gedient habe.“83

Hier klingt dieselbe necessitas an, die bereits zur Rechtfertigung des Schulbesuchs der christlichen Kinder diente (s.o. S. 67) – mit der gleichen Prämisse, nämlich dass bereits die Schüler zwischen dem einen christlichen Gott und den heidnischen Göttern zu unterscheiden vermögen. Gerade weil eine radikale Abgrenzung im Alltagsleben tatsächlich kaum praktikabel oder erstrebenswert erscheint, wird die Fundamentaldifferenz umso deutlicher markiert: „O daß wir doch nicht einmal in der Welt überhaupt mit den Heiden zusammen zu sein brauchten! Daher wollen wir uns wenigstens in den Dingen dieser Welt von ihnen absondern, weil die Welt wohl Gott gehört, die Dinge dieser Welt aber dem Teufel.“84

Tertullian fordert Literaturkenntnis besonders für den Fall, dass die „Heiden“ nicht anders als mit ihren eigenen Waffen zu schlagen sind85: So ist der Ursprung der Schauspiele im Götzendienst, was sie für Christen unannehmbar macht, „nirgendwo andersher als aus den Hilfsmitteln der heidnischen Literatur“ zu ergründen, womit Tertullian sich in De spectaculis für die Benutzung von Sueton und Varro rechtfertigt.86 Ebenso beklagt er in De idololatria, dass die Existenz römischer Türgottheiten mit ihren idolatrischen Implikationen „aus Unkenntnis der heidnischen Literatur“ den Christen verborgen geblieben sei, weshalb sie sich nicht dagegen hätten wappnen können.87 Zumindest 83 Coron. 8,1f. (1050,2–1051,12 Kr.): „Iam enim audio dici et alia multa, ab eis prolata, quos saeculum deos credidit, tamen et in nostris hodie usibus et in pristinorum sanctorum et in dei rebus et in ipso Christi deprehendi, non alias scilicet hominem functo quam per communia ista instrumenta exhibitionis humanae. Plane ita sit nec antiquius adhuc in origines disceptabo. Primus litteras Mercurius enarrauerit: necessarias confitebor et commerciis rerum et nostris erga deum studiis. Sed et si neruos idem in sonum strinxit, non negabo et hoc ingenium eius sanctis fecisse et deo ministrasse, audiens Dauid“; Übers. ESSER , BKV 24, 246 (verändert); vgl. GNILKA 1984, 48. 84 Spect. 15,8 (241,27–29 D.): „Vtinam ne in saeculo quidem simul cum illis moraremur. Sed tamen in saecularibus separamur, quia saeculum Dei est, saecularia autem diaboli.“ 85 Vgl. coron. 7,3 (1048,15–17 Kr.): „Litterae ad hoc saeculares necessariae. De suis enim instrumentis saecularia probari necesse est“; vgl. ELLSPERMANN 1949, 34. 86 Spect. 5,1 (231,1–3 D.): „De originibus quidem ut secretioribus et ignotis penes plures nostrorum artius nec aliunde inuestigandum fuit quam de instrumentis ethnicalium litterarium“; Übers. KELLNER, BKV 7, 108. Vgl. in spect. 5,3 (232,11–14 D.) die etymologische Herleitung von ludus aus ludo nach Varro sowie in 5,8 (232,39–233,1 D.) den Verweis auf Sueton als Gewährsmann der genuinen Idolatrie der Schauspiele. 87 Idol. 15,5 (52,20–25 W./v.W.): „Certi enim esse debemus, si quos latet per ignorantiam litteraturae saecularis, etiam ostiorum deos apud Romanos, Carnam a cardinibus appellatam et Forculum a foribus et Limentinum a limine et ipsum Ianum a ianua; et utique scimus, licet nomina inania atque conficta sint, cum tamen in superstitione deducuntur, rapere ad se daemonia et omnem spiritum immundum per

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

die Multiplikatoren in den christlichen Gemeinden sollen regelrecht „in die Geschichte und die Schriftwerke der Welt pilgern“88 – d.h. zur paganen Literatur ein mehr als oberflächliches Verhältnis pflegen. Das bedeutet freilich nicht, dass diese Lektüre für alle Christen nötig sei. Tertullian versucht im Gegenteil in De spectaculis seine Mitchristen davon zu überzeugen, dass es keinen Grund gebe, heidnische Schauspiele zu besuchen: „Sollte dich die Bühne aber etwa der Bildung wegen anziehen – wir haben genug Literatur, genug Poesien, genug Sinnsprüche, auch genug Gesänge und Lieder, aber keine Fabeln, sondern Wahrheiten, keine kunstvollen Reime, sondern einfältige Worte.“89

Mit gezielter Ironie bringt Tertullian die kategoriale Differenz zum Ausdruck, die seine Haltung zur paganen Literatur insgesamt prägt: Die Christen dürfen nicht einem „weltlichen“ literarischen Ideal folgen, sondern müssen sich an die kirchliche Lehre halten.90 Gemildert wird diese Restriktion durch die Möglichkeit eines usus iustus der paganen Literatur, speziell zur Abwehr von Häresien.91 Dies gilt aber nur unter dem Vorbehalt, dass zwischen Kirche und Welt ein prinzipieller Gegensatz besteht, der durch Schule und Bildung nicht zu überwinden ist – diese sind daher weniger Lösung denn Teil des Problems. Diese Grundspannung im Verhältnis zur römischen Antike liegt durchweg „seiner scharfen und ständigen Polemik gegen diese als Bedingung ihrer Möglichkeit die enge geistige Verwurzelung in eben dieser Antike zugrunde; erst die Einbindung in der altrömischen Kultur ermöglicht eine Distanz und kritisch-systematische Neubestimmung, die als dialektisches Spannungsgefüge zu sehen ist und damit nicht in eine Dichotomie heidnisch-römische Antike versus christliche Religion aufgelöst werden kann.“92 Man wird freilich nicht consecrationis obligamentum“; Übers. KELLNER, BKV 7, 161. Vgl. als Parallele Aug. civ. IV 8 (CChr.SL 47, 105,44–47 Dombart/Kalb). 88 Apol. 19,7 (121,80 D.): „peregrinandum est in historias et litteras orbis“; Üb. BECKER , 125. 89 Spect. 29,4 (251,17–20 D.): „Si scaenicae doctrinae delectant, satis nobis litterarum est, satis uersuum, satis sententiarum, satis etiam canticorum, satis uocum, nec fabulae, sed ueritates, nec strophae, sed simplicitates“; Übers. BKV 7, 134; vgl. ELLSPERMANN 1949, 38; FREDOUILLE 1972, 420f.; KENNEDY 1989, 337; zu den spectacula VÖSSING 1997, 479–493; zu einer ähnlichen Argumentation der syrischen Didascalia s.u. S. 316f. 90 Dies impliziert nicht, dass die Christen „über den Text der Bibel nachdenken“ sollen, (so SCHWARZKOPF 2002, 347). Denn daraus entstehen nach Tertullian gerade die Häresien! 91 Adv. Val. 5,1 (88,7–12 Fr.): Schon zu Lebzeiten der „Häresiarchen“ seien mutige und gelehrte Christen aufgetreten, „ut Iustinus, philosophus et martyr, ut Miltiades, ecclesiarum sophista, ut Irenaeus, omnium doctrinarum coriosissimus explorator, ut Proculus noster, uirginis senectae et Christianae eloquentiae dignitas, quos in omne opere fidei… optauerim adsequi“; vgl. GNILKA 1984, 45–50. 92 K OURI 1982, 111; ähnlich ELLSPERMANN 1949, 23: „Though… Tertullian is not of the party of the reconciliation, he will show that in practice complete separation was next to an impossibility and that there was something of the good in pagan culture which a Christian, if he wished to be cultured, was practically obliged to use.“ Tertullian „als einen christlich gewordenen Sohn der antiken Paideia“ zu betrachten (STEINER 1989, 271) oder zu konstatieren: „Tertullian was deeply concerned to integrate Christianity and classical culture“ (SI-

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von der faktisch alternativlosen Verbindung von römischer Kultur und christlichem Leben darauf schließen dürfen, dass Tertullian wirklich eine Synthese intendierte – mit der Kohärenzthese Fredouilles lässt sich die vielfach ausgesprochene Antithese nicht zureichend erfassen.93 Die komplexe Gemengelage von antiker Verwurzelung und christlich motivierter Weltdistanz, das „Paradoxon von militanter Bekämpfung und intensiver Vereinnahmung der heidnischen Weltdeutung und Bildungstradition“94 kommt bei Tertullian eher lebensgeschichtlich als gedanklich zum Austrag – eine Spannung, die auch die eingangs zitierten Theologen der Spätantike noch spürten und benannten. 1.2. Bildung als verbindendes Element: Minucius Felix Unter den christlichen Theologen des 3. Jahrhunderts erscheint der gebürtige Afrikaner Minucius Felix als rätselhafte Gestalt. Zwischen 210 und 245 verfasste er seinen Dialog Octavius, der ihm Einlass in die Schriftstellerkataloge bei Hieronymus verschaffte.95 In formaler Hinsicht entfaltete das Werk vor allem durch die Rezeption des von Cicero geprägten philosophischen Dialogs innovative Wirkung.96 Gerade der als „Cicero christianus“ gerühmte Laktanz schätzte Minucius Felix, mit der Einschränkung, der Autor des Octavius „hätte DER 1971, 128) heißt allerdings, die bleibende kategoriale Differenz zu verkennen. Zumal am Beispiel der Schule wird deutlich, dass Tertullian zu der Kultur, der er zutiefst verpflichtet war, aus konzeptionellen Gründen kein positives Verhältnis entwickeln konnte (vgl. HAGENDAHL 1983, 17). Auch die These einer „synthesis“ von christlicher und klassischer Kultur (KENNEDY 1989, 337) lässt sich nur halten, wenn man Tertullians eigene Inkonsequenzen zum System erklärt – trotz der Beobachtung, dass ein „Ausstieg“ aus der antiken Kultur und Literatur keine realistische Möglichkeit gewesen wäre. 93 Vgl. F REDOUILLE 1972, 422f.: Mit seiner „solution typiquement romaine“ sei Tertullian „le premier répresentant de cette élite africaine qui réalise la synthèse d’une culture à la fois romaine et chrétienne.“ Dagegen beschreiben LABHARDT 1950, 176 und COCHRANE 1940, 227 die Intention Tertullians (nicht unbedingt das Ergebnis seines literarischen Schaffens!) zutreffender als kritische Abgrenzung; vgl. in diesem Sinne auch ECKERT 1993, 210f. 94 F AUTH 1978, 90. 95 Vgl. Hier. vir. ill. 58,1 (160 C.-G.) sowie ep. 70,5,1 (CSEL 54, 707,6–9 H.): „Minucius Felix, causidicus Romani fori, in libro, cui titulus Octavius est, et in altero contra mathematicos – si tamen inscriptio non mentitur auctorem – quid gentilium litterarum dimisit intactum?“ Dass Minucius Felix als Anwalt in Rom tätig war, geht aus dem Dialog allerdings nicht hervor. Der zweite Traktat (CPL3 38) ist nicht erhalten. Hieronymus empfiehlt den studiosi, „si flumen eloquentiae et concinnas declamationes desiderant“, unter den Christen neben Tertullian und Cyprian auch Minucius Felix als Lektüre (in Is. praef. 8; CChr.SL 73, 315,11f. Adriaen). Die Datierung des Octavius ergibt sich aus der Benutzung von Tertullians De resurrectione mortuorum (verf. um 210) und der Rezeption in Cyprians Ad Donatum (ca. 246; s.u. S. 96). Zu Minucius Felix vgl. Bernhard KYTZLER, in: TRE 23 (1994), 1–3; Eberhard HECK, in: HLL 4 (1997), 512–519; Bettina WINDAU, in: LACL 3, 504f.; Alfons FÜRST, in: RGG4 5 (2002), 1258; zur paganen Bildung vgl. ELLSPERMANN 1949, 14–22; KRAUSE 1958, 142–152. 96 OPELT 1966, 148: „Minucius hat der ciceronischen Theologie Eingang in die christliche Literatur verschafft“, nach HECK, aaO. 515 als „Ciceronianer der zweiten Sophistik“.

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ein fähiger Verteidiger der Wahrheit werden können, wenn er sich ganz dieser Aufgabe verschrieben“97, also mehr als diesen einen Traktat verfasst hätte. Der Octavius stützt sich „sowohl in Denkvoraussetzungen als auch in Formulierungen und literarischer Form auf das mit den heidnischen Adressaten gemeinsame Bildungsgut.“98 Gegen den „Heiden“ Caecilius, der den Christen mangelnde Bildung und unreflektiertes Fabulieren über die römischen Götter vorwirft, brennt der Christ Octavius ein rhetorisches Feuerwerk von kompendienhaftem Wissen über römische Dichter und Geschichtsschreiber sowie über die griechische Philosophie ab. Der Autor selbst, der in dem als Strandgespräch in Ostia stilisierten Dialog die Rolle des Schiedsrichters einnimmt, kann angesichts von Octavius’ Gelehrsamkeit nur staunen: „Er hatte Dinge, die leichter zu fühlen als zu formulieren sind, mit Beweisen, Beispiele und Zitaten aus der Literatur zu bekräftigen vermocht und so die Überwollenden mit ihren eigenen Waffen, den Pfeilen der Philosophie, zurückgeschlagen. Er hatte dadurch die Wahrheit nicht nur leicht faßlich, sondern geradezu anziehend darzustellen gewußt.“99

Hier wird die doppelte Intention des Traktats deutlich: Zunächst soll das Christentum als religiöses genus vivendi eigener Prägung plausibel gemacht und dann den topischen Anklagen der „Heiden“ begegnet werden.100 Die Christen sind keineswegs der Bodensatz der Gesellschaft – „das Gespräch selbst ist das beste Dementi des Vorwurfs.“101 Darüber hinaus soll der christliche Zugang zur Wahrheit über Gott und die Welt dem paganen Denken angemessen erscheinen, das diese Wahrheit nicht nur denkerisch erfassen, sondern mit dem christlichen Glauben auch existenziell akzeptieren soll. Der ciceronianischen Form des Dialogs entspricht der dem Caecilius in den Mund gelegte Agnostizismus: Für den paganen Dialogpartner folgt aus der erkenntnistheoretischen Skepsis102, „sich der Wahrheit der Lehre der Alten anzuschließen, die überlieferten Religionen zu pflegen und jene Götter zu 97 Lact. inst. V 1,22 (CSEL 19, 402,7–9 Brandt): „Huius liber, cui Octavius titulus est, declarat quam idoneus ueritatis adsertor esse potuisset, si se totum ad id studium contulisset.“ 98 Gudrun SCHICKLER , Minucius Felix, in: Metzler Lexikon christlicher Denker, hg. von Markus VINZENT, Stuttgart – Weimar 2000, 477–479, hier 478. FÜRST 1999a, 44 bestimmt den „Ort dieses Dialogs“ als einen „schulischen und literarischen“, da das Vorbild Cicero im frühen 3. Jh. n.Chr. weniger im philosophischen Tagesgespräch als in der Schullektüre präsent gewesen sei. Zum bildungssoziologischen Hintergrund vgl. ALAND 1983, bes. 16–21. 99 Oct. 39 (36,6–9 Kytzler): „quod ea, quae facilius est sentire quam dicere, et argumentis et exemplis et lectionum auctoritatibus adornasset et quod malevolos isdem illis, quibus armantur, philosophorum telis retudisset, ostendisset etiam veritatem non tantummodo facilem sed et favorabilem“; Übers. hier und im Folgenden nach der zweisprachigen Ausgabe von KYTZLER. 100 Zum Begriff genus vivendi vgl. Oct. 5,1 (3,11f.): Minucius habe „beide Lebensformen gründlich kennengelernt und dann die eine aufgegeben und die andere angenommen“ („utpote cum diligenter in utroque vivendi genere versatus repudiaris [alterum], alterum conprobaris“). 101 SCHÖLLGEN 2002b, 165. 102 Oct. 5,2 (3,18f.): „omnia in rebus humanis dubia incerta suspensa magisque omnia verisimilia quam vera“; zur Rezeption des ciceronischen Skeptizismus vgl. KRAUSE 1958, 148.

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verehren, die dich deine Eltern weniger vertraulich kennen als vor allem fürchten lehrten; statt über ihr göttliches Wesen zu urteilen, sollte man den Vorfahren Glauben schenken.“103 Diese Verbindung von Skepsis und religiösem Konservatismus ist kein innerer Widerspruch des Caecilius104, sondern spiegelt die Figur des skeptischen Akademikers in Ciceros De natura deorum.105 Nach Alfons Fürst greift Minucius Felix mit diesem Streit zwischen „Skeptikern“ und „Dogmatikern“ eine in der philosophischen Diskussion seiner Gegenwart präsente Konstellation auf: Um 200 n.Chr. stand die erkenntnistheoretische Diskussion im Zeichen des Gegensatzes zwischen der Skepsis eines Sextus Empiricus, der in der Tradition Pyrrhons von Elis den Agnostizismus vertrat, und dem Mittelplatonismus eines Albinus und Apuleius, denen zufolge Platons Lehre dogmatisch zu verstehen und durch Auslegung zu erheben sei.106 Der Octavius greift in diesen Streit um die Deutung der philosophischen Tradition ein; vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass und warum biblische Zitate als ungeeignet für die Argumentation erscheinen mussten. Unter diesen epistemologischen Prämissen liegt für Caecilius das Skandalon des Christentums primär in seinem Anspruch auf religiöse Erkenntnis: „Es muß doch jeden empören und verärgern, wenn einige Menschen – dazu noch Leute ohne Bildung, ohne Kenntnis der Wissenschaften, die nicht einmal zu den niedersten Verrichtungen zu gebrauchen sind – es sich herausnehmen, etwas Sicheres über die Natur des erhabenen Weltenbaus ausagen zu wollen; über eine Frage, die das Denken so vieler Schulen zu allen Zeiten bis zum heutigen Tag beschäftigt hat.“107

103 Oct. 6,1 (4,31–35): „quanto venerabilius ac verius antistites veritatis maiorum excipere disciplinam, religiones traditas colere, deos, quos a parentibus ante inbutus es timere quam nosse familiarius, adorare, nec de numinibus ferre sententiam, sed prioribus credere.“. 104 So zu Recht F ÜRST 1999a, 44 Anm. 4: „Mangels epistemologischer Kriterien, um über Wahr und Falsch entscheiden zu können, können Skeptiker nur entweder religiös indifferent und ethisch Libertinisten sein, was sie in der Antike faktisch nie wurden, oder ‚dem Üblichen‘, der Gewohnheit, der Tradition folgen, was alle getan haben. Traditionalismus und Konservatismus sind das konsequente Ethos des Skeptikers.“ 105 Vgl. A LAND 1983, 22f. Dem akademischen Skeptiker Cotta stehen dabei der Epikuräer Velleius und der Stoiker Balbus gegenüber; des letzteren Redepassagen sind viele Argumente des Octavius entnommen. Skeptisch zur Benutzung Ciceros votiert KRAUSE 1958, 151, verweist freilich nur auf das allgemeine „Lehrgut des höheren Unterrichts“, für den philosophische Schriften dieses Kalibers keine Rolle spielten. PRICE 1999, 118 nennt Quint. XII 2,21 (II 712 R.) als Beleg dafür, dass philosophische Fragen, wie sie im Octavius behandelt werden, durchaus zu den Themen der Übungsdeklamationen in der Rhetorenschule zählten. Aufgrund formaler und inhaltlicher Differenzen zu De natura deorum will PRICE (119f.) das Vorbild eher in dem von Aulus Gellius geschilderten Dialog zwischen einem Peripatetiker und einem Stoiker sehen, der ebenfalls in Ostia angesiedelt ist und in dem Favorinus als Schiedsrichter auftritt (Gell. XVIII 1,1f.15; II 537,6–10; 539,1–3 Marshall). 106 Vgl. F ÜRST 1999a, 45. 107 Oct. 5,4 (3,22–26): „itaque indignandum omnibus indolescendum est audere quosdam, et hoc studiorum rudes, litterarum profanos, expertes artium etiam sordidarum, certum aliquid de summa rerum ac maiestate decernere, de qua tot omnibus saeculis sectarum plurimarum usque adhuc ipsa philosophia

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Hier fallen Stichworte, die die Abneigung des gebildeten „Heiden“ gegen die Christen erklären: Ihnen fehlten die studia, sie seien „vor den Toren der Literatur“ geblieben (litterarum profanos) und kennten sich mit den artes nicht einmal in deren „schmutziger“ Gestalt aus. Dass solche Menschen, die nicht einmal auf niedrigem Niveau am Ideal des litteratus partizipieren, überhaupt in einen Disput über die Welt und ihre Götter eintreten wollen, scheint der Anstoß für die gebildeten Kreise gewesen zu sein, an die sich die Apologie richtete: Kreise, in denen solche Anklagen gegen die Christen als Topos präsent waren108, die aber durch Aufsehen erregende Konversionen von Personen gleichen Ranges Interesse an deren Beweggründen entwickelt hatten.109 Ungeachtet der irritierenden Abstinenz der Christen von öffentlichen Schauspielen und Prozessionen110 zeigt der Octavius bereits durch seine ausgefeilte literarische Form, dass die Christen keinesfalls das sind, was Caecilius in ihnen sieht: „Leute ohne Gelehrsamkeit und Bildung, ohne Erziehung und Lebensart, die nichts von politischen Dingen verstehen, um wieviel weniger maiestate decernere, de qua tot omnibus saeculis sectarum plurimarum usque adhuc ipsa philosophia deliberat.“ 108 B AMMEL 1993, 302f. hat wahrscheinlich gemacht, dass Caecilius’ Polemik gegen die Christen, „die aus der untersten Hefe des Volkes die Unwissenden und leichtgläubigen Weiber sammeln, die wegen der Beeinflußbarkeit ihres Geschlechts ohnedies auf alles hereinfallen, und die eine gemeine Verschwörerbande bilden“ (Oct. 8,4 [6,32f.]: „qui de ultima faece collectis inperitioribus et mulieribus credulis sextus sui facilitate labentibus plebem profanae coniurationis instituunt“), aus einer nicht erhaltenen Rede des nordafrikanischen Rhetors Fronto († nach 166) stammt, auf die in 9,6 (8,1f.) angespielt wird: „id etiam Cirtensis nostri testatur oratio“. Octavius antwortet in 31,2, „dein Fronto“ habe darüber „kein verbürgtes Zeugnis ablegen können, er wußte nur, wie ein echter Rhetor, Schmähungen vorzubringen“ (29,27f.: „tuus Fronto non ut adfirmator testimonium fecit, sed convicium ut orator adspersit“); vgl. KRAUSE 1958, 17f. und allgemein Klaus SALLMANN, M. Cornelius Fronto, in: HLL 4 (1997), 281–292, bes. 285. 109 B AMMEL 1993, 300f. 110 Oct. 12,5f. (10,12–16). Die Frage nach dem Besuch der spectacula gilt auf paganer Seite als Prüfstein für den sozialen Integrationswillen der Christen, während heftige christliche Kritik an den scaenicae geübt wird (Oct. 37,12; 36,1–5). Bei Novatian wird hier explizit Bildungsterminologie eingesetzt (spect. 5,2; CChr.SL 4, 172,10–173,12 Diercks): „Eruditur artifex bellua, quae clementior fortasse fuerit, si non illam magister crudelior saeuire docuisset.“ Die Spiele gelten als magisterium (spect. 6,2; 174,10–12 D.: „Concurritur in illud pudoris populi lupanarium, ad obscenitatis magisterium, ne quid secreto mius agatur quam quod in publico discitur“), womit auch Cyprian übereinstimmt (ad Donat. 8; CChr.SL 3A, 7,150–152 Simonetti): „Tum delectat in mimis turpitudinum magisterio uel quid domi gesserit recognoscere uel quid gerere possit audire.“ Wenn Christen partout auf dem Besuch der spectacula bestünden und darauf verwiesen, dass die Schrift dies nicht ausdrücklich verbiete (Novat. spect. 2,3; 168,9–169,11.15f. D.), dann zeige dies nur, dass man sie am besten gar nicht erst Lesen lernen lasse (spect. 2,4; 169,17f. D.): „Hoc in loco non immerito dixerim longe melius fuisse istis nullas litteras nosse quam sic litteras legere.“ Denn letztlich werde durch solchen Bildungsdünkel dem Heiligen Geist als dem einzigen wahren Lehrer widerstanden, so Novat. trin. 29,17 (CChr.SL 4, 71,81–83 Diercks): „Erudiuntur enim in illo et per ipsum corpora nostra ad immortalitatem proficere, dum ad decreta ipsius discunt se moderanter temperare.“ Zu Novatian s. auch unten S. 94f.

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göttliche Dinge erörtern können.“111 Der Vorwurf der sozialen Niedrigkeit erklärt sich dann also als Kritik an mangelnder Bildung, wobei der Skandal darin besteht, dass sich die Christen nicht davon abhalten lassen, sich anmaßend zu komplexen Sachverhalten zu äußern, und sich gar als Philosophenschule inszenieren.112 Barbara Aland sieht die Einzigartigkeit des Octavius darin, dass Minucius Felix besser als andere christliche Apologeten die Denkmöglichkeiten seiner Adressaten wahrnahm und mit „erstaunlicher Elastizität“ deren Vorurteilen begegnete.113 Dass der „Heide“ in dem kurzen Intermezzo den Octavius als „bei den Mühlknechten vorneweg und bei den Philosophen hintenan“ diffamiert114, wirkt somit eher als Karikatur des Sprechers, weniger des Angegriffenen, der demonstrativ seine noble Haltung bewahrt. Das Eingreifen des Schiedsrichters nach Caecilius’ Anklagerede lässt den Gegensatz der beiden Positionen deutlich hervortreten: Das Urteil werde „nicht nach dem Schwall bestechender Worte, sondern nach dem Gewicht der Dinge selbst“ ergehen.115 Genau den Versuch, die soliditas rerum hinlänglich präzise zu bestimmen, hatte Caecilius gerade als unmöglich bezeichnet! Für Minucius ist dies bereits auf der formalen Ebene unerlässlich, weil er aus der Art der Disputation den Eindruck gewonnen hat, dass „durch die Geschicklichkeit der Streitenden und durch ihre rednerischen Fähigkeiten selbst ganz evidente Tatsachen in anderem Licht erscheinen“116. Dies verwirre die nicht mit den Gepflogenheiten der Rhetorik Vertrauten, die auf redegewandte Betrüger hereinfielen und dann auch Rechtschaffenen nicht mehr trauten: „Seien wir also auf der Hut! Auf beiden Seiten wird der Streit mit aller Kraft geführt. Die Wahrheit aber ist oft nur ganz verborgen auf der einen Seite zu finden, während auf der anderen eine so außerordentliche formale Gewandtheit herrscht, daß sie nicht selten mit dem Schwall ihrer Worte geradezu die Überzeugungskraft zuverlässiger Beweise gewinnt. Wir wollen darum Punkt für Punkt mit der größtmöglichen Sorgfalt prüfen, damit es uns gelingt, die Feinheiten der Darstellung als solche zu würdigen, vor allem aber die richtigen Gedanken herauszufinden, anzuerkennen und uns zu eigen zu machen.“117

111 Oct. 12,7 (10,20–23): „Proinde, si quid sapientiae vobis aut verecundiae est, desinite caeli plagas et mundi fata et secreta rimari; satis est pro pedibus aspicere, maxime indoctis inpolitis rudibus agrestibus; quibus non est datum intellegere civilia, multo magis denegatum est disserere divina.“ 112 Vgl. SCHÖLLGEN 2002b, 167: „Das Christentum ist eine Philosophie, wenn auch eine defizitäre!“ 113 A LAND 1983, 21. 114 Oct. 14,1 (11,13f.): „ut pistorum praecipuus, ita postremus philosophorum“. 115 Oct. 15,2 (12,9f.): „non eloquentiae tumore, sed rerum ipsarum soliditate“; vgl. 14,2 (11,17): „cum non laudi, sed veritati disceptatio vestra nitatur“; dazu ELLSPERMANN 1949, 20. 116 Oct. 14,3 (11,20f.): „tamen altius moveor, non de praesenti actione, sed de toto genere disputandi, quod plerumque pro disserentium viribus et eloquentiae potestate etiam perspicuae veritatis condicio mutetur.“ Zur Zwischenrede (14,3–7) vgl. bes. VAN DER NAT 1977, 201–212; BUCHHEIT 1993. 117 Oct. 14,7 (11,33–12,4): „nos proinde solliciti, quod utrimque omni negotio disseratur et ex altera parte plerumque obscura sit veritas, ex altero latere mira subtilitas, quae nonnumquam ubertate dicendi

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Bereits zuvor wurde vor dem unvorsichtigen Einsatz der Rhetorik gewarnt, der arglose Menschen (simpliciores) zum „Widerwillen gegen alle Erörterungen“ (odium sermonem omnium) und darüber hinaus „zu Verwünschungen und Widerwillen gegenüber ihren Mitmenschen“ (exsecratio et odium hominum) führe.118 Aufgrund der Beeinflussbarkeit der Zuhörer sei das gesprochene Wort sorgfältig auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu untersuchen. Der rhetorisch gefällige Agnostizismus des Caecilius muss sich daher an der materialen Argumentation ausweisen, die zu entfalten Octavius bereitsteht. Dieser rechtfertigt die gelehrte Rede des vermeintlichen „Mühlknechtes“: „So darf es denn auch keine Entrüstung und keinen Schmerz geben, wenn ein gewöhnlicher Mensch nach dem Überirdischen fragt, es beurteilt und auch ausspricht; kommt es doch nicht auf das Ansehen des Disputierenden an, sondern auf die Wahrheit der Aussage. Und außerdem: je einfacher die Rede ist, desto einleuchtender tritt ihr Sinn hervor. Denn ungeschminkt und ohne den Prunk prächtiger Phrasen wird er durch das Richtmaß der Wahrheit in seinem Wesen erhalten.“119

Pieter van der Nat unterscheidet zwischen der Zwischenrede des Minucius (14,4–6) und der Rede des Octavius (16,6) dahingehend, dass jene das eigene Urteil des Autors, letztere die traditionell ablehnende Haltung der Christen zur Rhetorik beinhalte: „Hier ist zum ersten Male von seiten eines christlichen lateinischen Autors zwischen Form und Inhalt unterschieden, hiermit ist ein differenziertes Urteil über die eloquentia gefällt, das in der christlichen lateinischen Literatur gänzlich neu ist.“120 „Spitzfindigkeiten“ können aber nur goutiert werden, wenn sie sich an der Wahrheit orientieren – genau das lässt Caecilius unberücksichtigt, wenn er am Schluss seiner Rede bemerkt: „Man muß zweifelhafte Dinge lassen, wie sie sind.“121 Die Anerkennung der eloquenfidem confessae probationis imitetur, diligenter quantum potest singula ponderemus, ut argutias quidem laudare, ea vero, quae recta sunt, eligere probare suscipere possimus.“ 118 Oct. 14,6 (11,28–30): „igitur nobis providendum est, ne odio identidem sermonum omnium laboremus ita, ut in exsecrationem et odium hominum plerique simpliciores efferantur.“ Im Phaidon (89d3f.) warnt Sokrates vor µισολογία und µισανθρωπία, die aus Enttäuschung über vordergründig glaubwürdige, tatsächlich jedoch unzuverlässige Redner entstünden, so dass man, „weil man immer wieder Pech hatte, schließlich alle [haßt] und glaubt, daß an niemandem überhaupt noch etwas Gesundes ist“ (89e1–3: τελευτῶν δὴ θαµὰ προσκρούων µισεῖ τε πάντας καὶ ἡγεῖται

οὐδενὸς οὐδὲν ὑγιὲς εἶναι τὸ παράπαν; übers. v. Barbara ZEHNPFENNIG, Hamburg 1991, 95). Nach BUCHHEIT 1993, 120 steht auch Plat. symp. 198c-199b Pate für diese Argumentation. 119 Oct. 16,6 (13,11–15): „nihil itaque indignandum vel dolendum, si quicumque de divinis quaerat sentiat proferat, cum non disputantis auctoritas, sed disputationis ipsius veritas requiratur, atque etiam, quo inperitior sermo, hoc inlustrior ratio est, quoniam non fucatur pompa facundiae et gratiae, sed, ut est, recti regula sustinetur.“ 120 V AN DER N AT 1977, 210; vgl. R ÖTZER 1981, 40; zu undifferenziert KRAUSE 1958, 89. 121 Oct. 13,5 (11,7): „quae sunt dubia, ut sunt, relinquenda sunt“. Bei Cic. nat. deor. I 22,60 liegt nach FÜRST 1999a, 47 die Pointe darin, dass so viele Wahrheiten vorstellbar seien, dass keine Entscheidung möglich sei. Caecilius sei kein karneadisch-ciceronischer, sondern ein pyrrhonischer Skeptiker, der „jeden Bezug zur Wahrheit, affirmativ wie negativ, ausblendet“.

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tia ist möglich, hängt aber an ihrer inhaltlichen Bestimmtheit.122 Dass Octavius seine Kritik an der Rhetorik in ebenso kunstgerecht gestalteter Rede vorbringt, erlaubt nicht den Schluss, dass Minucius Felix diese Kritik „offenbar als ein unvermeidliches apologetisches Motiv aufgenommen“ habe123: Ein solcher Widerspruch innerhalb weniger Zeilen wäre schriftstellerisch unbefriedigend und ließe außer Acht, dass (anders als im Vorbild, Ciceros De natura deorum) nicht der Skeptiker den Sieg davonträgt, sondern der Dogmatiker. Wenn Octavius die Übereinstimmung der christlichen Gotteslehre mit der philosophischen Tradition kommentiert: „Ja, man könnte meinen, die Christen wären die Philosophen von heute – oder die Philosophen wären schon damals Christen gewesen“124, dann geht es um eine inhaltliche Frage, die in rhetorischer Form traktiert wird. Diese Form ist nicht notwendig, um die Wahrheit der christlichen Antwort akzeptieren zu können, sie erscheint aber als möglicher Ausdruck des christlichen Glaubens und – angesichts der Lektürevoraussetzungen, die der Leser des Octavius mitbringen muss – als völlig legitim und auch sinnvoll zum Erreichen der gebildeten Christen, zu denen der Autor gehört und für die er offensichtlich schreibt.125 Für Octavius stellt die Form freilich ein Problem dar, weil sie durch die Dichterlektüre im Grammatik- und Rhetorikunterricht erlernt wird und daher aus christlicher Sicht nicht als rein technisches Ausdrucksmittel zu werten ist: „Diese abwegigen Ammenmärchen lernen wir von unseren unerfahrenen Eltern, und, was noch schwerer wiegt, wir erarbeiten sie uns selbst in unseren Studien und im Unterricht, hauptsächlich aus den Werken der Dichter. Gerade sie haben durch ihr Ansehen der Wahrheit den schlimmsten Schaden zugefügt.“126

122 B UCHHEIT 1993, 120 sieht dagegen in argutias laudare keinen positiven Akzent: Minucius Felix kritisiere das „sophistische Wortgetöse ohne Wahrheitsgehalt“ und stehe mit der Kritik an den σοφίσµατα in einer Traditionskette, die von Philon über Clemens von Alexandrien, Gregor Thaumaturgus, Methodius von Olympus bis zu Augustin reiche: Die Redekunst werde nicht strikt verworfen wie bei Cyprian, aber auch nicht legitimiert (125. 127). 123 V AN DER N AT 1977, 203. 124 Oct. 20,1 (18,7–9): „ut quivis arbitretur aut nunc Christianos philosophos esse aut philosophos fuisse iam tunc Christianos“; dazu ELLSPERMANN 1949, 16. Vgl. 19,15 (18,3–5): „Eadem fere et ista, quae nostra sunt; nam et deum novimus et parentem omnium dicimus et numquam publice nisi interrogati praedicamus.“ Hier (und in Cic. nat. deor. I 12,30) wird auf den Timaios als „theologischer locus classicus des Mittelplatonismus“ rekurriert (28c3–5): Τὸν µὲν οὖν ποιητὴν καὶ πατέρα

τοῦδε τοῦ παντὸς εὑρεῖν τε ἔργον καὶ εὑρόντα εἰς πάντας ἀδύνατον λέγειν, womit Minucius sich im zeitgenössischen Platonismus verortet; vgl. FÜRST 1999a, 46 mit Verweis auf Apul. Socr. 124 (9,9–10,2 Thomas), auf Kritik bei Tert. apol. 46,9 (161,43–47 D.) und Rezeption bei Clem. Al. protr. IV 68,1 (GCS Clemens II; 51,26–30 Stählin/Früchtel/Treu). 125 Vgl. dazu jetzt SCHUBERT 2006, 131f. „Heiden“ als Leser sind damit keineswegs ausgeschlossen (s.u.), vielmehr zeigt sich am Octavius paradigmatisch, dass apologetische Texte nicht auf einen „heidnischen“ oder christlichen Adressatenkreis festzulegen sind. 126 Oct. 23,1 (20,15–18): „Has fabulas et errores et ab inperitis parentibus discimus et, quod est gravius, ipsi studiis et disciplinis elaboramus, carminibus praecipue poetarum, qui plurimum quantum

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Dieser Kritik an der inhaltlichen Prägung der Schulbildung liegt der Vorwurf zu Grunde, den schon Tertullian gegen die Verwendung heidnischer Mythen eingebracht hatte, dass nämlich weder antiquitas noch ratio diesen Lehrstoff rechtfertigen würden. Daher betont Octavius im Anschluss an seine zitierte Feststellung, die Christen seien selbst Philosophen: „Wenn also die Welt von einer Vorsehung regiert wird und durch den Willen eines einzigen Gottes gelenkt wird, dann dürfen wir uns nicht von der Vergangenheit zur Übereinstimmung im Irrtum hinreißen lassen, das sich durch Geschichtchen aus dem Munde von Toren unterhalten oder vielmehr betören ließ, wo sie doch durch die Lehren ihrer eigenen Weisen widerlegt wird, für die nicht nur ihr hohes Alter, sondern auch die Logik ihrer Argumentation bürgt.“127

Die gebildeten „Heiden“ müssten doch selbst erkennen, dass „mit derartigen Geschichten, mit solchen nur zu verführerischen Lügen die Phantasie der Kinder vergiftet [wird]. Unter dem Eindruck solcher Fabeln wachsen sie in ihr bestes Alter hinein, mit diesen Vorstellungen werden die Bedauernswerten alt – während doch die Wahrheit offen daliegt, freilich nur für die, die sie suchen.“128 Dazu sind aber alle Menschen ungeachtet ihres Alters, Geschlechts oder Ranges im Stande, denn sie wurden „mit Vernunft und Bewußtsein begabt und dazu befähigt erschaffen; und sie haben die Weisheit nicht durch ein gutes Geschick errungen, sondern sie ist ihnen von Natur aus eingepflanzt.“129 Hierin unterscheiden sich die gebildeten Philosophen nicht von den „inliterati pauperes inperiti“: Auch jene waren „plebeii indocti seminudi“, bevor sie ihren berühmten Namen erwarben, aufgrund dessen sie bis heute in der Erinnerung der Menschen fortleben.130 Die Rhetorik verhindert also die Einsicht der „Heiden“ in die Adäquanz der christlichen Deutung Gottes und der Welt, die nicht mit den Göttermythen, aber mit der klassischen und gegenwärtigen Philosophie übereinstimmt. Das Verdikt des Schiedsrichters, es komme nicht auf das Auftreten, sondern auf die Aussage an, steht auch am Ende der Rede des Octavius: veritati ipsi sua auctoritate nocuerunt.“ ALAND 1983, 18 mit Anm. 45 betont die von Minucius genutzte Möglichkeit der Anknüpfung an die „Schulautoren“ und damit des Abbaus von Bildungsvorurteilen gegenüber den Christen. Deutlich wird das z.B. in 19,2 (16,8–14), wo in kunstvoller Weise Verg. Aen. I 743 und VI 724–729 sowie Georg. IV 221–223 verknüpft werden; zur dieser Zitatcollage vgl. FREUND 2000, 133–144. 127 Oct. 20,2 (18,10–13): „Quod si providentia mundus regitur et unius dei nutu gubernatur, non nos debet antiquitas inperitorum fabellis suis delectata vel capta ad errorem mutui rapere consensus, cum philosophorum suorum sententiis refellatur, quibus et rationis et vetustatis adsistit auctoritas.“ 128 Oct. 23,8 (21,2–6): „his atque huiusmodi figmentis et mendaciis dulcioribus corrumpuntur ingenia puerorum et isdem fabulis inhaerentibus adusque summum aetatis robur adolescunt et in isdem opinionibus miseri consenescunt, cum sit veritas obvia, sed requirentibus.“ 129 Oct. 16,5 (13,3–5): „omnes homines, sine dilectu aetatis sexus dignitatis, rationis et sensus capaces et habiles procreatos nec fortuna nanctos, sed natura insitos esse sapientiam“; Übers. BKV 14, 159. 130 Oct. 16,5 (13,1f.5–7).

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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„Wir tragen die Weisheit nicht in äußeren Gehaben zur Schau, sondern hegen sie im Herzen. Wir reden nicht von großen Dingen, wir leben sie. Wir dürfen uns rühmen, das erreicht zu haben, was jene [sc. Philosophen] mit größter Anstrengung suchten und doch nicht finden konnten.“131

Auf der semantischen Ebene wird hier noch einmal die Differenz zwischen philosophischer und christlicher Erkenntnis aufgerichtet, die auf der kommunikativen Ebene den Sprecher als „platonischen Dogmatiker“ identifiziert und damit zeigt, wo Christentum und Philosophie konvergieren.132 Minucius Felix unternimmt damit erstmals im lateinischen Sprachraum eine positive Verhältnisbestimmung von christlicher Theologie und hellenistischer Philosophie.133 Dabei wird die Form des ciceronianischen Dialogs aufgenommen, aber auch umgestaltet: Es geht nicht mehr um kommunikative Wahrheitsfindung, sondern um die Darlegung der „einen einzigen, unumstößlichen, allgemein anerkannten Wahrheit“.134 Dass dies nicht auf der Basis biblischer Belege135, sondern vermittels der paganen Bildungstradition geschieht, ist den Adressaten des Dialogs geschuldet: „Christengegnern darf man nicht mit christlichen Autoritäten, sondern muß ihnen auf ihrer Bildungsebene begegnen. Minucius treibt ‚Gebildetenmission‘, christliche ‚Öffentlichkeitsarbeit‘.“136 Autoren wie Laktanz (s.u. S. 423–427) fuhren in der Spätantike damit fort, das Verhältnis des Christentums zur antiken Bildung konstruktiv zu bestimmen; doch keiner erreichte dabei die intellektuelle Leichtigkeit der „minucianischen“ Synthese von differenzierter Aufnahme der philosophischen Diskussion und selbstbewusst vorgetragenem christlichem Glauben.

131 Oct. 38,6 (36,28–30): „nos non habitu sapientiam sed mente praeferimus, non eloquimur magna sed vivimus, gloriamur nos consecutos, quod illi summa intentione quaesiverunt nec invenire potuerunt.“ 132 In dieser werbenden Abzielung liegt die Differenz zu Cyprian, der die Passage in patient. 3 fast wörtlich zitiert (s.u. S. 96), um die Abgrenzung zur Philosophie zu statuieren. 133 F ÜRST 1999a, 49: „Der Skeptizismus wird dogmatisch überwunden, die philosophischen Dogmatiker werden unmittelbar christlich vereinnahmt… Unter weitgehender Ausblendung der Dissonanzen und Unvereinbarkeiten zeichnet Minucius Felix simplifizierend und fachphilosophisch unprofessionell, doch werbewirksam und für gebildete Heiden gewiß attraktiv eine gerade Linie vom Skeptizismus über den Platonismus in das Christentum.“ 134 Oct. 16,4 (12,26f.): „convincam et redarguam quamvis diversa, quae dicta sunt, una veritate confirmata probataque.“ 135 Wiewohl man Minucius’ Verzicht auf explizite Bibelzitate nicht als „kryptochristlich“ bezeichnen sollte (so VAN DER NAT 1977, 202 mit Jacques FONTAINE); zutreffender charakterisiert HECK, HLL 4, 516, Minucius’ Methode als „doppelte Lesbarkeit“. 136 H ECK , HLL 4, 517. SCHUBERT 2006 identifiziert als Adressaten neben den „Heiden“ auch gebildete Kreise in der (sehr diversifizierten) römischen Gemeinde, die nicht (nur) Mission unter „heidnischen“ Gebildeten treiben, sondern sich allererst ihrer eigenen Bildung versichern lassen wollten (141); der Octavius erscheint dabei als „ein durchaus selbstbewusster, aber gleichzeitig vorsichtiger Akt der Selbstbehauptung innerhalb der Gemeinde.“

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

1.3. Konversion als Lebenswende: Cyprian von Karthago „Cyprian war zuerst Rhetor, dann Presbyter, und schließlich wurde ihm als karthagischem Bischof die Märtyrerkrone zuteil!“137 Im Urteil der Nachwelt lebt die Lebenswende fort, die Cyprian in seiner Schrift Ad Donatum skizziert hatte: Aus einem begüterten Mitglied der Oberschicht von Karthago, das sich als Rhetoriklehrer betätigte, wurde ein Christ, dessen steile geistliche und kirchliche Karriere zum Martyrium führte, womit er – vom Ende her gesehen – den denkbar eindrücklichsten Kontrapunkt zu Werten und Lebenszielen seiner Herkunft setzte.138 Bei Hieronymus fungiert Cyprian als Sinnbild für den König von Ninive, der reumütig von seinem Thron stieg (Jon 3,6): „Er war früher ein Verteidiger des Götzendienstes, und seine Redekunst wurde so berühmt, dass er in Karthago auch Rhetorik lehrte. Er hörte schließlich das Wort des Jona, er bekehrte sich zur Buße und gelangte zu einer so großen Standhaftigkeit, dass er Christus öffentlich predigte und für ihn seinen Nacken vor dem Schwert beugte.“139

Nach der Lebenswende stand also die „weltliche“ Kunstfertigkeit im Dienst der Kirche. Hieronymus charakterisiert Cyprian als „wirksam durch die Beredsamkeit wie durch das Martyrium“140; ähnlich äußert sich auch Augustin: „Sehen wir etwa nicht, mit wieviel Gold und Silber und Kleidung bepackt Cyprian aus Ägypten entwich, der allerberedsamste Lehrer und allerseligste Märtyrer?“141 137 Hier. chron. a. 257 (GCS Eusebius VII/1, 220,9–11 Helm): „Cyprianus primum rhetor, deinde presbyter, ad extremum Carthaginiensis episcopus martyrio coronatur.“ Zu Cyprian vgl. Andreas HOFFMANN, in: LACL 3, 169–174; zum paganen Bildungshintergrund vgl. ELLSPERMANN 1949, 43–53; KRAUSE 1958, 109–115. 138 M ONTGOMERY 1988, 218f. beschreibt Cyprian dagegen als patronus der christlichen Gemeinde von Karthago, was an seiner Großzügigkeit gegenüber den Bedürftigen und der Gewährung von Schutz für sein „Klientel“ sichtbar werde, aber auch an der säkularen rhetorischen Kompetenz, mit der er sich im Raum paganer Kommunikation behauptete. 139 Hier. in Ion. 3,6–9 (FC 60, 190,1–5 Risse): „qui prius ido[lo]latriae assertor fuit et in tantam gloriam venit eloquentiae ut oratoriam quoque doceret Carthagini, audisse tandem sermonem Ionae et ad paenitentiam conversum in tantam venisse virtutem ut Christum publice praedicaret et pro illo cervicem gladio flecteret.“ Die gleiche Betonung der einschneidenden Lebenswende, hier exemplifiziert an der Aufgabe des persönlichen Besitzes, bietet vir. ill. 67,1 (170–172 C.-G.): „Cyprianus Afer primum gloriose rhetoricam docuit; exinde, suadente presbytero Caecilio, a quo et cognomentum sortitus est, christianus factus omnem substantiam suam pauperibus erogavit ac post non multum temporis allectus in presbyterium etiam episcopus Carthaginis constitutus est.“ Dass Cyprian vor seiner Bekehrung als Rhetoriklehrer (nicht als Advokat) tätig war, hat G.W. CLARKE 1965, 636–638 gezeigt. 140 Hier. ep. 70,3,1 (703,6 H.): „vir et eloquentia pollens et martyrio“; vgl. vir. ill. 67,2 (172 C.G.): „Huius ingenii superfluum est indicem texere, cum sole clariora sint opera eius.“ 141 Aug. doct. christ. II 40,61 (CChr.SL 32, 74,29–31 Martin): „Nonne aspicimus quanto auro et argento et veste suffarcinatus exierit de Aegypto Cyprianus doctor suavissimus et martyr beatissimus?“ Vgl. unten S. 479 sowie Greg. Naz. or. 24,7 (SC 284, 50,2–52,5 Bernardi): Cyprian habe „dank der Güte Gottes, der ‚alles erschafft und‘ zum Besseren ‚verändert‘ (Amos 5,8 LXX), seine Bildung herübergebracht und die Unvernunft unter die Vernunft gebeugt“ (ἐπειδή γε

µετήνεγκε Θεοῦ φιλανθρωπίᾳ τὴν παίδευσιν, τοῦ ποιοῦντος τὰ πάντα καὶ µετασκευάζοντος πρὸς

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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Cassiodor pries den Bischof als „declamator insignis doctorque mirabilis“142, und Laktanz hielt es für kaum zu entscheiden, ob Cyprian, „der sich durch die Ausübung der Redekunst großen Ruhm erworben hatte und in seinem Fach allerdings viel Bewundernswertes schrieb“, in seiner Redeweise „glanzvoller an Beredsamkeit oder treffsicherer an inhaltlicher Erläuterung oder machtvoller an Überredungskunst“ gewesen sei.143 Doch kritisierte er, dass Cyprian sich nicht bemüht habe, sein Talent zur Bekehrung der Heiden einzusetzen: „Mystisch ist, was er redet, und darauf ausgerichtet, dass es allein von Gläubigen gehört wird; daher pflegt er von den Gelehrten dieser Welt, denen seine Schriften bekannt geworden sind, verlacht zu werden. Ich habe einmal einen recht beredten Menschen gehört, der ihn durch Veränderung eines Buchstabens ‚Coprian‘ nannte, als ob sich hier ein rhetorisch Begabter und zu Besserem Berufener den Ammenmärchen widmete.“144

Wird hier bedauert, dass Cyprians literarisches Wirken nicht den apologetischen Erfordernissen seiner Zeit entsprochen habe, so ist dies für Augustin wiederum ganz angemessen. Entscheidend sei allein, dem Teufel mit echtem christlichem Bekennermut zu begegnen: „Er, der einst auch in der Schule menschlicher Verderbtheit sich selbst und andere lehrte, lügnerisch zu reden, um das, was man ihm als Argument entgegenhielt, aufgrund verschlagener Spitzfindigkeit nicht anzuerkennen, lernte später in einer anderen Schule, dem Gegner durch Bekennen auszuweichen.“145 τὸ βέλτιον, καὶ τῷ λόγῳ τὴν ἀλογίαν ὑπέκλινεν; Übers. GNILKA 1993, 94); vgl. auch Prudent. perist. 13,1–20 (CSEL 61, 423f. Bergman). 142 Cassiod. inst. I 19 (FC 39/1, 228,20 Bürsgens). 143 Lact. inst. V 1,24f. (402,12–18 Br.): „Unus igitur praecipuus et clarus extitit Cyprianus, quoniam et magnam sibi gloriam ex artis oratoriae professione quaesierat et admodum multa conscripsit in suo genere miranda. Erat enim ingenio facili copioso suavi et, quae sermonis maxima est virtus, aperto, ut discernere non queas, utrumne ornatior in eloquendo an felicior in explicando an potentior in persuadendo fuerit.“ Vgl. ELLSPERMANN 1949, 44: „In being a man of action, he did not cease to be a man of letters.“ 144 Lact. inst. V 1,26f. (402,18–403,4 Br.): „Hic tamen placere ultra verba sacramentum ignorantibus non potest, quoniam mystica sunt quae locutus est et ad id praeparata, ut a solis fidelibus audiantur: denique a doctis huius saeculi, quibus forte scripta eius innotuerunt, derideri solet. Audivi quendam hominem sane disertum, qui eum immutata una littera Coprianum vocaret, quasi quod elegans ingenium et melioribus rebus aptum ad aniles fabulas contulisset.“ Das Wortspiel mit copria (griech. κοπρίας = „Possenreißer“) begegnet schon im 3. Jh. bei Comm. apol. 607 (CSEL 15, 155,612 Dombart) als Schimpfwort für die angeblich nur betenden Christen; vgl. U THEMANN 1996, 157f. Laktanz’ Kritik an Cyprian (inst. V 4,3–7; 411,22–412,22 Br.), er habe sich gegenüber Demetrianus in falscher Einschätzung von dessen Bildungsideal auf Propheten und Apostel berufen (dazu HECK 2005, 227f.), wird bei Hieronymus pointiert aufgenommen: „quae ille ficta et commenticia esse ducebat, et non potius philosophorum ac poetarum, quorum auctoritati ut ethnicus contra ire non poterat“ (ep. 70,3,1; 703,8–11 H.). Ebenso betrachtet Laktanz Minucius Felix und Tertullian nicht als geeignete Verkündiger: Jemand, der schon die Gebildeten zum Spott reize, werde kaum bei einfachen Leuten Erfolg haben (inst. V 1,22f.28; 402,5–12; 403,4–8). 145 Aug. serm. 312,4 (PL 38, 1422): „Qui etiam in ludo peruersitatis humanae et suam et aliorum linguas docuerat loqui mendacium, ut quod ad aduersarium obiiceretur, astuta fallacia negaretur, iam in

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Die beiden unterschiedlichen Einschätzungen markieren die Spannung, in der das literarische Schaffen Cyprians zu sehen ist. Sein Biograph Pontius greift der Kritik Laktanzens vor, wenn er bemerkt, „die Heiden wären vielleicht sofort gläubig geworden, wenn sie seine Worte von der Rednertribüne herab hätten hören können.“146 In der Tat strömte angesichts des drohenden Martyriums Cyprians „eine ganze Reihe von Besuchern, Leute von hohem, angesehenem Rang und Geschlecht, aber auch Männer aus heidnischem Adel“147 in sein Gefängnis, um ihn zur Flucht zu bewegen. Der Bruch mit der „heidnischen“ Vergangenheit war in Cyprians Umfeld offenbar nicht als so radikal wahrgenommen worden, dass man ihn nicht vor dem Untergang hätte bewahren wollen! Dagegen akzentuiert die Vita Cypriani die scharfe Entgegensetzung von vorchristlichem und christlichem Leben: „Denn die Taten eines Gottesmenschen dürfen doch erst ab dem Zeitpunkte gerechnet werden, wo er Gott geboren ist. Mag er auch zuvor Studien betrieben und sich voll Hingebung der Beschäftigung mit den edlen Wissenschaften gewidmet haben, so übergehe ich dennoch all das; denn es diente ihm höchstens zu weltlichen Zwecken.“148

Dies stimmt mit der Erklärung überein, die Cyprian selbst in dem ca. 246, kurz nach seiner Taufe, verfassten Traktat Ad Donatum seinem ebenfalls erst jüngst bekehrten Freund zu seiner Lebenswende gibt.149 Dem christlichen Leben steht das saeculum als Inbegriff dessen gegenüber, was der Christ hinter sich zu lassen hat: „Nichts kann der mehr von der Welt verlangen, nichts kann der mehr von ihr erwarten, der über die Welt erhaben ist.“150 Über den Adressaten hinaus wendet sich die Schrift „an Leser, die noch nicht getauft sind, die, wie vordem Cyprian und Donat, ihr Heil in traditionellen Lebensalia schola didicerat confitendo deuitare aduersarium“; Übers. nach VÖSSING 1997, 272 m. Anm. 1019; zur Sache vgl. GNILKA 1993, 95. 146 Pont. vita Cypr. 10 (CSEL 3/3, C,11f. Hartel): „quod si illa gentiles pro rostris audire potuissent, forsitan statim crederent“; Übers. BAER, BKV 34, 19; zum Autor vgl. Peter Lebrecht SCHMIDT, in: HLL 4 (1997), 433–435; Beate SURMANN, Pontius, Diakon, in: LACL 3, 586f. 147 Pont. vita Cypr. 14 (CV,22f. H.) „plures egregii et clarissimi ordinis et sanguinis, sed et saeculi nobilitate generosi“; zu dieser Notiz vgl. WISCHMEYER 1992, 70. 148 Pont. vita Cypr. 2 (XCI,17–21 H.): „siquidem hominis Dei facta non debent aliunde numerari, nisi ex quo Deo natus est. fuerint licet studia et bonae artes deuotum pectus imbuerint, tamen illa praetereo: nondum enim ad utilitatem nisi saeculi pertinebant“; Übers. BKV 34, 9. Vgl. BERSCHIN 1986, 60 zur Abkehr von der „alten rhetorischen Empfehlung, mit Vaterland, Familie, Vorzeichen und Geburt zu beginnen… Cyprian ist mit seiner Bekehrung fertig da“ (vgl. unten S. 252f.). Zur Freiheit im Umgang mit dem Stoff vgl. Cic. inv. II 19,59 (172 A.); Quint. III 7,10–18 (I 352–354 R.); zu den loci communes vgl. Prisc. rhet. 7,20–24 (RLM I/2, 556,11–557,18 Halm). 149 Der Traktat „ist stilisiert als geistliche Unterweisung in Form eines in Szene gesetzten einseitigen Gesprächs, bei dem der Adressat als lernbegieriger Zuhörer anwesend gedacht ist“ und greift – wie bereits Minucius Felix – die Formtradition des philosophischen Dialogs auf (Antonie WLOSOK, HLL 4, 1997, 555f.). Zu cap. 2 vgl. bes. BUCHHEIT 1987. 150 Ad Donat. 14 (CChr.SL 3A, 12,288f. Simonetti): „Nihil adpetere iam, nihil desiderare de saeculo potest, qui saeculo maior est“; Übers. im Folgenden nach BAER, BKV 34, 39–55.

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formen suchen: im öffentlichen Leben, in der rhetorisch-philosophischen Bildung.“151 Die Weltenthobenheit des Christen impliziert dabei den Verzicht auf die Methoden überzeugender Rede, was aber kein Verlust ist, weil an die Stelle der Beredsamkeit der vorprädikative Erweis der göttlichen Gnade tritt: „Bei Gerichtsverhandlungen, in der Volksversammlung, auf der Rednerbühne mag sich eine glänzende Redekunst mit ihrem überschwenglichen Prunk breit machen; wenn hingegen von dem Herrn und von Gott die Sprache ist, dann stützt sich die reine Lauterkeit der Rede für die Beweise des Glaubens nicht auf die Macht der Beredsamkeit, sondern auf Tatsachen. So vernimm denn nicht beredte, sondern gehaltvolle Worte, die nicht mit allen Mitteln der Kunst aufgeputzt sind, um die Aufmerksamkeit der Menge zu erregen, sondern in ungeschminkter und schlichter Wahrheit lediglich dazu dienen, die göttliche Gnade zu preisen! Vernimm etwas, was man fühlt, bevor man es lernt, und was man nicht erst im Laufe der Zeit in mühsamer Forschung sich sammelt, sondern mit einem Male aus der Fülle der zeitigenden Gnade schöpft.“152

Die Rhetorik ist mit Prunk, Macht und Geltungsbedürfnis konnotiert, aber auch mit Lernen, Forschen und Sammeln, also mit zeitlich gestreckten intellektuellen Prozessen – der Glaube dagegen ergreift den Menschen spontan und spricht sein Gefühl an, er schöpft aus der Quelle der Gnade und bietet die Wahrheit ohne schmückende Zutaten.153 Das Wort, das in der Kirche erklingt, ist mächtig nicht durch rhetorische Kunst, sondern durch seine innere Wahrhaftigkeit („non diserta, sed fortia“). Freilich ist die ganze Passage selbst in hohem Maße rhetorisch stilisiert.154 Dass die Redeweise der Sache angemessen sein und von dieser her beurteilt werden müsse, ist nichts anderes als die klassische rhetorische Forderung des πρέπον. Und auch die grundsätzliche Absage an jedes (nicht nur an das falsche) decorum hat Vorläufer bei Cicero und Seneca.155 Dies gilt auch für das Begriffspaar veritas – simplicitas, das bei 151

BUCHHEIT 1987, 319. Ad Donat. 2 (3,20–4,32 S.): „In iudiciis, in contione, pro prostris opulenta facundia uolubili ambitione iactetur: cum de Domino, de Deo uox est, uocis pura sinceritas non eloquentiae uiribus nititur ad fidei argumenta sed rebus. Denique accipe non diserta, sed fortia, nec ad audientiae popularis inlecebram culto sermone fucata, sed ad diuinam indulgentiam praedicandam rudi ueritate simplicia: accipe quod sentitur, antequam discitur, nec per moras temporum longa agnitione colligitur, sed conpendio gratiae maturantis hauritur.“ Zur Differenz der inventio in Gerichtsrede und Predigt vgl. UTHEMANN 1996, 156. 153 Vgl. den Kommentar zu diesen Leitdifferenzen bei BUCHHEIT 1987, 330–333. 154 Vgl. H AGENDAHL 1983, 31 zu dem zitierten schlagwortartigen Gegensatz: „Das ist zeitgemäßer rhetorischer Stil, nicht die schlichte Sprache der Wahrheit.“ BUCHHEIT 1987, 320 (mit Anm. 14) ordnet die einleitenden Wendungen zu cap. 2, in denen Cyprian im voraus die geringe Wirkmächtigkeit seiner Worte beklagt, als „rhetorische Exordialtopik“ ein. 155 Vgl. B UCHHEIT 1987, 323 mit Verweis auf Seneca, ep. 16,3 (I 42,8f. Reynolds): „Non est philosophia populare artificium nec ostentationi paratum; non in verbis sed in rebus est.“ Nach Cic. de orat. I 54,231 (90,5f. Kumaniecki) habe Sokrates über eine Rede das Urteil gefällt: „illam orationem disertam sibi et oratoriam videri, fortem et virilem non videri“; ähnlich Seneca, ep. 40,3 (I 105,3–5 R.): „istam vim dicendi rapidam atque abundantem aptiorem esse circulanti quam agenti rem magnam ac seriam docentique“; etwas später wird ein gewisser Fabian gepriesen, „vir egregius et vita et scientia et, quod post ista est, eloquentia quoque“ (ep. 40,12; I 107,9f. R.). Zum impliziten 152

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Seneca häufig begegnet156 und bei Cyprian auf dem Hintergrund der Theologie Tertullians zu verstehen ist, der im Apologeticum feststellt: „Gibt es jemanden, der es wagen sollte, uns zu widerlegen: Dann muss er nicht durch verdrehende Wortkunst, sondern nach derselben Norm, nach der wir den Beweis aufgestellt haben, nämlich durch die Wahrheit, widerlegt werden.“157

Von hier aus erscheint bei Cyprian die Wahrheit nicht als Merkmal einer bestimmten Art von Redekunst, sondern als Opposition gegen jegliche Inanspruchnahme rhetorischer Stil- und Hilfsmittel – womit eine von Exponenten der klassischen Rhetorik formulierte Forderung aufgenommen und prinzipialisiert wird.158 Selbst wendete er diesen Grundsatz kritisch gegen Novatian, der im selben Jahr wie Cyprian das Martyrium erlitt. Novatian war nach dem Märtyrertod des Bischofs Felix (250) ein Wortführer in der römischen Gemeinde und (erfolgloser) Bewerber um das Bischofsamt.159 Nicht nur die moderne Philologie anerkennt sein „hohes sprachliches Niveau und seinen eleganten, variantenreichen Stil“160; Cyprian selbst bestätigte seinen Rang in Philosophie und Redekunst. Jedoch sei diese eloquentia zu nichts nütze, wenn sie nicht in brüderlicher Zuwendung und kirchlicher Einheit eingesetzt werde.161

Rekurs Cyprians auf Seneca in Ad Donatum und Ad Demetrianum vgl. TRILLITZSCH 1971, 128f.; zur Forderung des πρέπον bei Augustin s.u. S. 395. 399f. 156 B UCHHEIT 1987, 323f.; vgl. Seneca, ep. 40,4 (I 105,10–15 R.): „Adice nunc quod quae veritati operam dat oratio incomposita esse debet et simplex: haec popularis nihil habet veri. Movere vult turbam et inconsultas aures impetu rapere, tractandam se non praebet, aufertur: quomodo autem regere potest quae regi non potest?“ 157 Tert. apol. 46,1 (160,6–8 D.): „Existat qui nos reuincere audebit: non arte uerborum, sed eadem forma, qua probationem constitutimus, de ueritate debebit reniti“; Übers. nach BECKER, 203; vgl. resurr. 30,7 (960,30f. B.): „magis religiosum est ueritatem de sua auctoritate et simplicitate defendi.“ 158 Noch Alfred S TUIBER (Cyprianus I, in: RAC 3, 1957, 463–466, hier 465) konstatiert: „In Cyprian wird der stoische Weise zum Christen und Bischof.“ Treffender urteilt UTHEMANN 1996, 154: „Nach Temperament und Überzeugung ist Cyprian einer jener christlichen Stoiker, die, um es paradox zu formulieren, mit ihrer Diatribe gegen ‚die Welt‘ die christlichen Gemeinden für die spätantike Kultur öffneten und so trotz aller Beteuerung des Vorrangs der Gesinnung für das relative Recht einer Erfolgs-, besser Verantwortungsethik gewannen.“ 159 Vgl. Henneke G ÜLZOW , in: HLL 4 (1997), 519–528; R ÜPKE /G LOCK 1174–1176 Nr. 2543. Nach SEELIGER 2003, 304 entzündete sich der innergemeindliche Konflikt an Novatians Bildung, die weit über die der römischen Kleriker hinausging: Deren Brief an Cyprian (ep. 8,1,1; 2,3; CChr.SL 3B, 40,4; 41,33–35 Diercks) beweise „einen deutlichen Dünkel gegenüber den insignes personae“, weshalb „sie in der Folge den einzigen dieser Art, den sie unter sich haben, den Presbyter Novatian, nicht zum Bischof wählen.“ 160 G ÜLZOW , HLL 4, 528; vgl. ausführlich M OHRMANN 1949, 163–181. 161 Cypr. ep. 55,24,1 (285,420–424 D.): „Quisque ille est et qualiscumque est, Christianus non est qui in Christi ecclesia non est. Iactet se licet et philosophiam uel eloquentiam suam superbis uocibus praedicet, qui nec fraternam caritatem nec ecclesiasticam unitatem tenuit etiam quod prius fuerat amisit.“

1. Literarische Bildung bei lateinischen Theologen

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Novatian sei „eher ein hartherziger Vertreter der verwerflichen weltlichen Philosophie als ein friedfertiger Anhänger der milden Weisheit des Herrn.“162 In Ad Donatum wird trotz der Adressierung an einen Mitkatechumenen auf biblische Zeugnisse verzichtet – im Unterschied zu der anderen apologetischen Schrift Ad Demetrianum, „die zwar auch Mitchristen bestärken, aber in erster Linie Heiden ansprechen soll und Abwehr von Angriffen auf das Christentum mit Werbung für dieses verbindet.“163 Hier wird auf der Basis der paulinischen Fundamentalunterscheidung von Torheit und Weisheit beklagt, die Erfolgsaussichten solcher Apologien seien grundsätzlich gering: „Sicherlich ist es doch vergebliche Arbeit und ein erfolgloses Beginnen, dem Blinden Licht, dem Tauben Worte, dem Toren Weisheit zu bieten, da weder der Tor zu denken noch der Blinde Licht aufzunehmen noch der Taube zu hören vermag.“164

Diese kategoriale Differenz zieht sich durch Cyprians Werk; sie begegnet ebenso in seiner Sammlung von Schriftzeugnissen an Quirinus („Das Reich Gottes besteht weder in der Weisheit der Welt noch in Beredsamkeit, sondern im Vertrauen auf das Kreuz und in der Tugend der Umkehr“165) und in De bono patientiae, wo der Anspruch stoischer Philosophen kritisiert wird, nach rechter Geduld zu streben: „Wie könnte einer weise oder geduldig sein, der weder die Weisheit noch die Geduld Gottes kennt?“ Mit den darauf folgenden Zitaten von Jes 29,14 (= 1 Kor 1,19), Kol 2,8f. und 1 Kor 3,18–20 wird die scharfe Grenzziehung begründet: „Wenn also bei ihnen nicht die wahre Weisheit zu finden ist, so kann auch ihre Geduld nicht die wahre sein.“166 Die wahre patientia finde sich bei den wahren Philosophen, nämlich den Christen: „Wir aber, geliebteste Brüder, die wir Philosophen sind nicht in Worten, sondern in Taten, und die Weisheit nicht in der Kleidung an den Tag legen, sondern in der Wahrheit, die wir mehr das innere Bewußtsein der Tugenden kennen als die Prahlerei damit, wir, deren Größe nicht in ihren Reden beruht, sondern in ihrem Leben, wir wollen als die

162 Cypr. ep. 60,3,1 (377,65–378,70 D.): „in perniciem fratrum lingua sua perstrepens et facundiae uenenatae iacula contorquens, magis durus saecularis philosophiae prauitate quam sophiae dominicae lenitate pacificus, desertor ecclesiae, misericordiae hostis, interfector paenitentiae, doctor superbiae, ueritatis corruptor, perditor caritatis“; Übers. BAER, BKV 60, 245; vgl. ELLSPERMANN 1949, 47f.; zu Reminiszenzen an Seneca bei Novatian vgl. TRILLITZSCH 1971, 129f. 163 WLOSOK , HLL 4, 554. 164 Demetr. 1 (CChr.SL 3A, 35,18–21 Simonetti): „Certe et labor inritus et nullus effectus offerre lumen caeco, sermonem surdo, sapientiam bruto, cum nec sentire brutus possit nec caecus lumen admittere nec surdus audire“; Übers. BAER, BKV 34, 205. 165 Testim. III 69 (CChr.SL 3, 157,1f. Weber): „Non in sapientia mundi nec in eloquentia esse regnum Dei sed in fide crucis et virtute conversationis“; zitiert wird 1 Kor 1,17–24 (157,3–158,20). 166 Patient. 2 (CChr.SL 3A, 118,14–16; 119,28f. Moreschini): „Vnde enim uel sapiens esse uel patiens possit qui nec sapientiam nec patientiam Dei nouit?… Quare si sapientia illic uera non est, esse non potest et uera patientia“; Übers. BKV 34, 290f.; dazu BUCHHEIT 1987, 327f.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit Diener und Verehrer Gottes die Geduld, die wir durch himmlische Belehrung lernen, in geistlichem Gehorsam zeigen!“167

Wie schon Tertullian das Christentum zugleich als melior philosophia ansprach und scharfe Kritik an den vielen zeitgenössischen Philosophien übte, so dient auch hier die Inanspruchnahme des Philosophentitels nicht dem Brückenschlag, sondern der Abgrenzung des Christentums gegen die pagane „Weisheit“: eine entscheidende Akzentverschiebung gegenüber dem hier ungenannt zitierten Minucius Felix (s.o. S. 89). Cyprian lässt jedenfalls in seiner Selbstdarstellung die pagane Bildung ganz hinter sich168, während er tatsächlich rhetorisch geschliffene Schriften verfasste, deren literarische Qualität ebenso wie das biblische Fundament seiner Argumentation auch von seinen Bischofskollegen anerkannt wurde, wie das Protokoll der karthagischen Synode von 256 zeigt.169 Einen usus iustus als Rechtfertigung seiner Rezeption paganer Bildung kennt Cyprian – im Unterschied zu seinen Hagiographen (s.o.) – nicht; und dass er faktisch wie Tertullian die „Heiden“ mit ihren eigenen Waffen bekämpft, erfährt keine explizite Begründung.170 167 Patient. 3 (119,35–40 M.): „Nos autem, fratres dilectissimi, qui philosophi non uerbis sed factis sumus, nec uestitu sapientiam sed ueritate praeferimus, qui uirtutum conscientiam magis quam iactantiam nouimus, qui non loquimur magna sed uiuimus, quasi serui et cultores Dei patientiam quam magisteriis caelestibus discimus obsequiis spiritalibus praebeamus“; Übers. BKV 34, 291f. Im Hintergrund steht allerdings auch hier Seneca, vgl. ep. 75,4 (I 233,18–20 R.): „Haec sit propositi nostri summa: quod sentimus loquamur, quod loquimur sentiamus; concordet sermo cum vita.“ 168 Vgl. H AGENDAHL 1983, 29f.: „Die alte Kulturwelt, gegen welche Tertullian wetterte und deren Berührungspunkte mit dem Christentum Minucius Felix unterstrich, existiert anscheinend nicht mehr für den ehemaligen Lehrer der Rhetorik, nachdem er sich bekehrt hatte und binnen kurzem Bischof geworden war. Zwar entschlüpfen ihm gelegentlich, wie es nicht anders sein könnte, einige literarische Reminiszenzen (Cicero, Vergil, Seneca), aber er zitiert nie eine Stelle und nennt keinen Autor – nur die Bibel, von der Minucius schweigt, erscheint ihm erwähnenswert.“ Anspielungen auf Klassiker finden sich z.B. in ad Donat. 4 (5,70 S.): „In proprias laudes odiosa iactatio est“ (vgl. Quint. XI 1,15) und Demetr. 3 (36,64– 37,65 S.): „Haec sententia mundo data est, haec Dei lex est ut ‚omnia orta occidant et aucta senescant‘“ (vgl. Sall. Iug. 2,3). Vgl. ELLSPERMANN 1949, 52: „St. Cyprian’s case is somewhat unique in this that he so successfully avoided, in his writings, all references to pagan writers. He is not able to avoid giving evidence in his style of a classical literary and rhetorical training.“ 169 Vgl. sententiae LXXXVII episcoporum Nr. 8 (Crescens von Cirta; CChr.SL 3E, 27,119–124 Diercks): „In tanto coeto sanctissimorum consacerdotum lectis litteris Cypriani dilectissimi nostri ad Iubaianum itemque ad Stephanum, quae tantum in se sanctorum testimoniorum descendentium ex scripturis deificis continent, ut merito omnes per dei gratiam adunati consentire debeamus.“ 170 Den Unterschied zwischen Cyprian und der an ihn anknüpfenden Tradition verkennt GNILKA 1993, 93–95. Hier liegt auch eine größere Differenz zu Minucius Felix und Laktanz, als BUCHHEIT 1987, 333f. erkennen möchte: Zwar nutzt Cyprian durchaus die ihm zur Verfügung stehenden sprachlichen und formalen Mittel, will aber nicht „die Heiden in ihren vertrauten Bildern ansprechen, um ihnen so den bisherigen Weg als irrig vor Augen stellen und den Zugang zur via recta et vera vermitteln zu können“, verfolgt mit seiner „prose convertie“ (Jacques FONTAINE) also kein protreptisches Ziel wie Clemens von Alexandrien.

2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung

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2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung 2.1. Christlich-hellenistische „Schulen“ in Rom Während das Christentum in Afrika von Anfang an ein spezifisch lateinisches Gepräge trug, blieb in Rom noch bis zum 3. Jahrhundert das Griechische als Umgangssprache vorherrschend. Erst mit Novatian entstand in Rom – allenfalls mit der Ausnahme des Minucius Felix (eines Afrikaners!) – eine originäre christliche Literatur. Frühere Übersetzungen griechischer Schriften (1. Clemensbrief, Hirt des Hermas) hat Christine Mohrmann als Beleg für das Lateinische als „langue courante“ der römischen Gemeinde ansehen wollen, was freilich nach Schöllgen „nicht mehr als eine interessante Vermutung [darstellt], für die ein schlagender Beweis bisher noch nicht erbracht wurde und wohl auch nicht zu erwarten ist“.171 Denn selbst wenn sich die Lokalisierung dieser Übersetzungen plausibel machen lasse, bleibe der sozialgeschichtliche Quellenwert eher dürftig, da eben die Vergleichspunkte fehlten, die einerseits die literarische Qualität und andererseits die soziale Repräsentativität des erhaltenen Schriftgutes zu klassifizieren erlaubten. Die Quellenlage lasse daher auch nicht die Schlussfolgerung Lampes zu, dass „bereits ein zahlenmäßig recht grosses lateinisches Christentum nicht nur in Nordafrika, sondern auch in Rom existiert[e], das jedoch vorwiegend aus kleinen Leuten sich zusammensetzte, deshalb weniger literarische Hinterlassenschaft produzierte und also in unseren Quellen unterrepräsentiert ist.“172 Wenn nach Justin um die Mitte des 2. Jahrhunderts „nicht nur Philosophen (φιλόσοφοι) und literarisch Gebildete

(φιλόλογοι), sondern auch Handwerker (χειροτέχναι) und ganz gewöhnliche Leute (παντελῶς ἰδιῶται)“ zur christlichen Gemeinde gehörten173, liegt der Akzent zwar auf den Ungebildeten, was aber die litterati bereits voraussetzt. Durch hellenistisch gebildete christliche Lehrer wie Justin wurde der Boden bereitet, „dass das Christentum auch von der Umwelt zögernd als eine Bildungsgrösse anerkannt wurde.“174 Seit der Zeit der späten Republik lebte in Rom eine veritable Minderheit mit griechischer Muttersprache, sowohl Einwanderer als auch Sklaven, die in vielen Fällen als Hauslehrer wirkten, wodurch das Griechische auch für ihre

171

SCHÖLLGEN 1989, 33 zu MOHRMANN 1949, 72f. LAMPE 1987, 119. Dass etwa in Herm. sim. IV 1,1f. (436,4f. Lindemann/Paulsen) der Ausdruck στατίωνα ἔχω als Wiedergabe des lateinischen stationem habeo („auf Posten stehen“) durch νηστεύειν („fasten“) präzisiert wird, kann zwar als „premier indice de la naissance du latin des chrétiens“ gelten (MOHRMANN 1949, 77), lässt aber nicht darauf schließen, dass der einzelne terminus technicus bereits in ein spezifisches liturgisches Sprachspiel eingebunden war. 173 Just. apol. II 10,8 (PTS 38, 152,24f. Marcovich); vgl. L AMPE 1987, 80. 174 L AMPE 1987, 300. 172

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

bildungsbeflissenen Herren attraktiv wurde.175 Während lateinische oder bilinguale Inschriften für griechischstämmige Freigelassene vermuten lassen, dass diese „auf dem Grabstein römischer sein [wollten], als sie es im Leben gewesen waren“176, zeigt sich gerade im christlichen Bereich eine signifikante Häufung griechischer Inschriften; zumindest unter den Christen, die sich einen Epitaph überhaupt leisten konnten, war das Griechische überdurchschnittlich verbreitet.177 Erst als die Zahl von Sklaven und Einwanderern aus dem Osten abnahm, begann sich Latein als Sprache der gebildeten Römer im Allgemeinen und der christlichen Gemeinden im Besonderen durchzusetzen. Die Latinisierung der römischen Christenheit ist damit im Zusammenhang mit der zurückgehenden „Internationalität“ Roms zu sehen, worin sich die allgemeine Abnahme der Kontakte innerhalb des Imperiums spiegelt. Der Übergang der römischen Gemeinde von der griechischen zur lateinischen Sprache vollzog sich in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts; mit Novatian trat erstmals ein gebildeter Lateiner als theologischer Schriftsteller hervor. Noch eine Generation zuvor verfasste Hippolyt178 seine „Widerlegung aller Häresien“, die nicht nur gnostische Schulen, sondern auch den Bischof Kallist bekämpfte, auf Griechisch. Um die Mitte des 2. Jahrhunderts lehrte Justin, aus Palästina gebürtig, in Rom, nach dessen Martyrium (ca. 165) sein Schüler Tatian, ein graecophoner Syrer.179 Zwar ist strittig, ob deren Schriften tatsächlich in Rom entstanden sind; und selbst im Fall römischen Ursprungs muss nicht jede Aussage für die dortige Situation repräsentativ sein.180 Dennoch lassen sich Justin und Tatian sowie Hippolyt als Zeugen für das heranziehen, was im 2. Jahrhundert undeterminiert „römisches Christentum“ ist,

175

Vgl. KAJANTO 1980, 86f.; BORMANN 2006, 45. 76. KAJANTO 1980, 88. 177 So K AJANTO 1980, 100 mit Verweis auf BARDY 1948, 81–94. 178 Zu ihm Clemens SCHOLTEN , Hippolytos II (von Rom), in: RAC 15 (1991), 492–551; Beate Regina SUCHLA, in: LACL3, 336–339; vgl. auch RÜPKE/GLOCK 1033–1035 Nr. 1905, bes. 1034f. Anm. 5 zur Diskussion über die Anzahl der in Rom wirkenden „Hippolyte“. Die These Nautins, die unter Hippolyts Namen überlieferten Schriften stammten von zwei Personen, hat SCHOLTEN (aaO. 501–504) überzeugend zurückgewiesen; ich gehe daher im Folgenden von einem Hippolyt von Rom aus, der freilich nicht der Autor der Traditio apostolica ist (so auch GEERLINGS, FC 1, 149 und CPL3 1737). 179 Zu ersterem vgl. Stefan HEID , Justinus Martyr I, in: RAC 19 (2001), 801–847, bes. 810–813 zur Bildung und 813–815 zur Unterrichtspraxis; Claus Peter VETTEN, in: LACL3, 411–414; zu letzterem William L. PETERSEN, Tatian, in: TRE 32 (2001), 655–659; Peter BRUNS, in: LACL 3, 666f.; zum Verhältnis beider YOUNG 1999, 82–85. 92–94. 180 So SCHÖLLGEN 1989, 29f. gegen LAMPE 1987, 222–233. Nach Eus. h.e. IV 18,6 (364,24f. Sch.) disputierte Justin in Ephesus mit Tryphon, was eine Lehrtätigkeit dort nicht unwahrscheinlich macht; nach NEYMEYR 1989, 16 ist aber „die Lehrtätigkeit Justins in Rom am besten bezeugt“, weswegen es „gerechtfertigt [ist], ihn unter den christlichen Lehrern Roms zu behandeln.“ Zu den römischen Schulen vgl. auch POUDERON 2003, 874f. 176

2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung

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nämlich eine (nicht die einzige!) Inkulturation christlichen Glaubens in Rom. Gleiches gilt für Marcion, das erste römische Schulhaupt überhaupt.181 Der Begriff „Schule“ ist hier in größtmöglicher Offenheit zu verstehen182: Selbst wenn auf Justin sein Schüler Tatian und auf diesen selbst später Rhodon folgte, ist diese „Sukzession“ noch keine institutionelle Schultradition. Nach Christoph Markschies lag „eine streng normierte Traditionsweitergabe und institutionelle Ausgrenzung von Meinungen, wie sie die christliche Kirche dann in Gestalt von Kanon und regula fidei intendierte, weitgehend außerhalb des Blickfeldes von philosophischen Schulen“.183 Dies galt entsprechend, wo, wie im Falle Justins und Tatians, christliche Lehrer als hellenistische „Salon- oder Popularphilosophen“184 auftraten. Über Dauer und Kontinuität des Unterrichts weiß man zu wenig, um von einer institutionalisierten Schule sprechen könnte.185 Belässt man dem Begriff „Schule“ aber seine Offenheit, kann mit Pouderon konstatiert werden: „Das Christentum paßte sich selbst an die Philosophieschule an, indem es seine eigenen Philosophenschulen schuf.“186 Schöllgen hat vermerkt, dass „der Vorwurf der sozialen Niedrigkeit zur selben Zeit aufkommt, als sich in den großen geistigen Zentren des römischen Reiches christliche Philosophenschulen zu formieren begannen“, also angesichts der irritierenden Entwicklung, dass eine Bewegung, die nicht den Anspruch einer sozialen Führungsposition erhob, mit der „Bildung einer intellektuellen Elite“ begann.187 Entsprechend wurde gegen die christlichen Philosophen nicht anders argumentiert und polemisiert als gegen die zeitgenössischen Kyniker, die vergleichbaren Anstoß erregten: „Für eine derartige Philosophie brauche man keine παιδεία, man kann ein ἰδιώτης sein, ein Gerber, Fischhändler, Zimmermann und Geldwechsler.“188

181

Vgl. Gerhard MAY, Markion/Markioniten, in: RGG4 5 (2002), 834–836. POUDERON 1998, 267 hat die christlichen Schulen im 2. Jh. grundsätzlich als „centres d’exégèse“ identifiziert, „dans lesquelles l’étude et l’interprétation des textes scripturaires tenaient le rôle essentiel“; doch ist ein propädeutisches Studium der ἐγκύκλιος παιδεία allenfalls für Alexandrien zu belegen, wobei es mindestens missverständlich ist, hier von einer „université chrétienne“ zu sprechen (257). Zu Alexandrien vgl. auch YOUNG 2006; zu der dortigen Schule des Origenes vgl. SCHOLTEN 1995; WYRWA 2005, 280-301. 183 M ARKSCHIES 2002, 117. 184 M ARKSCHIES 2002, 114. Das „Tradieren von nichtchristlichen Bildungselementen innerhalb einer eigenständigen christlichen Tradentenkette“ im 2. Jh. belegt keinen „eigenständigen christlichen Unterweisungsbetrieb, dessen Inhalte die christlichen Glaubenslehre und Lebensregeln sind“ (LAMPE 1987, 298); eine sukzessive Unterweisung im christlichen οἶκος, im Katechumenat und in der (christlichen) Philosophenschule ist nicht erkennbar. 185 So NEYMEYR 1989, 29. 186 P OUDERON 2003, 888. 187 SCHÖLLGEN 2002b, 168. 188 S CHÖLLGEN 2002b, 169; vgl. Lukian, vitarum auctio 11 (II 32,19–24 MacLeod); de morte Peregrini 13 (III 192,26–29 MacL.). 182

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Die Anbindung dieser Schulen an die christliche Gemeinde ist nicht eindeutig geklärt: Nach Gustave Bardy wurde der römischen Schulbetrieb von der „église hiérarchique“ überwacht189, während Neymeyr von einer „eigenen Initiative“ Justins spricht, den er in „lebendigem Kontakt zur Gemeinde der Christen in Rom“ sieht.190 Peter Lampe schließt aus den Acta Justini, dass dieser überhaupt nur die eigene Hausgemeinde und deren Versammlungsort gekannt, mit den übrigen Christen Roms dagegen keineswegs in engem Austausch gestanden habe.191 Im Blick auf Tatian ist wiederum unklar, ob seine Hinwendung zum enkratitischen Leben und die Trennung von festen Gemeindestrukturen während oder nach seiner römischen Lehrtätigkeit erfolgte. Ob und welche Kreise der römischen Christenheit als sozialer und geistiger Kontext seiner Oratio ad Graecos anzusehen sind, ist daher kaum präzise zu bestimmen.192 Es ist also nicht mehr und nicht weniger als wahrscheinlich, dass im stadtrömischen Christentum Philosophenschulen hellenistischer Prägung existierten, deren Zweck nicht in der präbaptismalen Katechese, aber auch nicht in der Vermittlung grammatischer und rhetorischer Bildung lag, sondern in denen christliche Theologie nach philosophischem Vorbild getrieben wurde, ohne dass sich ein fester institutioneller Zusammenhalt zwischen Lehrer und Schülern (z.B. durch Bezahlung) oder eine Diadoche von Lehrerpersönlichkeiten (wie in der platonischen Akademie) belegen ließe.193 Justin und Tatian repräsentieren dabei zwei Möglichkeiten, wie sich das Christentum zu den Standards hellenistischer Paideia positionieren konnte. Für beide gilt, dass sie über die in der hellenistischen Schule zu erwerbenden Kompetenzen in Grammatik und Rhetorik in reichem Maße verfügten194 und auch mit der philosophischen Tradition in einem Maße vertraut waren, dass sie – wie Tertullian und Minucius Felix – die Gebildeten unter den Verächtern des Christentums auf Augenhöhe ansprechen konnten. Beide verwendeten den Begriff der παιδεία als tertium comparationis für christlichen Glauben und philosophische Bildung – mit erheblichen Unterschieden im Ergebnis. 189

BARDY 1932, 511f.; sein Beispiel Marcion kann aber kaum als repräsentativ gelten! NEYMEYR 1989, 29. 191 L AMPE 1987, 316f.; SCHÖLLGEN 1989, 30; vgl. Acta Justini 3,3 (SQS N.F. 3, 16,12–16 Knopf/Krüger) und POUDERON 1998, 238 zum Typ des Lehrers im 2. Jh.: „un didaskale plus ou moins indépendant de la hiérarchie ou le catéchète désigné par l’Église“. Dagegen meint WYRWA 2005, 278, „dass sich Justin fest in die umfassenden Gesamtbezüge seiner Kirche eingebunden wusste“ und erschließt eine „lebendige Verwurzelung Justins in der katholischen Amtskirche Roms“. Doch wo wird diese zu seinen Lebzeiten greifbar? 192 Nach Iren. haer. I 28,1 (FC 8/1, 324,10 Brox = Eus. h.e. IV 29,3; 390,16 Sch.) gründete Tatian in Kleinasien wiederum eine Schule (ἴδιον χαρακτῆρα διδασκαλείου συνεστήσατο; vgl. Epiph. haer. XLVI 1,8 (GCS Epiphanius II, 204,11–14 Holl). Seinen Unterricht in Rom bezeugt Eus. h.e. V 13,1 (454,15f. Sch.). 193 Vgl. P OUDERON 1998, 239f. 194 Vgl. NEYMEYR 1989, 182; L AMPE 1987, 227f. 247. 190

2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung

101

2.2. Ein Denker geistiger Harmonie: Justin Justins Werk ist nicht unzutreffend als „the first rough draft of Christian humanism“ bezeichnet worden.195 Seine apologia maior richtet sich an die Kaiser Antoninus Pius, Marc Aurel und Lucius Verus, die sich als „Fromme und Philosophen, Wächter der Gerechtigkeit und Freunde der Bildung“ ansprechen lassen196 – ob zu Recht, soll sich an ihrer Haltung zu dieser Darlegung des christlichen Glaubens und Ethos entscheiden. Die Möglichkeit des Vergleichs liegt in der Definition Christi als „Lehrer“ (διδάσκαλος) und seiner Botschaft als „Lehre“ (διδαχή), die in der apologia minor als „Schule der göttlichen Tugend“ erscheint (τὸ διδασκαλεῖον τῆς θείας ἀρετῆς).197 Die Christen sind also im Grunde nichts anders als die Gefolgschaft eines Philosophen: „Im allgemeinen geben wir die Tatsache zu, daß, so wie bei den Griechen die, welche beliebige Lehren aufstellen, durchweg mit dem einen Namen ‚Philosophen‘ bezeichnet werden, wenn auch ihre Lehrsätze einander widersprechen, so auch die, welche bei den Barbarenvölkern Weise waren und in den Ruf kamen, eine gemeinsame Benennung haben; sie werden nämlich alle Christen genannt.“198

Die unmittelbare Intention der Apologie ist es, die Kaiser davon zu überzeugen, dass den Christen, wenn man sie denn anklagen wolle, konkrete Vergehen zur Last gelegt werden müssten, während nicht allein das nomen ipsum zum Prozess führen dürfe. Dazu dient die Selbstbeschreibung des Christentums als „barbarische Philosophenschule“ (freilich ganz anders als bei Tatian, s.u.). Für Justin besteht die Differenz zwischen Hellenen und Barbaren in der Genese der jeweiligen Philosophien, nicht jedoch in den Inhalten: „Wenn wir nun einiges in Übereinstimmung mit den von euch geschätzten Dichtern und Philosophen lehren, manches erhabener und Gottes würdig und so, daß wir allein auch Beweise bringen, warum werden wir dann von allen zu Unrecht gehaßt?“199

So habe der Logos dem Sokrates nichts anderes offenbart als Christus, der inkarnierte Logos, den „Barbaren“.200 Die griechische Philosophie als Plagiat 195 ELLSPERMANN 1949, 11. Justins apologiae und dialogus cum Tryphone werden im Folgenden nach den Editionen von MARCOVICH (PTS 38 bzw. 47) zitiert. 196 I apol. 2,2 (33,6–8): εὐσεβεῖς καὶ φιλόσοφοι καὶ φύλακες δικαιοσύνης καὶ ἐρασταὶ

παιδείας; vgl. 1,1 (31,1–3); Übers. RAUSCHEN, BKV 12, 66. 197 II apol. 2,13 (138,37f.); Christus als διδάσκαλος: I apol. 4,7; 12,9 (37,20; 49,30f.) u.ö. 198 I apol. 7,3 (41,4–9): Καθόλου µὲν οὖν κἀκεῖνο ὁµολογοῦµεν, ὅτι ὃν τρόπον οἱ ἐν

῞Ελλησι τὰ αὐτοῖς ἀρεστὰ δογµατίσαντες ἐκ παντὸς τῷ ἑνὶ ὀνόµατι φιλοσοφίας

προσαγορεύονται, καίπερ τῶν δογµάτων [αὐτῶν] ἐναντίων ὄντων, οὕτως καὶ τῶν ἐν τοῖς

βαρβάροις γενοµένων καὶ δοξάντων σοφῶν τὸ ἐπικατηγορούµενον ὄνοµα κοινόν ἐστι·

Χριστιανοὶ γὰρ πάντες προσαγορεύονται; Übers. BKV 12, 71. 199 I apol. 20,3 (62,5–8): Εἰ οὖν καὶ ὁµοίως τινὰ τοῖς παρ᾿ ὑµῖν τιµωµένοις ποιηταῖς καὶ

φιλοσόφοις λέγοµεν, ἔνια δὲ καὶ µειζόνως καὶ θει[οτέρ]ως καὶ µόνοι µετὰ ἀποδείξεως, τί παρὰ

πάντας ἀδίκως µισούµεθα; Übers. BKV 12, 87. 200 Vgl. I apol. 5,4 (39,16–18).

102

II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

des Alten Testaments wurde später zum polemischen locus classicus der christlichen Apologetik201, dient hier aber zur Binnendifferenzierung der im Prinzip übereinstimmenden hellenischen und „barbarischen“ Philosophie: „Aber nicht deshalb, weil wir dasselbe wie sie lehren, verlangen wir Annahme [unserer Lehre], sondern weil wir die Wahrheit sagen!“202

Die differentia specifica liegt also nicht in der inhaltlichen Erkenntnis, sondern im Erkenntnisweg, wie besonders aus dem Dialog mit dem Juden Tryphon hervorgeht. Justin erblickt die Aporie der zeitgenössischen Philosophie darin, dass die großen Denker wider Willen zu Schulhäuptern avanciert seien, weil ihre Nachfolger, anstatt eigenständig weiterzudenken, die Lehren der Alten solange tradiert und dadurch faktisch kanonisiert hätten, bis man sie als Vertreter bestimmter Schulen angesehen habe203 – Schulen, die Justin selbst sämtlich durchlaufen habe, bis ihm schließlich im Christentum die wahre Philosophie begegnet sei.204 Diese zeichne sich unter anderem dadurch aus, dass der Neophyt nicht wegen mangelnder Vertrautheit mit weltlichen Lerngegenständen abgewiesen werde, wie es ihm selbst bei einem pythagoreischen Lehrer passiert sei.205 In einem Gespräch am Meer mit einem alten Christen habe dieser ihn vielmehr gefragt, ob es dasselbe für den Menschen sei, Gott zu kennen, wie mit Musik und Arithmetik, Astronomie und dergleichen vertraut zu sein. Justin hatte dies verneint und dafür Zustimmung geerntet: Derartiges Wissen werde durch Lernen und philosophische Unterweisung (ἐκ µαθήσεως

ἢ διατριβῆς τινος) erworben; Erkenntnis Gottes werde dagegen durch Schau (ἐκ τοῦ ἰδέσθαι) zuteil.206 Diese Offenbarung sei in der Schrift enthalten; um sie zu empfangen, bedürfe es des Hörens, nicht des kunstgerechten Auslegens (ἐξηγηθῆναι).207 Der Begriff ἐξήγησις stammt aus dem Grammatikunterricht 201 I apol. 44,8f. (94,19–95,24); zu der Plagiatsthese zuletzt POUDERON 2003, 905f. Anders als Tatian sah Justin dies nicht als illegitimen Diebstahl an (so CHADWICK 1966, 15). 202 I apol. 23,1 (66,4f.): καὶ οὐχὶ διὰ τὸ ταὐτὰ λέγειν αὐτοῖς παραδεχθῆναι ἀξιοῦµεν, ἀλλ᾿ ὅτι

τὸ ἀληθὲς λέγοµεν; Übers. BKV 12, 90. Vgl. CHADWICK 1966, 20: „Justin does not merely use Greek philosophy. He passes judgement upon it.“ 203 Dial. 2,2 (72,8–14): Συνέβη τοῖς πρώτοις ἁψαµένοις αὐτῆς καὶ διὰ τοῦτο ἐνδόξοις

γενοµένοις ἀκολουθῆσαι τοὺς ἔπειτα µηδὲν ἐξετάσαντες ἀληθείας πέρι, καταπλαγέντας δὲ µόνον

τὴν καρτηρίαν αὐτῶν καὶ τὴν ἐγκράτειαν καὶ τὸ ξένον τῶν λόγων ταῦτα ἀληθῆ νοµίσαι ἃ παρὰ

τοῦ διδασκάλου ἕκαστος ἔµαθεν· εἶτα καὶ αὐτούς, τοῖς ἔπειτα παραδόντας τοιαῦτα ἄττα καὶ

ἄλλα τούτοις προσεοικότα, τοῦτο κληθῆναι τοὔνοµα, ὅπερ ἐκαλεῖτο ὁ πατὴρ τοῦ λόγου. 204 Dial. 8,1 (84,2–6): ᾿Εµοὶ δὲ παραχρῆµα πῦρ ἐν τῇ ψυχῇ ἀνήφθη, καὶ ἔρως εἶχέ µε τῶν

προφητῶν καὶ τῶν ἀνδρῶν ἐκείνων, οἵ εἰσι Χριστοῦ φίλοι· διαλογιζόµενός τε πρὸς ἐµαυτὸν τοὺς

λόγους αὐτοῦ ταύτην µόνην εὕρισκον φιλοσοφίαν ἀσφαλῆ τε καὶ σύµφορον. 205 Dial. 2,5 (72,31f.): Πολλά τε ἐπαινέσας ταῦτα τὰ µαθήµατα καὶ ἀναγκαῖα εἰπὼν ἀπέπεµπέ

µε, ἐπεὶ αὐτῷ ὡµολόγησα µὴ εἰδέναι. 206 Vgl. dial. 3,6 (75,47–52). 207 Dial. 55,3 (100,26): οὐδὲ ἐξηγηθῆναι δεοµένων, ἀλλὰ µόνον ἀκουσθῆναι. Zur Antithese von Offenbarung und Spekulation vgl. POUDERON 2003, 891f.

2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung

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und gehört zum methodischen Arsenal dieser τέχνη, die andernorts explizit der gnadengewirkten Schriftauslegung opponiert wird: „Schriftstellen will ich euch zitieren. Um eine vollständig kunstgerechte Darstellung bemühe ich mich nicht; denn dazu habe ich kein Talent. Nur zum Verständnis der Schrift hat mir Gott Gnade gegeben.“208

Die Antwort Tryphons entlarvt die kaum verhüllte kommunikative Strategie des Dialogs: „Gewiß verrät auch diese deine Handlungsweise Frömmigkeit. Wenn du jedoch behauptest, kein Talent für kunstgerechte Darstellung zu besitzen, dann scheinst du dich zu verstellen!“209 Vielmehr geht aus dem Dialog wie auch aus den Apologien hervor, dass das Christentum in Gestalt seines Vertreters Justin nicht nur inhaltlich den Vergleich mit den Philosophenschulen bestehen kann, sondern auch methodisch auf dem gleichen „kunstgerechten“ Niveau zu argumentieren vermag. Aus eigener Erfahrung kann Justin entsprechend den Unterrichtsstoff der Grammatik- und Rhetorikschulen kritisieren: Wer die vordergründig von Dichtern, tatsächlich aber von bösen Geistern zur Verführung der Menschen ersonnenen Mythen tradiere, biete der „lernenden Jugend“ – anders als das Christentum – keinen Beweis für die oft ungeheuerlichen Geschichten.210 Wo aber die Philosophen wahre Erkenntnis erlangt hätten, stamme diese nicht von ihnen, sondern vom Gott der Christen, dessen wahre Gelehrte einfältige Menschen seien: „Wir lehren also nicht dasselbe wie die übrigen, sondern alle anderen sprechen nur das Unsrige nach. Und das kann man bei uns hören und lernen von solchen, die nicht einmal die Züge der Buchstaben kennen, von einfältigen und in ihrer Sprache rohen Menschen, die aber einen verständigen und guten Sinn haben, zum Teil auch von Krüppeln und Blinden; daraus kann man ersehen, daß es nicht menschlicher Einsicht entsprungen ist, sondern mit Gottes Kraft ausgesprochen wird.“211

Hier liegt letztlich der entscheidende Unterschied zwischen christlicher und hellenistischer Bildung: Jene ist dadurch ausgezeichnet, dass sie Menschen zuteil wird und nicht dem Widerstreit menschlicher Meinungen unterliegt. 208 Dial. 58,1 (168,1–4): Γραφὰς ὑµῖν ἀνιστορεῖν µέλλω, οὐ κατασκευὴν λόγων ἐν µόνῃ

τέχνῃ ἐπιδείκνυσθαι σπεύδω· οὐδὲ γὰρ δύναµις ἐµοὶ τοιαύτη τίς ἐστιν, ἀλλὰ χάρις παρὰ θεοῦ

µόνη εἰς τὸ συνιέναι τὰς γραφὰς αὐτοῦ ἐδόθη µοι; Übers. HAEUSER, BKV 33, 92. 209 Dial. 58,2 (169,8f.): ᾿Αξίως µὲν θεοσεβείας καὶ τοῦτο πράττεις· εἰρωνεύεσθαι δέ µοι

δοκεῖς λέγων δύναµιν λόγων τεχνικῶν µὴ κεκτῆσθαι. Vgl. POUDERON 1998, 258f. 210 I apol. 54,1 (108,1–4): Οἱ δὲ παραδιδόντες τὰ µυθοποιηθέντα ὑπὸ τῶν ποιητῶν οὐδεµίαν

ἀπόδειξιν φέρουσι τοῖς ἐκµανθάνουσι νέοις· ἃ ἐπὶ ἀπάτῃ καὶ ἀπαγωγῇ τοῦ ἀνθρωπείου γένους

εἰρῆσθαι ἀποδείκνυµεν κατ᾿ ἐνέργειαν τῶν φαύλων δαιµόνων. 211 I apol. 60,10f. (117,22–28): Οὐ τὰ αὐτὰ οὖν ἡµεῖς ἄλλοις δοξάζοµεν, ἀλλ᾿ οἱ πάντες τὰ

ἡµέτερα µιµούµενοι λέγουσι. Παρ᾿ ἡµῖν [µὲν] οὖν ἔστι ταῦτα ἀκοῦσαι καὶ µαθεῖν παρὰ τῶν οὐδὲ

τοὺς χαρακτῆρας τῶν στοιχείων ἐπισταµένων, ἰδιωτῶν µὲν καὶ βαρβάρων τὸ φθέγµα, σοφῶν δὲ

καὶ πιστῶν τὸν νοῦν ὄντων, καὶ πηρῶν [καὶ χήρων] τινῶν τὰς ὄψεις· ὡς συνεῖναι οὐ σοφίᾳ

ἀνθρωπείᾳ ταῦτα γεγονέναι, ἀλλὰ δυνάµει θεοῦ λέγεσθαι; Übers. BKV 12, 128; vgl. PILHOFER 2005, 265.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Weise und vertrauenswürdig (σοφὸς καὶ πιστός) sind die christlichen Zeugen durch Gottes Kraft, nicht durch eigene Einsicht. Das Christentum erscheint zwar als eine von vielen Philosophenschulen, lehrt aber die eine wahre Philosophie, die unabhängig von menschlichen Bildungsidealen und -institutionen ist. Justin setzt also die griechische Paideia in ein positives Verhältnis zum Christentum und subordiniert zugleich den in jener implizierten religiösen Gehalt dem christlichen Glauben.212 Für den christlichen Leser seiner Apologie sollte demnach die Partizipation an Bildung und Kultur seiner Umwelt, recht verstanden, kein prinzipielles Problem darstellen. 2.3. Ein „Barbarenphilosoph“: Tatian Einen ganz anderen Akzent setzt Tatian, Schüler des „bewundernswerten“ Justin.213 Tatian betont die radikale Diastase – im Habitus dessen, der genau weiß, was er hinter sich lässt. Syrer von Geburt, empfing er eine fundierte grammatische und rhetorische Bildung und unterrichtete eine Zeitlang auch ἐν τοῖς ῾Ελλήνων µαθήµασι214, erlebte dann aber eine tiefgreifende Konversion: „So sagte ich sowohl der Großsprecherei der Römer als auch der Windbeutelei der Athener und den unzusammenhängenden Lehren der Griechen Lebewohl und begann mich an unsere ‚barbarische‘ Philosophie zu halten.“215

Bei Tatian stehen den „Hellenen“ – nur an der zitierten Stelle werden Römer und Athener gesondert angesprochen – die „Barbaren“ gegenüber, die aber ebenso „Philosophen“ sind und dem richtigen Erkenntnisweg folgen, nämlich „den Worten einer göttlichen Kundgebung“216. Daher sieht sich Tatian als „Barbarenphilosoph“, „gebildet zuerst in eurer Philosophie, dann jedoch in derjenigen, die ich mich nun zu verkünden anschicke“.217 Die Einigkeit der zeitgenössischen Philosophenschulen bestehe nur darin, dass sie die Christen bekämpften – daher sollte man auch diesen das Recht zugestehen, den Lehrern ihrer eigenen Paideia zu folgen.218 Diese hätten der hellenistischen Weisheit den Abschied gegeben, „obwohl darin mancher [von uns] einen großen 212 Vgl. C HADWICK 1966, 10: „Of all the early Christian theologians Justin is the most optimistic about the harmony of Christianity and Greek philosophy“; vgl. F AUTH 1978, 79. 213 Tat. orat. 18,6 (PTS 43, 38,21 Marcovich): ὁ θαυµασιώτατος ᾿Ιουστῖνος. Die oratio ad Graecos wird im Folgenden nach der genannten Edition zitiert. 214 So Eus. h.e. IV 16,7 (358,2–5 Sch.). 215 Orat. 35,2 (66,8–10): ∆ιόπερ χαίρειν εἰπὼν καὶ τῇ ῾Ρωµαίων µεγαλαυχίᾳ καὶ τῇ

᾿Αθηναίων ψυχρολογίᾳ [καὶ τοῖς ῾Ελλήνων] δόγµασιν ἀσυναρτήτοις, τῆς καθ᾿ ἡµᾶς βαρβάρου

φιλοσοφίας ἀντεποιησάµην; Übers. KUKULA, BKV 12, 250; vgl. LAMPE 1987, 249. 216 Orat. 12,9 (29,44f.): θειοτέρας δέ τινος ἐκφωνήσεως λόγοις καταχρωµένων. 217 Orat. 42,1 (75,2–4): ὁ κατὰ βαρβάρους φιλοσοφῶν… παιδευθεὶς δὲ πρῶτον µὲν τὰ ὑµέτερα, δεύτερον δὲ ἅτινα νῦν κηρύττειν ἐπαγγέλλοµαι (zur Übers. vgl. BKV 12, 257). 218 Orat. 25,4 (49,16f.): Στασιώδεις δ᾿ ἔχοντες τῶν δογµάτων τὰς διαδοχάς, ἀσύµφωνοι

πρὸς τοὺς συµφώνους ἑαυτοῖς διαµάχεσθε; orat. 27,1 (52,1f.): Εἰ δὲ σὺ τῆς ἐκείνων ἀντέχῃ

παιδείας, τί µοι δόξας αἱρουµένῳ δογµατ[ιστ]ῶν ὧν θέλω διαµάχῃ.

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Ruf genoss“219, auch Tatian selbst, dessen Schrift auf „fast jeder Seite entgegen dieser Behauptung von Berührungen mit griechischem Denken zeugt.“220 Dies gilt auch für die klassische Schulbildung: So wird die Vorstellung eines alles bestimmenden Fatums als Theater karikiert, das lediglich zur Belustigung der Götter diene, woraufhin Homer zitiert wird: „Unaufhörliches Lachen erhoben die seligen Götter!“221 Die Philosophen werden „gemäß dem Komiker“ (Aristophanes) als „Nachlesetrauben und Geschwätz und Schwalbenzwitscherschulen und Kunstverderber“ verhöhnt222, und der Anspruch, dass die „Barbaren“ die „Hellenen“ belehren sollten, wird mit einem Verweis auf Solon untermauert: „Kann man das auch nur ungereimt nennen, wenn man doch nach dem Ausspruch eures eigenen Sophisten ‚mit zunehmendem Alter immer noch viel Neues lernt‘?“223 Tatian formuliert ein apologetisches Prinzip, das sich wenig später auch bei Tertullian findet: „Zu Zeugen werde ich nicht unsere Gewährsmänner nehmen, sondern mich vielmehr auf Anhänger der griechischen Götterlehre zum Beweise berufen; denn das erstere wäre töricht, weil nicht einmal wir solche Beweisführung annehmbar fänden, das letztere aber dürfte doch wohl verblüffend wirken, wenn ich euch nämlich mit euren eigenen Waffen bekämpfe und Beweise vorbringe, die eurerseits nicht beargwöhnt werden können.“224

219 Orat. 1,5 (8,28f.): Τούτου χάριν ἀπεταξάµεθα τῇ παρ᾿ ὑµῖν σοφίᾳ, κἂν εἰ πάνυ σεµνός τις

ἦν ἐν αὐτῇ; Übers. BKV 12, 197. 220 ELZE 1960, 20. Zu dieser Spannung vgl. WHITTAKER 1975, 57: „Tatian is very much concerned to emphasize that he was thoroughly versed in the education and culture which he now despises. On the one hand he wants to set against it a genuine Christian παιδεία, on the other hand a display of his own knowledge and powers of rhetoric would recommend him as a sophist in his own right.“ F REUND 2006 widmet sich insbesondere den Dichterzitaten als „Berührungspunkte[n] zwischen der paganen Kultur und dem Christentum“ (99): „In jedem einzelnen Zitat vollzieht sich gewissermaßen in nuce die Auseinandersetzung zwischen Antike und Christentum.“ 221 Orat. 8,2 (19,9): ἄσβεστος δ᾿ ἄρ᾿ ἐνῶρτο γέλως µακάρεσσι θεοῖσιν = Homer, Il. I 599; Od. VIII 326; Übers. BKV 12, 205; zur Interpretation FREUND 2006, 101f. 222 Orat. 1,5 (8,29–31): Κατὰ γὰρ τὸ κωµικόν· ᾿Επιφυλλίδες ταῦτ᾿ ἐστὶ καὶ στωµύλµατα,

χελιδόνων µουσεῖα, λωβηταὶ τέχνης; zitiert wird Aristophanes, Ranae 92f.; vgl. POUDERON 2003, 922 Anm. 412 und jetzt FREUND 2006, 100: „Hier lehnt einer die pagane Erziehung ab, der sie soweit genossen hat, dass er gleichsam nebenher ein passendes Zitat aus Aristophanes, einem Klassiker des Attischen, in seine Worte einzuflechten weiß“; zur Motivation für ein solches Zitat gleich zu Beginn vgl. ebd.: „Tatian muss hier nach den grundsätzlichen Angriffen auf das Griechentum zeigen, dass er weiß, was er da so polemisch ablehnt.“ 223 Orat. 35,3 (66,19f.): Τί δὲ καὶ ἄτοπον κατὰ τὸν οἰκεῖον ὑµῶν σοφιστὴν ‚γηράσκειν α[ἰ]εὶ

πάντα διδασκόµενον‘ [Solon, frg. 18 West]; Übers. BKV 12, 251. Ähnlich argumentiert „Roma“ im Streit um den Victoria-Altar bei Ambrosius (s.u. S. 155)! 224 Orat. 31,2 (57,8–12): µάρτυρας δ᾿ οὐ τοὺς οἴκοι παραλήψοµαι, βοηθοῖς δὲ µᾶλλον ῞Ελλησι [κατα]χρήσοµαι. τὸ µὲν γὰρ ἄγνωµον, (ἅτε µηδὲ ὑφ᾿ ἡµῶν παραδεκτόν), τὸ δ᾿ ἂν ἀποδεικνύηται θαυµαστόν, ὁ[πό]ταν ὑµῖν διὰ τῶν ὑµετέρων ὅπλων ἀντερείδων ἀνυπόπτους παρ᾿ ὑµῶν

τοὺς ἐλέγχους [παρα]λαµβάνω; Übers. BKV 12, 243; dazu ELZE 1960, 19.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Hatte Justin den Griechen zugebilligt, dass sie derselbe Logos wie die Christen unmittelbar belehrt habe, so führt Tatian alle wahre Erkenntnis bei den Hellenen auf die Barbaren zurück, von denen jene Weisheit empfangen hätten: „Denn welche eurer Einrichtungen verdankt nicht Barbaren ihren Ursprung?“225 Darunter firmiert ἡ διὰ γραµµάτων παιδεία als Erfindung der Phönizier, die Poesie als Werk des Orpheus; sie sei von den Griechen missbraucht worden, „um Götterzwiste und Götterliebschaften und Seelenverderbnis zu besingen“, wie auch die Rhetorik der Ungerechtigkeit und Verleumdung diene und die Redefreiheit zugunsten sophistischer Beliebigkeit verkauft werde.226 Die Dichter seien daher ψευδολόγοι, die Gebildeten nur ψευδοµάρτυρες.227 Besserung sei nur von der Belehrung durch die „Barbaren“, d.h. durch die Christen zu erwarten, bei denen nicht nur die Philosophie, sondern die gesamte Paideia den Vorzug der Anciennität genieße: „Hierbei [sc. bei der Untersuchung der Philosophie] wird sich ergeben, daß unsere Lehren nicht nur älter sind als die griechische Kultur (παιδεία), sondern sogar älter als die Erfindung der Buchstaben.“228

Im Gegenzug habe die Verbildetheit der Griechen ihren Anfang bei denen genommen, deren Geschäft die kunstgerechte Bearbeitung von Literatur sei: „Mit dem Geschwätz bei euch haben die Schulmeister begonnen, und da ihr die Weisheit in Stücke zerteiltet, habt ihr euch von der wahren Weisheit abgeschnitten und die Teile nach Menschen zubenannt; denn da ihr Gott nicht kennt, so bekämpft und verurteilt ihr euch untereinander.“229

Wie beim Umgang mit den hellenischen literarischen Größen zeigt sich auch hier die bewusste Absetzung von deren Sprachästhetik, indem inhaltliche Überzeugungskraft und literarische Schlichtheit der Bibel verbunden werden: „Und während ich über das Problem des Guten nachsann, traf sich’s, daß mir einige barbarische Schriften in die Hand fielen, die im Vergleich mit den Lehrsätzen der Griechen 225

Orat. 1,1 (7,2f.): Ποῖον γὰρ ἐπιτήδευµα παρ᾿ ὑµῖν τὴν σύστασιν οὐκ ἀπὸ βαρβάρων

ἐκτήσατο; Übers. BKV 12, 195. 226 Orat. 1,5 (8,33–36): ῾Ρητορικὴν µὲν γὰρ ἐπ᾿ ἀδικίᾳ καὶ συκοφαντίᾳ συνεστήσασθε,

µισθοῦ πιπράκοντες τῶν λόγων ὑµῶν τὸ αὐτεξούσιον καὶ πολλάκις τὸ νῦν δίκαιον αὖθις οὐκ

ἀγαθὸν παριστῶντες· ποιητικὴν δέ, µάχας ἵνα συντάσσητε θεῶν καὶ ἔρωτας καὶ ψυχῆς

διαφθοράν; Übers. BKV 12, 197. 227 Orat. 22,7 (45,25); 25,5 (49,25f.). 228 Orat. 31,2 (57,6–8): εὑρήσοµεν γὰρ οὐ µόνον τῆς ῾Ελλήνων παιδείας τὰ παρ᾿ ἡµῖν, ἔτι δὲ

καὶ τῆς τῶν γραµµάτων εὑρέσεως ἀνώτερα; Übers. BKV 12, 242f. 229 Orat. 26,5 (51,18–21): ᾿Αρχὴ [δὲ] τῆς φλυαρίας ὑµῖν γεγόνασιν οἱ γραµµατικοί, καὶ οἱ

µερίζοντες τὴν σοφίαν τῆς [µὲν] κατ᾿ ἀλήθειαν σοφίας ἀπετµήθητε, τὰ δ᾿ ὀνόµατα τῶν µερῶν

ἀνθρώποις προσενείµατε· καὶ τὸν µὲν θεὸν ἀγνοεῖτε, πολεµοῦντες δὲ ἑαυτοῖς ἀλλήλους

καθαιρεῖτε; Übers. BKV 12, 236. Vgl. NORELLI 1998, 93: Die Sucht nach Teilung habe zum „Krieg zwischen Buchstaben“ geführt, in dem man die griechischen Dialekte ihrem Wert nach unterscheide (orat. 26,8; 51,29.32f.): Τί γοῦν, ἄνθρωπε, τῶν γραµµάτων ἐξαρτύεις τὸν

πόλεµον; ... πῶς τὸ µὲν εἶναί σοι δοκεῖ βαρβαρικώτερον, τὸ δὲ πρὸς τὴν ὁµιλίαν ἱλαρώτερον;

2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung

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ein höheres Alter, im Vergleich mit griechischer Irrlehre göttliche Erleuchtung aufwiesen. Und es fügte sich, daß diese Schriften mich überzeugten durch die Schlichtheit ihres Stils, durch die Anspruchslosigkeit ihrer Verfasser, durch die wohlverständliche Darstellung der Weltschöpfung, durch die Voraussicht der Zukunft, die Ungewöhnlichkeit der Vorschriften und die Zurückführung aller Dinge auf einen Ursprung…“.230

Die Attraktivität der christlichen Gemeinde wird noch dadurch gesteigert, dass hier „nicht nur die Reichen, sondern auch die Armen philosophieren“, da man sich einerseits die Vermittlung der von Gott empfangenen Weisheit nicht in barer Münze bezahlen lasse, andererseits die Versammlungen allen Interessierten öffne, anstatt Menschen schon nach ihrem Äußeren (d.h. nach Herkunft, Vermögen und formalem Bildungsstand) zu beurteilen und auch abzuweisen.231 Die Philosophen würden hingegen vom Kaiser trotz mangelnder Kenntnisse reichlich bezahlt, „damit sie nicht einmal ihren wallenden Bart umsonst wachsen zu lassen brauchen“.232 „Bildung“ (παιδεία) birgt für Tatian also eine fundamentale Ambivalenz zwischen radikaler „Verbildetheit“ und all dem, was den Menschen von Gott zugedacht, aber nur von den Barbaren angemessen bewahrt wurde. Dem Ästhetizismus der Griechen steht daher ἡ

ἡµετέρα παιδεία gegenüber, die mehr sei „als die Ausgeburten eines irdischen Verstandes“; von den Jüngern dieser „barbarischen Gesetzgebung“ sollten die Hellenen sich unterweisen lassen (παιδεύεσθαι).233 Zwar kann παιδεία auch im Sinne von „Unterweisung“ in Verbindung mit den γραµµατικοί gebraucht werden; spezifisch ist jedoch die Verwendung als Symbol der nicht (mehr) gegebenen, durch Annahme von Belehrung aber (wieder) erreichbaren kulturellen Übereinstimmung von Hellenen und Barbaren. Anders als bei Justin ist dies aber allenfalls eine Zukunftsperspektive, die eine Konversion der „Heiden“ voraussetzt. Der Oratio ad Graecos liegt also die Leitdifferenz von 230 Orat. 29,2 (55,9–15): Περινοοῦντι δέ µοι τὰ σπουδαῖα συνέβη γραφαῖς τισιν ἐντυχεῖν

βαρβαρικαῖς, πρεσβυτέραις µὲν ὡς πρὸς τὰ ῾Ελλήνων δόγµατα, θειοτέραις δὲ ὡς πρὸς τὴν

ἐκείνων πλάνην· καί µοι πεισθῆναι ταύταις συνέβη διά τε τῶν λέξεων τὸ ἄτυφον καὶ τῶν εἰπόντων

τὸ ἀνεπιτήδευτον καὶ τῆς τοῦ παντὸς ποιήσεως τὸ εὐκατάληπτον καὶ τῶν µελλόντων τὸ

προγνωστικὸν καὶ τῶν παραγγελµάτων τὸ ἐξαίσιον καὶ τῶν ὅλων τὸ µοναρχικόν; Übers. nach BKV 12, 240f. Zum Argument der Antiquität vgl. jetzt auch RHEE 2005, 66–69. 231 Orat. 32,2.7 (60,5–7; 61,26–30): Φιλοσοφοῦσι δ᾿ οὐ µόνον οἱ πλουτοῦντες, ἀλλὰ καὶ οἱ

πένητες προῖκα τῆς διδασκαλίας ἀπολαύουσι· τὰ γὰρ παρὰ θεοῦ [δῶρα] τῆς ἐν κόσµῳ δωρεᾶς

ὑπερπαίει τὴν ἀµοιβήν… Πάντες οἱ βουλόµενοι φιλοσοφεῖν [φίλοι] παρ᾿ ἡµῖν, οἳ οὐ τὸ

ὁρώµενον δοκιµάζοµεν, οὐδὲ τοὺς προσιόντας ἡµῖν ἀπὸ σχήµατος κρίνοµεν· τὸ γὰρ τῆς

γνώµης ἐρρωµένον παρὰ πᾶσιν εἶναι δύνασθαι λελογίσµεθα, κἂν ἀσθενεῖς ὦσι τοῖς σώµασι. Τὰ

δὲ ὑµέτερα φθόνου µεστὰ καὶ βλακείας πολλῆς. Vgl. KLEIN 1990, 56f. 232 Orat. 19,1 (39,3–6): Οἰ γὰρ παρ᾿ ὑµῖν φιλόσοφοι τοσοῦτον ἀποδέουσι τῆς ἀσκήσεως,

ὥστε παρὰ τοῦ ῾Ρωµαίων βασιλέως ἐτηρίους χρυσοῦς ἑξακοσίους λαµβάνειν τινὰς εἰς οὐδὲν

χρήσιµον [πλὴν] ὅπως µηδὲ τὸ γένειον δωρεὰν καθειµένον αὑτῶν ἔχωσι. 233 So die Polemik in orat. 12,10 (29,46f.51): νῦν µὴ ἀναξιοπαθήσητε παρὰ τοῖς βαρβαρικῇ

νοµοθεσίᾳ παρακολουθοῦσι παιδεύεσθαι… τὰ δὲ τῆς ἡµετέρας παιδείας ἐστὶν ἀνωτέρω τῆς

κοσµικῆς καταλήψεως.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Bildung und Verbildetheit zu Grunde: οἱ ῞Ελληνες sind nicht die Griechen im ethnischen Sinne, sondern die Bewohner des Imperium Romanum, die sich über Bildung definieren.234 Das Christentum hat sein Wirklichkeitsverständnis unabhängig von der Entstehung der hellenischen Paideia empfangen und vermag dieser zur wahren Erkenntnis von Gott und Welt zu verhelfen. Eine schulmäßige Bildung ist dafür nicht notwendig, vielmehr ist die christliche „Weisheit“ von derartigen Voraussetzungen unabhängig. Jedoch erweist sich Tatian selbst durch Anspielungen und Zitate als Kenner all der Dichter und Philosophen, die er hinter sich lassen will: „Le pourfendeur de l’hellénisme, Tatien, se révèle comme un rhéteur raffiné.“235 Selbst die schärfsten Invektiven gegen die Griechen – „in Worten großmäulig, im Erkennen schwachsinnig“236 – weisen ihn als Teilhaber antiker Paideia aus, die für ihn via negationis der Bezugspunkt zur Verortung des Christentums ist. Wie sich die Christen freilich auf der Grundlage dieses Selbstbewusstseins in die nichtchristliche Umgebung einfügen sollten – mindestens bis diese von christlicher Paideia durchdrungen sei –, darauf gibt Tatian keine Antwort. 2.4. Bildung als Thema antihäretischer Autoren: Hippolyt und Irenäus Neben Justin und Tatian entwickelte sich in Rom noch eine andere Schultradition: die Gnosis im Gefolge Valentins.237 Dessen Wahrnehmung durch seine Kritiker lässt einen polemischen Konnex von Bildung und Häresie erkennen. Nach Irenäus kam Valentin zur Zeit des Bischofs Hyginus (ca. 136–140) nach Rom und blieb dort bis in die Amtszeit Anicets (ca. 155–166).238 Justin schließt die Οὐαλεντινιανοί in die Liste jener Schulrichtungen ein, „mit denen wir keine Gemeinschaft haben“, und zählt sie zu denen, „welche die Philosophie, die sie vertreten, nach dem ‚Vater der Lehre‘ benennen zu müssen meinen.“239 Hippolyt spricht sogar explizit von Οὐαλεντῖνος καὶ ἡ αὐτοῦ

σχολή.240 Dass Valentin tatsächlich ein „unangefochtenes Lehren“ in Rom möglich war und sich lediglich „der Justinkreis – und auch der nur in seiner Spätphase“ von seiner Schule abzugrenzen suchte241, ist daher denkbar, mangels unpolemischer Quellen aber nicht zu verifizieren. Die Valentinianer exis234

Vgl. ELZE 1960, 25. DORIVAL 1998, 463. 236 Orat. 14,1 (31,1f.): ὦ ῞Ελληνες, ῥήµασι µὲν στωµύλοι, γνώµην δ᾿ ἔχοντες ἀλλόκοτον; Übers. BKV 12, 216; vgl. WHITTAKER 1975, 59. 237 Vgl. R ÜPKE/G LOCK 1342 s.v.; Christoph M ARKSCHIES , in: LACL 3, 710f. 238 Iren. haer. III 4,3 (FC 8/3, 42,1f. Br. = Eus. h.e. IV 11,1; 320,18f. Sch.). Nach Tert. praescr. 30,2 (288,5–9 Schl.) wären Valentin und Marcion (!) unter Eleutherus (174–189) aus der Gemeinde ausgeschlossen worden, was für letzteren jedenfalls nicht zutreffen kann. 239 Just. dial. 35,5 (129,23 M.): ὧν οὐδενὶ κοινωνοῦµεν; dial. 35,6 (129,31f. M.): ἀπὸ τοῦ

πατρὸς τοῦ λόγου τὸ ὄνοµα ἧς φιλοσοφεῖ φιλοσοφίας ἡγεῖται φέρειν; Übers. BKV 33, 53. 240 Hipp. haer. VI 42,2 (PTS 25, 259,8f. Marcovich) u.ö. 241 L AMPE 1987, 329. 235

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tierten eigenständig noch zur Zeit des Irenäus (nach 180) und suchten offenbar den Kontakt zu Bischof Eleutherus242; gerade die nicht abreißende antihäretische Polemik bezeugt das bleibende, irritierende Nebeneinander. Valentin selbst stammte aus Ägypten und hatte in Alexandrien „die hellenische Bildung“ erworben243, die ihm seine Zeitgenossen auch keineswegs absprachen: Hippolyt überliefert ein metrisches Gedicht Valentins244, und Tertullian berichtet, dass jener sich Hoffnungen auf das Bischofsamt gemacht habe, „wozu er durch Geist und Redekunst befähigt war“ – jedoch sei ihm ein anderer, der seine Meriten durch Martyriumsbereitschaft erworben hätte, vorgezogen worden, woraufhin sich Valentin im Zorn von der „ecclesia authenticae regulae“ getrennt habe.245 Noch Hieronymus erklärt, „dass sich niemand eine Irrlehre erdenken kann, der nicht einen glänzenden Geist besitzt und dem die Gaben der Natur eignen, die von Gott selbst, dem Kunstschaffenden, gemacht sind. Solch einer war Valentin, solch einer Marcion, die wir höchst gelehrt nennen.“246 Nach dem Urteil Hippolyts war es aber gerade diese Bildung, die der Irrlehre den Weg bereitet hatte: „Dies ist, [wie im Vorigen] in aller Kürze dargestellt, die Lehre des Pythagoras und Platon; aus ihr, nicht aus den Evangelien, stellte Valentinus seine Häresie zusammen, wie wir noch beweisen werden; er dürfte also mit Recht als Pythagoreer und Platoniker, nicht als Christ, angesprochen werden.“247

Die These, dass die christlich-gnostischen Häresien ihre Inspiration aus der griechischen Philosophie beziehen, deren Kenntnis für den Christen eher schädlich als nützlich ist, prägt bereits Tertullians antihäretische Polemik (s.o. S. 73f.). Nach Hippolyt seien die Lehren der großen Philosophen „älter und Gottes würdiger als die der Häretiker“, würden von den „Sektenstiftern“ jedoch usurpiert und zu neuen unchristlichen Lehren vermengt.248 So habe der 242

Iren. haer. III 15,2 (FC 8/3, 180,5–8 Br.). Epiph. haer. XXXI 2,3 (384,11 Holl): πεπαίδευσθαι τὴν τῶν ῾Ελλήνων παιδείαν. 244 Hipp. haer. VI 37,7 (253,31–38 M.). 245 Tert. adv. Val. 4,1 (86,5–8 Fr.): „Sperauerat episcopatum Valentinus, quia et ingenio poterat et eloquio, sed alium ex martyrii praerogatiua loci potitum indignatus de ecclesia authenticae regulae abrupit.“ Letzteres ist freilich ein Gemeinplatz der Ketzerpolemik (vgl. LAMPE 1987, 330 Anm. 87). 246 Hier. in Os. II 10,1 (CChr.SL 76, 106,33–36 Adriaen): „Nullus enim potest haeresim struere, nisi qui ardentis ingenii est, et habet dona naturae quae a Deo artifice sunt creata. Talis fuit Valentinus, talis Marcion, quos doctissimos legimus“; vgl. LAMPE 1987, 254. 247 Hipp. haer. VI 29,1 (237,1–4 M.): Τοιαύτη τις, ὡς ἐν κεφαλαίοις εἰπεῖν ἐπελθόντα, ἡ

Πυθαγόρου καὶ Πλάτωνος συνέστηκε δόξα, ἀφ᾿ ἧς Οὐλεντῖνος, οὐκ ἀπὸ τῶν εὐαγγελίων, τὴν

αἵρεσιν τὴν ἑαυτοῦ συναγαγών, ὡς ἐπιδείξοµεν, δικαίως [ἂν] Πυθαγορικὸς καὶ Πλατωνικός, οὐ

Χριστιανός, λογισθείη. 248 Hipp. haer. I prooem. 8 (55,53–58): δοκεῖ οὖν πρότερον ἐκθεµένους τὰ δόξαντα τοῖς

τῶν ῾Ελλήνων φιλοσόφοις ἐπιδεῖξαι τοῖς ἐντυνχάνουσιν ὄντα τούτων παλαιότερα καὶ πρὸς τὸ

θεῖον σεµνότερα, ἔπειτα συνβαλεῖν ἑκάστην αἵρεσιν ἑκάστῳ ὡς τούτοις τοῖς ἐπιχειρήµασιν

ἐπιβαλόµενος ὁ πρωτοστατήσας τῆς αἱρέσεως ἐπλεονέκτησε [λαβόµενος] τὰς ἀρχὰς καὶ ἐκ τούτων ἐπὶ τὰ χείρονα ὁρµηθεὶς [τὸ] δόγµα συνεστήσατο. 243

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Gnostiker Basilides „nicht nur dem Sinne nach, sondern sogar mit denselben Ausdrücken und Namen die Lehren des Aristoteles in unsere evangelische, Erlösung bringende Lehre eingeschmuggelt.“249 Indem die Gnostiker Homer selbst zu ihrem „Propheten“ erklärt hätten, um „in ihrer Verwegenheit die unheiligen mit den heiligen Schriften zu harmonisieren“, seien sie „Erfinder einer neuen Literaturkunde“ (ἐφευρεταὶ καινῆς τέχνης γραµµατικῆς) geworden.250 Dagegen empfiehlt Hippolyt – nun selbst der berufene Ausleger dieser aus der Schule vertrauten Tradition –, wie Odysseus seinen Gefährten die Ohren zu verkleben und sich selbst an den Mast fesseln zu lassen. Auch der Christen möge „sich an das Holz Christi binden lassen, in Treue zu lauschen und sich nicht verwirren lassen, sondern aufrecht stehen bleiben, im Vertrauen auf das, an das man gebunden ist“.251 Ebenso betont Irenäus, Homer selbst richte die „vaniloquia provorum Gnosticorum“.252 Hinter der Polemik wird ein ernsthaftes Ringen um die Deutungshoheit über die biblischen Schriften erkennbar. Schon der Zugriff Marcions auf die Evangelien und Briefe stellte in formaler Hinsicht nichts anderes als das Verfahren des Grammatikers dar: Da judaisierende Fälscher im biblischen Text semantische und syntaktische Vertauschungen vorgenommen hätten, bemühte er sich um die Konstitution eines verlässlichen Textes.253 Dies warf ihm Tertullian als Fälschung vor, die sich von den hinzugedichteten Lehren Valentins nicht unterscheide.254 Der Streit in den frühchristlichen Gemeinden um die Bibel drehte sich um die Hermeneutik und damit um eine „Kunstlehre“, die in Verbindung zu den Methoden paganer Dichterexegese stand. Die Auslegungskompetenz, die die Häretiker für sich beanspruchten, scheint nach Hippolyt „Bildungsdurstige“ (φιλοµαθεῖς) unter den christlichen Gemeindegliedern angezogen zu haben, die er daher eindringlich warnt: „Ferner wird diese Erörterung [sc. die refutatio] die Bildungsdurstigen, die nach Wahrheit streben, klüger machen; sie können den Ausgangspunkt der Sekten erfahren und diejenigen leicht wiederlegen, die sie zu täuschen wagten; auch werden sie die sogenannten 249 Haer. VII 19,9 (286,39–41): ᾿Εὰν [οὖν] ὁ Βασιλείδης εὑρεθῇ µὴ τῇ δυνάµει µόνῃ ἀλλὰ

καὶ τοῖς λόγοις αὐτοῖς καὶ τοῖς ὀνόµασι τὰ τοὺς ᾿Αριστοτέλους δόγµατα εἰς τὸν εὐαγγελικὸν καὶ

σωτήριον ἡµῶν λόγον µεθαρµοζόµενος. Vgl. Iren. haer. II 14,5 (FC 8/2, 114,9f. Br.): „Et minutiloquium autem et subtilitatem circa quaestiones, cum sit Aristotelicum, inferre fidei conantur.“ 250 Vgl. Hipp. haer. V 8,1 (154,1–4). 251 Hipp. haer. VII 13,3 (280,16–18): ἑαυτὸν τῷ ξύλῳ Χριστοῦ προσδήσαντα, πιστῶς

κατακούσαντα µὴ ταραχθῆναι, πεποιθότα ᾧ προσεσφίγγετ[ο], καὶ ἐστηκέν[αι] ὀρθόν; Übers. BKV 40, 194; vgl. Homer, Od. XII 44–52; 160–162; 173–178. 252 Iren. haer. IV 33,3 (FC 8/4, 258,5–10 Br.) mit Verweis auf Homer, Il. IX 312f. 253 Die Differenz zur Grammatikschule bestand darin, dass Marcion die Texte nicht aus ästhetischem, sondern dogmatischem Interesse bearbeitete (LAMPE 1987, 219). Nach VON HARNACK 1924, 61–73, bes. 62 war Marcion ein „geschickter Philologe“, während SCHMID 1995, 255–260 seine grammatische Kompetenz kritisch beurteilt. 254 Tert. praescr. 38,7–10 (310,13–22 Schl.). Ebd. 39,3–7 (312,8–20) wird als Parallele aus der weltlichen Schulliteratur die Erstellung von Vergilcentonen herangezogen.

2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung

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Lehrmeinungen der Philosophen kennen lernen; wenn sie damit vertraut sind, werden sie von diesen nicht wie Anfänger verwirrt werden, oder von Leuten, die scheinbar über eine gewisse Kraft verfügen, getäuscht werden. Sie werden im Gegenteil noch die Irregeführten warnen können.“255

Keinesfalls dürfe man über der Freude an der πολυµαθία die kritische Haltung gegenüber der Mythologie verlieren. So habe der Gnostiker Justin seine spekulativen Darlegungen mit Fabeln gewürzt, denen zum Trost, „welche das endlose Büchergeschwätz durchgemacht haben – so wie wenn einer auf einem großen Marsch sich im Wirtshaus ausruhen will“, um erneut Kraft für „die Vielwisserei der Bücherlektüre“ zu gewinnen.256 Hippolyt kommentiert die Erziehung Daniels und seiner Freunde am Hof Nebukadnezars: „Die Bildungsfreunde dürfen dies nicht nur im Vorübergehen lesen, sondern müssen mit dem Verstand an das Vorliegende herangehen. Denn nichts tun uns unnütz die heiligen Schriften kund, sondern zu unserer Ermunterung, den Propheten aber zur Seligkeit und zur Erhellung alles von ihnen Gesagten.“257

Die angemessene Lektüre der Bibel ist also durchaus eine Kunst, zu der methodisch anspruchsvolle Verfahren wie die Typologie gehören können258, die aber jedenfalls ihre Kriterien aus sich selbst heraus entwickeln muss. Die zeitgenössischen paganen Kritiker des Christentums haben dies nach Hippolyt nicht beachtet, denn nur so konnten sie zu dem irrigen Schluss gelangen, die christliche Lehre sei Torheit – aus seiner refutatio könnten sie vielmehr lernen, wie töricht ihre eigenen Meinungen sind!259 Entsprechend führt der 255 Hipp. haer. IV 45,2 (130,8–14): ἔτι δὲ καὶ τοὺς τῇ ἀληθείᾳ προσέχοντας φιλοµαθεῖς

προβιβάσει ὁ λόγος φρονιµωτέρους πρὸς τὸ εὐκόλως ἀνατρέπειν τοὺς πλανᾶν [αὐτοὺς]

τετολµηκότας, µὴ µόνον τὰς τῶν αἱρέσεων µαθόντας ἀρχάς, ἀλλὰ καὶ τὰς τῶν σοφῶν λεγοµένας

δόξας· ὧν οὐκ ἄπειροι γενόµενοι, οὔθ᾿ ὑπ᾿ αὐτῶν ταραχθήσονται ὡς ἀµαθεῖς, οὔθ᾿ ὑπό τινων

πλανηθήσονται ὡς δυνάµει τινὶ δρώντων, ἀλλ᾿ ἔτι καὶ τοὺς πλανωµ[ε]νοὺς ἐπιτηρήσουσιν; Übers. BKV 40, 73. 256 Haer. V 23,2 (198,8–13): ἔπειτα τοὺς µύθους παρατίθησι ψυχαγωγίας χάριν, ὅπως οἱ

ἐντυγχάνοντες τῇ τῶν βιβλῶν [αὐτοῦ] ἀναριθµ[ήτ]ῳ φλυαρίᾳ παραµύθιον ἔχωσι τὰ µυθευόµενα –

ὃν τρόπον εἴ τις ὁδὸν µακρὰν βαδίζων, παρατυχὼν καταλύµατι ἀναπαύεσθαι δοκεῖ –, καὶ οὕτως

πάλιν ἐπὶ τὴν τῶν ἀναγνωσµάτων [ὁδὸν] τραπέντες πολυµάθειαν; Übers. BKV 40, 132f. Das pejorative Stichwort φλυαρία begegnete bereits bei Tatian, orat. 26,5 (s.o. S. 106 Anm. 229). Vgl. Roman HANIG, Justin der Gnostiker, in: LACL 3, 410f. 257 Hipp. Dan. I 7,2 (GCS N.F. 7, 14,12–16 Richard): Ταῦτα µὲν οὐ δεῖ ἐν παραδροµῇ

ἀναγινώσκειν τοὺς φιλοµαθείς, ἐπιστῆσαι δὲ τὸν νοῦν πρὸς τὰ προκείµενα. οὐδὲν γὰρ ἀργὸν

κηρύττουσιν ἡµῖν αἱ θεῖαι γραφαί, ἀλλὰ πρὸς µὲν τὴν ἡµῶν αὐτῶν νουθεσίαν, τῶν δὲ προφητῶν

τούτων µακαρισµὸν καὶ πάντων τῶν ὑπ᾿ αὐτῶν λελαληµένων ἀπόδειξιν; zur Übersetzung vgl. die aaO. 15 abgedruckte Übertragung Bonwetschs aus dem Kirchenslavischen. 258 Vgl. den hermeneutischen Grundsatz in Dan. I 18,2 (40,21–23 R.): ἐκ γὰρ τῶν ἐπιγείων

[δεῖ] τὰ ἐπουράνια ἐνοπτρίζεσθαι καὶ ἐκ τῶν τυπικῶν τὰ πνευµατικὰ ἐπιγινώσκειν [καὶ] ἐκ τῶν

προσκαίρων τὰ αἰώνια προσδοκᾶν. 259 Haer. IV 45,1 (130,5–8): οἳ ἐντυχόντες τῇ γεγενηµένῃ ἡµῶν πολυµερι[µν]ίᾳ καὶ τὸ

σπουδαῖον θαυµάσουσι καὶ τὸ φιλόπονον οὐκ ἐξουθενήσουσι καὶ µωροὺς οὐκ ἀποφανοῦνται

Χριστιανοὺς ἐνιδόντες οἷς αὐτοὶ µωρῶς πιστεύουσιν.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Danielkommentar das abschreckende Beispiel eines Gemeindevorstehers in Pontus an, der, statt sich fest an die Schrift zu halten, lieber Traumgesichten Glauben schenkte und damit seine Brüder in Verwirrung stürzte260: „Dies widerfährt den Unwissenden und Einfältigen, welche sich nicht sorgfältig um die Schrift bemühen, sondern lieber den menschlichen Überlieferungen und deren Irrtümern und Träumereien und Mythen und Altweibergeschichten freudig vertrauen.“261

Hippolyts Einstellung zur Bildung schließt die ἰδιῶται καὶ ἐλαφροὶ ἄνθρωποι nicht von der Erkenntnis der christlichen Wahrheit aus, denn in der Einfachheit liege gerade die Stärke der Bibel gegenüber den griechischen, ägyptischen, chaldäischen oder babylonischen Irrlehren: „Die wahre Lehre existiert vielmehr auf ihre Weise, sie ist ungeschützt und ungeschmückt und widerlegt den Irrtum allein durch sich selbst.“262 Hier trifft sich Hippolyt mit Irenäus’ Kritik an den Valentinianern, die mit ihrer Rezeption der griechischen Philosophie „aus vielen schlechten Fetzen einen Lumpenrock (cento) zusammengeflickt und so ein Obergewand aus akkurater Lehre (finctum superficium subtili eloquio) geschaffen“ hätten; diese Lehre sei neu, insofern sie „erst jetzt mit neuartiger Kunstfertigkeit hergestellt wurde“ (nova arte substituta), sie sei aber auch alt, „weil sie von alten Dogmen, die nach Unwissenheit und Gottlosigkeit stinken, gesäumt ist.“263 Anders als bei Justin wird den Philosophen hier keine Gotteserkenntnis sui generis zugestanden264, und anders als bei Tatian und Hippolyt liegt das Problem bereits in dem Material, mit dem die Gnostiker arbeiten, nicht erst in ihrer Art der Verwertung. Dennoch wird auch die nova ars harsch kritisiert, weil es sich bei der Erkenntnis Gottes sowohl um Dinge handele, „die uns vor Augen liegen“, als auch um solche, „die offen und unzweideutig Wort für 260

Dan. IV 19,1 (236,19–22 R.). Dan. IV 20,1 (238,16–19 R.): Ταῦτα συµβαίνει τοῖς ἰδιώταις καὶ ἐλαφροῖς ἀνθρώποις,

ὅσοι ταῖς µὲν γραφαῖς ἀκριβῶς οὐ προσέχουσιν, ταῖς δὲ ἀνθρωπίναις παραδόδεσιν καὶ ταῖς

ἑαυτῶν πλάναις καὶ τοῖς ἑαυτῶν ἐνυπνίοις καὶ µυθολογίαις καὶ λόγοις γραώδεσι µᾶλλον ἡδέως

πείθονται. 262 Haer. X 5,1 (380,9f.): ἀλλ᾿ ᾧ ὐπάρχει τρόπῳ ὅρος ἀληθής, ὢν ἀφύλακτός τε καὶ

ἀκαλλώπιστος, µόνον φανεὶς ἐλέγξει τὴν πλάνην; Übers. BKV 40, 266. Vgl. KRAUSE 1958, 76. 263 Iren. haer. II 14,2 (FC 8/2, 108,21–110,3 Br.): „Et non solum quae apud comicos posita sunt arguuntur quasi propria proferentes, sed etiam quae apud omnes qui Deum ignorant et qui dicuntur philosophi sunt dicta, haec congregant et, quasi centonem ex multis et pessimis panniculis consarcientes, finctum superficium subtili eloquio sibi ipsi praeparaverunt, novam quidem introducentes doctrinam, propterea nunc nova arte substituta sit, veterem autem et inutilem, quoniam quidem de veteribus dogmatibus ignorantiam et irreligiositatem olentibus haec eadem subsuta sunt.“ Zum cento, einer später auch von Christen rezipierten poetischen Gattung, vgl. FUHRMANN 1994, 218; zu Irenäus vgl. Norbert BROX, in: RAC 18 (1998), 820–854, bes. 834–836 zur Auseinandersetzung mit Heiden und Häretikern; Dietmar WYRWA, in: RGG4 4 (2001), 229f.; Ulrich HAMM, in: LACL 3, 351–355. 264 Nur in Abgrenzung gegen die verwerfliche Zwei-Götter-Lehre Marcions kommt Iren. haer. III 25,5 (FC 8/3, 304,8 Br.) zu dem Schluss, Platon sei frömmer (religiosior) als Marcion gewesen, da er immerhin nur einen einzigen Gott als Weltschöpfer gelehrt habe. 261

2. Griechischsprachige Theologen im Westen und ihre Bildung

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Wort in den Schriften vorliegen.“265 Wenn es eine „Kunst“ bei diesem Erkennen gibt, dann liegt sie (wie für Hippolyt) im kontinuierlichen Bemühen um die Bibel: „Ein Verstand dagegen, der gesund ist, ungefährdet, fromm und wahrheitsliebend, der untersucht alles, was Gott in die Macht der Menschen gegeben und unserer Erkenntnis zugänglich gemacht hat, voll Eifer, ist dabei erfolgreich, und tägliche Übung macht ihm das Lernen leicht.“266

Im ursprünglichen griechischen Text werden damit ἄσκησις und µάθησις in einen engen Zusammenhang gebracht, womit angedeutet wird, wie eine christliche Paideia entfaltet werden könnte. Aus der antignostischen Intention des Irenäus wird deutlich, warum die Bildung des Christen sich prinzipiell an 1 Kor 8,1 zu orientieren habe: „Besser und nützlich ist es darum, wenn man ein ungebildeter Mensch ohne viel Wissen ist und durch die Liebe Gott nahe kommt, als wenn man glaubt, viel zu wissen und erfahren zu sein, und dabei seinen Herrn lästert, indem man sich einen anderen Gott Vater macht.“267

Es ist demnach die Leitdifferenz πολυµαθία – ὀλιγοµαθία, anhand derer Irenäus den falschverstandenen Erkenntnisdrang der Valentinianer kritisiert und das Ideal eines christlichen ἰδιώτης entwirft, der Gott lieben statt dessen Wesen forschend durchdringen will. Wer viel weiß, steht immer in der Gefahr, zu viel oder das Falsche wissen zu wollen; wer nur wenig weiß, dies aber aus der Bibel, weiß das Entscheidende in rechter Weise. In der Auseinandersetzung mit dissentierenden Positionen innerhalb der christlichen Gemeinde wird also unter Betonung des heilsamen Nichtwissens eine Abgrenzung zur paganen Bildung vollzogen, die sich noch in spätantiken antihäretischen Schriften findet (s.u. S. 316 mit Anm. 37).

265 Iren. haer. II 27,1 (220,2–4 Br.): „Sunt autem haec quae ante oculos nostros occurrunt et quaecumque aperte et sine ambiguo ipsis dictionibus posita sunt in scripturis.“ 266 Iren. haer. II 27,1 (218,20–220,2 Br.): „Sensus autem sanus et qui sine periculo est religiosus, et amans verum, quae quidem dedit in hominum potestatem Deus et subdidit nostrae scientiae, haec prompte meditabitur et in ipsis proficiet, [et] diuturno studio facile scientiam eorum efficiens.“ Zu Irenäus’ Haltung zur antiken Bildung vgl. BROX, RAC 18, 830–833; GRANT 1997, 41–45; OSBORN 2001, 150–156; ausführlich jetzt MUTSCHLER 2004, 118–132. 267 Iren. haer. II 26,1 (214,3–6 Br.): „Melius est ergo et utilius idiotas et parum scientes exsistere et per caritatem proximum fieri Deo quam putare multum scire et multa expertos in suum dominum blasphemos inveniri, alterum deum patrem fabricantes“; vgl. BROX 1981, 282; HAARHOFF 1920, 16: Haer. I praef. 3 nennt das Fehlen rhetorischer Feinheiten als Bescheidenheitstopos – der Autor verstehe sich nicht darauf – und als Anlass zur Klage über die Bedrängnis des Lebens unter Barbaren (126,8–12 Br.): Οὐκ ἐπιζητήσεις δὲ παρ᾿ ἡµῶν, τῶν ἐν Κελτοῖς διατριβόντων καὶ περὶ

βάρβαρον διάλεκτον τὸ πλεῖστον ἀσχολουµένων, λόγων τέχνην, ἣν οὐκ ἐµάθοµεν, οὔτε δύναµιν

συγγραφέως, ἣν οὐκ ἠσκήσαµεν, οὔτε καλλωπισµὸν λέξεων οὔτε πιθανότητα, ἣν οὐκ οἴδαµεν.

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

3. Christen als Schüler und Lehrer in vorkonstantinischer Zeit 3.1. Sozialgeschichtliche Anmerkungen zur Bildung der frühen Christen Die Protagonisten der frühen christlichen Theologie entstammten gebildeten Milieus und schlossen sich erst nach dem Erwerb literarischer Kompetenzen der christlichen Kirche an. Insofern Bildung in der römischen Gesellschaft als sozialer Platzanweiser fungierte und das Christentum von Anfang an auch für Menschen höherer sozialer Schichten attraktiv wirkte (was bereits 1 Kor 11,20–22 spiegelt), war die Frage unausweichlich, wie mit deren Schulbildung umgegangen werden solle. So setzt sich Tertullian in De cultu feminarum mit dem Anspruch karthagischer Christinnen auseinander, dass auf ihren Reichtum und auf ihre Abkunft Rücksicht genommen werden möge.268 Für diese Frauen war es nicht selbstverständlich, dass der Übertritt zum Christentum ihre soziale Stellung und die daraus erwachsenden Verhaltensmuster tangiert: „Sollen wir uns denn dessen, was uns zukommt, nicht bedienen?“269 Hippolyt wirft seinem Gegner Kallist vor, genau dies zu konzedieren. Dieser habe „Frauen vornehmen Standes, die unverheiratet in noch jugendlichem Alter heiratsüchtig waren, ihren Rang durch eine gesetzmäßige Ehe aber nicht einbüßen wollten, erlaubt, einen Bettgenossen nach ihrer Wahl zu haben, sei es einen Sklaven, sei es einen Freien, und diesen, auch ohne rechtmäßige Ehe, als ihren Mann anzusehen.“ Die Frauen hätten jedoch peinlich genau auf Empfängnisverhütung geachtet, „weil sie wegen ihrer hohen Geburt und ihres Riesenvermögens kein Kind von einem Sklaven oder einem gewöhnlichen Mann haben wollten.“270

Zweifellos wollte Hippolyt seinen Rivalen durch Verweis auf dessen Nachgiebigkeit gegenüber unchristlichen Lebensformen diffamieren.271 Unter dem eigenen Stand zu heiraten bedeutete für eine femina clarissima jedoch, aus dem Adelsrang auszuscheiden. Ein Bischof musste daher das Ideal, dass innerhalb der christlichen Gemeinde keine sozialen Rangstufen maßgeblich sein sollten, 268 Tert. cult. fem. II 9,4 (CChr.SL 1, 363,18f. Kroymann): „diuitiarum uel natalium uel retro dignitatum ratio“. 269 AaO. II 9,6 (363,25f.): „‚Non‘, inquitis, ‚utemur nostris?‘“; vgl. ECK 1971, 405 Anm. 130. 270 Hipp. haer. IX 12,24f. (355,128–356,135 M.): [αἱ] ἐν ἀξίᾳ, εἰ [τὴν] ἑαυτῶν ἀξίαν [ἣν] µὴ

βούλοιντο καθαιρεῖν διὰ τοῦ νοµίµως γαµηθῆναι, ἔχει[ν] ἕνα, ὃν ἂν αἱρήσωνται, σύγκοιτον, εἴτε

οἰκέτην εἴτε ἐλεύθερον, καὶ τοῦτον κρίνειν ἀντὶ ἀνδρὸς [τὴν] µὴ νόµῳ γεγαµηµένην. ἔνθεν

ἤρξα[ν]το ἐπιχειρεῖν [αἱ] πισταὶ λεγόµεναι ἀτοκίοις φαρµάκοις καὶ [τῷ] περιδεσµεῖσθαι πρὸς τὸ

τὰ συλλαµβανόµενα καταβάλλειν, διὰ τὸ µήτε ἐκ δούλου βούλεσθαι ἔχειν τέκνον, µήτε ἐξ εὐτελοῦς, διὰ τὴν [αὐτῶν] εὐγένειαν καὶ ὑπέρογκον οὐσίαν. Vgl. WISCHMEYER 1992, 104–106. 271 Hipp. haer. IX 12,25 (356,135f. M.): ὁρᾶτε εἰς ὅσον ἀσέβειαν ἐχώρησεν ὁ ἄνοµος,

µοιχείαν καὶ φόνον ἐν τῷ αὐτῷ διδάσκων. EDWARDS 2004, 198f., benennt als Hintergrund der Kritik Hippolyts an Kallist die Bewahrung der romanitas: „[Hippolytus] seems as much offended by the low birth of Callistus and his levelling ranks in matrimony as by his laxity in cases of heinous sins.“ Zur angeblich eklatanten Unbildung des Kallist vgl. unten S. 124.

3. Christen als Schüler und Lehrer

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gegen das individuelle Prestige abwägen, das auf dem Spiel stand.272 Eine Konversion implizierte jedenfalls nicht automatisch eine so radikale Absage an gesellschaftliche Erwartungshaltungen, wie sie das Martyrium der Perpetua für einen prominenten Einzelfall dokumentiert.273 Die bei Tertullian referierte und bei Hippolyt implizierte Frage kann im Blick auf die vorkonstantinische Zeit verallgemeinert werden: Christ zu werden konnte bedeuten, in Konflikte zu geraten – zumal wenn man zuvor in anderen sozialen Zusammenhängen einen exakt definierten Platz eingenommen hatte. Tertullian bezeugt, wie gesehen (S. 66), das ungläubige Erstaunen von Gemeindegliedern darüber, dass die nützliche und gesellschaftlich notwendige Schulbildung aus christlicher Sicht problematisch sein könnte. Auch hinsichtlich des standesgemäßen Bildungsniveaus war fraglich, ob und warum die Christen nicht nutzen dürften, was ihnen zukomme – ob man nun weltliche Bildung in ihrer Bedeutung für das christliche Leben negierte (wie Cyprian) oder das Christentum gegen den Vorwurf der Bildungsfeindschaft als „wahre Philosophie“ zu etablieren versuchte (wie Minucius Felix). Die Schwierigkeit bei der Behandlung der Bedeutung der Schulbildung für die Christen im Besonderen und für die Erforschung der Sozialgeschichte der frühen Christenheit im Allgemeinen ist die unbefriedigende Quellenlage. Lassen sich die geistigen Konflikte jener Zeit aus dem antihäretischen Schrifttum noch vergleichsweise präzise rekonstruieren, so stößt die Frage nach der Lebenswirklichkeit der frühen Christen schnell an ihre Grenzen.274 Literarische 272 Vgl. L AMPE 1987, 97f. mit Verweis auf Ulpian, dig. 1,9,8 (I 27,16–18 Krüger/ Mommsen). Die Problematik der christlich-heidnischen Ehe wurde bereits im frühen 2. Jh. wahrgenommen (BALDWIN 1989, 55): Bei Apul. met. IX 14 (213,9–23 Helm) wird von der religiös motivierten „Verblendung“ einer Frau (einer Christin?) berichtet, deren Mann die Scheidung eingereicht habe, weil sie sich allen öffentlichen Begängnissen entzogen habe; die entgegengesetzte Pointe findet sich bei Just. II apol. 2,1–8 (137,1–138,25 M.): Hiernach habe die Frau selbst auf die Scheidung gedrungen, um dem lasterhaften Lebenswandel ihres Mannes zu entgehen. Dieser habe aus Rache seine Frau als Christin denunziert; der Prozess sei jedoch nicht ihr gemacht worden, sondern ihrem christlichen Privatlehrer Ptolemaios (ebd. 2,9; 138,27f. M.). Vgl. dazu auch GÜLZOW 1974, 203f.. 273 Nach pass. Perp. 2,1 (SC 417, 104,3–106,4 Amat) war die Protagonistin „honeste nata, liberaliter instituta, matronaliter nupta“, nach 13,4 (150,8 A.) war sie des Griechischen mächtig; vgl. WISCHMEYER 1992, 70f. und ausführlich MCKECHNIE 1994, der als Bildungselemente bei Perpetua rhythmische Prosa und platonische Argumentation (281–283) sowie ihre bemerkenswerte Vertrautheit mit den biblischen Schriften feststellt (289f.). Der Schluss: „So in Carthage, as well as in Alexandria, the principle of secular education for Christians was established“ (290) geht freilich zu weit – „the Church’s tendency to value secular education“ (291) war seinerzeit alles andere als unumstritten! Eine Parallele zur Charakteristik von Perpetuas Bildung bietet Aug. ep. 179,2 (CSEL 44, 692,3f. Goldbacher): „adulescentes honestissime nati et institutis liberalibus eruditi“. 274 Vgl. SCHÖLLGEN 1989, bes. 26 zur Differenz von theologie- und sozialgeschichtlicher Forschung. TIMPE 1986, 103–111 interpretiert dagegen die Apologeten dezidiert „come fenomeno storico“ und betrachtet einen Apologeten wie Justin als „una ben distinta figura

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II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Texte reflektieren vor allem den Problemhorizont ihrer Autoren; liturgische Gebrauchstexte sind dagegen kaum einmal sicher den ersten Jahrhunderten zuzuweisen. An epigraphischem Material bleiben für den Westen des Reiches in vorkonstantinischer Zeit „bei genauer Kritik nur die römischen Katakomben“ übrig (aber immerhin diese!).275 Nur von wenigen Christen jener Zeit ist überhaupt der Name bekannt, geschweige denn Lebenslauf oder Bildungsweg.276 Die sozialgeschichtliche Fragestellung ist jedoch im vorliegenden Zusammenhang wichtig, um die Verhältnisbestimmung von Christentum und Bildung kritisch gegenzulesen: So beschreibt Tertullians schriftstellerisches Kabinettstückchen De testimonio animae die Seele als „unverfeinert, unwissend und ungebildet“ und betrachtet sie deshalb als Erkenntnisquelle sui generis (s.o. S. 75f.). Der Bildungsstand der karthagischen Gemeinde ist aber keineswegs so gering zu veranschlagen, wie ein wörtliches Verständnis der zitierten Passage nahelegen könnte; wie repräsentativ wiederum Tertullians eigenes Bildungsniveau ist, muss ebenso offen bleiben.277 Im Fall der Teilnahme der Christen am System antiker paganer Bildung ist eher wahrscheinlich, dass gerade die von Tertullian so vehement kritisierte Partizipation als Schüler und Lehrer den Regelfall darstellte. Im Folgenden soll daher im Wissen um diese schwierige Quellenlage wenigstens ansatzweise versucht werden, die lebensweltliche Bedeutung der Bildung für das frühe Christentum zu den literarischen Zeugnissen in Beziehung zu setzen.278 Wie Georg Schöllgen für die karthagische Gemeinde plausibel gemacht hat, sind die hier angesiedelten Christen in Bezug auf ihren Bildungsstand grundsätzlich nicht von ihren paganen Nachbarn zu unterscheiden: Elementare Fähigkeiten des Lesens und Schreibens dürften, zumal in einer größeren Stadt, auch unter Christen verbreitet gewesen sein; grammatische und rhetorische Bildung erwarben hingegen wohl nur wenige.279 Diese christlichen litterati sociale“ (117) in Analogie zum paganen Rhetor und daher quasi als „un residuo della chiesa paleocristiana“; der sozialgeschichtliche Ertrag besteht dann aber wieder in der Sicht des Christentums des 2. Jh.s als „più di una comunità scolastica filosofica“ (127). 275 WISCHMEYER 1992, 192. 276 Dies gilt allerdings ebenso für pagane Bildungsträger: So ist neben Cyprian mit dem bei Tertullian karikierten Phosphorus (s.o. S. 45 Anm. 110) überhaupt nur ein weiterer Lehrer aus dem vorkonstantinischen Karthago nachweisbar (so VÖSSING 1997, 270f.). 277 Vgl. SCHÖLLGEN 1984, 244–246. 278 SCHÖLLGEN hat anhand der karthagischen Gemeinde zur Zeit Tertullians Möglichkeiten und Grenzen sozialgeschichtlichen Fragens aufgezeigt (vgl. bes. 1984, 9 und 12–15; eine Synthese dieser und weiterer Arbeiten bietet jetzt DERS. 2002a, hier bes. 402–404). Für die römische Gemeinde vgl. die Untersuchung von LAMPE 1987, deren Methodik wiederum durch SCHÖLLGEN 1989 scharfe Kritik erfahren hat. Von einem prinzipiellen „Scheitern“ von Lampes innovativem Ansatz zu sprechen (39) ist allerdings weit überzogen. 279 SCHÖLLGEN 1984, 245f. HARRIS 1989, 304f. weist darauf hin, dass in Bezug auf den Anteil der Analphabeten kein Unterschied zwischen Christen und „Heiden“ bestand, insofern Gemeindeglieder kaum mit Schriftgut in Berührung kamen. Davon unberührt bleibt das

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sind in den oberen sozialen Schichten zu suchen, aus denen sich die Beamtenschaft des Reiches und der Munizipien rekrutierte, d.h. die ordines der Senatoren, der Ritter und der Dekurionen. Wie gesehen, ergaben sich bei deren Konversion Probleme der Vereinbarkeit sozialer Erwartungshaltungen mit dem christlichen Ethos, wie Werner Eck exemplarisch für den Senatorenstand gezeigt hat.280 Dies trat in gesteigerter Form natürlich da zu Tage, wo – wie im Falle Cyprians – ein Angehöriger des Dekurionenstandes dem Martyrium entgegensah, wovon ihn „Leute von hohem, angesehenem Rang und Geschlecht, aber auch Männer aus dem heidnischen Adel“ abhalten wollten.281 Es spiegelt sich aber auch in den Maßnahmen des Kaisers Valerian, der in seinem zweiten Edikt gegen die Christen (258) nicht nur die Hinrichtung von Bischöfen, Presbytern und Diakonen anordnete, sondern auch befahl, „dass die Senatoren und die hochrangigen Männer und die römischen Ritter nach dem Verlust ihrer Würde auch ihre Güter verlieren und, wenn sie nach dem Verlust ihres Vermögens noch weiter darauf beharren, Christen zu sein, auch mit dem Tode bestraft werden sollen“.282 Ebenso sollte gegen vermögende Frauen und kaiserliche Hofbeamte vorgegangen werden – in diesen Kreisen war das Christentum offensichtlich bereits so heimisch geworden, dass es ein Konfliktpotenzial darstellte. Dies lässt die Nachricht des Bischofs Dionysius von Alexandrien als denkmöglich erscheinen, trotz der harten Christenverfolgung unter Decius (249–251) sei schon unter Valerian wieder „der ganze Hof voll von gottesfürchtigen Männern und einer Gemeinde Gottes“283 gewesen. Umgekehrt berief sich Tertullian zur Abwehr einer neuerlichen Verfolgung in seiner Schrift an den Prokonsul Scapula auf das Verhalten des Kaisers Septimius Severus gegenüber hochgestellten Christen: „Im Wissen darum, dass Frauen und Männer aus dem Stand der clarissimi dieser Sekte angehörten, tastete er diese nicht nur nicht an, sondern ehrte sie vielmehr mit seinem Zeugnis und widerstand öffentlich dem Volk, das gegen uns wütete.“284

innovative Moment des Christentums (aaO. 221): „What was most strikingly new was the organized community and the gradual accumulation of a group of virtually unchangeable textes… The written word thus came to exercise religious power in a somewhat novel way.“ 280 ECK 1971. Es ist m.E. durchaus legitim, seine Erkenntnisse über den Senatorenstand bzw. die von Schöllgen zu Karthago – mit gebotener Vorsicht – auch für andere Schichten bzw. Regionen für aussagefähig zu halten; die einzige echte Ausnahme ist vermutlich Rom! 281 Pont. vita Cypr. 14 (CV,21–23 H.): „conueniebant interim plures egregii et clarissimi ordinis et sanguinis, sed et saeculi nobilitate generosi…“; Übers. BAER, BKV 34, 25f.; dazu s.o. S. 92. 282 Cypr. ep. 80,2 (626,10–627,18 D.): „senatores uero et egregii uiri et equites Romani dignitate amissa etiam bonis spolientur et si ademptis facultatibus christiani [esse] perseuerauerint, capite quoque multentur“; Übers. GUYOT/KLEIN I 153. 283 Eus. h.e. VII 10,3 (650,8f. Sch.): πᾶς τε ὁ οἶκος αὐτοῦ θεοσεβῶν πεπλήρωτο καὶ ἦν

ἐκκλησία θεοῦ; Übers. GÜLZOW 1974, 215. 284 Tert. Scap. 4,6 (1131,33–35 D.): „clarissimas feminas et clarissimos uiros… sciens huius sectae esse non modo non laesit, uerum et testimonio exornauit et populo furenti in nos palam resistit“; vgl. ECK

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Bei den betreffenden Christen handelte es sich wohl um Mitglieder der familia Caesaris, die „aufgrund ihres persönlichen Patronatsverhältnis zum Kaiser einen besonderen Schutz vor gerichtlichen Denunziationen genossen.“285 Dies schützte freilich die senatorische Dame Flavia Domitilla, eine Nichte des T. Flavius Clemens (Konsul des Jahres 95) und Verwandte Domitians, nicht davor, aufgrund ihres christlichen Bekenntnisses vom Kaiser auf die Insel Pontia verbannt zu werden.286 Gewiss darf keine Massenkonversion senatorischer Adliger unterstellt werden – dass aber das Christentum tatsächlich Menschen „jeden Alters, jeden Standes und beider Geschlechter“ vereinte, wie schon Plinius der Jüngere erstaunt vermerkte287, erscheint von hier aus nicht abwegig. Ein wörtliches Verständnis der Rede des Octavius: „Dass man uns vorwiegend pauperes nennt, gereicht uns nicht zur Schande, sondern zum Ruhm“288, führt in die Irre, insofern „pauper“ als Relationsbegriff nicht auf eine objektiv definierte (Unter-) Schicht hinweist, sondern eine subjektive Wahrnehmung „von oben herab“ ausdrückt.289 Dies gilt umso mehr, als hier eine Zuschreibung seitens der „Heiden“ referiert, nicht eine christliche Selbstbeschreibung formuliert wird. Die Unangemessenheit dieses Vorwurfs 1971, 384. Zu den clarissimi gehörte z.B. die Gattin des L. Claudius Herminianus, Statthalter von Kappadozien (Scap. 3,4; 1129,23f. D.); vgl. LAMPE 1987, 287. 285 L AMPE 1987, 282; zur Prosopographie dieser Gruppe vgl. aaO. 296 Anm. 677. 286 Hier. chron. a. 96 (192,14–19 H.): „Scribit Bruttius plurimos Χρι anorum sub Domitiano fecisse martyrium, inter quos et Flauiam Domitillam, Flauii Clementis consulis ex sorore neptem, in insulam Pontiam relegatam, quia se Χριanam esse testata sit“; in Eus. h.e. III 18,4 (232,7–11 Sch.) wird dies ohne Nennung der Quelle wiederholt. Bei Cassius Dio wird die Verbannung – mit den selben Protagonisten, nur wird Flavia Domitilla als Ehefrau des Konsuls bezeichnet – mit ἀθεότης begründet, die hier als „ein Vergehen, dessentwegen auch viele andere, die zu Juden-Sitten neigten, verurteilt wurden“ spezifiziert wird (LXVII 14,1f.: ὑφ᾿ ἧς καὶ ἄλλοι ἐς τὰ τῶν ᾿Ιουδαίων ἤθη ἐξοκέλλοντες πολλοὶ κατεδικάσθησαν); Übers. LAMPE 1987, 166. Eher betrachtete Cassius Dio das christliche Bekenntnis als Spielart des Judentums, als dass Bruttius aus einer Jüdin eine Christin machte; es darf daher als plausibel gelten, dass „eine Flavia Domitilla senatorischen Ranges aus dem flavischen Hause Christin“ war (aaO. 171). 287 Plin. ep. X 96,9 (357,2–6 Schuster/Hanslik): „multi enim omnis aetatis, omnis ordinis, utriusque sexus etiam, vocantur in periculum et vocabuntur. neque civitates tantum, sed vicos etiam atque agros superstitionis istius contagio pervagata est; quae videtur sisti et corrigi posse.“ GUYOT/KLEIN I, 383f. Anm. 10 weisen allerdings darauf hin, dass hiermit keine Senatoren, sondern nur Angehörige der munizipalen Aristokratie, des ordo decurionum, gemeint sind; vgl. WISCHMEYER 1992, 29f. Vgl. Tert. Scap. 5,2 (1132,9f. D.): „tot uiris ac feminis omnis sexus, omnis aetatis, omnis dignitatis“; nach apol. 37,4 (148,20–23 D.) hätten die Christen „Dekurien, Palast, Senat und Forum“ überflutet und den Heiden allein die Tempel gelassen! 288 Oct. 36,3 (34,12f. K.): „quod plerique pauperes dicamur, non est infamia nostra, sed gloria“. 289 SCHÖLLGEN 1989, 38 zur Kritik an L AMPE 1987, 112. Vgl. als Beispiele aus späterer Zeit Augustins (ironisch zu verstehende) Selbstcharakteristik in serm. 356,13 (PL 39, 1580): „homo pauper de pauperibus natus“ sowie das (ernst gemeinte) Urteil in Sidon. ep. IV 7,2 (II 126 Loyen) an Simplicius über einen reichen Sklavenbesitzer, dem jegliche Bildung und daher jedes Sozialprestige abgehe und der deswegen „trepidus ad conloquium, rusticus ad laetitiam, pauper ad mensam“ sei (dazu KAUFMANN 1995, 257 Anm. 807).

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geht schon aus der literarischen Form der Entgegnung hervor, die sich auf Augenhöhe an die bildungstragenden Schichten richtet. Insofern erstaunt es nicht, dass Diocletian zu Beginn seiner Christenverfolgung dekretierte, Christen sollten umgehend ihre Ämter und Würden verlieren, „welchem Stand oder Rang sie auch entstammten“290; mit der Möglichkeit, unter den Senatoren Christen zu finden, wurde also fest gerechnet. Damit wird durch eine den Christen ganz sicher nicht geneigte Quelle bestätigt, dass diese in den Schichten präsent waren, in denen Bildung notwendig war, um die Karriereleiter zu erklimmen. Euseb berichtet über den jungen Apphianus aus Caesarea, einen der Märtyrer in Palästina: „Er stammte von Eltern, welche große irdische Reichtümer ihr eigen nannten, und so hatte er sich früher längere Zeit zum Studium der weltlichen Bildung der Griechen in Berytos aufgehalten“291, d.h. in einem Zentrum antiker Kultur und am Sitz einer herausragenden Juristenschule. Auch wenn nur wenige Christen senatorischen Standes namentlich bekannt sind292, ist davon auszugehen, dass die bei Tertullian sich andeutenden Probleme im Christentum grundsätzlich real waren. Dadurch wird sozialgeschichtlich plausibel, was Arnobius zu Beginn des 4. Jahrhunderts als Beleg für die Glaubwürdigkeit des Christentums anführte: „Männer mit so großen Anlagen ausgestattet, öffentliche Redner, Grammatik- und Rhetoriklehrer, Rechtsgelehrte, Mediziner, die die Geheimnisse der Philosophie erforschten, sie nehmen diese Lehre auf und achten das gering, woran sie kurz zuvor glaubten.“293

Demnach war das Christentum nicht nur unter den Trägern höherer Bildung präsent, sondern auch in der Gruppe derer, die diese Bildung professionell vermittelten. Obwohl sich hieraus natürlich keine quantitativen Angaben ableiten lassen, scheint es doch zu Beginn des 4. Jahrhunderts keine Außerge290 Zit. nach Lact. mort. pers. 13,1 (FC 43, 122,2–4 Städele): „ut religionis illius homines carerent omni honore ac dignitate, tormentis subiecti essent, ex quocumque ordine aut gradu venirent“; vgl. Eus. h.e. VIII 2,4 (742,14 Sch.): τοὺς µὲν τιµῆς ἐπειληµµένους ἀτίµους (γενέσθαι). 291 Eus. m.P. 3 (GCS Eusebius II/2, 912,8–11 Schwartz): πρῶτον µὲν οὖν τῆς ῾Ελλήνων

παιδείας ἕνεκα κοσµικῆς (ἐντύγχανε γὰρ καὶ τῶν κατὰ κόσµον εὖ µάλα πλούτῳ περισσεοµένων)

τὸν πλείονα κατὰ τὴν Βηρυτὸν διατρίψας χρόνον; Übers. BIGELMAIR, BKV 9, 281f. 292 ECK 1971, 388–391, nennt sieben dem Senatorenstand zugehörige Männer und Frauen aus vorkonstantinischer Zeit; bei elf weiteren Personen ist die Datierung unsicher, während in elf anderen Fällen bislang wohl zu Unrecht auf senatorische Herkunft geschlossen wurde (aaO. 391–395). Die bekannten Personen schließen die Gattin des kappadozischen Statthalters ein (s.o. Anm. 284) sowie die Gattin eines römischen Stadtpräfekten unter Maxentius (so Eus. h.e. VIII 14,16f.; 786,2–15 Sch.; nach Rufin [GCS Eusebius II/2, 787,14 Mommsen]: Sofronia) und die eines syrischen Statthalters (Hipp. Dan. IV 18,3; 234,22– 236,2 R.), den „Konsul und Märtyrer“ Liberalis (ILCV 56) und Astyrius aus Syria Palaestina (Eus. h.e. VII 16f.; 670,10–672,2 Sch.). Mit Crispina aus Thagara (Africa Proconsularis; gest. 304) fiel der diocletianischen Verfolgung mindestens eine senatorische Frau zum Opfer. 293 Arnob. nat. II 5 (CSEL 4, 50,24–27 Reifferscheid): „tam magnis ingeniis praediti oratores, grammatici, rhetores, consulti iuris, medici, philosophiae etiam secreta rimantes magisteria haec expetunt spretis quibus paulo ante fidebant.“

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wöhnlichkeit darzustellen, dass Grammatiker, Rhetoren und „Fachgelehrte“ wie Juristen und Ärzte dem Christentum zuzurechnen waren. Dieses Argument gewinnt seine Bedeutung nicht zuletzt aus der Erinnerung an Tertullians Verdikt, dass Christen vielleicht Schüler, niemals aber Lehrer im römischen Schulsystem sein könnten (s.o. S. 67f.). Arnobius stellt sich hingegen nicht die Frage, ob für die angesprochene Personengruppe die Geringachtung dessen, „was sie kurz zuvor glaubten“, Schwierigkeiten im ausgeübten Beruf bringen könnte. Für die genannten Standes- und Berufsgruppen lassen sich Beispiele anführen, die seine Behauptung untermauern, das Christentum habe sich auch unter den Gebildeten verbreitet: – Der oft diskutierte juristische Grundzug im Schrifttum Tertullians spiegelt die Erfahrung mit der öffentlichen Rede vor Gericht (s.o. S. 69f.). – In der römischen Kallist-Katakombe ließ eine gewisse Ianuaria ihren Gatten Gorgonus, einen magister primus, verewigen.294 – Im nordafrikanischen Cirta fungierte Victor, Sohn eines Dekurion, mindestens von 303 bis 320 als grammaticus – und als lector seiner Gemeinde.295 – Cyprian war Rhetoriklehrer, bevor er Christ wurde (s.o. S. 90). – Im Jahr 357 starb im afrikanischen Cartenna der medicus Rozon (Rhodon?) mit 70 Jahren; seine Schulbildung fiel also in vorkonstantinische Zeit.296 – Minucius Felix war möglicherweise causidicus in Rom (s.o. S. 81 Anm. 95), repräsentiert also die Rechtsgelehrsamkeit; zugleich gehören er und seine Gesprächspartner zu denen, die über die Schulbildung hinaus „die Geheimnisse der Philosophie erforschen“, was natürlich auch für Tertullian gilt. – Aus den Jahren 225 und 226 stammt die Grabinschrift im afrikanischen Sitifi (Setif) für den Notar und homo ingeniosissimus Praetorianus.297 – In der Domitilla-Katakombe setzte der scriba collegi magni Onesimus – ein kaiserlicher Freigelassener, der im Umfeld der Augusti als Schreiber fungierte – der Aelia Laurentina ein Denkmal.298 294 ILCV 720 = DACL IV/2, 1737 (fig. 3903) = WISCHMEYER 1982, 45 Nr. 17: Die Profession wird durch eine eingravierte Schriftrolle mit der Ordnungszahl primo verdeutlicht. 295 V ÖSSING 1997, 309 Anm. 1122 mit Verweis auf LEPELLEY 1981, 394f. Bei einer Befragung am 13.12.320 durch den consularis Numidae Domitius Zenophilus, in deren Verlauf die Rede auf eine Anhörung am 19.5.303 vor Munatius Felix, flamen perpetuus und curator coloniae Cirtensium, kam, gab Victor als Beruf an: „professor sum Romanorum litterarum, grammaticus latinus“ (Gesta apud Zenophilum; CSEL 26, 185,9f. Ziwsa; dazu WISCHMEYER 2001, 133) überliefert. Zu Victor vgl. PCBE I, 1152; KASTER 1988, 372 Nr. 161. 296 ILCV 614: bone memo|riae Rozoni | medici. uixit | annis LXX, dies | XX, precessit | nos in pace | XV kal. Maia[s] | (a.) pr. CCCXVII. | Gaia uiro d[ul]|cissimo fecit. 297 ILCV 710 = CIL VIII 8501 = ILS 7757: memoriae | Praetoriani, | fili dulcissi|mi, homini | ingeniosissimo, nota|rio. u. an. XVII, | m. VIII, d. XVII. Romae | decessit XV k. Non. a.p. CLXXXVI. 298 ILCV 705A = CIL VI 10253: d.m. | Aeliae Lauren|tinae dignissi|mae Onesimus Augg. lib. | scriba collegi magni.

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Freilich ist nicht nur unklar, auf welche Augusti sich die letztgenannte Inschrift bezieht; auch ihr christlicher Charakter, der im Prinzip nicht zu bezweifeln ist, wird allein durch den Ort indiziert. Dies verweist auf ein Grundproblem der vorkonstantinischen epigraphischen Quellen: Weder ist ein fixiertes christliches Grabformular für die ersten drei Jahrhunderte nachzuweisen oder vorauszusetzen, noch kamen die Katakomben als hinreichend eindeutige christliche Begräbnisstätte vor dem 3. Jahrhundert in Gebrauch.299 Auch die Zugehörigkeit des Bestatteten oder des Stifters zum Christentum muss nicht notwendigerweise auf dem Epitaph vermerkt sein. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass in der rechtlich ungesicherten Situation der frühen Christenheit auf allzu offensichtliche Bekundungen verzichtet wurde.300 Dies gilt zumal für Angehörige des kaiserlichen Beamtenapparats wie Marcus Aurelius Prosenes († 3. Mai 217), der unter Kaiser Commodus beim procurator castrense „Kammerdiener“, „Obergarderobier“, „Verwalter des kaiserlichen Hausgutes“, „Intendant der Gladiatorenspiele“ und „Kellermeister“ wurde, auf dem Heimweg vom Partherfeldzug Caracallas verstarb und in Rom bestattet wurde: An der rechten Seite seines Sarkophags ließ sein Freigelassener Ampelius die Aussage nachtragen, der Verstorbene sei „bei Gott aufgenommen worden“ (receptum ad Deum) – in Anknüpfung an die traditionelle Wendung „dei manes receperunt“, die damit in charakteristischer Weise umgewertet wird.301 Dass auf dem Sarkophag des Prosenes Kaiser Commodus als divus bezeichnet wird, muss nicht gegen die Christlichkeit des Verstorbenen sprechen: Ein prominenter Katechumene behielt sein für Christen anstößiges 299

KAJANTO 1980, 98. So stammt die in Anm. 298 zitierte Grabinschrift zwar aus der Domitilla-Katakombe in Rom, wird aber mit „d.m.“ (= dis manibus) eingeleitet, was sich auch auf vielen späteren, sicher christlichen Grabsteinen findet; vgl. LAMPE 1987, 122. Das früheste Gegenbeispiel ist wohl die Aberkios-Inschrift (Hierapolis/Phrygien, 2. Jh.; vgl. Guntram KOCH, RGG4 1, 1998, 62f.), die nach WIRBELAUER 2002, 381f. ein gedeihliches Miteinander der Christen vor Ort nahelegt, wie das auf Dauerhaftigkeit und Öffentlichkeit angelegte Medium impliziert! 301 ILCV 3332: M. Aurelio Augg. lib. Proseneti | a cubiculo Aug., | proc. thesaurorum, | proc. patrimoni, proc. | munerum, proc. uinorum, | ordinato a divo Commodo | in Kastrense, patrono piissimo | liberti benemerenti | sarcophagum de suo | adornauerunt. Auf der rechten Seite des Sarkophags: Prosenes receptum ad deum V non. […]ias S[ame in Cephalle?]nia Praesente et Extricato II. (conss.) regrediens in urbe ab expeditionibus scripsit Ampelius lib. Übers. nach DIEHL 1913 Nr. 163; vgl. ECK 1971, 398. WISCHMEYER 1992, 49–51 interpretiert den Nachtrag des Ampelius als Ausdruck des Willens des Verstorbenen, die Zugehörigkeit seiner familia zum Christentum zu demonstrieren. Zur Person LAMPE 1987, 278–282, der die Überführung des Leichnams nach Rom (nicht nur einer handlichen Urne mit der Asche des Verstorbenen) als Hinweis auf das Christentum des Prosenes wertet (279). Seine Vermutung, dieser sei erst nach seiner Amtszeit als procurator munerum Christ geworden (280), stützt sich auf trad. ap. 15 (246,14f. G.), wonach der „publicus qui est in re gladiatoria“ als Taufbewerber abgewiesen werden solle. Neben der schwierigen Datierung setzt Lampe dabei voraus, dass diese Bestimmung eingehalten und nicht nur eingeschärft wurde – SCHÖLLGEN 1989, 32 sieht hier „eher einen Gegenentwurf des dissentierenden Hippolyt gegen manche Mißstände der großkirchlichen Praxis“. 300

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Amt, um „eine Fassade“ zu pflegen, „die seine Christlichkeit nicht sofort verriet“302; man wird aber aus dem apologetischen und polemischen Schrifttum der Zeit nicht umstandslos schließen dürfen, dass die Antithese zwischen Christentum und „Heidentum“ für jeden Christen so eindeutig war. Deutlich ist jedoch, dass ein Christ zwischen den (wenigen) intensiven Verfolgungsphasen durchaus hohe Ämter im Umfeld des Kaisers versehen konnte.303 Als um 222/24 mit Julius Africanus ein herausragender griechischsprachiger Gelehrter Rom besuchte, fand auch er in höchsten Kreisen freundliche Aufnahme und wurde von Kaiser Alexander Severus sogar damit betraut, die Bibliothek des Pantheons einzurichten; für keinen der Beteiligten scheinen sich dabei aus Africanus’ Zugehörigkeit zum Christentum Probleme ergeben zu haben.304 Die Bemerkung des Octavius, die Christen verachteten „Ehrentitel und Purpurgewänder“, ist daher unbedingt als rhetorischer Topos zu verstehen: Obwohl die Christen weltliche Ehren bewusst gering schätzen, rekrutieren sie sich dennoch gerade nicht „aus dem Bodensatz des Volkes“.305 Darin spiegelt sich die Irritation gebildeter Zeitgenossen über das neuartige Phänomen des Christentums.306 Die vorsichtige Dokumentation der Zugehörigkeit des Prosenes zum Christentum unterstreicht, dass im 3. Jahrhundert das christliche Bekenntnis von Mitgliedern hoher Gesellschaftsschichten für

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L AMPE 1987, 281. Vgl. WISCHMEYER 1992, 49–54 zur Bedeutung der Freigelassenen am Kaiserhof eingangs des 3. Jh.s. ECK 1971, 396 Anm. 83 notiert, dass „die ersten allgemeinen Hinweise auf Christen im Senatorenstand und die ersten konkreten Beispiele zeitlich zusammentreffen, nämlich jeweils unter Septimius Severus. Diese Entwicklung dürfte in der Friedenszeit der Kirche unter Commodus ihren Anfang genommen haben“ – also bei dem Kaiser, der M. Aurelius Prosenes in seine Ämter einsetzte und unter dem das Christentum am Kaiserhof generell an Verbreitung und Einfluss gewann (vgl. GÜLZOW 1974, 211–213). 304 WISCHMEYER 1992, 45f.; vgl. Gabriele B ROSZIO , Julius Africanus, in: LACL 3 , 408f. 305 Min. Fel. Oct. 31,6 (30,11f. K.): „Nec de ultima statim plebe consistimus, si honores vestros et purpuras recusamus…“. LAMPE 1987, 96 nimmt dies dagegen als Beleg dafür, dass „die Zahl der Christen im Senatorenstand um die Wende vom 2. zum 3. Jh. … noch nicht gross gewesen“ sein könne. Jedoch will Minucius Felix hier überhaupt keine empirisch auswertbare Aussage treffen (vgl. auch oben S. 118f.), sondern lediglich auf den Vorwurf des Caecilius (8,4; 7,4f.) reagieren: „honores et purpuras despiciunt ipsi seminudi.“ Es geht also um die apologetische Wendung eines Vorwurfs, der damals offenbar in gebildeten paganen Kreisen kursierte und den z.B. auch Porphyrius aufgreift (Contra Christianos frg. 4; 46 von Harnack = Hier. tract. in psalm. I 81,8; CChr.SL 78, 89,226f. Morin): Die Apostel seien „homines rusticani et pauperes“ gewesen, „quoniam nihil habebant“; vgl. SCHÖLLGEN 2002b, bes. 160. 306 S CHÖLLGEN 2002b, 171: „Eine sozial heterogene religiöse Gruppierung, die sich nicht auf kultische Vollzüge und geselliges Leben beschränkte, sondern ihre religiösen Überzeugungen – wenn auch zT. noch mit bescheidenem theoretischen Rüstzeug – theologisch und philosophisch reflektierte, stellte in der Kaiserzeit eine Neuerung dar, für die noch keine Wahrnehmungskategorien zur Verfügung standen. Der Vorwurf der sozialen Niedrigkeit ist auch Ausdruck der Ratlosigkeit der gebildeten Zeitgenossen.“ 303

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Verwunderung sorgen konnte.307 Angesichts dessen wird man die von Tertullian und Cyprian gezogene scharfe Trennlinie kaum dahingehend verallgemeinern dürfen, dass alle Gemeindeglieder ihre Konversion als radikalen Bruch mit „weltlichen“ Ambitionen betrachtet hätten. 3.2. Vor der „konstantinischen Wende“: Eine ungelöste Frage Die lateinische Christenheit der vorkonstantinischen Zeit war in ihr gesellschaftliches und kulturelles Umfeld eingebunden, damit aber auch in entsprechende Erwartungshaltungen, was die soziale Partizipation an den Institutionen der spätantiken Städte und Gemeinwesen anging. Sich diesen Erwartungen zu verweigern war im Einzelfall möglich und musste nicht zwangsläufig das Martyrium nach sich ziehen. Grundsätzlich ist aber nicht zu erkennen, dass die Christen die römische Kultur, die dafür maßgebliche Bildung und die Institutionen ihrer Vermittlung abgelehnt hätten. Die Apologeten demonstrieren vielmehr das Bemühen, zur hellenistischen Paideia ein Verhältnis zu entwickeln – sei es durch das Postulat einer fundamentalen Harmonie der Wahrheitsansprüche (Justin) oder durch die Darstellung des Christentums als einer „barbarischen“ Philosophie (Tatian). Antike Bildung konnte und sollte als gemeinsamer Bezugsrahmen mit den „Heiden“ nicht überstiegen werden. Analog dazu positionieren sich Minucius Felix und Tertullian innerhalb dieses Feldes von Bildungsvoraussetzungen, der eine auf Übereinstimmung bedacht, der zweite in ostentativ schroffer Abgrenzung, die aber immer erkennen lässt, dass der Christ weiß, was er bei den „Heiden“ kritisiert und was er andernorts selbst als Maßstab zur Geltung bringen kann – so wird der montanistische Mitchrist Proculus von Tertullian „als Beispiel jungfräulicher Greisenhaftigkeit und christlicher Beredsamkeit“ gepriesen.308 Damit wird die Dimension des innerchristlichen Klärungsprozesses berührt, welche und wieviel Bildung ein Christ erwerben dürfe. Die harschen Verdikte Tertullians und Hippolyts gegenüber der griechischen Philosophie sind in den Kontext der antihäretischen Polemik einzuordnen: Umfassende Bildung wurde angesichts der anspruchsvollen, durch philosophische Denkmuster gestützten gnostischen Spekulationen als gefährlich betrachtet, auch wenn die Kritiker die eigene Faszination am Wissen kaum verhüllt erkennen lassen. Der Sachverhalt, dass eine „schulmäßige“ Theologie in vorkonstantinischer Zeit stets der Privatinitiative überlassen blieb, erklärt sich zum Teil aus der Reserve gegenüber solchen unkontrollierten Versuchen, das Göttliche zu denken. Der Verdacht, übermäßiges Vertrauen auf die Schulbildung führe zu Häresie, tritt in Cyprians Kritik an Novatian deutlich hervor und lässt sich als Spannungsverhältnis zwischen Bischof und Lehrer prinzi307 308

Dies trifft noch für das späte 4. Jh. zu (z.B. für Paulinus von Nola, s.u. S. 146–148). Adv. Val. 5,1 (88,10f. Fr,): „uirginis senectae et Christianae eloquentiae dignitas“.

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pialisieren, wie es ebenso in Alexandrien zwischen Origenes und Demetrius bestand. Der grundsätzliche Konflikt um die Aneignung heidnischer Bildung erhält damit zu Beginn des dritten Jahrhunderts eine spezifisch kirchliche Dimension; vor die regula fidei, die Tertullian noch ausreichend zum Einspruch gegen alle Häresien erschien, schiebt sich das kirchliche Amt als Instanz der Wahrung der rechten Lehre und Tradition – ein Prozess, der zu neuen Kautelen gegenüber dem Bildungsbesitz besonders von Klerikern führen wird.309 Offensichtlich wurde solcher Bildung gerade von den über den römischen Bischofsstuhl entscheidenden Kreisen große Skepsis entgegengebracht: Dem hochgebildeten Novatian wurde mit Cornelius ein intellektuell keineswegs herausragender Mann vorgezogen, ebenso wie Kallist dem Hippolyt ein halbes Jahrhundert zuvor (nach Tertullian passierte dasselbe auch Valentin). Kaum zufällig betont Hippolyt, dass nicht geistige Einfachheit an sich der Königsweg sei: Nicht nur Häretikern wie den Quartodezimanern wird attestiert, sie seien „streitsüchtig von Natur, ohne jede wissenschaftliche Bildung und recht auf Händel erpicht“310, dies gelte vielmehr auch für Glieder der römischen Gemeinde. Hippolyt geht hart mit seinen innergemeindlichen Konkurrenten ins Gericht, deren Inkompetenz sich gerade an ihrer fehlenden Bildung zeige: „Einige dreiste Nichtswisser sind daran gegangen, die Kirche zu zerreißen“311, allen voran Kallist, ein ehemaliger Sklave des Karpophorus, eines christlichen Angehörigen des Kaiserhauses.312 Jener habe Macht über Bischof Zephyrin gehabt, „einen ungelehrten und ungebildeten Mann, der die kirchlichen Verordnungen nicht kannte“313 und statt dessen auf schändlich erworbenen Gewinn ausgewesen sei.314 Hippolyt bietet seine rhetorische und philosophische Bildung auf, um sich als rechter Bischof zu präsentieren, der sowohl die Heilige Schrift kunstgerecht auszulegen als auch den Gnostikern angemessen zu begegnen weiß. Natürlich liegt eine polemische Absicht vor; dass die Auseinandersetzung zwischen Kallist und Hippolyt aber auch ein Streit zwischen einem pragmatischen Aufsteiger und einem gebildeten Literaten war, ist charakteristisch für das Verständnis der Geschichte der römischen Gemeinde in jener Zeit. Hippolyt scheiterte mit seinem Versuch, 309

Dazu unten S. 307–320. Hipp. haer. VIII 18,1 (337,1f. M.): φιλόνεικοι τὴν φύσιν, ἰδιῶται τὴν γνῶσιν,

µαχιµώτεροι τὸν τρόπον; Übers. BKV 40, 235f. 311 Haer. IX 6,1 (342,4 M.): τίνες ἀµαθεῖς καὶ τολµηροὶ διασκεδαν[ν]ύειν ἐπεχείρησαν τὴν

ἐκκλησίαν; Übers. BKV 40, 239. 312 Haer. IX 12,1 (350,1f. M.); vgl. LAMPE 1987, 282f. 313 Haer. IX 11,1 (349,3f. M.): ἄνδρα ἰδιώτην καὶ ἀγράµµατον καὶ ἄπειρον τῶν

ἐκκλησιαστικῶν ὅρων. Zu Zephyrin vgl. RÜPKE/GLOCK 1386f. Nr. 3585; zu Kallist vgl. aaO. 846f. Nr. 1039 s.v. Calixtus (I): Hippolyt biete an der eben zitierten Stelle „eine polemische Lebensbeschreibung, die von der Auseinandersetzung zwischen dem Verfasser und Calixtus geprägt ist und dessen Ansehen als Bekenner und hochrangiger Kleriker zerstören will.“ 314 Haer. IX 7,1 (342,6 M.): ἀνὴρ ἰδιῶτης καὶ αἰσχροκερδής. 310

3. Christen als Schüler und Lehrer

125

der griechischen Bildung in Rom Geltung zu verschaffen: Um die Mitte des 3. Jahrhunderts wurde das Lateinische zur Korrespondenzsprache und damit auch in Fragen der Schulbildung zum Pendant der römischen eruditio. Die innerchristlichen Auseinandersetzungen über den Umgang mit dieser eruditio werfen ihre Schatten bereits voraus, indem „zwischen den Zeiten“, nach Tertullian und Cyprian und vor Laktanz und Arnobius, erstmals eine vehemente Anklage des gewissenlosen Auftretens der Rhetoren vor Gericht aus christlicher Perspektive laut wird. Ankläger ist der erste christliche Dichter, der in vieler Hinsicht rätselhafte Commodian, dessen carmen apologeticum wohl auf ca. 260 n.Chr. zu datieren ist.315 Die poetische Form wird hier für eine Fundamentalkritik an Schulbildung und Gerichtspraxis herangezogen, die zutiefst verwerflich sei, weil sie dem Geldbeutel, nicht dem Leben diene: „Man liest Vergil, Cicero, ebenso auch Terenz. Die schaffen nichts als Geist, vom Leben hingegen wird geschwiegen. Was hilft es, vergebens Dingen der Welt auf Erden nachzugehen und von den Lastern der Könige zu wissen, von ihren Kriegen, und das wahnsinnige Forum kennenzulernen als Rechtskundiger, dass nämlich das Recht unberechenbar ist, wenn man’s nicht gerade mit Honorar steuert? Mag einer ein Verteidiger sein, mag er ein gottbegnadeter Redner sein – es wird ihm im Tode nichts nützen, wenn er im Leben gegen Christus geleugnet hat. Vielmehr soll er zuerst danach forschen, wo sein Leben seinen Ort gefunden hat, wenn er weise ist – andernfalls wird er getadelt.“316

Mit den zitierten Schulautoren werden Grammatik- und Rhetorikunterricht angesprochen, der Focus richtet sich jedoch nach der kurzen Anspielung auf den mythologischen Lernstoff ganz auf die Berufspraxis vor Gericht, sowohl des iure peritus, des juristischen Fachmannes, als auch des öffentlichen Redners, des diuinus orator. Beiden wird vorgeworfen, dass ihre Kunst dem dient, der am besten zahlt, anstatt sich darum zu kümmern, wie ihr Leben so gestaltet werden kann, dass es im Jüngsten Gericht Bestand habe. Im Ton prophetischer Sozialkritik wird den Rednern ihre Skrupellosigkeit vorgehalten: „Jene lesen Rechtsquellen und lernen wunderbare Sprüche, aber die Armen, für die sie sprechen, stecken sie bei ihrem Auftritt in die Tasche. Unglücklich ist, wer ihnen in den Mund geraten ist. Sie tragen Ruhm davon und er den Sieg – mit Geldverlust. Der Arme steht stumm vor der Öffentlichkeit, er, dem es innendrin mehr wehtut. Sie tönen mit dem Mund, er im Stillen mit den Geldstücken. Derweil lärmt die Stimme täglich, gut dotiert, und oft wird eine schlechte Sache besser, wenn man noch ein wenig mehr gibt.“317

315

Zur Person s. Eberhard HECK, HLL 4, 628–637; Siegmar DÖPP, in: LACL 3, 161f. Comm. apol. 583–592 (153 D.): „Vergilius legitur, Cicero aut Terentius idem; / nil nisi cor faciunt, ceterum de uita siletur. / quid iuuat in uano saecularia prosequi terris, / et scire de uitiis regum, de bellis eorum / insanumque forum cognoscere iure peritum, / quod iura uacillant, praemio ne forte regantur? / sit licet defensor, sit licet diuinus orator, / nil morte proficiet, si uiuus in Christo negauit. / immo prius quaerat ubi sit sua uita redacta, / si fuerit sapiens; si ceterum, uituperatur“; ich zitiere hier und im Folgenden die Prosaübertragung von HECK 1990, 114. 317 Comm. apol. 593–600 (153f. D.): „Illi legunt iura et discunt proloquia mira, / sed superant miseros, pro quibus loquuntur, agendo. / infelix est ille, qui uenerit illis in ore; / illi ferunt laudes et ille 316

126

II. Christentum und Bildung in vorkonstantinischer Zeit

Die Betonung von Mund (os) und Stimme (uox) verweist auf die Oberflächlichkeit der kritisierten Gerichtsredner, die sich allein an der Bezahlung, nicht an der zu vertretenden Sache orientiert. Nicht dem Bedrängten zu einer öffentlichen Stimme zu verhelfen ist ihr Ziel, sondern Geld und Ruhm aus der Not anderer zu machen, dazu qualifiziert die rhetorische Ausbildung. Darin scheint – gut paulinisch – die zutiefst törichte Weisheit der Welt durch: „Hier sucht der Weise seinen Preis, hier freut er sich zu siegen. Auch wenn er’s verkehrt macht, er schafft sich krank, wenn er nur Sieger wird. Nichts treibt er in eigener Sache, wenn er sich um Gewinn müht. Er nimmt die Hoffnung eines anderen auf sich und lässt die eigene hinter sich fahren… O allzu glücklich einer, wenn er der Weltlichkeit entkommt! Soll er den anderen ein Tor sein, wenn er nur ein Weiser ist dem höchsten Gott.“318

Commodian zielt also auf wahre Weisheit, die ganz im Gegensatz zu den saecularia steht, die die vermeintlichen „Schulweisen“ mit Beschlag belegen. Der Dichter Vergil, der Theaterautor Terenz und der Rhetor Cicero, die eingangs als Beispiele der Schulbildung genannt werden, führen den Menschen in die Irre, weil sie ihn zu der Ansicht verleiten, ihre Kenntnis nütze ihm fürs Leben – was sie tatsächlich gerade nicht tun, weil er das Ziel des Lebens verfehlt. „Das ist die ganze Hoffnung: Gott glauben, der am Holzstamm gehangen; mag es auch eine hässlichen Sache sein, aber nützlich für das künftige Leben.“319 Angesichts dieser Kontradiktion von Lebensgestaltung als Nachfolge Gottes einerseits, als Streben nach größtmöglichem Ruhm und Geldwert andererseits bleibt kein Raum für eine positive Bewertung der Schulbildung – ein „rhetorisches Paradox“ im Sinne Averil Camerons (s.o. S. 18f.), insofern diese Fundamentalkritik nicht in einem sermo piscatorius, sondern im Versmaß des daktylischen Hexameters geschrieben ist.320 Dies deutet darauf hin, dass die Pointe (wie später bei Augustin) nicht in der Verwerfung der Schulbildung als solcher liegt, sondern in deren notwendiger – und außerhalb des Christentums nicht zu findender – ethischer Fundamentierung. Deutlich wird aber aber auch, dass die pointiert geäußerte Skepsis gegenüber dem Erwerb der Schulbildung für das frühe lateinische Christentum nicht einfach als repräsentativ angesehen werden kann – ebenso wenig wie Augustins Selbstkritik an seiner Tätigkeit als Rhetor (s.u. S. 376f.). Der Beuictoriam damnis. / stat miser in medio mutus, cui plus dolet intus; / illi tonant ore et ille silentio nummis. / obstrepit interea uox adornata diurnum, / et saepe fit causa melior mala pluscula dando.“ 318 Comm. apol. 601–604.613f. (154f. D.): „hinc pretium quaerit sapiens, hinc uincere gaudet; / etsi praue gerat, dum sit modo uictor, aegrotat. / nil sua de causa tractat, cum lucra conatur; / spem subit alterius et sua posterga remittit… o nimium felix, saecularia si quis euitet! / sit stultus aliis, sapiens dum sit deo summo.“ 319 Comm. apol. 615f. (155 D.): „ipsa spes est tota, deo credere, qui ligno pependit; / foeda licet res est, sed utilis uitae futurae.“ 320 S. aber HECK , HLL 4, 635: Im einfachen Versmaß und im teils umgangssprachlichen Vokabular drücke sich eine gewollte Abkehr von der antiken Bildungstradition aus.

3. Christen als Schüler und Lehrer

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richt Cyprians über den jungen Aurelius, der illiterat war, später aber das Amt eines Lektors übernehmen sollte, impliziert, dass schon für innergemeindliche Vollzüge eine basale Alphabetisierung erforderlich sein konnte.321 Das Verhör vor Zenophilus in Cirta zeigt, dass Anfang des 4. Jahrhunderts ein grammaticus offensichtlich nicht nur Gemeindeglied, sondern als lector auch Amtsträger sein konnte (s. S. 120). Am Vorabend der „Konstantinischen Wende“ konnte Arnobius bereits darauf verweisen, dass Bildungsträger aller Schichten und Berufsgruppen unter den Christen zu finden seien. Trotz punktueller Verfolgungen und philosophischer Kritik zeigt sich damit, dass der Prozess des Einwanderns in gesellschaftlich hochstehende Schichten voranschritt: „Das Christentum fand Zugang zu höheren Kreisen, zur Bildung und durch Bildung zu höherem Sozialprestige.“322 Die scharfe Bildungskritik hielt jedenfalls nicht grundsätzlich Gebildete von der Konversion ab – ohne dass die Frage nach der Vereinbarkeit von paganen und christlichen Maßstäben der Lebensführung in irgendeiner Weise als geklärt hätte angesehen werden dürfen. Angesichts der fortschreitenden Inkulturation des Christentums blieb eine präzise Definition des Verhältnisses von Christentum und Bildung und deren Begründung im Kontext der spätantiken römischen Gesellschaft eine zwar erkannte, aber noch keineswegs erledigte Aufgabe – eine Aufgabe, die unter veränderten politischen und sozialen Rahmenbedingungen die christliche Theologie der Reichskirche beschäftigen sollte.

321 Cyprian, ep. 27,1,2 (128,23 D.): „quod litteras ille [sc. Aurelius] non nosset“; ep. 38,2,1 (184,28 D.): „interim placuit ut ab officio lectoris incipiat“; vgl. GAMBLE 1995, 10 Anm. 31. 322 WISCHMEYER 1992, 61.

Kapitel III

Christentum und Bildung in der Spätantike 1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft Die „Konstantinische Wende“ ist einer der vertrautesten und zugleich umstrittensten Begriffe der Kirchengeschichte. Ob und in welcher Hinsicht man von einer radikalen Wende zu Beginn des 4. Jahrhunderts sprechen kann, war und ist Gegenstand zahlreicher Interpretationsversuche.1 Das gilt bereits für die christlichen Zeitgenossen: So ließ Euseb von Caesarea seine „Kirchengeschichte“ damit enden, dass Konstantin durch seinen Sieg über Licinius (324) „wieder nach alter Weise ein einziges und einheitliches Reich der Römer schuf“, womit sich für die Christen das Ende aller Bedrückungen verband – „die alten Leiden waren vergessen, und begraben jede Erinnerung an Gottlosigkeit.“2 Laktanz feierte bereits das Mailänder Abkommen zwischen Konstantin und Licinius (313) als Beginn einer neuen Blütephase der Kirche: „Siehe da, beseitigt sind alle Gegner, zurückgewonnen ist die Ruhe in der Welt, da erhebt sich die eben erst zu Boden gestreckte Kirche schon wieder, und mit noch größerer Pracht wird der Tempel Gottes, der von den Gottlosen niedergerissen worden war, durch die Barmherzigkeit des Herrn errichtet.“3

Freilich war das 4. Jahrhundert für das römische Reich insgesamt kaum eine ruhige Zeit, und auch die Kirche musste in den kommenden Jahrzehnten erst lernen, ihre Identität unter veränderten lebensweltlichen Bedingungen neu zu definieren. Es bedurfte neuer Leitbilder für das Leben in einer differenzierten religiösen und kulturellen Umwelt, in der sich das Christentum nunmehr frei, aber nicht unangefochten bewegen konnte. Bislang war dieses Verhältnis von einem prinzipiellen Gegenüber geprägt gewesen: Dass ein Christ ein guter Bürger sein könnte, war seitens der Umwelt durch das Trajan-Reskript dauerhaft in Frage gestellt; unbehelligt blieb im Fall einer Untersuchung demnach nur, wer durch das Anrufen der römischen Götter leugnete, Christ zu sein, 1

Vgl. zuletzt GIRARDET 2006. Eus. h.e. X 9,6.8 (GCS Eusebius II/2, 902,2–4.12f. Schwartz): µίαν ἡνωµένην τὴν ῾Ρωµαίων κατὰ τὸ παλαιὸν παρεῖχον ἀρχήν... κακῶν δ᾿ ἀµνηστία παλαιῶν ἦν καὶ λήθη πάσης δυσσεβείας; Übers. HAEUSER/KRAFT, 441. 3 Lact. mort. pers. 1,2 (FC 43, 90,8–11 Städele): „Ecce, ademptis omnibus adversariis, restituta per orbem transquillitate profligata nuper ecclesia rursum exurgit, et maiore gloria templum dei, quod ab impiis fuerat eversum, misericordia domini fabricatur.“ 2

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

was das Ausüben priesterlicher und munizipaler Ämter grundsätzlich hätte ausschließen müssen.4 Dass dieser Grundsatz in der Praxis nicht immer strikt befolgt wurde, zeigen z.B. die Kanones der Synode von Illíberis (Elvira, ca. 306), die Regelungen für den Fall vorsehen, dass Priester der Staatskulte (flamines) Christen werden wollten oder noch als Getaufte ihres Amtes walteten.5 Problematisch war dabei allein das Opfern, nicht schon das Bekleiden eines Flamoniums: Noch eingangs des 6. Jahrhunderts war der uir clarissimus Astius Vindicianus zugleich Christ und flamen perpetuus eines lokalen Kultes.6 Der Epitaph des Astius Mustellus aus Ammadaera verbindet beides durch die Bezeichnung fl(amen) p(er)p(etuus) cristianus.7 Bereits bei M. Aurelius Prosenes (s.o. S. 121 mit Anm. 301), der wohl noch als Christ das Amt des procurator munerum bekleidete, lag die Vermutung nahe, dass die theoretisch prekäre Rechtslage der Christen zumeist keine praktischen Konsequenzen hatte. Die Berechtigung, von einer „konstantinischen Wende“ zu sprechen, liegt darin, dass Kaiser Konstantin anders als seine Vorgänger die Kirche nicht nur nicht verfolgte, sondern sie aktiv förderte, ihren Bischöfen Entscheidungskompetenzen innerhalb des staatlichen Rechtssystems zuwies und selbst moderierend in innerkirchliche Streitigkeiten eingriff. Diese „Wende“ ist nicht auf Konstantins Lebzeiten oder gar auf ein bestimmtes Datum (etwa auf die Schlacht an der Milvischen Brücke 312) festzulegen, sondern erfolgte in zeitlicher Streckung vom sogenannten Toleranzedikt des Galerius (311) bis zu Theodosius’ Religionsgesetzgebung seit 380.8 Aber auch die seitdem forcierte Zurückdrängung „heidnischer“ Kulte wie christlicher „Häresien“ – dokumen4

Plin. ep. X 97 (357,14–24 Schuster/Hanslik). Conc. Illib. can. 2 (13,22–26 Lauchert): Den sacerdotes gentilium, die nach ihrer Taufe opfern, soll keine communio gewährt werden (dazu REICHERT 1990, 79–83); can. 4 (14,5–9): Wenn sie als Katechumenen opfern, soll die Taufe um drei Jahre aufgeschoben werden; can. 55 (22,10–13): Bevor sich die sacerdotes gentilium um die Taufe überhaupt bewerben dürfen, müssen zwei Jahre vergehen; can. 56 (22,14–16): Christliche Mitglieder des Magistrats, die als duumviri amtieren, sollen sich von der Kirche fernhalten. 6 CIL VIII 450 = 11523 = ILCV 126 aus Ammadaera (Africa proconsularis = Haïdra, Tunesien; PLRE I 968 Nr. 3; PCBE I 1218 Nr. 2; vgl. KAHLOS 2002, 5); zur entsprechenden Gesetzgebung vgl. Cod. Theod. XII 1,112 (16.6.386; 690 Mommsen); dazu BRENNECKE 1995, 387: „Das ursprünglich doch kultische Amt eines Flamen [musste seit] Ende des 3. Jahrhunderts offensichtlich nicht mehr bei allen als primär kultisches Amt angesehen werden.“ Zahlreiche weitere Beispiele stammen aus Nordafrika: Minucius Apronianus (4./5. Jh.; PCBE I, 87 Nr. 4), flamen perpetuus in Membressa (Africa proconsularis = Medjez el Bab, Tunesien), wird in ILCV 389 A als fidelis qualifiziert; vgl. ebd. 389 B (= CIL VIII 23045a): Den Epitaph des Priesters Julius Honorius in der Kirche von Uppenna (Byzacena = Henchir Chigarnia; PCBE I 575 Nr. 7) zieren ein Christusmonogramm und die Wendung in pace. 7 CIL VIII 10516 = 11528 = ILCV 388; gefunden in Haïdra, Tunesien; vgl. PCBE I 767. 8 F ONTAINE 1982, 21 sieht in der Übereinkunft von 313 einen „vorübergehenden Sieg des traditionellen Pluralismus der hellenistischen Kultur“, der die „Niederlage zweier Integralismen“, des heidnischen wie des christlichen, vorläufig „besiegelt“ habe – diese Phase der Toleranz sei jedoch 380 zu Ende gegangen. 5

1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft

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tiert in Buch XVI des Codex Theodosianus – ist noch nicht mit dem Unternehmen Justinians identisch, das Christentum zur exklusiven Religion des Reiches zu erheben.9 Das Imperium Romanum blieb trotz der prochristlichen Religionspolitik der Kaiser im 4. und 5. Jahrhundert religiös plural und wurde nur allmählich, im Westen nie völlig von Christen dominiert; noch 423 wurden Gesetze gegen die „Heiden“ erlassen, „obwohl wir der Meinung sind, dass es diese gar nicht mehr gibt“.10 Daher ist die (nach)konstantinische Zeit im Folgenden als Umbruchssituation zu betrachten, wobei im Vorgriff gesagt sei, dass dieser Umbruch über weite Strecken konfliktfrei verlief (1.1.). Dies ist besonders angesichts der Prominenz zu bedenken, die „der letzte Kampf des Heidentums in Rom“ (Jelle Wytzes) in der Forschung genießt, d.h. die Auseinandersetzung römischer Senatoren mit den Kaisern Gratian und Valentinian II. sowie mit Bischof Ambrosius von Mailand um die Wiederaufstellung des Victoria-Altars in der römischen Kurie (382/84). Dieser Konflikt ist in die Situation der Christen in der römischen Gesellschaft des 4. und 5. Jahrhunderts einzuzeichnen, um deutlich zu machen, dass zwischen Christen und „Heiden“ grundsätzlich Koexistenz innerhalb gegebener sozialer Stratifikationen vorherrschte: Mit der römischen Oberschicht wurde in der zweiten Jahrhunderthälfte diejenige Gruppe in großem Maßstab „christianisiert“, für deren Selbstverständnis Bildung konstitutiv war (1.2.). Erst innerhalb dieses Konversionsprozesses brach die Frage auf, wie mit dem VictoriaAltar und mit dem römischen mos maiorum zu verfahren sei (1.3.). 1.1. Die Ausbreitung des Christentums nach der „konstantinischen Wende“ Die „Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten“ ist seit Harnacks klassischem Werk in Grundzügen bekannt.11 Eine Missionsgeschichte des 4. Jahrhunderts ist dagegen noch nicht geschrieben.12 Der Kenntnisstand ist hier ungleich lückenhafter, weniger im Blick auf die 9

Vgl. DEMANDT 1989, 126. 200f.; Av. CAMERON 1991, 190–197. Cod. Theod. XVI 10,22 (904,1f. M.): „Paganos qui supersunt, quamquam iam nullos esse credamus, promulgaturum… iam dudum praescripta conpescant“; dieses Gesetz vom 9. April 423 wurde am 8. Juni d.J. durch einen Erlass ergänzt, der unanstößiges Leben von „Heiden“ schützen sollte (Cod. Theod. XVI 10, 24; 904,4–7): „Sed hoc Christianis, qui vel vere sunt vel esse dicuntur, specialiter demandamus, ut Iudaeis ac paganis in quiete degentibus nihilque temptantibus turbulentum legibusque contrarium non audeant manus inferre religionis auctoritate abusi“; offensichtlich gab es also doch noch eine schutzwürdige Anzahl davon! Vgl. S ALZMAN 1993, 364 mit Anm. 9. 11 Vgl. Bernhard K ÖTTING , Christentum I (Ausbreitung), in: RAC 2 (1954), 1138–1159, bes. 1147–1153; Henneke GÜLZOW/Eckhard REICHERT, Mission IV. Alte Kirche, in: TRE 23 (1994), 31–36; Andreas FELDTKELLER, Mission II.2.a, in: RGG4 5 (2002), 1275–1277. 12 Felder und Perspektiven gegenwärtiger Forschung dokumentiert der Sammelband: The Spread of Christianity in the First Four Centuries. Essays in Explanation, ed. by William V. HARRIS (CSCT 27), Leiden – Boston 2005; für die sukzessive Christianisierung des Ostens des Reiches zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert vgl. TROMBLEY 1993/94. 10

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

geographische Verbreitung als auf die Durchdringung der Bevölkerung mit christlichen Lebens- und Denkmustern. Das gilt sowohl quantitativ13 als auch qualitativ für die Verwendung von Begriffen wie „Christentum“ und „Kirche“: Das Christentum bzw. die christliche Kirche war selbst eine plurale Größe, in der es nicht nur über Dogmen, sondern auch über Lebensformen (Askese), Autorität (Donatismus) und Ethik (Pelagianismus) zu heftigen Konflikten kam. Auf der Grundlage des gesicherten rechtlichen Status kehrte ein altes Problem in verschärfter Form wieder: War schon zu Zeiten prinzipiell drohender Verfolgungen die Selbstdefinition des Christentums als Gegenbild zur römischen Gesellschaft nicht konsensfähig gewesen, so stellte sich jetzt umso dringlicher die Frage, was „Christ sein“ im konkreten Fall bedeuten sollte. Die Christianisierung des römischen Reiches wurde daher von einem beständigen Prozess der Neudefinition christlicher Identität begleitet.14 Grundsätzlich vollzog sich der für das 4. Jahrhundert spezifische Schritt der christlichen Mission im römischen Reich in doppelter Richtung: zum einen als Christianisierung der Oberschicht, zum anderen als Mission in ländlichen Gebieten, ausgehend von der bereits im 2. und 3. Jahrhundert erfolgten Etablierung in den Städten.15 Die Verbreitung des Christentums wurde aus ganz unterschiedlichen Motiven und von verschiedenen Instanzen vorangetrieben16: Neben die antipagane Gesetzgebung der Kaiser seit Theodosius I. traten Predigten von Bischöfen wie Augustin und Salvian von Marseille, neben überzeugendem Auftreten von Individuen – Laien ebenso wie Missionsbischöfen wie Martin von Tours17 – provozierten spektakuläre Wundertaten von Asketen regelrechte Massenbekehrungen. Ramsay MacMullen hat den Eindruck, den solche Wundertaten machten, sogar als primäre Motivation der Bekehrung einfacher, illiterater Menschen ausgemacht und damit eine dreifache Problemanzeige verbunden: Die Konversionen seien unfreiwillig sowie oberflächlich gewesen und hätten letztlich zur „Paganisierung“ des Christentums geführt.18 Dass ein Christ Vaterunser und Glaubensbekenntnis kennen musste, war noch zur Zeit des Caesarius von Arles nicht selbstverständlich.19 13 Dass das Christentum um 400 eine – wenn auch beachtliche – Minderheit im Imperium Romanum darstellte (MAC MULLEN 1984, 83), ist ebenso unbelegbar wie die gegenteilige Annahme; zu Bedenken bezüglich Quantifizierungsversuchen vgl. SALAMITO 1996, 772. 14 B ROWN 1998, 655 erkennt eine asketisch motivierte „Hyper-Christianisierung“ innerhalb der Kirche, die die Christianisierung der Gesellschaft überlagert und überboten habe. 15 Vgl. S ALAMITO 1996, 770–779; vgl. auch L ANE FOX 1987, 287–293. 16 Vgl. FREND 1974, 38; Jochen MARTIN 2001, 111. MAC MULLEN 1997, 20 nennt „individual zealots, monks, bishops, and civil officialdom“, jedoch mit pejorativer Konnotation als „agencies at work for the Church in the eradication of nonconformity“. 17 Vgl. S ALAMITO 1996, 774f. zu Sulp. Sev. Mart. 12–15 (SC 133, 278–286 Fontaine). 18 So M AC M ULLEN 2001, 97. Vgl. bereits DERS . 1984, 74; M ARKUS 1990, 6. 27–43; zur zeitgenössischen innerchristlichen Diskussion vgl. ausführlich PIEPENBRINK 2005, 23–124. 19 Caes. serm. 13,2 (CChr.SL 103, 65 Morin); weitere Belege bei KREIDER 2001, 36f.

1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft

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Der scharfe Bruch zwischen paganem und christlichem Leben stellte angesichts der Permanenz dieses Themas in der zeitgenössischen Predigtliteratur offenbar nicht den Regelfall dar: Augustin und Salvian von Marseille fanden Christen in ihren Gemeinden, die zugleich dem Attiskult – in Hippo sogar als Priester – oder dem karthagischen Kult der Caelestis huldigten20; auch die Feste der Kalenden und Lupercalien wurden nach wie vor begangen.21 Nach Jochen Martin lag das Festhalten an paganen Riten besonders im Westen neben den äußeren Bedingungen der Konversion vor allem an der einfachen, doch ganz entscheidenden Frage, „auf welche Probleme der spätantiken Gesellschaft das Christentum eine in den Augen der Betroffenen bessere Antwort zu geben vermochte als das Heidentum“.22 Die „Paganisierung“ ist daher, wie MacMullen betont, nicht einfach als Dekadenzerscheinung zu sehen, vielmehr war die sich darin ausdrückende „conversion continuée“ (Jacques Fontaine) die Bedingung der Möglichkeit für die rasante Ausbreitung des Christentums unter der ländlichen Bevölkerung des weströmischen Reiches.23 Zugleich machte dieser quantitative Zuwachs das Problem deutlich, christliche Identität trennscharf zu definieren – zumal in einer Gesellschaft, die allmählich überwiegend aus Christen bestand. Nach Robert Markus betonte die scharfe theologische Kritik an paganen Festen deren „heidnischen“ Charakter in einer Weise, die den Zeitgenossen nicht zwangsläufig einleuchten musste. Die religiöse Bindungsfunktion, die dem munizipalen Festkalender zugeschrieben wurde, war diesem nicht von vorneherein eigen: „The public celebrations had served to articulate a civic consensus and legitimated a mixed community’s limited, but none the less important, urban value-system… They had helped to mask conflict and tension, collapsing into the broadest and most inclusive categories groups in urban society divided by class and, especially, by religion.“24

Neben dem christlichen Kalender blieb daher noch lange sein „heidnisches“ Pendant wirkmächtig.25 Insofern ist es nur sachgerecht, dass die Forschung in 20 Aug. in euang. Ioh. 7,6 (CChr.SL 36, 69f. Willems); in psalm. 26,2,19; 34,1,7; 62,7 (CChr.SL 38, 165,7–25; 304,1–11; 798,5–9 Dekkers/Fraipont); Salv. gub. 8,2f. (CSEL 8, 192,8–193,4 Pauly). 21 M AC M ULLEN 2001, 107–114. N ÄF 1995, 290 verweist auf die Wiederaufstellung einer Minervastatue anno 472/73 (CIL VI 526 = ILS 3132) sowie auf die Anklage von Papst Gelasius I. gegen Andromachus und andere Römer, die – obwohl Christen – noch immer am Lupercalienkult hingen (vgl. c. Luperc. 3; SC 65, 164,1–9 Pomarès = coll. Avell. 100,3; CSEL 35/1, 454,9–18 Günther); vgl. auch Cassiod. var. IV 22,1f.; 23,2 (CChr.SL 96, 156,5– 10; 157,7–14 Fridh) mit Hinweisen auf magische Praktiken unter Senatoren. 22 M ARTIN 2001, 112; zu Konversionen im 4. Jh. vgl. auch EDWARDS 2006, 137–142. 23 Vgl. K REIDER 2001, 27 und M AC M ULLEN 1997, 159: „The triumph of the church was one not of obliteration but of widening embrace and assimilation.“ 24 M ARKUS 1990, 118f. 25 Diese Koexistenz belegt am eindrücklichsten der Chronographus des Filocalus von 354, der pagane und christliche Feste nebeneinander stellt; vgl. HUNT 1998, 252f.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

den vergangenen Jahrzehnten von der auf die Sichtweise der Theologen des 4. Jahrhunderts zurückgehenden Vorstellung abgerückt ist, das – rein religiös verstandene – „Heidentum“ sei in der Spätantike im Niedergang begriffen gewesen: „Taken as a whole system, paganism worked!“26 Der Zulauf, den das Christentum seit dem 4. Jahrhundert erfuhr, übte selbstverständlich auch Einfluss auf die Institutionen der Kirche aus: Hatte in vorkonstantinischer Zeit vor der Taufe noch eine z.T. mehrjährige Katechumenatszeit gestanden, so war dies nicht mehr durchzuhalten, als der Wegfall äußerer Restriktionen das Christentum zur Religion der Massen werden ließ: Die Zulassung zur Taufe wurde an weniger strikte Bedingungen geknüpft, die Unterweisung ging dem Glauben nicht mehr voraus, sondern folgte ihm bestenfalls – oder auch nicht. Zwar betonte Augustin, die Kirche habe stets streng darauf geachtet, keine Prostituierten, Schauspieler oder sonstige unrespektierlichen Personen zum Katechumenat zuzulassen, wenn diese nicht ihren Beruf aufgeben wollten – die Traditio apostolica hatte dies darüber hinaus auch für Soldaten, Statthalter und Magistrate gefordert und auch den Lehrern ihren Beruf nur als Ausnahme konzediert.27 Vor allem die städtische Oberschicht und die Grundbesitzer waren Ziele christlicher Mission: Ihre Bekehrung übte im ersten Fall eine soziale Sogwirkung aus; nach Augustin nahm die Bevölkerung die Konversion prominenter Personen vorbildhaft wahr: „Niemand bliebe Heide, wenn jener noble Mensch Christ wäre.“28 Im zweiten Fall konnte über den Grundherrn Einfluss auf abhängige Bauern genommen werden; daher appellierten Bischöfe an Grundbesitzer, die Bekehrung der auf ihrem Land wohnenden Menschen zu forcieren.29 Seit Ende des 4. Jahrhunderts wurden Kirchen nicht nur in Dörfern (vici), sondern vermehrt auch auf Landgütern (villae) errichtet. Dem Missionserfolg stand nicht nur das Festhalten an traditionellen Riten und Festen entgegen, sondern auch der geringe Grad der Romanisierung der Landbevölkerung; das Christentum war bereits eine dezidiert „römische“ Kirche.30 26 M AC M ULLEN 1997, 72; vgl. aaO. 13 zur Forschungsgeschichte; BROWN 1996, 35 zur zeitgenössischen theologischen Sicht des Heidentums als eo ipso sinnentleerter superstitio. 27 Vgl. Aug. fid. et op. 18,33 (CSEL 41, 78,3–79,14 Zycha) mit trad. ap. 16 (FC 1, 246248 Geerlings); dazu KREIDER 2001, 21–24; vgl. auch PIEPENBRINK 2005, 80f. 28 In psalm. 54,13 (666,3f. D./F.): „Ille nobilis si christianus esset, nemo remaneret paganus.“ 29 M AC M ULLEN 2001, 100 zu Conc. Illib. can. 41 (20,4–7 Lauchert); Max. Taur. serm. 107,1f. (CChr.SL 23, 420f. Mutzenbecher); Conc. Arelat. a. 452 can. 23 (CChr.SL 149, 119,79–83 Munier); Caes. Arelat. serm. 53,1; 54,5 (233f.; 239 M.). Vgl. MATTHEWS 1975, 156 zum Bemühen Martins von Tours, vermögende Landeigner zur missionarischen Mitarbeit zu bewegen: „As the owners and managers of the land, they were at the same time local figures, and so intimately connected with the social and religious life of the countryside. Allied with the deep-rooted local clientelae of such landowners, paganism might survive with tenacity; upon their conversion, Christianity would quickly reach the rural population.“ 30 M ARTIN 2001, 114. Einer tiefgreifenden Christianisierung stand oft das Sprachproblem entgegen: So klagte Augustin (in ep. Ioh. 2,3; SC 75, 160 Agaesse) darüber, dass die Dona-

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Entsprechend wandelten sich die Missionsmethoden: Hatte Martin von Tours sich angesichts des zähen, mitunter gewaltsamen Widerstandes der „Heiden“ noch darauf verlassen, durch seine Predigten „die Herzen der Heiden so zu erweichen, dass sie, von der Wahrheit erleuchtet, selbst ihre Tempel zerstörten“31, so forderten im 6. Jahrhundert Caesarius von Arles und Gregor I. von den Gutsherren, Drohungen und Zwang bei der Bekehrung der Landbevölkerung anzuwenden, beginnend mit der Zerstörung der offenbar vielfach noch frequentierten Altäre und geheiligten Bäume.32 Schon im 4. und 5. Jahrhundert setzten kaiserliche Dekrete empfindliche Strafen für das Verharren im „Heidentum“ fest, bis Justinian 529 „unter Androhung des Vermögensentzuges und anderer Strafen alle auffordert, sich taufen zu lassen.“33 Seit Theodosius’ Edikt Cunctos populos (380) war diese Gesetzgebung stets flankiert durch die Proklamation des nizänischen Glaubens als theologischer Orthodoxie.34 Neben der Grenze zum Heidentum bestanden daher auch strikte Abgrenzungen gegen „Schismatiker“ innerhalb der Kirche, wie das sogenannte „Donatistengesetz“ von 412 mit seinem detaillierten Strafkatalog für verschiedene gesellschaftliche Rangklassen zeigt.35 Dass solche Sanktionen eher die Oberschicht als illiterate Gefolgsleute der „Häresiarchen“ trafen – und so den Bischöfen eine Einflussmöglichkeit auf Adlige boten –, ist wahrscheinlich; ungewiss ist allerdings, ob Angehörige des Reichs- und Munizipaladels jemals einem Gerichtsverfahren unterworfen wurden.36 Freilich wusste schon Augustin um die Ambivalenz erzwungener oder aus Zweckrationalismus vollzogener Konversionen, zumal in einer Zeit, als das tisten auf dem Land statt auf Latein bewusst im indigenen Punisch predigten: „Sic honorant Christum [donatistae], ut discunt illum remansisse ad duas linguas, Latinam et Punicam, id est Afram.“ 31 Sulp. Sev. Mart. 15,4 (286 F.): „ita praedicatione sancta gentiles animos mitigabat, ut luce eis ueritatis ostensa ipsi sua templa subuerterent.“ 32 M AC M ULLEN 2001, 100f. zu Caesarius von Arles (s.o. Anm. 29); Greg. I. reg. IV 23; V 38; VIII 4.19; IX 205 (MGH.Epp. I, 257,18–26; 324,14–325,7; MGH.Epp. II, 7,21–8,3; 21,12–19; 193,21–28 Ewald/Hartmann); vgl. dazu KREIDER 2001, 35–38. Martin von Tours musste ein lebensgefährliches Gottesurteil über sich ergehen lassen: Die „Heiden“ wollten von den „Götzenbildern“ nur ablassen, wenn der zu diesem Zweck von ihnen selbst (!) gefällte heilige Baum ihn nicht erschlüge (Sulp. Sev. Mart. 13,1–9; 280–282 F.). Caesarius konnte die Bevölkerung dagegen nicht dazu bringen, einen – immerhin bereits gefällten – heiligen Baum zu verfeuern (serm. 54,5; 239 M.). Zur Darstellung zeitgenössischer „heidnischer“ Praktiken in Gregors von Tours Historia Francorum vgl. FÜHRER 2001, 110–119. 33 M ARTIN 2001, 110; vgl. bereits Cod. Theod. XII 1,157 (a. 398); XVI 5,63 (a. 425; 700.877 M.); dazu MACMULLEN 2001, 102; ausführlich DERS. 1997, 20–29. 34 Zur Einflussnahme der Kaiser auf die Konversion der römischen Bevölkerung und der Oberschicht vgl. SALZMAN 1993, bes. 364f. zu Cod. Theod. XVI 1,2 (a. 380; 833 M.). 35 Cod. Theod. XVI 5,52 (872f. M.); dazu ausführlich unten Anm. 50. 36 M AC M ULLEN 2001, 103; vgl. Cod. Theod. XVI 10,16; XVI 10,19,1 = Const. Sirmond. 12 (a. 408; 902; 903,1–3; 916,24–27 M.); Conc. Afric. a. 401 can. 58; 84 (CChr.SL 149, 196,474–480; 205,768–770 Munier).

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Bekenntnis zum Christentum sich als gesellschaftsfähig und möglicherweise karrierefördernd zu erweisen begann. Ein solcher „zweckorientierter“ Übertritt zum Christentum wurde 401 in Hippo einem gewissen Faustinus vorgeworfen, dessen Aufrichtigkeit Augustin zu unterstreichen bemüht war.37 Fraglich war vor allem, inwieweit sich die Konversion auch in der Lebensführung niederschlagen müsse: Augustin (und ein Jahrhundert später in noch größerer Eindringlichkeit Caesarius von Arles) beschwor in seinen Predigten die Christen von Hippo, auch so zu leben, wie es ihrem Namen entspräche: „Hütet euch davor, die schlechten, oder genauer: die falschen Gläubigen nachzuahmen, die, obgleich sie dem Bekenntnis nach Gläubige, dem schlechten Lebenswandel nach jedoch Ungläubige sind!“38

Gleichzeitig konnte er jedoch dem Senator Volusianus versichern, mit der Taufe sei nicht notwendigerweise eine Verhaltensänderung verbunden. Männer dieses Standes waren offenbar in vielen Fällen nur zu gewinnen, wenn sie nicht das Leben eines Senators, Reichs- oder Munizipalaristokraten aufgeben mussten.39 Maximus von Turin begegnete in seiner Gemeinde der Ansicht, dass die Taufe für einen „in der Welt lebenden Menschen oder Soldaten“ keineswegs die Übernahme eines exzeptionellen Ethos bedeutete: „Soll ich etwa geloben, Mönch oder Kleriker zu werden?“40 Die rhetorische Frage spiegelt das Phänomen, dass gegenläufig zu den massenhaften Konversionen ein Aufschwung asketischer Lebensformen erfolgte, in denen nun viele das unterscheidend Christliche erblickten, was andere wiederum zu befremden oder gar an der Konversion zu hindern schien.41 Augustin plädierte dafür, Motive wie Berechnung und Gefälligkeit gegenüber Dritten zu nutzen, um prominente „Heiden“ dadurch überhaupt erst in die Reichweite der kirchlichen Unterweisung zu locken.42 Seine Hoffnung war, dass die Kirche für die gesamte Gesellschaft als eine Schule wirken könnte, in der die Unvollkom-

37 Aug. serm. Morin. 1,1 (PLS 2, 657); vgl. LEPELLEY 1981, 41f.; S ALZMAN 2002, 128. „Heuchler“, die nur um ihres Fortkommens willen Christen geworden seien, kennt bereits Eus. v.C. IV 54,3 (GCS Eusebius I/1, 142,28–143,4 Winkelmann); vgl. SALAMITO 1996, 778. 38 Aug. serm. 260 (PL 38, 1202) „Cavete ne imitemini malos fideles, imo falsos fideles; quasi confitendo fideles, sed male vivendo infideles.“ 39 Zum Briefwechsel zwischen Volusian und Augustin s.u. S. 204f. 40 Max. Taur. serm. 26,1 (101,17–19 M.): „Quid habebam facere homo saecularis aut miles? Numquid monachum sum professurus aut clericum?“ 41 Vgl. M ARKUS 1990, 36: „Asceticism was coming to be the mark of authentic Christianity in a society in which to be a Christian no longer needed to make any visible difference in a man’s life“ – wobei dies z.B. die Kritik eines Helvidius, Vigilantius und Jovinian provozierte, hingegen bei Pelagius u.a. noch eine rigoristische Steigerung erfuhr (aaO. 38–43); zum Zusammenhang von Askese und Bildung s.u. Abschnitt 2.3.2. 42 Aug. catech. rud. V 9,5; XIII 18,3; XVI 25 – XXVI 50 (CChr.SL 46, 129,21–130,25; 142,14–21; 149–174 Bauer); vgl. KREIDER 2001, 32.

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menheit der Menschen gebessert würde.43 Aber selbst das Durchlaufen des Katechumenats und die Entscheidung für die Taufe bedeutete für viele keineswegs, ihr Leben zu ändern – „the Church was thus capacious and healing, but it was not a place to challenge the values of society.“44 1.2. Die Christianisierung der oberen Gesellschaftsschichten Die für die vorliegende Untersuchung relevante Frage nach Schulbildung als Faktor christlicher Identitätskonstitution lässt sich am präzisesten für den Teil der Gesellschaft untersuchen, der sich traditionell über Bildung definierte und dies literarisch und epigraphisch dokumentierte, also für die „Oberschicht“ – wobei dieser Begriff nicht ohne definitorische Schwierigkeiten ist.45 War das Christentum bis zum Beginn des 4. Jahrhunderts bis auf wenige signifikante Ausnahmen noch nicht unter den Honoratioren des römischen Reiches vertreten (s.o. S. 116–123), so stellte es gegen Ende desselben Jahrhunderts, wenn nicht die Mehrheit, so doch einen erheblichen und – durch die Unterstützung der Kaiser – einflussreichen Teil des weströmischen Senats.46 Im Kontext der spätantiken Missions- und Sozialgeschichte gilt dieser Prozess zu Recht als „le phénomène le plus marquant“.47 Verlässliche Daten über den Anteil der Christen an der Oberschicht des weströmischen Reiches bietet vor allem die Prosopographie der Inhaber hoher Ämter in Rom und in den Provinzen, sofern deren Religionszugehörigkeit mit hinreichender Gewissheit erkennbar ist. Der entscheidende Christianisierungsschub in der Schicht der Amts- und Bildungsträger erfolgte zwischen

43 Vgl. S ALAMITO 1996, 769 zu Aug. mor. eccl. I 30,63 (CSEL 90, 66,5–67,9 Bauer); ep. 138,10f. (CSEL 44, 135,10f.; 136,3–6 Goldbacher); vgl. schon ep. ad Diogn. 6,1 (312,23f. Lindemann/Paulsen): ὅπερἐστὶνἐνσώµατιψυχή,τοῦτ᾿εἰσὶνἐνκόσµῳΧριστιανοί; Orig. Cels. VIII 75 (GCS Origenes II, 292,15–25 Koetschau). Nach MARKUS 1990, 52 begegnete Augustin einfachen Christen und ungebildeten Klerikern zunächst mit der Herablassung des studierten Neugetauften (mor. eccl. I 34,75; 80,10–81,6 B.), zeigte sich später aber sensibilisiert für „christian mediocrity“ (z.B. ep. 21,2; CSEL 34/1, 50,8–51,2 G.). 44 K REIDER 2001, 34. 45 Im Folgenden umfasst der Begriff „Oberschicht“ die ererbte oder erworbene Rangstufe des clarissimus (und höher), was die Inhaber reichsweiter Ämter einschließt, eingedenk des bei DEMANDT 1989, 274 formulierten Vorbehalts: „Eine Einteilung der spätantiken Gesellschaft in Ober-, Mittel- und Unterschicht ist schwierig. Daß die Senatoren zur Ober-, die Sklaven und Kolonen zur Unterschicht gehören, ist klar – alles andere bleibt willkürlich.“ Kriterien der Zugehörigkeit zum Senatorenstand diskutiert SALZMAN 2002, 20–24, deren Studie die bislang beste Rekonstruktion des Christianisierungsprozesses der römischen Senatorenschicht darstellt (unbeschadet der kritischen Anmerkungen von Ralph W. MATHISEN, in: AHR 108, 2003, 235f.); vgl. auch schon den Überblick bei ALTENDORF 1974. 46 Dies gilt für den Senat von Konstantinopel noch in höherem Maße als für Rom, da die neuen Senatoren viel öfter bereits Christen waren; vgl. JONES 1963, 33; MARTIN 2001, 115. 47 PIÉTRI 1976, 406.

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367 und 383 unter den Kaisern Gratian, Valentinian I. und Valentinian II.48, also in einer Phase, die sich fast genau mit dem Episkopat des Damasus (366–384) deckt, dem ersten Bischof von Rom, der den dort residierenden Senatoren auf Augenhöhe begegnen konnte.49 Seit dieser Zeit finden sich Christen zu etwa gleichen Teilen wie Nichtchristen unter den Inhabern höherer Ämter, die die Aufnahme in den (erblichen) Clarissimat mit sich brachten; seit den 390er Jahren, unter Theodosius I. und seinen Söhnen, stellten Christen in diesen Ämtern schließlich die Mehrheit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zusammensetzung des ordo senatorius sich zu dieser Zeit in einem Übergangsprozess befand: Hatten die Soldatenkaiser des 3. Jahrhunderts ihre Administration noch vorwiegend aus dem Stand der equites rekrutiert und den römischen Senat faktisch in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt, so setzten die Kaiser seit Diocletian und Konstantin bei der Auswahl ihrer Beamten wieder vermehrt auf Mitglieder des Senatorenstandes. Die expandierende Reichsverwaltung zeitigte eine solche Nachfrage nach qualifiziertem Personal, dass nun auch ambitionierte Angehörige des Munizipaladels durch eine administrative Karriere in den Rang eines vir clarissimus aufsteigen und sich damit für weitere hohe Reichsämter qualifizieren konnten. Der ordo senatorius differenzierte sich analog dazu intern aus: Über den clarissimi standen seit Valentinian I. die viri spectabiles und – als höchste Stufe der Reichsaristokratie – die viri illustres, die seit der Mitte des 5. Jahrhunderts faktisch den in Rom tagenden Senat stellten.50 Der Bedeutungswandel bestehender und das Auftreten neu hinzukommender Rangtitel indi48 V ON H AEHLING 1978, 571–575; S ALZMAN 1992, 465 sowie Tab. 3 (S. 475), bezogen auf den Anteil der Christen in Reichsämtern; republikanische Zeremonialämter und italische Statthalterschaften wurden bereits seit 364 durch Valentinian I. häufiger mit Christen besetzt (aaO. 466 mit Tab. 4, S. 476). Zum römischen cursus honorum vgl. DEMANDT 1989, 280–282. 49 Vgl. L AFFERTY 2003, 39: „Damasus, a well-educated member of one of Rome’s leading Christian families… seems to have been the first bishop of Rome with an active ambition to take his place among the Roman aristocracy and to establish Christianity as a cultured religion, fit for aristocratic consumption.“ 50 Mit den vorstehenden Bemerkungen wird ein komplexer Prozess in höchster Abbreviatur skizziert; vgl. DEMANDT 1989, 273f. Die elaborierteste Quelle stellt das „Donatistengesetz“ von 412 dar (Cod. Theod. XVI 5,52,1–4; 872,5–15 M.), das die Reichsaristokratie als viri illustres, spectabiles und clarissimi (perfectissimi) von der Munizipalaristokratie (sacerdotales, principales, curiales; vgl. Cod. Theod. XVI 5,54,4 a. 414; 874,4–6 M.: sacerdotales, decemprimi curiales, decuriones) und von den humiliores (negotiatores, plebei, circumcelliones, coloni, servi) abgrenzt. Salv. gub. 3,10 (59,4–12 P.) unterscheidet die nobilitas, d.h. den senatorischen Erbadel (Clarissimat) von den militantes und officiales, d.h. den equites Romani, die nach Cod. Theod. VI 37,1 (a. 364; 308,2f. M.) nach den clarissimi den secundus gradus bildeten (der nicht erblich war, sondern mit einem Amt vom Kaiser verliehen wurde und in aufsteigende Rangfolge epistolares, egregii, centenarii, ducenarii, perfectissimi kannte) sowie von den curiales (Stadtadel), den negotiantes (Geschäftsleute) und den abiectissimi et servi. Vgl. HIRSCHFELD 1901; JONES 1964, 525– 530; JERG 1970, 51–56; SALZMAN 2002, 28–43; ausführlich jetzt Jens-Uwe KRAUSE, Klassen (Gesellschaftsschichten), in: RAC 20 (2004), 1169–1227.

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ziert eine neue Mobilität innerhalb der römischen Gesellschaft: Neben den Senatsadel traditioneller Prägung trat ein „Funktions- oder Dienstadel“51, so dass der Bedeutungsgewinn des Senats mit einer Ausweitung seiner Angehörigen erkauft war. Die viri clarissimi bildeten eine inhomogene Gruppe, für die Bildung ein integrierendes und (nach „unten“) differenzierendes Band war.52 Geborene und konvertierte Christen sind vorwiegend unter den „Aufsteigern“ zu finden, und zwar vor allem unter denen, die ihren Aufstieg kaiserlicher Protektion verdankten.53 Als senatorische homines novi waren sie nicht durch Herkommen und Gewohnheit an pagane Kulte gebunden und setzten zudem durch Konversion keine Familientradition aufs Spiel. Zahlreiche Aufsteiger stammten aus den Provinzen, vor allem aus Gallien und Spanien, d.h. nicht aus dem Umfeld republikanischer Traditionen. Dies galt z.B. für den Rhetor Ausonius, der an der blühenden Schule von Bordeaux lehrte, bevor er Erzieher des jungen Gratian wurde und schließlich bis zum consul prior aufstieg54, ebenso für Dexter, Sohn des Bischofs Pacianus von Barcelona, Prätorianerpräfekt Italiens von 39555, und den Spanier Prudentius.56 Bereits als gebürtiger Christ erlangte nur wenige Jahre später (zwischen 401/407 und 412/413) der vir inlustris und patricius Claudius Postumus Dardanus die Statthalterschaft der Provinz Vienne und die gallische Prätorianerpräfektur57, die bereits 320–324 und 326–329 der einer alten römischen Familie entstammende Christ Iunius Bassus, consul 331 und Stifter der Kirche auf dem Esquilin, inne gehabt hatte.58 Auch der christliche Advokat und Adressat von Augustins De beata vita, Flavius Mallius Theodorus, der aus der kampanischen Munizipalaristokratie stammte, absolvierte eine eindrucksvolle Karriere über die gallische Prätorianerpräfektur (382) bis zum Konsulat des Jahres 399.59 Dieser „uir humanissimus atque magnus“ verfasste selbst einen Traktat de metris; der 51

Zu diesen viri litterati vgl. NELLEN 1977, zum Strukturwandel im 4. Jh. bes. 6–18. Vgl. Al. CAMERON 2004, 344: „A new sort of elite began to emerge. But despite conservative protests about low-born bureaucrats, the ideal that magistrates should be men of culture retained its hold… Paideia ceased to be the natural hallmark of a hereditary elite, and became instead a passport to a job in the imperial service, a qualification that could be acquired by hard work“; ähnlich bereits NELLEN 1977, 116. 53 Das Folgende nach S ALZMAN 1992, 468–471. 54 PLRE I 140f. Nr. 7; vgl. M ATTHEWS 1975, 56–87; N ELLEN 1977, 57–59: Ausonius war comes et quaestor sacri palatii (375/76), PPO Galliarum (377/78), PPO Italiae, Illyricae et Galliarum (378/79) und consul prior (379). 55 PLRE I 251 Nr. 3: 379–387 war der gebürtige Christ Dexter proconsul Asiae, 387 comes rerum privatarum, 395 PPO Italiae; zu seinem Briefwechsel mit Hieronymus s.u. S. 239. 56 PLRE I 214 Nr. 4; dazu NELLEN 1977, 88–90: Prudentius war wohl Statthalter der Tarraconensis und der pannonischen Savia, später comes primi ordinis oder proximus scriniorum. 57 PLRE II 346f.; GP 590. 58 PLRE I 154f. Nr. 14; GP 570. 59 PLRE I 900–902 Nr. 27; PCBE II/2, 2167f. Nr. 3; GP 704 Nr. 2; vgl. dazu NELLEN 1977, 70–72. 52

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Nachwelt bekannt wurde er durch Augustin und durch den ihm gewidmeten Panegyricus des Claudian.60 Die Verbindung von politischer Karriere und literarischer Betätigung kann als typisch für viele Angehörige der römischen Oberschicht um 400 gelten. Zwar glich sich auch in Italien unter Gratian und Valentinian II. das Verhältnis von Heiden und Christen in Staatsämtern aus, die „heidnische Opposition“ der 380er und 390er Jahre erhob sich aber nicht zufällig in Rom (s.u. 1.3.). Dass im 4. Jahrhundert zunehmend Christen in Ämter und Würden gelangten, verdankte sich also nicht nur erweiterten Bewegungsmöglichkeiten nach dem Ende der Verfolgungszeit, sondern auch zielgerichtetem kaiserlichem Handeln. Jedoch verfügte erst Theodosius II. im Jahr 416 grundsätzlich „den Ausschluss der Heiden vom Hof-, Territorialund Heeresdienst“, so dass bis dahin also das Christ-Sein für höhere Ämter noch keine zwingende Voraussetzung darstellte.61 Michele Renée Salzman beschreibt einen zweistufigen Prozess der Christianisierung der römischen Aristokratie, der sich zunächst als „gradual turning away of pagans from pagan institutions“, sodann als „gradual convergence of Christian and pagan career paths“ vollzog62: Trotz zahlreicher Beispiele für pagane Senatoren als Inhaber traditioneller kultischer Ämter – der prominenteste ist Vettius Agorius Praetextatus63 – war seit Konstantius II. die administrative Karriere eines Mitglieds des ordo senatorius, zumal im Umfeld des kaiserlichen Hofes, nicht mehr an eine Position als Priester eines staatlichen Kultes gebunden. Als repräsentativ für diese Phase kann z.B. Anicius Auchenius Bassus gelten, consul 408 und Abkömmling einer der ersten Familien Roms, der als Stifter eines metrischen Gedichts auf dem Grab der Monnica, der Mutter Augustins, in Ostia hervortrat64, ebenso Firminus, comes rerum privatarum 398/99 und anderthalb Jahrzehnte zuvor in Mailand in Sachen Astrologie Gesprächspartner für Augustin, der ihn als „liberaliter institutus et excultus

60 Aug. beat. vit. 1,1 (CChr.SL 29, 65,2 Green); 1,5 (68,127 Gr.): „eloquentia tua territus non sum“; ord. I 11,31 (BAug 4/2, 152,22–24 Doignon): „uir et ingenio et eloquentia et ipsis insignibus muneribusque fortunae et, quod ante omnia est, mente praestantissimus Theodorus“; retract. I 2 (CSEL 36, 18,12 Knöll); civ. XVIII 54 (CChr.SL 48, 654,64–68 Dombart/Kalb); Claudian, paneg. dictus Manlio Theodoro (MGH.AA X, 180,100–112; 185,253–255; 188,332–335 Birt). 61 N ÄF 1995, 84 mit Verweis auf Cod. Theod. XVI 10,21 (a. 416; 904,1–3 M.: „Qui profano pagani ritus errore seu crimine polluuntur, hoc est gentiles, nec ad militiam admittantur nec administratoris vel iudicis honore decorentur“) und Novell. Theod. III 6f. (a. 438; 9,48–61 Schoell); dagegen enthält Cod. Theod. XVI 5,42 (a. 408) nur antidonatistische, keine antipaganen Maßnahmen (gegen Zos. V 46; III/1, 68,15–25 Paschoud); vgl. dazu unten Anm. 79. 62 S ALZMAN 1992, 472f.; DIES. 2002, 136f. 63 Vgl. K AHLOS 2002. Nach CIL VI 1779 war er Inhaber von sieben hohen Priesterämtern (s.u. Anm. 158). Macr. sat. I 11,1 (44,1 Willis) nennt ihn den „princeps religiosorum“; vgl. sat. I 17,1 (81,22f.): „quia sacrorum omnium praesulem esse te, Vetti Praetextate, divina voluerunt“. 64 PLRE II 219f. Nr. 7; PCBE II/1, 271 Nr. 2; vgl. Anth. lat. I/2, 140 Nr. 670 Riese.

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eloquio“ lobte.65 Die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts erlebte eine Zunahme von Konversionen, ohne dass eine fixierte Alternative zwischen „heidnisch“ und „christlich“ zu beobachten wäre. Hingegen muss die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts als die Phase der eigentlichen Christianisierung der Oberschicht in Rom und in den Provinzen gelten, womit sich die Frage verschärfte, wie christliches Leben mit traditionellen Verhaltensmustern zu vereinbaren sei.66 Timothy Barnes hat allerdings bestritten, dass erst unter Konstantius die Christianisierung der römischen Beamtenschaft eingesetzt habe: Die Untersuchung durch von Haehling berücksichtige nicht, dass Senatoren in den meisten Fällen mehrere Ämter nacheinander ausübten, so dass die zahlenmäßigen Prävalenz paganer Beamter unter Konstantin zu relativieren sei.67 Die römische Stadtpräfektur sei schon damals häufig von Christen besetzt gewesen, so dass die Christianisierung der römischen Oberschicht bereits im frühen 4. Jahrhundert begonnen habe, wie die Konversion der gens Anicia zeige, die unter Konstantin gleich drei praefecti urbis stellte.68 Der als Kronzeuge dafür angerufene Prudentius, demzufolge bereits Anicius Faustus, Konsul 298 und Präfekt 299/300, Christ gewesen sei, schrieb freilich erst um 402 unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen.69 Dass die Grabinschrift des Anicius Paulinus (Konsul 334) keines der römischen Priesterämter enthält, ist ebenfalls kein positiver Beweis für sein Christentum.70 Unsicher ist bei näherem Hinsehen auch Barnes’ Annahme, dass Acilius Severus, praefectus urbis 325/26, Christ war: Dass Laktanz ihm zwei Bücher mit Briefen widmete71, beweist erst einmal nur die Pflege literarischer Konventionen. Dass Barnes zwischen verschiedenen Modi der Religionszugehörigkeit unterscheidet, schränkt tatsächlich die Aussagefähigkeit der verfügbaren Daten zur Religionszugehörigkeit des ordo senatorius erheblich ein, weshalb er schließlich selbst mit der Möglichkeit einer Mehrheit paganer nobiles in Rom rechnen muss.72

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Aug. conf. VII 6,8 (CChr.SL 27, 98,19 Verheijen); vgl. PLRE II 470 Nr. 1; PCBE I 457; PCBE II/1, 823 Nr. 1. 66 Ein Vertreter dieser Epoche ist der vir inlustris Flavius Avitus Marinianus, PPO 422 und consul 423 (PLRE II 723f. Nr. 3; PCBE II/2, 1400f.), der zur Zeit des Papstes Leo I. ein Fassadenmosaik an der Petersbasilika stiftete (vgl. ICUR NS II 4102). 67 B ARNES 1995, 142: „Accurate prosopography tends to confirm, not to disprove, Eusebius’ statement that Constantine gave preference to Christians in appointment“ (mit Verweis auf v.C. II 44; 66,17–23 W.); vgl. Sozom. h.e. I 8,5 (FC 73/1, 126,23f. Hansen): Χριστιανοὶ δὲὡςἐπίπαντὰς῾Ρωµαίωνἀρχὰςἐπετρόπευον. 68 B ARNES 1995, 143 mit Prudent. c. Symm. I 552f. (CSEL 61, 239 Bergman): Anicius Julianus (cos. 322), Sextus Anicius Paulinus (cos. 325) und Anicius Paulinus (cos. 334). 69 Vgl. BARNES 1991, 52; zu ihm PLRE I 329. 70 So aber B ARNES 1995, 143 zu ILS 1220/1221. 71 Hier. vir. ill. 111 (BPat 12, 214 Ceresa-Gastaldo); vgl. PLRE I 834 Nr. 16; M ATTHEWS 1975, 147; NELLEN 1977, 22f. 72 B ARNES 1995, 143f.; vgl. zur Kritik KAHLOS 2002, 60; S ALZMAN 2002, 78–80.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Die Varianzbreite im Einzelfall verweist auf das missions- und sozialgeschichtliche Kardinalproblem: Was heißt „Konversion zum Christentum“ im 4. Jahrhundert? Die mangelnde Eindeutigkeit der Quellen geht auf die oft nicht vorhandene Trennschärfe von Religionsaffiliationen zurück: Natürlich gab es spektakuläre Fälle einer Konversion von Intellektuellen und Adligen; so rief der Übertritt des rhetor urbis Marius Victorinus zum Christentum um 355 ebenso große Beachtung hervor wie der des Paulinus von Nola (s.u. S. 146–148) oder das Auftreten des Senators Pammachius im Mönchsgewand.73 Die meisten Konversionen innerhalb der römischen Oberschicht erregten hingegen weniger Aufsehen, weil sie nicht als radikaler Bruch inszeniert oder wahrgenommen wurden. So ließ der Konsul des Jahres 328, Flavius Ianuarius, als diskretes Zeugnis seiner Religionszugehörigkeit auf dem Sarkophag seiner Gattin Marcia Romania Celsa in Arles eine christliche Inschrift anbringen.74 Der vir clarissimus Publilius Optatianus Porfyrius, praefectus urbis 329 und 333, gehörte als sacerdos einem nicht näher bestimmbaren Priesterkollegium an, „dürfte aber seit den 320er Jahren auch Christus verehrt haben“75, ohne dass sich ein striktes Nacheinander von paganer und christlicher Affiliation feststellen ließe. Auf den Epitaphen römischer Honoratioren erschienen die Rangklassentitel neben der Bezeichnung famulus bzw. famula dei.76 Zwar notiert von Haehling für die Zeit von 395 bis 423 immer noch 30% Heiden unter den praefecti urbis Romae77, jedoch wandelte sich das Bild jetzt unaufhaltsam: Zosimus berichtet, dass während der Stadtpräfektur des Gabinius Barbarus Pompeianus (408/09) Männer aus dem etruskischen Narnia in Rom dafür warben, wie effektiv ihre Kulte die Stadt vor den Barbaren geschützt hätten. Gleiches sollte auch in Rom geschehen, sogar mit heimlicher Zustimmung des Bischofs Innocenz; als es aber daran ging, öffentlich im Tempel auf dem Kapitol zu opfern, habe sich kein Senator dazu bereit gefunden, und zwar angeblich aus Angst vor der „herrschenden Religion“, also dem Christentum.78 Nach Zosimus habe schon damals niemand, der sich of73 Victorinus’ Taufe wurde „mirante Roma, gaudente ecclesia“ wahrgenommen (Aug. conf. VIII 2,4; 116,51f. V.). Zu Pammachius vgl. Hier. ep. 66,6,1 (CSEL 54, 654,1–4 H.); dazu NÄF 1995, 110f. sowie unten S. 149; 234 mit Anm. 336. 74 AE 1974, 109 Nr. 418; vgl. GP 627; PLRE I 453 (Nr. 1–2 – die Identität des Konsuls mit dem vicarius des PPO per Moesias 319 ist umstritten) sowie zu beiden Eheleuten die Nachträge zu PLRE von MARTINDALE in: Hist. 29 (1980), 480. 486; SALZMAN 2002, 13. 75 R ÜPKE/G LOCK 1241f. Nr. 2859; PLRE I 649 Nr. 3; vgl. VON H AEHLING 1978, 365. 76 Vgl. NÄF 1995, 40 mit dem prominenten Beispiel des Sextus Petronius Probus (CIL VI 1756 = ILCV 63); vgl. dazu MATTHEWS 1975, 202: „Few achieved in their Christianity the spectacular ambivalence of Petronius Probus; yet he represents an accomodation of Christianity with saecularia, ‚things of the world‘, which would clearly have to be accomplished if the ‚Christian empire‘ was ever to be a complete reality.“ 77 V ON H AEHLING 1978, 485f. 78 Zos. V 41,3 (III/1, 61,11–18 P.); vgl. Sozom. h.e. IX 9,3–5 (1074,22–1076,8 H.).

1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft

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fen zum paganen Kult bekannte, ein hohes Amt bekleiden dürfen; tatsächlich wurde 408 nur der Zugang nichtkatholischer Christen zu bestimmten Ämtern eingeschränkt, erst 416 auch der „Heiden“.79 Ambrosius’ Behauptung, anno 384 sei der Senat mehrheitlich mit Christen besetzt gewesen (s.u. S. 156), setzt eine Trennschärfe voraus, die damals noch kaum gegeben war: Obwohl vielleicht nicht die Mehrzahl, aber doch jedenfalls viele der Senatoren bereits Christen waren, hatte dies bisher nicht zu konflikthaften Widerständen seitens der „Heiden“ geführt. Klare Grenzen zwischen Christentum und „Heidentum“ zog erst die Gesetzgebung des Theodosius, beginnend 391 mit dem Verbot der Apostasie hochgestellter oder adlig geborener Personen.80 Es stellt eine unzulässige Simplifizierung dar, unterschiedliche Formen der Konversion auf eine Leitdifferenz von „halben“ und – wie zu ergänzen ist – „ganzen“ oder „wahren“ Christen zu reduzieren, so Winfried Daut: Die „halben Christen“ hätten „ihre heidnischen und christlichen Anschauungen nicht harmonisiert, sondern unverbunden nebeneinander gestellt… Sie schließen sich entweder aus reinem Nützlichkeitsdenken dem Christentum an, oder sie sind (vor allem) Gebildete, die noch kein inneres Verhältnis zum Christentum gewonnen haben.“81 Hier klingt die zeitgenössische theologische Kritik eines Ambrosius82 oder Augustin83 an; Gaudentius von Brescia berichtet von der rasanten Bekehrung vieler Heiden, die keineswegs wahre Verehrer Gottes geworden seien, ein Phänomen, das auch Maximus von Turin beklagt.84 Zeno von Verona nennt hingegen die gebildeten Heiden und Neugetaufte unter seinen Hörern seine „dulcissimi flores“85; seine Gesprächsbereitschaft gegenüber 79 Bei Zos. V 46,3 legt Generidus sein Amt nieder aus dem Grund: ὅλως τοῖς ἄρχουσι καταλέγεσθαιτοὺςτῶνΧριστιανῶνµὴτιµῶνταςθρησκείας (III/1, 68,24f. P.). Angespielt wird auf die antidonatistische Bestimmung in Cod. Theod. XVI 5,42 (14.11.408; 869,2f. M.): „Eos, qui catholicae sectae sunt inimici, intra palatium militare prohibemus, ut nullus nobis sit aliqua ratione coniunctus, qui a nobis fide et religione discordat“; vgl. SALZMAN 1993, 368. Erst Cod. Theod. XVI 10,21 a. 416 (zit. oben Anm. 61) sollte „Heiden“ prinzipiell vom Staatsdienst fernhalten. 80 Cod. Theod. XVI 7,5 (a. 391; 886,1–5 M.): „Si quis splendor conlatus est in eos vel ingenitus dignitatis, qui fide devii et mente caecati sacrosanctae religionis cultu et reverentia descivissent ac se sacrificiis mancipassent, pereat, ut de loco suo statuque deiecti perpetua urantur infamia ac ne in extrema quidem vulgi ignobilis parte numerentur“; vgl. SALZMAN 1993, 373; NOETHLICHS 1986, 1160–1163. 81 D AUT 1971, 173. Den Begriff des „Namenschristen“ gebraucht N ÄF 1995, 290 für Ausonius, BAUS 1973, 228 für Claudian, HERZOG (KP III, 1969, 857) für Macrobius, BARTON 2000, 202 für die halbbekehrten Mitchristen des Rhetors Endelechius (zu ihm S. 388f.). 82 Vgl. Ambr. in Luc. 7,28 (CChr.SL 14, 224,298–309 Adriaen); ep. 72[17],8 (CSEL 82/3, 14,61 Zelzer); in psalm. 118,16,45 (CSEL 62, 377,1–5 Petschenig). 83 Augustin fürchtete, Konvertiten wollten nur äußere Vorteile erlangen (catech. rud. V 9,2; 129,5–12 B.) und z.B. dem Theaterbesuch treu bleiben (XXV 48,14; 172,73–75 B.). 84 Gaudent. serm. 8,25; vgl. 4,13–16 (CSEL 68, 42,74–93; 67,189–201 Glück); Max. Taur. serm. 61c,4 (258,67–259,72 M.); zu den herangezogenen Zitaten vgl. DAUT 1971, 174–181. 85 Zeno, tract. I 25,6 (CChr.SL 22, 76,115 Löfstedt); zur Bewertung der eloquentia vgl. tract. I 38,1; II 1,1 (105,2–9; 145,2–9 L.).

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„Halbchristen“, die sich noch nicht von ihrer Herkunft hatten lösen können oder wollen, erfuhr freilich prompt Widerstand in seiner Gemeinde.86 Als Beispiele solcher „Halbchristen“ aus den oberen Segmenten der römischen Gesellschaft nennt Daut neben Arnobius von Sicca87 den Rhetor Eugenius, dessen Episode als Usurpator eng mit der Frage einer „heidnischen Reaktion“ im späten 4. Jahrhundert verbunden ist (s.u. S. 162f.) sowie als „Vertreter der oberflächlich christianisierten Schicht der Gebildeten“88 Claudian89 und Ausonius. Des letzteren Werk sei von eklatanter Oberflächlichkeit geprägt, so dass er „als Blinder sein Jahrhundert der drohenden Gefahr durch die Barbaren, der Auseinandersetzung zwischen Heidentum und Christentum, des Kampfes gegen die Häresien, der Auflösung der kaiserlichen Macht erlebt. Diese großen geistigen und politischen Auseinandersetzungen finden keine Resonanz in seinem Werk. Er hat sie nicht verstanden.“ Zwar verrate er Kenntnis des Christentums, doch seien „Plautus, Terenz, Horaz, Ovid und vor allem Vergil seine geistigen Väter. Diese unbekümmerte Verbindung unverträglicher Vorstellungen ist bezeichnend für den Eklektizismus gebildeter Halbchristen jener Epoche.“90 Daut folgert daraus: „Diese Halbchristen sind der Tribut, den die Kirche für ihr schnelles Wachstum leisten mußte.“91 86

Zeno, tract. I 35,2 (90,47–56 L.). Nach DAUT 1971, 182 Anm. 103 „verrät sein Werk heterodoxe Züge, Widersprüchlichkeit, Flüchtigkeit, geringe Gedankentiefe“; vgl. aber unten S. 387 mit Anm. 174. 88 D AUT 1971, 181. 89 D AUT 1971, 186f.: Claudian war „nach Bildungsgang und Neigung zwar ursprünglich durchaus Heide, paßte sich aber später, ohne getauft zu sein, der am Hofe [des Honorius] herrschenden christlichen Strömung an“ (vgl. Aug. civ. V 26; 162,27f. D./K.: „a Christi nomine alienus“; Oros. hist. VII 35,21; CSEL 5, 531,18 Zangemeister: „paganus pervicacissimus“). Vgl. aber Al. CAMERON 2004, 341: „All Claudian’s poems were written for Christian patrons, and most of them publicly performed in front of an overwhelmingly Christian audience at court in Milan. Beyond question his poetry appealed to at any rate lay Christians. Even if Claudian himself was a pagan, his work cannot have been thought to reflect pagan or subversive values by those who knew him best“; vgl. auch MORESCHINI 2004. Av. CAMERON 1991, 128 nennt als griechisches Pendant den Philosophen und Bischof Synesius von Cyrene: „He was accepted by later generations as a Christian, and there is no sign that the speeches he delivered in Constantinople, in which he addressed in highly rhetorical and classicizing terms the subject of political power and kingship, were judged unsuitably pagan in character.“ 90 D AUT 1971, 185f. Zu Ausonius’ Vertrautheit mit dem Christentum wird auf Griphus de ternario numero 88 (114 Green: „ter bibe. tris numerus super omnia. tris unus deus“) verwiesen, weiterhin auf die Versus paschales, die Oratio matutina der Ephemeris (nach GREEN, Komm. z.St., 250 das erste „non-liturgical Christian prayer“, das die christliche Poesie von Prudentius an tief beeinflusste), die Gratiarum actio Gratiano sowie auf die Versus rhopalici und ep. 24,112– 114 an Paulinus (230 Gr.: „votis omnibusque bonis precibusque vocatus; appropera, dum tu iuvenis, dum nostra senectus servat inexhaustum tibi gratificata vigorem“). IRMSCHER 1993, 181–184 sieht in der Oratio matutina das „Zeugnis einer hochgradig intellektuell geprägten Frömmigkeit“ (183), während die theologischen Formeln belegten, dass Ausonius gewusst habe, was an nizänischer Orthodoxie zu erwarten war (181). MARKSCHIES 1995, 167 Anm. 460 präzisiert, 87

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Diese Leitdifferenz zwischen christlichen und paganen religiösen und kulturellen Konzepten, die trennscharf zu unterscheiden und – wenn überhaupt – auf dem hermeneutischen Reflexionsniveau eines Augustin zu vereinbaren seien, hat Robert Markus als eine moderne Konjektur beschrieben, während die Zeitgenossen darin keine eindeutige Differenz gesehen hätten. Die Vielgestaltigkeit von Konversionen habe zwar zu Irritationen bei Theologen und Bischöfen geführt, die Zugehörigkeit zum Christentum sei für die Betroffenen selbst aber nicht fraglich gewesen.92 Ausonius selbst berichtete einem Briefpartner ganz selbstverständlich über seine Teilnahme am bevorstehenden Osterfest93 und brachte gegenüber Paulinus von Nola seinen Glauben an Gott Vater und Sohn argumentativ ins Spiel – wenn auch im selben Atemzug mit vielen weiteren Göttern.94 Paulinus meinte Ausonius seinerseits darauf ansprechen zu dürfen, dass sie nicht nur eine persönliche Freundschaft verbinde, sondern ebenso Christus, „der mit vereinten Sinnen verehrt werden muss“95; er nahm Ausonius’ Christentum also ernst. Die Fixierung auf das Leitbild eines glühenden „Konfessors“ hat allzu oft solche Zusammenhänge übersehen lassen, die mindestens ein „volkskirchliches“ Teilnahmeverhalten

Ausonius’ nizänisch geprägtes Christentum zeige sich in Ephemeris 10f. (8 Gr.): „generatus in illo tempore, quo tempus nondum fuit“ und ebd. 82f. (10 Gr.): „filius, ex vero verus, de lumine lumen, aeterno cum patre manens, in saecula regnans“, wobei ein antimarkellischer Einschlag erkennbar werde; vgl. Versus paschales 18 (16 Gr.): „ex vero verum“. 91 D AUT 1971, 188. 92 M ARKUS 1990, 33f. Vgl. M ATTHEWS 1975, 151: „Ausonius’ religion may not have pervaded all levels of his life; but there is no sufficient reason to doubt his personal sincerity. He might have been described in the words used of another well-born Christian of his day: ‚vir licet saeculi negotiis occupatus, admodum Christianus‘“ (sc. Euanthius in Sulp. Sev. dial. II 2,3; CSEL 1, 182,7f. Halm); ebenso GREEN 1993. Wolf-Lüder LIEBERMANN, HLL 5, 304f., sieht hier dagegen den „zeittypischen intellektuellen Synkretismus“: Das Christentum sei für Ausonius „zu einer Sache der Indifferenz“ geworden. SKEB 2000, 352 betrachtet die Religiosität des Dichters, Lehrers und Amtsträgers als „eine ‚dritte Konfession‘“, die als „innerliche Religiosität der Erfahrung der praesentia numinis“ sowohl für das Christentum wie für den Neuplatonismus anschlussfähig gewesen sei. SIVAN 1993, 110 möchte Ausonius sogar als „nominal pagan“ ansehen; auch KLEIN 1991, 372 nennt Ausonius einen „Namenschristen“, der „innerlich von der neuen Lehre kaum angerührt“ gewesen sei (378). 93 Auson. ep. 2,9f. an Axius Paulus (193 Gr.): „instantis revocant quia nos sollemnia Paschae / libera nec nobis est mora desidiae“; vgl. FREND 1969, 2; Al. CAMERON 1970, 216; SIVAN 1993, 110. Nach IRMSCHER 1993, 182 „trug die Feier des Osterfestes unter den christlichen Kaisern bereits einen gewissermaßen offiziellen Charakter, so daß die Teilnahme für einen Beamten sozusagen zu seinen Amtspflichten gehörte.“ 94 Auson. epp. 23,32–34 = 24,104–106 (226.230 Gr.): „certa est fiducia nobis, / si genitor natusque dei pia verba volentum / accipiat, nostro reddi te posse precatu“. 95 Paul. Nol. carm. 11,18f. (CSEL 30, 40 Hartel/Kamptner): „inque tuum tantus nobis consensus amorem est, / quantus et in Christum conexa mente colendum“; vgl. CONYBEARE 2000, 154.

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vermuten lassen.96 Das bedeutet freilich keineswegs, dass Ausonius sich dadurch veranlasst gesehen hätte, das Lob des Symmachus zurückzuweisen, der ihn für seine Mosella mit keinem Geringeren als Vergil verglich97; ihm wurde dasselbe Lob auch aus dem Mund des Paulinus zuteil.98 Nach Johannes Irmscher gehörte Ausonius „zu den Intellektuellen, welche in jener Epoche tiefgreifenden Umbruchs sich auf der mezza strada zwischen Altem und Neuem am wohlsten fühlten.“99 Irritierend war hingegen für Ausonius selbst bezeichnenderweise die Entscheidung seines ebenso gebildeten Schülers und Freundes, seine sozialen Verpflichtungen als Grundbesitzer aufzukündigen und sich ganz der Verehrung des heiligen Felix von Nola zu widmen.100 Der in der Aristokratie als Unterbrechung der Ämterlaufbahn übliche „secessus in villam“ wurde von Paulinus als Verbindung von „ruris otium“ und „ecclesiae cultus“ reformuliert.101 Ausonius konnte darin nur eine perversio der sozialen und familiären Bindungen sehen, in die Paulinus durch Herkunft, Bildungsgang und Besitz unweigerlich 96 In Urteilen wie dem von Daut sieht Al. C AMERON 2004, 343 „the ecclesiastical fallacy: the failure to differentiate between lay Christians and professed ecclesiastics, heavily overrepresented in the surviving texts.“ Dass hier mit einer falschen Alternative gearbeitet wird, betont auch David AMHERDT, Ausone et Paulin de Nole. Correspondance (Sapheneia 9), Frankfurt 2004; vgl. jetzt den Forschungsüberblick von GRUBER 2006, bes. 363f. 366. 376. 97 Symm. ep. I 14,5 (MGH.AA VI/1, 10,18 Seeck): „Ita dii me probabilem praestent, ut ego hoc tuum carmen libris Maronis adiungo.“ 98 Paul. Nol. carm. 11,38f. (41 H./K.): „uix Tullius et Maro tecum / sustineant aequale iugum“; gerichtet gegen Ausonius’ Appell an den einstigen Schüler und jetzigen Asketen, sie trügen doch das selbe Joch wie bereits ihre Väter (ep. 24,1–11; 227 Gr.) – er (Paulinus) würde sich diese Gleichrangigkeit niemals anmaßen! Ausonius hatte beteuert, obwohl er an Alter vorangehe, weiche er an Geisteskraft zur Seite: „Es erhebt sich vor deiner Muse meine Camene!“ (ep. 18,11f.; 217 Gr.: „cedimus ingenio, quantum praecedimus aevo; / adsurgit Musae nostra Camena tuae“); vgl. DRÄGER, Komm. z.St., 196 mit Verweis auf Verg. ecl. VI 66 als Vorbild: „utque viro Phoebi chorus adsurrexit omnis“. 99 I RMSCHER 1993, 185. Nach L EPPIN 2004, 70 zeigt sich hier „eine Grauzone zwischen Christen und Heiden, die den Druck auf das Heidentum reduzierte“, das auf diese Weise aber auch seine Konturen verlor – für die Zeitgenossen wie für die moderne Forschung! 100 Auson. ep. 24,115f. (230 Gr.). Vgl. F ONTAINE 1972, 292–296 zur Auseinandersetzung um das mit Muße gefüllte Leben als Großgrundbesitzer sowie 297 zu Paulinus’ Form der rusticatio: „Die christlichen Werte der asketischen ‚vita nuova‘ stehen dabei den antiken Werten eines zurückgezogenen Landlebens nicht im Wege und auch nicht dem Lebensstil der Großgrundbesitzer.“ Paulinus, Spross aquitanischen Adels, wurde 378 consul suffectus und 381 consularis von Kampanien. Dass er Ausonius seine Bildung verdankte, anerkannte er noch als Christ (carm. 10,93–96; 28 H./K.): „Tibi disciplinas dignitatem litteras, / linguae togae famae decus, / provectus altus institutus debeo, / patrone praeceptor pater“ als Antwort auf Ausonius, ep. 22,33– 35 (225 Gr.): „Ego sum tuus altor et ille / praeceptor primus, primus largitor honorum, / primus in Aonidum qui te collegia duxi“; zur Chronologie des Briefwechsels vgl. NÄF 1995, 98 Anm. 39. 101 Paul. Nol. ep. 5,4 (FC 25/1, 174,14–17 Skeb): „nec rebus publicis occupatus et a fori strepitu remotus ruris otium et ecclesiae cultum placita in secretis domesticis tranquillitate celebravi“; ep. 26,1 (650,8): „non deserta sed secreta“.

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eingebunden war: Beide seien sie „Männer, die der heilige Purpur des Quirinus und der vergoldete Umhang des Staatsgewandes umhüllt hat“.102 Er erblickte darin die „Verachtung gegenüber den traditionellen Vorstellungen kultivierter Freundschaft“103. Es wurden also unterschiedliche Konsequenzen aus der Zugehörigkeit zur Kirche gezogen: „Ausonius himself was a conventional Christian; Paulinus was learning to how be a cultural Christian.“104 Paulinus nahm das literarische Spiel auf und antwortete Ausonius mit vergleichbarer Semantik und metrischer Gestaltung, verband damit aber zugleich eine unzweideutige Abgrenzung: „Was verlangst du, Vater, daß die Musen, die aufgegeben worden sind, zur Sorge um mich zurückkehren? Es verweigern sich den Camenen und stehen nicht für Apollo offen Herzen, die Christus hingegeben sind.“105

Gott verbiete es, sich der Muße oder der weltlichen Geschäftigkeit oder gar den „erfundenen Geschichten“ (fabulosae litterae) hinzugeben, die „das listenreiche Wirken der Weisen und die Kunst der Redner und die Erfindungen der Dichter vernebeln, die Herzen mit Falschem und Nichtigem tränken und nur die Zungen unterweisen“.106 Ausonius’ Scherze „ziemen sich vielleicht für einen Poeten, nicht aber für Eltern“107 – womit dessen Anspruch in Frage steht, geistiger Vater des Paulinus zu sein und dadurch Autorität für ihn zu bleiben. Obwohl Ausonius und Paulinus keine gemeinsame „Plattform“ mehr hatten, versuchte letzterer immerhin „Brücken“ zwischen unterschiedlichen Standpunkten zu schlagen, so Hans-Armin Gärtner.108 Zentral dafür ist der Begriff der pietas: Weil er Ausonius seine Bildung verdankt, steht Paulinus weiterhin zu ihm in einem Verhältnis der Dankesschuld; diese pietas richtet sich allerdings zugleich und zuerst auf Christus, der nach Paulinus dafür sorgt, dass die Beziehung zu Ausonius trotz aller Differenzen andauere – damit wird das Verhältnis auf eine dezidiert christliche Grundlage gestellt: „Wie kann die pietas je einem Christen fehlen? / Denn ein gegenseitiger Beweis ist es / für die pietas, Christ zu sein, und für den Ungläubigen, / nicht

102 Auson. ep. 24,56f. (228f. Gr.): „Paulinum Ausoniumque, viros quos sancti Quirini purpura et auratus trabeae velavit amictus“; Übers. DRÄGER, 67. 103 M RATSCHEK 2002, 98; zum Ideal der amicitia s.u. S. 193–195. 104 WITKE 1971, 6; vgl. C ONYBEARE 2000, 147 und KIRSCH 2004a, 48–53 zur Auseinandersetzung von Ausonius und Paulinus und dessen Absage an die „heidnische“ Poesie. 105 Paul. Nol. carm. 10,19–22 (25 H./K.): „Quid abdicatas in meam curam, pater, / redire Musas praecipis? / negant Camenis nec patent Apollini / dicata Christo pectora“; Übers. DRÄGER, 93. 106 Paul. Nol. carm. 10,33–40 (25 H./K.): „uacare uanis, otio aut negotio, / et fabulosis litteris / uetat, suis ut pareamus legibus / lucemque cernamus suam, / quam uis sophorum callida arsque rhetorum et / figmenta uatum nubilant, / qui corda falsis atque uanis imbuunt / tantumque linguas instruunt.“ 107 Paul. Nol. carm. 10,264 (36 H./K.): „saepe poetarum, numquam decet esse parentum“. 108 H.-A. GÄRTNER 1999, 557f.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Christus unterworfen zu sein.“109 Die Absage an die literarische Kultur ergeht also immer noch in kunstgerechter Form; die carmina des Paulinus gelten für Fontaine daher als „conversion inachevée de la poésie ausonienne“.110 Das Skandalon bestand für Ausonius also gerade in Paulinus’ Weigerung, auch nach der Hinwendung zum christlichen Glauben ein der erworbenen Bildung entsprechendes Leben zu führen. Ambrosius berichtet mit unverhohlenem Spott von dem Schock, den die Zeitgenossen durch Paulinus’ Rückzug von weltlichen Ämtern und Ambitionen erlitten hätten: „Was werden die Aristokraten sagen, wenn sie das alles hören? Dass ein Mann aus einer solchen Familie, mit einem so berühmten Stammbaum, mit solchen Geistesgaben, mit solch einer brillanten Rhetorik tatsächlich aus dem Senat ausgeschieden sei und es zulasse, dass die Linie seines adligen Hauses unterbrochen werde – das [sc. werden sie schreien] können sie nicht dulden.“111

Andere Zeugnisse aus jener Zeit belegen eher gleitende Übergänge: Der Epitaph des vierfachen Prätorianerpräfekten Sextus Claudius Petronius Probus vermerkt, erst durch Christus habe der Verstorbene seinen wahren Adel erlangt („hic est verus honos, haec tua nobilitas“); damit war aber keineswegs ein Verzicht auf traditionelle Adelsprädikate impliziert.112 Diese wurden weiterhin 109 Paul. Nol. carm. 10,85–88 (28 H./K.): „pietas abesse Christiano qui potest? / namque argumentum mutuum est / pietatis, esse christianum, et inpii, / non esse Christo subditum.“ 110 F ONTAINE 1981, 161. Vgl. die Replik auf Ausonius’ Kritik, hinter der Abkehr vom standesgemäßen Leben stecke seine Frau, wie einst Tanaquil bei Bellerophon (carm. 10,189– 192; 32 H./K.): „Ne me igitur, uenerande parens, his ut male uersum / increpites studiis neque me uel coniuge carpas / uel mentis uitio; non anxia Bellerophontis / mens est nec Tanaquil mihi, sed Lucretia coniunx“ – angespielt wird also auf „das römische Beispiel der Schamhaftigkeit und Selbstaufgabe“, so EIGLER 2003, 137; vgl. ebd.: „Trotz eines vorherigen Angriffs auf die weltliche Bildung antwortet Paulinus seinem Briefpartner auf der Ebene jener Bildung, die auch ihn maßgeblich geprägt hat.“ 111 Ambr. ep. 27(58),3 (CSEL 82/1, 181,16–19 Faller): „Haec ubi audierint proceres viri, quae loquentur? Ex illa familia, illa prosapia, illa indole, tanta praeditum eloquentia migrasse a senatu, interceptam familiae nobilis successionem: ferri hoc non posse“ (übers. MRATSCHEK 2002, 98); vgl. auch Sulp. Sev. Mart. 25,4 (310 F.); vgl. weiterhin Prudent. c. Symm. I 558–650 (240 B.); Eucher. cont. 387–393 (BPat 16, 82 Pricoco); Greg. Tur. glor. conf. 108 (MGH.SRM I/2, 817,1–10 Krusch); vgl. Aug. civ. I 10 (11,57–12,69 D./K.); dazu MRATSCHEK , aaO. 95–101. 112 CIL VI 1756b = ILCV 63B, Z. 10; vgl. Z. 5–7: „Dives opum clarusque genus, praecelsus honore, / fascibus inlustris, consule dignus avo, / bis gemina populos praefectus sede gubernans“; vgl. NÄF 1995, 86; SALZMAN 2002, 123.202f. Nach M.G. SCHMIDT 1999, 114f. lässt sich Ambrosius aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen als Autor wahrscheinlich machen – zumal er bereits als junger Mann von Probus gefördert wurde und auch später in Kontakt zu ihm blieb (Paul. Med. vita Ambr. 5,1; 21,1; 60,1–5; 80,1–4 Bastiaensen). MATTHEWS 1975, 202 verweist auf die in Ambr. ep. 88 genannten Nonius Atticus Maximus und Fl. Pisidius Romulus als Beispiele für „those influential Christians of more moderate persuasions, who were anxious to maintain their connections with the political life, and with secular society and its culture. Such men would not have wished, any more than did Symmachus, to see their society split down the middle by the issue of religious belief“ (195; zu beiden s.u. S. 231f.).

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als Kennzeichen des sozialen Ranges tradiert, dem Christsein freilich in spezifischer Weise subordiniert: „Paulinus nobilissimus et eloquentissimus dudum, conversione ad deum nobilior factus“113, heißt es in der Fortsetzung der Chronik des Hieronymus durch Hydatius (um 470) über den Bischof von Nola. Zur selben Zeit berichtet Sidonius Apollinaris, wie er seinen Großvater Apollinaris, PPO Galliarum 408, auf einem neuen Epitaph als „consultissimus utilissimusque ruris, militiae forique cultor“ pries, ihm dann jedoch durch seine Konversion zum Christentum eine „superba virtus“ attestierte.114 Dass das Christentum am Ende des 4. Jahrhunderts gesellschaftsfähig wurde, bedeutete also nicht grundsätzlich eine Desintegration sozialer Werte, vielmehr zeigt sich ein Überbietungsverhältnis zwischen weltlicher und „himmlischer“ Verortung des Individuums, damit aber eine prinzipielle Kontinuität, die besonders anhand der Funeralepigraphik zu verfolgen sein wird (s.u. 2.1.). Aus der Perspektive zeitgenössischer theologischer Reflexion wurde dabei naturgemäß das Neue, Zukunftsweisende betont: So durfte Hieronymus gegenüber seinem Studienfreund Pammachius zwar nicht vergessen, dessen edle Herkunft, seine hohe Bildung und Beredsamkeit sowie seine standesgemäße Ehe zu loben – die Pointe liegt freilich darin, dass Pammachius sich über all dies erhoben habe.115 Erst die christliche Lebensweise biete wahren Adel, wie besonders in Briefen des Hieronymus an und über römische aristokratische Asketinnen betont wird: Paula sei „nobilis genere, sed multo nobilior sanctitate“ gewesen116; nach der Aufzählung ihrer illustren Ahnenreihe folgt das überraschende Fazit: „Nichts wollen wir loben als das, was ihr zu eigen ist!“117 Umgekehrt schreckte Hieronymus nicht davor zurück, den hochgeachteten consul designatus Vettius Agorius Praetextatus nach seinem plötzlichen, auf dem Gipfel des Ruhmes eingetretenen Tod in der Hölle zu lokalisieren.118 Um die Mit113

Hydat. chron. 81 a. 424 (SC 218, 126,1f. Tranoy); vgl. Ulrich HAMM, in: LACL 3, 455. Sidon. ep. III 12,5 vv. 9f.17 (II 103 Loyen). Nach HEINZELMANN 1976, 54 „verliert besonders die vornehme Geburt nichts von ihrer Bedeutung, auch das Grabmonument der nun christlichen Aristokratie ist in erster Linie Mittel zum Zweck der Verbreitung von gloria und fama der Verstorbenen.“ 115 Vgl. Hier. ep. 66,4,3 (651,15–19 H.): „tunc rari sapientes, potentes, nobiles Christiani, nunc multi monachi sapientes, potentes, nobiles. quibus cunctis Pammachius meus sapientior, potentior, nobilior: magnus in magnis, primus in primis, ἀρχιστρατηγὸς monachorum“; vgl. auch ep. 66,6,2 (654,12–18 H.); dazu NÄF 1995, 110f. und SALZMAN 2002, 204: „While the notion of Christian ascetic as a way of life may be new, Jerome’s language and logic belong to the traditional aristocratic status culture that valued social prestige, competition, and peer approval.“ Zu Pammachius vgl. PLRE I 663; PCBE II/2, 1576–1581; MRATSCHEK 2002, 143–150. 116 Hier. ep. 108,1,1 (CSEL 55, 306,5f. H.); dazu REBENICH 1992, 190, der auf Aug. ep. 150 (über Demetrias; CSEL 44, 381,10f. G.: „puella nobilis genere, nobilior sanctitate“) und Paul. Nol. ep. 29,6 (über Melania d.Ä.; 692,10–13 S.) verweist; vgl. auch FEICHTINGER 1997, 202. 117 Hier. ep. 108,3 (308,14f. H.): „Nos nihil laudabimus, nisi quod proprium est“. 118 Hier. ep. 23,3,2 a. 384 (CSEL 54, 213,8–14 H.): „ille, quem ante paucos dies dignitatum omnium culmina praecedebant, qui, quasi de subiectis hostibus triumpharet, Capitolinas ascendit arces, quem 114

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te des 5. Jahrhunderts wurde der gallische Bischof Germanus von Auxerre in diesem Sinne charakterisiert: „natalibus nobilis, religione nobilior“.119 Hieronymus zielte mit dieser rhetorischen Strategie vor allem auf adlige und gebildete Frauen, die zu Multiplikatorinnen seiner Mahnung wurden, den weltlichen zugunsten des christlichen Adels abzulegen.120 Das Ergebnis war nach Barbara Feichtinger eine „Aristokratisierung“ der asketischen Bewegung, die dadurch „gesellschaftsfähig“ geworden sei, dass sie keine radikale Abkehr von bisherigen Idealen und Lebensformen erforderte.121 Das Unverständnis des Ausonius für Paulinus macht jedoch deutlich, dass das Ideal des asketischen Lebens als Differenzkriterium begriffen werden konnte, und zwar dort, wo der Asket oder die Asketin nicht mehr unter das gesellschaftliche Modell des bewusst geübten otium zu subsummieren war, das nach traditionellem römischem Verständnis vom negotium, der tätigen Mitarbeit im Gemeinwesen, nicht zu trennen war.122 Paulinus selbst illustriert, dass die Hinwendung zur Askese keine Einbahnstraße sein musste123: Als Bischof von Nola betätigte er sich als Bauherr, als Patron der Armen und als Mittelplausu quodam et tripudio populus Romanus excepit, ad cuius interitum urbs universa commota est, nunc desolatus est, nudus, non in lacteo caeli palatio, ut uxor conmentitur infelix, sed in sordentibus tenebris continetur“ (anders als die ebenso verstorbene mater virginum Lea, die nun in Abrahams Schoß ruhe: ep. 23,3,1; 213,5 H.); vgl. c. Ioh. 8 (CChr.SL 72A, 15,31f. Feiertag): „homo sacrilegus et idolorum cultor“; dazu REBENICH 1992, 171; FEICHTINGER 1997, 215 mit Anm. 73. 119 Const. vita Germ. 22 (SC 112, 164,4f. Borius); vgl. S ALZMAN 2002, 18; DIES . 2001. 120 Vgl. z.B. ep. 120 an Hedybia, eine Angehörige der aquitanischen Nobilität (GP 621; PLRE II 528), die aus einer Familie berühmter Rhetoren stammte (Attius Patera: GP 664; PLRE I 669f.; Attius Tiro Delphidius: GP 591; PLRE I 246), von deren „eloquentiae magnitudo et doctrina saecularium litterarum“ auch Hieronymus berichtet (ep. 120 praef. 2; 472,21f. H.); vgl. REBENICH 1992, 269f.; NÄF 1995, 108–113; MRATSCHEK 2002, 31. Bei der Witwe Euchrotia und Delphidius’ Tochter Procula hatte wiederum der spanische Rhetor Helpidius großen Erfolg (Auson. prof. Burd. 5; 45f. Gr.), der nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit Anhänger Priscillians geworden war (Sulp. Sev. chron. II 46,1; 47,1; SC 441, 332,9; 334,4–6 de Senneville-Grave; vgl. REBENICH 1992, 215), ebenso wie sein Landsmann Latronianus, nach Hieronymus ein „vir valde eruditus et metrico opere veteribus comparandus“ (vir. ill. 122; 222 C.-G.). 121 Vgl. F EICHTINGER 1997, 195 sowie das Fazit (219): „Der Rekurs asketischer Verhaltensideale auf den mos maiorum, der den Asketen auch zum ‚Idealrömer‘ stilisierte, erleichterte eine rasche und vollkommene Integration asketischer Tugenden und Normen in die Identität und die Gewissensstruktur des antiken Menschen. Selbst wenn ein Christ nicht asketisch lebte, hatte er zunehmend das asketische Wertesystem internalisiert wie zuvor die altrömischen virtutes, und er erkannte die christlich-asketischen Tugenden als die ‚wahren‘ Tugenden an, auch wenn sie ihm selbst nicht im vollen Ausmaß eigneten.“ 122 S. N ÄF 1995, 49f. zum Anwalt Postumianus (Macr. sat. I 2,3f.; 6,18–27 W.), bei dem „Bildung und Karriere eng miteinander verknüpft waren, die Pflege der Bildung politische Beziehungen erschloss und die Ämter durch die Gebildeten gesucht und geschätzt wurden.“ 123 Vgl. summarisch BROWN 1996, 48: „In one way or another, all the great Latin converts to the ascetic life ended up in positions of prominence in the Catholic Church – their behavior was watched, their books were read, their ideas were hotly discussed. Whether they wished it or not, they had moved from one style of public life to another.“

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punkt eines weitgespannten Netzes literarischer Beziehungen, ohne diese spezifische Form literarischer Kommunikation durch seine frühere Zugehörigkeit zum Senatorenstand zu rechtfertigen.124 Gleiches gilt für Ambrosius, consularis Aemiliae et Liguriae und seit 374 Bischof der kaiserlichen Residenzstadt Mailand, dessen Lebenswende sich in größtmöglicher Rasanz vollzog: Ambrosius war nicht einmal getauft, als er per Akklamation zum Bischof erhoben wurde.125 Die römischen Bischöfe jener Zeit waren dagegen kritisch gegenüber der Aufnahme hoher Beamter in den Klerus.126 Obwohl Ambrosius den Titel eines vir clarissimus nicht mehr führte127, ist doch seine Position im 124 Paul. Nol. carm. 21,458f. a. 407 (173 H./K.): „quid similis his habui, cum dicerer esse senator, / qualia nunc istic habeo, cum dicor egenus?“; vgl. MRATSCHEK 2002, 244–265 zur baulichen Inszenierung des Felix-Heiligtums in Nola. JERG 1970, 270–272 notiert, dass Paulinus als „bonus uir“ (Aug. ep. 27,1; 95,13 G.) und „inlustris vir“ (Sulp. Sev. Mart. 25,4; 310 F.) angesprochen wird, wobei auch Martin selbst als solcher (9,4; 272) bzw. als „inlustris puer“ (2,2; 254 F.) erscheint, obwohl er sicher nicht von solch hoher Herkunft war. Paulinus’ Hagiograph Uranius spricht nur bei der Herkunft von senatorischem Stand, nicht mehr im Kontext des Bischofsamtes (ep. de obitu Paulini 9; PL 53, 864C). 125 Dazu jetzt D ASSMANN 2004, 26–36 und unten S. 277f. 126 Zu Siricius N ÄF 1995, 103 sowie bereits JONES 1964, 924 zu Siric. ep. 5,2 (CChr.SL 149, 61,63f. Munier: „Si quis post remissionem peccatorum cingulum militiae saecularis habuerit, ad clerum admitti non debet“) und Innoc. ep. II 2,2 (PL 20, 471A). Schon eine Synode im Illyricum (Theod. h.e. IV 9,5; GCS N.F. 5, 226,12f. Parmentier/Hansen) hatte 375 vorgeschrieben, dass Priester und Diakone aus niederen Ständen rekrutiert werden sollten καὶ µὴ ἀπὸ τοῦ βουλευτηρίου καὶ στρατιωτικῆς ἀρχῆς. Vgl. HUNT 1998, 265: „The fact is that the cultural and social milieu which nurtured the upper urban classes of late antiquity did not distinguish future bishops from future bureaucrats; and any perceived incompatibility of the respective militiae existed more in the niceties of ecclesiastical regulations than in the real world.“ Vgl. KRAUSE 2006, 417 zu expliziten Verboten, Kuriale (trotz Eignung aufgrund von Vermögen und Bildung) zu Klerikern zu weihen: Innoc. ep. II 12,14 (PL 20, 477B-478A); Lib. pont. 44 (I 227 Duchesne); Greg. I. reg. II 31; IV 26 (133,8–11; 261,19–23 E./H.); vgl. auch S. 319. 127 JERG 1970, 268f. nennt Ambrosius als Angehörigen der zahlenmäßig kleinen Gruppe von adligen Bischöfen, die aber nicht als repräsentativ für ihre Zeitgenossen sind. Der These, dass die Bischöfe in das staatliche Rangklassensystem eingeordnet worden seien (referiert bei MARTIN 2001, 126), widerspricht nicht nur das Fehlen eines spezifischen Rangsystems in kaiserlichen Erlassen, Urkunden und Briefen und im kirchlichen Schriftverkehr (J ERG 1970, 128. 181. 265), sondern auch der prosopographische Befund: Ambrosius war der erste vir clarissimus (oder vir venerabilis nach Paul. Med. vita Ambr. 15,1; 72,6f. B.) als Bischof (ECK 1978, 572f.), während sich die Bischöfe überwiegend aus der städtischen Kurialenschicht rekrutierten, so dass sie in der Regel eine fundierte grammatisch-rhetorische Bildung genossen hatten (581f. mit Anm. 91). Gleiches gilt nach ECK 1983, 287f. für Nordafrika, wo gebildete, im Reichsdienst bewährte Männer aus dem Kurialenstand wie Augustin in Hippo, Alypius in Thagaste oder Petilianus in Constantina-Cirta zu Bischöfen avancierten. Auch die Befreiung von den munera civilia war ein Privileg, das gerade für die Kurialen attraktiv sein musste (vgl. MARKSCHIES 1998, 441f. mit Verweis auf Cod. Theod. XVI 2,2 vom 21.10.313; 835 M.; vgl. Eus. h.e. X 7,1f.; 891,1–20 Sch.). JONES 1964, 923 nennt als spätere Beispiele für adlige Bischöfe Sidonius Apollinaris (Greg. Tur. Franc. II 21; MGH.SRM I/12, 67,19 Krusch/Levison: „vir secundum dignitatem nobilissimus et de primis Galliarum senatoribus“) und

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Streit mit den „heidnischen“ römischen Senatoren um den Victoria-Altar (s.u.) nur daraus zu erklären, dass er diesen als einer der Ihren gegenüberstand. Theologisch und politisch räumte Ambrosius dem Adel jedoch keine spezifische Bedeutung ein – christlicher Adel war für ihn eine auf Glaube und Ethos, nicht auf Herkunft, Besitz und Bildung begründete Größe.128 An der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert „dominiert die Distanzierung vom senatorischen Standesbewusstsein“129 – das freilich im 5. und 6. Jahrhundert im Zeichen der Christianisierung der römischen Gesellschaft sowie des politischen Untergangs des Reiches auf den Grabsteinen adliger christlicher Bischöfe zu neuer Blüte gelangen sollte.130 1.3. „Heiden“ und Christen im römischen Senat: Koexistenz und Konflikt 1.3.1. Der Streit um den Victoria-Altar Die Christianisierung der römischen Oberschicht führte erstmals 382/84 zu einer konflikthaften Zuspitzung. Die Umstände der Auseinandersetzung um den Altar der Victoria in der römischen Kurie seien kurz in Erinnerung gerufen131: Dieser Altar war 357 von Kaiser Konstantius II. entfernt, wohl unter Julian (361–363) wieder aufgestellt und von Gratian (367–383) erneut aus der Kurie verbannt worden.132 Bereits 382 hatte der römische Senat diesbezüglich eine Gesandtschaft zum Kaiserhof nach Mailand geschickt, die jedoch nicht vorgelassen worden war. Zwei Jahre später bemühte man sich erneut um Gehör, diesmal bei Gratians Bruder Valentinian II. (383–392). Der Wortführer der Senatoren, der praefectus urbis Q. Aurelius Symmachus, konnte zwar den jungen Kaiser und seine Berater von der Sache der Senatoren überzeugen, Germanus von Auxerre (Const. vita Germ. 1,1; 112,15 B.: „ducatus culmen et regimen per provincias“), findet durch diese Ausnahmen aber nur den Grundsatz bestätigt: „The great majority of the higher clergy, the urban deacons and priests and the bishops, were drawn from the middle classes, professional men, official, and all above curiales“ (923f.). 128 Ambr. exhort. virg. 1,3 (OOSA 14/2, 200 Gori); vgl. N ÄF 1995, 106. 129 N ÄF 1995, 107. 130 Vgl. HEINZELMANN 1976, 97. 131 Primärquellen: Symm. rel. III = Ambr. ep. 72a; Ambr. epp. 72 und 73 an Valentinian (Maur. 17/18); ep. extra coll. 10 an Eugenius von 393 (Maur. 57; alle zit. nach CSEL 82/3, ed. Zelzer). Die Übersetzungen folgen – wo nicht anders vermerkt – KLEIN 1972, 98–159. Vgl. zu den Hintergründen WYTZES 1977; EVENEPOEL 1998/99; LEPPIN 2004, 75–80. 132 K LEIN 1972, 13f.; zu Konstantius’ Rombesuch vgl. Amm. XVI 10,5–17 (I 83,4–85,21 Seyfarth), zur Verbringung des Victoria-Altars Ambr. ep. 73(18),32 (51,322–324); dass diese Maßnahme nicht von langer Dauer war, bezeugt Symm. rel. III 4 (24,40f.). Gratians antipagane Dekrete von 382 – fiskalische Maßnahmen zur Aufhebung der Privilegien der stadtrömischen Kulte – sind nur durch ein Folgeedikt des Jahres 415 erhalten (Cod. Theod. XVI 10,20,1; 903,6–9 M.): „Omnia etiam loca, quae sacris error veterum deputavit, secundum divi Gratiani constituta nostrae rei iubemus sociari, ita ut ex eo tempore, quo inhibitus est publicus sumptus superstitioni deterrimae exhiberi, fructus ab incubatoribus exigantur“; vgl. SALZMAN 1993, 367.

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stieß jedoch auf den erbitterten Widerstand des Ambrosius, des Bischofs der Residenzstadt Mailand. Dieser hatte bereits maßgeblichen Anteil am Scheitern der ersten Gesandtschaft von 382 gehabt133 und wandte sich nun mit einem in großer Eile abgefassten Appell, den Götzenkult nicht zu unterstützen, an Valentinian. Der Kaiser schlug den Senatoren daraufhin ihr Anliegen ab134; die Sitzungen des Senats in der römischen Kurie fanden auch weiterhin ohne Anrufung der Victoria statt. Die beiden prominenten Vertreter des spätantiken „Heidentums“ und des Christentums unterscheiden sich grundsätzlich in ihrer Einschätzung der Bedeutung der Religion für den römischen Staat: Symmachus geht es um die Religion „in der Form, wie sie dem Staat so lange nützlich war“; wolle der Kaiser sich nicht selbst am Kult beteiligen, so möge er doch wenigstens dem Beispiel seiner Vorgänger folgen, die die Bräuche der Väter toleriert hätten.135 Ein Gemeinwesen dürfe nicht die Götter verraten, die ihm über lange Zeit ihren Schutz gewährt hätten. „Roma“ plädiert als Person für ihre Tradition: „Ich möchte bei den überkommenen Bräuchen bleiben; denn ich habe keinen Grund, sie zu bereuen. Nach meiner eigenen Art möchte ich leben, weil ich frei bin! … Bin ich dazu [sc. vor Hannibal u.a.] gerettet worden, um hochbetagt getadelt zu werden?“136

Zumal in religiösen Fragen sei Eindeutigkeit ohnehin nicht zu erreichen, so dass unterschiedliche Philosophien einander nicht zwingend ausschlössen: „Denn da jede Vernunfterklärung dunkel bleibt, wodurch könnten wir mit größerem Recht die göttlichen Mächte erkennen als durch die Erinnerung an ihren segensreichen Beistand und durch sichtbare Erfolge? … Warum ist es so wichtig, nach welcher Lehre jeder die Wahrheit sucht? Man kann nicht auf einem einzigen Weg zu einem so erhabenen Geheimnis finden.“137

133 Ambr. ep. 72(17),10 (16,90–97); vgl. Symm. rel. III 1 (23,7f.): „Cui ideo divi princeps denegata est ab improbis audientia“. 134 Ambr. ep. extra coll. 10 (ep. 57),3 (206,30–207,36) fasst das Ergebnis knapp zusammen: „Lecti sunt libelli mei in consistorio. Aderat amplissimus honore magisterii militaris Bauto comes et Rumoridus, et ipse eiusdem dignitatis gentilium nationum cultui inserviens inprimis pueritiae suae annis. Valentinianus tunc temporis audivit suggestionem meam nec fecit aliud nisi quod fidei nostrae ratio poscebat. Acquieverunt etiam comites sui.“ 135 Symm. rel. III 3 (23,24–28): „Repetimus igitur religionum statum qui rei publicae diu profuit. Certe dinumerentur principes utriusque sectae, utriusque sententiae; prior eorum pars caerimonias patrum coluit, recentior non removit. Si exemplum non facit religio veterum, faciat dissimulatio proximorum“; gemeint ist Konstantius, vgl. rel. III 7 (25,62–26,69). 136 Symm. rel. III 9 (27,81–83.85f.): „Utar caeremoniis avitis; neque enim paenitet, vivam meo more, quia libera sum… Ad hoc ergo servata sum ut longaeva reprehendar?“ Vgl. dazu HEINZBERGER 1976, 13–16. 137 Symm. rel. III 8.10 (26,73–75; 27,91–93): „Nam cum ratio omnis in operto sit, unde rectius quam de memoria atque documentis rerum secundarum cognitio venit numinum?… Quid interest qua quisque prudentia verum requirat? Uno itinere non potest perveniri ad tam grande secretum.“

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Zwar steckt hierin noch nicht eine elaborierte „Theologie der Religionen“, wie sie Macrobius in seinen Saturnalia dem Praetextatus zuschreibt138; eine solche ist freilich implizit als konsensfähig vorausgesetzt. Über Theologie zu disputieren ist jedoch nach Symmachus Sache der Müßiggänger – seine Rede leitet statt dessen zu einer ganz praktischen Frage über: „Gilt für die römische Religion nicht mehr das römische Recht?“139 Mit einer Reihe von Beispielen belegt er die Funktion der Religion als Garant des Wohlergehens des römischen Gemeinwesens und damit nicht zuletzt des jungen Kaisers selbst: „Mögen Euerer Milde die unbekannten Mächte sämtlicher Bekenntnisse Glück verleihen, und zwar am meisten jene, die Eueren Vorfahren beigestanden sind. Euch sollen sie beschützen, wir wollen sie verehren! Wir bitten um jene Form der Religion, die dem vergöttlichten Vater Euerer Hoheit die Herrschaft bewahrte und dem glücklichen Kaiser rechtmäßige Erben nachfolgen ließ.“140

Ambrosius berichtet in seiner Leichenrede auf Valentinian, dass diese Argumentation ihre Wirkung nicht verfehlt habe – alle, die dem kaiserlichen Konsistorium beiwohnten, Christen wie Heiden, hätten sich davon überzeugen lassen, dass den Heiden zuzugestehen sei, was sie forderten. Nur der Kaiser selbst habe Symmachus widersprochen: Wie könne man etwas fordern, was sowohl die Religion als auch den (christlichen) Nächsten verletzen würde!141 Dieses panegyrische Bild erschüttert jedoch sein eigener Bericht an Eugenius, wonach erst sein umgehend verfasster Brief, der „in consistorio“ verlesen worden sei, die Entscheidung des Kaisers bewirkt habe – „denn Valentinian hat zu dem damaligen Zeitpunkt auf meinen Rat gehört und nichts anderes getan als das, was die Lehre unseres Glaubens forderte.“142 Das aber war die klare Unterscheidung der vielen römischen Götter und des einen wahren

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Macr. sat. I 17–23 (81–128 W.): Alle Götter seien Manifestationen des Sonnengottes; dies könnte auf den Einfluss des Porphyrius hindeuten (WALLRAFF 2001, 36 mit Anm. 57). 139 Symm. rel. III 13 (29,120f.): „Ergo Romanae religiones ad Romana iura non pertinent?“ 140 Symm. rel. III 19 (32,171–176): „Faveant clementiae vestrae sectarum omnium arcana praesidia et haec maxime quae maiores vestros aliquando iuverunt. Vos defendant, a nobis colantur. Eum religionum statum petimus, qui divo parenti culminis vestri servavit imperium, qui fortunato principi legitimos suffecit heredes.“ Zur religiösen Toleranz Valentinians vgl. Amm. XXX 9,5 (II 156,24f. S.): „inter religionum diuersitates medius stetit, nec quemquam inquietauit.“ 141 Ambr. obit. Valent. 19 (CSEL 73, 339,1–340,9 Faller): „Miserat propter recuperanda templorum iura, sacerdotiorum profana privilegia, cultus sacrorum suorum Roma legatos et, quod est gravius, senatus nomine nitebantur. Et cum universi, in consistorio qui aderant, Christiani pariter atque gentiles, dicerent esse reddenda, solus velut Danihel excitato in se dei spiritu arguebat perfidiae Christianos, gentilibus obviabat dicens: Quod pius frater non eripuit, quomodo a me putatis esse reddendum, cum in eo et religio laedatur et frater?“ 142 Ambr. ep. extra coll. 10 (ep. 57),3 (207,33–35): „Valentinianus tunc temporis audivit suggestionem meam nec fecit aliud nisi quod fidei nostrae ratio poscebat.“

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christlichen Gottes.143 Wenn Symmachus viele Wege zu dem erhabenen Geheimnis zulassen wolle, zeige sich darin lediglich der Unterschied zwischen heidnischen Spekulationen und christlicher Gewissheit.144 Daran ändere auch sprachliches Dekor nichts: „Daher will ich jetzt auf den Inhalt dieser Relatio eingehen, nicht weil ich an deinem Glauben zweifle, sondern weil ich schon für die Zukunft sorge und weil ich sicher weiß, daß du meine Antwort wohlwollend prüfen wirst. Ich bitte dich nur darum, daran zu denken, daß man nicht auf gewählte Worte, sondern auf die Macht der Gedanken achten muß. Denn golden ist, wie die Heilige Schrift lehrt, die Zunge der weisen Sprecher. Reich an betörenden Worten trifft sie uns gleichsam mit den Strahlen ihrer glänzenden Beredsamkeit wie eine kostbare Farbe. Mit ihrem schönen Aussehen fesselt sie das Auge unseres Geistes und blendet es durch ihre Erscheinung. Doch betastet man dieses Gold genauer, so entlarvt es sich als ein äußerlicher Wert, innen ist es gewöhnliches Metall. Ich bitte dich, überdenke und prüfe die Lehren der Heiden. Prächtige und großartige Worte lassen sie ertönen, aber was sie verteidigen, entbehrt der Kraft der Wahrheit. Sie sprechen zwar von Gott, aber ein Götterbild beten sie an.“145

Die wahre „Roma“ sei hingegen demütig genug, ihr Wohlergehen nicht den fragwürdigen Göttern einer vermeintlich goldenen Vorzeit zuzuschreiben: „Ich bereue meinen Irrtum, und mein altersgraues Haupt errötet über das schändlich vergossene Blut. Ich schäme mich trotz meines hohen Alters nicht, mich mit dem ganzen Erdkreis zu bekehren. Es ist eine unumstößliche Wahrheit, daß man niemals zu alt ist, um zu lernen. Schämen sollte sich das Alter, welches sich nicht mehr bessern kann.“146

Ambrosius betont, dass niemandem Unrecht getan werde, solange dieser Gott verehrt werden könne; wie ja auch niemand Symmachus zu religiösen Handlungen zwingen würde, dürfe dieser nicht den Kaiser dazu überreden, seinen Glauben zu verleugnen.147 Genau dies geschähe aber, wenn der Altar wieder aufgestellt würde, weil nach Aussage der Heiden „in jeder Sitzung mit 143 Ambr. ep. 72(17),1 (11,7–10): „Aliter enim salus tuta esse non poterit, nisi unusquisque deum verum hoc est deum Christianorum, a quo cuncta reguntur, veraciter colat. Ipse enim solus verus est deus qui intima mente veneretur.“ 144 Ambr. ep. 73(18),8 (38,78–81): „Uno, inquit, itinere non potest perveniri ad tam grande secretum. Quod vos ignoratis id nos dei voce cognovimus, et quod vos suspicionibus quaeritis nos ex ipsa sapientia dei et veritate conpertum habemus.“ 145 Ambr. ep. 73(18),2 (34,12–35,23): „Itaque non fidei tuae ambiguus sed providus cautionis et pii certus examinis hoc sermone relationis assertioni respondeo, hoc unum petens ut non verborum elegantiam sed vim rerum exspectandam putes. Aurea enim, sicut scriptura divina docet, est lingua sapientium litteratorum, quae faleratis dotata sermonibus et quodam splendentis eloquii velut coloris pretiosi corusco resultans capit animorum oculos specie formosa visuque perstringit. Sed aurum, si diligentius manu tractes, foris pretium, intus metallum est. Volve, quaeso, atque excute sectam gentilium! Pretiosa et grandia sonant, veri effeta defendunt. Deum loquuntur, simulacrum adorant.“ 146 Ambr. ep. 73(18),7 (37,64–68): „Paenitet lapsus, vetusta canities pudendi sanguinis traxit ruborem. Non erubesco cum toto orbe longaeva converti. Verum certe est quia nulla aetas ad perdiscendum sera est. Erubescat senectus quae emendare se non potest.“ Zur „Roma“ vgl. EDWARDS 2004, 208. 147 Ambr. ep. 72(17),7 (14,51–55).

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

dem Eid darauf das allgemeine Wohl beraten“ werden solle.148 Christen, die den Sitzungen beiwohnten, würden so von einem christlichen Kaiser zum Schwören an einem heidnischen Altar gezwungen!149 Zwar seien vielleicht einige Berater des Kaisers „Namenschristen“, die nicht darauf achteten, welche Konsequenzen ihre Zustimmung zu Symmachus’ Forderung hätte; tatsächlich jedoch „ist der ganze christliche Senat gefährdet“.150 Wenig später wird gerügt, dass Heiden hier ihre Forderungen im Namen des Senats vortrügen, „obwohl die Christen in der Kurie schon die Mehrheit bilden“.151 Bereits anlässlich der Gesandtschaft von 382 hätten christliche Senatoren sich in einem Schreiben an den römischen Bischof Damasus von dem Ansinnen der Heiden distanziert und beklagt, die Wiedererrichtung des Victoria-Altars würde sie hindern, in die Kurie zu kommen.152 Mangels einschlägiger Quellen lässt sich die Behauptung, die Christen stellten die Mehrheit im Senat, nicht verifizieren; Ambrosius hätte sich aber kaum darauf berufen können, wenn die Senatsmitglieder nur zum geringsten Teil Christen gewesen wären. Ambrosius hatte mit seinen Eingaben Erfolg, wie sein Biograph notiert: „Als diese Relatio schon akzeptiert worden war, schrieb [Ambrosius] seinen hochberühmten libellus, gegen den Symmachus, jener höchst redegewandte Mann, nichts weiteres mehr einzuwenden wagte.“153

Vermag der Episode gebliebene Streit um den Victoria-Altar aber tatsächlich ein konflikthaftes Gegeneinander von Christen und Heiden in der Oberschicht des weströmischen Reiches zu belegen? Herbert Bloch sah das „Heidentum“ nach dem Scheitern der „pagan resistance“ in dramatischem Niedergang begriffen.154 Entsprechend erblickte Torben Christensen in „Symmachus’ Appell an Kaiser Valentinian und Ambrosius’ Gegenschrift… zwei Do148 Ambr. ep. 72(17),9 (15,72–75): „propterea enim interpretantur aram locatam, ut eius sacramento, ut ipsi putant, unusquisque conventus consuleret in medium, cum curia maiore iam Christianorum numero sit referta.“ 149 Vgl. Ambr. ep. 73(18),31 (50,313f.). 150 Ambr. ep. 72(17),8 (14,65f.): „Totus hic Christianorum periclitatur senatus.“ 151 Ambr. ep. 72(17),9 (15,74f.): „cum curia maiore iam Christianorum numero sit referta.“ 152 Ambr. ep. 72(17),10 (16,89–102): „Sed absit, ut hoc senatus petisse dicatur; pauci gentiles communi utuntur nomine. Nam et ante biennium ferme cum hoc petere temptarent, misit ad me sanctus Damasus, Romanae ecclesiae sacerdos iudicio dei electus, libellum quem Christiani senatores dederunt et quidem innumeri, postulantes nihil se tale mandasse, non congruere gentilium istiusmodi petitionibus, non praebere consensum, questi etiam publice privatimque se non conventuros ad curiam si tale aliquid decerneretur. Dignum ergo est temporibus vestris hoc est Christianis temporibus, ut dignitas Christianis senatoribus abrogetur, quo gentilibus senatoribus profanae deferatur voluntatis effectus? Hunc libellum ego fratri clementiae vestrae direxi. Unde constitit non senatum aliquid de superstitionis inpensis mandasse legatis.“ 153 Paul. Med. vita Ambr. 26,2 (86,8–10 B.): „Qua relatione accepta praeclarissimum libellum conscripsit, ut contra nihil umquam auderet Symmachus vir eloquentissimus respondere.“ 154 B LOCH 1963, 194; vgl. aaO. 197: „The severe setback which the pagan aristocracy sufferred in the controversy about the altar of Victoria represents the climax in the drama of the last fight of the pagans.“

1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft

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kumente, die auf großartige Weise den Gegensatz zwischen Heidentum und Christentum am Ende des vierten Jahrhunderts beleuchten. Symmachus steht für ein Heidentum, das in die Defensive gedrängt ist und nur noch darum bittet, seine Traditionen beibehalten zu dürfen. Ambrosius hingegen vertritt eine Kirche, die sich ihrer Sache sicher und die sich dessen gewiß ist, daß sie den Sieg über das Heidentum davontragen wird.“155 Diese Sichtweise geht, wie gesehen, auf Ambrosius selbst zurück. Umgekehrt legt dessen eigene Schilderung indirekt nahe, dass bislang „in jenem gemeinsamen Sitzungssaal der Christen und Heiden“156 noch keine Konflikte aufgebrochen waren, in deren Tradition die aktuelle Auseinandersetzung stünde. Dass Gratian – wohl im Jahr 382 – den Titel des pontifex maximus niedergelegt und dabei nach dem Zeugnis des Zosimus klargestellt hatte, dass dieses Amt für einen Christen unmöglich auszuüben sei157, bedeutete keineswegs eine klare Kampfansage an das „Heidentum“: Dafür müsste unterstellt werden, dass einerseits die heidnische Aristokratie eine homogene Größe und andererseits die religiöse Zugehörigkeit ein Kriterium strikter Unterscheidung gewesen sei. Tatsächlich hatte aber die kaiserliche Personalpolitik seit Konstantin, wie gesehen, eine durchaus heterogene Führungsschicht des Reiches erzeugt, in der weniger religiöse als soziale und kulturelle Affiliationen unterscheidend wirkten. Es ist grundsätzlich irreführend, das „Heidentum“ im Singular als eine einheitliche Größe zu verstehen, die eine ebenso kohärente „heidnische“ Religion erbittert verteidigt hätte. Dass eine Person mehrere – im Fall des Praetextatus gar sieben verschiedene – Priesterämter auf sich vereinigen konnte, belegt, dass nicht die religiöse Bindung an einen speziellen Kult entscheidend war, sondern die dadurch dokumentierte Verortung innerhalb der sozialen Hierarchie Roms.158 Praetextatus war im römischen Senat tonangebend, stand 155 CHRISTENSEN 1981, 275. Vgl. WYTZES 1977, 119: „Im Streit um den Altar der Victoria sind wir Zeugen der letzten Phase eines jahrhundertelangen Ringens zwischen zwei Religionen, die sich höchstens für einige Zeit miteinander vertragen konnten, sich gegenseitig aber für gemeinschädlich halten mussten.“ 156 Ambr. ep. 72(17),16 (19,161f.): „in communi illo Christianorum gentiliumque concilio“. 157 Zos. IV 36,5 (II/2, 302,5–11 P.): Τῶνοὖνποντιφίκωνκατὰτὸσύνηθεςπροσαγαγόντων Γρατιανῷ τὴν στολὴν ἀπεσπείσατο τὴν αἴτησιν, ἀθέµιτον εἶναι Χριστιανῷ τὸ σχῆµα νοµίσας· τοῖς τε ἱερεῦσι τῆς στολῆς ἀναδοθείσης φασὶ τὸν πρῶτον ἐν αὐτοῖς τεταγµένον εἰπεῖν ῾εἰ µὴ βούλεται ποντίφιξ ὁ βασιλεὺς ὀνοµάζεσθαι, τάχιστα γενήσεται ποντίφεξ µάξιµος᾿. Dieses Wortspiel – hier wohl Praetextatus zugeschrieben – legt einen Zeitpunkt am Ende der Regierungszeit Gratians nahe, so dass aus Zosimus’ Retrospektive „Gratian mit Recht von der Rache der Götter getroffen worden sei“ (WYTZES 1977, 195). 158 Al. C AMERON 1999, 110: „While (naturally) proof of paganism, accumulation of such priesthoods illustrates the holder’s social standing rather than his religious enthusiasm.“ Nach RÜPKE/GLOCK 1363f. Nr. 3468 fungierte Praetextatus als „Augur, Pontifex Vestae, Pontifex Solis, Quindecimvir s.f., Curialis Herculis, Hierophant in Eleusis und Neocorus, wohl (im Isis-Kult) des Serapis“; weiterhin war er pater patrum im Mithraskult sowie in die Dionysosmysterien eingeweiht (vgl. auch LEPPIN 2004, 76f.). Symmachus und Nicomachius

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

aber zugleich auch mit Bischof Damasus auf ausnehmend gutem Fuß, so dass man sogar von „zwei Päpsten“ gesprochen hat.159 Hieronymus’ harsche Invektiven gegen Praetextatus spiegeln nicht die Verhältnisse zu dessen Lebzeiten, sondern geben Einblick in die Konkurrenzsituation angesichts der offen antipaganen Gesetzgebung seit 392160, die mit dem Bemühen um eine der Zeit angemessene Neudefinition christlicher Identität Hand in Hand geht.161 Was mit dem Victoria-Altar und den Kultprivilegien auf dem Spiel stand, war daher in erster Linie die Ausübung solcher Ämter als Teil der sozialen Positionierung innerhalb der römischen Oberschicht und damit auch die Abgrenzung gegen Parvenus aus den Provinzen im kaiserlichen Dienst. Dass der Kaiser nur im Verein mit diesen Repräsentanten der Traditionen Roms erfolgreich regieren könne, weil nur durch deren Beachtung die concordia gewahrt werde, die das Wohlergehen des Reiches und seiner Bürger ermögliche

Flavianus hatten jeweils „nur“ ein Priesteramt inne (Al. CAMERON 1999, 111): Symmachus wurde nach der Praetur und vor seinem Amt als Corrector Lucaniae et Brittiorum (365) pontifex maior (CIL VI 1699 = ILS 2946; RÜPKE/GLOCK 811 Nr. 876); zu Nicomachius (Priester vor 364) vgl. aaO. 1377 Nr. 3543. 159 KAHLOS 2002, 121 zum freundschaftlichen Scherz des (nach Hieronymus) „miserabilis Praetextatus“ gegenüber Damasus: „Facite me Romanae urbis episcopum, et ero protinus Christianus“ (Hier. c. Ioh. 8; 15,32f. F.). Als Symmachus beschuldigt wurde, als praefectus urbis 384 Christen verfolgt zu haben (tatsächlich ging er gegen Plünderungen paganer Tempel vor), bestätigte Damasus auf Intervention des Praetextatus, dass keine Christen zu Schaden gekommen seien (aaO. 48 zu Symm. rel. XXI 3–5; 295,13–32 S.). Aber noch P IÉTRI (PCBE II/2, 1817) bezeichnet Praetextatus als „l’un des représentants les plus actifs de la résistance païenne“. 160 Vgl. Al. C AMERON 1999, 113f.: „The anti-pagan legislation of the decade 382-92 must have caused a number of leading pagans to make common cause, but nothing suggests that this reflected a basic division between Christians and pagans at the social level among the Roman élite.“ 161 Vgl. K AHLOS 2002, 162 zu Hier. ep. 23,3,2 (zit. oben Anm. 118); 39,3,7 (300,14–16 H.) sowie aaO. 168 zur Zeit nach 380: „Christian communities concentrated on defining and redefining their identities in the changing Empire. In order to clarify the Christian selfconsciousness, Christian writers sharpened the division between pagans and Christians and severely assaulted the errors of pagans.“ Als weitere Beispiele nennt KAHLOS Paul. Nol. carm. 19 (118–143 H./K.); Ps.-Paulinus, Poema ultimum oder Carmen ad Antonium (= carm. 32; 329–338 H./K.); Ps.-Cyprian, Carmen ad quendam senatorem ex Christiana religione ad idolorum servitute conversum (CSEL 23, 227–330 Peiper); Prud. c. Symm. (213–288 B.); Ambros. quaest. test. 114 aduersus paganos (CSEL 50, 303–318 Souter). Umstritten ist, ob das carmen contra paganos (Anth. lat. I/1, Nr. 3 Shackleton Bailey) dem Kontext der Usurpation des Eugenius entstammt und sich gegen Virius Nicomachius Flavianus richtet, so THRAMS 1992, 142f. und GRUNEWALD 1992, 476f. mit Verweis auf die Rehabilitierung des Nicomachius a. 431 (CIL VI 1783 = ILS 2948), als mit dem Aufstieg des Aetius eine kurze Phase der Konsolidierung der paganen Aristokratie in Rom angebrochen sei (486f.); ebenso MARKSCHIES 1994, 346– 351; COŞKUN 2004; für Praetextatus als Zielscheibe der Kritik votiert dagegen KAHLOS 2002, 163–168, ebenso HEINZBERGER 1976, 162–197 (der das Gedicht der Zeit der Belagerung Roms durch Alarich [408–410] zuweist, vgl. 192f.) sowie Al. CAMERON 1999, 114.

1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft

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– das ist die Voraussetzung, die bei Symmachus deutlich artikuliert wird.162 Dazu zählt für ihn aber eben auch die Wahrung geltenden Rechts, hier der Steuerprivilegien und Besitztümer der Tempelkulte und ihrer Priester, um die der ganze zweite Teil der relatio kreist und die restituiert werden sollen, nicht um dem Christentum dadurch zu schaden, sondern um den Kulten ihre angestammte Funktion sozialer Distinktion zu belassen.163 Immerhin trat Symmachus nicht als Repräsentant des „heidnischen“ Priesterkollegiums auf, sondern als praefectus urbis und im Namen des Senats: Er war nicht deshalb Wortführer der Delegation, weil er eine religiöse Autorität war, sondern weil er als moderat galt und zu Heiden und zu Christen gute Beziehungen pflegte.164 Das heißt nicht, dass jegliche religiöse Dimension der Auseinandersetzung bestritten werden müsste: Traditionell hatte der Senat schon seit der Zeit der römischen Republik in religiösen Fragen agiert, was durch die wachsende Zahl christlicher Senatoren aber problematisch geworden war. Entsprechend klagte Symmachus, nun sei wohl die Abkehr von den Altären der Götter der schnellere Weg, um Karriere zu machen.165 Der Symmachus-Kreis bezeugt dabei nach Markschies „kein abgeklärtes Toleranzdenken einer nachbarocken Kultur, sondern lebendige Religiosität der heidnischen Antike“.166 Dem Christentum stand also 384 eine sicher auch „heidnische“, vor allem aber „traditionsrömische Opposition“ gegenüber, die die traditionellen Kulte (im Plural!) in unzertrennlicher Symbiose mit der römischen Gesellschaft sah. Diese differenzierte Verbindung von Traditionswahrung und religiöser Auseinandersetzung ist auch bei der Frage zu beachten, ob es im 4. Jahrhundert eine „heidnische Reaktion“ durch literarische Tätigkeit an den Geistesgrößen der römischen Vergangenheit gegeben habe.167 Nach Alan Cameron

162 Symm. rel. III 5 (25,48–51): „Illa ara concordiam tenet omnium, illa ara fidem convenit singulorum, neque aliud magis auctoritatem facit sententiis nostris quam quod omnia quasi iuratus ordo decernit.“ Hingegen betrachtet STUDER 1998, 64 bereits Symmachus’ ganz konventionelle Berufung auf die instituta maiorum (rel. III 2; 98,16–100,19) als dezidiert „antichristlich“. 163 Vgl. K AHLOS 2002, 114: „The cult practices of the Roman civic religion and other pagan cults formed a part of the aristocratic code of life and functioned as a means of senatorial self-expression… The defence of senatorial values and the defence of social and economic privileges cannot be distinguished in Symmachus’ traditionalism; he himself was probably not capable of recognizing any distinction.“ 164 So Al. CAMERON 1999, 111f. 165 Ep. I 51 an Praetextatus (25,32 S.): „Nunc aris deesse Romanis genus est ambiendi.“ 166 M ARKSCHIES 1994, 357; aaO. 366f. wird auf Parallelen zur paganen und christlichen Apologetik jener Zeit hingewiesen, die sich ebenso durch Pessimismus angesichts unsicherer Zukunftsaussichten, mangelnde Originalität und Konzentration auf Heilsfragen auszeichne. 167 Diese These hat wiederum BLOCH 1963, 213–217 vertreten; vgl. KLEIN 1972, 14; CHRISTENSEN 1981, 264; THRAMS 1992, 144f. mit Verweis auf die (verlorenen) Annales des in ILS 2948 als historicus disertissimus gefeierten Virius Nicomachius Flavianus. EDWARDS 2004, 206 betont, dass zur Zeit Gratians und Valentinians erstmals seit dem frühen 2. Jh. die

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

werde dagegen nicht nur der Umfang der aus den Subskriptionen erschlossenen Editions- und Emendationstätigkeit, sondern auch ihr Konfliktpotenzial überschätzt.168 Daran anschließend urteilt Maijastina Kahlos: „I think it is an exaggeration to claim that the cultured pagan aristocrats (Praetextatus, Symmachus and later senators) had a conscious ‚political‘ aim to maintain or to restore old political traditions. I would rather speak of nostalgia for the golden age that the ancient authors had depicted. Furthermore, aristocrats were not motivated simply by love of literature. As well as in the religious sphere, it must be stressed here that literature and literary activities belonged to the aristocratic way of life of a Roman senator. Literary erudition functioned as class marker for the senatorial elite in late antiquity.“169

Entsprechend wird man den Epitaph der Paulina für Praetextatus, in dem dessen „Bemühen um die Weisheit“ gelobt und ihm attestiert wird, er habe, was ihm überliefert worden sei, verbessert zurückgegeben, als Dokumentation des spätantiken Bildungsideals, nicht jedoch als antichristliches Manifest werten dürfen.170 Dass klassische Bildung und pagane Religion anhand der Person des Praetextatus in eins gesetzt werden, geschieht erst ein halbes Jahrhundert später bei Macrobius, der gerade die Zeit des Episkopats des Damasus als saeculum Praetextati preist und seinen Protagonisten zum princeps religiosorum stilisiert.171 Zu Lebzeiten des Praetextatus und Symmachus waren es dagegen nicht nur „Heiden“, sondern auch Christen, die um die Bewahrung der Tradition und den korrekten Textbestand der „kanonischen“ Autoren bemüht waren.172 Die Kritik des Ammianus Marcellinus am Widerspruch von Kulturdünkel und gleichzeitiger Nicht-Nutzung der Bibliotheken durch die römische Oberschicht trifft daher „Heiden“ wie Christen zugleich.173

„heidnische“ Literaturproduktion qualitativ und quantitativ mit der christlichen gleichzog: „With Symmachus Romanitas was born again in the cradle of Latinitas.“ 168 Vgl. Al. CAMERON 1999, 119 und schon DERS . 1977, 26–30. 169 KAHLOS 2002, 133. 170 CIL VI 1779, Z. 8–13: „Tu namque quidquid lingua utraq(ue) est proditum | cura soforum, porta quis caeli patet, | vel quae periti condidere carmina, | vel quae solutis vocibus sunt edita, | meliora reddis quam legendo sumpseras. | Sed ista parva…“ (zit. bei KAHLOS 2002, 217). 171 Macr. sat. I 1,5 (5,12 W.); vgl. I 7,17 (29,24f.): „sacrorum tamen omnium Vettius unice conscius“; I 11,1; 17,1 (zit. in Anm. 63); KAHLOS 2002, 12 mit Anm. 34; MATTHEWS 1975, 370f. 172 Dazu Al. C AMERON 1999, 119; vgl. schon DERS . 1984, 52–54. 173 Amm. XIV 6,18 (I 16,3–7 S.): „Quod cum ita sit, paucae domus studiorum seriis cultibus antea celebratae, nunc ludibriis ignauiae torpentis exundant, uocabili sonu, perflabili tinnitu fidium resultantes. Denique pro philosopho cantor, et in locum oratoris doctor artium ludicrarum accitur, et bibliothecis sepulchrorum ritu in perpetuum clausis“; vgl. 6,1 (I 11,25–12,1 S.) zu Memmius Vitrasius Orfitus, dem Schwiegervater des Symmachus: „uir quidem prudens et forensium negotiorum oppido gnarus, sed splendore liberalium doctrinarum minus quam nobilem decuerat institutus.“

1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft

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1.3.2. Die Usurpation des Eugenius Als letztes Aufbäumen des zurückgedrängten Heidentums ist oft die Usurpation des Eugenius (392–394) verstanden worden.174 Der Heermeister Arbogast hielt nach dem mysteriösen Selbstmord Valentinians II. (392) die Macht im Westreich in Händen, konnte sie jedoch nicht mit Aussicht auf Erfolg für sich selbst beanspruchen. Nachdem mehrere Monate verstrichen waren, ohne dass Theodosius einen Nachfolger benannt hatte, setzte Arbogast schließlich einen römischen Rhetor auf den Thron, der ihm als geeigneter Kompromisskandidat erscheinen mochte: Eugenius nahm als vir clarissimus am Kaiserhof das Amt des magister scrinii ein und war ein Freund des einflussreichen comes Richomer.175 Eugenius war weder Militär noch Politiker und somit kein Rivale für Arbogast, verfügte aber aus seiner Zeit als grammaticus latinus (Socrates) bzw. orator (Zosimus) über gute Beziehungen zu den tonangebenden gebildeten Kreisen in Rom.176 Arbogast habe nach Zosimus schnell erkannt, dass ihn „dieses Übermaß an Bildung und die Vorbildlichkeit des ganzen Lebenswandels als überaus geeignet für das Kaiseramt“ erscheinen ließen177, ohne dass von einer religiösen Option die Rede ist. Dass Eugenius – das Musterbeispiel eines „halben Christen“178 – überhaupt Christen gewesen sei, belegt allein Ambrosius’ Brief an den Usurpator.179 Hingegen lobt der „heidnische“ Historiker Zosimus Eugenius’ Bildung und Auftreten in höchsten Tönen.180 Wenn 174 Vgl. z.B. G EFFCKEN 1920, 161. Zu Eugenius vgl. PLRE I 293; Johannes STRAUB , in: RAC 6 (1966), 860–877; zur Darstellung seiner Regierungszeit in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung SZIDAT 1979 sowie zum status quaestionis knapp SALZMAN 2002, 74f.; zu Diskussionen unter Heiden und Christen zwischen 395 und 410 HEINZBERGER 1976. 175 V.c. bei Symm. ep. III 61 (a. 385; 89,26 S.); µάγιστροντὴνἀξίαν bei Philost. h.e. XI 2 (GCS Philostorgius, 133,11 Bidez/Winkelmann). Zu Richomer vgl. PLRE I 765f.; GP 680f. 176 Socr. h.e. V 25,1 (GCS N.F. 1, 307,23–26 Hansen); Zos. IV 54,1 (zit. u. Anm. 180); vgl. Joh. Ant. frg. 280 Roberto (TU 154, 470,37f.): Εὐγένιοναὐτῷἐπὶσοφιστικὸνἐγκαθήµενον θρόνον,καὶὑπὸγλώττηςεὐδοκινοῦντα. Er sei ein ἀνὴρἄπειροςπολέµουκαὶσάλπιγγος. Dazu s. STRAUB, RAC 6, 860f.; WYTZES 1977, 19; SZIDAT 1979, 492; KASTER 1988, 403f. Nr. 211. 177 Zos. IV 54,2 (II/2, 323,16–18 P.): καὶ ὅτι διὰ παιδείας ὑπερβολὴν καὶ τὴν ἄλλην τοῦ βίουσεµνότηταπρὸςἀγαθὴνβασιλείανἁρµοδιώτατοςἔσται. 178 Vgl. D AUT 1971, 185: „Seine Sympathien lagen… bei der heidnischen Partei, der er sich schließlich aus politischer Räson ganz anschloß.“ 179 Dies legt Ambrosius’ Bemerkung zur Erstattung der Tempelgüter nahe: „Non sumus scrutatores vestrae liberalitatis nec aliorum commodorum invidi, sed sumus interpretes fidei“ (ep. extra coll. 10 [ep. 57],8; 209,69f. Z.). Ambrosius sprach den Kaiser (wie Gratian, Theodosius und Valentinian II.) auf seinen christlichen Glauben an: „Etsi es imperator, deo subditus magis esse debes“ (209,73f.). Ob aber hier und später (ebd. n.12; 211,121f. Z.: „patimini, ut deferamus ei quem imperii vestri vultis auctoris probari“) auf Eugenius’ Bekenntnis oder auf Ambrosius’ Kaiseridee angespielt wird, ist unklar. Philost. h.e. XI 2 (133,11 B./W.) hält den Usurpator für einen reinen „Heiden“: ῞Ελληναδὲτὸσέβας; vgl. Sozom. h.e. VII 22,4 (918,7f. H.):Εὐγένιος δέτιςοὐκὑγιῶςδιακείµενοςπερὶτὸδόγµατῶνΧριστιανῶν. 180 Zos. IV 54,1 (II/2, 323,6–8 P.): παιδείᾳ προσήκων ἐπὶ τοσοῦτον ὥστε καὶ ῥητορικὸν ἐπανελέσθαιβίονκαὶπροεστάναιδιδασκαλείου; 323,8f.: οἷασφόδραχαρίεντακαὶἀστεῖον.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

er sich als Christ verstand, belegt dies nur, dass eine Konversion nicht die einschneidenden Konsequenzen für Leben und Handeln haben musste, die Theologen ihr gerne beimaßen. Entscheidend war sein soziales „Standing“, das seine Erhebung für die senatorischen Kreise annehmbar machen sollte. Theodosius reagierte allerdings auf die Usurpation mit einer Maßnahme, die jene als religiösen Konflikt interpretierte: Am 8. November 392 erließ er das bislang weitest gehende Verbot paganer Kulte.181 Unmittelbar war dies eher ein „politischer Schachzug…, mit dem Theodosius Ambrosius und die Christen auf seine Seite ziehen wollte“.182 Wie Gratian und Valentinian setzte Theodosius politisch auf den Einfluss der Kirche, nicht auf den des römischen Senats – der sich prompt mit dem Usurpator zu arrangieren versuchte, nachdem dieser seine Residenz 393 nach Mailand verlegt hatte, von wo sich Ambrosius zurückzog, obwohl er Eugenius als Kaiser anerkannt hatte.183 Wenn also diese Auseinandersetzung eine religiöse Dimension besaß, dann hatte sie Theodosius eingebracht, während Eugenius sich der Avancen der „heidnischen“ Aristokratie nach Kräften zu erwehren versuchte: Erst deren dritte Gesandtschaft konnte ihn dazu bewegen, den Senatoren die Tempelgüter zurückzuerstatten, die Gratian einbehalten hatte – allerdings erhielten sie diese nur als Privatleute, die Tempel selbst wurden nicht dotiert.184 Zwar beließ Eugenius mit Virius Nicomachius Flavianus einen gestandenen „Heiden“ im Amt des Praefectus praetorio Italiae, der wiederum seinen Sohn Nicomachius Flavianus zum Praefectus urbis machte; doch ruht die Beweislast dafür, dass jener ein „revival“ der heidnischen Kulte initiierte, weitgehend auf dem schwierig zu datierenden carmen contra paganos (s.o. Anm. 161). Die übrigen Quellen lassen Flavianus nicht als religiösen Zeloten, sondern als traditionellen Römer erscheinen. Zu bedenken ist, dass in diesem Gedicht nur das Vertrauen auf derartige Kulte kritisiert wird, ohne dass deren Reanimation eindeutig bezeugt wird.185 Zwar wurde in dieser Zeit tatsächlich in Ostia ein Tempel durch den praefectus annonae Numerius Proiectus wieder geöffnet186, 181 Cod. Theod. XVI 10,12 a. 392 (900,2–5 M.): „Nullus omnino ex quolibet genere ordine hominum dignitatum vel in potestate positus vel honore perfunctus, sive potens sorte nascendi seu humilis genere condicione fortuna in nullo penitus loco, in nulla urbe sensu carentibus simulacris vel insontem victimam caedat“; vgl. SALZMAN 1993, 372. 182 S ZIDAT 1979, 493. 183 Ambr. ep. extra coll. 10 (ep. 57) inc. (205,2 Z.). 184 Ambr. ep. extra coll. 10 (ep. 57),6 (208,48–52 Z.). Der Bischof versucht den Eindruck zu erwecken, aufgrund Eugenius’ „heidnischer“ Option den Kontakt vermieden zu haben; tatsächlich brach er die Beziehungen erst ab, als dieser die Tempelgüter zurückerstattet hatte (Paul. Med. vita Ambr. 27,1; 86,1–88,4 B.); KLEIN 1972, 191 Anm. 10; SZIDAT 1979, 496f. 185 Carmen contra paganos 103–109 (Anth. lat. I/1, Nr. 3 Sh.B.) ist für B LOCH 1963, 199f. dagegen der Beweis eines „pagan revival in the West“; vgl. MARKSCHIES 1994, 361f. 186 AE 1948, 127: „[Domini]s n[ostris Th]eodosio Arca[di]o et Eu[genio] / [pi]is felicibus [toto] orbe victoribus semper [Aug(ustis)] / […] Numerius Proiect[us v(ir) c(larissimus) pra]ef(ectus) / ann(onae) cellam Hercu[lis restituit].“

1. Das Christentum in der spätantiken römischen Gesellschaft

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und es wurden in Rom Opfer vollzogen187 – unklar ist aber, ob diese zuvor bereits restlos beseitigt worden waren. Auch dass der Victoria-Altar wieder aufgestellt und der Opferkult durch den Staat finanziert worden sei188, lässt sich nicht zweifelsfrei belegen. Eugenius nahm auf jeden Fall nicht den Titel des pontifex maximus an. Von einer förmlichen Rücknahme der antipaganen Gesetze Gratians und Theodosius’ und in diesem Sinne von einer „heidnischen Restauration“ erfahren wir nichts – und angesichts der Zahl christlicher Senatoren, die bereits die Auseinandersetzung von 384 erahnen lässt, wäre das auch wenig zielführend gewesen. Die Regierungszeit des Eugenius brachte vielmehr eine moderate, fast „traditionelle“ Toleranzpolitik, keine Restitution der Stellung der paganen Kulte vor 382.189 Insofern steht in der Eugenius-Affäre nicht die religiöse, sondern die politische Dimension im Vordergrund – einschließlich der politischen, sozialen und kulturellen Frage, welchen Stellenwert die römischen Priesterämter in Zukunft besitzen würden. Als Legende muss auch die Bemerkung des Prudentius gelten, der „pereuntum adsertor diuum“ Symmachus habe die Rehabilitierung des Heidentums angestrebt, was gescheitert sei, da sich auf Theodosius’ Aufforderung nach der Niederlage des Eugenius der gesamte Senat zum Christentum bekehrt habe.190 Prudentius beklagt, dass ein Mann von solchen Gaben, „dem selbst Cicero weicht“, sich auf die falsche Seite gestellt habe191; tatsächlich war Virius Nicomachius Flavianus Wortführer der „Heiden“. Nach Zosimus habe Theodosius dagegen an die Senatoren appelliert, sich dem christlichen Glauben zuzuwenden, der alleine die Vergebung von Sünde und Gottlosigkeit bewirken könne192; diese hätten aber die „sinnlose Unterwerfung“ verweigert.193 Dass Theodosius daraufhin im Alleingang die paganen Kulte abschaffte, ist für Zosimus nichts als Verrat – und der Anfang vom Ende der Größe Roms.194

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Rufin. h.e. XI 33 (GCS Eusebius II/2, 1037,6f. Mommsen). So Paul. Med. vita Ambr. 26,3 (86,13–17 B.): „Eugenius suscepit imperium, qui ubi imperare coepit, non multo post, petentibus Flaviano tunc praefecto et Arbogaste comite, aram Victoriae et sumptus caeremoniarum, quod Valentinianus augustae memoriae denegaverat, oblitus fidei suae concessit“; vgl. Zos. IV 59 (II/2, 329,16–330,3 P.). 189 S ZIDAT 1979, 500–503; vgl. auch HEINZBERGER 1976, 172. 190 Prudent. c. Symm. I 506–590 (239f. B.). 191 Ebd. I 632–637 (242f. B.): „O linguam miro uerborum fonte fluentem, / Romani decus eloquii, cui cedat et ipse / Tullius, has fundit diues facundiae gemmas, / os dignum, aeterno tinctum quod fulget auro, / si mallet laudare deum, cui sordida monstra / praetulit et liquidam temerauit crimine uocem.“ 192 Zos. IV 59,1 (II/2, 329,2–5 P.): παρακαλῶν ἀφιέναι µὲν ἣν πρότερον µετῄεσαν, ὡς αὐτὸςἔλεγε,πλάνην,ἑλέσθαιδὲτὴντῶνΧριστιανῶνπίστιν,ἧςἐπαγγελίαπαντὸςἁµαρτήµατος καὶπάσηςἀσεβείαςἀπαλλαγή. Vgl. zu Zosimus’ Schilderung WINKELMANN 1998, 131–135. 193 Zos. IV 59,2 (II/2, 329,5–8); dass der Kaiser die Kosten der Kulte übernehmen möge, hatte Theodosius schon 389 abgelehnt (Ambr. ep. extra coll. 10 [ep. 57],4; 207,37–44 Z.); vgl. WYTZES 1977, 22–25. 194 Vgl. Zos. IV 59,3 (329,18–330,3); vgl. HEINZBERGER 1976, 25–28. 188

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Pagane und christliche Geschichtsschreibung deuteten die Niederlage des Eugenius also divergent. Die „Neue Geschichte“ des Zosimus belegt, dass noch ein Jahrhundert später in paganen Kreisen die Überzeugung vorherrschte, die Christianisierung des Reiches sei ein Gewaltakt des Theodosius gewesen. Für die christliche Nachwelt wurde die Sicht des Orosius maßgeblich, der Eugenius’ Niederlage als Gottesgericht über die Heiden verstand: „So wurde in himmlischer Weise gerichtet zwischen denen, die ohne Vertrauen auf die Menschen demütig allein auf Gott hofften, und denen, die sich höchst selbstgefällig auf ihre eigenen Kräfte und Götzenbilder verließen.“195

Rufin erklärte den Sieg des christlichen Kaisers in der Schlacht am Frigidus (394) als passende Antwort Gottes auf Flavianus’ Anmaßung, durch Opferschau Eugenius den Sieg vorherzusagen – typisch für die Heiden, „die ihre Fehler mit immer neuen Fehlern am Leben erhalten“, d.h. im konkreten Fall „die Opfer erneuern und Rom mit Brandopfern besudeln“.196 Entsprechend rückte Rufin bei Flavianus – nicht ohne Bedauern über den „eruditus admodum vir“ – den Irrtum statt des Verbrechens in den Vordergrund.197 Gerade die religiöse Komponente war für die christlichen Autoren entscheidend: Paulinus von Nola rühmte in seinem (verlorenen) Panegyricus „nicht so sehr den Kaiser als den Knecht Christi, nicht den Stolz des Herrschens als die Fähigkeit, durch Demut zu dienen, den ersten Bürger nicht an Herrschaft, sondern an Glauben“198, was ihm hohes Lob durch Hieronymus eintrug: „Glücklicher Theodosius, der von einem solchen Redner Christi verteidigt wird!“199 195 Hist. VII 35,22 (532,5–7 Z.): „ita caelitus iudicatum est inter partem etiam sine praesidio hominum de solo deo humiliter sperantem et partem adrogantissime de viribus suis et de idolis praesumentem.“ 196 Rufin. h.e. XI 33 (1037,6f. M.): „pagani, qui errores suos novis semper erroribus animant, innovare sacrificia et Romam funestis victimis cruentare“; zu Flavians missglückter Vorhersage s. ebd. (1037,9–11); dazu STRAUB, RAC 6, 870; vgl. auch Sozom. h.e. VII 22,5 (918,17–21 H.); zur Schlacht am Frigidus vgl. ebd. VII 24,3–7 (924,3–926,11 H.); Socr. h.e. V 25,11–16 (308,17– 309,12 H.); Theod. h.e. V 24,1–17 (324,8–327,10 Sch./H.). 197 Rufin. h.e. XI 33 (1037,14–1038,2 M.): „post etiam magistri horum et doctores errorum, praecipue Flavianus plus pudoris quam sceleris reus, cum potuisset evadere, eruditus admodum vir, mereri se mortem pro errore istius quam pro crimine iudicavit.“ 198 Paul. Nol. ep. 28,6 (680,5–9 S.): „fateor autem idcirco me libenter hunc ab amico laborem recepisse, ut in Theodosio non tam imperatorem quam Christi seruum, non dominandi superbia sed humilitate famulandi potentem, nec regno sed fide principem praedicarem“; vgl. MATTHEWS 1975, 250f.; MRATSCHEK 2002, 221–227. 199 Hier. ep. 58,8,2 (538,4 H.): „felix Theodosius, qui a tali Christi oratore defenditur“; vgl. n. 8,1 (537,17–19): „sed in ipsum genus eloquii pressum est et nitidum et, cum Tulliana luceat puritate, crebrum est in sententiis“; zu Paulinus vgl. Genn. vir. ill. 49 (TU 14/1, 79,1–4 Richardson): „et ad Theodosium imperatorem, ante episcopatum, prosa Panegyricum super victoria tyrannorum: eo maxime quod fide et oratione plus quam armis vicerit.“ Vgl. Cassiod. inst. I 21,2 (FC 39/1, 232,17f.; 234,1–4 Bürsgens) zu Hier. ep. 58 an den „ex senatore presbyterum“ Paulinus von Nola: „Ille scripsit ad divinae legis novum lectorem, qui tamen erat litteris saecularibus eruditus, ut etiam librum de Theodosio principe prudenter ornateque confecerit“; dazu EIGLER 2003, 125.

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung Das Christentum vollzog zugleich mit seiner Integration in die römische Gesellschaft einen Prozess der Anverwandlung von Terminologie und Wertvorstellungen, die sich mit literarischer Bildung verbanden. Bildung diente für Christen wie für die antiken Menschen insgesamt als ein entscheidendes Medium der sozialen Identifikation. In diesem Rezeptionsvorgang wurden traditionelle Sprachmuster neu kontextualisiert und zur ekklesialen und theologischen Vorstellungswelt in Beziehung gesetzt. Jedoch blieben dabei zwischen „heidnischer“ und christlicher Berufung auf Bildung Kontinuitätslinien terminologischer und inhaltlicher Art bestehen, die das Christentum für gesellschaftliche und kulturelle Diskurse anschlussfähig machten. Beide Aspekte des Prozesses lassen sich an epigraphischem (2.1.) und epistolographischem Material (2.2.) darstellen. Daneben ist aber auch eine dezidiert bildungskritische Dimension christlichen Denkens erkennbar, die in besonderer Weise durch die Vorstellung wirkte, die einst erworbene Bildung sei im Zeichen der Askese hinter sich zu lassen; dies betrifft vor allem hagiographische Texte (2.3.), die freilich wiederum ein sehr differenziertes Bild ergeben. In diesen drei Medien mitsamt ihren Kontexten und Adressaten soll im vorliegenden Kapitel nach der Bedeutung der Schulbildung für Christen gefragt werden. 2.1. Bildung in öffentlicher Darstellung: Grabepigraphik Das epigraphische Material ist aus dem 4. bis 6. Jahrhundert ungleich reichhaltiger als aus vorkonstantinischer Zeit erhalten (s.o. S. 115f.), dennoch verbietet auch hier die Überlieferungslage quantitative Erwägungen.1 Im Folgenden soll stattdessen an ausgewählten Beispielen aufgewiesen werden, welche qualitative Rolle Bildung in der öffentlichen Selbstdarstellung von Christen in der Spätantike spielte, wie also Christen in Katakomben, auf Friedhöfen oder öffentlichen Plätzen Bildung in die Darstellung der zu ehrenden oder zu memorierenden Person integrierten. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Epitaph auf einem christlichen Friedhof oder eine Stiftungsinschrift in einer Kirche als Beleg der Zugehörigkeit zum Christentum gewertet werden darf – ohne dass sich die Intensität dieser Teilhabe präzise bestimmen ließe.2

1 Vgl. einführend Klaus H ALLOF , Epigraphik II. Antike Inschriften, in: RGG 4 2 (1999), 1356–1358; Hartmut GALSTERER, Inschriften II. Lateinisch, in: DNP 5 (1998), 1014–1017; ausführlich jetzt M.G. SCHMIDT 2004. 2 Vgl. bereits oben S. 143f. zur Rede von den „halben Christen“.- Das im Folgenden analysierte Material entstammt einer Durchsicht der 5.000 in ILCV gesammelten Inschriften und wurde durch Belege aus anderen Sammlungen (CLE, ILS, ICUR, CIL u.a.) ergänzt.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Die Untersuchung von Bildungsterminologie und -vorstellungen in der römischen Gesellschaft, die Heike Niquet für die „senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom“ vorgenommen hat3, zeigt eine signifikante Asymmetrie zwischen Ehren- und Grabinschriften: Nur in letzteren spielte in der Spätantike die religiöse Zugehörigkeit eine konstitutive Rolle, nur in Grabinschriften wurden sowohl pagane Priesterämter aufgezählt als auch die christliche Jenseitshoffnung ausgedrückt, während auf Ehrenmonumenten bei „Heiden“ ebenso wie bei Christen der traditionelle cursus honorum unter bewusster Absehung von religiösen Präferenzen im Vordergrund stand.4 Wenn überhaupt, dann herrschte hier spezifische Zweideutigkeit, wenn etwa Sextus Petronius Probus als „devotionis antistes“ – und zugleich als „Licht der Literatur und der Redekunst“ – gepriesen wird.5 In anderen Fällen erschließt sich das Christsein aus einer Kombination unterschiedlicher Zeugnisse: So bietet die Ehreninschrift auf dem römischen Trajansforum für Anicius Auchenius Bassus, praefectus urbis Romae 382/83, eine ausführliche Lobrede auf den zu Ehrenden als „gleichermaßen redegewandtes wie edles Licht… hervorstechend an Voraussicht, Tatkräftigkeit, Energie, Redekunst und vorzüglicher Mäßigung“; dass er dem Christentum nahe stand, erhellt hingegen aus der Inschrift „für Gott und die Heiligen“, die er in Ostia zusammen mit seiner Gattin Turrenia Honorata und ihren Kindern stiftete.6 Im Folgenden gilt daher das besondere Augenmerk den Sepulkralinschriften, die zumal für Christen, die nicht dem Senatorenstand oder der Reichsbeamtenschaft angehörten, sich somit nicht auf der traditionellen Karriereleiter 3

NIQUET 2000; kritisch, aber im Prinzip zustimmend Beat NÄF, in: Klio 85 (2003), 271f. NIQUET 2000, 167: „Der altrömische Wertekatalog war der gemeinsame Bezugspunkt der Inschriften öffentlicher und halböffentlicher Ehrenmonumente. Heidnische und christliche Senatoren verschmolzen hier durch die weitgehende Ausblendung der Religionszugehörigkeit und durch austauschbare Tugendkataloge zu einer Einheit. In diesem Verfahren offenbarte sich eine Kontinuität der aristokratischen Ordnung über die Grenzen zwischen Heiden- und Christentum hinweg. Im sepulkralen Bereich wurde diese äußerliche Geschlossenheit wieder aufgegeben. Heidnische Senatoren listeten in ihren Grabinschriften ihre priesterlichen Funktionen auf und hielten an der traditionellen weltlich-paganen Wertewelt fest. Die Mehrheit ihrer christlichen Standesgenossen erteilte dieser Wertewelt eine Absage, indem sie sich nunmehr in den christlichen Kosmos stellte.“ 5 CIL VI 1751 = ILS 1265 (Rom): „litterarum et eloquentiae lumen“; vgl. N IQUET 2000, 178f. Nach Al. CAMERON 2004, 331f. zeigt sich an seinem Grab der im 4. Jh. zunehmende Trend zu Versinschriften – „incidentally a nice illustration of the fact that this development was a universal taste, not limited to pagans.“ 6 CIL VI 1679 = ILS 1262: „qui claritatem generis paternis avitisque fastorum paginis celebratam inimitabilium in rem publicam meritor(um) prae propria laudis industria reddidit auctiorum prosapiae… lumen aeque disertum ac nobile; provisione, efficacia, vigore, eloquentia, egregia moderatione praestans…“; vgl. die Stiftungsinschrift: CIL XIV 1875 (Ostia); zur Person PCBE II/1, 271 Nr. 1; PLRE I 151f. Nr. 11 (dazu NIQUET 2000, 161); nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen consul von 408 (PCBE aaO. Nr. 2; PLRE II 219f. Nr. 7), der für das Grab der Mutter Augustins, Monnica, in Ostia ein metrisches Gedicht stiftete (s.o. S. 140). 4

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung

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verorteten und keine Ehreninschriften erhielten, neben den nicht sehr zahlreichen Stiftungsinschriften die primäre epigraphische Quellengattung darstellen. Das hängt auch damit zusammen, dass oftmals die Religionszugehörigkeit nicht aus dem Textbestand, sondern nur durch den Fundort auf einem christlichen Friedhof zu eruieren ist – so im Fall des L. Petronius Secundus junior, der „castus [et] eruditus“ mit 23 Jahren verstarb und in der PriscillaKatakombe in Rom bestattet wurde.7 Auch die Datierung stellt in vielen Fällen ein Problem dar, sei es durch ungenaue Angaben oder durch den fragmentarischen Erhaltungszustand der Epitaphe. Oft ist dabei nicht über eine pauschale Zuweisung an das vierte bis sechste Jahrhundert hinauszukommen. In diesem Zeitraum – d.h. im Übergang von der römischen zur germanischen Herrschaft – behielten die Institutionen und Strukturen der römischen Gesellschaft einschließlich des cursus honorum und der Rangklassentitel nicht unangefochten, aber im Grundzug ihre Geltung. Daher wird im Folgenden von einem kulturellen Kontinuum ausgegangen, innerhalb dessen die zu beobachtenden Sprachmuster trotz sich wandelnder formaler Gestaltung grundsätzlich Plausibilität beanspruchen konnten.8 Zur Strukturierung lässt sich das Material in vier Kategorien einteilen: 1. Wenn auf Epitaphen explizit von studia (litterarum), d.h. vom Schulunterricht die Rede ist, handelt es sich fast immer um jung verstorbene Kinder. 2. Auf Grabsteinen für Erwachsene lässt sich ein Miteinander von eloquium und mores (nach dem catonischen „vir bonus, dicendi peritus“) beobachten. 3. Das im Verstorbenen verwirklichte Bildungsideal wird darüber hinaus in signifikanter Weise mit (christlicher) pietas in Verbindung gebracht. 4. Eine besondere Kombination paganer und christlicher Ideale findet sich in Grabgedichten für Bischöfe, die rhetorische Bildung neu kontextualisieren. 2.1.1. Grabinschriften für Kinder und Heranwachsende Die erstgenannte Gruppe von Grabinschriften bringt meist Hoffnungen zum Ausdruck, die mit dem zur Unzeit eingetretenen Tod ein für allemal ent7 ILCV 738: „L. Petronio Secundo cast[o] | erudito, qui uixit ann. XXIII, d. XXXII, | L. Petronius Secundus pater.“ Für Lehrer gilt natürlich dasselbe; vgl. das Fragment CIL VI 32957 aus der römischen Basilika S. Paolo, das lediglich den Begriff scholasticus ohne weitere Angaben erkennen lässt. Wie bei den beiden Petronii kann also nur gesagt werden, dass der Bestattungsort die Zugehörigkeit zum Christentum wahrscheinlich macht – in welcher Form und seit wann diese bestand, bleibt hingegen unklar. 8 Vgl. H EINZELMANN 1976, 58 zu Gallien: „Während sich… die wichtigsten Kriterien des Inhalts der Epitaphien auch bei den Christen der vornehmsten Familien bis zum Beginn des 7. Jahrhunderts kaum veränderten, fielen Umfang und Wortwahl dem Zeitgeschmack entsprechend aus: Aus den kurzen Abrissen wurden größere Grabgedichte, die im Zeichen des neu intensivierten Bildungsgedankens standen, wovon die in den tituli häufig genannten Verdienste um eloquentia und litterae beredtes Zeugnis ablegen.“

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

täuscht worden sind. Hervorgehoben wird – teils in poetischer, teils in prosaischer Diktion – die erreichte Bildung bzw. der dorthin beschrittene Weg, den die Wortfelder studia oder eruditio charakterisieren. So beklagt eine Mutter aus Concordia den Tod ihres 17jährigen Sohnes Alexander, der nicht nur mit „bewundernswertem Zartgefühl, einzigartiger Unschuld und unberührter Reinheit“ gesegnet, sondern darüber hinaus auch „in Kurzschrift ausgebildet“ (notarum litteris eruditus) gewesen sei.9 Von einem Gleichaltrigen wird gesagt, er sei „ein Jüngling, erfüllt mit dem Lied der Musen“ gewesen.10 Nur wenig älter war die 532 in der Nähe von Verona bestattete inlustris puella Placidia, über die es lapidar heißt: Sie war „in den litterae unterwiesen“.11 Ähnlich knapp wird über einen Jüngling aus hochstehendem Hause gesagt, er sei „vertraut mit den vortrefflichen Studien (studiis imbutus bonis) im ersten Leben dahingewelkt“ – was andeutet, dass dem Christen ein zweites, ewiges, Leben verheißen ist.12 Doch wird erkennbar, dass das erste Leben, das öffentlich erinnert wird, durch das Ideal der Bildung bzw. deren Erwerb gekennzeichnet ist. Umso dramatischer stellt sich der Abbruch des hoffnungsvollen Lebens dar, wenn es von dem aus Dacien gebürtigen, mit zwanzig Jahren in Rom verstorbenen Alexander heißt: „Während er sich den Studien widmete, ging er durch böses Schicksal dahin“ – hier wird bewusst und durchaus in Analogie zu „heidnischen“ Epitaphen auf die für Vergil charakteristische Klage über das feindselige Schicksal angespielt, also gerade nicht eine spezifisch christliche Perspektive auf Tod und Leben zum Ausdruck gebracht.13 Die in der Inschrift genannten Eltern Alexander und Dioclia bringen dabei durch die Nennung Roms, durch den Verweis auf die angestrebte, doch nicht vollendete Bildungslaufbahn und schließlich durch den Anklang an Vergil zum Ausdruck, dass ihr Sohn und natürlich auch sie selbst in Rom eine kulturelle Heimat gefunden hatten („suscepit inclita Roma“) – wohingegen das Christ-Sein explizit keine Rolle zu spielen scheint.

9 ILCV 711 = CIL V 8722: „Alexandro filio piissimo | mirae uerecundiae, singulari | innocentiae, castitate integ|ro, notarum litteris erudito, | qui uixit ann. XVII, Sabbatia | mater ad ultimum uitae | deflens exitum fili | et sibi fecit.“ 10 ICUR NS VII 18338 = CIL VI 30126: „[pue]r musarum carmine ple[nus].“ 11 ILCV 223 = CIL V 3897: „hic requiescit | in pace Placidia, | inlustris puella, | instructa litte|ris, qui uixit ann. X | octo et mens. XI, | et sepulta est | sub d. V. id. Octu|br. (i)ter. pc. Lampa|di e[t O]res[tis].“ 12 ILCV 210 = CLE 764 (Rom, in agro Albensi Heluorum, wohl 6. Jh.): „[inlus]tris ortu generis, sanc[tus studiisque] | [imb]utus bonis primum defl[oruit aeuum] | [qui]nque simul decim meruitq[ue annis reuolutis].“ 13 ILCV 740 = CLE 728 (Rom, Coemeterium Priscillae): „Dacia quem genuit, suscepit inclita Ro[ma]. | [m]aerorem patriae tantum luctusque remi[sit]. | cui pater Alexander, quique eo nomine dic[tus], | mater Dioclia. annoque uincesimo ui[tae], | [d]um pollet studiis, fatis decessit ini[quis]“; vgl. Verg. Aen. III 17; ähnlich formulieren die nichtchristlichen Inschriften CIL IX 292 (Bari: „iniqua fata quae nos tam cito disiunxerunt“) und XIV 2465 (Latium: „ereptis fatis iniquissimis“).

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung

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Dass oftmals eher die unerfüllten hohen Erwartungen der Eltern als tatsächlich erworbene Bildungsschätze des Kindes bekundet wurden, zeigt ein langes metrisches Gedicht, das einen Iustus und eine virgo Theodosia darüber hinweg zu trösten trachtet, dass ein (ungenannter) Verwandter unzeitig verstorben ist: „Nichts kann euch das hurtige Schicksal entreißen, lehrt doch das Leben, dass Kinder wie Greise sind.“14 In die Klage wird der Bezug auf den irdischen Bildungsgang des Toten hineingewoben: „O Schmerz! vergeblich gewachsene Hoffnung auf menschliche Dinge, umsonst wird von der Kunst der Lehre bekämpft die Art. Was hilft es dir, die Mühen der Grammatik ertragen zu haben, die volltönenden Worte des rhetorischen Getöses gelesen zu haben, wenn der unerbittlich rodende Tod die jugendlichen Jahre erlegt und die genährte Hoffnung mir vor Augen entflieht? Die schöne Jugend ließ jene mit guter Anlage erblühen und ehrte bereits durch Ansehnlichkeit seine Väter…“.15

Noch deutlicher ist elterlicher Schmerz über nicht mehr zu erfüllende Hoffnungen, die mit dem Kind verbunden waren, in folgender Grabinschrift: „Dem allergeliebtesten Sohne Dalmatius, einem Jungen von vollkommener Geisteskraft und Weisheit, an dem sich zu erfreuen dem unglücklichen Vater nicht einmal ganze sieben Jahre vergönnt war. Während er das Griechische erlernte, eignete er sich zugleich auch das Lateinische an, das ihm gar nicht dargelegt worden war; innerhalb von drei Tagen wurde er dem menschlichen Leben entrissen…“.16

Nur sieben Jahre lang sah also der unglückliche Vater den Sohn heranwachsen – eine Zeit, die kaum zum Erwerb beider Weltsprachen ausgereicht haben dürfte! Die Pointe liegt in der Betonung der ingeniositas; ähnliches gilt für einen Dreizehnjährigen aus ritterlichem Stand, der „schnell im Geist und unterrichtet in den literarischen Studien“ gewesen sei.17 Das Partizip Perfekt instructus drückt hier das erwartete, nicht das erreichte Ende des beschrittenen Bildungsweges aus. Die in der Inschrift des Dalmatius betonte Bilingualität steht 14

ILCV 727, Z. 9f.: „nil uobis uelox potuit decerpere fatum,| nam pueros docuit uita fuisse senes.“ ILCV 727, Z. 11–18: „o dolor, humanis frustra spes addita rebus,| frustra doctrinae uincitur arte genus.| quid te grammaticae iuuit tolerasse labores,| consona rhetoricae uerba legisse tubae,| si mors dura ruens pueriles occubat annos| et nutrita diu spes mihi uisa perit?| quam bene cum ingenio florebat pulchra iuuentus| ornabatque suos iam grauitate patres.“ Zu Z. 11 vgl. ähnliche Wendungen in Verg. Aen. X 152.263; Z. 4 spielt mit atra dies auf Aen. VI 429 an. 16 ILCV 742 = CIL VI 33929 (Rom, in aedibus Rondininiis): „Dalmatio filio dulcissimo, toti|us ingeniositatis ac sapienti|ae puero, quem plenis septem an|nis perfrui patri infelici non licu|it. qui studens litteras Graecas non | monstratas sibi latinas adripuit et in | triduo ereptus est rebus humanis III d. fer|atus VIII kal. Apr. Dalmatius pater fec.“ 17 ICUR NS IX 25966: „Restitutus nomen factus in morte fidelis | terrena · nam vita manet caeli · mihi iugis | equestris · turmas · quondam · qui · condecoravi | ingenio velox studiis instructus · honestis | emensus lucis · spatium tr·is atq · X · annos | hic · corpus iaceo caeli sed in aethere vivo | ante pedes Domini praecellens · munere ΧΡti | parent · et fratres · D D“ (Rom, Coemeterium Priscillae). 15

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

also im Dienst der zu demonstrierenden geistigen Anlagen; daneben bezeugt sie – wie die Vita Fulgentii (s.u. S. 282–284) – die bleibende Gültigkeit dieses Bildungsideals in der ausgehenden Spätantike: Wie Quintilian empfohlen hatte (s.o. S. 40f.), begann der Sohn offenbar mit dem Unterricht in den litterae graecae. Dalmatius der Ältere verband demnach das traditionelle Konzept der studia litterarum, expliziert durch die Stichwörter ingeniositas und sapientia, mit der Klage über den jähen Tod seines Sohnes („ereptus rebus humanis“) zu einer Synthese von paganen Bildungszielen und christlicher Jenseitshoffnung. Ein frühes Zeugnis der Klage über den vorzeitigen Tod ist eine Grabinschrift für Simplicius aus Farfa, gestorben 359 mit vierzehneinhalb Jahren: „Wehe, welch’ Jammer birgt in sich das grausame Grab! Lass Tränen fließen, o Leser, und dich beugen ob des harten Leidens! Denn hier liegt Simplicius ins vorzeitige Grab gesenkt, herausragend an Begabung, geformt durch die Strenge der Sitten, hochberühmt in den Studien, in frühen Jahren [um all’ das] betrogen. [unvollständig] … über sein Alter hinaus weise, übereilt vom missgünstigen Schicksal geraubt, von der Hoffnung auf ihn versprach sich noch vieles die Mutter, die nun vielmehr unschuldig unverdiente Schmerzen empfing, und nicht ermessen kann man die Bitten, welche die Verängstigte liebend hervorbrachte.“18

Auch hier steht das Schicksal im Vordergrund, das den vielversprechenden Jüngling vom vorgezeichneten Weg abbrachte. Unterstrichen wird die Versiertheit in den literarischen Studien durch mehrere Anspielungen, so in der ersten Zeile auf Ennius, in der zweiten und der letzten Zeile auf Vergil.19 Dass Simplicius auf einem christlichen Friedhof bestattet wurde, ist der einzige Hinweis darauf, dass er (oder seine Mutter) dem Christentum angehörte. Der Epitaph zeigt exemplarisch, wie die Studien beim grammaticus noch die Klage über ihre Unvollendetheit prägen: Die enttäuschte Mutter kann den nunmehr unerfüllbaren Erwartungen nur noch ein Denkmal setzen. Vergleichbar ist der Epitaph für ein elfjähriges Mädchen aus Aquileia:

18 ILCV 739 = CLE 649 (a. 359, Farfa): „eheu quos fletus retinet crudele sepulcrum! | da, lector, lacrumas et duro flectere casu! | hic est Simplicius nam funere mersus acerbo, | indole sublimis, morum grauitate colendus, | praeclarus studiis, primis deceptus in annis. | qui cum te pu[… | ultra annos sapiens praeceps fata inuida raptum, | de cuius spe promittens sibi plurima mater | immeritos potius suscepit casta dolores, | nec ualuere preces, quas fuderat anxia caras. qui uixit ann. XIIII, m. VI, d. X, defunctus III nonas Sept. | Eusebio et Ypatio c[oss.].“ 19 D IEHL verweist auf Enn. ann. II 17,139 ( „Heu quam crudeli condebat membra sepulcro“) sowie auf Verg. Aen. IV 369f. („num fletu ingemuit nostro, num lumina flexit, / num lacrimas victus dedit aut miseratus amantem est?“); VI 377 („duri solacia casus“); VI 55 („funditque preces“).

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„Anzeichen künftiger Keuschheit, Gerontia, Licht der Weisheit, Zierde aller durch herausragende Sittlichkeit – du hättest verdient, der Welt zu leben. Plötzlich bist du deinen untröstlichen Eltern entrissen worden aus blühender Jugend…“.20

In christlichem Kontext ist die Beschränkung auf die Klage freilich nicht die einzige Möglichkeit, wie das Grabgedicht für Castorius aus Volsinium zeigt: „Wenn die reinen Seelen in den Grenzen des Himmels bewahrt sind, dann ist Castorius, der Jüngling, jetzt mit seinen geliebten Gefährten vereint. Körperliche Bindungen und Fesseln des Lebens hat er hinter sich gelassen. Die ewigen Stätten der Heiligen verdiente er zu umfassen. Niemand denke, hervorragende Seelen würden sterben! Der Weise erliegt auf der Erde dem Tod, doch lebt er bei den Sternen. Und nun, gelehrter Junge, kundig in [literarischen] Studien und Recht, wird die Menge der Heiligen an einen fruchtbaren Ort geleitet, und das Lob des Lebens wird erinnert…“ [Rest der Zeile fragmentarisch].21

Die Hoffnung auf das Jenseits wird hier in einer Terminologie formuliert, die für pagane Vorstellungen anschlussfähig war – so spielt das Gedicht in Zeile 5 wiederum auf Vergil an, genauer: auf die Frage des Aeneas an seinen Vater Anchises, ob die Ansicht stimme, es „steigen Seelen von hier nach droben zum Himmel und kehren zum zweiten Male zu trägen Körpern?“22 Die für Castorius zum Ausdruck gebrachte Hoffnung auf ein Leben an einem „fruchtbaren Ort“, frei von Beschwerden, spricht nicht dafür, dass die in der Aeneis folgenden Ausführungen über das Leiden der Seelen aufgrund ihrer früheren Missetaten23 hier mitgehört werden sollen; vielmehr wird mit einem Versatzstück aus dem literarischen Kanon die Beherrschung der standesgemäßen Bildung durch den jung Verstorbenen unzweideutig dokumentiert. Dass er nicht nur mit den Klassikern vertraut, sondern auch ein iuris peritus gewesen sein soll, ist wiederum als Ausdruck unerfüllter Hoffnung zu verste-

20 ILCV 4341 = CLE 1620: „indicium future pudicitie, Gerontia, sa|pientie lumen, moribus eximiis decus | omnium merueras uibere seclo. | genitoribus subito miseris rapta es e | flore iubente post undeci annis | additis XXIII diebus…“ 21 ILCV 3433 = CLE 743: „si mentes puras retinent con[finia caeli], | Castorius iuenis sociis nunc here[t amatis] | corporeos nexus linquens et uincu[la uitae]. | aeternas sedes meruit conplecti pi[orum]. sublimes animas nullus putet ire sub [umbras]. | occubat in terris sapiens, sed uiuit in a[stris]. | et nunc, docte puer, studiis et iure pe[rite], | in uirenti loco comitatur turb[a piorum] | et laudes repetit uite et con[…]“ (Volsinium, Coemeterium s. Christinae, 5. Jh.); vgl. die – ebenso unbefriedigende – Lesung von Z. 9 fin. in CLE 743 (Anth. lat. II/1, 354 Buecheler): … uit(ae), fit [sp]iritu[s… In Z. 6 konjiziert BUECHELER a[uris] statt a[stris], Castorius lebte dann also im Himmel – eine bedenkenswerte, hier aber nicht entscheidende Variante! 22 Verg. Aen. VI 719–721: „o pater, anne aliquas ad caelum hinc ire putandum est / sublimis animas iterumque ad tarda reverti / corpora?“ (Übers. GÖTTE, 260–262). Vgl. auch Damas. epigr. 12,3 (Anth. lat. suppl. I, 18 Ihm): „sublimes animas rapuit sibi regia caeli“. 23 So die Pointe der ausführlichen Antwort des Anchises: Aen. VI 722–751.

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hen, bezeichnet dies doch eine Tätigkeit als Berater in juristischen Fragen, die keinesfalls schon mit nicht einmal fünfzehn Jahren ausgeübt werden konnte. Ein letztes, spätes Beispiel für die Klage über den frühzeitigen Tod eines künftigen Gebildeten stellt die metrische Inschrift auf dem Familiengrab des römischen Notars Eugenius dar, dessen Sohn Boetius im Jahr 577 verstarb: „Der grausame Tod raubte dich, Geborener, in jugendlichen Jahren, er neidete es dir, zu deinen Verdiensten heranzuwachsen. Dich, blühende Zierde, eingenommen durch das erste Lied, sah der Lehrer selbst als Lehrer und staunte. Übertroffen hast du deine durch Lebensalter ehrwürdigen Eltern, an Jahren noch gering, aber nach (sittlicher) Würde ein Greis. Nicht auf Prunk richtete sich deine Sorge, nicht auf das Ansehen durch Spiele, vielmehr warst du begierig auf gelehrte Rede und entflammt für Poesie. Du, mit deinen Verdiensten Geschmückter, lässt Denkmäler zurück, welche zu besuchen stets Schmerz ohne Ende bedeuten wird…“.24

Wie in den vorhergehenden Beispielen weist bereits die metrische Form auf das Maß an Bildung hin, das demonstriert werden soll und mit der Wendung „doctiloq[u]um cupidus, carminis ardor“ auch explizit zur Sprache kommt. Am Ende des sechsten Jahrhunderts, in einer Zeit, in der Papst Gregor I. im Namen asketischer Einfachheit die klassischen Bildungsinhalte und -medien als eines Christen unwürdig erklären konnte (s.u. S. 307f.), wird von der Familie des Boetius eben dieses Ideal als Maßstab für die unerfüllten Erwartungen an den Verstorbenen herangezogen, wenn auch mit einer Spitze gegen luxus und pompae: Nicht Prunk und Spiele, aber Bildung erscheint christlich rezipierbar. 2.1.2. Eloquium und mores Nur in wenigen Fällen findet sich das Stichwort studia auf der Grabinschrift eines Erwachsenen; dies deutet darauf hin, dass mit diesem Begriff eher der Lernprozess – d.h. die Zeit des Bildungserwerbs – als dessen Ergebnis – der gebildete Mensch (eruditus) – bezeichnet wird. Eine Ausnahme bildet der Epitaph des mit 65 Jahren gestorbenen römischen Ritters (uir egregius) Claudius Callistus vom Ende des 4. Jahrhunderts: „Ein guter Mann, in den literarischen Studien kundig (uir bonus et prudens studiis), ging in Frieden dahin.“25 24 ILCV 3778 = CLE 1388, Z. 1–10: „+ impia mors rapiens teneris te, nate, sub annis | inuidit meritis criscere magna tuis. | te, (fl)orale decus, primo cum carmine cepto, | doctorem doctor uidit et obstipuit. | uicisti priscos longeua etate parentes | annis parue quidem, sed grauitate senex. | non luxus tibi cura fuit, non gratia ponpae, | doctiloqum cupidus, carminis ardor eras. | tu, meritis ornate tuis, monumenta relinquis, | quae recolens semper sit sine fine dolor“ (Rom, a. 577). 25 ILCV 298 = CLE 1974, Z. 4–8: „uir bonus et prudens studiis | in pace decessit. nomen digni|tatis eximium laudemq.(ue) super|bam deum uidere cupiens – uidit | nec frunitus – obiit.“ Zur Person PLRE I 176. Nach KAUFMANN 1917, 58 Anm. 1 wäre auch möglich: „uir equester“.

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Hier wird das Bildungsideal explizit in einen Zusammenhang mit dem Leitbild des sittlich gereiften und verantwortlich handelnden uir bonus gebracht. Derselbe Konnex von litterae und virtus findet sich in der Inschrift für den Ritter L. Turpilius Victorinus Marianus aus dem nordafrikanischen Cuicul (Djemila) „zum Gedenken an einen Advokaten und Mann aller literarischen Kenntnisse und Tugenden, der 32 Jahre unter den Menschen lebte, mit hoch lobenswerter Handlungs- und Lebensweise.“26 Unabhängig von der Frage, ob es sich hier um einen berufsmäßigen Rechtsanwalt handelte oder um einen Rhetor, der seine Bildung in den Dienst seiner Heimatstadt stellte27, bezeugt dieser Epitaph das traditionelle römische Miteinander von geistiger und charakterlicher Bildung in christlichem Kontext. Den Hinterbliebenen war es also wichtig, diese „säkularen“, den res humanae zugehörigen Werte öffentlich zu erinnern. Das gilt auch für die Klage über einen frühverstorbenen kirchlichen Amtsträger, nämlich für die Gedenkinschrift für den Römer Priscilianus: „Hier liegt die strahlende Zierde des Erdkreises, die rechte Liebe der sittlich Guten und geistig Gelehrten, Priscilianus. Nicht an Jahren war er erwachsen, doch an Strenge der Sitten übertraf er das Alter in seinem Ansehen als Praepositus.“28

Der decus aegregium hat ein Vorbild bei Vergil (Aen. VII 473); expliziert wird dies durch den Verweis auf Gelehrsamkeit einerseits, Sittlichkeit andererseits, und gerade letztere verschaffte ihm seinen Platz in der christlichen Gemeinde, der er wohl als Verwalter diente.29 Dieser Zusammenhang von Redekunst und sittlicher Reife kommt auch in der Grabinschrift eines römischen Rhetors zum Ausdruck: „Hochstehend an Geist, hochberühmt durch Rede, beanspruchst du zu Recht, mit den Ehrentiteln der Alten angesprochen zu werden, du, dessen eindeutige Sprache die Kurie verlegen machte“. Nicht nur „die Geschicke der Menschen verteidigte er mit reinem Herzen“, auch „die Sache des Vaterlandes verteidigte er bei Königen“30, was neben dem Wirken 26

ILCV 746 = CIL VIII 20162: „memoriae | L. Turpili Victorini Ma|riani eq. R. aduocati om|nium litterarum et uirtu|tum uiri, qui fuit in rebus | humanis annis XXXII, cum | magna laude actus et d[i]s|ciplinae suae.“ Vgl. KAUFMANN 1917, 231. 27 V ÖSSING 1997, 385f. Anm. 1316 nennt weitere gebildete aduocati, bei denen nicht eindeutig zwischen beruflicher oder repräsentativer juristischer Tätigkeit zu entscheiden ist. 28 ILCV 1307, Z. 1–4: „hic iacet aegregium decus orbis atque bonorum | iustus doctorum Priscilianus amor. | non annis maturus erat, sed dogmate morum | uicerat aetatem ponder(e) praepositi“ (Rom, S. Lorenzo in agro Verano). 29 PIÉTRI (PCBE II/1 1826) liest propositum und sieht darin „probablement un engagement spirituel“; dann hätte Priscilianus „sein Alter durch das Gewicht seines geistlichen Vorsatzes übertroffen“. Wahrscheinlicher ist eine kirchliche Funktion ähnlich dem praepositus domus ecclesiae in Poss. vita Aug. 24,1 (70,21–72,3 Geerlings): „ein jährlich wechselnder Priester, dem Augustin die Vermögensverwaltung seiner Kirche übertrug“ (LORENZ 1966, 59). 30 ILCV 103 = CLE 1411, Z. 1–3.5.8: „hic iacet ingenio celsus, celeberrimus ore, | quem titulis veterum iungere iure queas, | conspicuam cuius suspexit curia linguam… fortunas hominum defendit pectore casto… ac patriae causas regibus adseruit“ (Rom, S. Lorenzo in agro Verano).

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als Rhetor auf eine politische Funktion hinzudeuten scheint. Sein Tod habe einen schweren Verlust für das öffentliche Leben Roms bedeutet: „Dich, Magnus, vermissen die Plätze, alle [Hinterbliebenen], die Kurie, es schmerzt sie, deiner Redekunst beraubt zu sein. Keine Alterung kann deine Ehrentitel zerstören, denn ewiges Leben bleibt dir in Büchern erhalten.“31

Mit uita aeterna ist hier das spezifische Nachleben in der Erinnerung der Öffentlichkeit gemeint, das Stichwort uetustas verweist auf das Altertum im „klassischen Sinne“, das nach Macrobius’ Formel verehrungswürdig ist („vetustas nobis adoranda est“)32 – in diese Ahnenreihe wird der Geehrte eingeordnet. An einem christlichen Ort wird damit ein paganes Ideal entfaltet, und aus der Inschrift geht nicht hervor, dass dies für den Verstorbenen oder für die Hinterbliebenen in irgendeiner Weise problematisch gewesen wäre. Mehrere christliche Grabinschriften dokumentieren den Konnex von eloquium und mores. So heißt es auf dem Epitaph für den aus Ligurien stammenden Rechtsanwalt Constantius, zuvor als ingenii legumq[ue] potens („fähig an Geisteskraft und Gesetzeskenntnis“) beschrieben, in metrischer Form: „Wer trug bei den Streitigkeiten des Forums so oft aus dem Recht den Sieg davon und warf mit dem Munde die grausamen Angeklagten nieder? Der echte Römer schmückte stets durch eigenen Ruhm die Sittlichkeit mit Redekunst, die Redekunst mit Sittlichkeit. Kaum noch, grausiger Tod, kannst du den toten Leib kränken; nicht belästigen ihn deine Pfeile, denn der Fromme besitzt die Sterne.“33

Die letzten beiden Zeilen stellen den togatus, den „echten Römer“, in den Horizont der christlichen Heilshoffnung, die auch den siegreichen Streiter auf dem Forum umfasst.34 Eine ähnliche Anspielung findet sich auf dem Epitaph 31

ILCV 103, Z. 11–14: „te fora, te cuncti, te magnum curia quaerit, | priuatam eloquio de dolet esse tuo. | nulla tuos poterit titulos delere uetustas, |aeterna in libris nam tibi uita uiget.“ „Magnus“ ist hier Eigenname (so NIQUET 2000, 170). 32 Macr. sat. III 14,2 (196,18f. Willis); vgl. oben S. 39 Anm. 70. 33 ILCV 244 = CLE 1412, Z. 5–10: „quis per bella fori totiens de iure triumphum | re(t)tulit et saeuos perculit ore reos? | ornauit proprio semper fulgore togatus | eloquio mores, moribus eloquium. | non multum, mors dira, noces in funere iusti: | nil tua tela grauant, possidet astra pius.“ Z. 5 lässt Ovid, trist. III 12,18 („garrula bella fori“) anklingen. Constantius (PLRE II 319 Nr. 8) ist Adressat von Ennod. epp. II 17.19.20; IV 13; V 23 (MGH.AA VII, 70–73; 140; 196f. Vogel). 34 Vgl. als Beispiel eines christlichen Juristen auch Apollonius, der zusammen mit seiner Gattin Soteris – möglicherweise einer sanctissima femina – bestattet und als „Mann von sittlichem Ruf, hervorragend an lebenspraktischer Unterweisung und Adel, höchst kundig in Recht und Gesetzen“ gepriesen wurde (ILCV 246 = CIL VI 31947): „hoc in loco una cum coniuge sua So[teride? quiescit Apol](l)onius us., homo fama moribus o[mni uitae] | instituto et nobilitate praeci[puus], | [iuris leg]umque peritissimus, qui u[ixit] | [ann. …], m. IIII, d. I, depositus IIII non. Decembr. co[ns.] | Leonis IIII et Probiani uc“ (Rom, Basilika S. Paolo, a. 471).

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eines Verwandten des Sextus Petronius Probus bzw. eines Angehörigen der gens Anicia35, „Hoffnung eines berühmten Geschlechts, Ehre der großen Väter, begabt an Geisteskraft, redegelehrt in der Poesie, strahlend, weise, demütig, gemäßigt, ehrenhaft, allgemein geschätzt, mehr noch: fromm an Güte“ – diesem Muster eines römischen Senators wird die Hoffnung mitgegeben, „dass dir der Tod nichts mehr anzuhaben vermag, wenn du hier im fortwährenden Lobe lebst und zugleich im Reiche Christi ohne Ende wohnst“.36 Wurde oben bei Constantius die Anwendung der rhetorischen Ausbildung hervorgehoben, so preist ein Epitaph aus dem Friedhof S. Paolo in allgemeinerer Form die rhetorische Kompetenz des 433 verstorbenen Silvius Dorotheus Diomedes, „geboren aus illustrer, ja adliger Familie, hervorragend und bewundernswürdig in lateinischer Rede, bei allen wertgeschätzt, rechtschaffen an Sittlichkeit, Zierde der Seinen“.37 Die Betonung des eloquium Latiare könnte auf einen der Oberschicht angehörigen Lehrer der lateinischen (d.h. dezidiert nicht griechischen) Rhetorik hinweisen, was im 5. Jahrhundert zwar nicht die Regel, aber auch nicht mehr ausgeschlossen war. Redegewandtheit und sittliche Reife finden sich freilich auch in kurzen Formeln, wie z.B. auf einem Epitaph aus der römischen Via Salaria: „Hier liegt Heraclius, der über alles geliebte Freund, erster an Redekunst, niemandem an Rechtschaffenheit nachstehend.“38 Ebenso wird in einer Ehreninschrift Flavius Merobaudes als „aeque fortis et doctus vir“ gepriesen.39 Es handelt sich um den seltenen Fall eines Soldaten, der zugleich ein gefeierter Literat war: Merobaudes, gebürtig aus Spanien (Baetica), diente nicht nur als magister militum (443), sondern auch als „Hofdichter des allmächtigen Heermeisters Aëtius und des weströmischen Kaiserhauses“.40 Neben einem Panegyricus auf das dritte Konsulat des Aëtius (446) und einer Dankesrede für die Verleihung des patricius-Titels aus der selben Zeit wurde sein hexametrisches carmen de Christo hoch geschätzt: In der Chronik des Hydatius erscheint Merobaudes als „edel von Geburt und angemessener Weise durch den Eifer für die Rede35 Zur schwierigen Identifikation vgl. N IQUET 2000, 124 mit Anm. 83; 143 m. Anm. 108; 169f. Möglich wäre z.B. Anicius Petronius Probus, consul 406 (HEINZELMANN 1976, 49). 36 ILCV 64 = CLE 1408: „spes generis clari, magnorum gloria patrum, | sollers ingenio, carmine doctiloquus, | inlustris sapiens humilis moderatus honestus | communis gratus, plus bonitate pius, |ante annos animumque gerens aetatis auitae, | clarior in patria nobilitate Probus, | nil tibi mors nocuit, cum hic uiuis laude perenni | et Χρι in regno dum sine fine manes“ (Rom, Via Salaria nova). 37 ILCV 207 = ICUR I 679: „hic hum[atus est] Silbius Do[r]otheus Diom[edes] | […]m […] ortus inl. familia iuxta nobilis, | […]ae[…] in eloquio Latiari excellens adque magnific[us], | […]tus [… omni]bus carus, moribus probus, decus suoru[m], | [qui u]ix[it annis …]VI, mensibus XI, | decessit prid. kal. Ianua[r.] | [dn. Theodosio Au]g. XIIII et [P]et[r]onio Maximo uc. cons“ (Rom, Via Ostiensis); zur Person vgl. PLRE II 363 Nr. 5. 38 ILCV 728 = CLE 753: „hic iacet Heraclius nimium dilectus amicus, | eloquio primus, nulli probitate secundus.“ 39 CIL VI 1724 = ILS 2950 (Rom, Trajansforum, a. 435). 40 So Mischa M EIER , in: LACL 3, 501f. Zur Person vgl. PLRE II 756f.; PCBE II/2, 1509.

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kunst, am meisten aber für die Poesie den Alten zur Seite zu stellen“.41 Hier wird das Prädikat doctus tatsächlich durch literarische Erzeugnisse bestätigt. Ein weiterer Epitaph erinnert an einen orator gleichen Namens, dem „Gedichte von großer Gelehrsamkeit“ zugeschrieben werden und der „als Junge die Taten des lateinischen Mars lernte, wodurch im Herzen zugleich die ehrenvolle Redekunst eingeprägt wurde und die Liebe zum Vaterland das jugendliche Herz durchdrang“42; vermutlich handelt es sich um denselben Merobaudes. Aus diesen Zeugnissen ergibt sich das Bild eines nicht nur passiv gebildeten, sondern tatsächlich literarisch und zugleich politisch aktiven Menschen in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, dessen Zugehörigkeit zum Christentum seine militärische Karriere offensichtlich in keiner Weise behinderte (was aber, von den Soldatenmartyrien abgesehen, schon in vorkonstantinischer Zeit gängig war). Merobaudes repräsentiert also eine christliche Version des senatorischen Ideals der Verbindung von otium und negotium, wie es Symmachus und Praetextatus verkörpert hatten. 2.1.3. Eloquium und pietas Heike Niquet vermerkt, dass „in christlichen Grabinschriften das Lob der Bildung… allgemein zugunsten von Tugenden wie pudicitia, castitas, innocentia, sapientia, prudentia, bonitas, veritas und fides zurück[tritt]… Eloquentia und andere auf Bildung im klassischen Sinne zielende Ausdrücke finden sich kaum.“43 Gemessen an der Masse erhaltener christlicher Epitaphe trifft dies im Grundsatz zu, wenn sich auch tatsächlich mehr Beispiele dafür finden lassen als die bei ihr notierten vier Inschriften.44 Als Ausnahme nennt sie die Gedenkinschrift für Petilius Processius, „der als togatus praefectorum im Range eines vir spectabilis tätig gewesen war [und] seine eloquentia in den Dienst christlicher Nächstenliebe gestellt haben [soll], eloquio miseros vel pietate iuvans.“45 Wie dies geschehen sein soll – ob hier z.B. rednerisches Einwirken auf seine Mitbürger oder das Vertreten armer Mitmenschen vor Gericht gemeint ist und ob dafür tatsächlich eine explizit christliche Begründung zu veranschlagen ist oder eine

41 Hydat. chron. a. 443 (SC 218, 138,1–5 Tranoy): „Asturio magistro utriusque militiae, gener ipsius successor ipsi mittitur Merobaudis, natu nobilis et eloquentiae merito uel maxime in poematis studio ueteribus conparandus: testimonio etiam prouehitur statuarum“; vgl. auch Sidon. carm. 9,296–301 (MGH.AA VIII, 225 Luetjohann). 42 ILCV 105 = CLE 1756 = CIL VI 31983 (Rom, S. Agnese, um 450, nur fragmentarisch erhalten), Z. 2–5: „[… doctrinae car]mina magnae, | [quis Latii Martis disce]ret acta [p]uer, | [unde animo simul elogiu]m figeretu[r honestum] | [et patriae tenerum cor] penetraret a[mor].“ 43 N IQUET 2000, 171. 44 ILCV 728 (s.o. Anm. 38); 729; 885 (s.u. Anm. 46); 1307 (s.o. Anm. 28). 45 Ebd. mit Zitat von ILCV 243, Z. 8 = CLE 1370 (a. 525); vgl. Z. 5f.: „te natura parens omni depincxerat arte, | moribus ingenio corpore mente fide.“ Zur Person vgl. PLRE II 914.

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Fortsetzung des traditionell römischen Ideals der pietas im Sinne einer Sozialfürsorge als Bestandteil der Standesdefinition –, ist nicht deutlich erkennbar. Die Stichwortverbindung von eloquium und pietas findet sich in einigen weiteren Inschriften. In einer unidentifizierten, auf 423 zu datierenden Inschrift wird der Verstorbene mit denselben Worten wie der Advokat Magnus (s.o. S. 173f.) als „hochstehend an Geist, hochberühmt durch Rede“ charakterisiert, um dann fortzufahren: „… der für seine Frömmigkeit (pietas) würdigen Lohn empfing: unbescholten, leutselig, niemandem an Rechtschaffenheit nachstehend, den Angehörigen teuer, war er in Liebe zur Gattin entbrannt.“46 Mit pietas wird hier ein Leitbild angedeutet, das Geisteskraft wie auch rhetorischer Kompetenz in sich schließt. Freilich bleibt unbestimmt, ob damir eine spezifisch christliche Tugend (oder ein traditionelles, zu virtus oder fortitudo funktional äquivalentes Kennzeichen) gemeint ist.47 Dass sich damit langfristig ein christliches Motiv herausbildete, zeigt der Epitaph für Papst Bonifatius III., der im November 607 nach einem nur sieben Monate währenden Pontifikat beigesetzt wurde: Er wird der Nachwelt präsentiert als ein Mann, „der das bischöfliche Amt in rechter Weise führte“, als „Bewahrer des Ursprungs, rechtschaffen, geduldig und großmütig“, daneben auch als „versiert in der Kunst der Rede und gefällig durch seine Frömmigkeit (cultus in eloquiis et pietate placens)“48 – offenbar also ein guter Prediger (wobei im theologischen Diskurs der Spätantike weltliche eloquentia in der Predigt durchaus umstritten war, s.u. S. 320–337). Nach Heinzelmann wird das Wortfeld pietas dem „offiziellen Tugendkanon römischer Herrscher“ entlehnt und „in der Folge als Symbol gütiger, väterlicher Herrschaftsaus-

46 ILCV 885 = CLE 1351, Z. 1–4: „hic iacet ingen[io celsus, celeberrimus ore], | qui pietate su[a praemia digna tulit]. | integer adfabilis n[ulli prob]i[tate secundus], |pigneribus dulci[s, con]iugi[s ardor erat]“ (Rom, S. Lorenzo in agro Verano), a. 423 („Mariniano et Asclepiodoto uu.cc. coss.“). 47 Das Grabgedicht in der Kirche S. Maria in Aquiro (Rom), dediziert von einem Elternteil für den mit 24 Jahren dahingerafften Aemilianus, den „immer geliebten Sohn“, memoriert dessen Charakter wie folgt: „Gelehrt in allen Studien durch die Frömmigkeit als Lehrerin, gefestigt in der Religion, berühmt auch in der Redekunst“ (ILCV 1590 = CLE 2234: „flos, decus et uitae c[……] | hic situs, aeternam [qui tenet ipse domum]. | omnibus edoctus stud[iis pietate magistra], | relligione pollens, c[larus et eloquio]. | bis denos carpens uitae [qui gesserat annos] | quattuor adiugens [funere raptus abit]. | Aemiliane, mihi semper ka[rissime nate], | tristis et implorans“). Sowohl Redekunst als auch Bewandertheit in literarischen Studien, die dem Verstorbenen reichlich attestiert werden, sind aber Konjekturen des Editors. Dass die studia litterarum und der schulmäßige Rhetorikunterricht hier durch das christliche Bekenntnis (unzweideutig markiert durch ein Christogramm eingangs der Inschrift) neu kontextualisiert werden und dass an die Stelle römischer Tugenden – der virtus oder bonitas – religiöse Begriffe zur Beschreibung der geistigen und sittlichen Reife treten, bleibt daher letztlich spekulativ. 48 ILCV 992 = CLE 1391 (Rom, in s. Petro Vaticano): „pontificale sacrum qui bene gessit opus, | initiae custos rectus patiensq. benignus, | cultus in eloquiis et pietate placens.“

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übung von Bischöfen und Königen reklamiert“.49 So wird bereits im 4. Jh. Bischof Concordius von Arles der Nachwelt als „integer adque pius, vita et corpore purus“ in Erinnerung gerufen – worin ein Horaz-Vers anklingt.50 Bei Bischof Nicetius von Lyon (552–573) wird die Tugend der caritas mit der pietas verbunden: Die liebende Beziehung des Hirten zu seiner Herde entspricht der väterlichen Treue und Fürsorge des Herrschers für seine Untergebenen.51 Diesen vielschichtigen Integrationsprozess illustriert das Grabgedicht für den ehemaligen römischen Stadtpräfekten und Advokaten Floridus: „Hier ist Frömmigkeit, hier alte Treue, hier unbefleckter Lebenswandel, hier ist unermessliche Mühe, hier anerkanntes Ansehen im Recht, glücklich die Einfachheit im Geiste, gefestigt in der Lehre. Der große Floridus, kaum geringen Eltern geboren, der auch den Ruf der Älteren durch seinen Namen schmückte, frei, jedoch aufgrund der Gelehrsamkeit in der Sprache des Forums gelobt, wurde er zuerst durch die Rutenbündel des Praetors der Stadt geehrt…“.52

Es folgt der cursus honorum, der u.a. die Statthalterschaft in Ligurien, die Stadtpräfektur und schließlich die Aufgabe eines öffentlicher Ratgebers im römischen Recht53 beinhaltete, bevor Floridus im Alter von 62 Jahren verstarb. Gerade für einen Aufsteiger in der römischen Administration mussten die Charaktereigenschaften wichtig sein, die hier durch ein Vergil-Zitat eingeleitet werden, der den Knaben Tiberinus als „fromm sein Sinn und altehrwürdig seine Treue“ beschrieb.54 Die von Niquet aufgezählten christlichen Prädikationen können also, hier die fides, für beide Traditionsstränge stehen, die in dieser und vergleichbaren Grabinschriften verbunden werden. Der Lobpreis der „Einfachheit des Geistes“ scheint dabei die Betonung des ingenium zu ersetzen – hier klingt die im 5. Jahrhundert längst eingebürgerte Rede von der Simplizität christlichen Glaubens und Denkens an (s.u. S. 327–337), die freilich in Anwendung auf einen hohen römischen Beamten einen scharfen Kon49 H EINZELMANN 1976, 68; vgl. aaO. 44 Anm. 75: Die republikanischen Prädikate clementia, fortitudo, pietas gelten als clementissimus, fortissimus, piissimus in der Spätantike den Kaisern. 50 ILCV 1117 = CLE 667 (Arles); vgl. Horaz, Ode I 22: „integer vitae scelerisque purus“. 51 ILCV 1073 = CLE 1387 (Lyon, S. Nicetius), bes. vv. 3f. zu caritas bzw. amor und v. 10 (simplicibus pius) sowie v. 21 (mitis pietate serenus); zu Nicetius als Bischof vgl. auch Greg. Tur. Franc. IV 36 (MGH.SRM I/12, 168,16–26 Krusch/Levison); weiterhin vita Nicetii prima 17 (MGH.SRM III, 524,19–30 Krusch); HEINZELMANN 1976, 154–158. 52 ILCV 87 = CLE 686, Z. 1–7: „hic pietas, hic prisca fides, hic i[ntegra uita], | hic labor inmensus, prudens h[ic iuris honestas], | felix simplicitas mentis, doctri[na probata]. | Floridus hau[d ?] paruis magnus g[enitoribus ortus] | et qui maiorum uelarit nomine [famam], | liber sed docili laudatus per fo[ra lingua], | urbani primum praetoris fasc[ibus auctus]“ (Rom, Friedhof S. Paolo, Via Ostiensis); bestattet am 18.10.427; vgl. PLRE II 480f. 53 Ebd. Z. 13: „publica post docuit Romani foedera iuris.“ 54 Verg. Aen. VI 878: „heu pietas, heu prisca fides“.

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trast darstellt. Ein späteres, doch typisches Beispiel wäre die Mahnung Cassiodors an seine Mitbrüder in Vivarium, dass die zum Kloster gehörigen Bauern sittlich unterwiesen werden sollten, damit sie „in rechtschaffener Absicht und glücklicher Einfalt“ leben könnten.55 Doch wird Floridus auch als versiert in der doctrina bezeichnet, so dass geistliche Genügsamkeit und geistiger Weitblick kopräsent sind. Das Leben, dessen integritas gepriesen wird, reicht freilich weit über irdischen den cursus honorum hinaus: „Floridus, mache dich auf zum Reich des himmlischen Gottes – so hat es das Leben verdient.“56 2.1.4. Die Eloquenz des Bischofs Das Stichwort eloquium begegnet auf Epitaphen von Bischöfen oftmals in konkreter Zuordnung zu ihrer Tätigkeit, nicht als allgemeines Merkmal der sozialen Verortung innerhalb eines gesellschaftlichen Rahmens. Zugleich ist gerade bei den Grabinschriften römischer und anderer Bischofe die intendierte öffentliche Wirkung deutlich, insofern zahlreiche Epitaphe in metrischer Form ausgestaltet wurden, sich also der selben Kunstform bedienten wie die pagane Funeraltradition. Das eindrucksvollste Beispiel christlicher spätantiker Rezeption paganer Bildung in Rom stellt zweifellos Bischof Damasus († 11.12.384) dar, gebürtig aus Spanien, Sohn eines Klerikers, Diakon unter Bischof Liberius. Am 1.10.366 zum Bischof geweiht, konnte Damasus trotz Unterstützung durch die Kaiser des Westens nur unter fortwährenden Auseinandersetzungen mit den Anhängern seines Rivalen Ursinus amtieren.57 Kein Geringerer als Vettius Agorius Praetextatus beendete als Stadtpräfekt die gewaltsamen Unruhen unter den Christen58 – der Wortführer der römischen Aristokratie, mit dem Damasus auch später noch auf vertrautem Fuße stand. Damasus trat nicht nur als Kirchenjurist und -politiker hervor, sondern auch als „der erste Verfasser von christlichen Epigrammen, der als Person greifbar und erkennbar wird.“59 Dabei handelt es sich meist um Gedenkin-

55 Cassiod. inst. I 32,2 (FC 39/1, 278,3f.8f. Bürsgens): „Ipsos autem rusticos, qui ad vestrum monasterium pertinent, bonis moribus erudite… vivant innoxio proposito et simplicitate felici.“ 56 ILCV 87, Z. 16f.: „Floride, perge | caelestis per regna dei. sic uita meretur.“ 57 Zur Person: PCBE II/1, 530; R ÜPKE/G LOCK 936f. Nr. 1433; Ursula REUTTER , in: RGG4 2 (1999), 531f.; zum Pontifikat: PIÉTRI 1976, 407–884; zum Schrifttum: Hans Martin WEIKMANN, in: LACL 3, 183–185; der Liber pontificalis (I 212,6 Duchesne) notiert seine Versinschriften in den Katakomben, „ubi iacuerunt corpora sanctorum apostolorum Petri et Pauli“. 58 Vgl. Amm. XXVII 9,9 (II 50,18–21 Seyfarth); Coll. Avell. epp. 5–7 (CSEL 35/1, 48–50 Günther); Sozom. h.e. VI 23,2 (FC 73/3, 742,28–744,5 Hansen); dazu PIÉTRI 1976, 415– 417; REUTTER 1999, 50f. 59 R EUTTER 1999, 64; ihre (bislang ungedruckte) Jenaer Dissertation (1999) skizziert Damasus’ Rolle für das ekklesiale Rechtsdenken (er verfasste wahrscheinlich die erste päpstliche Dekretale) und für die theologische Orthodoxie (Theodosius I. nannte ihn 380 in Cunctos populos gemeinsam mit Petrus von Alexandrien als personifizierte Norm – ein Anspruch,

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schriften für römische Märtyrer, teils auch um Grabinschriften und Zeugnisse eigener Bautätigkeit.60 Hieronymus charakterisiert ihn wie folgt: „Damasus, Bischof der Stadt Rom, war geübt im Erstellen von Versdichtungen, er hatte einen scharfen Geist und gab viele kleine Werke in heroischem Versmaß heraus.“61 Mit dieser Dichtung, die belegt, dass der Verfasser selbst mindestens grammatische Bildung erworben hatte, wird nicht nur eine spezifische Art des Märtyrergedenkens entwickelt, sondern zugleich auch der Anspruch vorgetragen, die christliche memoria in die literarischen Formen und Gattungen des römischen Altertums einzubetten – deutlich erkennbar an der ausgiebigen, z.T. inhaltlich umdeutenden Anlehnung an vergilische Formulierungen.62 In einer Zeit, die in der Forschung gerne als Periode eines „heidnischen“ Widerstandes gegen das Christentum durch literarische Rückbesinnung auf die Klassiker beschrieben wird (s.o. S. 159f.), fand die Formkultur der römischen Antike neue Verwendung, um die christliche Fortschreibung des römischen Selbstbewusstseins als Roma christiana in literarische Formen zu gießen und damit zugleich der Stadt eine neue Hoffnungsperspektive zu eröffnen: Als Bischof verkörpert Damasus selbst die „magnae spes altera Romae“.63 Damit beginnt aber nicht nur im Blick auf die Einbindung der christlichen Gemeinde in die urbanen Strukturen Roms und ihre öffentliche Repräsentanz etwas Neues. Zugleich wurde die „Latinisierung“ der römischen Kirche vorangebracht64: Hatten Damasus’ Vorgänger bis an die Wende zum 4. Jahrhundert überwiegend griechische Grabsteine erhalten65, setzte nun eine Reden Damasus in seinem Briefwechsel mit Basilius von Caesarea de facto selbst erhoben hatte) und natürlich für die Herausbildung der „petrinischen“ Konzeption des römischen Primats. 60 Vgl. G UYON 1996, 893f. und P IÉTRI 1976, 461–557 (auch zu Damasus’ Nachfolgern). 61 Hieronymus, vir. ill. 103 (BPat 12, 208 Ceresa-Gastaldo): „Damasus, Romanae urbis episcopus, elegans in versibus componendis ingenium habuit multaque et brevia opuscula heroico metro edidit.“ Vgl. REUTTER 1999, 67f. zu den Editionen von Ihm und Ferrua; Abdruck und Übersetzung der Epigramme aaO. 73–105; dazu auch KAUFMANN 1917, 338–365. 62 Dazu R EUTTER 1999, 148–155; vgl. ihr Fazit (164): „Mit der Synthese von christlichem Inhalt, gekleidet in die kunstvolle traditionelle römische Dichtersprache, werden sicherlich die gebildeten Römer angesprochen, denen in ihrer Sprache vermittelt werden soll, daß Christianisierung nicht gleichzeitig auch Verzicht auf Bildung bedeutet.“ 63 So R EUTTER 1999, 160; vgl. etwa epigr. 20 Ferrua (zit. n. REUTTER 1999, 98) zu den Gräbern Petri und Pauli: „Discipulos Oriens misit, quod sponte fatemur; sanguinis ob meritum Xpumque per astra secuti aetherios petiere simus regnaque piorum: Roma suos potius meruit defendere cives“; vgl. aaO. 161f. zu dieser Inschrift und zu epigr. 48 F. für den Griechen Hermes: „sanguine mutasti patriam, civemque fratrem[que] fecit amor legis; sancto pro nomine passus, incola nunc domini, servas qui altaria Christi“ (zit. n. aaO. 99; vgl. 162): „Die Liebe zum Gesetz Christi, d.h. zum Evangelium, die sich im Martyrium beweist, macht also diejenigen, die dieses Privileg bisher entbehren mußten, zum Bürger Roms.“ 64 Zum Folgenden vgl. L AFFERTY 2003, die anhand der terminologischen Fixierung des eucharistischen Hochgebets in Rom und Mailand die Durchsetzung der Latinitas nachweist. 65 Vgl. ILCV 953–956 (Pontianus, Anterus, Fabianus, Cornelius); 958 (Lucius); 960f. (Eutychianus, Caius – letzterer starb 296 n.Chr.).

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zeption der Romanitas durch die Christen ein, die in den Prozess der Christianisierung der senatorischen Oberschicht einzuzeichnen ist, denn diese war, wie gesehen, nur auf dem Weg kultureller Profilierung zu gewinnen. Dazu gehörte auch die Einführung des Lateinischen als Liturgiesprache in Rom66, dem als Medium öffentlicher Darstellung des Christentums und besonders der Märtyrer die von Damasus gepflegte Funeralepigraphik zur Seite trat.67 Ein Zeugnis dieser Rezeption – wenn nicht aus Damasus’ Feder, so doch aus derselben Zeit – ist der in Hexametern gehaltene Epitaph für den am 24.9.366 verstorbenen Papst Liberius. Hier findet sich zwar nicht der Begriff der eloquentia, wohl aber sein Sachgehalt, freilich in christlicher Umwertung: „Schon als Jüngling begannst du, in süßen Worten zu reden, bald wurdest du aufgrund des angeborenen Talents zum frommen Vorleser der Schriften gemacht, so dass deine Stimme mehr das Gesetz selbst als [dessen] Worte erklingen ließ. Geschätzt beim Herrn waren deine Worte, kindliche Einfachheit, durch keine trügerischen Trugmitteln an verderblicher Kunst aufgeputzt für das Amt solch rechten und reinen Lesens Und ebenso einfältig im Geiste warst du als Heranwachsender und erwachsen im Herzen, mäßig im leidenschaftlichen Alter, distanziert, klug, milde, bedacht, unbescholten, gemessen…“.68

Die „Kunst“ des Redens ist pejorativ konnotiert: Aufgrund seiner Jugend hatte sich der spätere Bischof ihrer nicht bedienen können, so dass durch seine jugendlich unverbildete Art des Lesens bereits vollgültig der Sinn des Gelesenen zum Ausdruck kam; gerade die Nichtanwendung der rhetorischen Techniken und Kunstgriffe ist hier also die Pointe, der freilich die eindeutig kunstvoll stilisierte Form des Grabgedichts widerspricht. Der Topos christlicher simplicitas wird damit in die Formensprache römischer Grabkultur eingetragen – ein Ausdruck der von Damasus auch für das Christentum beanspruchten Romanitas. Explizit wird dieser Anspruch in einer Inschrift aus der

66 L AFFERTY 2003, 46. Aus unterschiedlichen Motiven, aber mit gleichem Ergebnis wurde auch in Mailand durch Ambrosius das Lateinische im Gottesdienst verwendet, hier in Auseinandersetzung mit den „arianischen“ bzw. gotischen „Barbaren“ (aaO. 60f.). 67 Zur Rezeption der Form kam die Umgestaltung des Inhalts (aaO. 43): „In these poems, then, Damasus strove to redefine real Romanitas: not the birth of the body, but the rebirth of the soul decides the martyrs’ citizenship. Roman victory no longer means victory over external enemies through military might, but victory over pagan offcials of the state through suffering and death. What was defeat traditionally, for Damasus is now heroism.“ 68 ILCV 967 = CLE 787, Z. 8–16: „paruulus utque loqui coepisti dulcia uerba, | mox scripturarum lector pius indole factus, |ut tua lingua magis legem quam uerba sonaret. |dilecta a domino tua dicta, infantia simplex, |nullis arte dolis sceda fucata malignis |officio tali iusto puroque legendi. | adque item simplex aduliscens mente fuisti | maturusque animo, feruenti aetate modestus | remotus prudens mitis grauis integer aequus.“ Zur Person vgl. PCBE II/2 1297f. Nr. 1.

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Sancta Sanctorum erhoben, die unter einem Bild angebracht ist, das einen Mann mit einem Buch darstellt (möglicherweise Augustin), über den gesagt wird: „Verschiedenes [sagten] die verschiedenen Väter, aber dieser sagte alles in echt römischer Redekunst (Romano eloquio), mystische Gedanken mit Donnerhall aussprechend.“69

Auch außerhalb Roms ist eine Neuinterpretation der herkömmlichen Terminologie erkennbar. So heißt es über Bischof Johannes von Tarragona († nach 516/17): „Gestützt auf die Redekunst, warst du Mildester stark im Herzen.“70 Auch Andreas von Formia († 529) wird durch seine Eloquenz charakterisiert: „Die Redekunst des Herrn lebte stets in deinem Munde; zuerst hatte der Priester die Stadt Rom geziert, die ihm erwiesene Ehre der Voranstellung ließ ihn als Vater wirken, gestellt unter frommes Gesetz und gewisse Mäßigkeit, und wie ein guter Hirte die Herde vor dem Feinde schützt, so schenkte er, großzügig gegenüber den Fremdlingen, sich selbst den Bedürftigen und sättigte diese durch die Kraft seiner Redekunst.“71

Das Gedicht erinnert an die Bemerkung über Petilius Processius, er habe seine eloquentia in den Dienst der Nächstenliebe gestellt; entsprechend scheint Bischof Andreas nicht nur – in Anspielung auf Psalm 33,2 LXX – das Wort des Herrn im Munde geführt, also wortmächtig gepredigt, sondern dies auch mit karitativem Engagement verbunden zu haben, das nun ebenfalls als eloquentia qualifiziert wird. Diese ist also nicht deckungsgleich mit schulmäßiger Eloquenz, die den öffentlichen Vortrag des Rhetors auszeichnet; angesprochen ist vielmehr die spezifische Kunstfertigkeit kirchlicher Predigt, die durch Form und Inhalt der Inschrift den Lesern in Formia vor Augen gestellt wird. Der Erfolg dieses Einsatzes wird in der Gedenkinschrift für Ennodius von Pavia († 521) sogar konkret genannt: Schismen habe er geheilt und den Kirchen den Glauben des Petrus zurückgegeben – ja mehr noch, „mächtig in der Redekunst, edel in der Kunst der Lehre, brachte er zahllose Menschen zu Christus zurück.“72 In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts wird also das klassische römische Konzept der eloquentia in Grabinschriften gezielt zur Be-

69 ILCV 1595 = CLE 2045: „diuersi diuersa patres, s[ed hic] | omnia dixit Romano eloquio | mystica{s} sensa tonans.“ 70 ILCV 1090 = CLE 699, 3, Z. 4: „nitens eloquio mitissimus pollebas in corde.“ 71 ILCV 1024 = CIL X 6218, Z. 10–16: „eloquium dni vixit in ore tuo | romanamque prius decoravit presbyter urbem | culminis auctus honoir hoc dedit esse patrem | districtus sub iure pio et moderamine certo | utque bonus pastor texit ab hoste gregem | hospitib. gratus se ipsum donabat egenis | illos eloquio hos satiabat ope; zu Z. 14 (bonus pastor) vgl. Joh 10,11. Zur Person vgl. PCBE II/1, 127 Nr. 4. 72 ILCV 1046 = CLE 1368, Z. 11–14: „scismata coniunxit dudum discordia legi | adque fidem Petri reddidit aecclesiis. pollens aeloquio, ductrinae nobilis arte | restituit Cristo innumeros populos“ (Pavia, S. Michele); vgl. PCBE II/1, 620–632; Siegmar DÖPP, in: LACL 3, 218–220.

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schreibung der Qualitäten eines Bischofs in Anspruch genommen – auch und gerade im Blick auf die Handlungsfelder des Theologen und Predigers. Entscheidend ist nach Ennodius allerdings die christliche Ausrichtung der eruditio: „Der unerzogene Adel lehnt das himmlische Werk ab!“73 Er selbst bezeugt aber nicht nur durch sein Schrifttum hinreichend, dass er die hier rhetorisch depotenzierte klassische Bildung in vollem Umfang genossen hatte; wie sein öffentlich zugänglicher Epitaph zeigt, legte er auch post mortem Wert darauf, dass dies zumindest seinen Standesgenossen bewusst blieb.74 Für einen Bischof, der „berühmt an Ursprung“ (clarus prole quidem) genannt wird, ist dies auch nicht weiter erstaunlich75; für die vergleichsweise wenigen der Oberschicht entstammenden Bischöfe kann dies ebenfalls unterstellt werden. Als weiteres Beispiel sei Avitus von Vienne († 517) genannt, wie Ennodius senatorischer Abstammung und als Verfasser von Gedichten und zahlreichen Briefen ein wertvoller Zeuge für Kultur, Theologie und Geschichte im Burgunderreich um die Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert.76 Der Epitaph für diesen Bischof belegt die ungebrochene Bedeutung rhetorischer Bildung, vereint mit einer eschatologischen Perspektive: „Einer auf einsamer Höhe, dem, gleich in welcher Art der Äußerung, keiner als Redner gleich war und keiner als Dichter, – so künden es die Bücher, verstreut in zahlreichen Bänden – er, der lebte und lebt und wird leben in alle Ewigkeit.“77

Zusammenfassend ist festzustellen, dass in diesem und weiteren Epitaphen die Kontinuität zwischen christlicher und paganer Grabepigraphik deutlich zum Ausdruck kommt – was die Einbeziehung spezifisch christlicher theolo73

Ennod. dictio 8 (MGH.AA VII, 79 Vogel): „inerudita nobilitas caeleste munus abiurat.“ Vgl. das Urteil von Jacques FONTAINE, Ennodius, in: RAC 5 (1962), 398–421, hier 416: „Völlig heidnisch ist zweifellos die Sorge des E. um seinen posthumen literarischen Ruhm. In seinem Epitaphium wird dieser Gedanke im Anschluß an die älteste Tradition der römischen Dichtkunst entwickelt.“ 75 ILCV 1046, Z. 3; ähnlich sagt der ravennatische Liber pontificalis zu Bischof Agnellus († 570), er sei „aus adligem Geschlecht hervorgegangen, reich an Besitzungen“ (n. 84; FC 21/1, 338,5f. Nauerth). Vgl. auch Greg. Tur. vit. patr. 6,1 (MGH.SRM I/2, 680,15f. Krusch) zu den Eltern des heiligen Gallus: „Qui ita de primoribus senatoribus fuerunt, ut in Galliis nihil inveniatur esse generosius atque nobilius.“ 76 Zu seinem Schrifttum vgl. Clemens KASPER , in: LACL 3 , 104; zur Person vgl. PLRE II 195f. Nr. 4; GP 568; zu Leben und Werk vgl. jetzt KÜHNEWEG 2004. 77 Zit. n. E. LE B LANT , Inscriptions chrétiennes de la Gaule antérieures au VIIIe siècle, Paris 1856/65, 402, vv. 22–25: „unus in arce fuit cui quolibet ordine fandi / orator nullus similis nullusque poeta / clamant quod sparsi per crebra volumina libri / qui vixit vivit perque omnia saecula vivet“; vgl. HEINZELMANN 1976, 121.- Von seinen Nachfolgern werden Pantagatus und Namatius ebenso ob ihrer Eloquenz gerühmt (LE BLANT, aaO. 425,25; 429,14–16), Desiderius aufgrund seiner grammatischen Studien von Papst Gregor I. harsch getadelt (wodurch gerade seine Bildung bezeugt wird); dazu vgl. unten S. 307f. 74

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gischer Denkmuster nicht aus-, sondern gerade einschloss. Die geringe Zahl christlicher Inschriften, in denen überhaupt von Bildung die Rede ist, mahnt, wie nochmals betont sei, zur Vorsicht gegenüber Quantifizierungen des hier vorgestellten Materials. Wo aber Bildung, der Bildungsgang des Verstorbenen oder seine Lehrtätigkeit thematisiert werden, geschieht dies in vergleichbarer Form wie in Inschriften paganer Provenienz.78 Für christliche Eltern war es genauso wichtig wie für ihre nichtchristlichen Nachbarn, ihrem Kind Bildung und damit eine gute Ausgangsposition für die Karriere zukommen zu lassen – und sie beweinten ebenso nicht erfüllte Hoffnungen, die sie in ihre Kinder gesetzt hatten. Der Eloquenz werden dabei häufig die mores, die sittliche Reife zur Seite gestellt – teils in Fortschreibung bestehender Formulierungen, teils als christliche Umwertung der römischen pietas, schließlich als Kennzeichen bischöflichen Wirkens. Die lateinischen christlichen Inschriften sind mehr als bislang als Quelle für eine produktive Aneignung römischer Sprachformen und römischer Bildungsideale zu lesen: Gerade in der öffentlichen Darstellung des weltlichen Lebens von Christen werden die fließenden Übergänge zwischen paganen und christlichen Mustern der Repräsentation deutlich.79 2.2. Bildung als verbindendes Element: Epistolographie Das Christentum hat das Kommunikationsmedium Brief nicht erst in der Spätantike entdeckt. Bereits der Apostel Paulus stellte das Genos Brief in den Dienst seiner Verkündigung. Briefe unterschiedlicher Art – an konkrete Adressaten gesandte und pseudonyme, als authentische Briefe stilisierte Schreiben, theologische Traktate in brieflichem Gewand – finden sich im Neuen Testament. Das Medium Brief behielt auch für die weitere Geschichte des antiken Christentums große Bedeutung: Pastorale Schreiben wie die Osterfestbriefe, theologische Abhandlungen in Briefform und offizielle Briefe von Bischöfen und Synoden bis hin zu päpstlichen Dekretalen stehen dabei neben Briefen und Briefsammlungen individueller Autoren.80 78 B ROWN 1995, 52: „Diese Inschriften… verkünden die Existenz einer gemeinsamen Bildung, die man als das Erkennungsmerkmal der weitverstreuten Herrschaftsschicht des Imperiums ansah, zu welcher sowohl die lokalen Honoratioren als auch die Beamten der Reichsregierung gehörten.“ 79 Vgl. ILCV 149 = CIL XII 338: „egregius mundo placetus et domeno.“ 80 Einen Überblick vermitteln Ioannes SYKUTRIS , Epistolographie, in: PRE.S 5 (1931), 186–220; Johannes SCHNEIDER, Brief, in: RAC 2 (1954), 564–585; ZELZER 1997; Winrich A. L ÖHR, Brief, in: LACL 3, 131f.; Johannes DIVJAK , epistulae, in: AL 2 (2002), 893–1057; Ralph BRUCKER, Briefliteratur, in: NTAK I, 116-119; die maßgebliche Monographie stammt von THRAEDE 1970. An neueren Studien vgl. REBENICH 1992 und CONRING 2001 zu Hieronymus; MORGENSTERN 1993 zu Augustin; KAUFMANN 1995 zu Sidonius Apollinaris; TROUT 1999, bes. 198–251 und MRATSCHEK 2002 zu Paulinus von Nola; zu Ambrosius vgl. ZELZER 1987; 1993. Vollständig ediert sind die Briefcorpora des Paulinus von Nola (CSEL 29 Hartel/Kamptner), des Hieronymus (CSEL 54–56 Hilberg), des Ambrosius (CSEL 82/1–

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Das Christentum partizipierte an der Renaissance brieflicher Kommunikation seit dem 4. Jahrhundert, die ihren eindrucksvollen Niederschlag in den Briefcorpora eines Libanius oder Symmachus gefunden hat. Das bei diesen Autoren dominierende Genos des „Freundschaftsbriefes“ ist für die vorliegende Untersuchung insofern von Interesse, als diese Briefe eine eigene literarische Gattung mit einer spezifischen Zuordnung von Form und Inhalt darstellt, die sie von „Gebrauchsbriefen“ unterscheidet. Die Unterscheidung von Briefen nach ihrem Freundschaft stiftenden und versichernden Charakter einerseits, nach konkreter Zweckbestimmung andererseits berücksichtigt – im Gegensatz z.B. zu einer Differenzierung von „echten“ und „literarischen“ Briefen –, dass auch private Schreiben unter Gebildeten bestimmten Konventionen folgen und damit als literarisches Genos zu gelten haben.81 Im „Freundschaftsbrief“ steht dabei als pragmatisches Ziel brieflicher Kommunikation das Herstellen, Erneuern und Versichern von amicitia (φιλοφρόνησις) im Vordergrund, nicht das Belehren, Empfehlen und Informieren. Die in der älteren Forschung wohlfeile Kritik an dieser „Entsachlichung“ der spätantiken Freundschaftsbriefe82 ist daher selbst für die Schreiben unangemessen, die lediglich einen knappen Gruß ohne jegliche inhaltliche Füllung enthalten.83 Die vielzitierte Klage des Symmachus: „Wie lange wollen wir noch Grußworte zwischen uns hin- und herplätschern lassen, wenn diesem Stil kein anderer Inhalt zur Verfügung steht?“84 ist gerade aus der Feder dieses Meisters des literarischen Billetts nicht anders als topisch zu verstehen, werden doch in seiner veröffentlichten Briefsammlung Bezüge auf zeitgeschichtliche Personen und Ereignisse ganz bewusst gegenüber der Pflege der amicitia zurückgestellt. Die Epistolographen der Spätantike griffen dabei das 4 Faller/Zelzer), des Augustin (CSEL 34/1–2; 44; 57 Goldbacher; 88 Divjak bzw. jetzt BAug 46/2) und des Sidonius Apollinaris (CUFr II/III Loyen). Neben den älteren Übersetzungen in BKV2 (Augustin: Bde. 29/30 Hoffmann; Hieronymus: 2. Reihe, Bde. 16/18 Schade) bieten die Fontes christiani den Briefwechsel zwischen Augustin und Hieronymus (FC 41/1–2 Fürst) und die Briefe des Paulinus von Nola (FC 25/1–3 Skeb); auf diese Übersetzungen wird im Folgenden zurückgegriffen, ohne kleinere Änderungen zu vermerken. 81 Vgl. Z ELZER/ZELZER 2002, 401: „So sollte man wohl die Bezeichnung ‚Gebrauchsbrief‘ aufnehmen, jedoch nicht auch für den ‚literarischen Privatbrief‘ verwenden, sondern allein für die alltäglichen, unliterarischen Mitteilungs- und Anfragebriefe, die bisher anachronistisch als ‚echte‘ Briefe umliefen. Die sogenannten ‚literarischen Privatbriefe‘ aber, die ansatzweise bereits bei Cicero erscheinen, dann bei Plinius und den spätantiken Autoren zur Vollendung kommen, sollte man weiterhin mit dem eingeführten… Begriff ‚Freundschaftsbrief‘ bezeichnen, entsprechend einer der beiden Hauptaufgaben des Briefes nach der antiken Theorie.“ 82 So z.B. SYKUTRIS , PRE.S 5 (1931), 200. 83 Am knappsten wohl Sidon. ep. IV 19 (zit. unten S. 227). 84 Symm. ep. II 35,2 an Virius Nicomachius Flavianus (MGH.AA VI/1, 54,4f. Seeck): „Quousque enim dandae et reddendae salutationis verba blaterabimus cum alia stilo materia non suppetat?“ Vgl. dazu ZELZER 1993, 153f.

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Verständnis des Briefes als per se relevanten Mittels der Kommunikation auf, das sich bereits bei Cicero findet: „Auch wenn ich nichts habe, was ich dir [sc. Atticus] schreiben könnte, schreibe ich dennoch, weil ich dadurch mit dir zu reden scheine.“85 Cicero unterscheidet für den Privatbrief das formal weniger gebundene, ein Gespräch imitierende „genus familiare et iocosum“ vom „genus seuerum et graue“.86 Entsprechend erinnert Symmachus seinen Sohn, er habe doch von seinem Rhetoriklehrer gelernt, dass die „Stachel der Rhetorik“ (aculei orationis) in einem anderen Genos – der öffentlichen Rede – einzusetzen seien, dem brieflichen Verkehr dagegen „Ernsthaftes und Komisches beizumischen“ sei. Um Person, Anlass und Form gerecht zu werden, zieme es sich, „in Briefen an vertraute Freunde eine gewisse Nachlässigkeit an den Tag zu legen, die Waffen der Redekunst hingegen im öffentlichen Vortrag zu schwingen.“87 Wenn jedoch Tatsachen zu berichten seien, dann solle man sie wenigstens kunstgerecht ausgestalten, wie Symmachus gelegentlich betont.88 Die durch briefliche Kommunikation konstituierte Freundschaft ist nicht auf die spontane Verbundenheit zweier Individuen zu reduzieren, sondern zeigt die Zugehörigkeit der Briefpartner zu einer literarischen Gemeinschaft an, nimmt also eine wechselseitige soziale Ortsanweisung vor.89 Bildung dient dabei durch die literarische Gattung selbst und durch ihre explizite Thematisierung in Briefen (vorzugsweise als Attribut des Adressaten) der sozialen und persönlichen Verbindung der Briefpartner.90 Das „Verfassen und Versenden schön gestalteter, wenn man so will ‚literarischer‘ Briefe“ war „in der Blütezeit der Spätantike ein beliebtes Gesellschaftssspiel.“91 Dass die Zeitgenossen 85 Cic. Att. XII 53 (II 510,1f. Shackleton Bailey): „Ego, etsi nihil habeo, quod ad te scribam, scribo tamen, quia tecum loqui videor“; vgl. Plin. ep. I 11,1 (19,11–15 Schuster/Hanslik). 86 Cic. fam. II 4,1 (an Curio; 40,6–10 Shackleton Bailey); vgl. IX 21,1 (308,10f.): „epistulas cottidianis verbis texere solemus“, was bei Hier. ep. 29,1,1 (CSEL 54, 232,6–8) anklingt, wonach ein Brief „de re familiari aut de cotidiana conuersatione“ zu handeln habe; vgl. auch ep. 36,14,2 an Damasus (CSEL 54, 280,17): „pedestris et cotidianae similis“; dazu CONRING 2001, 62f.; vgl. auch Ambr. ep. 32(48),7 (CSEL 82/1, 229,72f.): „Placet iam, quod senibus usu facilius est, cottidiano et familiari sermone epistulas texere“; dazu ZELZER 1993, 155. 87 Symm. ep. VII 9 (179,4–8 S.): „sed volo, ut in aliis materiis aculeis orationis utaris, huic autem generi scriptionis maturum aliquid et comicum misceas; quod tibi etiam rhetorem tuum credo praecipere. nam ut in vestitu hominum ceteroque vitae cultu loco ac tempori apta sumuntur, ita ingeniorum varietas in familiaribus scriptis neglegentiam quandam debet imitari, in forensibus vero quatere arma facundiae“; vgl. CONYBEARE 2000, 22f. 88 Vgl. Symm. ep. II 12,1; 48,1 (46,3–9; 57,31–58,4 S.). 89 Av. C AMERON 1998, 696f.: „Less by direct statement than by their style and subject matter, Symmachus’ letters express the forms and manners of senatorial and upper-class life in the late fourth century… They also show the functioning of rhetoric as a badge of cultural belonging.“ 90 Vgl. B ROWN 1995, 63: „Paideia zeigte sich in der philia, einer sorgsam gepflegten Form der Freundschaft, die darauf abzielte, inmitten der Sorgen des öffentlichen Lebens etwas von dem leichtherzigen Frohsinn einer jeunesse dorée zu bewahren.“ 91 ZELZER /ZELZER 2002, 402.

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darin eine literarische Gattung sahen, belegt das Diktum des Symmachus: „Neben den beschwerlichen Angelegenheiten in meinen Reden bleibt nur eine einzige Art Literatur übrig, die mich zum Schreiben verlocken kann.“92 Nach Thraede war der Freundschaftsbrief „nicht nur ein unscheinbares Pflänzlein der Epistolographie, sondern bedeutete in Theorie und Praxis den Briefstil par excellence.“93 Es ist daher zu untersuchen, wie christliche Autoren durch briefliche Kommunikation Bildung als verbindendes und dadurch soziokulturell identifizierendes Medium in Anspruch nehmen. Zu fragen ist weiterhin, ob und wie dieses Medium in signifikanter Weise modifiziert wird; schließlich ist der Sachverhalt in den Blick zu nehmen, dass christliche Literaten nach dem Vorbild ihrer paganen Zeitgenossen ganze Briefsammlungen zusammentrugen und publizierten, damit aber den einzelnen Brief gezielt allen Interessierten zugänglich machten und so ihre soziale Selbstverortung auch öffentlich bekundeten. 2.2.1. Das Briefgenos und seine Topik „Ein Brief liegt vor, wenn am Anfang steht, wer an wen schreibt“ – so lautet die lakonische Definition Augustins in der Retractatio zu ep. 54 an Ianuarius. 94 Entsprechend finden sich in seiner Briefsammlung – und ebenso bei Hieronymus und Ambrosius – zahlreiche Schreiben, die zwar durch das formale Kriterium als Brief kenntlich sind, dem Duktus und Inhalt nach aber eher Traktate darstellen.95 Auch Laktanz wird eine Sammlung umfangreicher Abhandlungen in Briefform zugeschrieben.96 In der christlichen Literatur der Spätantike herrschen fließende Übergänge zwischen Briefen, theologischen Traktaten und exegetischen Kommentaren, insofern auch diese beiden Gattungen, obwohl von vorneherein an eine breitere Leserschaft gerichtet, meist bestimmten Empfängern gewidmet waren, während oft auch bei Briefen de-

92 Symm. ep. VIII 69 an Valerianus (234,8–10 S.): „Unum quippe hoc litterarum genus superest post amaros casus orationum mearum, quod me ad usum scribendi possit adlicere.“ 93 T HRAEDE 1970, 185. Die für den Freundschaftsbrief der Spätantike repräsentative Brieftheorie – die ex post faktisch anerkannte Regeln summiert – bietet Julius Victor (rhet. 27; 447f. Halm; vgl. ZELZER 1997, 327). Zentrale Prinzipien sind Kürze (brevitas), Abstinenz von fachlichen Diskussionen, für die eigene Genera zur Verfügung stünden, sowie Anpassung von Stil und Sprache an das Niveau des Adressaten (vgl. BRUGGISSER 1993, 19). 94 Retract. II 46 (CSEL 36, 155,3 Knöll): Von zwei Schriften an Ianuarius (CSEL 34/2, 158–168) ist daher nur die erste ein Brief: „habet quippe in capite quis ad quem scribat“; zum Empfänger: MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 86; PLRE II 584 Nr. 2; PCBE I 584f. Nr. 9. 95 Z.B. Augustins Darlegungen über die Trinitätslehre an Consentius (ep. 120; CSEL 34/2, 704–722) oder Hieronymus’ Abhandlung de uirginitate seruanda an Eustochium (ep. 22; CSEL 54, 143–211); zur schwierigen Abgrenzung von epistula und libellus vgl. ZELZER 1997, 322 und CONRING 2001, 100–105. 96 Vgl. Hier. vir. ill. 80 (186 C.-G.); dazu Z ELZER 1997, 335; WLOSOK , HLL 5, 401f.

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ren „Veröffentlichung“ – teilweise in eigens angelegten Briefsammlungen (s.u.) – intendiert war oder doch jedenfalls in Kauf genommen wurde. Dass in Briefen theologische und exegetische Gedanken an breite Adressatenkreise kommuniziert wurden, bedeutet nicht, dass Freundschaftsbriefe im oben skizzierten Sinne bei christlichen Autoren keine Rolle gespielt hätten. Das für die Brieftheorie und -praxis der Antike grundlegende Kriterium der Kürze (brevitas epistularis) begegnet häufig als Gestaltungselement, paradigmatisch bei Sidonius Apollinaris, der den Freundschaftsbrief explizit im Anschluss an Symmachus und den im 4. Jahrhundert „wiederentdeckten“ jüngeren Plinius pflegte.97 Die Form des Freundschaftsbilletts bringt auch Ambrosius in zwei sechs bzw. acht Zeilen langen Briefen musterhaft zur Geltung, in denen jeweils ein gewisser Priscus, der Überbringer von Briefen an Bischof Siricius von Rom und an Atticus, im Mittelpunkt steht. Literarische Briefchen eines christlichen Autors konnten sich demnach gleichermaßen an kirchliche Würdenträger wie an prominente Mitglieder des Senatorenstandes richten.98 Ausonius mahnt Paulinus von Nola, nicht von der Sitte abzuweichen, Grüße zu verschicken und zu empfangen99, und klagt, selbst Gegner entböten einander einen Gruß, „wenn auch mit barbarischen Worten“100; seine eigenen Briefe gehen aber weit über bloßes Grüßen hinaus, sondern werden – wie auch bei Sidonius Apollinaris – von poetischen Passagen geziert. Das Merkmal der brevitas allein reicht insofern nicht aus, um „echte“ Freundschaftsbriefe z.B. von Lehrschreiben in Briefform zu unterscheiden, zumal das Postulat der Kürze oftmals selbst wieder topisch umgangen wird. Hieronymus klagt bisweilen: „Die Kürze des Briefes zwingt zum Schweigen,

97 Sidon. ep. I 1,1 (2 L.): „Quinti Symmachi rotunditatem, Gai Plinii disciplinam maturitatemque uestigiis praesumptuosis insecuturus“; vgl. ZELZER 1997, 323. 348, hier auch zum Einfluss des Sidonius auf die Briefe der folgenden Generation, bes. Ennodius von Pavia, Ruricius von Limoges und Avitus von Vienne, unter denen die Erstgenannten das Ideal des inhaltsarmen Freundschaftsbriefes pflegten, während letzterer die rhetorische Stilistik in den Dienst des bischöflichen Amtes stellt (dazu SCHEIBELREITER 1983, 57f.). Vgl. auch KÜPPERS 2005, 254f.: Sidonius’ Briefe sind „in ihrem literarischen Anspruch ebenso wie in ihrer literarischen und dort vor allem rhetorischen und topischen Ausgestaltung ganz und gar pagan geprägt und in die literarische Tradition der Epistolographie in Rom einzuordnen.“ 98 Ambr. epp. 41(86); 42(88) (CSEL 82/2, 40f.). Siricius (vgl. PCBE II/2 2086) war von 384 bis 399 als Nachfolger des Damasus Bischof von Rom; Atticus amtierte 384 als PPO und 397 als consul (zu ihm s. S. 231); vgl. ZELZER 1993, 154; DIES. 1997, 327f.; CONYBEARE 2000, 23f.; zu den folgenden Belegen vgl. THRAEDE 1970, 126. 154–156. 99 Auson. ep. 22,9f. (224 Gr.): „morem missae acceptaeque salutis audacter retine“. 100 Auson. ep. 21,7f. (222 Gr.): „hostis ab hoste tamen per barbara verba salutem / accipit et ‚salve‘ mediis intervenit armis“; sachlich ist wohl der sportliche Wettkampf gemeint, sprachlich Ovid, ep. 4,6 („inspicit acceptas hostis ab hoste notas“; so DRÄGER, Komm. z.St., 207). Vgl. ep. 21,32 zur brevitas parata sowie ebd. Z. 44: „nemo silens placuit, multi brevitate loquendi“ (223 Gr.).

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die Sehnsucht nach euch drängt zum Reden“101 – womit ein keineswegs kurzer Brief beendet wird. Gegenüber Paulinus von Nola („Du siehst, dass ich, von der Liebe zur Heiligen Schrift hingerissen, das Maß des Briefes schon überschritten habe – und dennoch habe ich nicht erreicht, was ich wollte!“)102 wird nach Thraede der geläufige Topos der „Selbstvergessenheit“ zitiert.103 Allerdings kann Hieronymus auch die fehlende Kürze mit der Schnelligkeit der Entstehung erklären: Den Epitaph für Paula habe er in nur zwei Nächten diktiert, was leider am ungeschliffenen Stil zu merken sei.104 Augustin rechtfertigt die Missachtung der brevitas gegenüber Volusianus (zu diesem Briefwechsel s.u. S. 204f.) mit dem Umfang der Paulusbriefe – „und selbst wenn der Brauch bei Autoren, die zu einer anderen [sc. der heidnischen] Art von Literatur gehören, anders wäre, so wäre uns doch weit eher geboten, in dieser Sache der Autorität unserer eigenen [Autoren] zu folgen.“105 Dies gelte umso mehr, als der Apostel nicht als einziger den von der Schultheorie vorgesehenen Briefumfang gesprengt habe: „Aber ich fürchte, mein Brief überschreitet das Maß, zumal du mich in deinem [Schreiben] ermahnt hast, mich kurz zu fassen. Aber insofern du dich dafür auf die Festlegung der Alten zu beziehen geruhst, dürfte ich dir nicht als inkompetent erscheinen, wenn du es dich nicht verdrießen lässt, dir das Maß einiger Briefe Ciceros, dessen auch du in deinem Schreiben Erwähnung tust, in Erinnerung zu rufen.“106

101 Hier. ep. 7,6,3 (CSEL 54, 31,3f.): „epistulae breuitas conpellit tacere, desiderium uestri cogit loqui“ (dabei ist desiderium = πόθος wiederum ein briefspezifischer Topos, vgl. THRAEDE 1970, 167f.); ep. 82,4,1 an Theophilus (CSEL 55, 111,9): „Epistula cogit me breuius loqui, dolor longius“; vgl. CONRING 2001, 52; vgl. auch ep. 133,11,6 an Ctesiphon (CSEL 56/1, 258,20–22): „feruet animus, non possum uerba cohibere. epistolaris angustia non patitur longi operis magnitudinem“. 102 Hier. ep. 53,9,1 (CSEL 54, 462,5f.): „Cernis me scripturarum amore raptum excessisse modum epistulae et tamen non implesse, quod uolui“; zur epistolaris angustia vgl. auch ep. 53,6,1 (452,4–7). 103 T HRAEDE 1970, 156; vgl. Darius’ Brief an Augustin (ep. 230,4; CSEL 57, 501,22f.). 104 Hier. ep. 108,32 (CSEL 55, 350,6f.): „Inculta oratio uotum scribentis absque ulla elegantia et uerborum lepore testatur“; vgl. HAGENDAHL 1958, 249. 105 Aug. ep. 137,5,19 (CSEL 44, 123,15–124,1): „et si auctorum ad alias litteras pertinentium mos esset alius, nostrorum nobis in hac re dignius imitanda praeberetur auctoritas.“ 106 Aug. ep. 242,5 an Elpidius (CSEL 57, 567,17–22): „uerum iam, ut arbitror, modum excessit epistula mea, cum per tuam me admonueris breuiter scribere. sed quia institutione ueterum te excusare dignatus es, non tibi absurdus uidebor, si modum quarundam epistularum Ciceronis, quia eius quoque in litteris tuis mentionem fecisti, non te pigeat recordari.“ Damasus mahnte gelegentlich, Briefe dürften nicht der Knappheit, die behandelten Themen aber auch nicht einer befriedigenden Erklärung entbehren (Hier. ep. 35,2,1; CSEL 54, 266,7f.): „ut nec proposita solutionem desiderent nec epistulae breuitatem“; dazu CONRING 2001, 57 und 60 Anm. 36, wo aufgrund der exakten Entsprechung von Damasus’ Anfrage und Hieronymus’ Antwort (ep. 36) erwogen wird, dass auch die Fragen von letzterem formuliert worden sein könnten (weiterhin dazu aaO. 199f. Anm. 273). Hieronymus klagt, er müsse schon ganze Bücher abfassen statt eines einzelnen Briefes, um Fragen zu beantworten, zu denen sich schon Tertullian und Novatian in Buchlänge geäußert hätten (ep. 36,1,3f.; 268,15–269,4); die breuitas erhält also hier nicht aus epistolographischen, sondern aus inhaltlichen Erwägungen den Vorzug!

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Die zitierten christlichen Autoren waren aufgrund ihres Bildungshintergrundes mit den Konventionen der spätantiken Epistolographie vertraut und folgten ihnen bewusst – wenn auch in unterschiedlichem Maße, je nach Anlass, Empfänger und Kontext des Schreibens. Unter Augustins Briefen kommt der Austausch mit Nebridius dem Ideal des Freundschaftsbriefes am nähesten, ein Briefwechsel, der noch vor Augustins Priester- und Bischofsweihe, d.h. in die Zeit asketischer Weltabwendung zu datieren ist.107 In einem Schreiben an Bischof Bonifatius von Rom wird an Nebridius erinnert: „Weil er ein äußerst sorgfältiger und hartnäckiger Erforscher von rätselhaften Fragen war, besonders in Glaubensdingen, hasste er es, auf eine große Frage eine knappe Antwort zu bekommen“108 – woraufhin Augustin verkündet, so werde er im vorliegenden Brief nicht vorgehen, denn „du bist wie ich auch ein von vielen Sorgen geplagter Bischof, und darum bleibt dir nicht leicht die Zeit, etwas Ausführliches zu lesen, noch mir, es zu schreiben.“109 Mit Nebridius hingegen habe er „als Müßiggänger mit einem Müßiggänger“ diskutiert.110. Auch sachlich macht sich in Augustins späteren Briefen bemerkbar, in welchem Umfang der Bischof von Hippo in die theologischen und disziplinären Streitigkeiten seiner Zeit eingebunden war.111 Dass die Schriften aus Cassiciacum und besonders die Nebridius-Briefe „gleichsam im Todesröcheln noch die von Hochmut besessene Schule atmen“112, während dieser Einfluss später überhaupt nicht mehr maßgeblich gewesen sei, ist freilich eine Selbststilisierung. Im Gegensatz dazu verrät das Schrifttum des Paulinus von Nola kaum etwas von den erbitterten theologischen Debatten seiner Lebenszeit, die sich mit der Augustins fast aufs Jahr deckt, vielmehr steht hier ganz der Brief als Literatur im Vordergrund. Zwar brach Augustin ähnlich wie Paulinus eine vielversprechende Karriere ab, setzte sie aber im Bischofsamt mutatis mutandis fort, indem er aktiv in das kirchliche Geschehen in Nordafrika eingriff, an Synoden teilnahm und mit seinem Schriftverkehr die Diskussionen inhaltlich zu steuern versuchte. Paulinus hingegen hielt sich mit Positionierungen völlig zurück, nicht nur in der Zeit als nobler Asket in Nola, sondern auch als Bischof seit 409; so konnte er nicht nur mit Augustin, sondern auch mit Pelagius und mit Julian von Eclanum in brieflichem Austausch stehen und Wert107 Vgl. die Proömien in epp. 9,1; 13,1 (CSEL 34/1, 20,3–13; 30,3–13) sowie die ca. 394/95 verfasste ep. 26 an Licentius (CSEL 34/1, 83,14–84,10; MORGENSTERN 1993, 11f.). 108 Aug. ep. 98,8 (CSEL 34/2, 529,13–16): „cum esset rerum obscurarum ad doctrinam pietatis maxime pertinentium diligentissimus et acerrimus inquisitor, ualde oderat de quaestione magna responsionem breuem.“ 109 Aug. ep. 98,8 (530,3f.): „es enim episcopus multis curis occupatus ut ego; unde nec tibi facile uacat prolixum aliquid legere nec mihi scribere.“ 110 Aug. ep. 98,8 (530,6f.): „ab otioso quaerebat otiosus“. 111 Vgl. die Prosopographie seiner Briefpartner bei M ORGENSTERN 1993 (Katalog). 112 Aug. conf. IX 4,7 (CChr.SL 27, 136,5f. Verheijen): „(litteris) adhuc superbiae scholam tamquam in pausatione anhelantibus“; Übers. BERNHART, 433.

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schätzung sowohl durch Hieronymus als auch durch Rufin erfahren, die einander – selbst einmal Freunde – später literarisch heftig bekämpften.113 Das Schreiben von Briefen und damit das Aufrechterhalten der Kommunikation mit Freunden stellt für Paulinus vornehmlich ein „officium caritatis“ dar, das z.B. im Trostbrief an den Senator Pammachius nach dem Tod von dessen Frau Paulina zum Ausdruck kommt.114 Gegenüber dem früheren Anwalt und jetzigen Asketen und Priester Aper und seiner Frau Amanda bringt Paulinus, auch im Namen seiner Gattin Therasia, den Stellenwert brieflicher Kommunikation in ökonomischer Terminologie zum Ausdruck: „Andere mögen Einkommen von ihren Landgütern durch die jährliche Zahlung beziehen; wir, deren Besitz eure Liebe in Christus ist, empfangen unser Einkommen durch eure verbindliche Zuwendung und berechnen es nach der Freundlichkeit eurer Briefe.“115

Wenige Zeilen später spricht er von der „Verbindlichkeit und Beredsamkeit eurer Briefe (officia et eloquia litterarum), die ihr uns reichlich im jährlichen Austausch entrichtet“.116 An anderer Stelle wird dieser Austausch von Briefen (commercia litterarum) mit dem „Tribut eines geschuldeten Dienstes“ (vectigal officii debiti) verglichen.117 Den Freunden Nachrichten zukommen zu lassen ist also nicht fakultativ, sondern verpflichtend, eine notwendige Konsequenz aus der Liebe zu Christus, die sich in der Liebe zu den Freunden konkretisiert.118 Dafür treten andere Elemente der Briefkonvention in den Hintergrund: Gegenüber dem „uir eruditissime“ Dardanus bemerkt Hieronymus, dessen Brief sei am gleichen Tag eingetroffen, als sein eigenes Schreiben abgesandt wurde – „so blieb mir nur übrig, entweder zu schweigen oder in unangemessener literarischer Form zu antworten, wobei das erste ein Grund zur Scham, das zweite eine Sache der Liebe ist.“119 113

Zu dieser irenischen Haltung vgl. MRATSCHEK 2002, 328. Vgl. Paul. Nol. ep. 13,2 (FC 25/1, 302,3–5): „Sed si forte id ipsum culpae magis quam gratiae iudicetur, quod tardius fungar officio caritatis, credas velim ilico, ut agnoverim, scripsisse me.“ Zum Brief als officium vgl. CONYBEARE 2000, 24f. 115 Paul. Nol. ep. 39,1 (FC 25/3, 880,3–6): „Aliis reditus de patrimoniis pensitatione sollemni praebeantur, nobis, quibus possessio caritas vestra in Christo est, reditus ab officiis affectionis vestrae sumitur et in litterarum vestrae humanitate numerantur.“ 116 Paul. Nol. ep. 39,1 (880,20f.): „Officia enim et eloquia litterarum vestrarum, quae nobis largiter annuo commeatu penditis“. 117 Paul. Nol. ep. 28,1 (FC 25/2, 666,12); vgl. ep. 6,2 an Augustin (FC 25/1, 202,15f.): „Sed tu, frater spiritalis omnia iudicans [1 Kor 2,15], amorem in te nostrum ne pendas officio solo aut tempore litterarum“ – die Erfüllung der Pflicht ist vorausgesetzt, aber nicht allein entscheidend! 118 Daher gilt für Paulinus auch das Überbringen der Post als ein caritatis ministerium (ep. 37,1; FC 25/3, 840,11); vgl. ep. 21,5 (FC 25/2, 466,8f.) sowie das Lob für den Briefboten Victor, „quia vincitur caritate, qua vincit vias duras et magnos labores“ (ep. 28,1; FC 25/2, 666,7f.). 119 Hier. ep. 129,8 (CSEL 56/1, 175,7–12): „Haec tibi, uir eruditissime, in duplicis praefecturae honore transacto nunc in Christo honoratior, tumultuaria et breui lucubratione dictaui, ne uiderer omnino reticere. eodem enim tempore, immo eodem die mihi et litterae tuae redditae sunt et meae expeditae, ut aut tacendum fuerit aut incompto eloquio respondendum, quorum alterum pudoris, alterum caritatis est“; dazu 114

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Am Stichwort caritas wird bei Paulinus erkennbar, wie ein Topos der spätantiken Brieftheorie „christianisiert“ wird: Galten für Symmachus die gesellschaftlichen Regeln der Briefkommunikation als „religiones quibus iure amicitia confertur“, d.h. als „Mittel, durch deren präzise und gewissenhafte Ausführung Freundschaft gefördert und vertieft wurde“120, so motiviert für Paulinus die „caritas Christi, quae urget nos“ das Schreiben.121 Die bewusste Anspielung auf 2 Kor 5,14 macht hierbei den Unterschied, nicht schon das Wortfeld caritas, dilectio oder amor an sich, insofern alle diese Begriffe als Äquivalente für amicitia eintreten können: Hieronymus beteuert gegenüber Abigaus, er habe dessen Freundschaft nicht mutwillig verletzt, seine Briefe seien vielmehr durch fremde infidelitas verloren gegangen, „wo ich doch von mir aus großen Wert auf die Freundschaft (necessitudo) guter Menschen lege und mir ihre Zuneigung (caritas) zu sichern suche.“122 Auf Augustins brieflich geäußerte Kritik an seiner Auslegung von Gal 2,11–14 replizierte der offenbar sehr verärgerte Hieronymus, dass sich Streit und Freundschaft ausschlössen: „Doch Schluss mit solchen Querelen! Ungetrübte Brüderlichkeit soll zwischen uns herrschen! Schicken wir uns künftig nicht Briefe mit kritischen Fragen, sondern Freundschaftsbriefe“123 – Briefe, in denen sie nicht ernste Probleme wälzen, sondern „sich auf dem Feld der Schriftauslegung zum Spielen treffen“124 würden, was eine inhaltliche Diskussion nicht ganz ausschließen, jedoch eine anderen Umgang miteinander mit sich bringen sollte. Augustin mahnte jedoch den Freund unter Hinweis auf die ihm überreichlich zugemessenen und in asketischer Muße entwickelten geistigen Gaben, „in wichtigen und schwierigen Fragen nicht den zu unterstützen, der – im Bild gesprochen – auf dem Feld der Bibelauslegung spielt, sondern den, der schwer schnaufend ihre Berge erklimmt“.125 Er sah – im Einklang mit antiken Vorbildern – in freimütiger CONRING 2001, 79. Entsprechend kann Hieronymus im Ausbleiben von Briefen den Abbruch einer Freundschaft erblicken (ep. 9,4; CSEL 54, 34,13–17). 120 M RATSCHEK 2002, 390 zu Symm. ep. VII 129 (213,18–214,1 S.); die für Symmachus maßgeblichen epistolographischen Normen fasst BRUGGISSER 1993, 20–24 unter den Stichworten „la bienveillance; la bienséance; l’agrément; la prudence; la retenue“ zusammen. 121 Paul. Nol. ep. 4,1 an Augustin (FC 25/1, 156,3 = Aug. ep. 25,1; CSEL 34/1, 78,7). 122 Hier. ep. 76,1 (CSEL 55, 35,10–12): „quid enim proderat, ut prouocatus officio tacerem et amicitias tuas meo silentio repellerem, qui ultro soleo bonorum appetere necessitudinem et me eorum ingerere caritati“ (Übers. BKV 18, 64). Zu dieser begrifflichen Unschärfe vgl. THRAEDE 1970, 125– 129.135–146, bes. 127f. zu einer parallelen Unbestimmtheit im Griechischen: Greg. Naz. ep. 67,1 (GCS 53, 60,22f. Gallay) spricht von λόγοι φιλίας, Bas. ep. 154; 164,1; 165 (78,1f.; 97,5f.; 100,8 Courtonne) hingegen vonγράµµαταἀγάπης, ebenso Joh. Chrys. ep. 232,1 (PG 52, 738), für den der Brief auch als δεῖγµαφιλίας gelten kann (ep. 178; PG 52, 713). 123 Hier. ep. 115 = Aug. ep. 81 (FC 41/1, 256,12–15): „Sed facessant istius modi quaerimoniae! Sit inter nos pura germanitas, et deinceps non quaestionum sed caritatis ad nos scripta mittamus!“ 124 Ebd. (FC 41/1, 258,5f.): „In scripturarum si placet campo sine nostro invicem dolore ludamus!“ 125 Aug. ep. 82,1,2 (= Hier. ep. 116; FC 42/2, 262,12–264,4): „Equidem, quantum ad me attinet, serio nos ista quam ludo agere mallem. Quod si hoc verbum tibi propter facilitatem ponere placuit, ego

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und kritischer Auseinandersetzung unter Freunden ein Zeichen der „caritas maior“. Doch war auch er bereit, den wissenschaftlichen Diskurs zu beenden, sollte dieser eine unangemessene Belastung für die Freundschaft darstellen.126 Das Wortfeld „Freundschaft“ kommt also bei christlicher Autoren zunächst ohne Differenz zum klassischen Vorbild zum Einsatz. Bereits Ciceros Definition von Freundschaft beinhaltete ja „die Übereinstimmung in menschlichen und göttlichen Dingen mit Wohlwollen und caritas“.127 Im Schreiben an Marcianus „christianisiert“ Augustin dies jedoch durch eine Abstufung: „Du aber, mein Geliebtester, stimmtest einst mit mir in menschlichen Dingen überein, als ich diese nach der Weise der Menge zu genießen begehrte, und halfst mir durch deine Zuneigung, nach dem zu greifen, was ich bereue; mehr noch, du fülltest die Segel meiner Begierden gemeinsam mit anderen mir damals freundlich Gesinnten, besonders intensiv mit dem Hauch des Lobes. In göttlichen Dingen wiederum, deren Wahrheit mich zu jener Zeit noch nicht erleuchtet hatte, also im besseren Teil jener Definition war unsere Freundschaft schwächlich; es war nämlich eine nur in ‚menschlichen‘, nicht auch in ‚göttlichen‘ Dingen, wenn auch durchaus ‚mit Wohlwollen und Liebe‘.“128

Zwischen rein menschlicher und auf Göttliches bezogener Freundschaft sieht Augustin ein klares Gefälle; wer im Letzteren nicht übereinstimme, könne auch keine menschliche amicitia praktizieren.129 Die freundschaftliche consensio wird mit dem Doppelgebot der Liebe interpretiert: „Wenn du diese beiden [Gebote] mit mir unverbrüchlich hältst, wird unsere Freundschaft wahr und ewig sein und nicht nur uns beide untereinander, sondern auch mit dem Herrn selbst vereinigen.“130 Diese Konversion hat Augustin selbst vollzogen und will nun auch Marcianus, der als „in Christo dilectissime ac desiderantissime fateor maius aliquid expeto a benignitate virium tuarum prudentiaque tam docta, et otiosa annosa studiosa ingeniosa diligentia haec tibi non tantum donante, verum etiam dictante spiritu sancto, ut in magnis et laboriosis quaestionibus non tamquam ludentem in campo scripturarum, sed in montibus anhelantem adiuves“; vgl. HAGENDAHL 1958, 223. 126 Aug. ep. 82,5,36 (334,2–9): „Tamen placeat nobis invicem non tantum caritas verum etiam libertas amicitiae, ne apud me taceas vel ego apud te quod in nostris litteris vicissim nos movet, eo scilicet animo qui oculis dei in fraterna dilectione non displicet. Quodsi inter nos fieri posse sine ipsius dilectionis perniciosa offensione non putas, non fiat. Illa enim caritas quam tecum habere vellem profecto maior est, sed melius haec minor quam nulla est.“ Zum Begriff der „caritas maior“ vgl. FÜRST, FC 41/1, 77. 127 Lael. 6,20: „Amicitia est rerum humanarum et diuinarum cum beniuolentia et caritate consensio.“ 128 Aug. ep. 258,1 (CSEL 57, 605,11–606,8): „tu autem, mi carissime, aliquando mihi consentiebas in rebus humanis, cum eis more uulgi frui cuperem, et mihi ad ea capessanda, quorum me paenitet, fauendo uelificabas, immo uero uela cupiditatum mearum cum ceteris tunc dilectoribus meis inter praecipuos aura laudis inflabas. porro in rebus diuinis, quarum mihi illo tempore nulla eluxerat ueritas, utique in maiore illius definitionis parte nostra amicitia claudicabat; erat enim rerum tantum modo ‚humanarum‘ non etiam ‚diuinarum‘ quamuis ‚cum beniuolentia et caritate consensio‘.“ Zu Marcianus, Augustins „antiquissimus amicus“, vgl. MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 98;. 129 Vgl. Aug. ep. 258,2 (607,5–10); Paul. Nol. ep. 11,3 (FC 25/1, 248,2–6). 130 Aug. ep. 258,4 (609,2–4): „haec duo si mecum firmissime teneas, amicitia nostra uera ac sempiterna erit et non solum inuicem nos sed etiam ipsi domino sociabit.“

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frater“ angesprochen wird, dazu bewegen – mit einem Terenz-Zitat: „Nun, da dieser Tag ein anderes Leben mit sich bringt, erfordert er andere Sitten!“131 Die spirituelle Dimension macht also einen Brief erst „christlich“ und begründet die Unterscheidung von zweierlei Arten von Freundschaft an Stelle der bei Cicero zwei Erfahrungsbereiche vereinenden Freundschaft.132 Die amicitia wird also von einem neuen Fluchtpunkt her rekonstruiert, ohne dabei aber den Bezug zum pagenen Freundschaftskonzept aufzugeben. Paulinus von Nola stellt zwar den Unterschied heraus: „Nicht menschliche Freundschaft, sondern die Gnade Gottes hat uns einander bekannt gemacht, und wir sind von innen her verbunden durch die Liebe Christi“ (Phil 1,8)133, und er bekennt gegenüber Sanctus, diesen lange nur „mit jener Freundschaft menschlicher Vertrautheit“ geliebt zu haben, „die nicht auf einem Felsen gegründet und nicht durch Christus erbaut ist.“134 Doch gegenüber Sulpicius Severus betont er, „daß die ganz enge Freundschaft, die wir auch im früheren Leben pflegten, gezeigt hat, daß wir in der Liebe Christi füreinander vorherbestimmt sind.“135 Die amicitia erscheint als Abbild der Liebe Christi, der Briefverkehr als (unvollkommene) Antizipation der von Gott her begründeten Gemeinschaft untereinander und mit Christus. Dies zeigt auch ein Brief des römischen Bischofs Innocenz I., der der geistlichen Verbindung von Personen eine ekklesiale Konnotation hinzufügt:

131 Aug. ep. 258,5 (609,10): „Nunc hic dies aliam uitam adfert, alios mores postulat“ (Terenz, Andria 189). 132 So kann Augustin in einem Brief an Macedonius diesen Begriff durch seine Zuordnung zur ueritas dergestalt variieren, „dass niemand in Wahrheit der Freund eines Menschen sein kann, wenn er nicht schon zuvor ein Freund der Wahrheit selbst ist“ (ep. 155,1 a. 414; CSEL 44, 431,3–5: „nemo enim potest ueraciter amicus esse hominis, nisi fuerit ipsius primitus ueritatis“); wenig später wird anhand von Ciceros Tusculanae disputationes gezeigt, dass den Philosophen eben das richtige Verständnis der beata uita fehle, das sich nur von Gott her, nicht aus eigenem Reflexionsvermögen ergebe (ep. 155,3; 432,13–434,8); dazu CONYBEARE 2000, 63. 133 Paul. Nol. ep. 51,3 an Eucherius und Galla (FC 25/3, 1080,3f.): „Non enim humana amicitia sed divina gratia invicem nobis innotuimus et conexi sumus per viscera caritatis Christi.“ 134 Ep. 40,2 an Sanctus und Amandus (FC 25/3, 895,3–7): „et dilexi iugiter, quamquam non ista dilectione quae Christi est, sed illa familiaritatis humanae amicitia, quae blandimenta in labiis habet et radicem in cordibus non habet, quia non est fundata super petram quae non aedificatur in Christo.“ 135 Paul. Nol. ep. 11,5 (FC 25/1, 250,20–22): „quod praedestinatos nos invicem nobis in caritate Christi iunctissima prioris quoque vitae amicitia signavit“. Eine vergleichbare „Christianisierung der Freundschaftstopik“ liegt nach CONRING 2001, 243 auch bei Hieronymus vor, insofern hier „Christus oder Gott das Subjekt der Entstehung der Freundschaft sind oder das Christsein als zentrale Mitte der Freundschaft qualifiziert wird“, so in ep. 5,1 an Florentinus (CSEL 54, 21,6–10): „nunc igitur, quomodo ualeo, pro me tibi litteras repraesento. etsi corpore absens, amore et spiritu uenio inpendio exposcens, ne nascentes amicitias, quae Christi glutino cohaeserunt, aut temporis aut locorum magnitudo diuellat“); ep. 53,1,1 an Paulinus (CSEL 54, 442,5–443,4): „uera enim illa necessitudo est, Christi glutino copulata, quam non utilitas rei familiaris, non praesentia corporum tantum, non subdola et palpans adulatio, sed timor domini et diuinarum scripturarum studia conciliant.“

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„Die Verbindlichkeit unserer Liebe wird durch keine Abwesenheit beeinträchtigt, auch wenn dieses Schreiben keine äußeren Zierden trägt. Denn die geistliche Gnade lebt gegenseitig in unseren Herzen, und die priesterliche Gemeinschaft (sacerdotalis societas) umfasst unsere Liebe.“136

Thraede weist darauf hin, „daß die Kirche als solche sozusagen automatisch φιλία-Beziehungen im Sinne des überkommenen Freundschaftsbriefes bereitstellte und für gebildete Christen, insbesondere Amtsträger, die Möglichkeit brieflicher Kontakte zumindest beträchtlich erweiterte… Die ‚christliche‘ Überhöhung der φιλία, die der patristische Brief vornahm, spiegelt also ganz einfach ein gesellschaftliches Faktum.“137 Das führt bei Hieronymus soweit, dass er gegenüber Furia jedes persönliche Motiv ausschließt, dass ihn zum Abfassen seines Briefes über den Witwenstand hätte verleiten können: „Von den Briefen abgesehen kennen wir einander nicht, und [die Korrespondenz] geschieht allein aus Gründen der pietas, wo keine Bekanntschaft dem Fleische nach ist.“138 Dass die christliche Neuinterpretation traditioneller Werte wie pietas oder caritas der amicitia eine neue Füllung verleiht, gilt auch in einer weiteren briefspezifischen Hinsicht: Nach Paulinus von Nola ist es die Liebe Christi, „die sogar ferne Menschen durch die Einheit des Glaubens miteinander verbindet und selbst die Scheu vertrieben und mir Mut gemacht hat, dir [sc. Augustin] zu schreiben, und dich durch deine Schriften in mein Innerstes eingeprägt hat“.139 Weil Christen Glieder eines Leibes sind (1 Kor 12,12) und Christus ihr gemeinsames Haupt ist (Eph 4,15), ist nichts Außergewöhnliches daran, „wenn wir trotz unserer räumlichen Trennung beieinander sind und wir uns trotz unserer Fremdheit kennen.“140 Weder Augustin noch Hieronymus lernte Paulinus jemals persönlich kennen – und Sidonius Apollinaris mokierte sich sogar über die Vorstellung, dass für jemanden die persönliche Bekanntschaft

136 Innoc. ep. 14,1 (PL 20, 517A): „Charitatis nostrae officium nullo intervallo dirimitur, etiamsi charta nullos apices ferat. Vivit enim spiritalis gratia alternis in cordibus et amorem nostrum confovet sacerdotalis ipsa societas.“ Vgl. auch Paul. Nol. ep. 13,3 an Pammachius (FC 25/1, 304,19–24). 137 T HRAEDE 1970, 142f. 138 Hier. ep. 54,3,1 (468,3f.): „exceptis epistulis ignoramus alterutrum, solaque causa pietatis est, ubi carnis nulla notitia est“; dazu CONRING 2001, 245. 139 Paul. Nol. ep. 4,1 (FC 25/1, 156,3–6): „Caritas Christi, quae urget nos et absentes licet per unitatem fidei adligat, ipsa fiduciam ad te scribendi pudore depulso praestitit teque per litteras tuas visceribus meis intimavit.“ 140 Paul. Nol. ep. 6,2 (FC 25/1, 204,3f.): „Nec mirum, si et absentes adsumus nobis et ignoti nosmet novimus…“. Vgl. CONYBEARE 2000, 55: „For Paulinus, the letters are an outward and visible sign of the invisible connection in Christ between those who write and those who receive and read them. The letter as ‚historical event‘ becomes a sign of spiritual dedication“; der Gedanke des Leibes Christi wird aaO. 62. 75 weiter verfolgt.

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mit den „bäurischen“ Nachbarn wichtiger sein könnte als der briefliche Kontakt zu gebildeten, an beliebigen Orten lebenden Zeitgenossen.141 Damit ist ein grundlegender Topos der antiken Briefliteratur angesprochen: der Brief als „Vergegenwärtigung der Person“142. Kennzeichnend für die literarische Gattung des Briefes ist naturgemäß die Distanz zwischen Sender und Empfänger, die eben die schriftliche Form zu ihrer Überbrückung erfordert. Durch diese werden zwar auch Informationen ausgetauscht, vor allem aber wird die Präsenz des Abwesenden hergestellt. So definiert Hieronymus gegenüber Marcella als Aufgabe des Briefes, „über vertraute Dinge oder alltägliche Angelegenheiten etwas zu schreiben und auf diese Weise die Abwesenden bei sich anwesend sein zu lassen“.143 In einem Schreiben an Nikeas in Aquileia (ca. 375/76) beruft er sich auf eine Sentenz des Komödiendichters Turpilius († 104 v.Chr.) – die als „heidnische“ nicht eigentlich wahr, aber auch nicht ganz falsch sei –, wonach der Brief „das einzige Mittel“ sei, „Abwesende zu Anwesenden zu machen“: „Und in der Tat, wenn man mit denjenigen, die man liebt, in seinen Briefen spricht, oder wenn man sie aus ihren Briefen hört, werden sie einem da nicht, obwohl sie fern weilen, gegenwärtig?“144

Prägnant bezeichnet Ambrosius den Brief als „sermo absentium“145, nicht zufällig am Beginn seiner zur Veröffentlichung bestimmten Briefsammlung, wo programmatische Äußerungen fallen. Nach einem Schreiben an Flavius Pisidius Romulus „entsteht für uns [durch den Brief] ein Gespräch mit den Abwesenden…, so dass unter den körperlich Getrennten ein gewisses Bild der Gegenwart entsteht – denn durch diese Bindungen wächst die Liebe, indem sie durch deine Briefe an mich und meine an dich vermehrt wird.“146 Dieses 141 Sidon. ep. VII 14,1 an Philagrius (III 69 L.): „… dici non aequanimiter admitterem uirum omnium litterarum uicinantibus rusticis quam institutis fieri remotioribus notiorem.“ 142 Vgl. zum Folgenden T HRAEDE 1970, 146–157. 143 Ep. 29,1,1 (CSEL 54, 232,6–8): „Epistolare officium est de re familiari aut de cotidiana conuersatione aliquid scribere et quodamodo absentes inter se praesentes fieri“; CONRING 2001, 64–69. 144 Hier. ep. 8,1 (CSEL 54, 31,8–12): „Turpilius comicus tractans de uicissitudine litterarum: ‚sola‘, inquit, ‚res est, quae homines absentes praesentes faciat.‘ nec falsam dedit, quamquam in re non uera, sententiam. quid enim est, ut ita dicam, tam praesens inter absentes, quam per epistulas et adloqui et audire quos diligas?“ (Übers. BKV 16, 24); vgl. Turpilius, inc. fab. frg. 1 (II 111 Ribbeck). Hieronymus fügt an (31,12–32,6), selbst die „Wilden“ (rudes) in den Vorzeiten Italiens, die casci (Enn. ann. frg. 24 Vahlen; vgl. Cic. Tusc. I 12,27; inv. I 2), hätten sich bereits Nachrichten auf Holztäfelchen oder Baumrinde zugesandt (so Plin. nat. XIII 11,69 nach Varro). 145 Ambr. ep. 1(7) an Iustus (CSEL 82/1, 3,4); THRAEDE 1970, 182f.; ZELZER 1995, 544. 146 Ambr. ep. 48(66),1 (CSEL 82/2, 48,3–49,9): „Epistularum genus propterea repertum, ut quidam nobis cum absentibus sermo sit, in dubium non venit. Sed fit hoc usu exemploque pulchrius, si inter parentem et filios crebra et iucunda alloquia caedantur, ut vere inter disiunctos corpore quaedam imago referatur praesentiae; his enim adolescit officiis amor, sicut tuis ad me aut meis ad te augetur litteris.“ Zum Adressaten vgl. CSEL 82/2, XXVIIIf.: Romulus war wohl Ambrosius’ Amtsnachfolger als consularis Aemiliae et Liguriae 385 und amtierte später als comes sacrarum largitionum 392, PPO

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„Gespräch unter Abwesenden“, das Ambrosius mit einer Anspielung auf Terenz in Analogie zum „häufigen und angenehmen Gespräch zwischen Eltern und Kindern“147 verstanden wissen will, ist nicht mit dem Topos des „Sehens“ des Briefpartners mit den „Augen des Geistes“ zu verwechseln, sondern hat sein eigenes Gepräge: „Obwohl du weg bist, spreche ich mit dir“, beteuert Symmachus148, und Augustin klagt gegenüber Paulinus von Nola: „Solches wünsche ich mit euch, wenn ihr es gestattet, im Brief zu besprechen, was wir besprechen könnten, wenn wir sinnenhaft beisammen wären.“149 Der Brief vermag ein Selbst- in ein (schriftliches) Zwiegespräch zu verwandeln: „Du weißt all dies schon, aber da du nun mein anderes Ich bist, was würde ich lieber mit dir bereden, als was ich mit mir selbst bespreche?“150

Auch Hieronymus erklärt dem Presbyter Vitalis, eigentlich schreibe er nicht, sondern rede vielmehr in dessen Gegenwart.151 „Um uns durch geistige Unterhaltung über körperliche Abwesenheit hinweg zu trösten, tue ein jeder, was er am besten kann“, bemerkt er zu Marcella – er pflege auf ihre Geschenke eben mit Dankesbriefen zu antworten.152 Die leibhafte Distanz erweist damit Gall. 400 und praefectus urbis Romae 405; vgl. PLRE I 771f. Nr. 5. Zum „Gespräch mit einem Abwesenden“ vgl. auch ep. 33(49),1 (CSEL 82/1, 229,3–11) an Bischof Sabinus: „Quoniam tibi quoque conplacuit nostrarum usus epistularum, in quibus quidam inter absentes praesentium sermo est, pergam frequentius te in meis scriptis, et cum solus sum, adloqui. Numquam enim minus solus sum, quam cum solus esse videor, nec minus otiosus, quam cum otiosus. Certe pro arbitrio accersio, quos volo, atque adiungo mihi, quos magis diligo aut quos aptiores arbitror; nemo interpellat, nemo interpolat. Tunc ergo te magis teneo et de scripturis confero et prolixiorem simul sermonem caedimus“; zur imago praesentiae vgl. Ambr. ep. 37(47),4 (CSEL 82/2, 21,25–30) und Hier. ep. 3,1,1 an Rufin (CSEL 54, 13,1–5). 147 Ambr. ep. 48(66),1 (49,5f.): „si inter parentem et filios crebra et iucunda alloquia caedantur“; vgl. Ambr. ep. 23(36),1 (CSEL 82/1, 167,4); Ter. Heaut. 242 („sermones caedere“), was nach Prisc. gramm. XVIII 232 (GrLat III, 323,8–11) für κόπτειντὰῥήµατα steht. Nach THRAEDE 1970, 184 galt „die alte Komödie… als Vorbild für den Stil des gebildeten Briefes, als Muster und Analogie für das ἦθος des kultivierten Gesprächstones“ (Julius Victor, rhet. 27; 448,21f. H.); vgl. Symm. epp. VII 9; IX 84; IX 114,1 (179,5; 259,13–15; 266,18–23 S.); Greg. Naz. ep. 4,13 (6,7–9 G.): Ταῦταµακρότεραµὲνἴσωςἢκατ᾿ἐπιστολήν,ἐλάττωδὲκωµῳδίας. Σὺδὲεἰµὲνοἴσειςµετρίωςτὴνπαιδιάν,ὀρθῶςποιήσεις·εἰδὲµὴ,καὶπλείωπροσθήσωµεν. 148 Symm. ep. VII 21 (183,4f. S.): „dum aberis, tecum loquor.“ 149 Aug. ep. 80,2 (CSEL 34/2, 347,18–20): „Conloqui autem uobiscum talia cupio, si dignemini, litteris, qualia conloqui possemus, si coram uestris sensibus adessemus“; ebd. (347,21): „tamquam si praesens praesenti inter dulces loquelas obderem“; ep. 149,23 (CSEL 44, 369,2f.); dazu CONYBEARE 2000, 134f. Vgl. auch Innoc. ep. 20 (PL 20, 543B): „Dabit enim, ut confido, Dominus totius nos praeteriti temporis dispendia amantissimo litterarum colloquio repensare.“ 150 Aug. ep. 38,1 an Profuturus a. 397 (CSEL 34/2, 65,4–6): „nosti haec omnia; sed quia mihi es alter ego, quid libentius tecum loquerer, nisi quod mecum loquor?“ 151 Hier. ep. 72,5,1 (CSEL 55, 12,9f.): „ut non tam scribere quam loqui tibi coram uideamur“; vgl. ep. 71,7,2 (CSEL 55, 7,17–20): „quaeso, ut, quos caritas iungit, terrarum longitudo non separet et absentem Lucinum nostrum semper praesentem litterarum uicissitudine sentiamus.“ 152 Hier. ep. 44,1 (CSEL 54, 322,3): „Ut absentiam corporum spiritus confabulatione solemur, faciat unusquisque, quod praeualet, uos dona transmittitis, nos epistulas remittimus gratiarum.“

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den Trost als weitere wichtige Sinnbestimmung des Briefes. Daher beschwört Hieronymus den Spanier Abigaus, dessen Briefe bislang aufgrund von Zustellungsproblemen ohne Antwort geblieben waren (s.o. S. 192), ihm nur nicht die Brieffreundschaft aufzukündigen: „Schreibe also nur furchtlos drauflos, und das [auf solche Weise] wiederholte Gespräch möge die Trennung der Körper überwinden!“153 Sogar ein zorniges Schreiben sei ihm lieber als gar keines, beteuert er gegenüber Nikeas von Aquileia: „Wenn du mich liebst, dann schreibe mir! Bist du wütend auf mich, dann sei eben erbost, doch schreibe! Es wird mir auf jeden Fall ein großer Trost meiner Sehnsucht sein, einen Brief von einem Freund zu erhalten – und sei es von einem verärgerten.“154

Andererseits wird immer wieder betont, dass ein Brief das Gespräch nicht ganz ersetzen könne: „Es freut mich, wenigstens durch diesen Brief mit dir reden zu können, wenn ich es schon mit einem Anwesenden nicht kann“, schreibt Augustin an Anastasius.155 Bedauernd muss er einmal gegenüber seiner Gemeinde in Hippo „den Brief an Stelle meiner Stimme“ treten lassen, weil er eine wichtige Angelegenheit im Gottesdienst anzusprechen versäumt hatte.156 Nur selten findet sich aber der Gedanke einer konkreten „Anwesenheit“ des Empfängers beim Schreiber und vice versa: So rechtfertigt Augustin gegenüber Valerius die Überlänge seines Briefes damit, „dass du durch das Lesen länger bei uns sein wirst“.157 Dann aber wird der Adressat getröstet: „Ich habe aber auch erfahren, dass du unter deinen vielen und schwerwiegenden Sorgen leicht und unbeschwert liest und durch unsere Schriftchen, auch durch die, welche, obgleich wir sie an andere gerichtet hatten, in deine Hände zu gelangen vermochten, höchst erfreut wirst; richte deinen Sinn also umso aufmerksamer auf das, was ich dir persönlich schreibe, worin ich gleichsam mit einem Anwesenden spreche, und empfange es umso dankbarer!“158

153 Hier ep. 76,1,3 (CSEL 55, 35,15f.): „Scribe igitur audacter et absentiam corporum crebro uince sermone.“ Vgl. THRAEDE 1970, 164 Anm. 306. 154 Hier. ep. 8,3 (CSEL 54, 33,2–4): „si amas, rescribe; si irasceris, iratus licet scribe. magnum et hoc desiderii habebo solamen, si amici litteras uel indignantis accipiam.“ Zum solamen desiderii vgl. Symm. ep. V 71 an Olybrius und Probinus (145,7–12 S.) sowie Paul. Nol. ep. 27,1 an Sulpicius Severus (FC 25/2, 658,6) über die weise Providenz Gottes, die sich in der jüngsten Ankunft von Briefboten zeige: „solaciis satiat desiderium nostrum“; dazu THRAEDE 1970, 169. 155 Aug. ep. 145,8 (CSEL 44, 272,20f.): „Delectauit me ista saltem per litteras loqui tecum, quae cum praesente non potui…“. 156 Aug. ep. 268,2 (CSEL 57, 653,7): „has litteras pro lingua mea praesente“; zu dem hier anklingenden Topos vgl. auch Hier. ep. 5,1 (CSEL 54, 21,7): „pro me tibi litteras repraesento“; Greg. Naz. ep. 125,4 (92,18f. G.): ἀντ᾿ἐµοῦποιοῦµαιτὰγράµµατα; Paul. Nol. ep. 20,2 (FC 25/2, 446,17f.): „officium sermonis nostri, quod vicem praesentiae reddideramus“. 157 Aug. ep. 200,3 (CSEL 57, 295,4–6): „Scio me non esse oneri tibi, si aliquid prolixum mitto, quod legendo diutius sis nobiscum.“ 158 Ebd. (295,6–11): „nam et hoc comperi, quod inter tuas multas magnasque curas facile ac libenter legas nostrisque opusculis, etiam quae ad alios conscripsimus, si qua in manus tuas uenire potuerunt, admo-

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Paulinus von Nola bekundet sogar gegenüber Sulpicius Severus, dieser sei durch seinen Brief in gewisser Weise auch körperlich anwesend – in Gestalt des Überbringers.159 Der Gedanke einer fundamentalen geistigen Verbundenheit macht die Freundschaft von körperlicher Präsenz jedoch unabhängig, wie Paulinus im Anschluss an Röm 8,38f. betont: „Wenn weder Tod noch Leben, noch eine andere Kreatur [uns von Christus trennen kann], um wieviel weniger körperliche Abwesenheit, die die geistige Anwesenheit nicht lösen kann? Denn in dem Maße, in dem der Geist stärker ist als das Fleisch, ist die Verbundenheit der Seelen wichtiger als die der Körper und ist die Gegenwart des inneren Menschen besser als die der getrennten äußeren.“160

Entsprechend kann Augustin Fabiola fragen, in welchem Sinne man eigentlich von absentes zu sprechen habe: „weil wir unsere Leiber nicht wahrnehmen oder weil wir keine Zeichen der Herzen geben und empfangen, was miteinander zu reden bedeutet?“161 Bei Paulinus ist in einem Schreiben an Sulpicius Severus eine Christianisierung des klassischen Topos zu erkennen, insofern der Briefpartner durch ein unerwartet früh eingetroffenes Schreiben nicht nur die Präsenz seiner Person, sondern auch eine effigies fidei evoziert: „Es hätte uns nämlich genügt, in jährlichem Austausch deinen Brief zu verdienen und die von dir Gesandten zu sehen, in denen wir nicht nur einen Ersatz für deine Gegenwart, sondern auch das Abbild deines Glaubens hätten.“162

dum delectaris; quanto magis, quod ad te scribitur, ubi tamquam praesenti loquar, et aduertere dignaris attentius et accipere gratius!“ Weitere Belege nach THRAEDE 1970, 148 für den Topos tamquam praesens: Ambr. ep. 23(36),1 an Orontianus (CSEL 82/1, 167,2f.): „Concatenantur sibi epistulae nostrae, ut tamquam inter praesentes videamur sermonem caedere“; Paul. Nol. ep. 5,20 (FC 25/1, 198,23–25): „In dictando enim dum te cogito et totus in te sum, quasi apud praesentem longo intervallo loquar, obliviscor inpositum finire sermonem“; ep. 13,2 (304,2–6); ep. 20,1 (FC 25/2, 442,13–20); Coelest. ep. 11,1 (PL 50, 462A): ὥσπερ παροῦσαν ἐν τοῖς ἰδίοις γράµµασι; ep. 16,3 (PL 50, 502AB): „Conventuri autem nos deesse non dicimus: neque enim ab his absentes esse possumus, quibus nos ubicumque positis fides tamen una coniungit… spiritaliter agimus, quod corporaliter agere non videmur.“ 159 Paul. Nol. ep. 5,1 (FC 25/1, 168,6–8): „quamquam ne corporaliter quidem penitus afueris, quando in pueris tuis sancta in domino tibi servitute conexis corporis ad nos tui membra venerunt“. 160 Paul. Nol. ep. 20,1 (FC 25/2, 444,2–7): „Si neque mors neque vita neque alia creatura, quanto minus absentia corporalis, quae non potest praesentiam spiritalem solvere? Quia quanto fortior carne est spiritus, tanto potior est coniunctio animorum quam corporum et interiorum hominum praesentia melior exterioribus separatis“; vgl. ep. 33,1 an Alethius (FC 25/3, 804,16f.): „cum faciem interioris tui castissimo speculatus eloquio“; ep. 44,2 an Aper und Amanda (FC 25/3, 960,6–8): „Expresserunt enim mihi faciem cordis tui litterae tuae, illae litterae spei bonae, litterae fidei non fictae, litterae purae caritatis“ (vgl. 1 Kor 13,13). 161 Aug. ep. 267 an Fabiola (CSEL 57, 651,12–14): „sed etiam nunc diligentius intuere, unde magis dicamur absentes, utrum quia nostra inuicem corpora non uidemus, an quia signa non damus et recipimus animorum, quod est conloqui.“ 162 Paul. Nol. ep. 23,2 (FC 25/2, 480,19–22): „Sat enim nobis erat annuis commeatibus emereri litteras tuas et a te missos videre, in quibus non solum vicem praesentiae tuae sed et fidei teneremus effigiem.“ Dass fides hier in christlichem Sinne als „Glauben“ zu verstehen ist, ergibt sich (mit

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Hier wird die allgemeine Aussage, dass „das Wort eines Mannes der Spiegel seines Herzens“ sei163, christlich konkretisiert: Sulpicius erweist sich nicht nur als verlässlicher Briefpartner, sondern auch – was mehr ist – als orthodoxer Christ. Zur Begründung dieser Erkenntnisweise dient die – bereits im antiken Brief zu findende – metaphorische Rede vom „Sehen im Herzen“ (animo videre) oder, in Paulinus’ Worten, „Sehen durch Liebe“ (videre diligendo)164. Paulinus erwähnt wiederholt die „Augen des Geistes“ (oculi mentis)165 und kann auf der Basis dieses Topos auch vom Sehen durch den homo interior sprechen.166 Nach Thraede wird dagegen nur gelegentlich von „oculi cordis“ in expliziter Anlehnung an die ὀφθαλµοὶκαρδίας von Eph 1,18 gesprochen.167 Eine scharfe Alternative zwischem klassischem und christlichem Brief lässt sich anhand dieses Motivinventars nicht erkennen und legt sich aufgrund der Affinität der zentralen Begriffe amicitia und caritas auch gar nicht nahe; ähnlich war dies bereits bei der Behandlung der Grabinschriften zu beobachten, wo caritas nicht nur Kennzeichen christlicher Mildtätigkeit war, sondern auch die Brücke zum antiken Euergetismus schlug. Christliche und nichtchristliche Autoren rezipierten das klassische Briefformular und sorgten gemeinsam für die Renaissance der Briefliteratur im 4. und 5. Jahrhundert. Wo der christliche Brief in einem spezifischen Sinne über das Vorbild hinausging, ist dies „als entfaltender Stilvorgang wie als inhaltliche Erweiterung von Schultradition“ zu verstehen.168 So substituiert Paulinus von Nola den dürstenden Tantalus als Personifikation der Sehnsucht durch Prv 25,25 („Wie kühles Wasser für eine durstige Seele, so ist ein guter Bote aus einem entfernten Land“), ohne dadurch eine „religiös bedingte Antithese“ aufzurichten.169 Dieser Prozess ist THRAEDE 1970, 159) aus dem vorausgehenden Lob des Adressaten: „agnoscimus bonitate grandem, malitia parvulum, sapientia senem, fide fortem et in spiritu piae humilitatis pauperem, caritate divitem“ (480,13–15). Ausgerechnet fide fortem lässt Skeb in der deutschen Übersetzung aus und klassifiziert fidei effigies so unzutreffend als Topos des „Abbildes der Person“ (ebd. Anm. 3). 163 Paul. Nol. ep. 13,2 (FC 25/1, 304,7): „Sermo enim uiri mentis est speculum.“ 164 Symm. ep. I 20,3 (13,8 S.); Paul. Nol. ep. 4,5 (FC 25/1, 164,14). 165 Paul. Nol. ep. 20,1 (FC 25/2, 442,19); ebenso ep. 23,21f. (FC 25/2, 526,14–16); ep. 45,1 (FC 25/3, 978,8); dies scheint allerdings (gegen THRAEDE 1970, 151 Anm. 264) nicht briefspezifisch zu sein. 166 Paul. Nol. 6,2 (FC 25/1, 204,2f.): „teque vicissim in spiritu per interiorem hominem quasi recognoscimus“; dass der Brief den ἔσω ἄνθρωπος vermittle, betont Bas. ep. 197,1 (II 150,11f. C.), der dem Gedanken eine „tiefergreifende Christianisierung“ (THRAEDE 1970, 152) verleiht, insofern die κοινωνίαγράµµατος der Briefpartner darin begründet sei, dass Gottes Auge auf sie beide herabsehe (ep. 150,2 an Amphilochios a. 373; II 73,10–13 C.): τὰ µὲν γὰρ σώµατα ἡµῶν τόποις διασταθήσεται, ὁ δὲ τοῦ θεοῦ ὀφθαλµὸς κοινῇ ἀµφοτέρους ἐφορᾷ δηλονότι,εἴπεροὖνἄξιοςκαὶὁἐµὸςβίοςὑπὸτῶνὀφθαλµῶντοῦθεοῦἐποπτεύεσθαι. 167 So z.B. Consentius bei Aug. ep. 119,6 (CSEL 34/2, 704,12); vgl. THRAEDE 1970, 151. 168 T HRAEDE 1970, 158. 169 T HRAEDE 1970, 173; vgl. Prv 25,25: „aqua frigida animae sitienti et nuntius bonus de terra longinqua“; vgl. Paul. Nol. epp. 2,1; 11,1; 19,1; 37,1 (138,4f.; 244,6f.; 432,1; 840,2f.).

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im Folgenden anhand der Inanspruchnahme von paganen Bildungsgütern und -mustern in christlichen Briefen genauer zu beleuchten. 2.2.2. Bildung als Thema brieflicher Kommunikation Das oben erwähnte Schreiben Augustins an Marcianus zeigt, wie der Bischof bewusst an seine mit dem Adressaten geteilten Bildungsvoraussetzungen anknüpft, um damit einen gemeinsamen Wurzelgrund zu signalisieren. Darin ist eine bewusste Strategie zu sehen: Augustin setzt in Briefen an christliche und „heidnische“ Gebildete die im Grammatik- und Rhetorikunterricht erlernten Regeln der Kommunikation voraus, durchbricht sie gelegentlich aber auch.170 Dabei herrscht ein mitunter provokanter, ja sogar schroffer Tonfall, so im Briefwechsel mit dem grammaticus Maximus aus Madaura, der um 390 Augustin auf dessen noch nicht lange zurückliegende Tätigkeit als Rhetor zu behaften versuchte und ihn als „hochgeschätzten Mann, der du meinen Beruf verlassen hast“ anredete.171 Secta bezeichnet hier nicht ein religiöses „Bekenntnis“172 oder die Zugehörigkeit zu einer philosophischen Schule, sondern die Berufswahl173, die sowohl eine bestimmte Art der Kommunikation als auch spezifische Inhalte, auf die Bezug genommen werden konnte, einschloss. Indem Maximus Augustin bat, seine allseits gerühmte Beredsamkeit und seine dialektische Schulung für den Moment hintanzustellen und in schlichter Diktion zu erläutern, wer denn der Gott sei, den die Christen im Verborgenen anbeteten, und ihn zu den öffentlich verehrten Göttern in Beziehung zu setzen174, signalisierte er dem angesprochenen uir sapientissimus, dass all dies beide gerade verbinde, so dass man für diesmal bewusst darauf verzichten könne. Mit einem Vergilzitat – dabei wird Augustin als ehemaliger

170 So die treffende Analyse von T ORNAU 2006, 35; zu „Augustins pastorale[m] Umgang mit Gebildeten“ vgl. aaO. 35–73. 171 Aug. epp. 16/17 (ca. 390; CSEL 34/1, 37–44); dazu T ORNAU 2006, 36–41; zu Maximus vgl. PLRE I 585 Nr. 28; PCBE I 733f.; KASTER 1988, 331 Nr. 96; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 103. Dass er Augustins Lehrer in Madaura gewesen sei, ist eine reizvolle Vermutung (vgl. VÖSSING 1997, 570 Anm. 1928), die ein Lehrer-Schüler-Verhältnis darstellen würde wie bei Ausonius und Paulinus (so TORNAU 2006, 37 Anm. 81) – die Wendung des Maximus: „uir eximie, qui a mea secta deuiasti“ (ep. 16,4; 39,9), ist aber mit VÖSSING als Anrede eines Berufskollegen aufzufassen (so dann auch TORNAU 2006, 40f.). 172 Gegen die in dieser Hinsicht irreführende Übersetzung H OFFMANNS in BKV 29, 34. 173 T ORNAU 2006, 41 zu Auson. praef. 1,2 (3 Gr.): „qui sim, qua secta stirpe lare et patria“. 174 Maximus bei Aug. ep. 16,3 (38,14–39,5): „Sed illud quaeso, uir sapientissime, uti remoto facundiae robore atque exploso, qua cunctis clarus es, omissis etiam, quibus pugnare solebas, Chrysippeis argumentis postposita paululum dialectica, quae neruorum suorum luctamine nihil certi cuiquam relinquere nititur, ipsa res adprobes, qui sit iste deus, quem uobis Christiani quasi proprium uindicatis et in locis abditis praesentem uos uidere componitis. nos etenim deos nostros luce palam ante oculos atque aures omnium mortalium piis precibus adoramus et per suaues hostias propitios nobis efficimus et a cunctis haec cerni et probari contendimus.“ Zur folgenden Analyse vgl. auch HORN 1998.

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Rhetoriklehrer auf den Mantuanus rhetor, nicht auf den poeta verwiesen, als den ihn der Grammatiker betrachtet hätte – wird (in an Symmachus’ relatio erinnernder Weise, vgl. oben S. 153) die Richtung einer möglichen Verständigung insinuiert: „Einen jeden lenke die eigene Lust!“175 Auf die literarisch ausgestreckte Hand des „Kollegen“ reagierte Augustin mit einem bewussten Bruch der Regeln brieflicher Kommunikation: „Wollen wir eine ernsthafte Diskussion führen, oder beliebt es dir zu scherzen? Denn nach der Ausdrucksweise deines Briefes bin ich in Verlegenheit, ob es der Schwäche deiner Sache oder der Höflichkeit deiner Formen zu verdanken ist, daß du dich mehr witzig als argumentativ stark gezeigt hast.“176

Zweifellos hatte Maximus selbst bei inhaltlichem Widerspruch doch eine Würdigung des gemeinsamen literarischen Terrains erwartet, auf dem Differenzen sistiert werden könnten. Dies verweigert Augustin hier kategorisch. Die beißende Kritik an den Anthropomorphismen der griechisch-römischen Mythologie, die seine durchaus profunde Vertrautheit mit dem von Maximus angesprochenen Thema illustriert, beendet er abrupt: „Doch ich halte an mich, damit du nicht denkst, dass ich mehr rhetorisch als der Wahrheit gemäß argumentiere“177; damit wird Maximus’ (selbst topische) Mahnung zur Einfachheit aufgegriffen. Den Brief durchzieht die Unterstellung, Maximus sei mehr auf ästhetische Spielereien denn auf wirkliche Erkenntnis aus: „Für solches Scherzen habe ich keine Zeit“178; hier wird das ciceronische Stichwort iocari zurückgewiesen (S. 186), ähnlich wie gegenüber Hieronymus das exegetische ludere (s.o. S. 192f.). Maximus wird getadelt, dass er das Punische lächerlich mache, das doch wichtige Erkenntnisse der Alten schriftlich erhalten hätte179; andernorts kann Augustin dagegen an den Donatisten gerade kritisieren, dass in ihren Gemeinden neben Lateinisch auch Punisch gesprochen werde!180 Im vorliegenden Kontext steht jedoch das afrikanische Christentum gegen römisches „Heidentum“: Die Götter Roms seien mindestens ebenso belustigend wie die von Maximus angeführten punischen Märtyrernamen. 175

Maximus bei Aug. ep. 16,4 (39,8) = Verg. Ecl. II 65: „trahat sua quemque uoluptas“. Aug. ep. 17,1 (39,17–40,3): „Seriumne aliquid inter nos agimus, an iocari libet? nam sicut tua epistula loquitur, utrum causae ipsius infirmitate, an morum tuorum comitate sit factum, ut malles esse facetior quam paratior, incertum habeo“ (Übers. nach BKV 29, 35). 177 Aug. ep. 17,1 (40,21–23): „sed me ipse cohibeo, ne a te rhetorice potius quam ueridice agere existimer.“ 178 Ep. 17,2 (41,5): „iocari mihi non multum uacat“; vgl. ebd. (41,9–11): „more humanitatis et leporis tui commonefacere nos uoluisti ad relaxandum anumum, quanta in uestra superstitione ridenda sint.“ 179 Vgl. Aug. ep. 17,2 (41,11–14.18–21): „neque enim usque adeo te ipsum obliuisci potuisses, ut homo Afer scribens Afris, cum simus utrisque in Africa constituti, Punica nomina exagitanda existimaris… quae lingua si inprobatur abs te, nega Punicis libris, ut a uiris doctissimis proditur, multa sapienter esse mandata memoriae; paeniteat te certe ibi natum, ubi huius linguae cunabula recalent“ gegen Maximus bei Aug. ep. 16,2 (37,18–38,13). 180 Aug. in ep. Ioh. 2,3 (SC 75, 160 Agaesse); zit. oben S. 134f. Anm. 30. 176

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Augustin lehnte es somit explizit ab, sich auf das Niveau eines gebildeten Gesprächs über die bei den Dichtern bewahrten Göttermythen einzulassen. Dass Maximus seinen „verehrten Vergil“ zu Hilfe rufe, zeige nur, dass er die Frage nach Gott und den Göttern nicht ernst nehme181; dass Augustin mit einem weiteren Vergil-Zitat antwortet und einen Verweis auf Ciceros De natura deorum nachschiebt, ist nicht als konstruktives Votum zu verstehen, sondern als Zeugnis der eigenen Versiertheit in literarischen Fragen, die aber für das gestellte Thema unerheblich und unangemessen sei.182 Der Brief schließt in ebenso schroffem Tonfall, wie er begonnen hatte: „Willst du also, daß wir uns über irgendein Problem unterhalten, das deinem Alter und deiner Klugheit angemessen ist und das gerechterweise und unserem Vorsatze gemäß von unseren guten Freunden gefordert werden kann, so suche eines, das unsere Diskussion verdient!“183

Freundschaft erschöpft sich also nicht im unverbindlich-distanzierten Austausch über interessante und ästhetisch erbauliche Fragen – insofern „ist Maximus für Augustinus der Vertreter jenes von Grund auf falschen Wertesystems, zu dem der traditionelle Bildungsbetrieb erzieht, dessen Produkt und Akteur Maximus ist“.184 Dem lässt sich die scharfe Entgegensetzung von Gott und Grammatiker zur Seite stellen, die sich in Augustins Schreiben an seinen ehemaligen Schüler und Sohn seines einstigen Mäzens Romanianus, Licentius, findet, also an einen ambitionierten Dichter, dessen professionelles Interesse an wohlkonstruierter Metrik nun aber heftig kritisiert wird: „Was ist, wenn du selbst ungeordnet und gestört bist, wenn du selbst den Gesetzen deines Gottes nicht entsprichst und wenn deine Lebensführung nicht mit den ehrenvollen Wünschen der Deinen und dieser deiner eigenen Bildung harmoniert – das, meinst du, darfst du wegwerfend und nachlässig behandeln? Als ob du dir selber weniger wertvoll wärst als der Klang deiner Sprache und es weniger gravierend wäre, dass deine schlechtgefügten Sitten das Ohr deines Gottes verletzen, als wenn deine schlechtgefügten Silben die Autorität des Grammatikers erzürnen!“185

181 Aug. ep. 17,3 (42,15–18): „Sed mihi uideris omnino plus quam nos fortasse illa sacra nihili pendere, sed ex eis nescio quam captare ad huius uitae transitum uoluptatem, quippe qui etiam non dubitaueris ad Maronem confugere, ut scribis…“. 182 Vgl. Aug. ep. 17,3 (42,21–43,8); vgl. Verg. Aen. III 319f.; Cic. nat. deor. I 42,119. 183 Aug. ep. 17,5 (44,2–5): „itaque si aliquid inter nos de his rebus uis agamus, quod aetati prudentiaeque tuae congruit, quod denique de nostro proposito iure a carissimis nostris flagitari potest, quaere aliquid nostra discussione dignum…“. 184 T ORNAU 2006, 43. 185 Aug. ep. 26,4 (CSEL 34/1, 86,6–12): „quid, cum inordinatus ipse peruerteris, cum legibus dei tui ipse non stas neque in agenda uita honestis tuorum uotis et huic ipse eruditioni tuae concinis, abiciendum post tergum putas et neglegendum? quasi prae sono linguae tuae sis tibi uilior et, incompositis moribus quod offendis aures dei, leuius sit, quam si incompositis syllabis tuis grammatica suscenseret auctoritas“; Übers. TORNAU 2006, 47. Vgl. Paul. Nol. ep. 8,1 an Licentius, der dessen Erziehung durch Augus-

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Licentius wird also vor die Entscheidung gestellt, ob er seine Anstrengungen auf sein eigenes Heil oder auf den Beifall gleichgesinnter Ästheten richtet. Augustins Vergangenheit als Lehrer im paganen Bildungssystem wird der christlichen Existenz diametral gegenübergestellt: Ansätze einer Verbindung „heidnischer“ Bildung mit christlichem Glauben finden sich hier nicht. Dass dies freilich nicht die für Augustin einzig mögliche Haltung gegenüber gebildeten Korrespondenten ist, zeigt sein 412 geführter Briefwechsel mit dem Senator und vir illustris Volusianus186, in dem die Katastrophe Roms anno 410 thematisiert wird und der insofern den Hintergrund für Augustins monumentale Apologie De civitate Dei bildet. Gegenüber einem prominenten Mitglied der römischen Oberschicht war schroffe Ablehnung wie gegenüber Maximus oder herablassende Kritik wie bei Licentius kaum ratsam. Augustin fordert Volusianus auf, sich der Lektüre der Bibel zuzuwenden; dabei solle er nicht nach der literarischen Gestalt, sondern nach der „Sache“ fragen und vor allem nicht auf Leute hören, „die sich mehr am sprachlichen Wettstreit erfreuen denn an der Erleuchtung durch Erkenntnis“.187 Wie Volusianus wiederum in seinem Antwortbrief Augustin auf dessen eigene Vergangenheit als Grammatik- und Rhetoriklehrer sowie als Philosoph (in Cassiciacum) behaftet und ihn damit dezent ermahnt, nicht aus der Rolle des gebildeten Dialogpartners zu fallen, kann als „Meisterwerk des sprachlichen Codes der spätantiken Gesellschaft“ bezeichnet werden188: Gerade mit solchen Freunden, vor denen ihn Augustin gewarnt hatte, habe er Bildungsgegenstände diskutiert, so die partitio rhetorica, „die auch du vor gar nicht so langer Zeit gelehrt hast“, weiterhin die Poesie, „denn auch diesen Teil der Redekunst übergehst du nicht schweigend oder in ungebührlicher Form“, schließlich „die auch dir vertraute Philosophie“.189 Die dem Bischof vorgelegten Fragen nach der Intin bezeugt (FC 25/1, 214,3–6, zit. oben S. 32), zur Überzeugung des Adressaten jedoch genau die entgegengesetzte Strategie verfolgt, nämlich den Einsatz eigener metrischer Verse! 186 Zur Person vgl. M ORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 169; PLRE II 1184f. Nr. 6; PCBE I 1228; PCBE II/2 2340f.; Poss. indic. I 28; VON HAEHLING 1978, 319f.408: Rufius Antonius Agrypnius Volusianus war Sohn des prafectus urbis Caeionius Rufinus Albinus, Bruder der Albina und Onkel der jüngeren Melania; 411/12 hielt er sich in Karthago auf (nicht als proconsul Africae, so aber PCBE II/2). 417/18 war er praefectus urbis Romae, 428/29 PPO Italiae et Africae. Erst kurz vor seinem Tod empfing er 436 in Konstantinopel auf Melanias Drängen hin die Taufe (Geront. vita Melan. 50.53.55; SC 90, 224; 230–232; 236 Gorce). 187 Aug. ep. 132 (CSEL 44, 79,14–16): „sincera enim et solida res est nec fucatis eloquiis ambit ad animum nec ullo linguae tectorio inane aliquid ac pendulum crepitat“; vgl. ebd. (80,8–10) die Warnung vor Zeitgenossen, „qui plerumque non sunt apti tali negotio magisque linguae certaminibus quam scientiae luminibus delectantur“. 188 So TORNAU 2006, 63. 189 Volusianus bei Aug. ep. 135,1 (90,1–4.7–9.14): „frequentes proferebantur illic pro ingeniis studiisque sententiae. erat tamen sermo rhetorica partitio. apud agnoscentem loquor; etiam ista paulo ante docuisti… alii rursum poeticam eleuabant fauentes; ne hanc quidem eloquentiae partem tacitam aut inhonoram relinquis… tunc ad familiarem tuam philosophiam sermo deflectit…“.

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karnation und nach den im Neuen Testament von Jesus berichteten Wundern soll Augustin also nach allen Regeln der artes beantworten, die er, wie allgemein bekannt, beherrschte, was eben der Grund für die ihm auch von einem „Heiden“ wie Volusianus zugeschriebene Kompetenz als Schriftausleger ist. Anders als gegenüber Maximus lässt sich Augustin auf die Rolle des Dialogpartners ein.190 Am Ende des Proömiums merkt er an, Volusianus’ „so hervorragende, so glänzende Begabung und Stil sollte auch den Übrigen Nutzen bringen, gegen deren geistige Trägheit oder Verkehrtheit das Walten einer so großen Gnade auf die angemessenste Weise verteidigt werden muss“191 – Volusianus’ Fähigkeiten und Kenntnisse sind also der Gnade Gottes geschuldet und sollten daher auch in dessen Sinne zur Erkenntnis der Wahrheit eingesetzt werden. Im Folgenden werden keine Geringeren als Sallust und Vergil in subtiler Form „christianisiert“, ersterer im Kontext der Wunder Jesu, die nicht für unmöglich gehalten werden dürften, nur weil sie dem Verstand schwer zugänglich seien192, letzterer mit der Prophezeiung aus der vierten Ekloge, die auf Christus gedeutet wird, „unter dessen Führung alle etwa noch vorhandenen Spuren unseres Frevels ihre Macht verlieren und die Welt von einer langanhaltenden Angst erlösen werden“.193 Augustin entspricht Volusianus’ Erwartung, ihm auf dem Boden der aus der Schule vertrauten Klassiker zu begegnen, die Pointe liegt jedoch in der argumentativen Umwertung Sallusts und Vergils zu Kronzeugen der christlichen Botschaft. Die Schulautoren stehen hier nicht gegen die biblischen Schriftsteller, sondern neben ihnen. Gegenüber „Heiden“ (und ebenso gegenüber gebildeten Christen) setzte Augustin also teils polemisch, teils konstruktiv seine literarischen und rhetorischen Kenntnisse ein, um sich einerseits durch Zitate und Anspielungen als Kenner der Schulautoren zu erkennen zu geben, während diesen andererseits auch verbindende Funktion zugeschrieben wurde, wobei jedoch durch Umdeutungen oder Modifikationen im Text kritische Distanz gewahrt blieb.194

190 Dies bekundet ep. 137,1,1 (96,14f.): „Legi litteras tuas, in quibus uidi magni cuiusdam dialogi specimen laudabili breuitate comprehensum.” Vgl. TORNAU 2006, 63-71. 191 Aug. ep. 137,1,1 (97,13–16): „ingenium quippe et eloquium tuum tam excellens tamque luculentum prodesse debet etiam ceteris, contra quorum tarditatem seu peruersitatem conuenientissime defendenda est tantae gratiae dispensatio“. 192 Aug. ep. 137,4,14 (117,2–5) mit Sall. Cat. 3,2: „ac per hoc, ‚quae sibi quisque facilia‘ non ‚factu‘ sed captu ‚putat, aequo animo accipit, supra ea ueluti ficta pro falsis ducit‘. noli eis esse similis, obsecro te.“ 193 Aug. ep. 137,3,12 (114,4–8 = Verg. Ecl. IV 13f.): „quod autem ad adiutorium gratiae pertinet, quae in Christo est, ipse est omnino ‚quo duce, si qua manent sceleris uestigia nostri, / inrita perpetua soluent formidine terras‘.“ Zur traditionellen christlichen Allegorese der ursprünglich auf Asinius Pollio gemünzten Prophezeiung Vergils und zu den subtilen Änderungen im Text dieser Stelle vgl. TORNAU 2006, 66-69. 194 T ORNAU 2006, 73: Augustin „lebt nicht in den sprachlich-literarischen Umgangsformen, wie seine Korrespondenten das tun, sondern er gebraucht sie, um sie in den Dienst sei-

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Augustin ist hier konsequenter als Hieronymus, der im Prolog zum Hiobbuch betont: „Was das Lateinische angeht, so habe ich mein Leben nahezu von der Wiege an unter Grammatikern, Rhetoren und Philosophen zugebracht“195; entsprechend weist er andernorts den Anspruch seines Kritikers Vigilantius, ihm an Redegewandtheit und philosophischer Beflissenheit überlegen zu sein, mit dem entrüsteten Hinweis zurück, dieser möge sich erst selbst von Grammatikern und Rhetoren belehren lassen, um zu erkennen, dass ihm Schweigen gut zu Gesicht stünde.196 In dieser Auseinandersetzung ist ebenso die Orientierung am Adressaten ausschlaggebend: Gegenüber dem ihm sehr gewogenen römischen Literaten Domnio „zieht [Hieronymus] alle Register philosophischer Kenntnis, verwendet Termini aus dem römischen Staats- und Rechtswesen und erweist sich in jeder Hinsicht als gebildeter Römer.“197 Eine solche emphatische Identifizierung über die eigene Bildungskarriere findet sich bei Augustin nicht – auch da nicht, wo Anlass und Adressat eines Briefes die Berufung auf seine Schulbildung durchaus nahe legen könnten. Wie die Verwendung klassischen Bildungsgutes mit dessen expliziter Zurückweisung einhergehen kann, zeigt ein 399 abgefasster Brief des Paulinus von Nola an Sulpicius Severus, in dem er sich über den Briefboten Marracinus beklagt198: Dieser hatte ein Schreiben des Sulpicius nicht, wie ihm aufgetragen war, nach Nola gebracht, sondern es in Rom dem Mönch Sorianus überlassen, was nach Paulinus’ Ansicht nicht nur die Verweigerung eines beliebigen „Jobs“, sondern eines spirituell zu verstehenden „Amtes“ bedeutete. Schon mehrfach hatte Paulinus seinen Freund gemahnt, Mönche als Boten einzusetzen, und karikierte nun Marracinus als einen „inspiritalis monachus“199, nes protreptischen Anliegens zu stellen; und es kommt ihm darauf an, seine Leser diese Differenz jederzeit deutlich spüren zu lassen.“ 195 Vulg. Iob prol. (732,40f. Weber): „in latino paene ab ipsis incunabulis inter grammaticos et rethores [sic] et philosophos detriti sumus“; Übers. FÜRST 2003, 271. In ep. 125,12,1 (CSEL 56, 131,13f.) betont Hieronymus, seine eigene Ausbildung sei „post Quintiliani acumina Ciceronisque fluuios grauitatemque Frontonis et lenitatem Plinii“ erfolgt. Vgl. TORNAU 2006, 57 Anm. 218 zu Rufins ironischem Hinweis (apol. adv. Hier. II 33; CChr.SL 20, 108,33–36 Simonetti: „haec est omnis illa iactantia, qua te a prima aetate usque ad senectam in grammaticorum et rhetorum et philosophorum scholis ac disciplinis praedicas esse uersatum, ut procederes Originem pronuntiaturus haereticum.“): „Hieronymus, der Rufin als ἀθηνογέρων karikiert, steht hier plötzlich selbst als lebenslänglicher Schüler da.“ 196 Hier. ep. 61,3,1 (CSEL 54, 578,18–579,2): „Scilicet et gloriari cupis, ut in patria tua iactites me non potuisse respondere eloquentiae tuae et acumen in te Chrysippi formidasse“; ebd. 4,1 (581,1–4): „Si libet exercere ingenium, trade te grammaticis atque rhetoribus, disce dialecticam, sectis instruere philosophorum, ut, cum omnia didiceris, saltem tunc tacere incipias“; adv. Vigil. 4 (CChr.SL 79C, 9,11f. Feiertag): „Est quidem imperitus et uerbis et scientia, et sermone inconditus.“ 197 C ONRING 2001, 237. 198 Zu dieser Affäre, die in Paul. Nol. ep. 22 (FC 25/2, 470–475) berichtet wird, vgl. MRATSCHEK 2002, 313f. 199 Paul. Nol. ep. 22,1 (470,2f.).

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der sich durch die Aufzählung seiner ungeistlichen Gewohnheiten eher noch geehrt als getadelt fühlen dürfte. Paulinus schließt seine Tirade gegen Marracinus, den „rülpsenden Thraso“ (eine Entlehnung von Terenz)200, damit, „daß die Furie bei Vergil durch das gelobt wird, was man normalerweise jemandem vorzuwerfen pflegt“.201 Danach fühlt er sich freilich bemüßigt, die Befeuerung seiner Kritik durch Klassikerzitate zu rechtfertigen: „Sieh aber zu, daß du nicht an mir herumnörgelst, daß ich wie jemand, der seinen Vorsatz bricht, etwas aus einem Dichter genommen habe, mit dem wir uns nicht mehr beschäftigen; ich bekenne, daß ich das aufgrund der Autorität deines Beispiels getan habe; ich habe nämlich deinen Brief, der mit den Worten schließt: ‚Lebt wohl, ihr Glücklichen, deren Schicksal erfüllt ist!‘, aber auch jenen Brief, in dem du, in Erinnerung an einen Prolog des Plautus, von deinem Zuhause als ‚Herd der Familie‘ gesprochen hast.“202

Auch Sulpicius Severus pflegte seine Briefe mit Anspielungen auf die Schulautoren zu würzen (wie auch die Vita Martini, s.u. S. 249f.). Paulinus durchschaut dies natürlich, wie er eigens betont, und zieht es nun als Motivation seiner eigenen Zitation von Autoren heran, die er zu Gunsten der Bibel hatte hinter sich lassen wollen, weil sie nicht mehr in den Bereich der für einen Asketen geziemenden Studien fallen – was er nicht nur für sich beschlossen, sondern in einem Brief an Romanianus (396/97) expliziert hatte: „Aber was soll ich mit fremden Worten reden, da wir mit unseren eigenen Möglichkeiten alles ausdrücken können und Fremdartiges zu reden kein Zeichen für einen gesunden Kopf ist? Durch die Gnade Gottes haben wir aber einen gesunden und heilen Kopf, wir, deren Haupt Christus ist.“203

Freilich geht diesem Bekenntnis wiederum eine Anspielung auf Terenz voraus.204 Mit entsprechendem Vorbehalt ist Paulinus’ herablassende Anerkennung der Bildung des Licentius zu verstehen: „Ich erinnere mich an deinen Brief, durch den ich erkennen konnte, daß du mit poetischen Versmaßen vertraut bist. Vor dieser Beschäftigung bin auch ich, als ich in deinem Alter 200 Paul. Nol. ep. 22,2 (472,17f.): „Ego flatum Thrasonis ructantis effugio“; diese Figur aus Terenz’ Eunuchus (399–401. 1092) rezipiert auch Sidon. ep. I 9,8 (II 32 L.); vgl. dazu KÖHLER 1995, 208; KÜPPERS 2005, 268. 201 Ep. 22,3 (474,14f.): „Denique meministi in Vergilio Furiam his laudari quae solent obici“; vgl. Aen. VII 325f. zu der Furie Allekto: „cui tristia bella iraeque insidiaeque et crimina noxia cordi.“ 202 Paul. Nol. ep. 22,3 (474,15–22): „Vide autem ne mihi calumnieris, quod aliquid de poeta non nostri iam studii tamquam propositi violator adsumpserim; exempli tui auctoritate hoc me fecisse contestor; teneo enim epistolam tuam, cui clausula est: ‚Vivite felices, quibus est fortuna peracta‘, sed et illam, in qua pro domestica sede ‚larem familiarem‘ Plautini memor prologi nominasti.“ Zitiert werden Verg. Aen. III 493 und Plautus, Aulularia prol. 2, wo lar familiaris tatsächlich eine Gottheit ist. Vgl. Hier. ep. 17,2,1 (CSEL 54, 71,6f.) zu seiner Zitation von Verg. Aen. I 539–541: „Quae idcirco de gentili poeta sumpsimus, ut qui Christi pacem non servat, pacem saltim discat ab ethico.“ 203 Ep. 7,3 (FC 25/1, 212,17–19): „Sed quid alienis loquar, cum de proprio cuncta possimus et aliena loqui non soleat esse sani capitis, quo dei gratia sano et salvo sumus quibus caput Christus est?“ 204 Ebd. (212,16f.): „Aeschino enim dicitur quod audit Micio“ (Terenz, Adelphoe 96f.).

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

war, nicht zurückgeschreckt.“205 Das hinderte ihn freilich nicht, dem Prosabrief ein eigens verfasstes Gedicht beizulegen. Sein Lehrer Ausonius hatte gerade Paulinus’ poetische Fähigkeiten in höchsten Tönen gepriesen: „Was soll ich über deine Ausdrucksweise sagen? Offen kann ich schwören, dass keiner aus der römischen Jugend dir an dichterischer Darstellung gleichkommt.“206 Derselben Zeit (378–389) entstammt das Summarium: „Was die Gelehrsamkeit deiner Briefe, den Reiz deines Gedichtes, deine Erfindungsgabe und Kompositionskunst angeht, so schwöre ich bei allem, daß das niemals für jemanden nachahmbar sein wird, auch wenn er bekennen sollte, es sei nachahmenswert.“207

Auf diese Weise wollte der Asket Paulinus jedoch gerade nicht mehr Vorbild für die Jugend sein. In ähnlicher Weise behauptet Hieronymus in einem Schreiben an Nepotian (393/94), auf die eigene Bildungsbeflissenheit oder auch -besessenheit als auf eine überwundene Lebensstufe zurückzublicken: Sein zwei Jahrzehnte zuvor an dessen Onkel Heliodor gerichteter Brief, mit dem er ihn zum Eremitendasein bekehren wollte, sei bloß das unreife Machwerk eines Jünglings, ja eines Knaben (von fast dreißig Jahren!) gewesen, „eine dem jugendlichen Alter angepaßte Spielerei. Noch unter dem Eindruck der Schule und den Unterweisungen der Rhetoriker stehend habe ich da einiges in blumenreichen Worten niedergeschrieben.“208

Aber dass der Fünfzigjährige nun über solchen jugendlichen Überschwang hinaus gelangt und in gesetztem Alter angekommen sei, legt Hieronymus mit einer Kette von vier Vergil-Zitaten dar209, bevor er sich biblischen Zitaten zuwendet, „um nicht den Anschein zu erwecken, nur heidnische Literatur anzuführen.“210 Beginnend mit König David, den die Jungfrau Abisag von Sunem natürlich nicht in körperlicher Hinsicht „gewärmt“ habe (1 Kön 1,1– 4), da sie vielmehr mit Salomo (Prv 4,5–9) als Weisheit zu verstehen sei, wird 205 Paul. Nol. ep. 8,3 a. 396 (216,20–22): „Sed in mentem venit epistolae tuae, qua te musicis familiarem modis intellexi. A quo studio ego aevi quondam tui non abhorrui.“ Vgl. Sidon. ep. VIII 4,3 (III 90 L.): „sed quod fatendum est, talibus studiis anterior aetas iuste uacabat seu, quod est uerius, occupabatur; modo tempus est seria legi, seria scribi deque perpetua uita potius quam memoria cogitari.“ 206 Auson. ep. 17,29–31 (216 Gr.): „iam quid de eloquentia dicam? liquido adiurare possum nullum tibi ad poeticam facundiam Romanae iuventutis aequari“; Übers. DRÄGER, 65. 207 Auson. ep. 19,14–17 (218 Gr.): „illud de epistularum tuarum eruditione, de poematis iucunditate, de inventione et concinnatione, iuro omnia nulli umquam imitabile futurum, etsi fateatur imitandum.“ 208 Hier. ep. 52,1,1f. an Nepotianus (CSEL 54, 414,1–7): „dum essem adulescens, immo paene puer, et primos impetus lasciuientis aetatis heremi duritia refrenarem, scripsi ad auunculum tuum, sanctum Heliodorum, exhortatoriam epistulam plenam lacrimis querimoniisque et quae deserti sodalis monstraret affectum. sed in illo opere pro aetate tunc lusimus et calentibus adhuc rhetorum studiis atque doctrinis quaedam scolastico flore depinximus“; bei dem erwähnten Brief handelt es sich um ep. 14 a. 375/78 (CSEL 54, 44–62); zu Nepotian vgl. PLRE I 624 Nr. 2. 209 Hier. ep. 52,2,1 (414,7–15) mit Anspielung auf Verg. Aen. VII 417 bzw. Georg. III 53 (Z. 8) und Zitaten aus Georg. II 84 (= Z. 10); Buc. IX 51 (= Z. 12); Buc. IX 53f. (= Z. 14f.). 210 Hier. ep. 52,2,1 (414,16): „Quod ne de gentili tantum litteratura proferre uideamur…“.

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung

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als Substitut des nachlassenden jugendlichen Feuers die Weisheit des Alters gerühmt. Die folgenden Passagen bieten ein wahres Feuerwerk von biblischen, aber auch von klassischen Zitaten, die belegen sollen, dass das Alter nicht notwendigerweise zu geistiger Starrheit führen müsse, wie Cato zeige, „der größte Redner, den Rom gesehen hat, der sich nicht scheute, in seinen alten Tagen voller Zuversicht das Studium der griechischen Sprache in Angriff zu nehmen“.211 Der Beweisgang dafür, „daß die Weisheit Glut entfacht und durch göttliche Lektüre anfeuert“212, endet nach einigen gewagten Etymologien mit dem Hinweis auf die „brennenden Herzen“ der Emmausjünger nach ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen (Lk 24,32). Hieronymus bietet damit ein sprechendes Beispiel für Thraedes Beobachtung, dass bei spätantiken christlichen Briefschreibern selbst noch da, wo statt der Klassiker Bibelzitate in den Text eingewoben werden, diese Methode „in der paganen Zitatverwendung ihr zweifelsfreies Vorbild“ hat.213 Seltener als bei Paulinus finden sich bei ihm entschuldigende Worte für Zitate klassischer Autoren, die dann auch nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung („nicht nur heidnische Schriften“) oder als Überbietung („lieber aus der Schrift“) formuliert sind.214 Die Pointe des Briefes liegt freilich in Hieronymus’ Überleitung zu seiner Darlegung des asketischen Lebens: „Doch wozu diese umständliche Einleitung? Du sollst eben von mir nicht einen knabenhaften Vortrag, blumenreiche Worte und gekünstelte Darlegungen erwarten mit zugespitzten und knappen Folgerungen am Schlusse der einzelnen Kapitel, die den Beifall und den Zuruf der Hörer herausfordern. Mich soll die Weisheit in ihre Arme nehmen, und unsere Abisag, die niemals alt wird, soll an meiner Brust ruhen… Beachte also, um mit dem heiligen Cyprian zu sprechen, meine zwar nicht beredten, dafür aber um so gehaltvolleren Worte!“215

211 Hier. ep. 52,3,6 (418,11–14): „nec mirum, cum etiam Cato, Romani generis disertissimus, censorius iam et senex, Graecas litteras nec erubuerit nec desperauerit discere“; ebd. (418,14f.) wird auf Nestor verwiesen, dessen Rede noch im Alter „süßer als Honig floss“ („dulcior melle oratio fluxerit“); die Quellen sind Cic. Cato maior VIII 26 und Homer, Ilias I 247–249. 212 Hier. ep. 52,3,8 (419,11f.): „calere sapientiam et diuina lectione feruere“. 213 T HRAEDE 1970, 145. 214 Vgl. besonders Hier. ep. 105,3,3 an Augustin (FC 41/1, 152,7): „Et ut magis de scripturis sanctis loquar…“; in Is. XVI prol. (CChr.SL 73A, 641,1–5 Adriaen): „Egregia disertissimi oratoris sententia est, ‚felices essent artes, si de illis soli artifices iudicarent‘. Ac ne a profanis tantum sumere uidear exemplum, nimirum hoc illud est, quod aliis uerbis propheta demonstrat: ‚Beatus qui in aures loquitur audientium‘“ (Prv 25,12); vgl. HAGENDAHL 1958, 303. 215 Hier. ep. 52,4,1.3 (420,7–11; 420,18–421,1): „Quorsum haec tam longo repetita principio? ne a me quaeras pueriles declamationes, sententiarum flosculos, uerborum lenocinia et per fines capitum singulorum acuta quaedam breuiterque conclusa, quae plausus et clamores excitent audientum. amplexetur me modo sapientia et Abisag nostra, quae numquam senescit, in meo requiescat sinu… audi igitur, ut beatus Cyprianus ait, ‚non diserta, sed fortia‘“ (vgl. Cypr. ad Donat. 2; CChr.SL 3A, 3,20–4,32 Simonetti; zit. oben S. 93).

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Der Schreiber kritisiert selbst, was er soeben vorgeführt hat, und bekräftigt seine vorgeblich antirhetorische Haltung mit einem der skizzierten Ambivalenz präzise entsprechenden Zitat eines der versiertesten Rhetoren der frühen Christenheit. Hieronymus und Paulinus sind damit Zeugen par excellence für eine Haltung gebildeter Christen im späten 4. Jahrhundert, die Averil Cameron als „rhetoric of paradox“ beschrieben hat (s.o. S. 18f.): In stilistisch ausgefeilter Form wird die Nichtnotwendigkeit der Bildung proklamiert, die ipso facto in Anspruch genommen wird, um sich gegenüber dem Briefadressaten als demselben kulturellen Kontinuum zugehörig auszuweisen. Bezeichnend ist Hieronymus’ Urteil über den römischen Klerus, der seiner geplanten Origenes-Übersetzung ablehnend gegenüber stand und den Protégé des Damasus nach dessen Tod zwang, die Stadt zu verlassen: Die Gegner seien ein „Senat der Pharisäer“ – so im Vorwort der Übersetzung des pneumatologischen Traktates des Origenisten Didymus – und könnten, wie ein noch in Rom verfasster Brief an Paula argumentiert, schlichtweg den Ruhm der Redekunst des Origenes nicht ertragen, der in der Schrift seines Schülers Didymus, damit aber letztlich – wie man ergänzen darf – auch in der Übersetzung erstrahle.216 Bei Paulinus begegnet diese Paradoxalität gegenüber Augustin im Gewand der Bescheidenheit: „Wenn wir auch jetzt unerfahren sind in unseren Worten, so schreiben wir dir dennoch nicht, als ob wir auch unerfahren wären in unserer Zuwendung, und erkennen dich gleichsam im Geiste durch den inneren Menschen wieder.“217 Der Topos des homo interior unterläuft damit subtil die behauptete literarische Ungewandtheit. Sidonius Apollinaris, der strikt den klassischen epistolographischen Normen folgt, kann dennoch gegenüber seinem Bischofskollegen Graecus behaupten, er pflüge nur „mit bäurischem Griffel“218, und Faustus von Riez bitten, Nachsicht mit seinem grobschlächtigen Stil walten zu lassen, der, verglichen mit dessen Briefen, als „infantissimus“

216 Zum „Pharisaeorum senatus“: Hier. Didym. spir. prol. (FC 78, 74,7f. Sieben); ep. 127,9,2 (CSEL 56, 152,19f.): „Pharisaeorum turbata schola“; zu Origenes’ Ablehnung in Rom vgl. ep. 33,5 an Paula (CSEL 54, 259,8–12): „Roma ipsa contra hunc cogit senatum non propter dogmatum nouitatem, non propter heresim, ut nunc aduersum eum rabidi canes simulant, sed quia gloriam eloquentiae eius et scientiae ferre non poterant et illo dicente omnes muti putabantur“; dazu REBENICH 1992, 148f. 217 Paul. Nol. ep. 6,2 (FC 25/1, 204,1–3): „Denique nunc etsi sermone, non tamen quamquam et affectu rudes scribimus teque vicissim in spiritu per interiorem hominem quasi recognoscimus“; dazu CONYBEARE 2000, 134. Vgl. auch Hier. ep. 21,42 (CSEL 142,12f.): „maxime cum in ecclesiasticis rebus non quaerantur uerba, sed sensus“; ep. 29,7,2 an Marcella (CSEL 54, 242,1–5): „Nos, ut scis, Hebraici sermonis lectione detenti in Latina lingua rubiginem obduximus in tantum, ut loquentibus quoque nobis stridor quidam non Latinus interstrepat. unde ignosce ariditati: etsi inperitus sum, inquit, sermone, apostolus, sed non scientia“ (vgl. 2 Kor 11,6); dazu CONRING 2001, 239. 218 Sidon. ep. VII 2,1 a. 471 (III 34): „stilo rusticante perarauero“; vgl. denselben Topos bei Ruricius von Limoges, ep. I 4: „ineptia rusticitas“; II 18: „rusticus sermo“; II 38: „rusticitatem meam malo prodere quam perdere caritatem“ (CChr.SL 64, 318,8; 359,28; 376,2f. Demeulenaere).

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung

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erscheine.219 Ein Traktat desselben Bischofs wird gelobt, er sei „einfach, aber nicht bäurisch, durchdacht, aber nicht kompliziert… und insgesamt in höchstem Maße redegewandt“ geschrieben.220 Sich selbst attestiert Sidonius gegenüber dem von ihm geschätzten Juristen Constantius, seinem Stil fehle urbane Eleganz, er zeige „pagana simplicitas“, ländliche Einfachheit.221 Paulinus kann andernorts die Abgrenzung gegen Bildungsgehalte sogar als „tertullianisch“ anmutende Alternative formulieren: „Die Redner sollen ihre Literatur für sich behalten, die Philosophen ihre Weisheit, die Reichen ihren Reichtum, die Könige ihre Reiche; für uns ist Christus unser Ruhm, unser Besitz und unser Reich; für uns liegt Weisheit in der Torheit der Predigt…“.222

Ep. 16 an den „Heiden“ Jovius attackiert auf dieser Linie nicht nur die Philosophie, sondern sämtliche Gegenstände der Schulbildung überhaupt: „Sei ein Peripatetiker für Gott, ein Pythagoreer für die Welt. Als Verkündiger der wahren Weisheit in Christus und endlich stumm in nichtigen Dingen, sollst du diesen verderblichen Reiz leerer Bildung meiden wie jene Lotophagen, die mit süßen Beeren das Vaterland aus dem Gedächtnis von Menschen tilgen, oder wie die Lieder der Sirenen, Gesänge voll von schändlicher Verlockung. Und weil es gewöhnlich erlaubt ist, manche von den leeren Märchen, soweit man es irgendwie erwarten kann bei volkstümlichen Gemeinplätzen, sich anzueignen, um sie für wahre und ernsthafte Äußerungen zu benutzen, möchte ich behaupten, daß nicht nur die klassische Bildung, sondern alle glänzenden Wahnbilder weltlicher Dinge für uns Lotophagen und Sirenen sind.“223

219 Sidon. ep. IX 3,6 (a. 476; III 136f.): „Nunc uero, quod restat, donate uenia paginam rusticantem uobis obsecundantem, cui me quoque auctore, si uestris litteris comparetur, stilus infantissimus inest.“ 220 Sidon. ep. IX 9,10 (a. 471; III 150): „Scripseras autem plurima ardenter, plura pompose; simpliciter ista nec rustice; argute illa nec callide; grauia mature, profunda sollicite, dubia constanter, argumentosa disputatorie, quaedam seuere, quaepiam blande, cuncta moraliter lecte, potenter eloquentissime.“ Bei dem Traktat handelt es sich vermutlich um die später umstrittenen und schließlich verurteilten Bücher De gratia (CPL3 961); vgl. LOYEN, Bd. II, XXX. 221 Sidon. ep. VIII 16,3 an Constantius (a. 479/80; III 128): „in hoc stilo, cui non urbanus lepos inest, sed pagana simplicitas“; vgl. KAUFMANN 1995, 261; dort auch ein Hinweis auf den Rhetor und Poeten Lampridius: Dieser habe in seinen Georgica Bäurisches abgebildet, ohne selbst so zu werden (ep. VIII 11,6 an Lupus a. 477/78; III 114: „in georgica sic rusticans multum, quod nihil rusticus“); vgl. auch unten S. 390. 222 Paul. Nol. ep. 38,6 an Aper (FC 25/3, 866,12–15): „Sibi habeant litteras suas oratores, sibi sapientiam suam philosophi, sibi divitias suas divites, sibi regna sua reges; nobis gloria et possessio et regnum Christi est, nobis sapientia in stultitia praedicationis…“. 223 Paul. Nol. ep. 16,7 (FC 25/1, 388,1–10): „Esto Peripateticus deo, Pythagoreus mundo. Verae in Christo sapientiae praedicator et tandem tacitus vanitati, perniciosam istam inanium dulcedinem litterarum quasi illos patriae oblitteratores de baccarum suavitate Lotophagos, ut Sirenarum carmina blandimentorum nocentium cantus evita. Et quia licet quaedam plerumque de inanibus fabulis ut de vulgaribus aliqua proverbiis in usum veri ac serii sermonis adsumere, dicam non litteras tantum, sed et omnes rerum temporalium species nobis esse Lotophagos vel Sirenas.“ Zum gleichermaßen süßen wie todbringenden Gesang der Sirenen (Od. XII 166–200) vgl. Hier. ep. 22,18,2 (CSEL 54, 167,11f.); zu der zitierten Passage aus ep. 16 vgl. den Kommentar von ERDT 1976, 185–188.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Als Peripatetiker solle Jovius wissen, was (gegenüber Gott) auszusprechen, und als Pythagoreer, worüber (angesichts der Welt) zu schweigen sei224 – letzteres bezieht sich auf die Inhalte klassischer Bildung, die hier mit einem eloquenten Paradox durch Bilder aus der Odyssee beschrieben werden! Genau das, was er kritisiert, praktiziert Paulinus also im selben Atemzug, wie auch das dem Brief an Jovius beigefügte Gedicht zeigt: „Es schwinde die aufwändige Kunstfertigkeit mit den üblichen Gedichten, eine größere Ordnung der Dinge ist dir erwachsen. Nicht mehr vom Urteil des Paris und von den Kriegen der Giganten singe noch Falsches. Ein Spiel in kindlichem Alter war dies einst für dich; der Kleine schätzte die Kindereien.“225

Zum Spiel gehört, dass solche Paradoxa vom Briefpartner erkannt und in höchsten Tönen gelobt werden, so in Hieronymus’ drittem Brief an Paulinus: „Mit der Stimme forderst du mich zum Schreiben heraus, mit der Beredsamkeit erschreckst du [mich], und im Briefstil erinnerst du gar an Cicero. Was fragst du, warum ich kleine und kunstlose Briefe schicke – das kommt nicht aus Mangel an Sorgfalt, sondern aus Furcht vor dir, damit ich nicht, indem ich wortreich zu dir rede, viel Tadelnswertes übermittle! Außerdem – um es deinem heiligen Sinn ganz einfach zu bekennen – quälen mich so viele Briefe, die mit einer Schiffspassage in den Westen zu bringen wären, dass ich niemals fertig würde, wenn ich alles an jeden einzelnen schreiben wollte. Daher kommt nun, was gerade in den Mund gelangt ist, und ich betrachte dich als Freund meiner Worte, nicht als Richter.“226

Auch hier fällt wiederum wie nebenbei der Name Ciceros, um anzudeuten, dass der Absender durchaus die rhetorischen Fertigkeiten seines Adressaten einzuschätzen weiß. Nicht zufällig berichtet Hieronymus von seiner Traumvision mit der Anklage, er sei Ciceronianer, nicht Christ227, in einem Brief an Eustochium, der mit der Beteuerung beginnt, darin finde sich weder Schmeichelei, da der Speichellecker nur ein täuschend höflicher Feind sei, noch Prunk rhetorischer Sprache.228 Von Cicero als Inbegriff der eloquentia habe 224

Vgl. ERDT 1976, 182f. Paul. Nol. carm. 22,10–14 (CSEL 30, 187 Hartel/Kamptner): „abeat solitis impensa facultas / carminibus, maior rerum tibi nascitur ordo [Verg. Aen. VII 44]. / non modo iudicium Paridis nec bella gigantum / falsa canis. fuerit puerili ludus in aeuo / iste tuus quondam; decuerat ludicra paruum.“ 226 Ep. 85,1,1f. (CSEL 55, 135,3–136,6): „Uoce me prouocas ad scribendum, terres eloquentia et in epistolari stilo prope Tullium repraesentas. quod quaeris me paruas et incomptas litterulas mitere, non uenit de incuria, sed de timore tui, ne uerbosius ad te loquens plura reprehendenda transmittam. et, ut sanctae menti tuae simpliciter fatear, uno ad occidentem tempore nauigandi tantae a me simul epistulae flagitantur, ut, si cuncta ad singulos uelim rescribere, occurrere nequeam. unde accidit, quicquid in buccam uenerit, et amicum te tantum meorum dictorum, non iudicem considerem“; vgl. ep. 21,42 an Damasus (CSEL 54, 142,9f.): „non ambigo, quin inculta tibi nostrae paruitatis uideatur oratio“; CONRING 2001, 238. 227 Ep. 22,30,4 (CSEL 54, 190,5–13): „Interrogatus condicionem Christianum me esse respondi. Et ille, qui residebat: ‚mentiris‘, ait, ‚Ciceronianus es, non Christianus; ubi thesaurus tuus, ibi et cor tuum‘.“ 228 Ep. 22,2,2 (146,7f.): „nulla in hoc libello adulatio – adulator quippe blandus inimicus est –, nulla erit rhetorici pompa sermonis.“ HAGENDAHL 1958, 111 weist allerdings auf das Vorbild bei 225

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sich die christliche Rede vielmehr zu distanzieren, wie er in der Widmung seiner Übersetzung des Dodekapropheton an Pammachius ausführt: „Die Redekunst, die du zu Gunsten Christi bei Cicero verwirfst, darfst du bei einfachen Christen nicht erwarten. Eine Auslegung für kirchliche Zwecke muss, selbst wenn sie über die Anmut der Redekunst verfügen sollte, diese verleugnen und sie fliehen.“229

Entsprechend lobt er andernorts Pammachius, der nicht „nach Art der Kinder verschachtelte Sätzchen“ konstruiere.230 Bezeichnend ist jedoch, dass Hieronymus andernorts von Cicero als dem spricht, „der auf dem Gipfel römischer Redekunst steht, der König der Redner und Bildner der lateinischen Sprache.“231 Cicero steht auch an der Spitze der Autoren, die nicht gelesen zu haben Hieronymus einem römischen monastischen Kritiker als Beweis für dessen eklatante Ungebildetheit vorhält.232 Diesem Cicero aber gesellt er, wie gesehen, Paulinus als annähernd ebenbürtig bei – ein Lob, auf das Sidonius Apollinaris hinsichtlich seiner eigenen Person einige Jahrzehnte später mit topischer Bescheidenheit verzichtet (wie auch auf einen Vergleich mit Homer und Vergil)233, während er dem Grammatiker Johannes, der sich in den NotSeneca, ep. 45,7 (I 117,1.5f. Reynolds) hin: „Adulatio quam similis est amicitiae… Venit ad me pro amico blandus inimicus“; zit. auch in Hier. adv. Pelag. I 27 (CChr.SL 80, 35,20–22 Moreschini). 229 Hier. ep. 48,4,3 (CSEL 54, 349,23–350,3): „porro eloquentiam, quam pro Christo in Cicerone contemnis, in paruulis non requiras. ecclesiastica interpretatio, etiam si habet eloquii uenustatem, dissimulare eam debet et fugere“; vgl. auch ep. 36,14,1 an Damasus (CSEL 54, 280,13–16): „Scio haec molesta esse lectori, sed de Hebraeis litteris disputantem non decet Aristotelis argumenta conquirere nec ex flumine Tulliano eloquentiae ducendus est riuulus nec aures Quintiliani flosculis et scolari declamatione mulcendae“; dazu CONRING 2001, 239. 230 Hier. ep. 66,9,1 (CSEL 54, 658,18–659,1): „Non coturnatam affectas eloquentiam nec more puerorum argutas sententiolas in clausulis struis.“ 231 Hier. quaest. hebr. in Gen. (CChr.SL 72, 1,11f. de Lagarde): „[Cicero] qui in arce eloquentiae Romanae stetit, rex oratorum et Latinae linguae illustrator“. 232 Hier. ep. 50,2,1 (CSEL 54, 389,11–15): „Inuentus est homo absque praeceptore perfectus, πνευµατοφόροςκαὶθεοδίδακτος, qui eloquentia Tullium, argumentis Aristotelen, prudentia Platonem, eruditione Aristarchum, multitudine librorum χαλκέστερον Didymum, scientia scripturarum omnes sui temporis uincat tractatores“; vgl. ebd. 1,2 (388,13–,89,2): „Hunc, dialecticum urbis uestrae et Plautinae familiae columen, non legisse quidem κατηγορίας Aristotelis, non περὶἑρµενείας, non ἀναλυτικά, non saltim Ciceronis τόπους, sed per inperitorum circulos muliercularumque συµπόσια syllogismos ἀσυλλογίστους texere et quasi σοφίσµατα nostra callida argumentatione dissoluere“; doch heißt dies keineswegs, dass der Polemiker all dies (außer vielleicht Ciceros Topica) selbst gelesen hätte! 233 Sidon. ep. I 1,2 (II 2): „Nam de Marco Tullio silere melius puto“, nachdem zuvor keine Geringeren als Plinius und Symmachus als Vorbilder genannt worden waren! Vgl. ep. V 17,1 an Eriphius (a. 469; II 201): „ceterum a iusto longe resultat, cum mihi assignas quae uix Maroni aut Homero competenter accomodarentur“ und ep. IX 15,1 vv. 45–49 (III 176): „Proculus melodis insonare pulsibus / limans faceta quaeque sic poemata, / Venetam lacessat ut fauore Mantuam / Homericaeque par et ipse gloriae, / rotas Maronis arte sectans compari“. Ennodius (carm. I 3,22f.; MGH.AA VII, 202f. Vogel) verglich Proculus dagegen mit Pindar. HAARHOFF 1920, 225 unterstreicht, „with what elaborate courtesy the ‚litterati‘ of Gaul treated one another at this time. They called one another Ciceros and Vergils on the slightest provocation.“

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zeiten der Westgotenherrschaft als einziger um die Bewahrung der klassischen Bildung verdient gemacht habe, attestiert: „Deshalb müssen die Zeitgenossen und die Nachwelt dich durch inbrünstige Gebete als einen zweiten Demosthenes oder einen zweiten Cicero vergöttern.“234 Die wechselseitige Zuschreibung literarischer Fähigkeiten durch die Identifizierung mit Größen der normativen Vergangenheit erweist sich hier als geläufiger Topos der spätantiken – auch christlichen – Briefkultur. Das soeben gelobte Paar – Demosthenes und Cicero – kann in Paulinus’ Brief an Jovius auch als Verkörperung zweckfreier ästhetischer Beschäftigung gelten, der das ethisch verpflichtende Lesen der Bibel gegenüber gestellt wird: „Gerade die Fülle deiner Beredsamkeit und wissenschaftlichen Bildung beweist, daß dir mehr ein angemessenes Verlangen fehlt, die heiligen Schriften zu lesen, als freie Zeit oder Möglichkeit… Ich frage dich: Wo sind dann die finanziellen Verpflichtungen, wenn du Tullius und Demosthenes durchliest? Gleichsam schon voll Überdruß aus Übersättigung am üblichen Lesestoff wälzt du in immer wiederholter Lektüre Xenophon, Plato, Cato, Varro und außerdem noch viele, von denen wir vielleicht nicht einmal die Namen kennen, aber du sogar die Bücher besitzt. Um dich mit jenen zu beschäftigen, warst du ohne Verpflichtungen und frei; um Christus, d.h. die Weisheit Gottes, kennenzulernen, hast du Verpflichtungen und bist beschäftigt… Verwandle deine Weisheit und deine Beredsamkeit! Du brauchst nicht deine geistige Bildung abzulegen, wenn du sie nur mit Glauben würzt und, mit Frömmigkeit verbunden, weiser gebrauchst. Du sollst ein Philosoph und Dichter Gottes sein, weise nicht durch die theoretische Suche nach Gott, sondern durch die Nachahmung Gottes. Dann wirst du so sehr sprachliche Bildung wie Lebensbildung besitzen und Bedeutsames ebenso erörtern wie tun.“235 234 Sidon. ep. VIII 2,2 (III 84): „debent igitur uel aequaeui uel posteri nostri uniuersatim feruentibus uotis alterum te ut Demosthenem, alterum ut Tullium nunc statuis, si liceat, consecrare nunc imaginibus, qui te docente formati institutique iam sinu in medio sic gentis inuictae, quod tamen alienae, natalium uetustorum signa retinebunt“; Übers. KAUFMANN 1995, 233. Zu diesen beiden Prototypen griechischer und lateinischer Rhetorik vgl. das sonst nicht nachweisbare Zitat in Hier. ep. 52,8,3 (CSEL 54, 429,12–14): „Marcus Tullius, ad quem pulcherrimum illud elogium est: ‚Demosthenes tibi praeripuit, ne esses primus orator, tu illi, ne solus‘…“; sie werden bei Hieronymus oft in einem Atemzug genannt: epp. 29,1,3; 49,13,3 (CSEL 54, 233,3f.; 369,3f.); ep. 84,6,1 (CSEL 55, 127,15f.); epp. 130,6,1; 147,5,1 (CSEL 56, 180,24–26); in Gal. III praef. (PL 26, 400C); weitere Belege bei ELLSPERMANN 1949, 130 Anm. 21; vgl. auch HAGENDAHL 1958, 290 sowie Ennod. ep. VIII 1 (268,16 V.) über Boethius: „Inter Ciceronis gladios et Demosthenis enituit“. 235 Paul. Nol. ep. 16,6 (FC 25/1, 386,3–6.11–18.19–24): „Arguit enim ipsa facundiae tuae doctrinaeque fecunditas voluntatem tibi potius in sacris litteris parem quam aut vacationem aut facultatem abesse… Quaeso te, ubi tunc tributa sunt, cum Tullium et Demosthenem perlegis? Vel iam usitatiorum de saturitate fastidiens lectionum Xenophontem, Platonem, Catonem Varronemque perlectos revolvis multosque praeterea, quorum nos forte nec nomina, tu etiam volumina tenes? Ut istis occuperis, immunis et liber, ut Christum hoc est sapientiam dei discas, tributarius et occupatus… Verte potius sententiam, verte facundiam. Nam animi philosophiam non deponas licet, dum eam fide condias et religione conserta utare sapientius, ut sis dei philosophus et dei vates, non quaerendo sed imitando deum sapiens, ut non lingua quam vita eruditus tam disseras magna quam facias.“ ERDT 1976, 173 weist auf einen zeitgenössischen pelagianischen Brief hin (zit n. Carl Paul C ASPARI, Briefe, Abhandlungen und Predigten aus den letzten zwei Jahrhunderten des kirchlichen Alterthums und dem Anfang des Mittelalters,

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Die Klassikerlektüre des Gebildeten erscheint hier als Ausfüllung des aristokratischen otium. Nicht an ihre Stelle, sondern neben sie soll nach Paulinus die Lektüre der Heiligen Schrift treten. Damit modifiziert er das zuvor für Sulpicius Severus entworfene Programm, sich von der Weisheit der Weltmenschen völlig abzuwenden: „Über sie und über uns sind wir nämlich hinreichend unterrichtet durch die Heiligen Schriften.“236 Der Brief an Jovius beschreibt dagegen ein Nebeneinander beider Komplexe von Literatur, nicht eine scharfe Alternative, die – wie bei Augustin – als Bruch der Briefkonvention die Abwehrhaltung des (noch) nicht konversionswilligen Adressaten wohl noch verstärkt hätte. Aber eben um Konversion geht es Paulinus – nicht zufällig wird das Verb vertere mit Weisheit und Beredsamkeit in Verbindung gebracht: Jovius soll keine andere Bildung erwerben, sondern dieselbe Bildung anders gebrauchen, soll also durchaus ein Philosoph und Poet, aber beides in Bezug auf Gott sein; er soll statt des distanzierten quaerere das lebenspraktische imitari üben, worin Bildung des Intellekts mit Bildung der Moral vereint ist. Leitend ist der Komparativ: „Weiser“ soll das gebraucht werden, was dem Adressaten ohnehin im Überfluss zur Verfügung steht237 – worin eine nicht unerhebliche Modifikation von 1 Kor 1,24 liegt, wo der gekreuzigte Christus in paradoxer Rede als Weisheit Gottes der Weisheit der Welt strikt opponiert wird. Paulinus hingegen suggeriert seinem Adressaten, die Weisheit der Welt müsse nicht verworfen, sondern transformiert, genauer: neu kontextualisiert werden, nämlich im Verhältnis zur Weisheit Gottes, der dem Jovius seine Fähigkeiten als „eine gleichsam geborgte Gabe“ mitgeteilt hat. Dieser darf und soll sie nutzen – „sofern du es dir zur einzigen Sorge machst, zu bekennen, daß Gott der Spender auch dieser Dinge ist.“238 Erst dann wird für Paulinus der Schritt von der ästhetischen Spielerei, von der „Beredsamkeit der Philosophen“ (philosophorum facundia) zur Wahrheit getan, die dem Denker selbst und seinen Mitmenschen dienlich ist: Christiania 1890, 17): „Ut Uirgilium, Sallustium, Terentium, Tullium et caeteros stultitiae et perditione auctores non Deum, sed idola legeres praedicantes, tempus uacuum habuisti. Nunc uero, ut prophetas, ut Christum, ut apostolos, diuinae sapientiae et aeternae uitae magistros legas, diuersis curis et innumeris necessitatibus praepediris.“ Vgl. BROX 1981, 279: „Paulin erkennt in der Kultur nichts als sündig autonome Anstrengung des Menschen, die noch dazu aussichtslos ist… Es gibt für ihn keinen wirklichen Grund, auch nicht einen erzieherischen oder missionarischen, hinter die Ablehnung der antiken Welt der Paideia vorübergehend zurückzugehen.“ Der Brief an Jovius zeige allenfalls „eine begrenzte Konzilianz in dieser Richtung“ (ebd. Anm. 29). 236 Paul. Nol. ep. 1,2 (FC 25/1, 120,10f.): „instructi enim satis per sacras litteras et de ipsis et de nobis sumus.“ 237 Vgl. Paul. Nol. ep. 16,9 (390,20) zu den Gaben Gottes, „quaecumque tibi donavit ingenita aut adiecit extrinsecus“, präzisiert als „ingenii tui facultates et omnes mentis ac linguae opes“ (Z. 24f.). 238 Paul. Nol. ep. 16,9 (390,18f.21–23): „quasi mutuo beneficio redde summo patri gratiam… Habeas licet tibi et tuis cuncta quae possides, tantum id curans, ut horum quoque largitorem deum esse fatearis.“ Vgl. ERDT 1976, 218: Jovius „soll als Grandseigneur, der er ist, nicht mehr heidnisch, sondern christlich in seiner Freizeit und Muße dichten und schreiben.“

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„Besser ist es, wenn du das Göttliche bereits besitzt, während du es suchst, als daß du es suchst, indem du darüber diskutierst. Gib diejenigen auf, die sich immer mit der Dunkelheit der Unwissenheit beschäftigen, die sich verzehrt haben im Gezänk ihrer gebildeten Geschwätzigkeit und sich zu Sklaven gemacht haben in der unsinnigen Auseinandersetzung mit ihren eigenen Wahngebilden. ‚Sie suchen immer die Weisheit und finden sie nie‘ [2 Tim 3,7], denn sie verdienen es nicht, Gott zu verstehen, an den sie nicht glauben wollen. Für dich soll es genug sein, von jenen den Reichtum des sprachlichen Ausdrucks und den Schmuck der Rede zu erwerben – gleichsam wie eine Rüstung aus den Waffen des Feindes, damit du, nackt in bezug auf ihre Irrtümer und bekleidet mit ihrer Redekunst, jene Schminke der Beredsamkeit, mit der die leere Weisheit täuscht, auf die volle Wirklichkeit aufträgst. So sollst du nicht ein leeres Schriftwerk der Fiktionen, sondern ein mit Mark erfülltes Werk der Wahrheit ausschmücken und nicht nur Dinge erwägen, die den Ohren gefallen, sondern auch den Seelen der Menschen nutzen werden.“239

Rhetorik kommt hier als eine Kunst in den Blick, die ihren Gegenstand bereits voraussetzt, so dass der methodische Schritt der inventio im Grunde ausgeklammert wird – wenn aber der Glaube erst einmal ergriffen ist, kann er unbefangen mit allem sprachlichen Pomp denjenigen kommuniziert werden, die solches schätzen. Wird dagegen Grund und Gegenstand rhetorischer Kommunikation in dieser selbst erblickt, entsteht nichts anderes als erudita loquacitas, die Paulinus pauschal den „Philosophen“ attestiert. Die Philosophie erscheint also als freitragende Denkanstrengung, die Göttliches allein mit der ratio zu verstehen sucht.240 Paulinus’ im Frühjahr 395 abgefasstes Schreiben an Amandus formuliert daher als Ziel des missionarischen Wirkens durch Briefe, „alles Verstehen zum Gehorsam gegenüber Christus zu veranlassen“.241 Paulinus liefert damit die Rechtfertigung dessen, was er in seinem Brief an Jovius gerade selber tut, nämlich seine rhetorische Bildung – die doch seiner eigenen Darstellung nach als „Afterkunst par excellence“ erscheint! – in den Dienst der Überzeugung des Adressaten zu stellen und sie damit als etwas zu betrachten, was für den Christen weder wesentlich noch notwendig ist, im Bedarfsfall aber nützlich werden kann, wenn die Waffen des Feindes gegen diesen gekehrt werden sollen.242 Damit wird aber wiederum ein Topos der spätantiken Brieftheorie, nämlich die Forderung nach Adäquanz von Sprache 239 Paul. Nol. ep. 16,11 (394,15–396,5): „Melius enim tenere te potius divina quaerentem quam quaerere disputantem. Mitte illos semper in tenebris ignorantiae volutatos, in contentionibus eruditae loquacitatis absumptos et altercatione vesana cum suis phantasmatis famulatos, semper quaerentes sapientiam et numquam invenientes, quia quem nolunt credere deum intellegere non merentur. Tibi satis sit ab illis linguae copiam et oris ornatum quasi quaedam de hostilibus armis spolia cepisse, ut eorum nudus erroribus et vestitus eloquiis fucum illum facundiae, quo decipit vana sapientia, plenis rebus accommodes, ne vacuum figmentorum sed medullatum veritatis corpus exornans, non solis placitura auribus sed et mentibus hominum profutura mediteris.“ 240 Zur negativen Sicht der Philosophie bei Paulinus vgl. ERDT 1976, 291f. (zu ep. 12,4; FC 25/1, 284,9–16). 241 Paul. Nol. ep. 2,4 (FC 25/1, 142,19f.): „omnem intellectum ad oboediendum Christo perducere“; vgl. 2 Kor 5,10. 242 Das Zitat bei ERDT 1976, 292; vgl. aaO. 253–256 sowie GNILKA 1984, 88–91.

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und Stil zum Bildungsniveau des Adressaten243, „christianisiert“. Dass Paulinus nirgendwo empfiehlt, die Klassiker zu lesen oder die Jugend darin zu unterweisen, erlaubt nicht den Schluss, es sei „nicht einmal mehr eine Berufung auf sie als eine Verständigungsbasis“244 statthaft; die fehlende Reflexion über schulische Bildung ist vielmehr darin begründet, dass Paulinus sich in einem literarischen Umfeld bewegt, in dem die fraglichen Kenntnisse selbstverständlicher Besitz sind. Das seinem Brief an Jovius beigefügte Gedicht245 lässt erkennen, dass der Absender über all das verfügt, was er für überflüssig erklärt – das Begleitschreiben dient also der Rekontextualisierung der depotenzierten Bildung aus christlicher Perspektive.246 Inhaltlicher Referenzrahmen ist dabei die Bibel, ohne dass sich als Voraussetzung für deren Verständnis klassische Bildung erübrigen würde; diese ist vielmehr nötig, um Paulinus’ Briefe „kunstgerecht“ zu entschlüsseln und so zu ihrer missionarischen Zielsetzung vorzustoßen.247 Damit steht Paulinus trotz der an Tertullian gemahnenden Invektiven gegen literarische und philosophische Bildung eher in der Tradition frühchristlicher Apologeten wie Justin und Minucius Felix, die literarische Bildung und religiöse Erkenntnis als miteinander harmonierend angesehen hatten (s.o. S. 89. 103f.). Interessanterweise anerkennt der „Heide“ Jovius dabei – im Unterschied zum Christen Ausonius! – die asketische Lebensform des gebildeten Senators.248 Gerade weil Paulinus ent243 Vgl. Z ELZER 1995, 544: „Im Bildungsprogramm der antiken Schule spielte das Verfassen von Briefen eine wichtige Rolle, da es sich besonders eignete zur Übung der ἠθοποιία, der Anpassung von Ausdruck und Stil auf eine vorgegebene Situation oder Thematik.“ 244 So aber E RDT 1976, 297. 245 Paul. Nol. carm. 22 (186–193 H./K.); z.T. zit. S. 212. Im Blick auf die Natalicia für den heiligen Felix von Nola wurde offenbar kritisch gefragt, ob denn Poesie zum Lobpreis des Heiligen statthaft sei, woraufhin Paulinus erklärte (carm. 20,28.32 a. 406; 144 H./K.): „non adficta canam, licet arte poematis utar… at nobis ars una fides et musica Christus“. 246 Wenig glücklich erscheint mir die Rede von „konzedieren“ bzw. „zugestehen“ (E RDT 1976, 305f.) im Blick auf die Beibehaltung des „heidnischen“ Bildungsgutes durch Jovius, die eine strikte Trennung von (akzeptabler) Form und (nicht tolerierbarem) Inhalt der antiken Schulautoren voraussetzt – es ist zweifelhaft, ob Paulinus die Verwendung der rhetorischen Formensprache lediglich als Substitut für eine (nicht vorhandene) spezifisch christliche Prosa hinnahm. Dass die Gedankenwelt des Christentums „von ihrer Vorgängerin, der antiken Kultur, nur das notwendige Elementare und rein Technische übernahm“ (aaO. 307), entspricht der Sicht mancher spätantiker Theologen, nicht jedoch den vielfältigen Interdependenzen, die sich aus der vorliegenden Untersuchung ergeben. 247 Vgl. CONYBEARE 2000, 116: „These works demand a reader who is highly educated within an appropriate matrix of reference, but as a means to an end: to equip him or herself to look beyond the letter to the spirit, beyond the literal to the spiritual. This runs exactly counter to the explicit message of Paulinus’ letters: the fiction actively sustained is of an unintellectual programme of ascetic behaviour, whereas his prose style presupposes a great deal of Christian education…“. 248 Paul. Nol. ep. 16,1 (372,10–12): „cum certe studiosus Christiani nominis conprobatorque propositi etiam nostri amore docearis“; vgl. MRATSCHEK 2002, 171–173; zu Ausonius s.o. S. 145f.

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gegen seiner eigenen Beteuerung nicht auf die Preisgabe seiner eigenen kulturellen und literarischen Herkunft verzichtete, konnte er die Askese in der Aristokratie Galliens und Italiens „gesellschaftsfähig“ machen.249 Weit unbefangener geht Ambrosius von Mailand in seinen Briefen mit Bildungsgehalten um. Dies zeigt sich im Schreiben an den rhetorisch kundigen Bischof Sabinus, der die Briefe prüfen und verbessern solle, um sie dann einem weiteren Publikum vorlegen zu können: „Ich möchte nämlich lieber, dass dein Urteil, wenn etwas anstößig klingt, korrigierend eingreift, bevor es in die Öffentlichkeit hinausgeht, von wo es keine Möglichkeit eines Rückrufes mehr gibt, als dass von dir etwas gelobt wird, das von anderen getadelt werden wird.“250

Der Freund möge diese Prüfung nicht „auf die lange Bank schieben“, wie Ambrosius in Anlehnung an Cicero mit einer schon damals sprichwörtlichen Wendung mahnt.251 Damit wird die intendierte Öffentlichkeit als Forum der Cicero-Kenner spezifiziert, weshalb die Schriftstücke kritischer Durchsicht bedürfen: „Schlecht ergeht es dem Buch, das sich ohne Dolmetscher nicht verteidigen kann.“252 Noch ein Jahrhundert später begegnet diese Sorge im Schreiben des Avitus von Vienne an den Rhetor Viventiolus, in dem er zu dem Gerücht Stellung nimmt, ihm sei in einer Predigt in Lyon ein Barbarismus unterlaufen, was der Bischof mit einer ironischen Anspielung auf Vergil beantwortet: Er habe selbstverständlich in jüngeren Jahren auch literarische Studien getrieben, jedoch – „das Alter reißt alles hinweg!“253 Sabinus sollte also in Ambrosius’ Briefen Worte „dubii ponderis et fallacis staterae“ identifizieren und markieren254, und zwar anhand folgenden Kriteriums: „Nutze also mit wohlwollendem Herzen das Ohr der hämischen Kritik und untersuche alles, zerrupfe die Rede, ob sich darin wirklich nicht Worte forensischer Schmeichelei

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So MRATSCHEK 2002, 177. Ambr. ep. 32(48),1 (CSEL 82/1, 226,5–8): „Malo enim tuo corrigatur iudicio si quid movet, priusquam foras prodeat, unde iam revocandi nulla facultas sit, quam laudari a te quod ab aliis repraehendatur“; vgl. dazu ZELZER 1987, 217. 251 Ambr. ep. 32(48),1 (226,11f.): „Non erit ‚longi subsellii‘ ista ‚iudicatio et mora‘, ut dictum est antiquitus; facile est tibi de nostris iudicare“; vgl. Cic. fam. III 9,2. 252 Ambr. ep. 32(48),3 (227,30–32): „male habet liber, qui sine adsertore non defenditur. Ipse igitur pro se loquatur, qui procedit sine interpraete.“ 253 Avit. ep. 57 (MGH.AA VI/2, 85,21–23 Peiper): „fateor istud potuisse contingere, praesertim mihi, cui, si qua in annis viridioribus fuerant studia litterarum, ‚omnia fert aetas‘“ (Verg. Ecl. IX 51; zit. auch bei Hier. ep. 52,1,2; CSEL 54, 414,12; ep. 105,3,3; FC 41/1, 152,3; vgl. HAGENDAHL 1958, 281). Vgl. Avitus’ Mahnung, dem großen Vorbild nicht in dessen dichterischer Freiheit zu folgen, da in der Gegenwart vor allem die Reinheit der lateinischen Sprache, die „integritas Latinitatis“ (86,22), bewahrt werden müsse: „Virgilianae auctoritatis exemplo, quem vel ob hoc in barbarismorum usurpatione non debemus sequi, quia in carminum dignitate non possumus consequi...“ (86,26–28); vgl. HAARHOFF 1920, 26; KÜHNEWEG 2004, 126f. 254 Ep. 32(48),3 (CSEL 82/1, 227,28f.). 250

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und Überredungskunst finden, sondern Ernsthaftigkeit des Glaubens und Nüchternheit des Bekenntnisses.“255

Wurde zuvor auf Cicero angespielt, so klingt hier die paulinische Kautele gegen weltliche Rhetorik (1 Kor 2,4) an, zugespitzt auf das Gerichtswesen – Paulus war dem bischöflichen Kollegen natürlich geläufig. Ambrosius bietet damit ein weiteres Beispiel für eine analoge, ja kombinierte Hermeneutik von Zitaten paganer Literaten und biblischer Autoren. Dabei steuert Ambrosius die Verwendung von Klassiker- oder Bibelzitaten je nach Adressaten: Gegen die senatorischen Verteidiger des Victoria-Altars wird bewusst mit der beide Seiten verbindenden römischen literarischen Tradition argumentiert, ja sogar „Roma“ selbst als Zeugin dafür aufgerufen, dass das Christentum der legitime Erbe der romanitas sei.256 In den Briefen an Sabinus hingegen, also im brieflichen Gespräch unter christlichen Brüdern und bischöflichen Kollegen, finden sich nach demselben Webmuster vorwiegend Bibelzitate und -anspielungen – wenn auch keineswegs ausschließlich, wie das oben erwähnte Cicero-Zitat zeigt, das offenbar nicht unter die zu tilgenden „Schmeichelworte“ fällt. Die Prädominanz der Bibelzitate erklärt sich sehr einfach daraus, dass Ambrosius das Genos des Freundschaftsbriefes mit einer spezifisch christlichen Thematik verband, nämlich mit der Behandlung exegetischer Fragen. Bereits in dem programmatisch angelegten ersten Brief seines Briefcorpus wird der Inhalt des sermo absentium als „interpraetatio oraculi caelestis“ bestimmt – „denn was ist der Freundschaft dienlicher, als ein Gespräch über Göttliches zu führen?“257 Das Versenden exegetischer Traktate in Briefform erhält seine epistolographische Begründung in einem weiteren Brief an Sabinus: „Wenn nun, wie du mahnst, auch etwas von den alten Schriften in den Briefen anklingt, scheinen nicht nur durch die Macht der wahren Lehre die Seelen miteinander verschmolzen zu werden, sondern auch Form und Gattung eines ausführlicheren Gesprächs zum Ausdruck zu kommen, so dass unter dem Wechsel von Fragen und Antworten der Disput die Freunde in eins zusammenzuführen und einander persönlich gegenüberzustellen scheint, die sich durch ein solches Amt auseinandersetzen und umarmen.“258

255 Ebd. (Z. 25–28): „Adsume igitur benivolenti animo aurem versutiae et pertracta omnia, sermones vellica, si in his non forenses blanditiae et ‚suasoria verba‘, sed fidei sinceritas est et confessionis sobrietas.“ 256 Vgl. dazu oben S. 155 sowie O BERHELMAN 1991, 47: „Clearly, Ambrose could shift, when the occasion seemed appropriate, to the very plane of the sophistic style that the Christian fathers derided as pagan. Content may have varied and the Christian’s purposes were more spiritual (or so it seemed to them), but style was one area where pagan and Christian often found common ground.“ 257 Ambr. ep. 1(7),1 (CSEL 82/1, 3,3–8): „Pulchre admones, frater, ut epistulares fabulas et sermonem absentium ad interpraetationem conferamus oraculi caelestis, interrogans me, quid significet illud didrachmum, cuius dimidium Hebraeus praecipitur offerre ‚pro redemptionem animae suae‘. Quid enim tam consociabile quam de divinis rebus sermonem contexere?“ 258 Ep. 37(47),5 (CSEL 82/2, 21,30–22,37): „Iam si, ut hortaris, aliquid et de veteribus scripturis redoleat in epistulis, non solum animi conglutinari videntur per verae doctrinae profectum, sed etiam plenio-

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Die Funktion des Freundschaftsbriefes liegt also nach Ambrosius darin, mit gemeinsamer Exegese amicitia zu begründen und zu pflegen. Die literarische Gattung erfährt damit eine christliche Transformation.259 Dies beinhaltet auch einen neuartigen Traditionsanschluss – Ambrosius führt als Prototyp der maiores nostri, also der biblischen Autoren, „die mit ihren Briefen dem Verstand der Völker den Glauben einflößten, reine und inhaltsreiche Schriftstücke abfassten und damit anzeigten, dass sie anwesend waren, selbst wenn sie als Abwesende schrieben“, niemand anderes als den Apostel Paulus an. 260 Aber auch für die epistolographische Anweisung Ciceros: „Unsere Briefe müssen mitunter einfach plaudern“261 bietet Ambrosius im Brief an Chromatius eine sprachliche wie sachliche biblische Analogie: „Dieses Werkchen habe ich deinem heiligmäßigen Geist übersandt, weil du willst, dass ich etwas über die Auslegung der alten Schriften zusammenschreibe. Ich aber habe es unternommen, Briefe in vertrautem Umgangston zu schreiben, die etwas von den Gewohnheiten der Väter erkennen lassen. Wenn diese Art deinen Beifall gewinnt, will ich künftig nicht zögern, dir davon mehr zu schicken. Denn ich will lieber mit Worten eines Greises über himmlische Dinge mit dir ‚scherzen‘ (alucinari), was man griechisch ἀδολεσχῆσαι nennt: ‚Denn Isaak ging hinaus aufs Feld, um ein Schwätzchen zu halten‘ [Gen 24,63 LXX]; als aber Rebecca kam, erkannte er im Herzen das Geheimnis der kommenden Kirche. Ich sage es nochmals: Lieber will ich mit dir in Worten eines Greises plaudern, damit ich nicht die Kunst preiszugeben scheine, als mit dem Feuer des Redners, das weder unserer Bildung angemessen ist noch unseren Kräften, irgendetwas groß aufzublasen.“262

Im genus familiare et iocosum können in zwangsloserer Form als in Kommentaren, jedoch ausgefeilter als in extemporierten Predigten exegetische Fragen behandelt werden. Ambrosius rezipiert damit nicht nur die antike epistolographische Schultradition und erweist diese Rezeption zugleich als legitime

ris colloquii species et forma exprimi, ut inter quaerendi et respondendi mutuas vices assumptas concertatio in unum conducere et coram videatur amicos locare, qui tali se lacessunt et complectuntur munere.“ 259 Vgl. zuletzt ZELZER/ZELZER 2002, 394 (als Summe eigener früherer Forschungen). 260 Ambr. ep. 37(47),6 (22,38–46): „Quid autem maiorum nostrorum exempla proferam, qui epistulis suis fidem infuderunt populorum mentibus atque integros et confertos scripserunt codiculos et praesentes se esse, cum absentes scriberent, significarunt, dicente sancto apostolo quia ‚absens‘ erat ‚corpore, sed praesens spiritu‘, non solum cum scriberet, sed etiam cum iudicaret? Denique absens per epistulam condemnabat et idem absolvebat per epistulam. Epistula enim Pauli quaedam effigies erat eius praesentiae et forma operis“; vgl. 1 Kor 5,3: ἀπὼντῷσώµατι,παρὼνδὲτῷπνεύµατι; dazu THRAEDE 1970, 185–187. 261 Ad Q. fr. II 10,1 (55,4f. Shackleton Bailey): „epistulae nostrae debent interdum alucinari“. 262 Ep. 28(50),16 (CSEL 82/1, 194,149–159): „Hoc munusculum sanctae menti tuae transmisi, quia vis me aliquid de veterum scriptorum interpraetationibus paginare. Ego autem adsumpsi epistulas familiari sermone adtexere redolentes aliquid de patrum moribus. Quarum gustum si probaveris, posthac huiusmodi mittere non verecundabor. Malo enim senilibus verbis de supernis rebus alucinari tecum, quod graece dicunt ἀδολεσχῆσαι·᾿Εξῆλθενγὰρ᾿Ισὰκεἰςτὸνπεδίονἀδολεσχῆσαι, veniente Rebecca, futurae ecclesiae animo videns mysteria. Malo, inquam, alucinari tecum verbis senilibus, ne videar artem desisse [Cic. fam. VII 1,4], quam concitatioribus deflare aliquid iam nec studiis nostris aptum nec viribus.“

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Möglichkeit263, sondern liefert auch die theoretische Begründung für die zeitgleich einen steilen Aufschwung nehmende Praxis christlicher Exegese in Briefform. Zwar gehörte ein nicht schulspezifisch gestaltetes συµφιλοσοφεῖν durchaus ins Repertoire klassischer Epistolographie; neu ist jedoch die Dominanz, die exegetische Inhalte in zahlreichen Briefen ausüben, so dass Augustin zu dem oben zitierten Notbehelf greifen musste, einen Traktat durch Angabe des Adressaten als Brief zu klassifizieren. Sidonius Apollinaris sah sich daher zu einer ausführlichen Rechtfertigung genötigt, warum er einer Anfrage nach derartigem exegetischem Austausch nicht entsprechen konnte: „So etwas sollte besser von Priestern gefordert werden, die dir nicht nur durch den Ort benachbart, sondern auch hoch bejahrt, berühmt für ihren Glauben, durch ihre Arbeit allbekannt, redegewandt und mit zuverlässigem Gedächtnis ausgestattet, kurz, vorzüglicher sind in all der Gabe erhabener Verdienste.“264

Umgekehrt sind zahlreiche Briefe des Ambrosius verschriftlichte Homilien und exegetische Betrachtungen, die ursprünglich an einen anderen Adressatenkreis gerichtet waren; die im Incipit genannten Personen dürften daher eher als „Widmungsempfänger“ zu verstehen sein.265 Entsprechend konnte der Bischof in seiner wiederum an Cicero orientierten Abhandlung De officiis generelle Merkmale eines tractatus in Anlehnung an epistolographische Normen beschreiben: Eine Abhandlung solle „weder ausufern noch unvermittelt abbrechen, weder Überdruss hervorrufen noch Trägheit und Leichtsinn fördern“; anzustreben sei „eine reine, einfache, erhellende und klar begründete Rede, voll von Bedeutsamkeit und Gewicht, nicht von rhetorischer Eleganz bestimmt, sondern geleitet durch Gnade“.266 Entsprechend der Orientierung an exegetischen Inhalten wird auch Paulinus von Nola durch Hieronymus belehrt: Wenn jener dieses biblische Fundament besäße, „gäbe es nichts Schöneres, nichts Gelehrteres, nichts, was in besserem Latein verfaßt wäre, als deine Schriften“.267 Der Weg dahin aber sei

263

Vgl. ZELZER 1987, 223 sowie bereits THRAEDE 1970, 190. Sidon. ep. IV 17,3 (II 150): „iustius haec postulantur a sacerdotibus loco propinquis aetate grandaeuis, fide claris opere uulgatis, ore promptis memoria tenacibus, omni denique meritorum sublimium dote poterioribus“; Übers. KAUFMANN 1995, 74. Ebenso wollte sich Sidonius nicht als Historiker betätigen; vgl. ep. IV 22,2 an Leo (II 160): „ego Plinio ut discipulus assurgo et tu uetusto genere narrandi iure Cornelium [sc. Tacitum] anteuenis.“ 265 So Z ELZER 1987, 223f.; DIES. 1993, 155. 266 Ambr. off. I 22,101 (CChr.SL 15, 38,34–38 TESTARD ): „(tractatus) neque nimium prolixus neque cito interruptus neque uel fastidium derelinquat uel desidiam prodat atque incuriam; oratio pura, simplex, dilucida atque manifesta, plena grauitatis et ponderis, non adfectata elegantia sed non intermissa gratia.“ Vgl. ELLSPERMANN 1949, 122f. 267 Hier. ep. 58,9,2 (CSEL 54, 539,6–8): „si haberes hoc fundamentum, immo quasi extrema manus in tuo opere duceretur, nihil pulchrius, nihil doctius nihilque Latinius tuis haberemus uoluminibus“. Zum Briefwechsel zwischen Paulinus und Hieronymus vgl. HAGENDAHL 1958, 185–191. 264

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eine Kunst („scripturarum ars“)268, die erlernt und gepflegt sein wolle: „Alles, was wir in den göttlichen Büchern lesen, glänzt und leuchtet schon in der Rinde, aber noch süßer ist das Mark. Wer den Kern essen will, muß die Nuß knacken“ – wobei Hieronymus elegant ein Plautus-Zitat in seine Paränese einflicht.269 Das christliche proprium (die Auslegung der Heiligen Schrift) ging mit dem antiken ordinarium (der Bekundung und Vertiefung freundschaftlicher Verbundenheit durch den Austausch literarischer Briefe) eine enge Symbiose ein, weshalb Hieronymus Marcella empfahl, bisweilen das Zusammensein im Gespräch durch ein wenig Salz der Lehre zu würzen.270 Dass dies in den gebildeten Kreisen Roms zur selben Zeit konsensfähig war, als Ambrosius in Mailand seine exegetischen Abhandlungen in Briefform goss, belegt schließlich ein Brief des Damasus an den aufstrebenden Exegeten Hieronymus: „Ich halte aber künftig keinen Gesprächsgegenstand für unserer Unterhaltung würdiger, als wenn wir uns über die Schriften austauschen, und zwar so, dass ich frage und du antwortest. Für angenehmer als dieses Leben halte ich nichts in diesem Lichte, eine Speise der Seele, die jeden Honigtrank übertrifft – ‚wie süß‘, sagt der Prophet, ‚sind für meine Kehle deine Worte, mehr als Honig für meinen Mund‘ [vgl. Ps 119,103]. Denn wenn wir Menschen uns dadurch, dass wir reden können, von wilden Tieren unterscheiden, wie der hochberühmte Redner sagt, dann ist des höchsten Lobes wert, wer die anderen darin übertrifft, worin die Menschen den wilden Tieren voranstehen.“271

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So bereits Hier. ep. 53,7,1 (CSEL 54, 453,3); vgl. dazu SCHÄUBLIN 1992, 172f. Hier. ep. 58,9,1 (CSEL 54, 538,14–17): „totum, quod legimus in diuinis libris nitet quidem et fulget etiam in cortice, sed dulcius in medulla est. qui esse uult nuculeum, frangit nucem“; vgl. Plautus, Curculio I 1,55: „qui e nuce nuculeum esse volt, frangit nucem.“ 270 Hier. ep. 29,1,1 (CSEL 54, 232,9f.): „licet interdum confabulationis tale conuiuium doctrinae quoque sale condiatur“. Vgl. aber auch bereits seinen ersten Brief an Paulinus (ep. 53,1; CSEL 54, 442,5–443,4): „uera enim illa necessitudo est, Christi glutino copulata, quam non utilitas rei familiaris, non praesentia corporum tantum, non subdola et palpans adulatio, sed timor domini et diuinarum scripturarum studia conciliant“; dazu CONRING 2001, 71f. 271 Damas. ap. Hier. ep. 35,1,2f. (CSEL 54, 265,13–266,5): „neque uero ullam puto digniorem disputationis nostrae confabulationem fore, quam si de scripturis inter nos sermocinemur, id est, ut ego interrogem, tu respondeas. qua uita nihil in hac luce puto iucundius, quo animae pabulo omnia mella superantur. ‚quam dulcia, inquit propheta, ‚gutturi meo eloquia tua, super mel ori meo‘. nam cum idcirco, ut ait praecipuus orator, homines bestiis differamus, quod loqui possumus, qua laude dignus est, qui in ea re ceteros superat, in qua homines bestias antecellunt“; vgl. THRAEDE 1970, 188; das Psalmzitat findet sich in dieser Textform auch bei Paul. Nol. ep. 1,1 (FC 25/1, 118,4f.) sowie bei Hier. ep. 54,17,1 (CSEL 54, 484,10f.) und noch in ep. 121 praef. 5 (CSEL 56/1, 4,13f.) im gleichen Wortlaut, während ep. 78,27,1 (CSEL 55, 71,16f.) die Vulgatafassung: „quam dulcia faucibus meis eloquia tua, super mel ori meo“ bietet. Zum Vergleich von Mensch und Tier vgl. bereits Cic. inv. 1,5; de orat. I 8,33; in christlichem Kontext ist hier vor allem Prudentius zu nennen: So unterscheide sich der Römer vom Barbaren wie der aufrecht gehende Mensch vom vierbeinigen Tier oder wie der Sprechende vom Stummen; dies gelte erst recht aber für diejenigen, die Gottes Vorschriften angemessen befolgten und sich von den törichten Kulten und ihren Irrtümern fernhielten (c. Symm. II 816–819; CSEL 61, 276 Bergman: „sed tantum distant Romana et barbara, quantum / quadrupes abiuncta est bipedi uel muta loquenti, / quantum etiam, qui rite 269

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2.2.3. Veröffentlichte Kommunikation: Briefsammlungen und Briefpartner Der literarische Freundschaftsbrief ist prinzipiell offen für seine Publikation – sei es gemäß oder entgegen der Intention des Autors, vor oder nach seinem Tod, um seiner Person oder um der Thematik willen.272 Die gezielte Stilisierung eines Briefes für die literarischen Ansprüche des Publikums schließt dabei nicht aus, dass es sich um einen „echten“, an einen konkreten Adressaten gerichteten und diesem womöglich auch zugestellten Brief handelt; der Absender war sich der unterschiedlichen Kommunikationszusammenhänge bewusst, in denen sein Werk rezipiert werden würde. Sich angesichts der Verbreitung eigener Schreiben überrascht zu geben gehört dabei zur Topik: Paulinus von Nola äußert einem gewissen Sanctus gegenüber Erstaunen, Freude und Dank dafür, dass dieser ein Verzeichnis der ihm zugegangenen Briefe des Paulinus angelegt hatte – „denn ich hätte mich wirklich fast an keinen von ihnen so erinnern können, so daß ich ihn als meinen wiedererkannt hätte, wenn ich nicht eurem Brief Glauben geschenkt hätte“; so sei er letztlich den Empfängern seiner Briefe besser bekannt als sich selbst.273 Auch Augustin wusste um die Verbreitung einzelner seiner Schreiben.274 Ob vom Autor beabsichtigt oder nicht, die adnotatio empfangener Briefe belegt eine spezifische Autorität des Absenders, die bereits das Corpus Paulinum bezeugt wurde und die auch in der Spätantike dazu führte, dass Briefe von christlichen Autoren zu Sammlungen zusammengefasst wurden. Briefe wurden aber nicht nur von Zeitgenossen oder von späteren Generationen gesammelt und veröffentlicht, sondern bisweilen auch vom Autor selbst in einer Sammlung publiziert, zuvor bearbeitet oder gar speziell dafür geschrieben. Bereits die Briefe Ciceros und Caesars wurden gesammelt und veröffentlicht; Plinius gestaltete im 2. Jahrhundert als erster Autor selbst eine solche Sammlung. Die Spätantike stellt die Blütezeit solcher epistolographischer Kollektionen dar, woran christliche Autoren erheblichen Anteil hatten. Zum Teil wurden Briefe an bestimmte Adressaten oder zu bestimmten Themen als Corpus veröffentlicht, so z.B. Augustins Briefe an Nebridius (epp. 3–

dei praecepta sequuntur, / cultibus a stolidis et eorum erroribus absunt“). Vgl. die konzise Formulierung bei Sidon. ep. IV 17,2 an Arbogastes (a. 471/77; II 150): „experiere per dies, quanto antecellunt beluis homines, tanto anteferri rusticis institutos“. 272 Vgl. Z ELZER 1997, 324. 273 Paul. Nol. ep. 41,1 (FC 25/3, 824,1–6): „Legimus in tergo epistolae adnotationem epistolarum, quas meas esse indicasti. Nam vere prope omnium earum ita inmemor eram, ut meas esse non recognoscerem, nisi vestris litteris credidissem. Unde maius accepi documentum caritatis vestrae, quia plus me vobis quam mihi notum esse perspexi.“ CONYBEARE 2000, 30 sieht in der Sammlung der PaulinusBriefe durch Sanctus „the creation through letters of a devotional textual tradition“. 274 Aug. ep. 162,1 (CSEL 44, 511,17–512,1); vgl. DIVJAK , AL 2 (2002), 907f. Zum Folgenden vgl. den Überblick bei ZELZER 1997, 337–347.

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14).275 Für Augustin gilt wie für Hieronymus oder Paulinus von Nola, dass erst nach ihrem Tod Sammlungen veranstaltet wurden, so dass die Schreiben nicht als redigierte und autorisierte „Gesamtausgabe letzter Hand“ vorliegen. Dies ist hingegen der Fall beim Briefcorpus des Ambrosius, das erst in jüngerer Zeit wieder als bewusst nach dem Vorbild des Plinius gestaltete Sammlung erkannt und ediert wurde.276 Ambrosius’ Briefe enthalten kaum politische oder historische Nachrichten, da die literarische Zielsetzung seiner Briefsammlung eine tiefgreifende Überarbeitung erforderte.277 Schon das frühe Mittelalter erkannte nicht mehr, dass Ambrosius seine Briefbücher keineswegs in heilloser Unordnung hinterließ, sondern – wie später Sidonius Apollinaris – dem Muster des Plinius folgte, und zwar einerseits hinsichtlich des Stilprinzips der variatio (im Unterschied zu Symmachus, der seine Briefe nach Adressaten ordnete), andererseits durch die Aufteilung in neun Bücher Privatkorrespondenz (analog zu Plinius und Symmachus) und ein Buch mit amtlichen Schreiben (bei Plinius die Trajan-Korrespondenz). Wie bei Plinius fungiert die Briefsammlung des Ambrosius als offiziöse Dokumentation seines Wirkens als Bischof, zu dem neben politischen und pastoralen Aufgaben in besonderer Weise die Schriftauslegung gehörte; hier ging Ambrosius signifikant über sein Vorbild hinaus.278 Sidonius Apollinaris schließlich brachte Plinius’ Prinzip der variatio und die von Symmachus zur Meisterschaft erhobene Kunstform des Freundschaftsbriefes in seiner Briefsammlung zusammen (s.o. S. 188). Anders als Ambrosius verzichtete er auf eine Zusammenstellung amtlicher Schreiben, so dass seine kirchenpolitische und pastorale Tätigkeit geradezu erstaunlich schlecht dokumentiert ist. Hingegen lassen sich aus seinen neun Briefbüchern unschätzbare Informationen über die gebildete Schicht im Gallien der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts gewinnen, die offensichtlich in einer Zeit politischer Wirren ihr kulturelles Überleben durch die Aufrechterhaltung literarischer Kommunikation zu sichern trachtete und sich dabei der Briefform bediente, deren an den klassischen Autoren orientierte Kunstsprache von der Mehrheit der Bevölkerung freilich kaum noch verstanden wurde, wie Avitus von Vienne beklagte.279 Sidonius Apollinaris wurde hingegen zu Lebzeiten 275 Dabei illustrieren die von Johannes Divjak 1974 in der Bibliothèque municipale von Marseille entdeckten Briefe die Vielgestalt kleinerer Corpora; vgl. DIVJAK, AL 2, 913–920. 276 Vgl. Z ELZER 1987, 213–226 (nach Vorarbeiten Otto Fallers und eigenen, aaO. 214 Anm. 30 genannten Studien; vgl. die Prolegomena zu CSEL 82/2, XV–LXXII); DIES. 1993, 153–156 (Vergleich mit Symmachus); ZELZER/ZELZER 2002, 393–403 (Plinius als Vorbild). 277 Im ursprünglichen Wortlaut erhalten sind nur 15 epistulae extra collectionem, die bereits in den frühen Handschriften vom Zehn-Bücher-Corpus getrennt waren (ZELZER 1987, 215). 278 ZELZER 1987, 226. 279 Avit. carm. 6 prol. (MGH.AA VI/2, 275,11f. Peiper): „quod paucis intelligentibus mensuram syllabarum servando canat“; vgl. MRATSCHEK 2002, 47 und KAUFMANN 1995, 226f. Anm. 672. SCHEIBELREITER 1983, 58 beschreibt Avitus’ geschichtlichen Standort als Position

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von Claudianus Mamertus als „ueteris reparator eloquentiae“ gelobt280 und beschrieb seinen Laudator selbst wiederum als „kundigsten Philosophen der Christenheit und ersten aller Gebildeten in der ganzen zerklüfteten Landschaft der Philosophie“.281 Man versicherte sich also wechselseitig der Relevanz der in illustren Kreisen gepflegten Bildungstradition und kritisierte die Standesgenossen, die sich dieser Mühe entzogen: „Ich liebe an dir, daß du die Gelehrsamkeit liebst… Bedenke auch, daß die Menge der Faulenzer so sehr anwächst, daß, wenn nicht sehr wenige wie du in der Lage wären, den richtigen Gebrauch der lateinischen Sprache vor dem Rost der vulgären Barbarismen zu schützen, wir ansonsten in Kürze ihren Untergang und ihr Verschwinden zu beklagen hätten. So sehr werden alle Schönheiten der edlen Sprache durch die Gleichgültigkeit der breiten Menge getrübt.“282

Er selbst konnte auf seinen Erfolg im eigenen Kreis verweisen: „Meine Sprache gefällt den Freunden; das möge mir genügen.“283 Das Bildungsniveau seiner Gegenwart bewertete er freilich nicht einheitlich; konnte er gegenüber Eucherius beteuern, die Verehrung der Alten schließe nicht aus, die Verdienste der Lebenden zu würdigen284, so klagte er andernorts über die „vergreisende Welt“ (mundus senescens), die keinem Vergleich mit den klassischen Vorbildern standhalte285, wie schon die eigene Inkompetenz beweise: „Ich glaube, dass meiner beklagenswert unfruchtbaren Muse eine Papyrusrolle, und dann „zwischen den Fronten der esoterisch wirkenden Bischöfe, die sich der Bildung verschrieben hatten, und der zukunftsorientierten Radikalen, denen sein bedeutender Zeitgenosse Caesarius von Arles angehörte.“ 280 Claudianus Mamertus, anim. praef. (CSEL 11, 20,17 Engelbrecht); vgl. ep. 2 an Sapaudus (204,22–29: „Video enim os Romanum non modo neglegentiae sed pudori esse Romanis, grammaticam uti quandam barbaram barbarismi et soloecismi pugno et calce propelli, dialecticen tamquam Amazonem stricto decertaturam gladio formidari, rhetoricam acsi grandem dominam in angusto non recipi, musicem uero et geometricam atque arithmeticam tres quasi furias despui, posthinc philosophiam [atque] uti quoddam ominosum bestiale numerari.“ Vgl. hierzu SHANZER 2005, 91f. 281 Sidon. ep. V 2,1 an Nymphidius (II 175): „Claudianus Mamertus, peritissimus Christianorum philosophus et quorumlibet primus eruditorum totius sectatae philosophiae“. 282 Sidon. ep. II 10,1 an Hesperius (a. 469/70; II 68): „Amo in te quod litteras amas… illud appone, quod tantum increbruit multitudo desidiosorum, ut, nisi uel paucissimi quique meram linguae Latiaris proprietatem de triuialium barbarismorum robigine uindicaueritis, eam breui abolitam defleamus interemptamque; sic omnes nobilium sermonum purpurae per incuriam uulgi decolorabuntur“; Übers. KAUFMANN 1995, 226; vgl. ep. V 7,3 (a. 474; II 184): Die Parvenus „inuident… reuerentiam clericis, originem nobilibus…, scholas instituendis, mercedes instituentibus, litteras institutis.“ 283 Sidon. ep. VIII 16,5 an Constantius (a. 479/80; III 128): „dictio mea, quod mihi sufficit, placet amicis.“ 284 Sidon. ep. III 8,1 (a. 472/73; II 97): „ueneror antiquos, non tamen ita, ut utique aequaeuorum meorum uirtutes aut merita postponam.“ 285 Sidon. ep. VIII 6,3 an Namatius (a. 469/70; III 93): „[uirtutes] per aetatem mundi iam senescentis lassatis ueluti seminibus emedulatae… namque uirtutes artium istarum saeculis potius priscis saeculorum rector ingenuit… licet quis prouocatus nunc ad facta maiorum non inertissimus, quis quoque ad uerba non infantissimus erit?“

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nur eine kleine, genügt, um Makrelen oder Pfeffer damit fortzutragen.“286 Spätere Generationen sahen hingegen Sidonius selbst als Leitbild literarischer Kultur: So besaß er nach Gregor von Tours „solche Kunstfertigkeit, dass er meistens ohne jede Vorbereitung in hervorragendster Manier und ohne jegliche Verzögerung alles, was er wollte, hervorbrachte.“287 Noch im späten 6. Jahrhundert war das Bildungsideal des litteratus das Maß aller Dinge, so dass Gregor selbst sich vorsorglich dafür entschuldigte, ihm könnten in seinem Geschichtswerk grammatische Fehler unterlaufen sein: Bedauerlicherweise sei er in dieser Kunst nicht hinreichend ausgebildet, was nicht verwundern dürfe, da das studium litterarum überhaupt im Verschwinden begriffen sei.288 Die Epistolographie wirkte entscheidend an der Bewahrung dieses Ideals mit, nicht zuletzt durch die Briefsammlung des Sidonius Apollinaris, der seine Briefbücher wie Ambrosius zur Veröffentlichung zusammenstellte und die insgesamt 147 Briefe entsprechend überarbeitete und den Eindruck erweckt, dass sich die „plinianische“ Neunzahl erst sukzessive ergeben habe.289 Das erklärte Ziel der Veröffentlichung war der eigene literarische Ruhm, wie er gegenüber Constantius, dem Verfasser der Vita des Germanus von Auxerre, bekannte.290 Dieser Ruhm gründete neben dem Befolgen der epistolographischen Formtradition und dem gelegentlichen Einstreuen von poetischen Passagen in der schlichten Tatsache der wechselseitigen Kommunikation mit Standesgenossen: „Manche Briefe scheint Sidonius nur deshalb geschrieben

286 Sidon. carm. 9,318–320 (226 L.): „nos ualde sterilis modos Camenae / rarae credimus hos breuique chartae, / quae scombros merito piperque portet“; Übers. KAUFMANN 1995, 69; vgl. Catull. carm. 95,7f.; Horat. ep. II 1,269f.; Pers. sat. 1,43; Mart. epigr. IV 86,8; Stat. silv. IV 9,10–13. 287 Greg. Tur. Franc. II 22 (67,24f. Kr./L.): „Sanctus vero Sidonius tantae facundiae erat, ut plerumque ex inproviso luculentissime quae voluisset, nulla obsistente mora, conponeret“. 288 Vgl. in Greg. Tur. Franc. I praef. (3,18f. Kr./L.) die Bitte um Verzeihung, „si aut in litteris aut in sillabis grammaticam artem excessero, de qua adplene non sum inbutus“; vgl. die praefatio zum Gesamtwerk: „Vae diebus nostris, quia periit studium litterarum a nobis nec reperitur rethor in populis qui gesta praesentia promulgare possit in paginis“ (1,8–10 Kr./L.). 289 Vgl. K AUFMANN 1995, 66f.: Ep. I 1,1 an Constantius (II 2 L.) belegt die Zusammenstellung von Briefen in einem Buch (ca. 469/70) nach der „mit mehr Glück als Talent“ erfolgten Publikation der Gedichte (ep. I 1,4; II 3: „contenti uersuum felicius quam peritius editorum opinione“). Sidonius kündigte an, dass dem Adressaten bei Gefallen des vorliegenden „Unsinns“ (deliramenta) „sofort eine Vielzahl von noch reichhaltigeren, von den gehaltvollsten Plaudereien schien überquellenden Bänden von mir zugestellt werden“ würde (ebd.: „actutum tibi a nobis uolumina numerosiora, percopiosis scaturrentia sermocinationibus multiplicabuntur“; Übers. KÖHLER 1995, 39). Um 477 wurden die ersten sieben Bücher zusammen veröffentlicht; Buch VIII kam 479/80 hinzu, schließend mit der Bemerkung, nun sei endgültig nichts Publikationswürdiges mehr übrig (VIII 16,3; III 128: „per armariola et zotheculas nostras non remanserunt digna prolatu“); doch ca. 482 folgte Buch IX (vgl. KÜPPERS 2005, 254)! Zu Ambrosius’ Einfluss auf die Neunzahl von Sidonius’ Briefbüchern vgl. ZELZER/ZELZER 2002, 404f. 290 Sidon. ep. I 1,3 (II 2): „Quam ob rem nos nunc perquam haesitabundos in hoc deinceps famae pelagus impellis.“

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zu haben, um die Namen der Adressaten der Nachwelt zu erhalten“291; es scheint sogar entsprechende Beschwerden gegeben zu haben, von denen eine in das Briefcorpus aufgenommen wurde, mit explizitem Verweis auf die bislang vernachlässigten Erfordernisse der amicitia.292 Diese konnten mit einem Zweizeiler erfüllt werden, wie das Schreiben des Sidonius an einen gewissen Florentius illustriert: „Du tadelst zugleich unser Zögern und Schweigen. Beides ist heilbar; denn nun kommen und schreiben wir. Leb wohl!“293 Für Sidonius ist also das Verfertigen und Übersenden eines Briefes eine Auszeichnung des Adressaten; es handelt sich um reine Freundschaftsbriefe.294 Wer aber waren die Briefpartner?295 Unter seinen Adressaten finden sich Schulfreunde des Sidonius wie Aquilinus oder Avitus, mit dem er auch gemeinsam im Reichsdienst gestanden hatte296, sowie Magnus Felix, der wohl 469 als Praefectus praetorio Galliens amtierte und den Titel eines patricius trug; es adelte auch den Absender, ihn als „uir amicitiarum seruantissime“ ansprechen zu dürfen.297 Auch Felix’ Bruder Probus war Sidonius seit der Schule bekannt und galt ihm als „doctrinae columen“, versehen mit ausnehmender Gelehrsamkeit: Er habe Sidonius so freigebig davon mitgeteilt, dass man glauben könne, sie hätten denselben Lehrer gehabt, d.h. Sidonius sei also in gleicher Weise gebildet wie Probus!298 Vornehme Herkunft und herausragende Bildung stel291 KAUFMANN 1995, 69; besonders treffend ist ep. IX 15,1 an Gelasius (III 174): „deliqui, quippe qui necdum nomine tuo ullas operi meo litteras iunxerim“. 292 Sidon. ep. IV 2,2 (II 114): „Porro autem uero, quod saepenumero scriptis uestris alii inpertiuntur, qui id ipsum nec ambiunt quam egomet forsan nec merentur amplius, non arbitror amicitiae legibus inpune committi.“ Das Motiv der Freunde, denen daran gelegen war, durch die Veröffentlichung von Briefen an sie unsterblich zu werden, findet sich noch bei Cassiod. var. praef. 6– 11 (CChr.SL 96, 4,31–5,77 Fridh); vgl. ZELZER 1995, 542. 293 Sidon. ep. IV 19,1 (II 154): „Et moras nostras et silentium accusas. Vtrumque purgabile est; namque et uenimus et scribimus. Vale!“ 294 Vgl. Z ELZER 1995, 542; davon unbenommen sind natürlich die reichen, quasi unwillkürlich gebotenen Informationen über Politik und Kultur im Gallien (KÜPPERS 2005, 255). 295 Die prosopographischen Angaben basieren auf der bei K AUFMANN 1995, 275–356 gebotenen Liste der Korrespondenten des Sidonius (im Folgenden zitiert: K.), ergänzt durch die Angaben der PLRE und – in Ermangelung eines PCBE-Bandes für Gallien – der „Gallischen Prosopographie“ (HEINZELMANN 1982). 296 Aquilinus (K. 8; PLRE II 125 Nr. 3): ep. V 9,3 (II 189): „unus nos exercuit ludus, magister instituit“; Avitus (K. 14; PLRE II 194f. Nr. 1): ep. III 1,1 (a. 471; II 81): „hisdem temporibus nati, magistris usi, artibus instituti, lusibus otiati, principibus euecti, stipendiis perfuncti sumus“. 297 K. 42; PLRE II 463f.: Als Schulfreund begegnet er in carm. 9,330 (226 L.); ep. II 3,1 (a. 469; II 54) gratuliert zur patricius-Würde und bezeugt die Präfektur (vgl. Genn. vir. ill. 86; TU 14/1, 91,24f. Richardson); auf seinen Vorschlag hin publizierte Sidonius einige Gedichte (carm. 9,9–11; aaO. 218f.); Adressat von Faust. ep. 6 (CSEL 21, 195–200 Engelbrecht). 298 K. 90; PLRE II 910f. Nr. 4; vgl. carm. 9,332–335; 24,90–94 (226.264 L.); möglicherweise uir clarissimus; vgl. ep. IV 1,2 (II 111f.): „Quis enim iuuenum nesciat seniorumque te mihi magistrum fuisse proprium, cum uideremur habere communem, et si quid heroicus arduum, comicus lepidum, lyricus cantilenosum, orator declamatorium, historicus uerum, satiricus figuratum, grammaticus regulare,

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len eine beliebte Kombination dar: Seinen senatorischen Freund Philagrius nannte Sidonius einen „uir omnium litterarum“.299 Priscus Valerianus, PPO Galliarum 455/56, stammte aus einer Dynastie hoher Staatsbeamter und war sogar mit Kaiser Avitus (und mit Bischof Eucherius von Lyon) verwandt; Sidonius schätzte ihn als „eloquens“ und als kundigen Kritiker seiner Gedichte.300 Sidonius’ Briefwechsel dokumentiert ebenso zahlreiche Bekanntschaften mit kirchlichen Würdenträgern, darunter Bischöfe wie Remigius von Reims, ebenfalls Abkömmling einer senatorischen Familie und berühmter Prediger (sowie später Täufer Chlodwigs)301, Agroecius von Sens, Verfasser einer ars de orthographia302, und der greise Lupus von Troyes, vormals Mönch in Lérins, davor ein bekannter Rhetor.303 Die Briefe an Ruricius von Limoges stammen hingegen noch aus der Zeit vor dessen Eintritt in den geistlichen Stand (477), richten sich also an einen vermögenden Grundbesitzer mit verwandtschaftlichen Banden zu den römischen Anicii.304 Aus Sidonius’ Korrespondenz geht somit nicht nur die Kontinuität römischer Bildungstraditionen hervor, sondern die Gewährleistung dieser zivilisatorischen Werte auch und gerade durch kirchliche Amtsträger, die sich vermehrt aus der Schicht rekrutierten, die früher die Reichsbeamten gestellt hatte und nun im kirchlichen Kontext zur Bewahrung des paganen Erbes entscheidend beitrug.305 Die ehrenvolle Anfrage nach einem exegetischen Werk durch den uir spectabilis und comes Trevirorum Arbogastes, den Sidonius lobte, weil er sich den „Prunk römischer Rede“ angeeignet hätte306, wurde schon erwähnt (S. 221), wie auch die Bitte des Epikers, Rechtsgelehrten und Rhetors Leo um ein Gepanegyrista plausibile, sophista serium, epigrammatista lasciuum, commentator lucidum, iurisconsultus obscurum multifariam condiderunt, id te omnifariam singulis, nisi cui ingenium sibique quis defuit, tradidisse?“; vgl. ebd. n. 3 (II 112): „ut Platon discipulus iam prope potior sub Socrate, sic iam tu sub Eusebio nostro inter Aristotelicas categorias artifex dialecticus atticissabas“. 299 K. 83; PLRE II 873f. Nr. 2; ep. VII 14,1 (a. 469/77; III 69). 300 K. 114; PLRE II 1142f. Nr. 8; vgl. ep. V 10,2 (II 190f.); carm. 8,13f. (a. 456; 218 L.): „cognitor hoc nullus melior; bene carmina pensat / contemptu tardo, iudicio celeri“; umstritten ist, ob er mit dem Adressaten von Eucherius’ Epistula paraenetica ad Valerianum cognatum de contemptu mundi et saecularis philosophiae (BPat 16, ed. Pricoco) zu identifizieren ist. 301 K. 94; PLRE II 938 Nr. 2; ep. IX 7,1 (471/75; III 143) rühmt seine Predigten und Schriften („copiosissimo declamationum tuarum schedio; uolumina“). 302 K. 2; PLRE II 39 Nr. 3; GP 548 Nr. 3; Bettina WINDAU, in: LACL 3 , 13; Adressat von ep. VII 5 (a. 470); die Grammatik widmete er dem 449 verstorbenen Eucherius von Lyon (GrLat VII, 113), der ihm die Orthographia Capri geschickt hatte (aaO. 92–107); s.u. S. 391. 303 K. 64; GP 641; M ATHISEN 1982, 377f.; vgl. Sidon. epp. VI 1 (a. 470/71); 4 (a. 471/73); 9 (a. 471); 11 (a. 477); IX 11,6.9; zu der in vita Lupi 1 (MGH.SRM VII, 295,19–21 Krusch/Levison) gerühmten Beredsamkeit s.u. S. 296 mit Anm. 619. 304 K. 96; PLRE II 960; Sidon. epp. IV 16 (a. 477); V 15; VIII 10,1 (a. 471); carm. 10.11. 305 Vgl. dazu summarisch CHADWICK 2001, 642f. 306 K. 10; PLRE II 128f.; vgl. ep. IV 17,2 (a. 470/77; II 149): „sermonis pompa Romani… in te resedit“; vgl. HARRIES 1996, 34f.; s. auch ep. VII 10 (a. 471/74); MATHISEN 1982, 367f.

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schichtswerk, mit der sich Sidonius trotz der in aller Bescheidenheit eindeutig formulierten Ablehnung brüstete.307 Leo war nicht nur als Ratgeber des in Toulouse residierenden Westgotenkönigs Eurich eine politische Schlüsselfigur, sondern galt auch als Nachfahre des afrikanischen Rhetors Fronto308, war also in jeder Beziehung ein Ruhmesblatt der veröffentlichten Briefsammlung. Das gilt in ähnlicher Weise auch für den einer angesehenen gallischen Familie entstammenden, 471/72 als PPO Galliarum amtierenden Polemius, der angeblich Tacitus zu seinen Ahnen zählte.309 Eine signifikante Gruppe unter Sidonius’ Briefpartnern stellen schließlich die Dichter dar, die wie er selbst danach trachteten, die kunstvolle römische Poesie am Leben zu erhalten, und dies einander brieflich immer wieder als sinnvoll und unerlässlich versicherten. Dazu gehört der Widmungsempfänger der Briefsammlung selbst, der in Lyon wirkende Priester, Hagiograph und „eminens poeta“ Constantius, den Sidonius als „praestantior facundiae“ und als „begeisterten Förderer nicht nur der Literatur, sondern auch der Literaten“ pries.310 Zu nennen ist ebenso Claudianus Mamertus, von dem zur Erfüllung der brieflichen Freundschaftspflichten ermahnt zu werden offenbar eine so große Ehre darstellte, dass das Mahnschreiben als einziges nicht von Sidonius selbst stammendes Schriftstück in seine Briefkollektion Eingang fand – kein Wunder, dürfe Mamertus doch „das Verdienst um die Sitten und die Literatur beider Zunge mit Recht für sich selbst beanspruchen“.311 Schließlich sei er „Redner, Dialektiker, Dichter, Bibelausleger, Geometer und Musiker“ in ei307 K. 60; PLRE II 662f. Nr. 5. Sidon. ep. IV 22,3 (II 161) preist Leos „eloquentia singularis“ und bezeichnet ihn als „perorandi… celeberrimum flumen“ (ep. VIII 3,3; III 87; vgl. carm. 23,446–454; 260 L. sowie die metrischen Passagen in epp. IX 13,2 v. 20; IX 15,1 vv.19f.; III 163.175), auch Ennodius erinnerte an Leos rhetorisches Talent (vita Epif. 85; MGH.AA VII, 94,39f. Vogel): „quem per eloquentiae meritum non una iam declamationum palma susceperat“. 308 Sidon. ep. VIII 3,3 (III 87): „ab atauo Frontone“; doch war er gebürtiger Gallier (carm. 9,311–314; 225 L.). Nach Greg. Tur. glor. mart. 91 (MGH.SRM I/2, 549,26–31 Krusch) war er consiliarius unter Alarich II und sei erblindet, nachdem er Teile der Felix-Basilika in Narbonne habe abtragen lassen. 309 K. 86; PLRE II 895 Nr. 2; vgl. carm. 14,21f. (233 L.): „sed doctus iuuenis decensque uirgo, / ortu culmina Galliae tenentes“; ep. IV 14,1 (a. 472; II 143): „Gaius Tacitus unus e maioribus tuis, Ulpianorum tempore consularis“; zu seiner ererbten Bildung vgl. n. 2 (ebd.): „tuorum peritiae comparatus non solum Cornelios oratores sed Ausonios quoque poetas uincere potes“. 310 K. 25; PLRE II 320 Nr. 10; Zitate: epp. II 10,3 (II 69); IX 16,1 (III 178) und I 1,3 (a. 469/70; II 3): „inmodicum… fautorem non studiorum modo uerum etiam studiosorum“; vgl. weiterhin III 2,3 (a. 473/74; II 85); VII 18,2 (a. 477); VIII 16,1 (a. 479/80; III 79.127); zur Vita Germani s.u. S. 296–302. Als „eminens poeta“ wird auch Secundinus bezeichnet (K. 102; PLRE II 985 Nr. 3; ep. II 10,3 [II 69]; vgl. V 8,1 a. 467/74; II 186: „hexametris familiarius“). 311 K. 23; M ATHISEN 1982, 378; Zitat: ep. IV 3,6 (a. 471; II 118): „morum ac studiorum linguae utriusque symbolam iure sibi uindicat“; In der Tat hatte der Verfasser von De statu animae (vgl. Matthias SKEB, in: LACL, 32002, 151) in seinem Brief an Sidonius Apollinaris (ep. IV 2; II 114f.; s.o. Anm. 292) „Graecia“ als „disciplinarum omnium atque artium magistra“ gerühmt. Vgl. auch Genn. vir. ill. 84 (90,11f. R.): „vir ad loquendum artifex et ad disputandum subtilis“.

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nem gewesen, wie Sidonius im Epitaph für Mamertus formuliert.312 Dass sowohl Mamertus als auch Sidonius mit dem uir spectabilis und Rhetor Sapaudus korrespondierten, verdeutlicht das Netzwerk von brieflicher Kommunikation, das die Gebildeten in Gallien verband.313 Dazu gehörten schließlich auch der Dichter Proculus, den Sidonius überschwänglich mit Homer und Vergil verglich314, und der in ähnlich hohen Tönen gepriesene Rhetor und Poet Lupus von Périgueux.315 Sidonius’ jüngerer Mitbürger in Clermont, der uir clarissimus Hesperius, galt ihm als „gemma amicorum litterarumque“ und als einer der wenigen Zeitgenossen, die sich gegen das Schwinden der lateinischen Sprachkunst stemmten.316 Noch überschwänglicher wird dieser heroische Kampf gegen den Untergang der Latinitas dem Grammatiker Johannes attestiert: „Es schien mir, Gebildetster, eine Beleidigung der Gelehrsamkeit zu sein, wenn ich den Tribut des Lobes aufgeschoben hätte, weil du die Vernichtung der Literatur aufschiebst, als deren Erneuerer, Förderer und Meister du gefeiert wirst, nachdem sie schon mehr oder minder begraben war, und durch die Länge und Breite Galliens stehst du allein als der Magister da, der du inmitten der Stürme des Krieges die lateinische Sprache in die Lage versetztest, einen Fluchthafen zu erreichen, obwohl die lateinischen Waffen Schiffbruch erlitten haben.“317

Bemerkenswert ist allerdings die geringe Zahl der Lehrer unter Sidonius’ Korrespondenten; dies erklärt sich aus dem vergleichsweise niedrigen sozialen Status der meisten Grammatiker. Für die veröffentlichte Kommunikation des Bischofs von Clermont war die Frage, wie man das Niveau der lateinischen Bildung tatsächlich hätte heben können, weniger wichtig als die Dokumentation, Mitglied in einem Netzwerk bereits Gebildeter zu sein, die sich aus der Reichsverwaltung, den städtischen Honoratioren und eben auch aus dem hohen, von Geburt her selbst adligen Klerus rekrutierten. Den Eindruck zu erwecken, Gallien sei nur von den wenigen klassisch Gebildeten bevöl312

Ep. IV 11,6 vv. 8f. (II 137): „orator, dialecticus, poeta, / tractator, geometra, musicusque“. K. 101; PLRE II 976; GP 689; vgl. ep. V 10,3 (a. 476/77; II 191): „tua uero tam clara, tam spectabilis dictio est“; Claud. Mam. ep. 2 (203–206 E.); vgl. Avit. ep. 86 (95,17–96,16 P.). 314 K. 91; PLRE II 923f. Nr. 4; vgl. ep. IX 15,1 vv. 45–49 (III 176; zit. oben Anm. 233). 315 K. 65; PLRE II 694 Nr. 1; GP 641; vgl. ep. VIII 11,2 (a. 477/78; III 110): „nunc Drepanium illis, modo istis restituis Anthedium; et si a te instructio rhetorica poscatur, hi Paulinum, illi Alcimum non requirunt.“ L OYEN III, 200f. Anm. 41 identifiziert die Genannten als den Panegyriker Pacatus Drepanius aus Bordeaux, den ebenfalls dort wirkenden Dichter Anthedius, Paulinus von Périgueux und Latinus Alcimus Alethius, den schon Ausonius erwähnt. 316 K. 52; PLRE II 552 Nr. 2; Zitat: ep. IV 22,1 (II 160); vgl. weiterhin oben Anm. 282. Hesperius unterrichtete den Sohn des Ruricius von Limoges an einer nicht näher spezifizierten Schule in Clermont; vgl. das Lob für den Lehrer bei Ruric. ep. I 3 (317,29–33 D.). 317 Sidon. ep. VIII 2,1 (a. 470/78; III 84): „Credidi me, uir peritissime, nefas in studia committere, si distulissem prosequi laudibus quod aboleri tu litteras distulisti, quarum quodammodo iam sepultarum suscitator, fautor, assertor concelebraris, teque per Gallias uno magistro sub hac tempestate bellorum Latina tenuerunt ora portum, cum pertulerint arma naufragium“; zu Johannes vgl. K. 56; PLRE II 601 Nr. 2; GP 629; dazu HAGENDAHL 1983, 94. 313

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kert318, unter denen die Bischöfe eine herausragende Stellung einnehmen, ist daher genau die Intention der zur Veröffentlichung bestimmten Briefbücher des Sidonius – wodurch nicht zuletzt die eigene gesellschaftliche Verortung der Mit- und Nachwelt überliefert wird. Zur Briefsammlung des Ambrosius von Mailand besteht dabei Kontinuität, insofern auch dieser Bischof seine zehn Briefbücher als Dokumentation der Vernetzung mit gesellschaftlichen und kirchlichen Exponenten verstand; der Unterschied liegt darin, dass durch die Behandlung exegetischer Fragen das inhaltliche Element als zweite Konstante wichtig wird. Die Lektüre und Überlieferung dieser Briefe war also nicht nur aus ästhetischer und sozialer, sondern auch aus theologischer Perspektive wünschenswert. Gegenüber den in Buch X versammelten amtlichen Schriftstücken (u.a. die Auseinandersetzung mit Symmachus sowie mit den Arianern um die Kirchen in Mailand), die als Rechenschaft über das bischöfliche Wirken gedacht sind, treten in den Büchern I–VIIII die Adressaten als konkrete Personen weitgehend in den Hintergrund: So ist z.B. von den Klerikern Irenäus und Orontianus, die 13 bzw. 9 Briefe und damit ein Drittel aller erhaltenen Privatbriefe des Ambrosius empfingen, kaum mehr als der jeweilige Name und die Zugehörigkeit zum geistlichen Stand bekannt.319 Ein weiteres gutes Drittel (25 Briefe) richtet sich an Bischöfe, und zwar fast ausschließlich an Inhaber italienischer Sitze. 320 In der Sammlung der Privatbriefe finden sich weiterhin je ein Schreiben an die Kaiser Theodosius und Valentinian sowie 17 Briefe an Laien bzw. nicht näher identifizierbare Personen, darunter sechs weltliche Würdenträger: der PPO Italiae von 384 und consul 397 Nonius Atticus Maximus, mit dem auch Symmachus in brieflichem Kontakt stand321; letzteres gilt auch für seinen Vorgänger in beiden Ämtern, Flavius Claudius Antonius, PPO Italiae 377/378 und consul 382322, und für Aemilius Florus Paternus, den proconsul Africae 393 und comes sacrarum largitionum des Kaisers Honorius 396–398323, schließlich auch für Faltonius Probus Alypius, den Stadtpräfekten von 391.324 Flavius Pisidius Romulus, zuletzt praefectus urbis, korrespondierte nicht nur mit Sym-

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Vgl. dazu KAUFMANN 1995, 222 mit Anm. 661. Eine spezielle Prosopographie für Ambrosius’ Korrespondenten fehlt; vgl. einstweilen ZELZER, Prolegomena, in: CSEL 82/2, XIX–XXXIV; CSEL 82/3, XXVI–XXXVIII. 320 Ausnahmen sind Justus von Lyon (dem mit ep. 1 die Programmschrift der Sammlung dediziert wurde, weiterhin ep. 55), Phoebadius von Agen und Delphinus von Bordeaux (ep. 47), Anysius von Thessaloniki (ep. 52), dessen Vorgänger Acholius gemeinsam mit Priestern, Klerus und Volk angeschrieben wurde (ep. 51) und Theophilus von Alexandrien (ep. 70). 321 Ambr. ep. 42; PLRE I 586f. Nr. 34; vgl. Symm. epp. VII 30–34. 322 Ambr. ep. 60; PLRE I 77 Nr. 5; vgl. Symm. epp. I 89–93. 323 Ambr. ep. 58; PLRE I 671f. Nr. 6; vgl. Symm. epp. V 58–66. 324 Ambr. ep. 61; PLRE I 49 Nr. 13; vgl. Symm. epp. VII 66–71. 319

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machus, sondern auch mit Augustin.325 Einzig Studius hatte seine Karriere noch vor sich, als Ambrosius ihm seine Ansicht über die Hinrichtung Priscillians in Trier (385) auseinandersetzte.326 Es ist kaum Zufall, dass die Genannten sowohl mit Ambrosius als auch mit Symmachus korrespondierten; hier wird ein Netzwerk unter „Heiden“ und Christen erkennbar. Eine strikte religiöse Grenzziehung erscheint jedenfalls aus der Perspektive kultureller Beziehungen fragwürdig: Ambrosius stellte seine Briefbücher am Ende seines Lebens zusammen, d.h. zur Zeit der antipaganen Gesetzgebung des Theodosius, als längst nicht mehr Vettius Agorius Praetextatus, Symmachus und Virius Nicomachius Flavianus die Wortführer im römischen Senat waren; mit ihnen (sofern sie nicht verstorben waren) und ihrem Kreis in Kontakt zu stehen schien aber weiterhin erstrebenswert. Im Unterschied zu Ambrosius wurden die Briefe von Augustin und Hieronymus, wie erwähnt, nicht von ihren Autoren selbst zur Veröffentlichung gestaltet. Sie erfuhren zunächst eine spontane Rezeption, wurden aber schon zu Lebzeiten der Verfasser zu Ausgaben von unterschiedlichem Umfang zusammengestellt. Auch diese Briefcorpora ermöglichen Aufschlüsse darüber, mit wem prominente Theologen in reichskirchlicher Zeit korrespondierten, im Fall der beiden Genannten (im Unterschied etwa zu Paulinus von Nola) damit auch über Möglichkeiten sozialer Mobilität. Hieronymus’ christliche Eltern gehörten der lokalen Elite in Stridon an. Für beruflichen Erfolg und – damit verbunden – gesellschaftlichen Aufstieg waren über die Ausbildung in den artes liberales hinaus personale Bindungen notwendig; offenbar waren seine Eltern finanziell in der Lage, ihm mit einem Studium in Rom die denkbar beste Ausgangsposition dafür zu verschaffen.327 Wie Stefan Rebenich gezeigt hat, nutzte Hieronymus erfolgreich eine bestehende Lücke der lateinischen christlichen Literatur hinsichtlich eines das Modell des „gebildeten“ Asketen berücksichtigenden Äquivalents zur Vita Antonii des Athanasius.328 Sein erster Brief richtete sich an Evagrius, den Übersetzer der Vita Antonii, dem Hieronymus die Schilderung von der Errettung einer des Ehebruchs bezichtigten Christin aus Vercelli zukommen ließ – eine Begebenheit, an der Evagrius selbst beteiligt gewesen war und die seinem jungen Freund nun dazu diente, „sein literarisches Talent einem größeren Kreis gebildeter Christen vorzustellen, die einen christlichen Ersatz für pagane Erbauungsliteratur suchten“ und sich selbst als Autor des „dignum praeconium“ für einen möglichen patronus zu 325 Ambr. epp. 44; 48; PLRE I 771f. Nr. 5: Romulus war consularis Aemiliae et Liguriae 385 (also ein Nachfolger des Ambrosius selbst), comes sacrarum largitionum 392, PPO Gall. 400, PUR 405; vgl. Symm. epp. VIII 38.62; IX 62; vgl. weiterhin auch Aug. ep. 247; dazu MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 144; Poss. indic. X5, 156. 326 Ambr. ep. 50; PLRE I 859; II 1036 Nr. 1; er wurde 401 comes rerum privatarum sowie 404 praefectus urbis in Konstantinopel. 327 Zu Hieronymus’ Herkunft und der ersten römischen Zeit vgl. REBENICH 1992, 22–27. 328 R EBENICH 1992, 129f.; ausführlich dazu unten S. 258–266.

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empfehlen.329 Mit solchen Exponenten antiker Kultur zu korrespondieren verschaffte Hieronymus Einlass in die Kreise der römischen Aristokratie, die für christlich-asketische Ideale empfänglich waren, dafür aber ein literarisch hochstehendes Gewand erwarteten.330 Dazu gehörte der Topos der eigenen Bescheidenheit – so äußerte Hieronymus noch um 400 gegenüber Oceanus, er habe seinen Trostbrief an den Freund Pammachius nur „unter Erröten“ verfasst, „weil ich so vieles dem Redegewandtesten gesagt und ihm das Seine vorgelegt habe, so dass ich weniger den Freund zu trösten als einen Vollkommenen mit törichter Prahlerei zu belehren erscheinen musste!“331 Wie wichtig die Adäquanz zum sanktionierten Bildungsideal war, zeigt die Vehemenz, mit der Hieronymus um 383 Helvidius, der die kategoriale Differenz zwischen Jungfräulichkeit und Ehestand bestritt, durch Verweis auf seine mangelnde Bildung als „imperitissimus hominum“ zu diffamieren trachtete.332 Hieronymus erklärte zwar, sich bei seiner Verteidigung nicht auf das Feld der Rhetorik begeben, sondern allein die Heilige Schrift zur Geltung bringen zu wollen, fügte gegen Ende dann aber das gezierte Eingeständnis hinzu, nun habe er doch „ein wenig in der Art der öffentlichen Redner herumgespielt“.333 329 R EBENICH 1992, 69f.; vgl. Hier. ep. 1,15,2 (CSEL 54, 8,21–9,4); zu Evagrius vgl. Hier. vir. ill. 125 (BPat 12, 224f. C.-G.); PLRE I 285f. Nr. 6; F ÜRST 2003, 174–176. 330 Vgl. R EBENICH 1992, 177: „Stilistischer Brillanz und literarischem Talent kamen um so größere Bedeutung zu, als die Zielgruppe sich ihrer klassischen Bildung rühmte und die neuen christlich-asketischen Postulate sie nur in traditionellem sprachlichem Gewand erreichen konnten“; ebd. wird Hieronymus’ beißender Spott über „Onasus“, einen anonymen christlichen Asketenkritiker, als Beispiel dafür genannt, in welcher Weise „die an Cicero, Horaz und Persius geschulte Polemik ein ausgezeichnetes Mittel [war], um christliche Widersacher, die ebenfalls um die Gunst der Senatsaristokratie buhlten, auszugrenzen“; vgl. Hier. ep. 40,2,1; 3 (CSEL 54, 310,4–6; 311,7–9): „disposui nasum secare fetentem: timeat, qui strumosus est. uolo corniculae detrahere garrienti: rancidulam se intellegat cornix… dabo tamen consilium, quibus absconditis possis pulchrior apparere: nasus non uideatur in facie, sermo non sonet ad loquendum, atque ita et formosus uideri poteris et disertus“; bereits Cic. Verr. V 45,120 hatte einen „Onasus“ karikiert, was Hieronymus auf mangelnde Redegewandtheit seines Kontrahenten ummünzte (ep. 40,2,2; 310,11f.: „quadrante dignam eloquentiam nare subsanno“). Vgl. RÜPKE/GLOCK 688 Nr. 172 (mit PCBE II 1554): „Daß Hieronymus gegen seine [sc. Onasus’] Beredsamkeit polemisierte, könnte darauf hindeuten, daß er als Presbyter wirkte, wenn nicht als Anwalt.“ 331 Hier. ep. 77,1,1 (CSEL 55, 37,7–10): „ante hoc ferme biennium Pammachio meo pro subita peregrinatione Paulinae breuem epistulam dedi erubescens ad disertissimum uirum plura loqui et ei sua ingerere, ne non tam consolari amicum uiderer, quam stulta iactantia docere perfectum.“ 332 Hier. virg. mar. 16 (PL 23, 199C); vgl. c. 1 (183A): „non quod difficile fuerit, hominem rusticanum et vix primis quoque imbutum litteris super veri assertione convincere“; vgl. Genn. vir. ill. 33 (73,13–15 R.): „Helvidius… scripsit religionis quidem studio, sed non secundum scientiam librum neque sermone neque ratione nitidum“; Aug. haer. 84 (CChr.SL 46, 338,1–5 vander Plaetse/Beukers); dazu REBENICH 1992, 176; PCBE II/1 974f. 333 Hier. virg. mar. 2 (PL 23, 185A): „Non campum rhetorici desideramus eloquii, non dialecticorum tendiculas nec Aristotelis spineta conquirimus: ipsa scripturarum verba ponenda sunt“; c. 22 (206A): „Rhetoricati sumus et in morem declamatorum paululum lusimus“; vgl. HAGENDAHL 1958, 111f.

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Eine solche Strategie war aber offenbar nicht in jedem Fall erfolgreich: Hieronymus sah sich gut zehn Jahre später gegenüber Kritikern seines Werkes adversus Jovinianum genötigt, die Autorität des längst verstorbenen Bischofs Damasus anzurufen: Habe etwa „dieser herausragende, in den Schriften hochgebildete Mann, der selbst als ‚Jungfrau‘ Lehrer der jungfräulichen Kirche war, in meiner Schrift irgendetwas Tadelnswertes gefunden?“334 Der ambitionierte Schriftsteller benennt also den römischen Bischof als „Patron“ – einen Bischof, der selbst (anders als sein direkter Nachfolger Siricius) an der Vermittlung christlich-asketischer Ideale und paganer Bildung in hohem Maße interessiert war. Nicht zufällig wurde Hieronymus selbst (jedenfalls nach eigenem Bekunden) als dessen Nachfolger gehandelt, da er ebenfalls als „sanctus, humilis et disertus“ gegolten habe.335 Insgesamt war Hieronymus mit seiner Strategie erfolgreich und konnte künftig in seinen Briefen etwa den Senator Pammachius als „uir omnium nobilium Christianissime, Christianorum nobilissime“ oder Claudius Postumus Dardanus als „Christianorum nobilissime, nobilium Christianissime“ ansprechen.336 Zu seinen Korrespondenten gehörten zahlreiche römische Aristokratinnen, so etwa Marcella aus der gens Caeionii Rufii, die nach dem Tod ihres Ehemannes entgegen den herkömmlichen Erwartungen im Witwenstand verblieb. Sie wurde zum Mittelpunkt eines Kreises von Frauen und Männern, die sich mit exegetischen und theologischen Gesprächen befassten und in Hieronymus einen aus der Distanz wirkenden geistlichen Mentor und Schriftausleger besaßen.337 334 Hier. ep. 49,18,2 (CSEL 54, 382,5–7): „num uir egregius et eruditus in scripturis et uirgo ecclesiae uirginis doctor aliquid in illo sermone reprehendit?“ 335 Hier. ep. 45,3,1 (CSEL 54, 325,6–9): „Antequam domum sanctae Paulae nossem, totius in me urbis studia consonabant. Omnium paene iudicio dignus summo sacerdotio decernebar; beatae memoriae Damasi os meus sermo erat; dicebar sanctus, dicebar humilis et disertus“; vgl. HAGENDAHL 1958, 107; REBENICH 1992, 159–162. 336 Pammachius: ep. 57,12,1 (CSEL 54, 524,9f.); vgl. PLRE I 663; PCBE II/1 1576–1581; er war der erste adlige Asket in Rom (ep. 66,13,1; 663,16f.: „patricii generis primus inter primos monachus esse coepisti“); Pall. hist. Laus. 62 (157,16–19 Butler) rühmt sein karitatives Engagement, das dem oben (S. 176–179) auf Grabinschriften beobachteten Zusammenhang von eloquium und pietas entspricht: Τούτων [sc. dem Kreis um Melania] συγγενὴς Παµµάχιος ὀνόµατι ἀπὸ ἀνθυπάτων ὁµοίως ἀποταξάµενος ἔζησε τὸν ἄριστον βίον, πάντα τὸν ἑαυτοῦ πλοῦτον τὸν µὲν ζῶν διασκορπίσας, τὸν δὲ τελευτῶν πτωχοῖς καταλεῖψας. Zu seiner Bildung vgl. weiterhin Hier. in Dan. prol. (CChr.SL 75A, 772,32f. Glorie): φιλοµαθέστατος; in Is. prol. (1,5 A.); X prol. (396,16–397,18): „oboediendum tibi [sc. Eustochium] est, et sancto et eruditissimo uiro fratri tuo Pammachio, qui insatiabili studio me per litteras cogit, expleto Esaia, transire ad Hiezechiel…“ sowie XVII prol. (740,5 A.); schließlich die Würdigung im Nekrolog auf Paulina (Hier. ep. 66,9,3; 660,1f.): „Christi µύστης, patriarcharum συµµύστης“; vgl. REBENICH 1992, 199.- Zu Dardanus, vir inlustris, Statthalter in Vienne und zwischen 401/407 und 412/13 PPO Galliarum vgl. ep. 129,1,1 (CSEL 56, 162,13f.); PLRE II 346f.; GP 590; Aug. ep. 187; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 34; Poss. indic. X3, 24. 337 Zu Marcella: PLRE I 542f. Nr. 2; PCBE II/2 1357–1362; F ÜRST 2003, 190f.; F EICHTINGER 1995, 168–177. Zu Hieronymus’ Kontakt zu römischen Aristokratinnen vgl. REBE-

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Einen weiteren Kristallisationspunkt bildete Paula, die seit dem Tod ihres Gatten Julius Toxotius mit ihren Töchtern Blesilla, Paulina, Eustochium und Rufina in einer Virginitätsgemeinschaft lebte; nach dem plötzlichen Tod Blesillas (384/85) folgte sie mit Eustochium Hieronymus nach Bethlehem und finanzierte den Aufbau der dortigen Klosteranlage, während Paulina den Senator Pammachius heiratete, der sich wiederum nach ihrem unzeitigen Tod (396/97) der Askese widmete.338 Schließlich sei als vermutlich erste römische Asketin die bereits um 344 im Alter von zehn Jahren zur Jungfrau geweihte Asella genannt, der Hieronymus nach seinem Weggang aus Rom einen „apologetischen Abschiedsbrief“ schrieb.339 Seine Kontakte zu christlichen Frauen umspannten das Mittelmeer: Zwei Briefe richtete er 407 an Hedybia und Algasia in Bordeaux, gebildete Frauen aus der aquitanischen Nobilität, erstere aus einer Familie berühmter Rhetoren stammend, einen weiteren 409 an deren Landsfrau Geruchia.340 An Salvina in Konstantinopel, die mit dem asketischen Ideal sympathisierte, schickte er um 400 einen Nekrolog auf ihren verstorbenen Ehemann Nebridius.341 414 gab er der Pelagius-Schülerin Demetrias eine Anleitung zum asketischen Leben, ebenso 398/99 der Spanierin Theodora, die sich aber dem Priscillianismus zuwandte.342 NICH 1992, 167: „Jene Aristokratinnen beeindruckte Hieronymus durch seine Sprachkenntnisse und sein literarisches Talent. Asketische wie theologische Traktate sind geistreich und geschickt formuliert, um den literarischen Geschmack asketisch orientierter und klassisch gebildeter Christen zu treffen. Die literarische Renaissance des vierten Jahrhunderts, der sich Heiden wie Christen gemeinsam verpflichtet zeigten, machte es notwendig, daß die neue Ideologie eines asketischen Christentums formal den traditionellen literarischen Normen genügte“; vgl. FÜRST 2003, 52–55; ausführlich FEICHTINGER 1995, 165–235. 338 PLRE I 674f. Nr. 1; PCBE II/2 1617–1626; FÜRST 2003, 200f.; vgl. den Nekrolog: Hier. ep. 108; zu ihrer Zeit in Bethlehem vgl. den kritischen Bericht in Pall. hist. Laus. 36.41 (108,6–15; 128,6–13 Butler). Zu Paulas Tochter Blesilla vgl. PLRE I 162 Nr. 2; PCBE II/1 310f.; Nekrolog: Hier. ep. 39 an Paula de morte Blesillae; zu Eustochium: PLRE I 312; PCBE II/1 713–718; zu Paulina: PLRE I 675 Nr. 3; Nekrolog: Hier. ep. 66 an Pammachius de dormitione Paulinae; zu Rufina: PLRE I 773 Nr. 2; vgl. zu den genannten Frauen FEICHTINGER 1995, 177–188. 209–212. 222–227; FÜRST 2003, 162f. 174. 202. 209. 339 So FÜRST 2003, 157 zu Hier. ep. 45; vgl. die hagiographische ep. 24 an Marcella de vita Asellae; PLRE I 117 Nr. 1; PCBE II/1 199f. Nr. 1; FEICHTINGER 1995, 213–215. Weitere römische Korrespondentinnen (nach der Prosopographie bei F ÜRST) waren Fabiola (PLRE I 323; PCBE II/1 734f. Nr. 1; Hier. epp. 64; 78), Furia (PLRE I 375f.; PCBE II/1 878f.; Hier. ep. 54) und Principia (PLRE II 904 Nr. 2; Hier. epp. 65; 127); vgl. FEICHTINGER 1995, 194– 203. 215–217. Laeta (aaO. 235; PLRE I 492 Nr. 2; Hier. ep. 107) war Tochter des vir clarissimus Publilius Caeionius Caecina Albinus (um 340 – nach 401; vgl. PLRE I 34f. Nr. 8; RÜPKE /G LOCK 1241 Nr. 2857), der seit Ende der 360er Jahre dem Priesterkollegium angehörte, aber mit einer Christin verheiratet war, die die Tochter in ihrem Glauben erzog. 340 GP 617; PLRE II 509; Hier. ep. 123; zu Hedybia s.o. S. 150 Anm. 120. 341 PLRE I 799; Hier. ep. 79. 342 Zu Demetrias s. PLRE II 351f.; PCBE II/1 544–547; ICUR NS VI 15674; vgl. Aug. epp. 150; 188; FÜRST 2003, 168f. Vgl. das Lob für die Entscheidung einer jungen Frau für

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Über die Korrespondenz mit asketischen Frauen der Oberschicht Einfluss als geistlicher Mentor und exegetischer Lehrer auszuüben ist das Spezifikum der Epistolographie des Hieronymus. Bei Paulinus von Nola werden Frauen hingegen zumeist gemeinsam mit ihren Ehemännern angeschrieben343; eine Ausnahme stellt Flora dar, eine Spanierin, deren Sohn Paulinus in der FelixBasilika in Nola bestattet hatte, woraufhin er einen Epitaph für ihn verfasste und der Mutter eine Trostschrift sandte.344 Augustin schrieb nur gelegentlich an Frauen dieses Standes, so an eine Römerin namens Fabiola, die mit der Empfängerin der ersten beiden Bücher von Hieronymus’ Ezechielkommentar identisch sein könnte345, und an zwei römische Witwen, die über Grundbesitz in Nordafrika verfügten, nämlich an Italica346 und Juliana, die Schwiegertochter der Anicia Faltonia Proba, der Gattin des Sextus Petronius Probus. Nach dessen Tod (395) und nach dem Tod von Probas Sohn, Anicius Hermogenianus Olybrius (vor 410), lebten beide Frauen als sanctae uiduae zusammen mit Julianas Tochter Demetrias in Nordafrika.347 Alle drei Genannten redete Augustin gemäß ihrer vornehmen senatorischen Herkunft als „inlustris et praestantissima filia“ an; die Anerkenntnis des sozialen Rangs verbindet sich hier mit der Betonung eines geistlichen Gefälles, das er ebenso gegenüber Männern herausstellte, denen er in pastoralem Duktus schrieb.348 So sprach er mit die Askese, „quae et nobilitate et diuitiis prima est in orbe Romano“ (ep. 130,1,1; CSEL 56, 176,1); vgl. ebd. 6,1 (180,24–26): „Ad explicandam incredibilis gaudii magnitudinem et Tulliani fluuius siccaretur ingenii et contortae Demosthenis uibrataeque sententiae tardius languidiusque ferrentur.“ HAGENDAHL 1974, 220f. verweist auf Cic. orat. 70,234 ( „cuius non tam vibrarent fulmina illa, nisi numeris contorta ferrentur“), ADKIN 1997, 27 darüber hinaus auf Quint. IX 4,55 (mit Zitat der Cicero-Stelle). Zu Theodora s. PLRE II 1084 Nr. 1; Hier. ep. 75. 343 Dies gilt für Aper und Amanda (epp. 38; 39; 44; vgl. MRATSCHEK 2002, 626 Nr. 5), den späteren Bischof von Lyon, Eucherius, und seine Gattin Galla (ep. 51; GP 598f. Nr. 5; MRATSCHEK, aaO. 628 Nr. 12) sowie für Julian von Eclanum und Titia (carm. 25; MRATSCHEK , aaO. 629 Nr. 16). 344 Dies geht aus Aug. cur. mort. 1,1 (CSEL 41, 621,8f. Zycha: „et rescripseras consolans eam“) hervor; vgl. CIL X 1370 = ILCV 3482; zum Herkunftsland vgl. MRATSCHEK 2002, 635 Nr. 5 (gegen PCBE II/1 833 Nr. 1: „plus vraisemblablement une Africaine“). 345 Aug. ep. 267; 20*; Poss. ind. X 5 , 173; M ORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 53; PLRE II 448 Nr. 2; PCBE I 380; II/1 735f. Nr. 2; unklar ist, ob sich beide Briefe an dieselbe Frau richten und ob diese in Hier. ep. 126,2 = Aug. ep. 165,2 (FC 41/2, 340,11–14) angesprochen ist. Hieronymus schickte seinen Kommentar 412 einer afrikanischen Fabiola, die jedenfalls nicht mit der 397/400 verstorbenen römischen Adligen identisch ist (s.o. Anm. 339). 346 M ORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 84; PLRE I 465f.; PCBE II/1 1162f. Nr. 1; Aug. epp. 92; 99; Poss. indic. X5, 88. 171; Adressatin von Joh. Chrys. ep. 170 (PG 52, 709f.). 347 M ORGENSTERN 1993, 80f. und Katalog Nr. 89; 130; PLRE I 468 Nr. 2; 732 Nr. 3; PCBE I 612; 921; Aug. epp. 130; 131; 150; 188; Poss. indic. X5, 44–46. 348 Z.B. ep. 153 an den „dilectus filius“ und „filius carissimus“ Macedonius (inc.; n. 6; CSEL 44, 395,17; 427,16), den uicarius Africae (MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 95; PLRE II 697 Nr. 2), ebenso an den „dominus insignis et praestantissimus… filius“ Largus, 418/19 proconsul Africae (ep. 203; CSEL 57, 315,13f.; dazu MORGENSTERN, aaO. Nr. 92; PLRE II 657; VON

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Pammachius ein prominentes Mitglied des römischen Senats als „dominus eximius… dilectissimus filius“ an.349 Pammachius kann geradezu als Schlüsselfigur des christlichen kommunikativen Netzwerks angesehen werden: Neben Augustin und Hieronymus richtete auch Paulinus von Nola einen Brief an ihn.350 Mit Personen dieses Ranges über erhebliche Entfernungen hinweg in brieflichem Kontakt zu stehen scheint um die Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert in hohem Maße erstrebenswert gewesen zu sein (anders als zwei Generationen später bei Sidonius Apollinaris, dessen Briefpartner fast alle aus Gallien stammten oder dort lebten). Zwar finden sich unter den Briefpartnern des Paulinus gebildete und reiche Grundbesitzer, wie er selbst einer gewesen war351, aber auch Munizipaladlige wie der duumuir und flamen perpetuus Romanianus aus Thagaste352 und der uir spectabilis Macarius, den Rufin als „uir fide eruditione nobilitate iuxta clarus“ rühmte353, möglicherweise auch der Senator Volusianus.354 Paulinus hielt durch briefliche Kommunikation die Verbindung zu seinen gesellschaftlichen Ursprüngen aufrecht und baute diese sogar aus, wobei Askese und Schriftmeditation die traditionelle Form neu füllten. Bei Augustins Briefcorpus ist dagegen zu berücksichtigen, dass er selbst nicht der „upper class“ entstammt, dafür aber expliziter als Paulinus die Rolle des Bischofs einnahm, wie schon die Anrede an Pammachius zeigt, die soziale Wertschätzung und geistliche Autorität zugleich ausdrückt.355 So werden

HAEHLING 1978, 449); ep. 257 (CSEL 57, 604,2f.) an den „dominus eximius… honorabilis et suscipiendus filius“ Orontius, Grundbesitzer in Hippo; vgl. MORGENSTERN, aaO. Nr. 115; PLRE II 813; Poss. indic. X5, 53. 349 Aug. ep. 58,1 (CSEL 34/2, 216,20f.); dazu MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 117; PLRE I 663; VON HAEHLING 1978, 436; Poss. indic. X5, 98. 350 Hier. epp. 57; 66; vgl. die lobenden Worte für die Konversion des Pammachius in Paul. Nol. ep. 13,15 (a. 396; FC 25/1, 330,3–5); dazu auch MRATSCHEK 2002, 629 Nr. 19. 351 Z.B. Cytherius (vgl. carm. 24,480–483; 222 H./K.: „Christus est, / qui te decorum gloriosis saeculi, / honore litteris, domo, / ditauit humili corde“; dazu MRATSCHEK 2002, 627 Nr. 9; EIGLER 2003, 123), Gestidius (aaO. 628 Nr. 14), Jovius und Sulpicius Severus (ebd. Nr. 15; 25). 352 Paul. Nol. ep. 7; CIL VIII 17226; PCBE I 994–997; MRATSCHEK 2002, 630 Nr. 21: Romanianus war Förderer des jungen Augustin und Vater des Licentius (s. bei Anm. 363). 353 Rufin. apol. adv. Hier. I 11 (44,1 M.); nach Aug. ep. 259,1 (CSEL 57, 611,4f.) schrieb ihm Paulinus von Nola eine „prolixa consolatoria epistola“ anlässlich des Todes seiner Frau; vgl. PLRE II 696 Nr. 2; MRATSCHEK 2002, 629 Nr. 18; nach Pall. hist. Laus. 62 (157,19–23 B.) wandte Macarius sich später dem Mönchtum zu, verband dabei aber Bildung und Gottesliebe (Z. 6f.: ἄνδρεςἐπίσηµοικαὶλογικώτατοικαὶεἰςἄκρονφιλοθείαςἐλάσαντες). 354 Ob Paulinus ein Gedicht an Volusianus richtete, ist unsicher (vgl. M RATSCHEK 2002, 632f. Nr. 30): Der Adressat von carm. 32, ein paganus Antonius, könnte zwar durchaus mit Rufius Antonius Agrypnius Volusianus (s.o. S. 204 Anm. 186) identisch sein (so André CHASTAGNOL; skeptisch PCBE II/2 2340f. Nr. 1; TROUT 1999, 272); fraglich ist aber, ob dieses Gedicht überhaupt von Paulinus stammt (so MRATSCHEK , ebd.). 355 Nach M ORGENSTERN 1993, 144–151 spielten die Bischöfe in Nordafrika aufgrund der weiterhin funktionierenden staatlichen und kommunalen Administration eine geringere

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Würdenträger wie der uir clarissimus und spectabilis proconsul Apringius (410– 413) sowie der uir spectabilis und comes Africae Classicianus (410–412), weiterhin der proconsul Africae Donatus (408–410) und sein Nachfolger Largus (418/19) in Verbindung mit wechselnden Epitheta (insignis, praestantissimus, eximius, honorabilis u.a.) als filius angesprochen, ebenso Marcellinus, Bruder des Apringius und als tribunus et notarius Vorsitzender des Konzils von Karthago 411.356 Wenn filius für Augustin „einen (noch) nicht Getauften“ bezeichnet, während ein getaufter Christ als frater angesprochen wird (z.B. der für seine „Begabung und Bildung“ gerühmte Oceanus, der Vater von Apringius und Marcellinus)357, wären alle Vorgenannten dem Christentum zwar nahestehend, aber vielleicht nicht einmal Katechumenen gewesen, anders als Olympius, magister officiorum am Kaiserhof in Ravenna (408/09), der nicht nur als filius, sondern auch als „conseruus Christianus“ tituliert wird.358 Der oben erwähnte Senator Volusianus359 ist Exponent einer Gruppe, die zu Augustin Kontakt suchte und damit Erfolg hatte, gleich ob es sich um „Heiden“ oder Christen handelte, nämlich gebildete Mitglieder der Oberschicht: Dazu zählt der gallische uir inlustris und patricius Claudius Postumus Dardanus, den Hieronymus als „uir eruditissime, in duplicis praefecturae honore transacto nunc in Christo honoratior“ lobte, weil er auf seinem Besitz bei Sisteron eine christliche Gemeinschaft zu gründen beabsichtigte. Auch Augustin bemerkte, Dardanus sei durch die Liebe zu Christus „hochansehnlicher (inlustrior) geworden als durch die Würde dieser Weltzeit“, vergaß aber nicht, diese

gesellschaftliche Rolle als in Gallien, gehörten aber durchaus zum Kreis der munizipalen Honoratioren (vgl. ECK 1983, 287f. sowie oben S. 151f. Anm. 127). 356 Vgl. Aug. ep. 134 an Apringius (PLRE II 123 Nr. 1; PCBE I 84–86; Poss. indic. X5 , 153; VON HAEHLING 1978, 447; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 6); epp. 1* und 250 an Classicianus (PLRE II 298; PCBE I 210; MORGENSTERN, aaO. Nr. 24); epp. 100/112 an Donatus (PLRE II 375f. Nr. 1; PCBE I 309f. Nr. 24; Poss. indic. X5, 14.56; VON HAEHLING 1978, 444; MORGENSTERN, aaO. Nr. 39 [I]); ep. 203 an Largus (zu diesem s.o. Anm. 348); epp. 128; 129; 133; 138; 139; 143 an Marcellinus (PLRE II 711f. Nr. 10; PCBE I 671–688 Nr. 2; Poss. indic. I, 29; VON HAEHLING 1978, 447; MORGENSTERN aaO. Nr. 97); zu ihm vgl. auch Hier. adv. Pelag. 3,19 (123,1–10 M.); Oros. hist. VII 42,16 (CSEL 5, 558,20f. Zangemeister): „uir inprimis prudens et industrius omniumque bonorum studiorum appetentissimus“. 357 So die Unterscheidung von D IVJAK , AL 2, 902–904; zu Oceanus vgl. die Anrede in Aug. ep. 180: „dominus… carissimus… honorandus frater“ sowie n. 4: „Porro autem pro tuo ingenio atque eruditione facillime perspicis…“ und n. 5: „Ita quippe mihi in epistulis tuis eruditus et suavis apparuisti, ut operae pretium sit tecum litteris conloqui“ (FC 41/2, 460,2f.; 464,17f.; 466,16–18 Fürst; dazu PLRE I 636; PCBE II/2 1357–1362; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 112). Vgl. FÜRST 2003, 196 zu Oceanus als Briefpartner des Hieronymus (epp. 69; 77; 83/84). 358 Aug. ep. 96,1 (CSEL 34/2, 514,5): „carissimus et sincerissimus conseruus noster… Christianus“; vgl. ep. 97 inc. (516,13f.): „dominus eximius… praestantissimus… honorandus filius“; Poss. indic. X5, 54.57; PLRE II 801f. Nr. 2; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 113. 359 Vgl. Aug. ep. 138,1,1 (CSEL 44, 126,5f.): „inlustris uir et eloquentissimus nobisque dilectissimus Volusianus“.

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überbotene Würde zu benennen.360 Neben Longinianus, der ein Priesteramt innehatte („pagani animus“)361, ist hierzu weiterhin der Grieche Dioscorus zu rechnen, der als Student in Karthago weilte362, ebenso Licentius, der Sohn von Augustins eigenem Förderer Romanianus aus Thagaste363, und schließlich sein Jugendfreund und Gefährte in Mailand, Nebridius.364 Neben der amtlichen Korrespondenz mit staatlichen Würdenträgern, deren Ausmaß die faktische Bedeutung des Bischofssitzes von Hippo bei weitem übersteigt, steht bei Augustin also der briefliche Austausch mit „heidnischen“ und christlichen Angehörigen der Oberschicht über theologische Fragen als Ausweis der Zugehörigkeit zum epistolographischen Netzwerk der Spätantike. Dies lässt sich mit bestimmten Modifikationen auch für Hieronymus sagen, wobei hier nicht der Aspekt des Bischofsamtes in Anschlag zu bringen ist. Die zur Zeit von Bischof Damasus geknüpften Kontakte erlaubten es ihm, mit gebildeten Mitgliedern der gesellschaftlichen Oberschicht zu korrespondieren und sich deren bleibende Verbundenheit nicht zuletzt durch Widmungen seiner Werke zu sichern: Dies gilt für den Spanier Dexter, einen bereits als Christ geborenen Amtsträger und in seinen Kreisen prominenten Mann („clarus ad saeculum“); er war der Sohn des Bischofs Pacianus von Barcelona, dem selbst „züchtige Redegewandtheit“ und Berühmtheit „sowohl aufgrund seines Lebens als auch seiner Predigt“ attestiert wurde.365 Dexter selbst galt als Verfasser eines (nicht erhaltenen) universalgeschichtlichen Werkes. Hieronymus dedizierte ihm 392 seinen Schriftstellerkatalog De viris illustribus: Nur der Zuspruch des Widmungsempfängers habe ihn ermutigt, sich auf diese Weise in die Tradition Suetons zu stellen.366 Verbindungsleute in die Ober360 Hier. ep. 129,8 (CSEL 56, 175,7f.); Aug. ep. 187,1,1 (CSEL 57, 81,3f.): „inlustrior mihi in caritate Christi quam in huius saeculi dignitate“; vgl. PLRE II 346f.; GP 590; PCBE I 264; CIL XII 1524; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 34; REBENICH 1992, 280f.; FÜRST 2003, 168. 361 Aug. ep. 235,1 (CSEL 57, 521,22); vgl. epp. 233/234; Poss. indic. I 32; PLRE II 686f.; PCBE I 644; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 94; VON HAEHLING 1978, 311–313. 362 Aug. epp. 117/118; Poss. indic. I 27; vgl. PLRE II 367 Nr. 2; PCBE I 279f. Nr. 2; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 38; zur Korrespondenz vgl. jetzt TORNAU 2006, 49–57. 363 Aug. ep. 26; Poss. indic. X 5 , 11; dazu PLRE II 682; PCBE I 640–642; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 93; CIL VI 32009. 364 Aug. epp. 3–14; PLRE I 620 Nr. 4; PCBE I 774–776; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 108; Poss. indic. X5, 1. Die an ihn gerichteten, aus der Zeit vor Augustins Bischofsweihe stammenden Briefe wurden schon von Possidius als zusammengehörig betrachtet und später gemeinsam überliefert (so DIVJAK, AL 2, 912). 365 Hier. vir. ill. 106 (210 C.-G.): „Pacianus, in Pyrenaei iugis Barcelonae episcopus, castigatae eloquentiae et tam vita quam sermone clarus“. 366 Hier. vir. ill. praef. 1; 132 (56; 228f. C.-G.); vgl. adv. Rufin. II 23 (59,19 L.: „amicus meus“); zu seiner Karriere vgl. o. S. 139; REBENICH 1992, 214; FÜRST 2003, 170. Seine historia omnimoda hatte Hieronymus allerdings gar nicht in Händen gehabt (dazu Josef LÖSSL, LACL 3, 190). Wie auch der Fall des als historicus disertissimus gerühmten Virius Nicomachius Flavianus (ILS 2948; vgl. oben S. 159f. Anm. 167) zeigt – dessen Annalen ebenfalls keine

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schicht Roms waren die bereits erwähnten Marcella und Pammachius, nach deren Tod seit etwa 411 der „uir eruditus“ Oceanus, der schon als Briefpartner Augustins genannte Vater von Apringius und Marcellinus, und zuvor auch der 402 verstorbene römische Literat und Asket Domnio: Dessen Bibliothek zierten mehrere Kommentarwerke und Bibelübersetzungen aus Hieronymus’ Feder; er bewegte diesen zur Abfassung seiner Streitschrift gegen Jovinian (393), fand das Ergebnis dann aber allzu harsch, was Hieronymus wiederum zu einer brieflichen Apologie veranlasste.367 In den 390er Jahren konnte Hieronymus in Rom bereits auf ein Netzwerk von Korrespondenten vertrauen, das seine Schriften verbreitete und damit seinen Ruhm als asketischer Mentor mehrte: Als der rhetorisch gebildete Christ Desiderius ihn um Weisungen für ein spirituelles Leben mit seiner Frau Serenilla bat, verwies ihn Hieronymus an Domnio und an Marcella, bei denen sein Schrifttum zur Ausleihe verfügbar sei; später widmete er Desiderius seine Pentateuchübersetzung.368 Aus der christianisierten Oberschicht Roms erfuhr Hieronymus allerdings auch Kritik: So warf ihm der uir clarissimus und orator urbis Romae Flavius Magnus um 397 vor, pagane Autoritäten in seiner Schriften heranzuziehen, was aber wiederum auch das Interesse von „Heiden“ an seinem Schrifttum bezeugt.369 Zu dieser Zeit hatte Hieronymus längst den Kontakt zu seinem Jugendfreund Bonosus verloren, „der mit uns in allen von der Welt geschätzten Künsten unterrichtet worden war“; Bonosus zog sich später als Eremit auf eine Insel in der nördlichen Adria zurück und wurde von Hieronymus in seiner Chronik als Vorbild christlicher Anachorese verewigt.370 Unter den Briefpartnern tauchen jedoch ähnliche Biographien auf, so der junge Rusticus aus Marseille, Sohn eines gallischen Bischofs, der sich während seiner Ausbildung in Rom entschloss, statt des kaiserlichen Dienstes ein monastisches Leben anzustreben, woraufhin Hieronymus ihm brieflich sein Mönchsideal darlegte.371 Den Weg aus der gebildeten Oberschicht ins Mönchtum nahmen auch Spuren hinterlassen haben –, war es in bestimmten Kreisen der Oberschicht offenbar en vogue, sich literarische Bemühungen um die Historie zuschreiben zu lassen. 367 Hier. ep. 50; vgl. PCBE II/1 593f. Nr. 1; F ÜRST 2003, 171; vgl. H AGENDAHL 1958, 158–161; FEICHTINGER 1995, 46–51. Welch guten Ruf Domnios Bibliothek genoss, zeigt die Notiz des Paulinus von Nola an Alypius, er habe die von diesem gewünschte Chronik des Euseb von Caesarea dort beschaffen können (ep. 3,4; FC 25/1, 148,21–150,4). 368 Hier. ep. 47; Vulg. Pent. prol. (4,47–49 Weber); vgl. PCBE II/1 551 Nr. 2; F ÜRST 2003, 169 Nr. 1. 369 Zu ihm s.u. S. 385f.; vgl. PLRE I 535 Nr. 10; ICUR NS VII 18802; F ÜRST 2003, 190; Magnus’ Anfrage ist verloren, vgl. aber die Antwort (Hier. ep. 70, zit. u. S. 474f. Anm. 295) sowie adv. Rufin. I 30 (29,18–21 L.); dazu CONRING 2001, 236 Anm. 22; 240. 370 Hier. chron. a. 377 (GCS Eusebius VII, 248,17f. Helm); das Zitat im Text: ep. 3,4,2 an Rufin (CSEL 54, 15,15f.): „esse puer honestis saeculo nobiscum artibus institutus“ (Übers. FÜRST 2003, 248); dazu PCBE II/1 344 Nr. 1; FÜRST 2003, 163; REBENICH 1992, 135. 371 Hier. ep. 125; GP 685 Nr. 4; F ÜRST 2003, 212f. Nr. 2; der Sitz des Vaters Bonosus (GP 572 Nr. 2) ist unbekannt, der Sohn könnte mit dem späteren Bischof von Narbonne

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die miteinander verwandten Advokaten Alexander und Minervius aus Toulouse, denen Hieronymus 406 einen Traktat über die Auferstehung der Toten schickte und denen er auch seinen Maleachikommentar widmete. Er äußerte sich höchst befriedigt darüber, dass sie „von der hündischen Redekunst, wie sie Appius nennt, zur christlichen Beredsamkeit konvertiert“ seien – ein litteratus jener Zeit vermochte darin den dezenten, aber unzweideutigen Hinweis auf den Schulautor Sallust als Quelle der Wendung canina facundia zu erkennen.372 Der Brief ist ein Zeugnis dafür, dass Hieronymus zu dieser Zeit auch unter den gallischen litterati als Autorität in monastischen und exegetischen Fragen anerkannt war.373 Ein ihm an literarischer Schaffenskraft kaum nachstehende Vertreter dieses Weges von der Bildung zur Askese (und damit zu einer biblisch fundierten Gelehrsamkeit) war sein Studienfreund Rufin von Aquileia: Aus vornehmer Familie in Concordia stammend, hatte er gemeinsam mit Hieronymus und Bonosus in Rom studiert („artibus institutus“); nachdem er sich in Aquileia der Askese zugewandt hatte, ging er nach Ägypten, lernte dort Griechisch und wurde von Didymus in die origenistisch geprägte Exegese eingeführt.374 (427 – ca. 461) identisch sein, an den Leo I. seine ep. 167 (PL 54, 1197–1209) richtete. Zu seinem Bildungsgang vgl. Hier. ep. 125,6,1 (CSEL 56, 123,3–8): „Audio religiosam habere te matrem, multorum annorum uiduam, quae aluit, quae erudiuit infantem et post studia Galliarum, quae uel florentissima sunt, misit Romam non parcens sumptibus et absentiam filii spe sustinens futurorum, ut ubertatem Gallici nitoremque sermonis grauitas Romana condiret nec calcaribus in te sed frenis uteretur“; n. 8,2 (127,16): „liberalibus studiis eruditus in adulescentia“. Bezeichnend ist die Mahnung, die Lektüre bewusst zu wählen: Während früher Quintilian, Cicero, Fronto, Plinius maßgeblich waren, soll jetzt die hebräische Bibel im Vordergrund stehen (ep. 125,12,1f.; CSEL 56, 131,9–20; z.T. zit. oben Anm. 195). Das schließt freilich die überreichliche Verwendung klassischer Zitate (Vergil, Sallust, Cicero, Persius) keineswegs aus (Einzelheiten bei HAGENDAHL 1958, 254f.). Gegen Hieronymus’ eigene Darstellung eines Nacheinander kolportiert Rufin, apol. adv. Hier. II 11 (91,1–92,21 M.), Hieronymus habe von Mönchen aus seinem – Rufins – Ölbergkloster in Jerusalem gegen Bezahlung Ciceros Werke abschreiben lassen! 372 Hier. ep. 119,1,3 (CSEL 55, 447,2–4): „Prudentes estis et eruditi et de canina, ut ait Appius, facundia ad Christi disertitudinem transmigrastis“; vgl. Sall. hist. frg. IV 54 Maurenbrecher (gemeint ist Appius Claudius Caecus, Zensor 312 v.Chr.); zur „canina eloquentia“ vgl. Quint. XII 9,9 (II 748 R.); Lact. inst. VI 18,26 (CSEL 19, 551,13–15 Brandt); Firmicus Maternus, math. IV praef. 1 (II 126 Monat); Martianus Capella IX 999 (385,13 Willis); Hier. ep. 125,16,2 (CSEL 56, 135,6f.); c. Lucif. 1 (CChr.SL 79B, 5,3f. Canellis); virg. mar. 22 (PL 23, 206B); Paul. Nol. ep. 5,6 (FC 25/1, 178,4); Prud. ham. 401 (CSEL 61, 143 Bergman); Prosp. c. coll. 13,5 (PL 51, 250B); Isid. sent. III 56,2 (PL 83, 728A); Ennod. opusc. 2,49 (MGH.AA VII, 56,1f. Vogel): „canina loquacitas“; zum Hintergrund Juvenal, sat. X 271f. über Priamor und Hekabe: „exitus ille utcumque hominis, sed torva canino / latravit rictu quae post hunc vixerat uxor.“ 373 So REBENICH 1992, 266–268. 374 Zu Rufin vgl. PCBE II/2 1925–1940; F ÜRST 2003, 209–211; zu seiner Bildung vgl. Hier. ep. 3,1,1 (CSEL 54, 13,1–5); Pall. hist. Laus. 46 (136,3 B.): οὗ γνωστικώτερος καὶ ἐπιεικέστεροςἐνἀνδράσινοὐχεὑρίσκετο; Genn. vir. ill. 17 (67,28–30 R.); zu den Griechischkenntnissen: apol. adv. Hier. II 9f. (91,20–22 S.); vgl. Matthias SKEB, in: LACL 3, 612–614.

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Gerade die vergleichbare theologische und sprachliche Kompetenz und das übereinstimmende Ziel, diese für den eigenen sozialen Aufstieg nutzbar zu machen, erklärt die Schärfe, mit der nach 393 zwischen den ehemaligen Freunden die origenistische Kontroverse entbrannte.375 Das konnte auch gezielte Nicht-Kommunikation bedeuten, wie im Falle des Sulpicius Severus, der über den Knotenpunkt Nola in Kontakt mit Rufin und der ebenfalls von Hieronymus kritisierten Melania der Älteren stand; in der Verbindung zwischen Rufin und Sulpicius mag der Grund dafür liegen, dass dessen monastisches Leitbild bei dem wohl einflussreichsten asketischen Schriftsteller jener Zeit keine direkte Erwähnung findet.376 Ebenso zeigt die harsche Invektive gegen Rufin im Brief an Rusticus, wie mit der Empfehlung einer bestimmten monastischen Lebensweise gezielt gegen eine andere Position und deren Vertreter polemisiert wurde – von beiden Seiten, denn Hieronymus’ Brief wäre kaum so scharf ausgefallen, wenn es sich nur um literarische Spiegelfechterei gehandelt hätte. Schließlich wurden um die Wende zum 5. Jahrhundert nicht nur Kontakte zu gebildeten christlichen Laien gepflegt, auch briefliche Kommunikation unter Bischöfen und gebildeten Theologen spielte eine Rolle für die Verortung innerhalb der christlichen Gemeinschaft. So entwickelte sich Hieronymus’ Briefwechsel mit Augustin zu einem jahrzehntelangen fruchtbaren (wenn auch menschlich nicht unkomplizierten) Austausch, der „von vorneherein nicht [als] ‚privat‘, sondern als öffentliche Diskussion im Medium des Briefes anzusehen“ ist.377 Beide betonten regelmäßig die überlegene Gelehrsamkeit des je Anderen378: Augustin sorgte sich gelegentlich, Hieronymus könne in seinem Schreiben „inhaltlich etwas finden, woran deine Bildung Anstoß nimmt – auf die sprachliche Formulierung achte ich nämlich nicht sonderlich“379; Hieronymus replizierte, die ihm zugegangenen Briefe Augus375

So REBENICH 1992, 138f.; vgl. ähnlich bereits NELLEN 1977, 116. REBENICH 1992, 256; zu Sulpicius Severus (PLRE II 1006 Nr. 20; GP 693 Nr. 3; Genn. vir. ill. 19; 69,13f. R.: „vir genere et litteris nobilis et paupertatis atque humanitatis amore conspicuus“) vgl. FÜRST 2003, 215, wo die wenigen direkten und indirekten Bezugnahmen gesammelt sind: Erwähnt wird Sulpicius als Vertreter des von Hieronymus nicht gebilligten Chiliasmus (in Ezech. XI 36,1–15; CChr.SL 75, 500,661f. Glorie gegen „Seuerus noster“, i.e. Sulp. Sev. dial. II 14,1–4; CSEL 1, 197,3–19 Halm); kritisch kommentiert wird auch die Martinsvita (in Is. XVI 58,6f.; 666,64–67 A.; ep. 125,9,3; CSEL 56, 128,13–129,3). Sulpicius dagegen bezog sich (ironisch?) auf Hieronymus als einen „uir maxime catholicus et sacrae legis peritissimus“ (dial. I 7,3; CSEL 1, 159,5f. Halm); zum Lob seiner Sprachkenntnisse vgl. dial. I 8,3 (zit. unten S. 445 Anm. 200); dazu REBENICH 1992, 278. 377 F ÜRST, Einleitung, in: FC 41/1, 87; vgl. ausführlich DERS . 1999b. 378 Vgl. z.B. Aug. ep. 82,1,2 (= Hier. ep. 116; FC 41/2, 262,14–16; 264,18); weitere Belege bei FÜRST, FC 41/1, 80 mit Anm. 49. 379 Aug. ep. 167,21 (= Hier. ep. 132; FC 41/2, 432,14–17): „Si quid autem est in eis, quantum ad res ipsas pertinet – nam, quali eloquio explicata sint, non nimis curo –, si quid ergo est in eis, quod eruditionem offendat tuam, quaeso, ut rescribendo admoneas et me corrigere non graveris.“ 376

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tins seien „hochgelehrt“ und erstrahlten „in jedem nur denkbaren rhetorischen Glanz“.380 Der gelehrte exegetische und theologische Austausch vollzog sich also im Medium und unter Einsatz der Topik der antiken epistolographischen Tradition („epistularum sollemnium mos“), auf die sich Augustin im Proömium des den Briefwechsel eröffnenden Schreibens bezieht.381 Augustin und Hieronymus erscheinen somit als zwei – in Nordafrika und Palästina angesiedelte – Fixpunkte des auf brieflicher Kommunikation beruhenden Netzwerks christlicher Bischöfe und Theologen an der Wende zum 5. Jahrhundert. Um sie herum gruppieren sich Knotenpunkte dieses Netzwerks wie Paulinus von Nola, der mit den meisten literarisch aktiven Theologen den Kontakt aufrecht zu erhalten vermochte und darüber hinaus für den gallischen Episkopat als Anlaufstelle in Italien fungierte – zu einer Zeit, als in Gallien das Mönchtum einen Aufschwung erfuhr, der von den römischen Bischöfen wiederum skeptisch beäugt wurde.382 Ob Paulinus mit Ambrosius korrespondierte, ist nicht deutlich; er bezog jedenfalls Reliquien des Protasius und Gervasius aus Mailand383 und versuchte mit Alypius von Thagaste eine Basis dadurch herzustellen, dass beide Ambrosius als Lehrer gehabt hätten: „Denn obwohl ich von Delphinus in Bordeaux getauft und von Lampius in Barcelona in Spanien infolge eines plötzlich entfachten Gewaltaktes des Volkes geweiht worden bin, so bin ich doch beständig durch die Liebe des Ambrosius zum Glauben aufgezogen worden und werde nun im Priesterstand von ihm gefördert. Schließlich wollte er mich für seinen Klerus haben, damit ich als sein Priester angesehen werde, obwohl ich anderswo lebe.“384

380 Hier. ep. 134,1 (= Aug. ep. 172; FC 41/2, 434,16f.): „libellis tuis… eruditissimis et omni eloquentiae splendore fulgentibus“. 381 Aug. ep. 28,1,1 (= Hier. ep. 56; FC 41/1, 98,9f.). 382 Vgl. unter Paulinus’ Briefpartnern die gallischen Bischöfe Delphinus und Amandus von Bordeaux, Florentius von Cahors und sein Bruder und Nachfolger Alethius sowie Victricius von Rouen; vgl. MRATSCHEK 2002, 625–631; aaO. 634–637 zu indirekt bezeugten Briefen des Honoratus von Arles sowie Aurelius von Karthago, Alypius von Thagaste, Profuturus von Cirta und Severus von Mileve (Paul. Nol. ep. 7,1; FC 25/1, 208,3–7) aus Africa. 383 Ep. 32,17 (FC 25/2, 784,23f.); zu Ambrosius vgl. MRATSCHEK 2002, 633f. Nr. 1. 384 Paul. Nol. ep. 3,4 (FC 25/1, 152,3–9): „Nam ego, etsi a Delphino Burdigalae baptizatus, a Lampio apud Barcilonem in Hispania per vim inflammatae subito plebis sacratus sim, tamen Ambrosii semper et dilectione ad fidem innutritus sum et nunc in sacerdotii ordinatione confoveor. Denique suo me clero voluit vindicare, ut, etsi diversis locis degam, ipsius presbyter censear“; nach MRATSCHEK 2002, 506f. ist nicht zwingend auf eine persönliche Bekanntschaft zu schließen – auch Alypius selbst und Augustin seien von Ambrosius getauft worden, von dem sie kaum mehr als seine Predigten gekannt hätten (jedoch deutet Augustin wiederholt eine besondere Beziehung des Alypius zu Ambrosius an: conf. IX 5,13: „antistes tuus, uir sanctus Ambrosius“; ebd. 7,15: „homo tuus Ambrosius“; 140,5; 141,5 V.). Zu Alypius, nach einer juristischen Tätigkeit wohl seit 395 Bischof von Thagaste, vgl. PLRE I 47f.; PCBE I 53–65; MORGENSTERN 1993, Katalog Nr. 3 (Liste der an ihn gerichteten Briefe Augustins); Aug. conf. VI 7,10–10,16 (80–85 V.).

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In einem geistlichen Verhältnis zu Ambrosius zu stehen war offensichtlich ein Ruhmesblatt, wobei Paulinus zu erkennen gibt, dass er auch nach Aquitanien und Spanien beste Beziehungen hat. Dieses epistolographische Netzwerk, das in den größeren Briefsammlungen des Paulinus, Hieronymus, Augustin und später des Sidonius Apollinaris Gestalt gewinnt und auch im Zeichen der Völkerwanderung noch Nachfolger fand (man denke nur an Ennodius von Pavia und Avitus von Vienne an der Wende zum 6. Jahrhundert) basierte auf der eingangs dieses Abschnitts skizzierten Briefkultur der Spätantike und ihrer Formensprache, war aber zugleich ein Medium, in dem die von Christen erworbene Schulbildung operationalisiert werden konnte, um Kontakte zu knüpfen, Freundschaften zu pflegen und – darin über das „klassische“ Modell hinausgehend – exegetische und theologische Kontroversen in brieflicher Form zu verhandeln. Die Epistolographie ist damit ein literarisches Medium der Aneignung einer paganen Literaturgattung samt deren spezifischer Formkultur durch christliche Autoren – und zugleich ein Indikator für die „Christianisierung“ dieser Literaturgattung, damit aber auch des Bildungsdiskurses der Spätantike insgesamt. 2.3. Bildung als Hinterlassenschaft „weltlichen“ Lebens: Hagiographie Der Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter ist eine Zeit signifikanter Veränderungen von Leitbildern. Hatten anfangs der Kirche die Märtyrer als singuläre Exempel christlicher Standhaftigkeit gedient, so waren es nach dem Ende der Christenverfolgungen vor allem Mönche und Bischöfe, die als Heilige verehrt wurden und deren Todestag man liturgisch beging. Im 7. Jahrhundert schrieb zu einem solchen Anlass ein merowingischer Autor: „Wir sehen, dass manche Menschen die Bücher der Heiden eifrig studieren und die Fabeln, Komödien und Gedichte der Poeten eingehend lesen; bei anderen beobachten wir, dass sie die Geschichten der Heidenvölker, in denen wir nur etwas erblicken können, das gemäß der Torheit dieser Welt geschehen ist, neugierig durchforschen und gewissenhaft in Erinnerung behalten; wir sehen sie auch bereitwilliger die Geschichten solcher dem Verderbnis anheim gegebener Menschen zitieren, als die Lehren, Tugenden und Beispiele der Heiligen heranziehen: Dagegen werden wir doch, indem wir das Leben und die Verdienste der Heiligen rezitieren, was schon die höchste Nützlichkeit allen nahe legt (denn – wie der Prophet mahnt [Ps 150,1] – darin loben wir den Herrn in seinen Heiligen, der sich in jenen beständig in wunderbarer Art zeigt), durch die Fürsprache der Heiligen vor allem der Gnade seiner Versöhnung teilhaftig und bereiten durch deren Betrachtung für uns den Anreiz zum tugendhaften Leben. Wir wollen also die Bemühungen der törichten Menschen bei Seite lassen und uns die Tugenden und Verdienste unseres ruhmreichen Vaters Caprasius, dessen Fest wir heute begehen, in Erinnerung rufen.“385

385 Vita Capr. 1 (BHL 1559; ActaSS Iun. I, 78BC): „Videmus quamplurimos homines, Gentilium libros studiose perlegere, fabulas poëtarum comœdiasque et carmina perscrutari: alios cernimus Ethnicorum gesta, quibus juxta hujus mundi stultitiam aliquid strenue gessisse cernuntur, curiose perquirere, tena-

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Hier ist das Problemfeld präsent, das im Folgenden auszuleuchten ist: die Rolle von Bildungsterminologie und -vorstellungen in hagiographischen Texten der Spätantike. Der heilige Caprasius, der 430 verstorbene Freund, Ratgeber und Assistent des Klostergründers von Lérins, Honoratus386, wird als Fürsprecher bei Gott beschrieben, aber – durch seine vita – auch als Beispiel den gesta und historiae der „törichten“ Welt gegenübergestellt. Nicht nur Fabeln, Komödien und Gedichte, sondern die studia hominum insgesamt will der Autor hinter sich lassen, um den Blick ganz auf die virtutes ac merita seines Protagonisten zu richten. Eine doppelte Strategie verbindet Form und Inhalt der Vita: So wie der Autor sich dezidiert von kunstvollen literarischen Formen abgrenzt und statt dessen in einfacher Sprache die Gemeinde am Tag des Heiligen ansprechen will, so hat sich auch dieser selbst von der ihm reichlich zu Gebote stehenden Bildung ab- und einem christlichen Leben zugewandt: „Es war also der selige Caprasius edel und ansehnlich von Abstammung, aber – was noch mehr zu loben ist – herausragend an Tugend des Sinnes; von frühester Blüte der Jugend an war er mit den philosophischen Künsten vertraut und glänzte durch wunderbare Scharfsinnigkeit. Dennoch – bewahrt durch göttliche Gnade, auf die er klugerweise achtete, denn wie der Apostel sagt: ‚Die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott‘, und: ‚Wissen bläht auf, Liebe aber erbaut‘ [1 Kor 3,19; 8,1] – zog er es vor, lieber bei den Menschen als Tor zu gelten, auf dass er bei Gott als Weiser angesehen würde…“.387

Wenige Zeilen später wird diese Antithese wiederholt und präzisiert: „Der selige Caprasius, ein wahrer Schüler (discipulus) Christi, wandte sich von der weltlichen Philosophie ab und der evangelischen Lebensweise (euangelicam disciplinam) zu.“388

Die Wortverbindung von discipulus und disciplina berührt einerseits den Aspekt der Lehre, schließt andererseits aber auch das Leben ein. Entsprechend wird im Fortgang der Akzent auf das heiligmäßige Leben des Caprasius gelegt, das cique memoria retinere: quosdam etiam perpendimus, talium perditorum hominum libentius historias allegare, quam Sanctorum doctrinas, virtutes et exempla referre: cum tamen Sanctorum vitam et merita recitando, quam maxima cunctis immineat utilitas, Nam in hoc (ut Propheta admonet) Dominum laudamus in Sanctis ejus, qui in illis semper mirabilis apparet; insuper ejus propitiationis gratiam Sanctorum interventione promeremur; et eorum consideratione, virtutum nobis incitamenta præparamus. Omissis igitur stultorum hominum studiis, gloriosi Patris nostri Caprasii, cujus hodie festum colimus, virtutes ac merita ad memoriam revocemus.“ 386 Caprasius fungierte als „secundus“, so KASPER 1991, 27f. mit Verweis auf das Institut eines δεύτερος bei Pachomius (aaO. 26 mit Anm. 32) sowie aaO. 311 zum secundus als Stellvertreter des pater in der Regula quattuor patrum (4,17; SC 297, 202 de Vogüé) aus Lérins. 387 Vita Capr. 2 (ActaSS Iun. I, 78C): „Fuit itaque B. Caprasius ingenuus ac spectabilis genere, sed, quod laudabilius est, virtute mentis excelsus, a primævo juventutis flore Philosophiæ artibus imbutus, miroque claruit ingenio. Sed tandem, divina præventus gratia, prudenter attendens, quia, juxta Apostoli dictum, Sapientia hujus mundi stultitia est apud Deum; et, quia scientia inflat, caritas autem ædificat; elegit potius stultus ab hominibus reputari, ut apud Deum sapiens mereretur haberi.“ 388 Vita Capr. 3 (ActaSS Iun. I, 78C): „Beatus igitur Caprasius, verus Christi discipulus, mundanam illam relinquens Philosophiam, Euangelicam aggressus est disciplinam“; vgl. PRINZ 1965, 50.57.

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bereits seine Zeitgenossen Eucherius von Lyon und Hilarius von Arles herausgestellt hatten389; die Bildung des jungen Adligen spielt keine Rolle mehr. Zwei Jahrhunderte zuvor blickte der alternde Augustin in den Retractationes auf die Leidenschaften seiner Jugend zurück, die der Heiligkeit im Wege standen: „Ich war [sc. in der Zeit der Abfassung von De ordine] ganz den freien Künsten zu Diensten, welche viele Heilige überhaupt nicht kannten, während diejenigen, die darin bewandert waren, nicht heilig waren.“390 Für Augustin wie für die Vita Caprasii stehen pagane Bildung und heiligmäßiges Leben demnach in Spannung zueinander. Diese Spannung ist im Folgenden anhand einiger ausgewählter Heiligenviten zu rekonstruieren. Zwar durchzieht die gesamte spätantike lateinische Hagiographie die Betonung der formalen und inhaltlichen Differenz des Heiligenlobes zu „weltlichen“ Leitbildern von Lehre und Leben. Dadurch spielt Bildung aber paradoxerweise gerade in einem literarischen Kontext, wo die Torheit der Welt nach paulinischem Vorbild beständig beschworen wird, eine unaufgebbare Rolle, sei es durch schroffe Abgrenzung oder durch subtiles Spiel mit literarischen Formen. Nach einer formalen Abgrenzung des Gegenstandsbereichs ist daher zunächst auf die Auseinandersetzung lateinischer Autoren mit Bildung und Unbildung in monastischen Vitae einzugehen, um dann Bischofsviten nach einem Nach- oder Miteinander von „heidnischen“ und christlichen Idealen zu befragen.391 2.3.1. Formale Aspekte der spätantiken Heiligenvita Die scheinbar einfache Frage: „Was ist Hagiographie?“ führt in eine Sackgasse – jedenfalls wenn damit primär nach dem gattungsgeschichtlichen Verhält389 Eucher. laud. her. 42 (CSEL 31, 193,3 Wotke): „Caprasium… ueteribus patris parem“; Hilar. vita Honorat. 12,1 (57,2–8 Cavallin): „Ne quid tamen iuvenili ausu temere ab ipsis [sc. Honoratus und Venantius] inceptum putaretur, adsumunt senem perfectae consummataeque gravitatis, quem semper in Christo patrem computantes patrem nominarunt, sanctum Caprasiusm angelica adhuc in insulis conversatione degentem.“ Zur Person vgl. GP 574; BRUNERT 1994, 191 Anm. 266. 390 Aug. retract. I 3,4 (19,18–20,2 K.): „et quod multum tribui liberalibus disciplinis, quas multi sancti multum nesciunt, quidam etiam sciunt et sancti non sunt.“ Nicht den Begriff sanctus, jedoch die gleiche inhaltliche Opposition bietet Hier. in Tit. 1,2sqq. (CChr.SL 78C, 8,83–91 Bucchi): „Si quis grammaticam artem nouerit uel dialecticam, ut rationem recte loquendi habeat et inter falsa et vera diiudicet; geometrica quoque et arithmetica et musica habent in sua scientia ueritatem, sed non est scientia illa pietatis. Scientia pietatis est nosse legem, intellegere prophetas, Euangelio credere, apostolos non ignorare. Ut e contrario multi sunt qui habent pietatis ueram cognitionem, sed non statim et ceterarum artium et earum de quibus supra mentionem fecimus ueritatem.“ 391 Der Untersuchungszeitraum beginnt mit den lateinischen Fassungen der Vita Antonii; Gregor von Tours blickt bereits auf ein für ihn nicht mehr erreichbares Bildungsideal der Spätantike zurück – trotz seiner tatsächlichen literarischen Kompetenzen – und markiert die obere zeitliche Grenze. Grundlegend für die spätantike Hagiographie sind AIGRAIN 1953; L OTTER 1979; BERSCHIN 1986; MARTIN 1990; VON DER NAHMER 1994; BRANDT 1999; zum religionsgeschichtlichen Vergleich „religiöser Ausnahmemenschen“ vgl. SPEYER 2001; zur Bischofsbiographie s. jetzt die vorzügliche Studie von ELM 2003.

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nis von antiker Biographie und christlicher Hagiographie gefragt wird. Weder ist in der vorchristlichen antiken Literatur strikt zwischen einer „plutarchischperipatetischen“ und einer „alexandrinisch-suetonischen Biographie“ zu unterscheiden392, noch lassen sich die meisten christlichen Heiligenviten einfach einem der beiden Genera zuordnen. Hagiographische Literatur erschöpft sich nicht in einer mehr oder minder geglückten Nachahmung „heidnischer“ Vorbilder, so dass sich der Rahmen einer gattungsgeschichtlichen Fragestellung als zu eng erweist, um das literarische Phänomen der Hagiographie beschreiben zu können. Heiligkeit und Heilige werden zudem nicht nur in biographischen Formen thematisiert, sondern ebenso in Märtyrerakten und -passionen, später in Inschriften, Leichenreden, Panegyriken, Predigten, Briefen und Dialogen. Nach Friedrich Lotter ist „unter Hagiographie weniger ein literarhistorischen Gattungsbegriff, dem bestimmte genera zuzuweisen wären, als vielmehr eine literarisch-historische Kategorie zu verstehen, die literarische Tradition nicht nach der äußeren Form, sondern nach Entstehungsbedingungen, Struktur und Intention aufgrund spezifischer – eben hagiographischer – Merkmale klassifiziert.“393 Marc van Uytfanghe beschreibt mit dem Begriff des „hagiographischen Diskurses“394 eine kommunikative Strategie, die sich ganz unterschiedlicher literarischer Formen bedienen kann, um ihr Ziel – die Darstellung einzelner Menschen oder Menschengruppen, die in besonderer Beziehung zu Gott oder zum Göttlichen stehen, was sich in außeralltäglichen Ereignissen, Eigenschaften oder Taten erweist – zu erreichen. Da dieser Diskurs von paganen und christlichen Autoren geführt worden sei, seien Einflüsse und Interferenzen nicht aus verwendeten Gattungen, sondern aus gleichen kommunikativen Zielen zu erklären.395 Wenn im Folgenden vor allem auf Heiligenviten, nicht aber auf Märtyrerakten und Passionen eingegangen wird, so liegt dies ganz einfach daran, dass die letztgenannten Texte sich nicht mit dem Leben, sondern mit dem Tod ihres Protagonisten beschäftigen, Schule und Bildung sinnvollerweise aber nur im Zusammenhang des curriculum vitae zu behandeln sind. Das schließt nicht grundsätzlich aus, dass der Bildungsstand eines Märtyrers oder einer Märtyrerin benannt werden kann: Perpetua wird als „honeste nata, liberaliter 392 So die einflussreiche Terminologie von Friedrich L EO, Die griechisch-römische Biographie nach ihrer litterarischen Form, Leipzig 1901. Der Unterschied zwischen den beiden Idealtypen liegt nach Leo in der Schilderung des βίος in chronologischer Abfolge (Plutarch) bzw. nach sachlichen Rubriken (Sueton): VAN UYTFANGHE 1988, 159f.; VON DER NAHMER 1994, 61–67; zum Aufbau der suetonischen Caesarenbiographien vgl. LUCK 1964, 234f.; HAGENDAHL 1983, 134f. Anm. 87; PAUSCH 2004, 258–275. Zur Kritik an LEO: HEINZELMANN 1973, 27f. sowie HOSTER 1963, 13–17; zum Ganzen VAN UYTFANGHE 2005. 393 L OTTER 1979, 314. 394 Den Begriff „discours hagiographique“ übernimmt VAN U YTFANGHE 1988, 155 von Michel DE CERTEAU, L’écriture de l’histoire, Paris 1975, 282–284. 395 Vgl. VAN U YTFANGHE 1988, 155–157; 1993, 148f.; 1994, 204; vgl. zuletzt DERS . 2005.

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instituta, matronaliter nupta“ dargestellt396, was aber lediglich als Begründung dafür dient, warum ausgerechnet sie (eine Frau!) unter den mit ihr Festgenommenen besondere Aufmerksamkeit verdient. Dagegen wird die ein halbes Jahrhundert später entstandene Vita Cypriani des Diakons Pontius bereits von Hieronymus treffend als „vita et passio“ eingeordnet397, insofern darin das Leben des Bischofs nicht nur als Vorgeschichte zu seinem Martyrium geschildert, sondern dem irdischen Wirken des Hingerichteten eigene Dignität verliehen wird. Die Vita Cypriani kann geradezu als Gegenentwurf zur Passio Perpetuae gelten, insofern hier nicht Plebejerinnen und Katechumeninnen wie Felicitas und Perpetua die Hauptrolle spielen, sondern „Cyprian, der auch ohne das Martyrium unser Lehrer sein konnte“.398 Darum steht am Ende zwar auch hier das Martyrium, jedoch: „Wesentlich ist die spirituelle Geschichte des Bischofs, sein Leben mit Gott, das sich in seinem Amt dokumentiert.“399 Pontius überschreitet damit die Grenze von der Passio zur Vita, wobei jene Gattung nach dem Ende der Märtyrerzeit ihre Bedeutung für die Bischofsbiographie verlor: „Hagiographen legen nun dar, daß das Leben ihrer Heiligen vom Rang eines Märtyrerlebens war.“400 Eine signifikante Ausnahme ist die Passio Marculi, die die Absage an eine pagane Karriere und die Hinwendung zum Christentum durch den Gerichtsredner und donatistischen Bischof Marculus schildert, der am 29.11.347 das Martyrium erlitt.401 396

Pass. Perp. 2,1 (BHL 6633; SC 417, 104,3–106,4 Amat); dazu oben S. 115 Anm. 273. Hier. vir. ill. 68 (172 C.-G.): „Pontius, diaconus Cypriani, usque ad diem passionis eius cum ipso exilium sustinens, egregium volumen vitae et passionis Cypriani reliquit“; vgl. BHL 2041; CPL3 52; ELM 2003, 65–78. 398 B ERSCHIN 1986, 59 mit Verweis auf Pont. vita Cypr. 1 (CSEL 3/3, XC,12–XCI,2 Hartel): „Certe durum erat, ut cum maiores nostri plebeis et catecuminis martyrium consecutis tantum honoris pro martyrii ipsius ueneratione debuerint, ut de passionibus eorum multa aut, ut prope dixerim, paene cuncta conscripserint, utique ut ad nostram quoque notitiam, qui nondum nati fuimus, peruenerint, Cypriani tanti sacerdotis et tanti martyris passio praeteriretur, qui et sine martyrio habuit, quae doceret“; vgl. AIGRAIN 1953, 157. P.L. SCHMIDT 2001, 310 sieht hier einen Argumentationsbruch: Das in Pass. Perp. geschilderte Martyrium sollte ja überboten, nicht relativiert werden! Die Unterscheidung eines mündlichen sermo bzw. einer laudatio funebris, die in einem zweiten Schritt für die Veröffentlichung nach dem „rhetorisch-biographischen Schema“ Suetons überarbeitet worden sei (aaO. 314f.), ist auch über das erwähnte Indiz hinaus durchaus erwägenswert. 399 H OFMANN 1997, 451; vgl. ausführlich HOSTER 1963, 32–48 und M ONTGOMERY 1996. 400 V ON DER N AHMER 1994, 9; vgl. z.B. Sulp. Sev. ep. 2,12f. (SC 133, 330 Fontaine), wonach Martin von Tours durch die Härte des Lebens, die Missgunst der Mitmenschen und die Nachstellungen des Teufels ein „martyrium sine cruore“ erlitten habe, so dass es ihm nicht zum Nachteil gereiche, nicht mehr die Gelegenheit zum Märtyrertod gehabt zu haben! 401 Passio Marculi 2 (TU 134, 278,31–42 Maier): „Ille, namque olim praeelectus et praedestinatus a domino, ubi rimum beatae fidei rudimenta suscepit, statim mundanas litteras respuens forense exercitium et falsam saecularis scientiae dignitatem, suspensa ad caelum mente, calcauit et a calumniosis tribunalium scaeptis ad sanctissimam ecclesiae transiens scholam, dum uerum magistrum elegit Christum, sic inter principales Christi discipulos meruit honorari.“ Marculus (PCBE I 696f.) war Mitglied, möglicherweise auch Leiter einer Delegation donatistischer Bischöfe, die 347 in Vegesela mit dem kaiserli397

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Innerhalb des „hagiographischen Diskurses“ hat Friedrich Lotter zwischen „aretalogisch-hagiographischen Viten“ und „rhetorisch-idealisierenden Biographien“ unterschieden.402 Formal sei der erste Typ eine eher redaktionelle Verbindung einzelner Erzähleinheiten für das einfache Volk in anspruchsloser, aber eingängiger Sprache, während die rhetorisch stilisierten Biographien sich an die Bildungsschicht wendeten, die eine nach literarischen Kriterien durchkomponierte Prosadarstellung erwartete. Tatsächlich existieren jedoch zahlreiche Mischtypen, wie mit einigen Beispielen angedeutet sei: So wenden sich die wunderlastigen und streckenweise phantastischen „Mönchsromane“ des Hieronymus eindeutig an ein gebildetes Publikum; hingegen betonen gerade die rhetorisch stilisierten Viten kontrafaktisch die Unfähigkeit des Autors, angemessen zu schreiben. Zwar hat die Unterscheidung Lotters Anhalt am Selbstverständnis einiger Autoren: Ennodius von Pavia kritisiert in der Vita seines Amtsvorgängers Epiphanius († 496) die Haltung wundergläubiger Hagiographen: „Eine Lobrede, die großzügiger als angemessen verfährt, vernichtet so viel an Ruhm, wie sie an Falschheit hinzufügt“; das Ergebnis sei eine „eitle, aus Lügen erwachsene Erzählung“.403 Hochzuschätzen sei statt dessen „die Langlebigkeit der Redekunst, durch welche die Lebensweise der Besten niemals zu einem Ende gelangt“.404 Sulpicius Severus dagegen drückt im Vorwort der Vita Martini die Befürchtung aus, sein libellus könne durch die ungepflegte Sprache dem Leser missfallen.405 Der Adressat Desiderius wird daher an sein Versprechen erinnert, den Text keinesfalls zu veröffentlichen: „Wenn das geschieht und du siehst, daß es von jemand gelesen wird, sollst du von den Lesern nachsichtig verlangen, daß sie mehr auf die Dinge als auf die Worte achten und es gleichmütig ertragen, wenn ihre Ohren vielleicht ein Lateinfehler trifft, denn das Reich Gottes besteht nicht in der Beredsamkeit, sondern im Glauben. Sie mögen sich auch erinnern, daß dieser Welt das Heil nicht von Rednern – was doch der Herr, wenn es nützlich gewesen wäre, hätte gewähren können – sondern von Fischern gepredigt wurde. Als ich ‚begann, mich ans Schreiben zu machen‘ [Terenz, Andria 1] – denn ich hielt es für ein Unrecht, daß die Wundertaten eines solchen Mannes verborgen blieben – habe ich jedenfalls beschlossen, mich falscher Ausdrucksweisen nicht zu schämen, weil ich kein Wissen in diesen Dingen erworben, und wenn ich etwas von diesen Studien einst vielleicht verkostete, dies durch mangelnde Übung während langer Zeit verloren habe.“406 chen Sondergesandten Macarius über die Beilegung neu ausgebrochener Unruhen verhandeln sollte; er wurde jedoch gefangen genommen und starb bald darauf – ob als Märtyrer (so c. 12; 287,381–388), ist nicht unumstritten (ebd. Anm. 44 z.St.). 402 Vgl. hierzu L OTTER 1979, 309–312; H AGENDAHL 1983, 63; B RANDT 1999, 127. 403 Ennod. vita Epif. 3 (BHL 2570; 85,5–7 V.): „iusto liberior laudatio tantum decerpit gloriae, quantum falsitatis adiecerit… vana narratio quae crescit ex mendaciis“. 404 Ennod. vita Ant. 2f. (BHL 584; MGH.AA VII, 185,31f. Vogel): „eloquentiae diuturnitas…, per quam optimorum conversatio… nescit occasum“. Zu beiden Viten vgl. BARNISH 1993. 405 Sulp. Sev. Mart. praef. 1 (SC 133, 248 Fontaine): „sermo incultior legentibus displiceret“. 406 Sulp. Sev. Mart. praef. 3–5 (248–250 F.): „Quod si acciderit et ab aliquis eum legi uideris, bona uenia id a lectoribus postulabis, ut res potius quam uerba perpendant et aequo animo ferant, si aures

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Der Topos der persönlichen Ungelehrtheit entlarvt sich selbst durch die Anspielung auf Terenz.407 Obwohl die sprachliche Gestalt der Vita dem asketischen und weltabgewandten Habitus des homo inlitteratus Martin408 entsprechen soll, werden die Mirakel in rhetorisch hochstehender Form und unter Aufbietung zahlreicher klassischer Reminiszenzen geschildert, die eben nur Gebildete würden goutieren können; dass diese sich von spektakulären Wundererzählungen von der Lektüre hätten abhalten lassen, hat von der Nahmer zu Recht als neuzeitliches Vorurteil bezeichnet.409 Der Vita Martini liegt das „mit enkomiastischer Tendenz unterlegte Schema der suetonischen Herrscherbiographie“ zu Grunde, wie Vielberg gezeigt hat410: Der Heilige wird also entgegen der Autorenaussage nach allen Regeln der rhetorischen Kunst dargestellt. Christliche Bedenken gegenüber der rhetorischen Stilisierung von Viten belegt ebenso das Widmungsschreiben der Vita Severini des Eugippius: Der Verfasser berichtet von einem laicus nobilis, der bereits eine Vita Bassi monachi verfasst hatte und nun auch über Severin von Noricum schreiben wollte. Eugippius freilich befürchtete, dass einem Laien „Ton und Farbe des Werkes nicht ohne gewisse Bedenken aufgetragen werden kann; denn er würde vielleicht, da er nur in weltlicher Literatur erfahren ist, das Leben in einem solchen Stile beschreiben, daß viele ihn sehr schwer verstünden und die wunderbaren Dinge, die lange Zeit gewissermaßen in einer Nacht des Schweigens verborgen waren, infolge einer dunklen Redegewandtheit nicht klar hervorträten – zumindest für mich als einen Menschen ohne höhere Bildung.“411

eorum uitiosus forsitan sermo perculerit, quia regnum Dei non in eloquentia, sed in fide constat. Meminerint enim salutem saeculo non ab oratoribus, cum utique, si utile fuisset, id quoque Dominus praestare potuisset, sed a piscatoribus praedicatam. Ego enim, cum primum animum ad scribendum appuli, quia nefas putarem tanti uiri latere uirtutes, apud me ipse decidi, ut soloecismis non erubescerem: quia nec magnam istarum umquam rerum scientiam contigissem et, si quid ex his studiis olim fortasse libassem, totum id desuetudine tanti temporis perdidissem“; Übers. BERSCHIN 1986, 197. Der Entschluss, sich an Solözismen (Grammatikfehlern) nicht zu stören, wird mit decidere formuliert, was gegenüber dem klassischen decernere einen Barbarismus (Vokabelfehler) darstellt – ein kaum zufälliges Detail! Zur Vorrede vgl. jetzt auch VIELBERG 2006, 42f.: Der Autor versuche „mit dieser Rhetorik des Paradoxons sein Werk als zur Höhenkammliteratur gehörig zu erweisen“. 407 Vgl. BRUNERT 1994, 150: „Wie Hieronymus und auch schon Evagrius gehörte [Sulpicius Severus] zu jenen christlichen Schriftstellern, die die Sprache der Fischer zwar lobten, sich aber hüteten, sie auch selbst zu benutzen“; dazu auch BRANDT 1999, 129f. 408 Sulp. Sev. Mart. 25,8 (312 F.). 409 V ON DER N AHMER 1994, 178: „Autor und Leser, die Gebildeten und die herrscherlich Maßgebenden vieler Jahrhunderte, waren keine Aufgeklärten, Wunder gehörten vielmehr, auch ohne jeden Wunderbericht kritiklos hinzunehmen, doch zu ihrem möglichen Erfahrungshorizont, zu ihrer geschichtlichen Welt.“ 410 V IELBERG 2006, 239-244, Zitat 244. 411 Eugipp. vita Sever., ep. ad Paschasium 2 (40,20–25 Noll): „cui et modus et color operis non sine praesumptione quadam possit iniungi, ne forsitan saeculari tantum litteraturae politus tali vitam sermone conscriberet, in quo multorum plurimum laboraret inscitia et res mirabiles, quae diu quadam silentii

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Die letzte Bemerkung wird zwar umgehend durch den Adressaten Paschasius relativiert: Dem commemoratorium vermöge „die Redegewandtheit der Geschulten nichts hinzuzufügen“412; in der Tat kann an der gediegenen Schulbildung des Eugippius kein Zweifel bestehen. Dennoch ist der Vorbehalt gegenüber einem weltlich gebildeten Laien als Hagiographen nicht einfach als „kaum verhohlene Autoreneitelkeit“ aufzufassen; vielmehr ist „die Anforderung an eine Vita eben nicht, hübsch und rhetorisch geschickt erzählt zu haben, was dann bisweilen doch ganz gut gelingt, sondern der dem Heiligen adäquate, nach Rang und Würde gleiche Text. Dies aber erkannte man als grundsätzlich unmöglich.“413 Der „Gegenstand“ ist den sprachlichen Möglichkeiten kategorial überlegen, wie Hieronymus in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der rhetorischen Schulmethodik feststellt: In seiner Vita Hilarionis zieht er Sallust als Zeugen dafür heran, dass „die Leistungen derer, die etwas vollbracht haben, in dem Maße anerkannt werden, in dem hervorragende Geister sie lobend herauszustellen vermögen“; er selbst „habe gar den Wandel und das Leben eines so großen und so vortrefflichen Mannes zu schildern, daß mich selbst ein Homer, wenn er sich einfände, um den Stoff beneidete, wenn er ihm überhaupt gewachsen wäre.“414 Diese charakteristische Unbescheidenheit begegnet wenig später ähnlich bei Sulpicius Severus: „Ich sage es ehrlich, all das [sc. das Leben und Wirken Martins] könnte selbst Homer nicht schildern, wenn er – wie man so sagt – aus der Unterwelt aufstände.“415 Bei Hieronymus dient der Verweis auf die Autorität Homers allerdings auch der Kritik an einem bereits existierenden Panegyricus auf Hilarion aus der Feder des Epiphanius von Salamis: „Es macht jedoch einen Unterschied, ob man einen Verstorbenen nur mit ein paar Gemeinplätzen lobt oder ob man von dessen ureigensten Verdiensten berichtet.“416

nocte latuerant, quantum ad nos attinet ignaros liberalium litterarum, obscura disertitudine non lucerent“ – möglicherweise eine Anspielung auf Terenz, Andria 17 („obscura diligentia“). 412 Vita Sever., ep. Paschasii 2 (46,7 N.): „direxisti commemoratorium, cui nihil possit adicere facundia peritorum“; vgl. BEUMANN 1964, 78; BRANDT 1999, 135. Nach Cassiodor war Eugippius aber weniger in weltlichen Wissenschaften als in der Schrift bewandert (inst. I 23; 238,4f. B.: „non usque adeo saecularibus litteris eruditum, sed scripturarum divinarum lectione plenissimum“). 413 V ON DER N AHMER 1994, 74. 414 Hier. vita Hilar. 1 (PL 23, 29A): „Porro mihi tanti ac talis viri conversatio vitaque dicenda est, ut Homerus quoque si adesset, vel invideret materiae, vel succumberet“; Übers. FUHRMANN 1983, 37; zitiert wird Sall. Cat. 8,4 („ita eorum, qui fecere, virtus tanta habetur, quantum eam verbis potuere extollere praeclara ingenia“), weiterhin werden Cat. 3,2 sowie Cic. Arch. 24 paraphrasiert; dazu HAGENDAHL 1958, 118f.; KECH 1977, 167f. 415 Sulp. Sev. Mart. 26,3 (312 F.): „uere fatebor, non si ipse, ut aiunt, ab inferis Homerus emergeret, posset exponere.“ 416 Hier. vita Hilar. 1 (PL 23, 29A): „tamen aliud est locis communibus laudare defunctum, aliud defuncti proprias narrare virtutes“; Übers. FUHRMANN 1983, 37f. Der Panegyricus ist verloren; nach Hieronymus hatte Epiphanius lange bei Hilarion geweilt, was den Konkurrenten dazu

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Die Methode der loci communes entstammt der rhetorischen Findungslehre: Quintilian bezeichnete so bei der Vorbereitung der Gerichtsrede „die ‚Sitze‘ der Beweise, an denen sie sich verbergen, an denen man sie suchen muß“417, also ein kategoriales Raster, das durch die Stichworte „genus, natio, patria, sexus, aetas, educatio et disciplina“ konkretisiert wird; in der Lobrede, die Hieronymus im Blick hat, konnte „ex loco communi“ Pathos erregt werden.418 Diese Methode zur Strukturierung des Stoffes liegt in der antiken Biographik paradigmatisch mit den Rubriken in Suetons Caesarenviten vor – darunter auch der locus der studia (παιδεία).419 Epiphanius wurde also getadelt, in seiner Vita Hilarionis allzu offenkundig einem antiken Schema gefolgt zu sein und damit das Wesentliche verfehlt zu haben, nämlich die virtutes des Heiligen, die auf dessen besondere Beziehung zu Gott zurückzuführen seien. Nur deswegen sieht sich Hieronymus zu einer neuen Darstellung genötigt – „mehr weil man den Gegenstand bisher vernachlässigt hat, als im Bewußtsein meiner Fähigkeiten“.420 Mit dem Problem der loci kämpfte schon Pontius in seiner Vita Cypriani: „Die Taten eines Gottesmenschen dürfen doch erst ab dem Zeitpunkte gerechnet werden, wo er Gott geboren ist. Mag er auch zuvor Studien betrieben und sich voll Hingebung der Beschäftigung mit den edlen Wissenschaften gewidmet haben, so übergehe ich dennoch all das; denn es diente ihm höchstens zu weltlichen Zwecken.“421

Damit gibt sich Pontius als Rhetor zu erkennen – er weiß um die Pflichten, die die Panegyrik ihm auferlegt – und macht zugleich deutlich, warum sich die laudatio eines Christen von der eines staatlichen Würdenträgers zu unterscheiden hat: „Cyprian ist mit seiner Bekehrung fertig da.“422 Wie er zu dem wurde, was er als Bischof ist, wird nicht auf soziale, charakterliche oder pädagogische Dispositionen zurückgeführt, widersprachen diese doch dem Ideal nötigte, seine Glaubwürdigkeit durch den Hinweis auf mangelnde schriftstellerische Kreativität herabzusetzen. Vgl. dagegen Hieronymus’ Urteil über Epiphanius in adv. Rufin. II 22 (58,29f. L.): „uir eruditus et ab infantia sacris litteris institutus“; ebenso lobend ep. 57,2,1 (CSEL 54, 504,18–22 H.) – anders aber vir. ill. 114,1 (216 C.-G.): „Epiphanius, Cypri Salaminae episcopus, scripsit ‚Adversum omnes haereses‘ libros et multa alia, quae ab eruditis propter res, a simplicioribus propter verba quoque lectitantur.“ Dass sich in zwei Handschriften der Vita Hilarionis eine Widmung an die römische Adlige Asella (s.o. S. 235 Anm. 339) findet, deutet nach HARVEY 2005, 296f. darauf hin, dass Hieronymus sich mit der Schrift in einem um Epiphanius gescharten Kreis römischer Asketinnen ins Gespräch zu bringen versuchte, wozu auch die kritischen Bemerkungen über dessen Hilarion-Vita beitragen sollten. 417 Quint. V 10,20 (I 554 R.): „sedes argumentorum, in quibus latent, ex quibus sunt petenda“. 418 Vgl. L AUSBERG 1990, 226f. § 409. 419 Vgl. HEINZELMANN 1990, 108. 420 Hier. vita Pauli 1 (PL 23, 18A): „magis, quia res omissa est, quam fretus ingenio“; Übers. FUHRMANN 1983, 8. 421 Vita Cypr. 2 (XCI,17–21 H.): „siquidem hominis Dei facta non debent aliunde numerari, nisi ex quo Deo natus est. fuerint licet studia et bonae artes deuotum pectus imbuerint, tamen illa praetereo: nondum enim ad utilitatem nisi saeculi pertinebant“; Übers. BAER, BKV 34, 9; zit. oben S. 92. 422 B ERSCHIN 1986, 60.

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der humilitas und erregten den Neid anderer Kleriker423; entscheidend ist allein das Wirken Gottes seit der Taufe. Das hindert Pontius nicht daran, Cyprians Aussehen und Auftreten wie das eines römischen Beamten zu beschreiben.424 Noch zwei Jahrhunderte später betont Hilarius von Arles in Bezug auf seinen Amtsvorgänger Honoratus († 429) die Unangemessenheit jenes „allseits bekannten rhetorischen Prinzips“, wonach „zuerst Vaterland und Herkunft zu benennen sind, damit das, was an eigenen Tugenden fehlt, im Ruhm der Väter beschlossen erscheint.“425 Hilarius fährt freilich mit einer praeteritio fort: „Daher verzichte ich darauf, seine angestammten Ehrenzeichen weltlicher Würden in Erinnerung zu rufen und – was die Welt für begehrenswert und fast für das Höchste hält – den Adel seiner Familie, die sich bis zum Konsulat aufgeschwungen hat, der verschmäht wird vom größeren Adel des Herzens.“426

Obwohl Hilarius seine Rede selbst der rhetorischen Kategorie der consolatoria laus zuordnet, mit Lob gerade für die Eloquenz des Honoratus nicht spart und die oratoria disciplina „vom Exordium bis zur Peroratio“ zur Anwendung bringt427, ist doch die Antithese des weltlichen und des christlichen (Herzens-) Adels deutlich. In typischer Weise wird hier die kreative – und d.h. zugleich: den Geltungsanspruch des Vorbilds begrenzende – Aneignung der antiken laudatio funebris erkennbar.428 Gelegentlich wird darüber hinaus die Biographie als „Legende“ im wörtlichen Sinne rekontextualisiert, d.h. als im Gottesdienst zu verlesender, liturgisch eingebundener Text, so etwa beim Sermo de vita s. Honorati, ohne dass man dies für die Spätantike als konstitutives Merkmal des christlichen „hagiographischen Diskurses“ behaupten dürfte.429 423

Vgl. ELM 2003, 71; zur Problematik eines gebildeten Bischofs im 3. Jh. s.o. S. 124f. Vgl. Pont. vita Cypr. 6 (XCVI,12–14 H.) mit den Stichworten grauitas, seueritas (die nicht mit tristitia zu verwechseln sei – auch dies ein locus communis), comitas etc. 425 Hilar. Arel. Vita Honorat. 4,1 (51,1–4 C.): „Est illud notum omnibus oratoriae disciplinae, quorum laudandam receperint vitam, patriam prius et originem praedicare, ut quod in propriis virtutibus deest, in patrum gloria praecessisse videatur.“ 426 Hilar. Arel. vita Honorat. 4,2 (51,8–12 C.): „Praetermitto itaque commemorare avita illius saecularium honorum insignia et, quod concupiscibile ac paene summum habet mundus, usque ad consulatus provectam familiae suae nobilitatem, maiore generositate pectoris fastiditam“; vgl. BRUNERT 1994, 189f.; SCHERLIEß 2000, 112. Nach LUCK 1964, 235 wird der locus der Bildung allenfalls in paradoxer Weise durch Nichtbeachtung präsent gehalten – allerdings gehen viele Viten, wie zu zeigen sein wird, später ausführlich auf die Bildung des Heiligen ein! 427 B ERSCHIN 1986, 244. 428 V ON DER N AHMER 1994, 71f. sieht im Topos der Ratlosigkeit, wie der Redner über den Heiligen sprechen könne, eher die Betonung der Distanz beider Gattungen, während HEINZELMANN 1973, 44 keinen Unterschied zur staatlichen laudatio funebris erkennen möchte; die „sancti episcopi“ hätten demnach „das direkte Erbe des hohen römischen Beamten heidnischen Stiles angetreten“. 429 Entsprechende Vorbehalte sind gegenüber den „coordonnées hagiographiques“ angebracht, die AIGRAIN 1953, 251f. nach Hippolyte DELEHAYE für die Abgrenzung des Gegenstandes der Hagiographie formuliert hat: das Vorhandensein eines Kultes, also eines „fait 424

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2.3.2. Gebildete Mönche? Die Produktion hagiographischer Literatur im Westen begann mit der Rezeption der ersten östlichen Mönchsvita, der Vita Antonii des Athanasius, verfasst bald nach dem Tod des Wüstenvaters (356).430 In wenigen Jahren entstanden zwei lateinische Übersetzungen, zuerst um 365 durch einen Anonymus431, sodann um 370 durch Evagrius, dem sich bald darauf Hieronymus als ambitionierter Bearbeiter hagiographischer Stoffe vorstellte.432 Nach Berschin gehört der Anonymus „zu einer nun in den Hintergrund tretenden älteren Autorenschicht“, während Evagrius, „die Reihe der neuen Klassizisten, der Damasus, Ambrosius, Prudentius, Sulpicius Severus, Hieronymus, Augustinus und Paulinus von Nola“, eröffne.433 Zum Ausdruck kommt dies in Bemerkungen zu den jeweiligen hermeneutischen Prinzipien. So schreibt der Anonymus im Epilog zu seiner Übersetzung: „Die Klugen also, die diese Schrift vielleicht lesen wollen, bitten wir um Verzeihung, daß wir die Kraft der griechischen Rede bei der Übersetzung ins Lateinische nicht ausdrücken konnten, obwohl wir das gegen unseren Vorsatz getan haben, nicht weil wir neidisch wären, sondern weil wir sehr wohl wissen, welche Schwächung die griechische Rede erfährt, wenn sie ins Lateinische übersetzt wird. Dennoch wollten wir lieber, daß die griechische Rede das erduldete, als daß die um den vergöttlichenden Gewinn betrogen würden, die das – auf welche Weise auch immer – Übersetzte lesen könnten.“434

Mit ganz anderem Selbstbewusstsein wendet sich Evagrius an Innocenz: „Die wörtliche Übersetzung von einer Sprache in die andere deckt den Sinn zu und erstickt die Saaten wie das üppig sprießende Gras. Wenn die Rede nämlich den Fällen und Wortfiguren sklavisch folgt, erklärt sie des langen und breiten mit Mühe, was in kurzen Worten hätte angezeigt werden können. Das also habe ich vermieden und die Lebensbeschreibung des heiligen Antonius auf deine Bitte so übertragen, daß nichts am Sinn, liturgique“, „qui atteste indirectement, mais avec une même sûreté, le fait historique que le martyr, au su de son église et d’abord de l’évêque, a souffert pour la foi ce jour-là“ (253). 430 Eine Übersicht über die Bildungsvorstellungen in der Vita Antonii (BHG 140) und bei weiteren zeitgenössischen Hagiographen (Hieronymus, Gregor von Nyssa, Vita Pachomii prima) gibt RUBENSON 2001. Zur literaturgeschichtlichen Bedeutung vgl. VIELBERG 2006, 7. 431 BHL 609e, hg. von Gérard G ARITTE (1939) sowie von Henricus W.F.M. H OPPENBROUWERS (1960; hiernach wird im Folgenden zitiert). 432 BHL 609; PL 73, 125–194; s.o. S. 232f. zu Hier. ep. 1; B ERSCHIN 1986, 128: „Evagrius war der Mann nach dem Herzen des Hieronymus, weil er Biblisches und Klassisches, asketische Tendenz und gepflegte Sprache in einer neuartigen Balance vereinte.“ 433 B ERSCHIN 1986, 128; vgl. Jacques F ONTAINE, HLL 5, 536–539; B ARTELINK 1972. 434 Anon. vita Ant. epil. (194,13–195,20 H.): „Tamen prudentes qui legere uoluerint hanc scripturam [oramus] ut dent ueniam, si gr[a]ecis sermonibus uim exprimere non potuimus transferentes eam in latinam linguam, licet contra nostrum propositum hoc fecerimus, non quasi inuidentes facere, sed sciens quantas infirmitates sustinuit graecus sermo translatus in latinitatem. Maluimus tamen hoc sustinere quam fraudem pati eos lucri deifici qui quomodocumque interpretatum sermonem legere possunt“; Übers. nach BERSCHIN 1986, 121.

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höchstens an den Worten etwas fehlt. Andere mögen Silben und Buchstaben stechen, du suche den Gedanken!“435

Anstatt darüber zu klagen, dass die Sprachgewalt des Griechischen im Lateinischen nicht nachzubilden sei, wird also eine sinngemäße Übertragung in neuer sprachlicher Form angekündigt. Das Prinzip, den Sinn wiederzugeben und nicht an den Worten zu kleben, wird dem Protagonisten auch selbst in den Mund gelegt. Von Antonius werden zahlreiche Gespräche mit Menschen berichtet, „die durch das Dunkel der ganzen weltlichen Klugheit blind waren und – ihrer eigenen Einschätzung nach – in allen philosophischen Studien höchst gelehrt waren“.436 Ein solcher Gesprächsgang lautet nach Evagrius: „Ebenso überführte er andere Weltweise, die ihn verlachen wollten, weil er ungebildet war. Zu ihnen sprach er: ‚Antwortet mir, was ist zuerst, der Sinn oder die Buchstaben? Und was ist des anderen Ursprung: Entsteht der Sinn aus den Buchstaben, oder die Buchstaben aus dem Sinn?‘ Jene gaben zu, dass der Sinn der Urheber und Erfinder der Buchstaben sei, woraufhin er sagte: ‚Wenn jemandes Sinn unbeschadet erhalten ist, bedarf er der Buchstaben nicht.‘ Wer von den Umstehenden hätte wohl nicht ob dieser Entgegnung aufgeschrien, wo doch selbst die Überwundenen stutzten und einen solchen Scharfsinn des Herzens bei einem literarisch unbewanderten Mann bewunderten?“437

Evagrius lässt also Antonius selbst die Rechtfertigung für seine bewusst freie Adaption der griechischen Vita aussprechen; daher erübrigt sich die Nachbildung etwaigen rhetorischen Beiwerks im Original, für dessen Fehlen sich der Anonymus schon vorauseilend entschuldigen zu müssen glaubte. Eingangs der Kapitel mit Antonius’ philosophischen Disputen wird die formale Ungebildetheit wiederholt und mit der tatsächlichen Weisheit des Mönchs kontras435 Evagr. vita Ant. praef. (PL 73, 125f.): „Ex alia in aliam linguam ad verbum expressa translatio sensus operit et veluti laetum gramen sata strangulat. Dum enim casibus et figuris servit orator, quod brevi poterat indicari sermone, longo ambitu circumacta vix explicat. Hoc igitur ego vitans vitam beati Antonii te petente ita transposui, ut nihil desit ex sensu, cum aliquid desit ex verbis. Alii syllabas aucupentur et litteras, tu quaere sententiam!“; Übers. BERSCHIN 1986, 121; diese Passage wird zustimmend zitiert in Hier. ep. 57,6,1f. (CSEL 54, 511,14–22 H.). 436 Evagr. vita Ant. 46 (PL 73, 158D): „Tertio venerunt viri ad eum omnis saecularis prudentiae nube caecati, atque universis philosophiis studiis artium suarum aestimatione doctissimi.“ Zu Antonius’ Disputen mit paganen Philosophen vgl. summarisch ROUSSEAU 2001, 96–98. 437 Evagr. vita Ant. 45 (PL 73, 158BC): „Alios quoque similiter mundi sapientes, qui eum irridere cupiebant, quia litteras ignoraret, tali disputatione colligavit, dicens: Respondete mihi, quid prius, sensus an litterae? et quid cujus exordium? Sensus ex litteris, an litterae oriuntur ex sensu? Illis asserentibus quia sensus esset auctor atque inventor litterarum, ait: Igitur si cui sensus incolumis est, hic litteras non requirit. Quis praesentium post hanc colluctationem non exclamaverit, cum obstupuerint et ipsi qui victi sunt, tantam in imperito litterarum sagacitatem animi admirantes?“ Die anonyme Vita unterscheidet zwischen mens (nicht sensus) und litterae und kommt damit dem griechischen Original näher (Anon. vita Ant. 73; 169,9–11 H.): „Vos quid dicitis? Quid prius est, mens aut litterae? Aut quid cuius auctor est aut inuentor, mens litterarum est aut litterae mentis?“; vgl. Ath. vita Ant. 73,2 (SC 400, 322,4–6 Bartelink): ῾Υµεῖςδὲτίλέγετε;Τίπρῶτόνἐστιν,νοῦςἢγράµµατα;Καὶτίτίνοςαἴτιον,ὁνοῦς τῶνγραµµάτων,ἢτὰγράµµατατοῦνοῦ;

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

tiert.438 Dabei beherrscht Antonius die Methode der Apodeixis so gut wie die Philosophen, so dass die eigentliche Differenz nicht in der Argumentationstechnik, sondern in der Quelle der Erkenntnis zu suchen ist.439 Während die sogenannten Gebildeten von ihrem Wissen und der daraus resultierenden Ein-Bildung geheilt werden müssen, erweist sich Antonius als der wahrhaft – nämlich im Herzen, nicht durch äußeren Schein – Gebildete. Das bedeutet freilich nicht – hierin stimmen Athanasius und seine beiden Übersetzer überein –, dass Bildungsgüter oder -institutionen eine positive Wertung erfahren würden, ganz im Gegenteil: Antonius wird als Kind begüterter ägyptischer Eltern von klein auf als Christ erzogen und streng behütet, „so dass er nichts außer seinen Eltern und deren Haus kannte“.440 Sobald die Sprache auf die sich nahelegende Elementarbildung kommt, wird jedoch die Initiative des späteren Asketen betont: „Bildung wollte er nicht erwerben, um vom Umgang mit anderen Kindern unbehelligt zu bleiben“, so der Anonymus441; etwas anders akzentuiert Evagrius: „In den Buchstaben wollte er nicht unterwiesen werden, damit er nicht erleiden müsse, mit den albernen Fabeln der Kinder konfrontiert zu werden.“442 Die Grammatikschule wäre – nach häuslicher Elementarunterweisung, wie sie in wohlhabenden Familien üblich war443 – der nächste Schritt einer Bildungskarriere; deren mythologischen Gehalten entgeht Antonius aber, um auf andere Art Berühmtheit zu erlangen:

438 Evagr. vita Ant. 43 (PL 73, 158A): „Erat autem valde sapiens, et hoc in se mirabile habebat, quia cum litteras non didicisset, ingeniosissimus et prudentissimus erat“; Anon. vita Ant. 72 (168,21– 25 H.): „Et prudens erat singularis, et, quod est mirum, litterae nesciebat, et tanta ab se intelligebat et sapiebat quomodo nemo huius nationis hominum“; Ath. vita Ant. 72,1 (320,1–3 B.): Καὶφρόνιµος δὲἦνλίαν.Καὶτὸθαυµαστόν,ὅτι,γράµµαταµὴµαθών,ἀγχίνουςἦνκαὶσυνετὸςἄνθρωπος. 439 Nach R UBENSON 2001, 118 geht es um „the difference between inherent, and thus divine, wisdom and power, on the one hand, and acquired, and thus human, futile and feeble logic, on the other.“ 440 Evagr. vita Ant. 1 (PL 73, 127A); vgl. Ath. vita Ant. 1,2 (130,1–7 B.); Anon. vita Ant. 1 (70,1–71,6 H.). 441 Anon. vita Ant. 1 (71,7f.): „litteras quidem noluit discere, uolens liber esse a consuetudine puerorum“; Ath. vita Ant. 1,2 (130,8f. B.): γράµµατα µὲν µαθεῖν οὐκ ἠνέσχετο, βουλόµενος ἐκτὸς εἶναι καὶ τῆς πρὸς τοὺς παῖδας συνήθειας. Er habe ἄπλαστος („einfältig“) im Haus bleiben wollen, „wie geschrieben steht“ (1,3; 130,9f. B.); in Manuskripten wurde dies später durch Jakob, der sich von Esau ferngehalten habe (Gen 25,27) präzisiert; vgl. ROUSSEAU 2001, 89f. 442 Evagr. vita Ant. 1 (PL 73, 127A): „non se litteris erudiri, non ineptis infantum jungi passus est fabulis.“ 443 Zu apodiktisch urteilt mit der älteren Forschung BRUNERT 1994, 27: Antonius „war demnach (wie die meisten seiner Landsleute) Analphabet“; dagegen hält RUBENSON 2001, 115 Anm. 15 elementare Bildung für wahrscheinlich; ebenso BRAKKE 1995, 257: „Athanasius is not interested in the realistic depiction of Antony as a simple, illiterate Copt. Rather, the bishop seeks to contrast the ascetic discipline of concrete service to God with the intellectual life of disputation and theory, and hence not only Christianity with the world, but also the Christianity of the Athanasian episcopate with the Christianity of the schoolroom.“

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„Nicht wegen seiner Schriften oder aufgrund von Weisheit weltlicher Bildung oder wegen irgendeiner Kunst wurde er so bekannt, sondern ihm war klar, dass dies aufgrund der ihm geschenkten gottgegebenen Frömmigkeit geschah. Niemand jedoch bezweifelt, dass dies ein Geschenk Gottes war.“444

Wiederum ist Evagrius’ Wiedergabe ausführlicher und zugleich spezifischer: „Auch dies, liebe Brüder, dass seine Liebe und sein Ruhm alle Provinzen durchflog – er, den weder glänzende Rede wie in verbreiteten Büchern noch Disputierkunst mit weltlicher Weisheit, auch nicht der Adel seines Geschlechts und nicht die unendliche Masse des Reichtums empfehlenswert machte – wem sollte dies aus aller Munde zuzuschreiben sein, wenn nicht Christus, dessen Geschenk all dies ist?“445

Entsprechend kann der so beschenkte Heilige über den „Bildungstourismus“ der Hellenen spotten, „die jenseits des Meeres Bildung erstreben und in fremden Erdteilen beheimatete Lehrer der wertlosen Wissenschaft aufsuchen – uns aber treibt keine Notwendigkeit zum Fortgehen und zum Durchsegeln der Meere, denn das Himmelreich ist an jedem Platz auf Erden beheimatet!“446 Diese Antithese wird ausgerechnet von dem als „uir eloquentissimus“447

444 Anon. vita Ant. 93,4 (192,13–16 H.): „Non enim de tractatibus ipsius, aut de sapientia litterarum, aut propter aliquam artem sic erat nominatus, sed propter deificam religionem donatam sibi notus erat. Hoc autem donum esse Dei nemo negat“; vgl. Ath. vita Ant. 93,4 (374,21–23 B.): Οὐγὰρ ἐκσυγγραµµάτωνοὐδὲἐκτῆςἔξωθενσοφίαςοὐδὲδιάτινατέχνην,διὰδὲµόνηνθεοσέβειανὁ ᾿Αντώνιοςἐγνωρίσθη.Τοῦτοδὲθεοῦδῶρονοὐκἄντιςἀρνήσαιτο. Vgl. BRAKKE 1995, 255 (zu Antonius’ Elementarschulkenntnissen). STOCKMEIER 1967, 132 verweist zur Diastase von Glauben und Paideia im Mönchtum auf die Vita Hypatii des Callinicus (c. 29,3; SC 177, 198–200 Bartelink): Der Abt habe die Mönche, die „mit der Kunst ihrer Bildung“ (τῇτέχνῃ τῆς παιδεύσεως) argumentierten, „auf das gehörige Maß“ (κατὰ τὸ δίκαιον) zurechtgestutzt! Zur ἔξωθενσοφία, die man kenne solle, „bis es hinreichend für unsere Zwecke ist“,vgl. auch Didym. EcclT (276,15–17 Gronewald); zu verwandten Begriffsprägungen (wie ἡ ἔξωθεν παίδευσις, ἡ ἔξω φιλοσοφία) in den Biographien Gregors von Nyssa vgl. RUBENSON 2001, 118 Anm. 22; 124–129. 445 Evagr. vita Ant. 61 (PL 73, 168B): „Hoc etiam, fratres, quod per omnes provincias amor ejus famaque volitavit, quem nec librorum disseminatorum oratio luculenta, nec mundanae sapientiae disputatio, nec nobilitas generis, nec opum infinita congestio commendavit, cui omnium ore est ascribendum, nisi Christo, cujus hoc donum est?“ 446 Evagr. vita Ant. 15 (PL 73, 136D): „Graeci studia transmarina sectentur, et in alieno orbe constitutos, inanium litterarum quaerant magistros; nobis vero nulla proficiscendi, nulla transfretandi fluctus necessitas imminet, in omni sede terrarum constituta sunt regna coelorum“; vgl. Anon. vita Ant. 20,4 (105,14–18 H.): „Etenim Graeci quos diximus paganos, longe euntes, mare transeunt ut litteras discant. Nobis autem non est necessaria peregrinatio propter regnum caelorum, neque transmeare (mare) opus est nobis“ und Ath. vita Ant. 20,4 (188,12–15 B.): ῞Ελληνες µὲν οὖν ἀποδηµοῦσι, καὶ θάλασσαν περῶσιν,ἵναγράµµαταµαθῶσιν,ἡµεῖςδὲοὐχρείανἔχοµενοὔτεἀποδηµίαςδιὰτὴνβασιλείαν τῶνοὐρανῶνοὔτεπερᾶσαιθάλαττανδιὰτὴνἀρετήν; dazu BRUNERT 1994, 68f. Vgl. als zeitgenössische pagane Parallele die Klage des Libanius über den Bedeutungsverlust der Rhetorik gegenüber der juristischen Fachausbildung (ep. 1203,1 a. 364; XI 286,19–287,2 Förster): Θαυµάζοιµ᾿ἂνεἰµὴκαὶαὐτὸςτῶντρεχόντωνεἰςΒηρυτὸνἔσοµαι·οὕτωκαὶπαῖδεςκαὶἄνδρες

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

gepriesenen Evagrius formuliert, der selbst in Ost und West gelebt und sich literarisch betätigt hatte. Eher passt die Ablehnung des Erwerbs umfassender Bildung zum späteren Bild des ersten Hagiographen des Antonius: Athanasius sei bereits als Kind zum Bischof designiert worden und habe den weltlichen Unterricht nur so lange besucht, bis er einem Bischof anvertraut werden konnte – so Rufin von Aquileia.448 Zurückhaltender bemerkt sein jüngerer Zeitgenosse, Gregor von Nazianz, Athanasius sei (wie Antonius) von klein auf im christlichen Glauben erzogen worden, habe freilich in bescheidenem Maße auch Grammatik und Philosophie studiert, „so dass er in solchen Dingen nicht völlig unbewandert war und durchaus Kenntnis von dem hatte, was er ablehnte.“449 Unabhängig davon, ob der Autor hinsichtlich der Bildungsvoraussetzungen seinem Gegenstand in geringerem oder größerem Ausmaße kongenial war, entwarf er mit der Vita Antonii ein asketisches Ideal, das durch die baldige Übersetzung auch im Westen großen Einfluss ausübte. Evagrius bietet dabei nicht nur eine hermeneutisch reflektierte Übertragung der Vita Antonii ins Lateinische, sondern zugleich eine subtile Modifikation des darin tradierten Mönchsideals, das den Lektüreerwartungen des gebildeten Publikums an asketische Literatur angepasst wird. Den ersten Gegenentwurf aus lateinischer Perspektive entwickelte Hieronymus, der sich – wie oben (S. 234f.) beschrieben – durch seine umfangreiche Korrespondenz exegetischen und asketischen Inhalts als geistlicher Mentor eines literarischen Netzwerks unter römischen Aristokraten zu etablieren verstand. Seine Kompetenz als Autor hagiographischen Schrifttums versuchte er bereits mit dem oben zitierten Brief an Innocenz unter Beweis zu stellen, in dem mit Evagrius und Innozenz selbst Autor und Adressat der AntoniusÜbersetzung in dieser „profanen Märtyrerakte in Briefform“ auftreten.450 Nur wenig später veröffentlichte Hieronymus die Vita s. Pauli Thebaei, in deren Widmungsschreiben er Paulus von Concordia bereits ankündigte, er habe bei καὶγέροντεςπλέουσικαὶπεζεύουσικαὶπέτονταιδόξηςτινός,οἶµαι,κεκρατηκυίαςἀσθενῆσυνήγορονεἶναιτὸνµὴἐκεῖθενπιόντα; dazu HOSE 2000, 291. 447 Cassiod. hist. VIII 1,92 (CSEL 71, 470,389 Hanslik/Jakob) nach Sozom. h.e. VI 30,6 (792,10f. H.): Εὐάγριοςὁσοφός,ἐλλόγιµοςἀνήρ,νοῆσαίτεκαὶφράσαιδεινός. 448 Rufin, h.e. X 15 (GCS Eusebius II/2, 981,18–21 Mommsen): „cum a notario integre et a grammatico sufficienter Athanasius fuisset instructus, continuo tamquam fidele domini commendatum a parentibus restituitur sacerdoti ac velut Samuhel quidam in templo domini nutritur“; vgl. S. 277 zu Ambrosius’ Vorherbestimmung zum Bischof sowie Greg. Tur. vit. patr. 17,1 (728,14f. Kr.) zu Nicetius von Trier: Dieser war schon als Kind „clericus designatus“: „exinde studiosissimis enutritis parentibus, litteris institutis, abbati cuidam in monasterio commendatur…“. 449 Greg. Naz. or. 21,6 (SC 270, 120,1–4 Mossay): ᾿Εκεῖνοςἐτράφηµὲνεὐθὺςἐντοῖςθείοις ἤθεσι καὶ παιδεύµασιν, ὀλίγα τῶν ἐγκυκλίων φιλοσοφήσας τοῦ µὴ δοκεῖν παντάπασι τῶν τοιούτωνἀπείρωςἔχεινµηδὲἀγνοεῖνὧνὑπεριδεῖνἐδοκίµασεν; vgl. LAISTNER 1950, 51. 450 B ERSCHIN 1986, 134: „Das Opusculum ist pure Rhetorik von der Wahl des extremen Stoffes über den Aufbau und den deklamatorischen Stil bis zu den gelehrten Zitaten aus den Schulklassikern Virgil und Terenz.“

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung

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Gefallen „noch viel mehr schmackhaft Gewürztes vorrätig, das – wenn der Heilige Geist uns beisteht – mit vielen orientalischen Waren zu dir gelangen wird“.451 Die Vita des Paulus von Theben gibt sich durch ihre kommunikative Strategie als Gegenentwurf zur Vita Antonii zu verstehen: Hieronymus erhebt den Anspruch, mit Paulus dem wahren Initiator des Eremitentums zu seinem angestammten Platz zu verhelfen, den ihm Antonius streitig gemacht habe, wenn auch ohne eigenes Verschulden. Zwei Schüler des Antonius sind Zeugen dafür, dass Paulus „der Sache, wenn auch nicht dem Namen nach“, der Urheber des Mönchtums gewesen sei.452 Der große Antonius selbst habe durch eine nächtliche Vision erfahren, dass er selbst weder der einzige noch der vollkommenste Eremit sei; sofort habe er sich aufgemacht, den Mitbruder zu suchen.453 Nach einer abenteuerlichen Reise habe er endlich die Klause des Paulus erreicht und ihn flehentlich gebeten, ihm die Tür zu öffnen: „Ich weiß, daß ich nicht wert bin, dich anzusehen; trotzdem: ich weiche nicht, ohne dich gesehen zu haben… Ich habe gesucht und gefunden; ich klopfe, damit mir aufgetan wird (vgl. Mt 7,7).“454

Es folgt ein retardierendes Moment, literarisch gestaltet durch zwei Vergilverse: „Also sprach er, verharrte dabei und blieb unbeweglich“ – wie Aeneas, der seinen Vater davon zu überzeugen versucht, Troja zu verlassen; „ihm erwiderte also der Held mit wenigen Worten“ – nämlich dass die Seelen im Hades keine bleibende Wohnstatt haben, wie Aeneas am Ende seiner Fahrt in die Unterwelt erfahren muss.455 Nach der abenteuerlichen Reise des Antonius wird der Leser „with a note of familiar high culture“ wieder in die gewohnte literarische Welt geführt; zugleich werden die Rollen von Vater und Sohn präzise verteilt, während das zweite Zitat deutlich macht, dass die irdische Vereinigung der beiden Heiligen nicht von Dauer sein wird.456 Die Konstella451 Hier. ep. 10,3,3 (CSEL 54, 38,10–12 H.): „Si hoc munusculum placuerit, habemus etiam alia condita, quae cum pluribus orientalibus mercibus ad te, si spiritus sanctus adflauerit, nauigabunt“; dazu KECH 1977, 154f. Der Begriff eremita findet sich nicht in den ältesten Handschriften; erst Sulp. Sev. dial. I 17,1 (169,17 H.) spricht von „Paulus primus eremita“ und wurde damit offenbar zum Schöpfer des Wortes (BRUNERT 1994, 96). Die Mönchsviten des Hieronymus werden nach PL 23 benutzt; vgl. künftig die Ausgabe: Jérôme, Trois vies de moines (Paul, Malchus, Hilarion), hg. von Pierre L ECLERC/Edgardo M. MORALES (SC 508), Paris 2007. 452 Hier. vita Pauli prol. 1 (BHL 6596; CPL 3 617; PL 23, 18A): „principem istius rei fuisse, non nominis“. Vgl. bes. HOSTER 1963, 52–65; FUHRMANN 1977, 71–83; KECH 1977, 17–48; BRUNERT 1994, 74–96; JENAL 1995a, 325–327; DERS. 1995b, 542f.; REBENICH 2000. 453 Hier. vita Pauli 7 (PL 23, 22A). 454 Hier. vita Pauli 9 (PL 23, 25A): „Scio me non mereri conspectum tuum; tamen nisi videro, non recedam… Quaesivi, et inveni; pulso ut aperiatur“; Übers. FUHRMANN 1983, 15. 455 Ebd. (PL 23, 25A) = Verg. Aen. II 650: „Talia perstabat memorans fixusque manebat“; VI 672: „atque huic responsum paucis ita reddidit heros“; dazu HAGENDAHL 1958, 105; KECH 1977, 28 (sowie 41f. zum weiteren Gespräch der beiden Asketen); WEINGARTEN 2005, 77–80. 456 Vgl. die Analyse der Passage bei WEINGARTEN 2005, 39; dort auch das Zitat im Text.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

tion der beiden Mönchsväter ist also schon geklärt, bevor Paulus schließlich die Tür öffnet und Antonius in die Arme schließt. Am Ende begräbt dieser den wahren Vater des Mönchtums; die Hierarchie der monastischen Väter ist klargestellt, und das hagiographische Unternehmen des Hieronymus ist durch sein Ergebnis gerechtfertigt. Nach Manfred Fuhrmann rezipiert die Vita Pauli zu diesem Zweck die forensische Gattung der narratio (ἀντιδιήγησις): Um den ersehnten literarischen Erfolg zu erringen, musste Hieronymus „den historischen Antonius durch eine nicht minder historische Persönlichkeit auszustechen suchen.“457 Offenbar in polemischer Absicht wurde von Zeitgenossen hinterfragt, ob der vermeintliche Archeget des Mönchtums überhaupt eine reale Figur sei458; unabhängig davon, dass wenig für eine reine Fiktion des „historischen“ Paulus spricht, stilisierte Hieronymus zweifellos im Sinne der schon von Cicero betonten künstlerischen Freiheit des Redners „nach den Regeln der klassischen Rhetorik das Leben des ‚Ureinsiedlers‘ Paulus von Theben…, um ein Stück christlicher Erbauungsliteratur hervorzubringen.“459 Dieses Ziel verfolgte Hieronymus aber nicht nur vermittels der Überbietung der Dämonenkämpfe des Antonius durch spektakuläre Begegnungen mit Fabelwesen460, sondern auch durch seinen Umgang mit Bildung.461 Zwar betont Hieronymus gegenüber Paulus von Concordia, „um der einfacheren Gemüter willen“ an einer möglichst einfachen Sprache gefeilt zu haben – „aber ich weiß nicht wie, die Weinflasche behält, auch wenn sie mit Wasser gefüllt ist, ihren Geruch, den sie annahm, als sie neu war.“462 Die zitierten 457

FUHRMANN 1977, 81; vgl. LAUSBERG 1990, 165f. § 290. Dafür könnte sprechen, dass Hieronymus in unterschiedlichen literarischen Kontexten auf die Existenz und die Bedeutung des „vitae anachoreticae auctor“ zurückkommt: chron. a. 356 (240,6–10 H.); ep. 22,36,1 (CSEL 54, 200,13–15 H.) mit der Trias der Väter des Mönchtums: „auctor Paulus – inlustrator Athanasius – princeps Iohannes baptista“; ep. 58,5,3 (CSEL 54, 534,6f.); ep. 108,6,2 (CSEL 55, 311,4–7); vgl. FUHRMANN 1977, 80; BERSCHIN 1986, 137. Nach BASTIAENSEN 1994, 113 war dagegen die Historizität für die Zeitgenossen unstrittig, so dass sich der Dissens allein auf die Prioritätsfrage bezogen habe. 459 R EBENICH 2000, 38 mit Verweis auf Cic. Brut. 11,42: „Concessum est rhetoribus ementiri in historiis, ut aliquid dicere possint argutius.“ Vgl. BERSCHIN 1986, 136: „Als Rhetor hat er gelernt, auch da, wo nichts ist, etwas zu finden (inventio), und aus wenig viel zu machen (amplificatio).“ 460 Vgl. B ASTIAENSEN 1994, 110: „On a l’impression, surtout en abordant les Vitae de Paul et d’Hilarion, de passer dans un monde mystérieux et légendaire, caractérisé par la fréquence des miracles, les corps à corps avec les démons, les exorcismes spectaculaires, et, d’autre part, par l’harmonie dans la nature, l’aide des animaux et d’êtres mythologiques comme un centaure et un satyre.“ Vgl. dazu ausführlich HARVEY 1998. 461 Vgl. R UBENSON 2001, 121: „It is even possible to read at least the lives of Paul and Hilarion as explicit criticisms of the way Athanasius makes someone who is uneducated a model for the Christian monk“; vgl. FEICHTINGER 1995, 36 und jetzt WEINGARTEN 2005, 40: „By making Paul literate, and then having him abnegate his literacy, Jerome is answering charges of cultured pagans about illiterate monks.“. 462 Hier. ep. 10,3,3 (CSEL 54, 38,5–10 H.): „Misimus interim tibi, id est Paulo seni, Paulum seniorem, in quo propter simpliciores quosque multum in deiciendo sermone laborauimus. Sed nescio quomodo, 458

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Vergilverse und die weiteren Anspielungen auf literarische Klassiker seien einfach zu tief im Denken des Autors verwurzelt, um sie bewusst abstreifen zu können – womit sich der Autor hinreichend als Absolvent der Grammatik- und Rhetorikschule ausgewiesen hat. Deutet bereits dies darauf hin, dass Hieronymus tatsächlich keineswegs für simpliciores zu schreiben gedachte, so wird die intendierte Leserschaft vollends durch eine wichtige Akzentverschiebung gegenüber der Vita Antonii erkennbar: Während Antonius, wie gesehen, bereits als Kind jegliche Bildung verweigert hatte, stellt für Paulus das Asketentum keinen Gegensatz zum Erwerb einer profunden Bildung dar. Nach einer knappen Schilderung der Christenverfolgung unter den Kaisern Decius und Valerian samt zweier bizarrer Beispiele christlicher Standhaftigkeit im Martyrium beginnt Pauli Lebensbeschreibung wie folgt: „Um dieselbe Zeit nun, da solches geschah, war in der unteren Thebais – mit einer Schwester, die man bereits einem Mann gegeben hatte – Paulus nach dem Tode beider Eltern im Besitz einer stattlichen Erbschaft zurückgeblieben: etwa sechzehn Jahre alt, in der griechischen und koptischen Literatur gründlich beschlagen, von sanfter Gemütsart, Gott herzlich zugetan. Und als der Sturm der Verfolgung losbrach, zog er sich auf ein entfernteres und abgelegeneres Landgut zurück…“.463

Von dort vertrieb ihn jedoch die Niedertracht seines Schwagers, der ihn zu verraten drohte, woraufhin Paulus in die Berge entwich und dort „aus der Not eine Tugend machte“.464 Hier beginnt die (kurze) Schilderung des Eremitendaseins und der (lange) Bericht von seinem Treffen mit Antonius. Zuvor wird Paulus aber als Geistesverwandter der aristokratischen Asketen der römischen Oberschicht beschrieben: Zwar verzichtet Hieronymus auf die Angabe einer gens, jedoch hat sein Held reiche Eltern, eine unglücklich verheiratete Schwester und ein Landgut, auf das er sich bei Bedarf zurückziehen kann; und er ist in zwei Sprachen, im indigenen Koptischen wie in der „Weltetiam si aqua plena sit, tamen eundem odorem lagoena seruat, quo, dum rudis esset, inbuta est“ – der zweite Satz bezieht sich auf Horaz, ep. I 2,69f.: „quo semel est inbuta recens servabit odorem testa diu“; vgl. JENAL 1995b, 542 mit Anm. 45. Ähnlich Hier. ep. 107,4,6 an Laeta (zit. unten S. 396) über die Erziehung von deren Tochter Paula: „rudis testa diu et saporem retinuit et odorem, quo primum imbuta est“; Hier. adv. Rufin. I 30 (zit. unten S. 432). Gegen WEINGARTEN 2005, 41 scheint mir die Pointe dieser Passage nicht darin zu liegen, dass Hieronymus auch für Leser mit geringerer Bildung geschrieben hätte, die die Vergil-Zitate nicht erkannt oder nicht zu würdigen gewusst hätten; vielmehr wird ja gerade mit Horaz (einem Schulautor!) entschuldigt, dass der „einfache“ Stil leider (!) nicht konsequent beibehalten werden konnte. Dass man die Vita Pauli auch ohne Klassikerkenntnisse lesen konnte, heißt also nicht, dass dies auch Hieronymus’ Intention gewesen wäre! 463 Hier. vita Pauli 4 (PL 23, 20AB): „Per idem ergo tempus quo talia gerebantur apud inferiorem Thebaidam, cum sorore jam viro tradita, post mortem amborum parentum in haereditate locupleti, Paulus relictus est annorum circiter sexdecim, litteris tam Graecis quam Aegyptiacis apprime eruditus, mansueti animi, Deum valde amans. Et cum persecutionis procella detonaret, in villam remotiorem et secretiorem secessit…“; Übers. FUHRMANN 1983, 9f. 464 Vita Pauli 5 (PL 23, 20B–21A): „Necessitatem in voluntatem vertit“; s. H OSTER 1963, 53f.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

sprache“ Griechisch bewandert, so dass mit dem secessus in villam eine mit intellektueller Tätigkeit angefüllte Muße assoziiert werden konnte.465 Eine Abkehr von „weltlichen“ Lebensformen und Bildungsstandards ist dabei nicht im Blick, wie auch in der Schilderung des Eremitendaseins anders als bei Antonius keine Philosophen auftreten, gegenüber deren Argumentationstechniken die unverbildete Natur zu betonen gewesen wäre. Hieronymus verwendet bewusst rhetorische loci communes – „le résidu des années d’éducation rhétorique“ – zur Beschreibung seines Protagonisten; das Ergebnis dieser Konstruktion ist „une réalité purement littéraire“466, unabhängig von der tatsächlichen Existenz des Paulus. Dem Helden als einem jungen, begüterten, gebildeten Mann mit einem dezidierten Drang zur solitudo entspricht letztlich der Autor selbst.467 Nach Fuhrmann ist „die Vita Pauli… eine Replik auf die Vita Antonii, ja sie setzt allenthalben Leser voraus, welche die Vita Antonii kennen“468, die also wissen, dass Antonius sich jeglicher Bildung verweigert hatte, während bei Paulus literarische Kenntnisse und christliche Frömmigkeit in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen, das durch die Entscheidung zur Askese nicht negiert, sondern überboten wird.469 Nicht praktischen Nachvollzug wie Athanasius’ Vita Antonii, sondern Erbauung und Unterhaltung intendiert die Vita Pauli. Sie erscheint daher mit Stefan Rebenich als „christlicher Ersatz für die traditionelle pagane Unterhaltungsliteratur“.470 465 Damit entspricht Paulus dem zeitgenössischen Urtyp eines in griechischer und ägyptischer Weisheit und Wissenschaft gebildeten Menschen, nämlich Mose (s.u. S. 480 mit Anm. 308). Für einen bilingualen Asketen bot die Vita Pachomii altera ein Vorbild (hg. von François HALKIN [SHG 19], Brüssel 1932, 171): Καὶ µὴ δυνηθέντες διακρῖναι τὸ γεγονὸς ἡσύχησαν, παιδεύοντες αὐτὸν ἐπιµελῶς γράµµασιν αἰγυπτιακοῖς. Die Vita wurde später von Dionysius Exiguus ins Lateinische übertragen (BHL 6410; SHG 46, 90,19–21 van Cranenburgh): „instabant autem ut aegyptiacis imbueretur litteris et per antiquorum studia formaretur“. Zum monastischen Ideal der Pachomiusviten vgl. RUBENSON 2001, 129–133. 466 B ASTIAENSEN 1994, 116f. 467 B RUNERT 1994, 80: „Paulus war ein gebildeter Mönch und damit ein getreues Abbild seines Schöpfers Hieronymus“; vgl. BERSCHIN 1986, 136; auch KECH 1977, 157 konstatiert, „daß Hieronymus sich selbst in der Gestalt Pauli dargestellt und stilisiert hat.“ 468 F UHRMANN 1977, 75. 469 Vgl. K ECH 1977, 27: „Es triumphiert nicht mehr nur die ‚simplicitas‘“; ebenso Av. CAMERON 1991, 182: „In contrast to Antony, his hero is well read, even though Jerome himself claims to have adopted a ‚simple‘ literary style.“ Nach FEICHTINGER 1995, 36 setzt Hieronymus „einem Antonius, der heidnische Bildung radikal von sich gewiesen hatte, in der Gestalt des Paulus wie in der des Hilarion ein Konzept des gebildeten Mönches entgegen, das er nicht nur selbst als Person… in vollendeter Form repräsentierte, sondern auch in Bibliothek, Schreibstube und Schule der bethlehemitischen Klöster in die Tat umsetzte.“ 470 R EBENICH 2000, 28f.; ähnlich F UHRMANN 1977, 83; vgl. KECH 1977, bes. 172–177. HAGENDAHL 1958, 105 bezeichnet die Vita Pauli treffend als „less a biography than a romance of monastic life“ ; aaO. 117 wird die Vita Malchi (BHL 5190; CPL3 619) in gleicher Weise klassifiziert; zustimmend KECH 1977, 155. Der Verfasser der Malchus-Novelle sieht seine Erzählung selbst als „Lockerungsübung“: Da er lange geschwiegen habe, wolle er „zu-

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Die gleiche Methode und gleiche Zielgruppe – „die gebildete christliche Oberschicht der westlichen Reichshälfte, die damals begierig nach asketischen exempla Ausschau hielt und deren Interesse an monastischen Lebensformen bestärkt werden sollte“471 – lässt auch die Vita Hilarionis erkennen, verfasst in Bethlehem zwischen 386 und 393. Es ist dies der einzige Versuch des Hieronymus, einen klassischen βίος im Sinne einer vollständigen Lebensschilderung zu verfassen. Hatte die Vita Pauli den Archegeten des Eremitentums verherrlicht, so setzt Hieronymus hier „dem Begründer der Mönchsniederlassungen in dem Gebiet, in dem er [sc. Hieronymus] es nun selbst zu einem Klostervorsteher gebracht hatte, in Palästina, ein Denkmal“.472 Trotz der Ankündigung, sich nicht (wie Epiphanius) auf loci communes zu beschränken (s.o. S. 251f.), sondern die propriae virtutes zu beschreiben, beginnt die Vita gerade mit dem Abarbeiten jener loci, um erst dann zum Leben des Asketen zu gelangen: „Hilarion stammte aus dem Dorf Tabatha, das ungefähr fünf Meilen östlich der palästinensischen Stadt Gaza liegt. Da seine Eltern dem Götzendienst frönten, war er – wie man zu sagen pflegt – eine Rose, die an einem Dornbusch blüht. Die Eltern schickten ihn nach Alexandrien und gaben ihn in die Obut eines Philologen. Dort legte er – in den Grenzen, die sein Alter ihm zog – eindrucksvolle Proben seines Könnens und seiner sittlichen Reife ab; nach kurzer Zeit war er allgemein beliebt und ein Meister in der Kunst der Rede. Und was wichtiger ist als dies alles: da er sich zu Jesus unserem Herrn bekannte, zog es ihn nicht zur Raserei des Zirkus, nicht zum Blut der Arena, nicht zur Üppigkeit des Theaters; statt dessen galt sein Denken und Trachten der Gemeinschaft der Kirche.“473

Der junge Hilarion vereinigt also alle Vorzüge des gebildeten Römers in sich, der – in bewusstem Gegensatz zu Antonius – mit seinen Altersgenossen gut auskommt, als versierter Rhetor gilt und zum Zweck des Bildungserwerbs auf Reisen geht, ohne dabei den aus christlicher Perspektive bedenklichen Verlockungen des gesellschaftlichen Lebens zu erliegen, die als mahnende Negativnächst an einem kleinen Werk meine Kräfte üben und gewissermaßen meine eingerostete Zunge ölen, um dann eine größere geschichtliche Darstellung in Angriff zu nehmen“ (c. 1; PL 23, 53B: „Ita et ego qui diu tacui… prius exerceri cupio in parvo opere et veluti quandam rubiginem linguae abstergere, ut venire possim ad latiorem historiam“; Übers. FUHRMANN 1983, 23); zur literaturgeschichtlichen Klassifizierung als „erbauliche Erzählung“ vgl. DERS. 1977, 68. 471 R EBENICH 2000, 33. 472 H OSTER 1963, 70; zur Vita Hilarionis (BHL 3879; CPL 3 618) vgl. aaO. 70–83; KECH 1977, 49–116; BRUNERT 1994, 96–107; JENAL 1995a, 346–350; WEINGARTEN 2005, 81–163 mit der These, die Vita stelle einen christlichen Gegenentwurf zu Apuleius’ pornographischer Novelle Metamorphoseis dar (bes. 104f.). 473 Hier. vita Hilar. 2 (PL 23, 29C–30A): „Hilarion ortus vico Tabatha, qui circiter quinque milia a Gaza urbe Palaestinae ad Austrum situs est, cum haberet parentes idolis deditos, rosa, ut dicitur, de spinis floruit. A quibus missus Alexandriam, grammatico traditus est: ibi quantum illa patiebatur aetas, magna ingenii et morum documenta praebuit; in brevi charus omnibus et loquendi arte gnarus. Quodque his majus est omnibus, credens in Dominum Jesum, non circi furoribus, non arenae sanguine, non theatri luxuria delectabatur; sed tota illi voluntas in Ecclesiae erat congregatione“; Übers. FUHRMANN 1983, 38f.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

folie präsent gehalten werden.474 Hilarion wird Schüler des Antonius, von dem er sich schließlich trennt, „weil er die zahlreichen Leute, die, von verschiedenen Krankheiten oder bösen Geistern bedrängt, bei Antonius zusammenströmten, nicht länger ertragen konnte und es auch nicht für passend hielt, mitten in der Wüste den Menschenmassen ganzer Städte ausgesetzt zu sein.“475 Aufbauend auf der früher festgestellten Genealogie der Mönchsväter anerkennt Hieronymus nun zwar den Ruhm des Antonius, beschreibt Hilarion jedoch als den „eigentlichen“ Asketen, der die Einsamkeit sucht und dort wirkt – und das mit solchem Erfolg, dass selbst Antonius „Briefe an ihn richtete und sich freute, wenn er welche von ihm erhielt“476, also einen Briefwechsel unter Gleichgestellten begann, wie Hieronymus es sich selbst für sein asketisches Netzwerk vorstellte. Der Antonius der athanasianischen Vita hingegen „legte auf Schriftliches keinen großen Wert und freute sich auch nicht über die Briefe“, die ihm Kaiser Konstantin und seine Söhne schrieben; er wollte sie nicht einmal annehmen, da er nicht wisse, wie man darauf antworten solle.477 Erst als seine Mönche ihn ermahnten, die Kaiser doch nicht zu verärgern, ließ er sich deren Schreiben vorlesen und antwortete schließlich auch darauf.478 Freilich wird die Ungebildetheit und Schreibunwilligkeit des Antonius, wie sie Athanasius schildert, nicht nur durch die Vita Hilarionis, sondern noch mehr durch die dem Einsiedler zugeschriebenen (und bei Hieronymus bezeugten) koptischen Briefe in Frage gestellt; die Frage nach deren Echtheit kann hier auf sich beruhen, insofern die Notiz über den Briefwechsel zwischen dem Einsiedler und dem Klostergründer nicht Antonius’ Schreibgewandtheit, sondern seine Bewunderung für Hilarion belegen soll.479 474

So KECH 1977, 65; vgl. auch RUBENSON 2001, 122. Hier. vita Hilar. 3 (PL 23, 30B): „Porro frequentiam eorum, qui ad eum ob varias passiones aut impetus daemonum concurrebant, ultra non ferens; nec congruens esse ducens, pati in eremo populos civitatum“; Übers. FUHRMANN 1983, 39. Zum insgesamt sieben Mal angeführten Motiv der Flucht vor dem eigenen Ruhm vgl. HOSTER 1963, 77: „Gerade durch die Intensität, mit der er der Idee des µονάζειν anhängt, verwirklicht sich seine Publizität“ – die von Hilarion dezidiert nicht gewollt wird und für ihn eine ständige Anfechtung darstellt; bedurfte es also nach der Vita Antonii „der ganzen Willensanstrengung des Mönches, um auszuharren“, so dass „das Generalthema der Mönchsunterweisung dahin ging, sich täglich neu zum Mönchtum zu überwinden“ (aaO. 78), lebt nach Hieronymus der Mönch gelassen in der Einsamkeit und verlässt diese nur mit Widerstreben, um in der Welt (z.B. als Bischof) Gott zu dienen. 476 Hier. vita Hilar. 24 (PL 23, 40C): „In tantam enim a Deo fuerat elevatus gloriam, ut beatus quoque Antonius audiens conversationem eius, scriberet ei, libenterque eius epistolas sumeret“; Übers. FUHRMANN 1983, 58. 477 Ath. vita Ant. 81,2 (340,5–342,7 B.): ᾿Αλλ᾿ οὔτε τὰ γράµµατα περὶ πολλοῦ τινος ἐποιεῖτοοὔτεἐπὶταῖςἐπιστολαῖςἐγεγήθει; ebd. n. 4 (342,13f.): ᾿Εβούλετοµὲνοὖνµὴδέχεσθαι τὰςἐπιστολάς,λέγωνοὐκεἰδέναιπρὸςτὰτοιαῦταἀντιγράφειν.  478 Vita Ant. 81,5f. (342,17–344,25 B.); s. KECH 1977, 83f.; Av. C AMERON 1991, 112f. 479 Vgl. Hier. vir. ill. 88,1 (194 C.-G.). Die neuere Forschung geht überwiegend von der Authentizität der sieben koptischen Antoniusbriefe aus; vgl. Samuel RUBENSON, in: RGG4 1 475

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Dieser machte sich selbst noch in der Einöde seine Bildung zu Nutze, als der von einem Dämon besessene Quaestor des Kaisers Konstantius, ein Germane, zu ihm reiste, um geheilt zu werden. Hilarion redete den bösen Geist in seiner syrischen Muttersprache an – mit Erfolg: „Da konnte man hören, wie aus einem Barbarenmund, der nur der fränkischen und lateinischen Sprache kundig war, unverfälschte syrische Worte ertönten, wobei nicht das Zischen, nicht der kehlige Hauch, nicht sonst eine Eigentümlichkeit des palästinensischen Dialekts fehlte. So gestand der Geist Punkt für Punkt, wie er sich des Mannes bemächtigt hatte. Und damit auch die Dolmetscher des Kranken folgen konnten, die nur Griechisch und Latein verstanden, befragte er den Geist auch auf Griechisch.“480

Mit dieser skurrilen Szene, in der Hilarion als „erbaulicher Spielleiter“ brilliert481, wird der Gegensatz zwischen der Antonius-Vita und den von Hieronymus propagierten Mönchsidealen unterstrichen: Bildung – recht verstanden als Beitrag zum christlichen Dienst am Nächsten – ist nichts, was der Askese entgegenstünde, ganz im Gegenteil, sie ist konstitutiv für das dem aristokratischen Publikum empfohlene „Konzept des gebildeten, und dies heißt: des mit der klassisch-heidnischen Tradition vertrauten Asketen“.482 In bewusster Unterscheidung zu Athanasius „macht Hieronymus seinen Helden zum Zeugen des eigenen Verhältnisses zu diesem umstrittenen Gegenstand.“483 Mit dem bilingualen Paulus und dem grammatisch wie rhetorisch versierten Hilarion „rahmt Hieronymus den aller Gelehrsamkeit entrückten Mönchsvater Anto(1998), 577f.; zustimmend ROUSSEAU 2001, 104–106; Michaela PUZICHA, in: LACL 3, 43: „Die Briefe korrigieren das Bild des A[ntonius] als eines ungebildeten Mönchs und weisen ihn als Kenner platonischer und gnostischer Tradition aus“; vorsichtiger BARTELINK, SC 400, 73: „Les lettres modifient l’image d’Antoine. Elles montrent en effet qu’Antoine, tout en ignorant les lettres profanes, disposait de quelques connaissances théologiques“; nach ZANETTI 2004, 541–544 ist Antonius’ Schreibunkundigkeit – die Aug. doct. christ. prol. 4 (CChr.SL 32, 2,51–3,53 Martin) ganz selbstverständlich als Argument für eine spezifisch geistliche Bildung benutzt – auf einen biblischen Topos (vgl. Joh 7,15) zurückzuführen. 480 Hier. vita Hilar. 22 (PL 23, 39C): „Videres de ore barbaro et qui Francam tantum et Latinam linguam noverat, Syra ad purum verba resonare, ut non stridor, non aspiratio, non idioma aliquod Palaestini deesset eloquii. Confessus est itaque, quo in eum intrasset ordine. Et ut interpretes eius intelligerent, qui Graecam tantum et Latinam linguam noverant, Graece quoque eum interrogavit“; Übers. FUHRMANN 1983, 56. 481 So K ECH 1977, 115. 482 R EBENICH 2000, 35; vgl. R UBENSON 2001, 123: „Classical education and social respectability are harmonized with the ideal of Christian asceticism and obligations to the community.“ Nach FEICHTINGER 1995, 35 ist Hieronymus dezidiert „daran gelegen, nicht nur das aufkeimende christlich-asketische Interesse, sondern auch die ästhetischen Qualitätsansprüche seiner (zweifellos als gebildet und in heidnischer wie christlicher Literatur versiert vorausgesetzten) Leser zu befriedigen. An die Stelle von predigtartigen Reden, von Paränese, didaktisch-moralische Substanz der Vita Antonii tritt bei Hieronymus eine subtile Konzentration auf Handlung, die durch dramatisch-effektvolle und rhetorisch ausgefeilte Darbietung auch den anspruchsvollen Leser unterhalten soll.“ 483 F UHRMANN 1977, 53.

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nius mit Parallelfiguren, die der Profession des Hieronymus näherstanden“.484 Als Parallele sei nur seine Ermahnung an den Freund und Mentor Pammachius genannt, dieser möge menschliche Urteile verachten und stets das Wort des Apostels im Sinn haben: „Wenn ich den Menschen noch gefallen wollte, wäre ich nicht Christi Diener“ (Gal 1,10).485 Doch soll Pammachius nicht auf alle Kulturgüter verzichten, diese werden vielmehr anders kontextualisiert: „Elegant ist das Wort Catos: ‚Gut genug ist schnell genug.‘ Einst als junge Leute haben wir darüber gelacht, als es von unserem Rhetorikmeister in einer Vorrede zitiert wurde. Ich glaube, du erinnerst dich an unsere beiderseitige Verirrung, als das ganze Athenäum von dem Chor der Studenten wiederhallte: ‚Gut genug ist schnell genug‘! ‚Glücklich‘, sagt Quintilian, ‚wären die Künste, wenn nur die Künstler sie beurteilen würden‘… Ich berühre das nur im Vorübergehen, damit du dich mit den Ohren der Gebildeten zufrieden gibst und dich nicht weiter darum kümmerst, was das Gerede ungebildeter Leute über dein Talent verbreitet, sondern täglich das Mark der Propheten zu dir nimmst.“486

Auch unter Asketen darf an gemeinsame Schulerfahrungen erinnert werden, sei es ein geflügeltes Wort (das die Mitschüler offenbar als Scherz auffassten), sei es ein rhetorischer Stoßseufzer. Der christliche Asket ist jedoch über diese Stufe hinausgekommen und hat mit der Schrift die Quelle seiner Bildung neu entdeckt. „Ungebildet“ sind also die, welche die Einzigartigkeit der Bibel nicht erkennen – und das sind die meisten. Mönchtum und Bildung schließen einander unter dieser Kautele jedoch keineswegs aus – diese Botschaft übermittelten Hieronymus’ „Mönchsromane“ den gebildeten römischen Asketen. Obwohl seine Heiligenviten in der Folgezeit zahlreiche Leser fanden, wurde nicht Hieronymus maßgeblich für die lateinische Hagiographie, sondern sein jüngerer Zeitgenosse Sulpicius Severus, gallischer Rhetor, Briefpartner des Paulinus von Nola und Biograph des „Mönchsbischofs“ Martin von Tours († 397). Mit seiner Vita Martini „gelang… Sulpicius Severus das Kunststück, das Hieronymus mit halbem Erfolg schon versucht hatte: die Antoniusvita zu überbieten“487 – und dabei deren asketisches Ideal in spezifischer Weise zu modifizieren. Der offensichtlichste Unterschied zwischen Antonius und Martin liegt natürlich darin, dass letzterer zum Bischof aufstieg, eine Zä484

BERSCHIN 1986, 138. Hier. ep. 66,6,1 (CSEL 54, 654,5–8 H.): „prima uirtus est monachi contemnere hominum iudicia et semper apostoli recordari dicentis: ‚si adhuc hominibus placere uellem, Christi seruus non essem‘.“ 486 Hier. ep. 66,9,2f. (659,2–8.13–660,1): „scitum est illud Catonis: sat cito, si sat bene, quod nos quondam adulescentuli, cum a praefecto oratore in praefatiuncula diceretur, risimus. meminisse te puto erroris mutui, quando omne Athenaeum scholasticorum uocibus consonabat: sat cito, si sat bene. felices, inquit Fabius [Quint. XII 10,50], essent artes, si de illis soli artifices iudicarent… haec praeteriens tetigi, ut eruditis contentus auribus non magnopere cures, quid inperitorum de ingenio tuo rumusculi iactitent, sed prophetarum cotidie medullas bibas“; Übers. TORNAU 2006, 103. 487 B ERSCHIN 1986, 195. Zum Schrifttum vgl. Karl-Heinz SCHWARTE , in: LACL 3 , 659f. Den hagiographischen Schriften, in denen kaum zeitgeschichtliche Reminiszenzen begegnen, steht die Chronica zur Seite, in der antike Chronographie auf hohem Niveau betrieben wird. 485

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sur, die als Gliederungsmerkmal der Schilderung dient.488 Dennoch ist die Vita Martini unter den Mönchsviten zu behandeln489, insofern der Vergleich mit den Bischofsviten des Ambrosius oder des Augustin deutliche Unterschiede zu Tage fördert: Dass Martin in einer theologisch und politisch sehr bewegten Zeit lebte, wird aus der Vita kaum erkennbar, die sich ganz seinem asketischen Leben und missionarischen Wirken widmet; und auch wenn er sich nach der Bischofswahl in Marmoutier durch die Armenfürsorge als „Patron“ erweist, tritt die Differenz zu seinen „statusfixierten Mitbischöfen“ hervor.490 Freilich nahmen die Zeitgenossen auch den Bischof wahr: Paulinus von Mailand nennt als Vorbilder seiner Ambrosiusvita neben Athanasius und Hieronymus auch Sulpicius Severus, „der in treffender Sprache das Leben des verehrungswürdigen Martin, des Bischofs von Tours, verfasste.“491 Der Martinsbiograph selbst versuchte hingegen den Eindruck, er habe einen sermo luculentus verfassen wollen, gründlich zu verwischen: „Manche, die ganz in Wissenschaft und eitlem Weltruhm aufgingen, vermeinten dadurch, daß sie das Leben berühmter Männer mit ihrer Feder verherrlichten, unvergängliches Andenken für ihren Namen zu erringen. Dieses Bestreben brachte ihnen aber die erwarteten Lorbeeren nicht dauernd, sondern nur für kurze Zeit. Allerdings sorgten sie so, wenn auch nicht bleibend, für ihren Nachruhm und riefen damit auch bei den Lesern durch das Beispiel der großen Männer nicht geringen Wetteifer wach. Indes diese ihre geschäftige Sorge trug nichts ein für das selige Leben in der Ewigkeit. Was nützte ihnen denn auch der Ruhm, den sie mit ihren Schriften ernteten, da er ja mit der Welt vergehen wird? Was hat die Nachwelt davon, wenn sie von den Kämpfen Hektors und den philosophischen Disputationen des Sokrates liest? Ist es doch nicht bloß Torheit, sie nachzuahmen, sondern schon ein Zeichen von Unverstand, ihre entschiedene Bekämpfung zu unterlassen. Sie messen ja das menschliche Leben nur mit dem Maßstab der Gegenwart, setzen ihre Hoffnung auf Trugbilder und stürzen ihre Seelen ins Grab. Sie vermeinten sich bloß im Andenken der Menschen verewigen zu müssen, und doch ist es die Aufgabe des Menschen, eher ewiges Leben als ewiges Andenken zu erstreben, nicht durch Schriftstellerei oder durch Heldenkämpfe oder Philosophenunterredungen, sondern durch ein frommes, heiliges, gottgefälliges Leben. Dieser menschliche Irrtum hat, einmal niedergeschrieben, mächtig um sich gegriffen, und jetzt gibt es gar viele leidenschaftliche Anhänger der eitlen Philosophie oder dieses törichten Heldentums.“492

488

Sulp. Sev. Mart. 1,7 (252 F.): „ut se uel ante episcopatum uel in episcopatu gesserit“. So auch HEINZELMANN 1973, 36 Anm. 57 und VON DER NAHMER 1994, 69; anders BERSCHIN 1986, 201; beide Perspektiven verbindend ELM 2003, 82: „Die Vita sollte Martins Eignung für einen Bischofsstuhl unter Beweis stellen und zugleich Plädoyer für das im Westen noch skeptisch aufgenommene Mönchtum sein, besonders für eine Form, die zwar zur Askese, nicht aber zu völliger Isolation und Aufgabe aller sozialen Bindungen verpflichtete.“ 490 V IELBERG 2006, 171. 491 Paul. Med. vita Ambr. 1,1 (54,4–6 Bastiaensen): „sicut etiam Martini venerabilis episcopi Turonensis ecclesiae Severus servus Dei luculento sermone contexuit“ – „das früheste Zeugnis für Kanonbildung in der christlich-biographischen Literatur der Lateiner“ (BERSCHIN 1986, 213). 492 Sulp. Sev. Mart. 1,1–5 (250–252 F.): „Plerique mortales studio et gloriae saeculari inaniter dediti exinde perennum, ut putabant, memoriam nominis sui quaesierunt, si uitas clarorum uirorum stilo 489

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Der Biograph beginnt sein Werk mit einer Polemik gegen den Historiker par excellence, Sallust, der eingangs der Coniuratio Catilinae sein Ziel dahingehend bestimmt, „das Andenken an uns so dauerhaft wie möglich zu befestigen“493. Dem ewigen Andenken wird das ewige Leben opponiert: Hektor und Sokrates haben de facto nichts von ihrem oft besungenen Nachruhm; entscheidend ist der Erwerb des ewigen Lebens, zu dem der Historiker oder Biograph wenig, der Verfasser dieser Vita hingegen viel zu sagen hat, so dass die Leser zur Nachahmung von „weiser Lebensführung, himmlischem Kriegsdienst und göttlichem Tugendstreben“ angespornt werden.494 Sind sapientia, militia und uirtus auch traditionelle panegyrische Kategorien und wird Martin als Kind vornehmer, jedoch „heidnischer“ Eltern, d.h. ganz als Römer, beschrieben495, so entspricht der angekündigten Abkehr von paganer Biographik die betonte Unbildung Martins als Analogie zur Vita Antonii in signifikanter Brechung: „Welcher Ernst, welche Würde lagen doch in Martins Wort und Rede! Welche Begeisterung und welche Durchschlagskraft! Wie gewandt und geschickt erklärte er schwierige Fragen der Hl. Schrift! Da ich viele kenne, die das nicht glauben wollen, und weil ich erlebt habe, daß man meinem eigenen Bericht keinen Glauben schenkte, deshalb rufe ich Jesus und unsere gemeinsame Hoffnung als Zeugen an, daß ich niemals aus Menschenmund solches Wissen, solch schönen Geist und solch klares Reden vernommen habe. Wie kümmerlich bleibt aber diese Lobrede angesichts der Tugendgröße Martins. Auf jeden Fall ist das schon allein wunderbar, daß dem ungebildeten Mann solche Gnadengabe nicht fehlte.“496

inlustrassent. Quae res utique non perennum quidem, sed aliquantulum tamen conceptae spei fructum adferebat, quia et suam memoriam, licet incassum, propagabant, et propositis magnorum uirorum exemplis non parua aemulatio legentibus excitabatur. Sed tamen nihil ad beatam illam aeternamque uitam haec eorum cura pertinuit. Quid enim aut ipsis occasura cum saeculo scriptorum suorum gloria profuit? Aut quid posteritas emolumenti tulit legendo Hectorem pugnantem aut Socraten philosophantem? cum eos non solum imitari stultitia sit, sed non acerrime etiam inpugnare dementia: quippe qui humanam uitam praesentibus tantum actibus aestimantes spes suas fabulis, animas sepulcris dederint: siquidem ad solam hominum memoriam se perpetuandos crediderunt, cum hominis officium sit, perennem potius uitam quam perennem memoriam quaerere, non scribendo aut pugnando uel philosophando, sed pie sancte religioseque uiuendo. Qui quidem error humanus litteris traditus in tantum ualuit, ut multos plane aemulos uel inanis philosophiae uel stultae illius uirtutis inuenerit“; Üb. BERSCHIN 1986, 199f.; s. VIELBERG 2006, 40–42. 493 Sall. Cat. 1,3: „memoriam nostri quam maxume longam efficere“; vgl. BERSCHIN 1986, 200f. 494 Sulp. Sev. Mart. 1,6 (252 F.): „Vnde facturus mihi operae pretium uideor, si uitam sanctissimi uiri, exemplo aliis mox futuram perscripsero: quo utique ad ueram sapientiam et caelestem militiam diuinamque uirtutem legentes incitabuntur. in quo ita nostri quoque rationem commodi ducimus, ut non inanem ab hominibus memoriam, sed aeternum a Deo praemium exspectemus…“. 495 Mart. 2,1 (254 F.): „parentibus secundum saeculi dignitatem non infimis, gentilibus tamen“. 496 Sulp. Sev. Mart. 25,6–8 (310–312 F.): „Iam uero in uerbis et confabulatione eius quanta grauitas, quanta dignitas erat! quam acer, quam efficax erat, quam in absoluendis scripturarum quaestionibus promptus et facilis! et quia multos ad hanc partem incredulos scio, quippe quos uiderim me ipso etiam referente non credere, Iesum testor spemque communem me ex nullius umquam ore tantum scientiae, tantum [ingenii] boni et tam puri sermonis audisse. quamquam in Martini uirtutibus quantula est ista laudatio! nisi quod mirum est homini inlitterato ne hanc quidem gratiam defuisse“; Übers. FRANK II, 50.

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Der Heilige hatte demnach allenfalls die Elementar-, aber weder Grammatiknoch Rhetorikschule absolviert, was bei der Herkunft aus einer Soldatenfamilie auch nicht erstaunt.497 Sulpicius Severus legt damit seine eigene Antwort auf die seinerzeit virulente Frage vor: „Sollte ein Bischof der alten Aristokratie entstammen und über eine klassische Bildung verfügen oder eher den Idealen des einfachen, aber gottesfürchtigen Mannes entsprechen, der sich auf die Lektüre der Bibel beschränkt?“498 Die Antwort ist eindeutig: Der Bischof soll Mönch sein, wofür weltliche Bildung nicht notwendig, ja hinderlich ist. Anders als von Antonius sind von Martin keine Disputationen mit Philosophen, sondern Auslegungen der Heiligen Schrift zu berichten. Er erweist sich nicht als der bessere Sophist, sondern als der bessere Exeget und Prediger, als Asket, der der Kirche durch das leuchtende Beispiel seiner Tugendhaftigkeit Orientierung bietet. Darauf beriefen sich ebenfalls seine Nachfolger: So hielt nach dem Bericht in Sulpicius Severus’ Dialogen später der Missionar Gallus den Aquitaniern entgegen, er wolle nichts reden „mit Schminke oder rhetorischem Stil; denn wenn ihr mir zugesteht, ein Schüler Martins zu sein, dann gewährt auch dies, dass es mir gestattet sei, nach seinem Beispiel eitle Phrasen der Rede und reinen Schmuck der Worte zu verwerfen!“499 Die Geltung dieses Beispiels dürfte allerdings umstritten gewesen sein; trotz der angeblich schnellen Verbreitung der Vita Martini von Rom bis in die afrikanische Wüste500 hat das Werk (wie sein Protagonist selbst) in der gallischen Kirche Widerstände durch Bischöfe und Mönche erfahren.501 Auf lange Sicht konnte das den Erfolg jedoch nicht schmälern: Hatte bereits Sulpicius’ Zeitgenosse und Briefpartner, Paulinus von Nola, den Bischof von Tours als selig gepriesen, „denn er hat einen seinem Glauben und seinem Leben angemessenen Biographen bekommen und ist durch seine Verdienste für die göttliche Herrlichkeit und durch deine Schrift für die menschliche Erinnerung

497

So KIRSCH 2004b, 338 Anm. 210. Vgl. bereits PRINZ 1965, 454: Anders als Sulpicius Severus selbst oder auch als Paulinus von Nola war Martin „ein Mann, der vermutlich kein literarisches Erbe der Antike zu revozieren hatte“. 498 ELM 2003, 80. 499 Sulp. Sev. dial. I 27,1f. (179,19–22 H.): „cum fuco aut cothurno, nam si mihi tribuistis Martini me esse discipulum, illud etiam concedite, ut mihi liceat exemplo illius inanes sermonum phaleras et verborum ornamenta contemnere.“ 500 Sulp. Sev. dial. I 23,4–7 (176,3–17 H.). 501 Nach KIRSCH 2004b, 312 deutet die Spannung zwischen glühender Begeisterung und großer Skepsis bei Bischöfen und Mönchen (Mart. 27,3; 314 F.) darauf hin, „daß die Vita Martini, für die sich Paulinus von Nola so warm eingesetzt hat, die späterhin nicht nur wegen ihres Helden, sondern auch wegen ihres überlegten Aufrisses, ihrer lebendigen Erzählung und ihres glänzenden Stils weit verbreitet und bewundert wurde, zunächst von maßgeblichen Kreisen der gallischen Kirche kalt aufgenommen worden ist. Das mag ein Grund dafür sein, daß Bischof Perpetuus von Tours sie in Versgestalt lesen und vortragen lassen wollte“ – ein Wunsch, den ihm Paulinus von Périgueux erfüllte (s.u.).

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ausersehen“502, so entfaltete sich im 5. und 6. Jahrhundert in Gallien eine reiche Martinsliteratur, die einerseits den Aspekt des Wunderhaften in den Vordergrund stellte (so Gregor von Tours mit seinen vier Libri de virtutibus s. Martini), andererseits den bekannten Stoff in metrische Form brachten (Paulinus von Périgueux, Venantius Fortunatus), worin die kunstvolle poetische Gestaltung – unabhängig von liturgischen Kontexten – eine letzte Blüte erlebte.503 In der Vita Martini spielt Bildung also (anders als in den „Mönchsromanen“ des Hieronymus) allenfalls in der paradoxen Form eine Rolle, dass trotz offenkundiger Unbildung die sprachliche Überzeugungskraft des Heiligen manifest wird.504 Diesem Bild des monachus inlitteratus entspricht auch der Befund der frühen lateinischen Mönchsregeln. Bereits die von Hieronymus ins Lateinische übersetzte Regel des Pachomius fordert zwar von jedem Mönch die Fähigkeit zu lesen – aber lediglich für die Lektüre ausgewählter Bücher und Passagen der Heiligen Schrift, nicht als Selbstzweck oder gar als Instrument des Bewahrens und Tradierens „heidnischer“ Bildung.505 Ob dies den502 Paul. Nol. ep. 11,11 (266,14–17 S.): „Beatus et ille pro meritis, qui dignum fide et vita sua meruit historicum, qui et ad divinam gloriam suis meritis et ad humanam memoriam tuis litteris consecratur“, vgl. HEINZELMANN 1976, 28. 503 Vgl. BHL 5617 = CPL 3 1474 (Paulinus von Périgueux); BHL 5618 = CPL 3 1024 (Gregor von Tours); BHL 5624 = CPL3 1037 (Venantius Fortunatus); zu den beiden metrischen Werken vgl. jetzt KIRSCH 2004b, 312–362; VIELBERG 2006, 60-107. Venantius gilt für KIRSCH (aaO. 321) als „der letzte lateinische Vertreter jener Zunft wandernder Berufsdichter“, deren Erfolgsgeschichte mit Claudian begonnen habe. Auf den Topos der eigenen literarischen Unzulänglichkeit können beide Dichter nicht verzichten (Paul. Petric. Mart. IV 12; CSEL 16/1, 82 Petschenig: „nos quoque, qui dignum nil possumus edere doctis, / turbida non longe porgemus pocula pigris“; Venant. Fort. Mart. praef.; 3 Quesnel: „iuxta modulum paupertatis nostrae“), was bei ersterem „auf die erstaunliche Behauptung hinaus[läuft], Prosa sei etwas für Gebildete, Verse dagegen etwas für Bequeme“ (KIRSCH 2004b, 332). 504 H EINZELMANN 1990, 109 sieht hierin „l’existence d’un type de sainteté qui exclut toute évolution, morale ou intellectuelle, de la personne du saint… La préférence est accordée aux dons naturels liés à la grâce divine, et non à la culture acquise des hommes“; hierfür sei Martin das Paradigma. Die Verfasser metrischer Martinsviten haben interessanterweise auch das Bildungsniveau ihres „Helden“ subtil umgestaltet: Nach Paulinus von Périgueux sei Martin nicht „inlitteratus“, sondern vielmehr ein „doctor bonus“ und durchaus „instructus“ gewesen (Mart. III 416f.; 79 P.); nach Venantius Fortunatus war Martin – wie es einem Bischof ziemt – „de lege disertus“ und ein Schutzherr der „kleinen Leute“ („doctus in arte sacra miserorum exponere causas, / adsertor validus, superans fora iura togatus“; Mart. II 392. 402f.; 46 Q.). 505 Regula Pachomii 140 (113 Bacht): „Qui rudis monasterium fuerit ingressus, doceatur prius quid debeat observare, et cum doctus ad omnia consenserit, dabunt ei viginti psalmos aut duas epistolas apostoli aut partem alterius scripturae. Et si litteras ignoraverit, hora prima et tertia et sexta vadat ad eum, qui docere potest, et qui ei fuerit delegatus. Et stabit ante eum et discet studiosissime cum omni gratiarum actione. Postea scribentur ei elementa, syllabae, verba ac nomina, etiam nolens legere compellatur, et omnino nullus erit in monasterio, qui non discat litteras et de scripturis aliquid teneat. Quod nimirum a veteri usque ad novum testamentum et psalterium, omne quod in conventu fratrum audierint, cogantur inter se ut recolant.“ Zur Bedeutung von Büchern und Lesekompetenz in pachomianischen Klöstern vgl. GAMBLE 1995, 170–174 und bereits LORENZ 1966, 34.

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noch in den klösterlichen Skriptorien geschah506, reflektieren die erhaltenen Mönchsregeln nicht. Vielmehr sind sämtliche Bemerkungen auf die lectio divina ausgerichtet, woraus immerhin erhellt, dass kein Konvent ganz ohne Lesefähigkeiten und entsprechend nicht vollständig ohne Elementarunterweisung auskommen konnte.507 Offenbar war es immer weniger selbstverständlich, dass Aspiranten des klösterlichen Lebens über hinreichende Bildung verfügten, was sowohl am sukzessiven Niedergang der traditionellen Schulen als auch am vermehrten Klostereintritt von Menschen aus sozial niedrigen Schichten liegen dürfte. Kein Geringerer als der Gründer von Monte Cassino, Benedikt von Nursia, avancierte für seinen Biographen Gregor I. zum Prototyp des Asketen, der seine Bildung mit Abscheu hinter sich gelassen hat: „Es war ein Mann von verehrungswürdigem Leben, ‚gesegnet‘ (Benedictus) an Gnade und Namen, der von seiner Knabenzeit an ein Greisenherz hatte… Dieser entstammte einem angesehenen Geschlecht in der Provinz Nursia und wurde nach Rom zum Studium der freien Künste geschickt. Aber als er in diesen viele sich in den Abgrund der Sünde stürzen sah, zog er den Fuß zurück, den er gleichsam auf die Schwelle der Welt gesetzt hatte… Da er nun die literarischen Studien verachtete, verließ er Haus und väterliches Gut, wünschte allein Gott zu gefallen und strebte nach einer Form heiligen Wandels. Er zog sich zurück, wissend unwissend und weise ungelehrt (scienter nescius et sapienter indoctus).“508

Benedikt hatte also anders als Antonius und Martin immerhin den Versuch gemacht, sich mit klassischer Bildung zu befassen.509 Wiederum anders als die „Helden“ des Hieronymus konnte er jedoch nach Gregors Darstellung kein entspanntes Verhältnis zu dieser pflegen, sondern entwickelte eine Haltung strikter Ablehnung und vermochte jeglicher Kompetenz im Lesen und Schreiben allenfalls funktionale Bedeutung als (allerdings notwendige) Propädeutik für die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift zuzubilligen.510 Anders als im Milieu der Helden und Leser des Hieronymus ist es daher im 6. Jahr-

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JENAL 1995b, 663 verweist auf Lucullanum, wofür die Regula Eugippii aber nur den reichen Bücherbestand, nicht direkt die – offenbar rege – Tätigkeit der Kopisten bezeugt. 507 Vgl. JENAL 1995a, 312f.; DERS . 1995b, 662f.: Regula Basilii transl. Rufini 7,5f. (CSEL 86, 39 Zelzer); Regula Pachomii transl. Hieronymi 139f. (112f. Bacht); Regula Benedicti 58,19f. (CSEL 75, 149 Hanslik); 48,15 (129); vgl. WEISSENGRUBER 1966/67; s.u. S. 315. 508 Greg. I. dial. II prol. 1 (SC 260, 126 de Vogüé/Antin): „Fuit uir uitae uenerabilis, gratia Benedictus et nomine, ab ipso pueritiae suae tempore cor gerens senile… Qui liberiori genere ex prouincia Nursiae exortus, Romae liberalibus litterarum studiis traditus fuerat. Sed cum in eis multos ire per abrupta uitiorum cerneret, eum, quem quasi in ingressum mundi posuerat, retraxit pedem… Despectis itaque litterarum studiis, relicta domo rebusque patris, soli Deo placere desiderans, sanctae conuersationis habitum quaesiuit. Recessit igitur scienter nescius et sapienter indoctus.“ Vgl. WEISSENGRUBER 1966/67, 27– 30; PUZICHA 1980, 294–297; BERSCHIN 1986, 311; zum puer senex vgl. VON DER NAHMER 1994, 156–161 und bereits SCHEIBELREITER 1983, 51f.; zu Benedikts „charismaverleihender Lossagung von den Eltern“ als neuartigem hagiographischem Topos vgl. ILLMER 1976, 450. 509 Vgl. VON DER N AHMER 1994, 167; J ENAL 1995b, 663 Anm. 10. 510 Vgl. W EISSENGRUBER 1964/65, 15–17.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

hundert fast singulär, wenn dem Juravater Eugendus († 516/17) von seinem Hagiographen mehr als eine solide Elementarbildung attestiert wird: „Der Lesung widmete er sich Tag und Nacht in solchem Maße, daß er jeden Augenblick darauf verwandte, nachdem er alle ihm vom Oberen oder vom Abt aufgetragene Arbeit getan hatte. So kam er nicht nur in den lateinischen, sondern auch in den griechischen Schriften zu außerordentlicher Kenntnis.“511

Eugendus, der mit sieben Jahren ins Kloster eintrat und es niemals wieder verließ, scheint eine bilinguale, d.h. für diese Zeit exzeptionelle Bildung erworben zu haben; mit den „griechischen Schriften“ sind kaum nur Bibeltexte gemeint.512 Es wäre natürlich reizvoll zu wissen, welche Bibliothek ihm zur Verfügung stand, ob er sich Kenntnisse nur der christlichen oder auch der profanen lateinischen und griechischen Autoren aneignete, was seinen Hagiographen offenkundig nicht interessierte. Wo Bildung in Heiligenviten des 6. Jahrhunderts überhaupt erwähnt wird, geht es meist um die Heiligen Schrift; so war Abt Martius nach Gregor von Tours „herausragend an Heiligkeit und gebildet in der göttlichen Wissenschaft“.513 Nur selten wird ein Bildungsprozess so farbig ausgemalt wie in Gregors Vita des Eremiten Patroclus: „Der allerseligste Patroclus, der im Land der Bituriger [in Aquitanien] lebte, dessen Vater Aetherius war, der also wurde mit zehn Jahren zum Schafhirten bestimmt, sein Bruder Antonius aber zum Studium der Literatur. Sie waren zwar nicht herausragend an Adel, jedoch als Freie geboren. Und als eines Mittags der eine von der Schule, der andere von der ihm anvertrauten Herde im väterlichen Heim zusammentkamen, um das Mittagessen einzunehmen, sagte Antonius zu seinem Bruder: ‚Bleib ferne von mir, du Einfältiger. Deine Sache ist es, Schafe zu weiden, meine aber, mich in der Literatur zu üben, so dass das Bemühen um diese Aufgabe mich adliger macht, während die Sklaverei deines Hütedienstes dich verächtlich erscheinen lässt.‘ Als jener [sc. Patroclus] dies hörte, meinte er, dass diese Schelte ihm gleichsam von Gott zugekommen sei; er ließ seine Schafe auf dem ebenen Feld und strebte unter heftigem Drang des Herzens und in eiligem Lauf den Schulen der Kinder zu; und er wurde mit den überlieferten Inhalten der Bildung, die für das kindliche Studium erforderlich waren, der Reihe nach so schnell vertraut, wobei ihm sein Gedächtnis half, dass er den Bruder sowohl an Wissen als auch an scharfsinnigem Geist, unter beifälligem Beistand der Gottheit, übertraf.“514

511 Vita Eugend. 4 (BHL 2665; MGH.SRM III, 155,28–31 Kr.): „Lectione namque in tantum se die noctuque, expletis consummatisque omnibus, quae a proposito vel abbate iniuncta sunt, dedit et inpendit, ut praeter Latinis voluminibus etiam Greca facundia redderetur instructus“; Üb. FRANK, 151. 512 Vgl. HEINZELMANN 1990, 130. 513 Greg. Tur. vit. patr. 14 praef. (718,1f. Kr.): „sanctitate praeclarus, divinis eruditus studiis“. 514 Vit. Patr. 9,1 (702,25–703,3 Kr.): „Igitur beatissimus Patroclus, Biturigi territurii incola, Aetherio patre progenitus, cum decim esset annorum, pastor ovium distinatur, fratre Antonio traditum ad studia litterarum. Erant enim non quidem nobilitate sublimes, ingenui tamen; cumque quodam meridie hic ab scolis, iste a grege commisso ad capiendum cibum paterno in hospitio convenissent, dixit Antonius fratri suo: ‚Discede longius, o rustice. Tuum est enim opus oves pascere, meum [vero] litteris exerceri; qua de re nobiliorem me ipsius officii cura facit, cum te huius custodiae servitus vilem reddit.‘ Quod ille audiens et hanc increpationem quasi a Deo sibi transmissam putans, reliquit oves in campi planitiae et scolas puero-

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Zwar drängte es Patroclus nach einem Dasein als Eremit; dennoch gründete er zunächst in Néris ein dem heiligen Martin geweihtes Oratorium, an dem er selbst Unterricht für Kinder (studia litterarum) erteilte und dadurch weitergab, was ihm selbst zugeflogen war. Da aber auch Kranke und Hinfällige zu ihm kamen und Heilung erfuhren, „lebte er nicht, wie er es doch wollte, in Einsamkeit, vielmehr machte ihn die offensichtliche Wunderkraft überall bekannt.“515 Patroclus gab daher seinen Dienst für den Heiligen und sein Lehramt auf und wurde nun tatsächlich Einsiedler, was ihn freilich nicht hinderte, später das Kloster Colombier zu gründen. Das Motiv der verhinderten solitudo erinnert an Hieronymus’ Vita Hilarionis, deren Held ebenfalls beständig den ihm zukommenden Ruhm zu fliehen versucht. Der Reiz der Patroclus-Vita besteht im vorliegenden Zusammenhang vor allem darin, dass ein Heiliger und Eremit nicht nur pauschal als gebildet bezeichnet wird, sondern dass der Erwerb dieser (Elementar-) Bildung einen konstitutiven Schritt auf dem Weg zur eigenen Bestimmung darstellt: Der Bruder bewirkt mit seinen abfälligen Bemerkungen erst das Bildungsbegehren des Jüngeren und eröffnet diesem so die Möglichkeit, seine Anlagen zu entfalten (dann natürlich in exorbitantem Ausmaß!). In einer Zeit der Dekadenz der antiken Bildung und ihrer Institutionen war diese Vita eine Erinnerung daran, dass Bildung nicht obsolet war, sondern sogar von Heiligen erworben und vermittelt wurde – und wer dem Heiligen nicht in die Einsamkeit folgte, durfte immerhin den Gang zur Schule als Befolgung einer göttlichen Weisung verstehen. Gregors Hagiographie kann insofern als Versuch angesehen werden, angesichts des von ihm selbst wortreich beklagten Bildungsverfalls Reste der klassischen eruditio zu bewahren. Im Unterschied zwischen dem eingebildeten Bruder und dem wahrhaft bildungseifrigen Patroclus wird die zeitgenössische Diskussion über den rechten Stil des Hagiographen greifbar, die Gregor von Tours am Anfang seiner Martinsvita im Modus der Selbstreflexion führt: „Ich rufe den allmächtigen Gott zum Zeugen an, daß ich einmal mitten am Tag im Traum die Heilung vieler Schwacher und von verschiedenen Krankheiten Bedrückter in der Basilika des heiligen Martin sah. Und ich sah das, und meine Mutter schaute zu und sagte: ‚Was bist du zu träg, das aufzuschreiben, was du da siehst?‘ Ich sagte: ‚Es ist dir nicht verborgen, daß ich in der Literatur nichts vermag und so bewundernswerte Taten als ein Dummer und Einfältiger nicht zu verbreiten wage. Wenn doch Severus oder Paulinus lebten, oder wenigstens Fortunatus da wäre, das zu beschreiben! Denn ich, der ich rum nisu animi agile atque cursu velocissimo expetivit, traditisque elementis ac deinceps quae studio puerili necessaria erant, ita celeriter, memoria opitulante, inbutus est, ut fratrem vel in scientia praecederet vel alacritate sensus, adnuente divini Numinis auxilio, anteiret“; vgl. VON DER NAHMER 1994, 157f. 515 Greg. Tur. vit. Patr. 9,2 (703,21–26 Kr.): „Non est enim de his servus Dei commotus animo, qui iam heremi sitiebat adire secretum; sed egressus ab urbe memorata, venit ad vicum Nereensim, ibique aedificato oratorio ac sancti Martini reliquiis consecrato, pueros erudire coepit in studiis litterarum. Veniebant autem ad eum infirmi et sanabantur, atque inergumini nomen eius confitentes emundabantur; nec ei erat solitudo, ut voluerat, sed patefacta virtus publicum usquequaque reddebat.“

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die Kompetenz hierzu nicht besitze, riskiere Tadel, wenn ich das alles aufschreiben wollte.‘ Sie aber sagte zu mir: ‚Und du weißt nicht, daß bei uns mehr die Art, wie du reden kannst, hoch geschätzt wird, weil sie das Volk versteht? Darum zögere nicht und lass nicht von dieser Aufgabe ab, weil es ein schweres Vergehen wäre, wenn du das verschweigst!‘“516

Gerade weil er selbst und seine Zeitgenossen nicht mehr die nötigen Bildungsvoraussetzungen besitzen, um selbst die christlichen hagiographischen Texte noch zu verstehen517, duldet Gregors Projekt keinen Aufschub. Entsprechend bekundet er wenige Zeilen später das neu gewonnene Vertrauen in sein Werk mit einem bereits von Sulpicius Severus aufgegriffenen Topos: „Aber was fürchte ich meine Bäuerlichkeit, wenn doch der Herr, unser Erlöser und Gott zur Vernichtung der Eitelkeit der weltlichen Weisheit nicht Rhetoren, sondern Fischer, nicht Philosophen, sondern Bauern erwählte? Ich vertraue also auf euer Gebet, damit, wenn auch der ungebildete Stil nicht die Seite schmücken kann, so doch der ruhmreiche Bischof [Martin] sie mit seinen herausragenden Taten erleuchtet.“518

Im Vordergrund stehen die virtutes, aus dem Fortgang der vier Bücher eindeutig als Wunder kenntlich, nicht als (altrömische oder christliche) Tugenden wie in einigen der unten zu besprechenden Bischofsviten des 5. Jahrhunderts. Die rhetorisch und metrisch stilisierten Martinsviten des Sulpicius Severus, des Paulinus von Périgueux und des Venantius Fortunatus, die Gregor selbst als leuchtende Vorbilder anführt, bilden gewissermaßen die Folie, auf der der sermo incultus als tadelnswert erscheinen mag, wenn er auch – darauf legt Gregor Wert – allein als dem Gegenstand angemessen zu betrachten ist519, wie seine Schilderung einer im Gottesdienst aufgebrochenen Diskussion zeigt: 516 Greg. Tur. virt. Mart. I praef. (MGH.SRM I/2, 585,36–586,7 Krusch): „Tamen omnipotentem Deum testem invico, quia vidi quadam vice per somnium media die in basilica domni Martini debiles multos ac diversis morbis obpraessos sanari, et vidi haec, spectante matri meae, quae ait mihi: ‚Quare segnes es ad haec scribenda quae prospicis?‘ Et aio: ‚Non tibi latet, quod sim inops litteris et tam admirandas virtutes stultus et idiota non audeam promulgare? Utinam Severus aut Paulinus viverent, aut certe Fortunatus adesset, qui ista discriberent! Nam ego ad haec iners notam incurro, si haec adnotare temptavero.‘ Et ait mihi: ‚Et nescis, quia nobiscum propter intellegentiam populorum magis, sicut tu loqui potens es, habetur praeclarum? Itaque ne dubites et haec agere non desistas, quia crimen tibi erit, si ea tacueris‘“; Übers. BERSCHIN 1986, 300f. 517 Zu Gregors eigener Bildung vgl. V IELBERG 2006, 109–112: Gregor wurde von Avitus, 552-573 Bischof von Clermont, unterwiesen (vit. patr. 2 prol.; 668,27–29 Kr.): „non enim me artis grammaticae studium imbuit, neque auctorum saecularium polita lectio erudivit, sed tantum beati patris Aviti Averni pontificis studium ad ecclesiastica sollicitavit scripta.“ Doch auch die lateinische christliche Literatur war ihm (außer der Bibel) nur sehr selektiv bekannt (aaO. 110). 518 Greg. Tur. virt. Mart. I praef. (586,14–17 Kr.): „Sed quid timeo rusticitatem meam, cum dominus Redemptor et deus noster ad distruendam mundanae sapientiae vanitatem non oratores sed piscatores, nec philosophos sed rusticos praelegit? Confidimus ergo orantibus vobis, etsi non potest paginam sermo incultus ornare, faciet eam gloriosus antistes praeclaris virtutibus elucere.“ 519 Venantius Fortunatus bittet Gregor (Mart. prol. 1; 2 Q.) seinerseits um Nachsicht für rhetorische Unbedarftheit; zu diesem literarischen Wechselspiel vgl. VIELBERG 2006, 101.

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„Als aber der Priester die festlichen Worte ich weiß nicht wie bäurisch hervorbrachte, begannen ihn viele der Unseren zu verlachen und sagten: ‚Besser wäre es gewesen zu schweigen, als so ungepflegt zu reden.‘ In der folgenden Nacht aber sah ich einen Mann, der zu mir sagte: ‚Über die Geheimnisse Gottes gibt es nichts zu disputieren.‘ Ich rufe Gott als Zeugen an, dass ich dies nicht erfunden habe, vielmehr lege ich euch dieselben Worte vor, die ich gehört habe. Darum, ihr Geliebten, darf niemand sich anmaßen, über dieses Mysterium, auch wenn es bäurisch gepredigt zu werden scheint, zu disputieren, weil bei Gottes Majestät die reine Einfalt mehr wert ist als der Scharfsinn der Philosophen.“520

Das Verhältnis von externen („heidnischen“) Gestaltungselementen zur internen (christlichen) Aussageabsicht, das als Thema die christliche Literatur der Spätantike durchzieht, wird hier als klare Alternative formuliert. Dies kann in polemischer Gestalt geschehen wie bei Gregor dem Großen, der über einen Priester in Nursia berichtet, dessen ignorantia überrage die „indocta scientia nostra“, die Gregor damit allerdings auch für sich in Anspruch nimmt.521 Die Ehrfurcht vor den literarischen Größen der Vergangenheit – und auch der Gegenwart – wird bei Gregor von Tours dagegen beibehalten, aber in subtiler Weise umgewertet, so dass der sermo incultus als der Zeit einzig angemessen erscheint, selbst wenn er einer Entfaltung in metrischer Form für die wenigen verbliebenen literarischen Ästheten offen steht: „Ich fürchte freilich, dass mir – wenn ich zu schreiben beginne, der ich doch der rhetorischen Kniffe und der grammatischen Kunstfertigkeit ermangele – von den Gebildeten gesagt wird: ‚O Bäurischer und Einfältiger, weshalb meinst du, dass dein Name unter die Schriftsteller zu zählen sei? Warum meinst du, das Werk von Kundigen übernehmen zu müssen, dem der Kunstverstand nicht zur Verfügung steht und dem die Wissenschaft der Literatur nicht zu Diensten ist?‘… Aber dennoch will ich ihnen antworten und sagen: ‚Euer Werk tue ich, und durch meine Bäuerlichkeit werde ich eure Klugheit erst bilden. Denn ich meine, dass diese Schriften euch diesen einen Vorteil bieten, nämlich dass ihr das, was wir ungepflegt und kurz in finsterem Stil beschrieben haben, lichtvoll und glänzend mit Versfuß auf wortreicheren Blättern ausbreiten könnt.“522

520 Greg. Tur. virt. Mart. II 1 (609,24–30 Kr.): „Sed cum presbiter ille nescio quid rustice festiva verba depromeret, multi eum de nostris inridere coeperunt, dicentes: ‚Melius fuisset tacere quam sic inculte loqui!‘ Nocte autem insecuta vidi virum dicentem mihi: ‚De mysteriis Dei nequaquam disputandum.‘ Testor deum, quia hoc a me non est conpositum; sed ipsa verba quae audivi vobis exposui. Unde, dilectissimi, nullus de hoc mysterio, etiamsi rustice videatur dici, disputare praesumat, quia apud Dei maiestatem magis simplicitas pura quam philosophorum valet argutia“; Übers. nach BERSCHIN 1986, 302; dazu die knappe Analyse bei KAUFMANN 1995, 267 Anm. 857. 521 Greg. I. dial. III 37,1 (424 de V./A.). 522 Greg. Tur. glor. conf. prol. (MGH.SRM I/2, 747,24–748,1.10–13 Krusch): „Sed timeo, ne, cum scribere coepero, quia sum sine litteris rethoricis et arte grammatica, dicaturque mihi a litteratis: ‚O rustice et idiota, ut quid nomen tuum inter scriptores indi aestimas? Ut opus hoc a peritis accipi putas, cui ingenium artis non subpeditat, nec ulla litterarum scientia subministrat?‘ … Sed tamen respondebo illis et dicam, quia: ‚Opus vestrum facio et per meam rusticitatem vestram prudentiam exercebo. Nam, ut opinor, unum beneficium vobis haec scripta praebebunt, scilicet ut, quod nos inculte et breviter stilo nigrante discri-

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2.3.3. Gebildete Bischöfe Gregor von Tours bezeugt mit seinen Schriften zweierlei: Zum einen zeigt sich die Prävalenz des Ideals des litteratus in Gallien über ein Jahrhundert nach dem Untergang der römischen Herrschaft; hieran wird die Kontinuität der Bildungseliten deutlich, die sich – wie Sidonius Apollinaris wiederholt betonte – mehr denn je über die literarische Tradition identifizierten, so dass ein Bischof, Historiograph und Schriftsteller wie Gregor nach wie vor diesem Ideal verpflichtet war. Zum anderen wird aber gerade in der zuletzt angeführten Stelle aus de gloria confessorum erkennbar, dass dem Autor zufolge der hagiographische Diskurs bewusst und legitim im sermo rusticus fortgeführt wurde, so dass die Metrik des Martinslebens seines Zeitgenossen Venantius Fortunatus als bewundernswerte Ausnahme, aber nicht mehr als Vorbild gelten konnte, dem jeder Hagiograph nachzueifern hätte – und die Prosabiographien desselben Fortunatus nähern sich erklärtermaßen dem sermo rusticus an.523 Die „Dichotomie zwischen Bildungsskepsis und Bildungsbeflissenheit“524, hatte die spätantike christliche Bischofsbiographie von Anfang an begleitet: Wie sollte das Leben kirchlicher Würdenträger beschrieben werden, die nicht nur Vorbilder des Glaubens, sondern von Herkunft und Werdegang oft auch Träger antiker Bildungsideale waren? Bereits Pontius (s.o. S. 252) hatte die „weltliche“ Vergangenheit Cyprians zwar als eigentlich nicht erwähnenswert dargestellt, auf einschlägige Andeutungen zu sozialem Hintergrund und Ausbildung aber keineswegs verzichtet. Dieses Problem stellte sich erneut dem Biographen des Bischofs Ambrosius von Mailand, Paulinus, den Augustin zur Abfassung einer Vita drängte. Der Sekretär und Diakon zierte sich, in die Fußstapfen eines Athanasius, Hieronymus oder Sulpicius Severus zu treten525, tat dies freilich bereits mit seinem an den Auftraggeber gerichteten Vorwort:

bimus, vos lucide ac splendide stante versu in paginis prolicioribus dilatetis‘“; mit „o rustice“ wird hier die Anrede des Bruders des Patroclus auf die Gebildeten umgemünzt! Vgl. ELM 2003, 207. 523 Venant. Fort. vita Albini 4,8 (BHL 234; MGH.AA IV/2, 28,39 Krusch): „eligo rusticus agnosci per oboedientiam magis quam indevotus effici per doctrinam“; vgl. COLLINS 1981, 22–25. 524 ELM 2003, 209. F ÜHRER 2001, 109 verweist als Indiz für Gregors durchaus vorhandene klassische Bildung auf glor. mart. prol. (487,32–488,8 Kr.): In einer langen praeteritio „zählt [Gregor] mit erstaunlicher Ausführlichkeit das Personal der Aeneis auf… und zeigt damit virtuos seine Vertrautheit mit heidnischem Bildungsgut“; die Pointe liegt jedoch darin, dass die Hagiographie das Pantheon substituiert: „In einer christlichen Welt sollen Märtyrerlegenden den Platz des Mythos einnehmen und ihn ersetzen“ (aaO. 110). 525 Paul. vita Ambr. 1,1 (BHL 377; CPL 3 169; 54,1–10 B.): „Hortaris, venerabilis pater Augustine, ut sicut beati viri Athanasius episcopus et Hieronymus presbyter stilo prosecuti sunt vitam sanctorum Pauli et Antonii in eremo positorum, sicut etiam Martini venerabilis episcopi Turonensis ecclesiae Severus servus Dei luculento sermone contexuit, etiam ego beati Ambrosii episcopi Mediolanensis ecclesiae meo prosequar stilo.“ Zur Vita Ambrosii vgl. jetzt ELM 2003, 90–99; zur an Ambrosius anschließenden hagiographischen Tradition knapp DASSMANN 2004, 281f.

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„Unterstützt von deinen Gebeten und den Verdiensten eines solchen Mannes will ich in gewiss einfachem Stil, kurz und knapp schreiben, so dass, wenn auch die Sprache das Empfinden des Lesers verletzt, so doch die Kürze zum Lesen antreibt; und ich will dabei die Wahrheit nicht durch einen Aufputz an Worten verhüllen, damit nicht, während der Schreiber den Prunk literarischer Eleganz anstrebt, der Leser die Kenntnis solcher Tugenden verfehlt, dem es doch zukommt, weniger den Schmuck und Prunk der Worte als vielmehr den Wert der Dinge und die Gnade des Heiligen Geistes zu schauen.“526

Hier steht das Vorwort der Vita Martini Pate, samt Ambrosius’ Anweisungen, wie ein Traktat zu verfassen sei.527 Die beschworene Kürze hindert den Hagiographen aber nicht daran, sich in der Tradition Suetons der Herkunft und Kindheit seines „Helden“ zu widmen: „Ich will also mit dem Tag seiner Geburt beginnen, damit erkennbar wird, was für eine die Gnade diesem Manne schon in der Wiege zuteil geworden ist.“528 Ambrosius, Sohn des gallischen Prätorianerpräfekten, wurde nämlich bereits als Säugling auf wunderbare Weise inmitten eines Bienenschwarms vor Schaden bewahrt und empfing daraufhin von seinem Vater die Prophezeiung: „Wenn das Kindlein am Leben bleibt, dann wird aus ihm etwas Großes!“529 Entsprechend verkündete der in einer christlichen Familie aufgezogene, selbst noch ungetaufte Ambrosius schon als Kind, er werde gewiss einmal Bischof, da ihm bei dem Gottesdienst anlässlich des asketischen Gelübdes seiner Schwester Marcellina die Ehrerbietungen gefielen, die solchen Würdenträgern zuteil wurden.530 Ambrosius ist kein puer senex; das zweite Vorzeichen der künftigen Karriere wird durch die humorvolle Darstellung dem noch kindlichen Gemüt zugeordnet. Von einem Rückzug ins christliche Leben oder gar von asketischen und/oder realen kirchlichen Ambitionen ist keine Rede, vielmehr erhielt der Jüngling die angemessene klassische Bildung und startete eine administrative Karriere: „Nachdem er in den freien Künsten ausgebildet war, verließ er Rom und wirkte öffentlich im Gerichtssaal der Prätorianerpräfektur [in Sirmium]; dort verhandelte er seine Fäl-

526 Paul. vita Ambr. 1,3 (54,16–56,4 B.): „adiutus orationibus tuis et meritis tanti viri, licet inculto sermone breviter strictimque describam, ut lectoris animum etsi sermo offenderit, brevitas tamen ad legendum provocet; nec verborum fucis veritatem obducam, ne dum scriptor elegantiae pompam requirit lector tantarum virtutum amittat scientiam, quem non magis verborum phaleras pompasque sermonum quam virtutem rerum gratiamque Spiritus sancti spectare conveniat.“ 527 Ambr. off. I 22,101 (zit. oben S. 221 Anm. 266); zur Vita Martini vgl. oben S. 249f.; zur Anknüpfung an Sulpicius Severus vgl. BERSCHIN 1986, 213. 528 Paul. vita Ambr. 2,2 (56,9–11 B.): „Unde a die nativitatis eius narrandi initium sumam, ut gratia viri ab incunabulis quae fuerit agnoscatur.“ 529 Paul. vita Ambr. 3,1–4 (56,1–58,14 B.; das Zitat n. 4; 58,13f.): „Si vixerit infantulus iste, aliquid magni erit!“ Vgl. BERSCHIN 1986, 214 zu antiken Vorbildern für „das Lob der edlen Herkunft und die Verheißung einer großen Zukunft“ (Quint. III 7,10f.; Suet. Caes. 1,3). 530 Paul. vita Ambr. 4,1 (58,5–9 B.): „cum videret sacerdotibus a domestica, sorore vel matre manus osculari, ipse ludens offerebat dexteram, dicens et sibi id ab eis fieri oportere, siquidem episcopum se futurum esse memoraret“; vgl. ELM 2003, 92f.

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le so glänzend, dass er von dem damaligen Prätorianerpräfekten [des Illyricums], dem vir illustris Probus, zum Berater erwählt wurde.“531

Wenig später wurde er zum Statthalter (consularis) der Provinz Aemilia-Liguria in der Kaiserresidenz Mailand ernannt – ein früher Höhepunkt seiner Karriere, die dann durch die spektakuläre, wiederum durch ein Wunderzeichen eingeleitete Wahl zum Bischof eine ganz unerwartete Wendung nahm. Ausführlich schildert Paulinus die vorchristlichen, jedenfalls vor der Bischofswahl liegenden Lebensumstände, die durch die Erwähnung des Sextus Petronius Probus historisch verankert werden.532 Die Einbindung des Protagonisten in seine Zeit und deren Auseinandersetzungen wird am Thema des Arianismus fortgeführt, z.B. anhand des um Ostern 385 ausgefochtenen Streites mit der Kaiserinmutter Justina um die Übergabe der Basilica portiana an die homöische Gemeinde in Mailand.533 „Es ist also zuerst die Bischofs-, nicht die Mönchsvita, in die die Welt geschichtlicher Gegebenheiten und Ereignisse so kräftig eindringt“, so von der Nahmer.534 Die Darstellung eines als Kind von Gott designierten und unaufhaltsam den vorgezeichneten Weg beschreitenden Heiligen erscheint als „Erfolgsvita“ (oder „Biographie natürlichen Aufstiegs“): Die Nähe zu Gott ist nicht Ergebnis asketischen Verhaltens, sondern Voraussetzung für den wunderbaren Vollzug des Aufstiegs zu Gott.535 Die Besonderheit dieser ersten Vita eines bischöflichen Staatsmannes lässt sich an den Bemerkungen eines anderen spätantiken Autors verdeutlichen: „Auch der heilige Ambrosius, ein Quell makelloser Rede, mit Würde scharfsinnig und überaus gewinnend in seiner nicht verletzenden Überzeugungskraft – er, bei dem Leben und Lehre in Übereinstimmung standen, zumal ihm die göttliche Gnade durch nicht geringe Wundertaten ihre Huld bewies.“536

Für Cassiodor ist Ambrosius nicht nur Redner und sittliches Vorbild, sondern auch Wundertäter – ein Aspekt, der bei Paulinus nicht völlig fehlt, aber im Vergleich mit der Vita Martini doch im Hintergrund steht, die wenig vom bischöflichen Wirken, aber umso mehr von den Mirakeln des Heiligen mitteilt. In der Vita Ambrosii sind die Wunder „Teil der episkopalen Amtsaus531 Paul. vita Ambr. 5,1 (60,1–5 B.): „Sed postquam edoctus liberalibus disciplinis ex urbe egressus est professusque in auditorio praefecturae praetorii, ita splendide causas perorabat, ut eligeretur a viro inlustri Probo, tunc praefecto praetorii, ad consilium tribuendum“; zu seinem Mentor s.o. S. 148. 166. 532 Nach M.G. SCHMIDT 1999, 115f. war Ambrosius sogar der Verfasser des Epitaphs für Probus (ICUR NS II 4219a). 533 Paul. vita Ambr. 15,1–3 (72,1–23 B.); dazu vgl. neben Ambrosius (epp. 75[21]–77[22]) u.a. Rufin. h.e. XI 15f. (1020,18–1022,11 M.); Aug. conf. IX 7,15 (141,1–142,14 V.); Sozom. h.e. V 11,2–7 (870,19–872,22 H.); DASSMANN 2004, 92–108. 534 V ON DER N AHMER 1994, 108; vgl. H OFMANN 1997, 451. 535 V AN UYTFANGHE 1988, 163; den Begriff „Erfolgsvita“ führte H OSTER 1963, 144 ein. 536 Cassiod. inst. I 20 (230,10–13 B.): „Sanctus quoque Ambrosius, lactei sermonis emanator, cum gravitate acutus, inviolenta persuasione dulcissimus, cui fuit aequalis doctrina cum vita, quando ei non parvis miraculis gratia divinitatis arrisit.“

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übung“, anders als in der Vita Antonii, wo sie „Teil der inneren Erfahrungswelt“ sind.537 Gregor von Tours bezeugt die bleibende Wahrnehmung von Ambrosius’ bischöflichem Wirken durch öffentliches Reden, indem er seinen Vorgänger Martin geschichtlich durch den Verweis auf den „seligen Ambrosius“ verortet, „der zu dieser Zeit der Stadt Mailand als Bischof vorstand, dessen Blüten der Redekunst bis heute in der ganzen Kirche duften.“538 Von Ambrosius als Paradigma der Predigtkunst führt die Linie zurück zu der von Paulinus hervorgehobenen Advokatentätigkeit in Sirmium, so dass mit der vita Ambrosii die Erfolgsvita eines christlichen Bischofs und spätantiken Römers vorliegt. In dieser Gestaltung des hagiographischen Diskurses lässt sich mit Martin Heinzelmann eine Rezeption der antiken laudatio funebris erkennen, so dass die Bischofsvita „der eigentliche und kräftigste Erbe des alten Systems, hohe Staatsbeamte durch eine Biographie zu ehren, zu sein scheint“.539 Entsprechend ist als Publikum der Vita die gebildete, zur Zeit der Abfassung (412/22) bereits zu großen Teilen christianisierte Oberschicht des Reiches anzusehen, der ein Beispiel zur imitatio an die Hand gegeben wurde, wie auf der Grundlage nobler Herkunft und gediegener Bildung nach einer vielversprechenden Karriere der Wechsel in ein Kirchenamt erfolgte, wie also ein Standesgenosse zum Paradigma des Wirkens der Gnade Gottes wurde: „Daher ermahne und bitte ich jeden Menschen, der dieses Buch liest, dass er das Leben dieses Mannes nachahme, die Gnade Gottes lobe und sich von den Stimmen derer abwende, die ihn schmähen – wenn er lieber Gemeinschaft mit Ambrosius bei der Auferstehung zum Leben haben als mit den Verleumdern der harten Strafe unterliegen möchte, der kein Weiser nicht zu entgehen wünschte.“540

Eine Fortsetzung fand dieser Typ der „wunderlosen“ Bischofsbiographie bei Augustin. Dessen Lebensbeschreibung aus der Feder seines Schülers Possidius von Calama (verfasst zwischen 431 und 439) galt in der Forschung lange als sprachlich biederes Werk eines in der Schulbildung nur mäßig bewanderten Theologen, gemäß Augustins eigenem Urteil über Possidius: „Durch unseren Dienst ist er nämlich nicht mit jenen Künsten, welche die Sklaven mancherlei Gelüste als ‚freie‘ bezeichnen, sondern mit dem Brot des Herrn genährt worden, soweit ihm dies angesichts unserer Beschränktheit dargereicht werden konnte.“541

537

So die treffende Unterscheidung von ELM 2003, 93f. Anm. 107. Greg. Tur. virt. Mart. I 5 (591,1f. Kr.): „Eo namque tempore beatus Ambrosius, cuius hodie flores eloquii per totam eclesiam redolent, Mediolanensi civitati praeerat episcopus.“ 539 H EINZELMANN 1973, 35; s. V . UYTFANGHE 1988, 165f.; VON DER N AHMER 1994, 70. 540 Paul. vita Ambr. 55,1 (122,1–6 B.): „Unde hortor et obseco omnem hominem, qui hunc librum legerit, ut imitetur vitam viri, laudet Dei gratiam et declinet detrahentium linguas, si mavult consortium habere cum Ambrosio in resurrectione vitae quam cum detrahentibus subire supplicium, quod nullus sapiens non declinat.“ 541 Aug. ep. 101,1 an Memor (CSEL 34/2, 540,1–4 G.): „est enim per nostrum ministerium non litteris illis, quas uariarum serui libidinum liberales uocant, sed dominico pane nutritus, quantus ei potuit 538

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Augustin unterstreicht mit Joh 8,36: Christus ist es, der frei macht, nicht die sogenannten „freien Künste“.542 Die ostentative Skepsis gegenüber seinen eigenen früheren literarischen Neigungen (s.u. S. 403f.) mahnt allerdings zur Vorsicht gegenüber vorschnellen Schlüssen auf bildungsbiographische Daten: Dass Possidius eine rhetorische Ausbildung genossen hat, ist sehr wahrscheinlich, jedoch lehnt er sich in der Tat stilistisch nicht an klassische Vorbilder an, sondern schreibt gehobenes Spätlatein.543 Weil die Vita nicht nur das Gedächtnis Augustins bewahren, sondern auch die Bischöfe angesichts der Bedrohung Nordafrikas durch die Vandalen zum Durchhalten aufrufen, soll, weicht Possidius bewusst vom Postulat der Kürze ab und inseriert einen kompletten Augustinbrief, der genau dieses Thema behandelt; auf solche Zitate hatte Paulinus von Mailand verzichtet, da er die Ermüdung des Lesers vermeiden wolle.544 Die Vita Augustini soll also in eine schwierige politische Situation hinein wirken und will darüber hinaus zur Bewahrung des geistigen Erbes Augustins anleiten, wozu der angehängte Indiculus oder Elenchus dient: „Der Leser, der die Wahrheit Gottes mehr liebt als zeitliche Reichtümer, möge sich nach Lektüre des Katalogs aussuchen, was er zu lesen und kennenzulernen wünscht, und davon ein Exemplar zum Abschreiben von der Bibliothek der Kirche von Hippo, wo sich vermutlich verbesserte Exemplare befinden, erbitten. Er kann aber auch irgendwo anders nachfragen. Wenn er etwas gefunden hat, kann er es abschreiben lassen und als sein Eigentum behalten. Die Abschrift möge er aber neidlos jedem, der darum bittet, zum Abschreiben überlassen.“545

Das ungeheure literarische Werk Augustins soll also weiterhin zur Verfügung stehen, um die keineswegs abgeschlossenen Auseinandersetzungen mit Manichäern, Arianern, Donatisten und „Heiden“ fortführen zu können – und um dem Wunsch des Autors entsprechend theologische und geistliche Bildung zu fördern.546 Possidius unterstreicht den Gegensatz zum Amtsvorgänger Valeriper nostras angustias dispensari.“ Zu Possidius vgl. Wilhelm GEERLINGS, in: LACL 3, 587f.; ELM 2003, 100–104. Nach DASSMANN 1996, 948 habe Augustin an Possidius erfahren, dass „Einsicht in die göttliche Offenbarung nicht an der Beherrschung eines ganzen Wustes antiquarischen Wissens und traditioneller Bildung“ hängt. 542 Aug. ep. 101,2 (CSEL 34/2, 540,5–8 G.): „quid enim aliud dicendum est eis, qui cum sint iniqui et impii, liberaliter sibi uidentur eruditi, nisi quod in litteris uere liberalibus legimus: si uos filius liberauerit, tunc uere liberi eritis?“; dazu LÖSSL 2001, 88. 543 Etwas überpointiert urteilt B ERSCHIN 1986, 234, Possidius biete „keine raffinierte Rhetorik, sondern volkstümliche Beredsamkeit“; ähnlich GEERLINGS, Poss. vita Aug., 17f. 544 Poss. vita Aug. 30,3–51 (BHL 785; CPL 3 358; 86,23–102,9 G. = Aug. ep. 228 an Honoratus; CSEL 57, 484–496 G.); vgl. Paul. vita Ambr. 19,1 (76,6f. B.): „ne adiunctae epistulae prolixitas fastidium legenti adferret“; vgl. BERSCHIN 1986, 233. 545 Poss. vita Aug. 18,10 (62,20–25 G.): „quo lecto qui magis Dei veritatem quam temporales amant divitias, sibi quisque quod voluerit ad legendum et cognoscendum eligat, et id ad describendum vel de bibliotheca Hipponiensis ecclesiae petat, ubi emendatiora exemplaria forte potuerint inveniri, vel unde voluerit inquirat, et inventa describat et habeat, et petenti ad describendum sine invidia etiam ipse tribuat.“ 546 Poss. vita Aug. 18,8 (62,10 G.): „Provectibus quoque et studiis favens erat…“.

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung

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us, der zwar „ein frommer und gottesfürchtiger Mann“ gewesen sei, aber Gott für die Erhörung seiner inständige Gebete gedankt habe, „dass ihm ein solcher Mann von Gott geschickt werde, der in der Lage sei, die Kirche des Herrn durch Verkündigung des Wortes Gottes und durch heilsame Lehre aufzubauen. Er selbst sehe sich dazu weniger in der Lage, da er, von Herkunft Grieche, die lateinische Sprache weniger gut beherrsche und ebenso in den Wissenschaften nicht ausreichend unterrichtet sei.“547

Augustin war also gerade aufgrund seiner literarischen Bildung ein geeigneter Kandidat für die Unterstützung des Valerius. Possidius leitet seine Vita, wie Paulinus von Mailand kursorisch den klassischen loci folgend, mit einer Skizze von Augustins Werdegang und seiner steilen beruflichen Karriere ein: „Augustin wurde in Thagaste, einer Stadt der römischen Provinz Africa geboren. Seine angesehenen Eltern gehörten zur städtischen Oberschicht und waren Christen. Von ihnen erhielt er eine sehr sorgfältige Erziehung. Sie ließen ihn auf ihre Kosten in den weltlichen Wissenschaften, den sogenannten artes liberales unterrichten. Er selbst lehrte zunächst in seiner Heimatstadt Grammatik, später dann Rhetorik in Karthago, der Hauptstadt Africas. In der folgenden Zeit lehrte er auch ‚jenseits des Meeres‘ in Rom und in Mailand, wo Valentinian II. Hof hielt.“548

Doch dann entschied sich der Protagonist, auf Karriere, Ehren und Familie zu verzichten und sich ganz dem Dienst des Herrn zu widmen; dem saeculum wurde abgeschworen549 und auch den „freien Künsten“, vor denen Augustin später die Christen bewahren will (s.o. S. 246), was in seiner Vita anklingt: „Augustin verzichtete nun auch auf seine Schüler, die er als Rhetoriklehrer unterrichtet hatte, und legte ihnen nahe, sich einen anderen Lehrer zu suchen. Denn er selbst war fest beschlossen, Gott zu dienen.“550

547 Poss. vita Aug. 5,2 (34,12–17 G.): „Sanctus vero Valerius ordinator eius, ut erat vir pius et Deum timens, exsultabat et Deo gratias agabat suas exauditas a Domino fuisse preces, quas se frequentissime fudisse narrabat, ut sibi divinitus homo concederetur talis, qui posset verbo Dei et doctrina salubri ecclesiam Domini aedificare, cui rei se homo natura Graecus minusque Latina lingua et litteris instructus minus utilem pervidebat.“ 548 Poss. vita Aug. 1,1f. (28,11–17 G.): „Ex provincia ergo Africana, civitate Tagastensi, de numero curialium parentibus honestis et Christianis progenitus erat alitusque ac nutritus eorum cura et diligentia inpensisque, saecularibus litteris eruditus adprime, omnibus videlicet disciplinis inbutus quas liberales vocant. Nam et grammaticam prius in sua civitate et rhetoricam in Africae capite Carthagine postea docuit, consequenti etiam tempore trans mare in urbe Roma et apud Mediolanum, ubi tunc imperatoris Valentiniani minoris comitatus fuerat constitutus.“ 549 Poss. vita Aug. 2,1 (30,10–15 G.): „Moxque ex intimis cordis medullis spem omnem quam habebat in saeculo dereliquit, iam non uxorem, non filios carnis, non divitias, non honores saeculi quaerens, sed Deo cum suis servire statuit et in illo et ex illo pusillo grege esse studens, quem Dominum adloquitur dicens…“ (es folgt ein Zitat von Lk 12,32f.). 550 Poss. vita Aug. 2,4 (30,22f. G.): „Renuntiavit etiam scholasticis, quos rhetor docebat, ut sibi magistrum alium providerent, eo quod servire Deo ipse decrevisset“; s. auch unten S. 420f. zu seiner Aufgabe des Lehramtes.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Für die Vita Augustini des Possidius ist also – bezogen auf die Frage nach Bildung – der Umschwung von der „weltlichen“ Karriere zum Dienst Gottes entscheidend, obwohl Bildung für einen Bischof nützlich und in gewissem Maße auch notwendig ist. Die Bildungs- und Berufskarriere wird in äußerster Abbreviatur geschildert, lässt aber dennoch erkennen, „daß Augustinus mit großer Sorgfalt in den weltlichen Wissenschaften unterrichtet worden sei“.551 Dass sich der Hauptteil der Vita den Jahren Augustins als Bischof widmet, während Herkunft, Familie und Bildungsgang nur skizzenhaft vorkommen, erinnert an Pontius’ Vita Cypriani, freilich mit einer Einschränkung: Possidius begründet seine begrenzte Darstellung dieser loci nicht mit grundsätzlichen Erwägungen dazu, dass diese für die Lebensbeschreibung eines Gottesmannes eigentlich irrelevant seien, sondern mit dem Hinweis darauf, dass der Protagonist selbst ja schon ausführlich darüber gehandelt habe, und zwar in seinen Confessiones.552 Hier ließ sich in der Tat ausführlich nachlesen, auf welchem Weg der verehrte Bischof zum christlichen Glauben gelangt war und dabei der klassischen Bildung den Laufpass gegeben hatte. Mit dieser bewussten Einbeziehung von Werdegang und vorchristlichem Leben des Heiligen – und mit den Bemerkungen über Augustins Lebensgewohnheiten553 – kommt hier stärker als bei Pontius und auch mit größerem Gewicht als bei Paulinus die antike Biographie in suetonischer Tradition zum Tragen. Die Vita Augustini verbindet nach Berschin mit der Vita Cypriani und mit der nach 532 verfassten Vita Fulgentii die Ausgestaltung als „Schriftstellerbiographie“, der Verzicht auf die Schilderung von Wundertaten – was bei Fulgentius sogar explizit begründet wird: „Die Wunder gewähren dem Menschen nicht Gerechtigkeit, sondern Bekanntheit unter den Menschen“554 – und schließlich die Darstellung der Bischöfe als „Viri illustres im antiken wie im christlichen Sinn“.555 Fulgentius’ Biograph Ferrandus verschweigt im Unterschied zu Pontius die vornehme Herkunft seines „Helden“ nicht nur nicht, sondern räumt ihr viel Platz ein. Der Heilige entstammte einer Familie, die nach 439 in Africa geblieben war und unter der Herrschaft der Vandalen weiterhin ihren römischen Lebensstil pflegte; dazu gehörte auch die Erziehung des Sohnes, die minutiös geplant und gefördert wurde: „Nachdem der Vater früh gestorben war, ließ seine fromme Mutter ihn zuerst in der griechischen Literatur unterweisen, und während er sich zugleich den gesamten Homer ins Gedächtnis einprägte und vieles von Menander las, ließ sie nicht zu, dass er auch die lateinische Literatur gelehrt würde… wodurch er, der unter Afrikanern leben würde,

551

ELM 2003, 121. Vgl. Poss. vita Aug. praef. 5 (28,1–4 G.); dazu BERSCHIN 1986, 227f.; ELM 2003, 108f. 553 Zu deren Beschreibung in vita Aug. 22–27 vgl. BERSCHIN 1986, 229f. 554 Ferrand. vita Fulg. 26,50 (BHL 3208; CPL 3 847; PL 65, 142C): „Mirabilia, aiebat, non conferunt homini iustitiam, sed notitiam hominum.“ Vgl. zuletzt ELM 2003, 183–192. 555 B ERSCHIN 1986, 241. 552

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung

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leichter in der Lage sein würde, die griechische Aussprache unter Beachtung der Aspirationen – als ob er dort [sc. in Griechenland] aufgewachsen sei – zu beherrschen.“556

Erst nachdem er in häuslicher Unterweisung das Lateinische, „das sonst die Elementarlehrer zu unterrichten pflegen“, erworben hatte, trat er schließlich in die Grammatikschule ein.557 Die Vita Fulgentii ist damit ein wichtiger Zeuge für das weiterhin in Geltung stehende Ideal der Bilingualität (s.o. S. 40f.), selbst wenn Fulgentius kaum als muttersprachlicher Hellene durchgegangen wäre. Sein Hagiograph verwendet im Vergleich zu den bisher behandelten Bischofsviten viel Mühe darauf, den Bildungshintergrund des späteren Mönches und Klostergründers detailliert auszuleuchten.558 Hatte Possidius eher allgemein über Augustins Förderung der Studien gesprochen, berichtet Ferrandus ausführlich über deren Rolle in Fulgentius’ Kloster Calaris (Cagliari): „Die arbeitenden Brüder, die die körperlichen Werke mit unermüdlichen Kräften übten, aber keinen Eifer zur Lesung hatten, liebte er weniger und hielt sie auch nicht der höchsten Ehre würdig. Wer aber Liebe zur Wissenschaft hatte, wenn er auch so kraftlos war, daß er nie mit Händen arbeiten konnte, der war ihm besonders lieb und wert.“559

Fulgentius selbst „arbeitete in erfreulicher Weise mit seinen Händen – er übte nämlich die Kunst des Schreibers auf lobenswerte Art aus und flocht sehr häufig Fächer aus Palmblättern“560, gehörte demnach selbst gar nicht zu den reinen „Geistesarbeitern“. In dieser Schilderung scheint das alte aristokrati-

556 Ferrand. vita Fulg. 1,4 (PL 65, 119B): „Quem religiosa mater moriente celeriter patre graecis litteris imbuendum primitus dedit, et quamdiu totum simul Homerum memoriter reddidisset, Menandri quoque multa percurreret, nihil de latinis permisit litteris edoceri… quo facilius posset victurus inter Afros locutionem graecam servatis aspirationibus tamquam ibi nutritus exprimere.“ Vgl. ELM 2003, 187. 234. 557 Vita Fulg. 1,5 (PL 65, 119C): „Litterarum proinde Graecarum percepta scientia, Latinis litteris (quas magistri ludi docere consueverunt) in domo edoctus, artis etiam grammaticae traditur auditorio.“ 558 Vgl. die Episode bei Bischof Eulalius in Syracus (vita Fulg. 12,24; PL 65, 129A): „Mox enim (sicut moris est in convivio sacerdotum), dum de divinis rebus ortus est sermo, virum singularis scientiae locutio sua continuo prodidit. Intellexit episcopus ex ornatu sermonis, et responsionum moderatione, sub monachico habitu magnum latere doctorem; distulit tamen eumdem vel quis esset, curve advenisset, convivis praesentibus inter epulas quaerere“; seine einzigartige Redegewandtheit findet unter den Zeitgenossen angemessene Bewunderung (vita Fulg. 11,20; PL 65, 127B): „Tunc presbyter putans eum confiteri velle, jubet quiescere caedentes, et sic adhuc ad flagella suspensum loqui praecipit quod volebat. Ubi dum beatus Fulgentius eloquentiae solitae sermonibus blandis suae peregrinationis est narrare aggressus historiam, presbyterum facit attonitum, diuque nimia verborum suavitate delinitum, pene totius crudelitatis reddit oblitum. Miratur presbyter beati Fulgentii facundiam, probat sapientiam, magnumque aliquem virum conjiciens, erubescit inferre violentiam“; dazu BRANDT 1999, 136f. 559 Ferrand. vita Fulg. 27,52 (PL 65, 144B): „Laborantes fratres et opera carnalia indefessis viribus exercentes, lectionis autem studium non habentes minus diligebat, nec honore maximo dignos iudicabat… ?“; Übers. BERSCHIN 1986, 237; vgl. ELM 2003, 190f. 560 Ferrand. vita Fulg. 14,30 (PL 65, 132C): „Manibus etiam suis delectabiliter operabatur, nam et scriptoris arte laudabiliter utebatur et palmarum foliis flabellos saepissime contexebat.“

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

sche Ideal der „tätigen Muße“, des Rückzugs aus der betriebsamen Welt auf561 – in die Fulgentius freilich als Bischof von Ruspe zurückkehren sollte. Der frisch geweihte Bischof befahl entsprechend seinen Klerikern, „nicht weit entfernt von der Kirche zu wohnen, den Garten mit eigenen Händen zu pflegen und größte Sorgfalt auf das gefällige Singen der Psalmen und auf gute Aussprache zu verwenden.“562 Ähnlich wie bei Augustin kommen hier in seiner Jugend verinnerlichte Bildungsvorstellungen in kirchlichem Kontext zum Ausdruck: Heiligkeit und Bildung stehen zueinander in einem organischen, wenn auch mit klarem Gefälle beschriebenen Verhältnis.563 Neben diesem spezifischen Typ der afrikanischen Bischofsbiographie und dem für Italien beobachteten Nebeneinander der Mönchsromane des Hieronymus und der Vita Ambrosii ist auf Gallien hinzuweisen, wo der hagiographische Diskurs in einer Vielzahl von Bischofsviten Ausdruck fand.564 Hier war mehr als ein Jahrhundert lang weniger das Mönchsideal Martins von Tours in der literarischen Gestaltung durch Sulpicius Severus maßgebend als vielmehr das Mönchtum aus dem Umfeld des Inselklosters Lérins, das zahlreiche kirchliche Würdenträger hervorbrachte, an die sich eine reiche hagiographische Produktion anschloss.565 Besonders in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, nach der Gründung der Mönchsgemeinschaft um 400/410 durch Honoratus, den späteren Bischof von Arles († 429), fungierte Lérins als Auffangbecken für zahlreiche Angehörige der aristokratischen Oberschicht Galliens, die sich dem asketischen Leben zuwandten, später jedoch als Bischöfe ins politische und kirchliche Leben zurückkehrten.566 Zu den lerinischen Bischöfen mit konsularischer Abstammung zählen neben dem Klostergründer Honoratus und seinem Verwandten und Nachfolger in Arles, Hilari561 Vgl. B ERSCHIN 1986, 238: „Ein Hauch von Intellektualität und Dekadenz liegt über dieser exilafrikanisch-sardinischen Variante des Mönchsklosters…“. 562 Ferrand. vita Fulg. 29,59 (PL 65, 147B): „Iubet omnes non longe ab ecclesia domos habere, manibus propriis hortum colere, psallendique suaviter aut pronuntiandi curam maximam gerere.“ 563 Vgl. Ferrand. vita Fulg. 14,30 (PL 65, 132B): „et adunatus multitudini monachorum, fulget quidem super caeteros mirabili scientia eloquentiaque speciali, sed subjicitur omnibus laudabili humilitate atque oboedientia singulari“; dazu ELM 2003, 189. 564 Grundlegend ist die Studie von H EINZELMANN 1990, der 105 gallische Heiligenviten vom späten 5. bis frühen 8. Jahrhundert nach ihren Bildungsvorstellungen klassifiziert hat; neben Viten mit reinen Stereotypen wie „litteris institutus“ (aaO. 111, vgl. z.B. Greg. Tur. vit. patr. 7,1; BHL 3665; 687,9 Kr.) bieten 50 Texte ein differenzierteres Bild, zu denen noch aus früherer Zeit die Viten des Honoratus und Hilarius von Arles hinzuzufügen sind. 565 Vgl. an monographischen Studien K ASPER 1991 (zur Spiritualität), BRUNERT 1994 (zur Rezeption und Transformation des Ideals der Wüstenaskese) und SCHERLIEß 2000 (zur literarischen Produktion aus formgeschichtlicher Perspektive) sowie die ältere, aber immer noch Maßstäbe setzende Untersuchung zum gallofränkischen Mönchtum von PRINZ 1965; weiterhin – speziell zum Bischofsbild in Gallien – HEINZELMANN 1976. 566 Zur Herausbildung dieses Typs einer adligen Bischofsbiographie, für die der secessus ad villam zunehmend in begrenztem Verweilen im Kloster bestand, vgl. BAUMGART 1995, 147f.

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us († ca. 449), Eucherius von Lyon († um 450), Schwager des Hilarius und Verwandter des Praefectus praetorio Galliae Valerianus, und Faustus von Riez († nach 486) sowie möglicherweise der einer „domus non despectabilis“ entstammende Salvian von Marseille († um 480)567, ebenso Lupus von Troyes († 478) und eventuell Caesarius von Arles († 542).568 Diese biographischen Zusammenhänge schlugen sich auch in den Bildungsvoraussetzungen nieder, so dass Friedrich Prinz von Lérins als „der großen geistigen Pflanzschule Galliens“ sprechen konnte, „wenn man darunter nicht ein letztes Refugium heidnischantiker Bildung versteht, sondern ein Zentrum monastischen Geistes; freilich getragen von Männern, die großenteils der traditionellen Bildungsgüter vor ihrem Übertritt zum Mönchtum noch teilhaftig geworden waren.“569 In Lérins lassen sich Ansätze eines eigenständigen Schulbetriebs erkennen, wobei sich die hier (wie auch später in den Klöstern Benedikts) vermittelte Bildung ausschließlich auf geistliche Lektüre und spirituelle Entwicklung richtete, nicht auf die Bewahrung „heidnischer“ Bildung.570 Der Ruhm der Mönchsinsel als Stätte klassischer Bildung gründete vielmehr darin, dass diese Kenntnisse mitgebracht wurden und mit asketischer Spiritualität eine fruchtbare Verbindung eingingen, die dem bischöflichen Wirken einstiger Leriner Mönche ein ganz eigenes Gepräge verlieh. Damit war jedoch „die schwierige Frage des Verhältnisses von Religion und Bildung im traditionell antiken Sinne aufgeworfen“.571 Johannes Cassian etwa lehnte das „Teufelszeug der Poesie“ strikt ab, obwohl – oder gerade weil 567 Dazu KASPER 1991, 62f. mit Quellenangaben: zu Honoratus vgl. Hilar. vita Honorat. 4,2 (51,9 C.); zu Hilarius vgl. Genn. vir. ill. 70 (85,16 R.): „homo genere clarus“; zu Eucherius vgl. Paul. Nol. ep. 51 sowie die Widmung von Eucher. cont. an Valerianus (54 Pricoco) und die legendarische Vita Consortiae (ActaSS Iun. IV, 250B: „vir ex ordine Senatorio, Eucherius nomine“), der nach SCHERLIEß 2000, 63 Anm. 2 diesbezüglich Glaubwürdigkeit zukommt. 568 Die Vita Lupi (n. 1; 295,22 Kr./L.) macht ihren Protagonisten zum Schwager des Hilarius; da nach Eucher. laud. her. 42 (192,28–193,2 W.) Lupus sowie Vincenz von Lérins Brüder waren, ergibt sich ein Geflecht verwandtschaftlicher Beziehungen in der monastischekklesialen Elite des spätantiken Galliens. Caesarius konnte immerhin Bischof Aeonius von Arles zu seinen Verwandten zählen (vita Caes. I 10; MGH.SRM III, 460,31f. Krusch). Zu den verwandtschaftlichen Beziehungen unter Leriner Bischöfen: MATHISEN 1981, 104–107. 569 PRINZ 1965, 57; vgl. mit ähnlichem Akzent RICHÉ 1962, 142f. 570 KASPER 1991, 182–185 diskutiert Belege für eine klassische Ausbildung in Lérins, so Eucher. instr. praef. (CChr.SL 66, 77,20–78,31 Mandolfo); vgl. Paul. Nol. ep. 51 (FC 25/3, 1076,4–13 S.); Salv. ep. 8 (SC 178, 118,3–7 Lagarrigue). Salv. ep. 1 (80,75f. L.) bittet um geistliche Erziehung eines jungen Bekannten (docete, instituite, formate). Vgl. KASPER 1991, 184: „Wenn auch die ersten Lériner selbst noch rhetorisch ausgebildet worden waren, brechen sie bewußt mit dieser Vergangenheit; alles steht auf einem niedrigeren Niveau als in den antiken Rhetorenschulen, die im Laufe des 5. Jh.s untergingen. Nun geht es um die Vermittlung des Elementarwissens in Theologie und kirchlicher Praxis, wodurch die Mönche prädestiniert schienen, einen Bischofsstuhl zu übernehmen.“ Zum monastischen Unterricht vgl. auch HEINZELMANN 1990, 129–131. 571 PRINZ 1965, 449.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

– die Dichtkunst auf ihn eine starke Anziehungskraft ausübte572; von Hilarius von Arles hingegen sind sogar Fragmente eigener Verse überliefert, auf die seine Vita ausdrücklich Bezug nimmt.573 Auch Eucherius von Lyon bezeugt eine „innere Traditionsverbundenheit… mit dem weltlichen Erbe der Antike, die trotz christlich-asketischer Opposition in ihm weiterwirkt.“574 In seiner Epistula ad Valerianum de contemptu mundi et saecularis philosophiae beruft er sich auf eine ganze Reihe von Konversionen prominenter Gebildeter zur Askese, allen voran Clemens Romanus: „Aus altem senatorischem Geschlecht und sogar Sprößling von Kaisern, bewandert in der Wissenschaft und höchst erfahren in allen freien Künsten, ging er doch zu diesem Weg der Gerechten über.“575 Weiter werden griechische Bildungsträger wie der Origenesschüler Gregor Thaumaturgus, Gregor von Nazianz und Basilius von Caesarea genannt576, von lateinischer Seite Gestalten der vorkonstantinischen Zeit wie Minucius Felix und Cyprian von Karthago sowie Zeitgenossen wie Paulinus von Nola, Hilarius von Poitiers und Ambrosius von Mailand577 – mit der Pointe, dass alle Genannten „der weltlichen Philosophie, der Redekunst und den äußerlichen Ehren entsagt haben“.578 Alle stammten aus aristokratischem Geschlecht und besaßen eine hervorragende Bildung, über die sie auch nach der Hinwendung zur Askese verfügten. Eucherius stellt sich und seine Leriner Zeitgenossen damit in die Reihe derer, „die jene radikale Konversion aus glänzenden Positionen im öffentlichen Leben und in den oberen Rängen der spätantiken Reichsverwaltung zuerst zu einem strengen Christentum und

572 Cass. conl. XIV 12 (CSEL 13, 414,1–4 Petschenig/Kreuz): „mens mea poeticis illus uelut infecta carminibus illas fabularum nugas historiasque bellorum“; vgl. Praetextatus bei Macr. sat. I 17,2 (82,3f. W.): „cave aestimes, mi Aviene, poetarum gregem, cum de dis fabulantur“; vgl. dazu WEISSENGRUBER 1966/67, 24. 28; vgl. auch PRINZ 1965, 471 sowie Cass. conl. V 21 (147,1–7 P./K.) zum Gegensatz zwischen dem „sudor multus longaque doctrina“ derer, die „saecularis eruditio“ besitzen, und dem spontanen Zuteilwerden der christlichen Weisheit. 573 Hilar. Arel. versus fontis ardentis (Anth. lat. I/2, 37 Nr. 487 Riese); bezeugt in vita Hilar. 14 (93,29 Cavallin); vgl. RICHÉ 1962, 136. 574 PRINZ 1965, 459. 575 Eucher. cont. 366–369 (80 Pr.): „vetusta prosapia senatorum, atque etiam ex stirpe Caesarum, omni scientia refertus, omniumque liberalium artium peritissimus, ad hanc iustorum viam transiit“. 576 Eucher. cont. 371–373 (80 Pr.) zu Gregor Thaumaturgus: „philosophia primus apud mundum et eloquentia praestans, sed postea maior praestantiorque virtutibus“; cont. 378–380 (ebd.) zu Gregor von Nazianz: „aeque litteris ac philosophiae deditus caelestem hanc philosophiam concupivit“; cont. 381–385 (82 Pr.) zu Basilius’ heilsamem Einfluss auf Gregor: „Basilium studiis prius saecularibus familiarem sibi et rhetoricam adhuc professioni vacantem, auditorium ingressus, manu hunc apprehensam schola abduxit dicens: ‚Omitte ista et da salutem operam‘.“ 577 Vgl. z.B. Eucher. cont. 389f. (82 Pr.) zu Paulinus von Nola: „ingenti quondam divitiarum censu, uberrimo eloquentiae fonte“. 578 Eucher. cont. 408f. (84 Pr.): „saeculi philosophia, eloquentia, honoribusque perfunctos“; vgl. SCHERLIEß 2000, 185 sowie KASPER 1991, 172f.

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dann an die Spitze der Hierarchie geführt hatte, die mit ihnen recht eigentlich erst entstand, gleichsam als das römische Erbe innerhalb der Kirche“.579 Der erste Vertreter des Leriner Mönchtums auf einem gallischen Bischofssitz war Honoratus, der von 426 bis 429 als Bischof von Arles amtierte; wahrscheinlich am ersten Todestag hielt sein Nachfolger Hilarius einen Sermo de vita s. Honorati, der in der Tradition der römischen laudatio funebris steht.580 Im Text selbst wird als Gattungsbezeichnung consolatoria laus genannt; der sermo soll also Trost- und Lobrede zugleich sein, das aber in dezidierter Wirkabsicht auf das Auditorium – nämlich als Ermutigung zur eigenen conversio –, wie das betonte „hodie“ in der Einleitung anzeigt: „Heute“ sei der Bischof, an Tugend, Priestertum und Name „geehrt“ (honoratus), seines Leibes ledig581; seiner zu gedenken bedeutet, ihn liturgisch zu feiern und dadurch mit ihm Gemeinschaft zu haben. Hilarius’ sermo ist also erst in sekundärem Sinne eine Vita bzw. Biographie, die dann freilich weite Verbreitung und große Bewunderung fand.582 Anders als Sulpicius Severus über Martin schreibt Hilarius nicht als Asket über einen Asketen, der auch Bischof wurde, sondern als Bischof über seinen Vorgänger und dessen asketischen Hintergrund; diese Akzentverschiebung tritt in zahlreichen Details583, aber auch in den Grundzügen des sermo zu Tage. Als versierter Rhetor versichert Hilarius eingangs, dass die Größe des Gegenstandes selbstverständlich seine Kräfte übersteige: 579 PRINZ 1965, 459. Nach SCHERLIEß 2000, 185f. ist die Haltung des Eucherius nicht eindeutig: Einerseits habe ihre Bildung den genannten Personen zur Erkenntnis der christlichen Wahrheit verholfen; andererseits werde die „weltliche“ Philosophie auch in Antithese zum Glauben beschrieben. Die Redekunst ist von dieser Kritik allerdings nicht betroffen, kann vielmehr sogar in Lérins vertieft werden (cont. 696f.; 104 Pr.): „Illic quoque quo facundia tua atque ingenium exerceatur invenies.“ 580 BHL 3975; CPL 3 501; hg. von C AVALLIN 1952, 49–78. Vgl. H EINZELMANN 1973, 37; DERS. 1976, 76f.; BERSCHIN 1986, 242–245; BRUNERT 1994, 187–190; eine sehr ausführliche Analyse bietet SCHERLIEß 2000, 99–165. Zur Bedeutung vgl. zuletzt ELM 2003, 178: „Mit dem Leben des Honoratus wird eine ganz neue Art der Lebensbeschreibung des Bischofs geschaffen, der Sermo, der fast noch in stärkerem Maße als die in Italien entstandene Vita Epiphanii des Ennodius der rhetorischen Kultur der Spätantike Rechnung trug.“ 581 Hilar. Arel. vita Honorat. 1,2 (49,5–7 C.): „Hodie enim ille sanctae recordationis ecclesiae huius antistes, virtute, sacerdotio, nomine Honoratus pater, corpore exutus est“; vgl. BERSCHIN 1986, 244; KASPER 1991, 9; SCHERLIEß 2000, 127.130. 582 Vgl. Genn. vir. ill. 70 (85,19–22 R.): „Ingenio vero immortali aliqua et parva edidit, quae eruditae animae et fidelis linguae indicio sunt: in quibus praecipue, et ad multorum utilitatem, necessario opere Vitam sancti Honorati, praedecessoris sui, composuit“; vgl. SCHERLIEß 2000, 162f.: „eine panegyrische Rede mit exhortativ-paränetischen, autobiographischen und apologetischen Zügen“. 583 So werden dem Jüngling Honoratus keine mönchischen Tugenden attestiert, anders als in Sulp. Sev. Mart. 2,7 (256 F.), wo die Stichworte benignitas, caritas, patientia und humanitas zu der Pointe hinführen: „ut iam illo tempore non miles, sed monachus putaretur“ (dazu ELM 2003, 84); vielmehr heißt es über Honoratus und seinen Bruder Venantius: „Privatus quidam iam tunc in conuersatione eorum episcopatus gerebatur“ (vita Honorat. 9; 55,16f. C.); vgl. BRUNERT 1994, 190; zur Autorenperspektive des Hilarius vgl. KASPER 1991, 8.

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„Es gibt niemanden, denke ich, dem nicht die Begnadung dieses Mannes größer erschiene als alles, was sich mit der reichhaltigsten Redegewandtheit ausdrücken ließe.“584

Was dem Redner an Kunstfertigkeit fehle, müsse das Publikum dadurch ausgleichen, dass es gleichsam im Herzen den sermo angemessen ergänze.585 Nur kurz gestreift – aber nicht ausgelassen – werden Herkunft und Werdegang des Honoratus (s.o. S. 253), wodurch Hilarius sich als mit der oratoria disciplina vertraut erweist, jedoch in spezifischer Weise davon abweicht, um den Akzent auf den Weg seines „Helden“ zum Asketen zu legen.586 Dabei verliert die einst erworbene Bildung nicht völlig ihre Relevanz, vielmehr setzt Hilarius sie gezielt als Strategie der Abgrenzung ein: Honoratus und sein Bruder Venantius seien auf ihrer peregrinatio „an jene Gestade gelangt, denen jene römische Redekunst, die vielfältig in ihnen war, als Barbarei gilt“.587 Nach MariaElisabeth Brunert sind mit jenen fremden Gestaden jene „mit Heiligen überfüllten Orte“ im Orient gemeint, zu denen westliche Bewunderer der Askese zu pilgern pflegten (S. 257f. mit Anm. 446), d.h. die heiligen Stätten in Palästina und die ägyptischen Wüstenväter: „Honoratus und seine Begleiter brauchten solche Vorbilder nicht, da sie selbst heiligmäßige Asketen waren.“588 Denkbar ist es, dass der spätere Abt von Lérins sich von Wüstenvätern unterweisen ließ: Vor der Abreise waren er und sein Bruder „in Liebe zur Wüste entbrannt“.589 Um den Heiligen auf eine Stufe mit dessen mutmaßlichen Lehrern stellen zu können, schweigt Hilarius jedoch später vom konkre584 Hilar. Arel. vita Honorat. 2,2 (50,9–11 C.): „Nemo est, ut puto, cui non illius viri gratia maior occurat quam possit opulentissima cuiuslibet proferre facundia“; vgl. c. 3,4 (51,17–21): „Non tamen ego ingenii fiducia neque fretus eloquio ad adtingendam tanti viri vitam manum mitto; quam si quis priscae eloquentiae auctor adtingeret, non solum nihil facundia ornaret, sed victus materiae mole subcumberet.“ 585 Hilar. Arel. vita Honorat. 2,3 (50,15–17 C.): „Adiuvabunt utique sensus vestri conatus meos, et quicquid sermone meo expedire difficile est, vestra sibi pectora propriis cogitationibus eloquentur.“ 586 Vgl. H EINZELMANN 1990, 108f.: „[Hilaire] évoque, dans la section des studia, un divinum paedagogium, qui aurait agi sans le concours des parents du saint. Pourtant, Honorat semble avoir eu à sa disposition toute la romana eloquentia, ce qui implique l’éducation d’un aristocrate romain.“ Die schwierige kirchenpolitische Situation in Arles (426 wurde Bischof Patroclus ermordet, sein Nachfolger Elladius hatte in einem kurzen Pontifikat keine Beruhigung der Lage erreichen können) erklärt nach HEINZELMANN 1976, 75f. das im Vergleich mit anderen zeitgenössischen Viten singuläre Faktum, dass die Bischofserhebung des Honoratus und ihre Hintergründe übergangen werden und statt dessen die Schilderung des Episkopats mit Friedensinitiativen des Honoratus einsetzt (Hilar. Arel. vita Honorat. 28,1; 69,1– 4 C.): „Denique ut primum ecclesiae huius regimen accepit, prima ei cura concordiae fuit et praecipuus labor fraternitatem, calentibus adhuc de adsumendo episcopo studiis dissidentem, mutuo amore conectere.“ Hingegen berichtet die Vita Hilarii ausführlich von der Wahl eines Nachfolgers für Honoratus (vgl. c. 9; 87,1–89,45 C.); dazu SCHERLIEß 2000, 104. 587 Vita Honorat. 13,1 (58,1f. C.): „Expetunt litora, quibus barbara esset etiam illa, quae plurima in ipsis [sc. Honorato et Venantio] erat, Romana eloquentia“; vgl. BARDY 1948, 149. 588 B RUNERT 1994, 193; vgl. vita Honorat. 12,3 (58,13–15): „Alii Orientis oras et quaecumque alia plena sanctis loca accipiendi exempli gratia accedunt: hi quicquid adeunt exemplis bonis suscitant.“ 589 Hilar. Arel. vita Honorat. 10,3 (56,21): „heremi amore flagrabant“; s. BRUNERT 1994, 190.

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ten Ziel der peregrinatio und benutzt den Hinweis auf klassische Bildung, die andernorts herabgesetzt (oder gar nicht verstanden) wurde, zur Unterscheidung des gallisch-lerinischen vom ägyptischen (in Gallien durch Johannes Cassian präsenten) Mönchtum. Für dieses Lob berief sich Hilarius auf Eucherius, der von der Nachbarinsel Lero aus mit Honoratus korrespondierte: „Fast schon wetteifernd erreichten den Verborgenen (wofür er sich hielt oder was er sicher zu sein wünschte) briefliche Anfragen. Darauf antwortete er – wie verändert durch neue Empfindungen, wie gewinnend, wie süß schmeckend! Am schönsten drückte dies der vor der Welt berühmte, in Christus jedoch noch berühmtere Nachahmer seiner Tugend, der selige Eucherius, der auf der nächstgelegenen Insel weilte, aus, als er aus der Einöde auf Wachstäfelchen, wie jener es zu tun pflegte, dessen Briefe erhielt: ‚Du hast dem Wachs seinen Honig zurückgegeben!‘“590

Die officia litterarum erinnern an die oben behandelten Rituale brieflicher Kommunikation; selbst wenn es hier um die Sendung pointierter geistlicher Apophthegmata geht591, erinnert die Wortwahl an den Briefverkehr unter Gebildeten. An der Kurzcharakteristik des Eucherius – „splendidus mundo, splendidior in Christo“ – wird deutlich, dass der Ruhm vor der „Welt“ wahrgenommen, wenn auch überboten wird. Wie sich ein Heiliger in „säkularem“ Kontext verhält, ist darum aber nicht gleichgültig und wird als traditionelle Kongruenz von Reden und Handeln gedeutet, so dass in der Predigt des Honoratus das Ideal des „vir bonus dicendi peritus“ in christlicher Form wiederkehrt: „Ihr habt auch selbst jenen Mund gehört, der mit dem Leben übereinstimmte, in dem das Miteinander herrschte von Reinheit des Herzens und Reichtum der Rede.“592

Wenn der sermo des Hilarius die Zuhörer zur conversio bewegen soll, dann ist deutlich, dass diese Bekehrung keine prinzipielle Abkehr von rhetorischer Bildung bedeutet; diese wird vielmehr in das Bild des verehrungswürdigen Asketen und Bischofs integriert.593 Dem entspricht die quantitativ geringe, 590

Hilar. Arel. vita Honorat. 22,1f. (65,1–7 C.): „Hinc iam certatim ad illum, ut putabat aut certe ut optabat, latentem undique litterarum officia perlata sunt. Quibus ille quam novis affectibus variata reddebat; quam blanda, quam dulcia! Unde pulcherrime splendidus mundo, splendidior in Christo, aemulus virtutis suae beatus Eucherius cum ab heremo in tabulis, ut adsolet, cera inlitis, in proxima ab ipso degens insula, litteras eius suscepisset: ‚Mel‘ inquit ‚suum ceris reddidisti‘.“ 591 So K ASPER 1991, 55. 300. 592 Hilar. Arel. vita Honorat. 26,2 (68,6f. C.): „Audistis quoque os illud congruens vitae, in quo erat consentanea puritati pectoris sermonis luculentia.“ 593 Vgl. SCHERLIEß 2000, 149f.: „Obwohl Hilarius also die adlige Herkunft, die Ausbildung der Aristokraten und die Redekunst als unwichtig qualifiziert, verweist er jedoch auch im weiteren Verlauf der Rede unentwegt auf die Erziehung des Honoratus und die in hohem Maße daraus resultierenden rhetorischen und literarischen Fähigkeiten… Diese dialektische Spannung kann nicht allein damit erklärt werden, daß der Redner – der Tradition panegyrischer Reden folgend – die Herkunft des Verstorbenen lobte. Vielmehr wird Hilarius bewußt mit diesen Hinweisen der Vorstellung, monastische Kultur sei mit Bildungsfeindlichkeit gleichzusetzen, entgegengetreten sein.“

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dennoch signifikante Verwendung von Klassikerzitaten: Nur an vier Stellen lässt der Verfasser seine und des Heiligen klassische Bildung aufblitzen, die aber hinreichen, um ihm Kenntnis der Schulautoren (Vergil, Cicero) und philosophischer Werke (Xenophon, Seneca) zu attestieren, während in ungleich höherer Zahl – wenn auch meist implizit – westliche und östliche Theologen zitiert werden.594 Der Autor verortet sich und seinen „Helden“ also innerhalb der asketischen Theologie der Gegenwart, ohne die Vita Antonii oder die Vita Martini dabei zu zitieren. Auf Schilderungen von Wundertaten wird weitgehend verzichtet; gegen Ende des sermo heißt es ausdrücklich, der Abt und Bischof habe es nicht nötig gehabt, sich durch miracula auszuweisen, wo doch sein ganzes Leben eine einzige Illustration der in ihm wirkenden Gnade Gottes gewesen sei.595 Darin liegt eine Spitze gegen die Vita Martini, die gelegentlich ein Heilungswunder als „praesens uirtutum eius testimonium“596 betrachten kann; Honoratus’ Leben sei dagegen „sine notabili superstitione“, ohne spektakuläre Wunder verlaufen.597 Damit wird die imitatio zu einer realisierbaren Möglichkeit für alle Zuhörer; Hilarius gilt für Prinz deswegen als „Sprachrohr lérinischer ‚Aufgeklärtheit‘“.598 Im Dienste dieses Ziels, zur Nachahmung des Asketen aufzufordern und damit zur Verbreitung des lerinischen Mönchtums beizutragen steht die rhetorische und inhaltliche Stilisierung des sermo de vita Honorati.599 Hatte sich Hilarius eingangs seines sermo aufgrund erwiesener literarischer Inkompetenz für eigentlich unzuständig erklärt, so begann ein halbes Jahr594 So SCHERLIEß 2000, 125; vgl. 252–255 zu den Kirchenväterreminiszenzen (Athanasius/Evagrius von Antiochien, Basilius, Clemens von Alexandrien, Cyprian, Evagrius Ponticus, Gregor von Nyssa, Sulpicius Severus, Paulinus von Nola, Hieronymus und Augustin). 595 Vgl. Hilar. Arel. vita Honorat. 37,1f. (75,1–76,9 C.): „O magna et inclyta, Honorate, tua gloria! Non indiguit meritum tuum signis probari: ipsa enim conversatio tua plena virtutibus et admirationis novitate praecelsa, perpetuum quoddam signum ministravit. Multa quidem tibi divinitus signorum specie indulta novimus, quicumque propius adsistebamus; sed in his tu minimam tui partem computabas, maiusque tibi gaudium erat, quod merita et virtutes tuas Deus scriberet, quam quod signa homines notarent. Et tamen quod esse maius signum virtutis potest quam signa fugere et occultare virtutes!“ 596 Sulp. Sev. Mart. 19,2 (292 F.); dazu PRINZ 1965, 90 Anm. 9; SCHERLIEß 2000, 146. Eine scharfe Kritik an der wundergläubigen Frömmigkeit des gallischen (d.h. martinischen) Mönchtums bietet – ebenfalls ohne Erwähnung Martins – Cass. inst. praef. (6,8–14 P./K.). 597 Hilar. Arel. vita Honorat. 37,8 (76,16f. C.). 598 SCHERLIEß 2000, 147, und bereits P RINZ 1965, 458; vgl. DERS . 1992, 564–567 für weitere Beispiele dieser „spätantik-christlichen Aufgeklärtheit“ bis zu Cassiodor, dessen geringe unmittelbare Nachwirkung aaO. 578f. damit erklärt wird, dass sich die monastische Bildung zunächst nicht gegen die populäre, mirakelgesättigte Hagiographie durchsetzen konnte. 599 Vgl. das Fazit von SCHERLIEß 2000, 246, wonach sich Hilarius (sowie Eucherius und Vincenz) „einerseits als kulturerhaltende Erben der heidnischen Antike [erweisen]. Andererseits haben sie in ihrem Bemühen, Menschen durch ihre Literatur zu einer conversio zu bewegen und das Wachstum sowie die kirchenpolitische Ausstrahlungskraft des Klosters zu fördern, kulturstiftende Bedeutung gehabt und die politische, theologie-, kirchen-, literatur- und kulturgeschichtliche Stellung des Klosters von Lérins begründet.“

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hundert später (um 475/80) auch sein eigener Hagiograph mit dem Schreiben „im Bewusstsein meiner Unerfahrenheit und nicht im Unklaren über meine Untauglichkeit“.600 Auch er hatte nicht schreiben wollen, sich aber den an einer Vita interessierten „domini et pontifices“ gebeugt, obwohl er Böses ahnte: „Auch die Verwegenheit solchen Gehorsams wird das Urteil solch erhabener Priester nicht schmälern, weil man einen, dessen Redevermögen nicht für die erforderliche Sprachkunst ausreicht und der entsprechend unter seiner ungelehrten Bäurischkeit leidet, vergeblich zur Verantwortung zieht, wenn er den vorliegenden Stoff mit seiner dürftigen Sprache nicht entfalten kann.“601

Immerhin war er mit seinem „Helden“ soweit vertraut, dass er um dessen bei vergleichbarer Gelegenheit geübten Verzicht wusste, Herkunft und Werdegang „eines verehrungswürdigen nahen Verwandten“ (des Honoratus) in klassischer Form zu preisen. Hilarius habe dessen edlen Stammbaum „geehrt, indem er ihn verachtete, empfohlen, indem er ihn überging, verkündigt, während er ihn schmähte“602; der dreifache Parallelismus verrät die wahren rhetorischen Fähigkeiten des vorgeblichen rusticus. Der Hagiograph folgt seinem Vorbild durch eine praeteritio, die benennt, was sie zu verschweigen vorgibt: „In armseligem Sprachstil und mit beschränktem Verstand verlangt es mich doch danach, das Leben des allerseligsten Hilarius, des außergewöhnlichen Vaters, einzigartigen Mönchs, höchsten Bischofs, ausgezeichneten Lehrers und frömmsten Unterweisers, darzulegen; und ich halte es für angemessen, dabei nicht – wie es der Art der Rhetoren entspräche – Vaterland und Elternhaus zu erwähnen.“603

Die Fülle der Tugenden des Seligen kann nur so bewältigt werden, dass die supernae virtutes ausgewählt und geschildert werden604; dabei steht nicht der Asket, sondern der Bischof im Mittelpunkt. Entsprechend der rhetorischen 600 Vita Hilar. 1 (BHL 3882; CPL 3 506; 81,2 C.): „Conscius imperitiae meae et non ignarus ignaviae…“; der Text Cavallins ist wieder abgedruckt in SC 404 (ed. Jacob). Genn. vir. ill. 100 (97,13–15 R.) schreibt die Vita seinem eigenem Bischof Honoratus von Marseille (um 490– 496) zu, einem „vir eloquens et absque ullo linguae impedimento extempore in ecclesia declamator“ (97,2f.), während einer der beiden wichtigsten Textzeugen (saec. XI) „domnus Reverentius eius successor in episcopatu“ als Verfasser nennt. Hilarius’ Nachfolger hieß aber Ravennius († 452); da die Vita nicht vor 475 entstand, spricht viel für Honoratus von Marseille, während nach Clemens KASPER, LACL3, 341 „die Verfasserschaft offen bleibt.“ 601 Vita Hilar. 1 (81,5–10 C.): „Sed vicit meritum dominorum praesentiumque pontificum; si tamen oboedientis temeritas non inminuat iudicium tam sublimium sacerdotum: quia cui fandi facultas non suppetit ubertate loquendi, indocta rusticitate depressus, frustra vocatur in culpam, si nequeat excolere propositam sterili sermone materiam.“ 602 Vita Hilar. 2 (81,4–7 C.): „quia etiam ipse in laudibus venerandi propinqui praecelsum stemma natalium maluit nobilitare dum respuit, commendare dum praeterit, dilatare dum spernit.“ 603 Vita Hilar. 2 (81,1–4 C.): „Beatissimi igitur Hilarii peculiaris patris, monachi singularis, antistitis summi, doctoris eximii, pii institutoris vitam sermone pauperculo, sensu tenui cupiens demonstrare, dignum duco nequaquam more rhetorico patriam parentesque memorare.“ 604 Zu diesem konventionellen Topos, der auch in Sulp. Sev. Mart. 1,8 (252 F.) und 26,3 (Selbst Homer müsste verzweifeln! – s.o. S. 251) begegnet, vgl. VIELBERG 2006, 276f.

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Stiltradition nimmt der Verfasser sich vor, wenigstens einen Eindruck von der Bildung des Hilarius zu vermitteln: „das Feuer seines flammenden Geistes, die unerschöpfliche Quelle der Beredsamkeit, die verinnerlichte und wahrhaftige Kenntnis der philosophischen Lehren (die den Nachkommen überlieferten berühmten Werke zeugen von seiner Eloquenz)“.605 Die Verfasser des sermo de vita Honorati und die Vita Hilarii wollten auf diese Weise „eine lokale Tradition bischöflicher Sukzession etablieren und damit Identifikationsfiguren für die jeweiligen Städte und Bistümer schaffen.“606 Ausführlich wird die Entscheidung des jungen Hilarius für die Askese geschildert: Eigens war sein Verwandter Honoratus aus Lérins gekommen, um ihn davon zu überzeugen, sein Leben Christus zu widmen; doch zeigte sich schnell, dass der Jüngling eine gute Ausbildung genossen hatte: „Aber all diese Argumente wischte der selige Hilarius hinweg, vermittels der außergewöhnlichen Gewandtheit, über die er verfügte, mit dem Scharfsinn, mit dem er die anderen überwand, mit dem Quell an Redekunst, der reicher sprudelte als bei denen, die ihn unterwiesen hatten…“.607

In einer dramatischen Szene wirft sich Honoratus vor Christus zu Boden und bewirkt durch sein Gebet, dass sich Hilarius in ein Selbstgespräch verstrickt: „Als wir in den weltlichen Studien unterwiesen wurden, haben wir manchmal die überzeugende Rede verwendet, um durch eine vernünftige Untersuchung Gerechtes von Ungerechtem und Nützliches von Unnützem zu unterscheiden; gelegentlich haben wir auch, den menschlichen Ohren schmeichelnd, die Erscheinung der Gerechtigkeit mit dem Liebreiz der kunstfertigen Rede verhüllt; was ist nun hier zu tun, wo die Sache des ewigen Heils zu verhandeln ist, wo das Schicksal der Seele und die Festigkeit der unendlichen Himmel zu bedenken sind?“608

Der Weg, auf dem Hilarius schließlich zu dem Entschluss gelangt, seine weltlichen Besitztümer zu verkaufen und in das „Inselparadies Lérins“609 einzutreten, beginnt also nicht mit der plötzlichen Abkehr von allem, was der junge Mann besitzt und beherrscht; er gebraucht vielmehr seine dialektische Schulung, um sich mit einer schulmäßigen disputatio in utramque partem zwischen Weltlich-Zeitlichem und Göttlich-Ewigem zu entscheiden, wobei er merkt, 605 Vita Hilar. 2 (82,17–20): „ignem flagrantis ingenii, inexhaustum facundiae fontem, philosophicorum dogmatum interiorem veramque doctrinam (praeclara posteris tradita eius eloquio monumenta testantur)“. Das rhetorisch stilisierte Exordium erweist die Vita Hilarii Arelatensis als „enkomiastische [Bischofs-] Biographie“ (VAN UYTFANGHE 1988, 164); vgl. HEINZELMANN 1973, 37f. 606 H OFMANN 1997, 452; in diese Reihe gehört auch die Vita Caesarii Arelatensis (s.u.). 607 Vita Hilar. 4 (83,1–3): „Sed cum beatus Hilarius exercitatione praecipua qua pollebat, acrimonia qua ceteros superabat, eloquentiae fonte quo ipsis suis instituentibus plus fluebat, ista destrueret…“. 608 Vita Hilar. 4 (84,15–21 C.): „In studiis saeculi constituti nonnumquam suadendi deliberatione suscepta iusta ab iniustis, utilia ab inutilibus, perpensa salubriter examinatione discrevimus; nonnumquam humanis auribus blandientes speciem iustitiae oratoriae artis venustate celavimus: hic quid agendum est, ubi causa vertitur salutis aeternae, ubi status animae et infinitorum caelorum est pensanda securitas?“ 609 Vita Hilar. 7 (86,2 C.): „terrestrem ingreditur Lirinensis insulae paradisum“.

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dass längst nicht mehr Honoratus, sondern Christus selbst sein intimer Gesprächspartner ist.610 In der zitierten Passage wird zugleich festgestellt, dass die oratoria ars in den Dienst der Nachfolge als christlicher Form der iustitia zu nehmen ist, aber eben nicht (wie in den praeexercitamenta des Rhetoriklehrers) an deren Stelle treten darf: Der Rezipient muss sich der Grenzen zwischen der suasorischen Technik und ihrem Missbrauch bewusst sein. Diese reichen rhetorischen Fähigkeiten waren dem Heiligen aber nach wie vor zu eigen und erwiesen ihm nach seiner Wahl zum Bischof gute Dienste: „Welch ein Strom der Beredsamkeit seine normale Predigt trug, welche Gemmen von Sentenzen er herausarbeitete, welches Gold höheren Sinns er fand, Silber glänzender Rede er verstreute, verschiedene Gemälde von Schilderungen und rhetorische Figuren vor Augen stellte, welche eherne Spitze des geistlichen Schwertes er zuschliff beim Kampf mit den giftigen Irrtümern der Häretiker, das – so bekenne ich – kann ich nicht beschreiben, ja nicht einmal denken.“611

Zwar gehörten die verwendeten Metaphern längst zur „kleinen Münze der alltäglichen Rhetorik“.612 Dennoch wird in diesem hagiographischen Text bis in die Formulierung hinein die Nützlichkeit der Beherrschung der rhetorici colores bestätigt. Es ist daher an eine Leserschaft zu denken, die zum einen diese Kunstfertigkeit ebenso schätzte und beherrschte, zum anderen aber darin bestärkt werden sollte, dass ein Bischofsamt das angemessene Betätigungsfeld für solcherart ausgebildete Männer war, die auf diese Weise ihre Kompetenzen in den Dienst des Gemeinwesens stellen konnten; dies erinnert an den (nur wenig später geführten) Briefwechsel des Sidonius Apollinaris (s.o.). Dazu gehörte auch die Predigt, worin der homo litteratus Hilarius offenbar nicht nur damit glänzte, dass er alle Register rhetorischer Kunstgriffe ziehen konnte, sondern auch dadurch, dass er das Einschätzungsvermögen besaß, wann gegenüber einfachen Leuten in einfacher Sprache zu predigen sei: „Wenn einmal die Schar der Kenner ausblieb, nährte er die Herzen der Bauern mit einfacher Rede. Sobald er aber sah, daß Gebildete dazukamen, erwachte er in Redeweise wie Gesicht gleicherweise zu ungewohnter Anmut und schien über sich selbst hinauszuwachsen, so daß vorzügliche Autoren jener Zeit, die sich durch ihre Schriften auf das verdienstlichste hervorgetan haben, Silvius, Eusebius und Domnulus von Bewunderung in

610 Vgl. vita Hilar. 6 (85,1–5 C.). Zur Gattung der suasoria und zum genus deliberativum vgl. Josef MARTIN 1974, 167–176; LAUSBERG 1990, 124 § 229 unterscheidet zwischen der an ein Publikum gerichteten oratio suasoria und der oratio deliberativa als Selbstermunterung (vgl. Isid. orig. II 2,4; PL 83, 125C: „suasoria eget alteram personam, deliberatiua interdum et apud se agit“). 611 Vita Hilar. 14 (92,1–7 C.): „Temporalis vero eius praedicatio quantum flumen eloquentiae habuerit, quas sententiarum gemmas sculpserit, ut aurum supernorum sensuum reppererit, argentum splendentis eloquii abundaverit, descriptionum varias picturas et rhetoricos colores expresserit, ferreum spiritalis gladii acumen in truncandis haereticorum venenatis erroribus exercuerit, non dicam disserere, sed nec cogitare me posse protestor“; Übers. BERSCHIN 1986, 246. 612 B ERSCHIN 1986, 247.

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diese Worte ausbrachen: Nicht Lehre oder Beredsamkeit, sondern irgend etwas Übermenschliches habe er erlangt.“613

Hilarius besaß demzufolge das „gewisse Etwas“, das ihn für die verschiedenen Gruppen seiner Gemeinde zum Leitbild werden ließ und ihm zugleich hohes Lob der folgenden Generation eintrug. So erinnert Constantius von Lyon in der Vita des Germanus von Auxerre an dessen Verhältnis zu Hilarius, wobei auch des letzteren Redegabe Erwähnung findet: „Arles war damals berühmt wegen seines Bischofs Hilarius, der durch viele Tugenden ausgezeichnet war. Er glühte vor Glaubenseifer, glich in der Tat einem Sturzbach himmlischer Beredsamkeit und war ein unermüdlicher Arbeiter für die göttliche Lehre. Den ehrwürdigen Heiligen [sc. Germanus] achtete er [sc. Hilarius] in seiner Liebe wie einen Vater und in seiner Ehrfurcht wie einen Apostel.“614

Gennadius von Marseille legt den Akzent auf das karitative Wirken, vergisst aber das literarische Schaffen nicht: „Hilarius, der Bischof der Kirche von Arles, war ein in der Heiligen Schrift gelehrter Mann, ein Freund der Armut und für die Fürsorge für die Unvermögenden nicht nur in der Frömmigkeit seines Sinnes, sondern auch mit körperlicher Arbeit engagiert. Denn um den Armen aufzuhelfen, übte sich der aus berühmtem Geschlecht Stammende und ganz anders Erzogene entgegen seinen Kräften in der Landarbeit. Aber auch als Lehrer war er begnadet, und ohne Ansehen der Person führte er allen gegenüber das zuchtvolle Werk der Predigt aus. Durch seinen unsterblichen Geist gab er auch einige kleine Schriften heraus, die ein Anzeichen seiner gebildeten Seele und glaubensstarken Zunge sind; vor allem verfasste er zum Nutzen vieler als verwandtschaftlichen Dienst die Vita des heiligen Honoratus, seines Vorgängers.“615

Tatkräftiges Zupacken und schriftstellerisches Wirken stehen harmonisch nebeneinander. Dass Hilarius „ohne Ansehen der Person“ predigt, betont seine moralische Integrität, die mit rhetorischer Vielseitigkeit einhergeht – der 613 Vita Hilar. 14 (93,13–19 C.): „Si peritorum turba defuisset, simplici sermone rusticorum corda nutriebat. At ubi instructos supervenisse vidisset, sermone, vultu pariter in quadam gratia insolita excitabatur, se ipso celsior apparebat, ut eiusdem praelati auctores temporis, qui suis scriptis meritissume claruerunt, Silvius, Eusebius, Domnolus, admiratione succensi in haec verba proruperint: ‚Non doctrinam, non eloquentiam, sed nescio quid supra homines consecutum‘“; Übers. BERSCHIN 1986, 246f.; die Genannten begegnen auch in Briefen des Sidonius Apollinaris (RICHÉ 1962, 70 Anm. 93). 614 Const. vita Germ. 23 (SC 112, 166,15–168,20 Borius): „Inlustrabatur eo tempore ciuitas Hilario sacerdote multimoda uirtute pretioso; erat enim fide igneus torrens caelestis eloquii et praeceptionis diuinae operarius indefessus. Qui uenerabilem sanctum affectu ut patrem, reuerentia ut apostolum sublimat.“ Übers. FRANK, 81. 615 Genn. vir. ill. 70 (85,12–22 R.): „Hilarius, Arelatensis ecclesiae episcopus, vir in Sanctis Scripturis doctus, paupertatis amator, et erga inopum provisionum non solum mentis pietate, sed et corporis sui sollicitus labore fuit. Nam pro reficiendis pauperibus etiam rusticationem contra vires suas homo genere clarus, et longe aliter educatus, exercuit; sed nec in spiritalibus neglexit. Nam et in docendo gratiam habuit, et absque personarum acceptione omnibus castigatum opus praedicationis ingessit. Ingenio vero immortali aliqua et parva edidit, quae eruditae animae et fidelis linguae indicio sunt: in quibus praecipue, et ad multorum utilitatem, necessario opere Vitam sancti Honorati, praedecessoris sui, conposuit.“

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Hagiograph war also an der Kontinuität des aristokratischen und des bischöflichen Hilarius interessiert und schrieb für Menschen mit demselben Bildungshintergrund. Dies bestätigen die Zeitgenossen, die in der Vita selbst zu Wort kommen, um das hagiographische Bild noch farbiger auszuleuchten: „Was soll ich mehr sagen? Wenn nicht irgendwie eine Unterbrechung seiner Rede eintrat, konnte er mit dem Predigen nicht aufhören; so reichlich floss die Gnade; und das Staunen steigerte sich zum Wunder, so dass seine Rede die kundigsten weltlichen Literaten zur Verzweiflung trieb, so sehr, dass Livius, seinerzeit berühmter Dichter und Schriftsteller, öffentlich ausrief: ‚Wenn Augustin nach dir gelebt hätte, würde er als geringer beurteilt werden!‘… Und damit niemand meint, ich würde Falsches behaupten, glaubte ich ein treffendes Zeugnis des seligen Bischofs Eucherius anführen zu sollen, der dessen Schrifttum in Prosa und Versen erhielt und antwortete: ‚Wahrhaftig, du bist glänzend an Redegabe, glänzend an Geist – in der Tat, du erweist dich an Jahren als Jüngling, an Sittlichkeit als Greis!‘ Ebenso Auxiliaris, ein Literat der römischen Beredsamkeit: ‚Es ist schwer zu sagen, wie wertvoll mir deine Briefe sind, in welchen ich eine so versierte Redekunst erkenne, wie du ja auch in den anderen Werken den Primat der Bescheidenheit und der Sitten inne hast. Verzeih mir, der ich mit Absicht zu gering von dir spreche, da die Tugend ja stets errötet, wenn von ihr die Rede ist, denn diese Form der Zurückhaltung ist selbst ein Teil der Tugend.‘“616

Man mag bezweifeln, dass selbst in der Spätantike ein nicht versiegender Redefluss für einen Bischof als Ruhmesblatt gelten durfte; deutlich ist jedenfalls die Wahrnehmung des Hilarius durch seine Zeitgenossen einerseits und die Wichtigkeit dieser Wahrnehmung für das hagiographische Projekt andererseits. Mit Eucherius kommt ein Leriner Geistesverwandter zu Wort, der seinerseits als asketischer Schriftsteller gerühmt wurde; Livius (wie auch der im selben Zusammenhang mit metrischen Versen zitierte Edesius, ein „rethoricae facundiae et metricae artis peritissimus vir“)617 repräsentiert die Gruppe der Literaturschaffenden, während Auxiliaris nicht nur gebildet war, sondern auch eine glänzende administrative Karriere absolviert hatte. Selbst wenn die Vita Hilarii Arelatensis sich in ihrem literarischen Niveau eher dem Stil des Sidonius Apollinaris annähert und sich darin vom Sermo de vita Honorati unterscheidet, 616 Vita Hilar. 14 (93,19–25.29–39): „Quid plura dicam? Nisi dicendi pausa desuper eidem advenisset, sermonem finire non potuit, tanta gratia exundante et miraculo ex stupore crescente, ut peritissimis desperationem tunc auctoribus saeculi eius inferret oratio, in tantum ut Livius, temporis illius poeta et auctor insignis, publice proclamaret: ‚Si Augustinus post te fuisset, iudicaretur inferior‘… et ne quis me aestimet falsa fortassis adserere, testimonium beati Eucherii episcopi iustum credidi adhibendum, qui eius volumine prosa versuque percepto ita respondit: ‚Et tu licet sis clarus eloquio, clarus ingenio, tu licet praeferas annis iuvenem, moribus senem‘ [Eucher. laud. her. 3; 178,16–18 W.]. Et Auxiliaris auctor Romanae facundiae: ‚Dictu difficile est, quanti mihi pretii fuerint litterae sanctitatis tuae, in quibus ita expertam facundiam recognovi, sicut tenes in aliis modestiae morumque operibus principatum. Ignosce de te studiose minora dicenti, quia semper in praedicatione sui virtus erubescit, cum hoc ipsum verecundiae genus pars magna virtutis sit‘“; zu Auxiliaris (PPO Gall. 438/39; PUR 445) vgl. PLRE II 206 Nr. 2; zur Amtszeit in der Präfektur vgl. Const. vita Germ. 24 (168,1f. B.). 617 Vita Hilar. 15 (94,6) als Zeuge für Hilarius’ unermüdlichen Arbeitseifer; s.u. S. 388.

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zeugt sie ebenso wie dieser von der hagiographischen Bewältigung einer Spannung zwischen bildungsaristokratischen und asketisch-episkopalen Idealen durch Feststellung einer grundlegenden Kontinuität beider Sphären.618 Die Wirkungsgeschichte beider Texte wird in der im späten 5. Jahrhundert entstandenen Vita des Bischofs Lupus von Troyes († 478) greifbar, die zahlreiche textuelle Bezüge zu den beiden Arleser Bischofsviten aufweist, darüber hinaus aber auch personell den Heiligen als Schüler des Honoratus im Leriner Kontext verankert: Lupus „wurde nach dem Tod seines Vaters Pirichius von seinem Onkel Lysticius, der gleichermaßen aufgrund seiner Verdienste um die Familie geehrt wurde, zur Schule geschickt und mit dem Rhetorikunterricht vertraut gemacht, woraufhin sich der Ruhm des derart herausragend Ausgebildeten in allen blühenden Landschaften verbreitete.“619 Nach sieben Ehejahren wandte er sich jedoch in Übereinstimmung mit seiner Gattin der Askese zu, entsagte dem väterlichen Besitz und weltlichen Ambitionen und machte sich auf die Suche nach einem Vorbild evangelischer Vollkommenheit, das er in Abt Honoratus von Lérins fand620; ein Jahr weilte er auf der Insel, bevor er in die Welt zurückkehrte und alsbald Bischof wurde. Eine andere Akzentuierung der gallischen Bischofsbiographie lässt die um 480 entstandene Vita des Germanus von Auxerre († 448) erkennen.621 Der 618 Zutreffend resümiert BAUMGART 1995, 151: „Geschickt werden in der Vita nicht die Vernachlässigung der bisherigen Werte, sondern ihre Umdeutung gefördert.“ Der Epitaph des Hilarius preist den Verstorbenen zwar im traditionellen Stil der laudatio als „Zierde des Priesterstandes und Lehrer des Volkes und des Erdkreises“ (CIL XII 949b = ILCV 1062b = CLE 688, Z. 8: „gemma sacerdotum plebisque orbisque magister“), legt den Akzent jedoch mehr auf den Asketen als auf den Bischof, appliziert also statt des rhetorisch-idealisierenden biographischen Schemas das asketische Leitbild des „Mönchsbischofs“; vgl. dazu HEINZELMANN 1976, 84–94, bes. 85f. Die Verbindung zwischen Vita und Epitaph gewährleistet das Stichwort des contemptus mundi (CIL XII 949b, Z. 4: „contemnens fragilem ter[reni] corporis usum; vita Hilar. 2; 82,21f.24: „Ego autem, qui in humilitate gratiam, in mundi contemptu sapientiam… praedico“), wofür Eucherius gewissermaßen eine lerinischer Programmschrift vorlegte (cont.). Die dafür gewählte stilistische Form setzt wiederum „ein sehr hohes Niveau literarischen Verständnisses seiner Zeitgenossen“ voraus (HEINZELMANN 1976, 93). 619 Vita Lupi 1 (BHL 5087; CPL3 989; 295,19–21 Kr./L.): „Quo defuncto, Lysticio patruo, aeque familiae meritis decorato, scolis traditus, rethoricis imbutus studiis, quem deinceps adprimae eruditum per regiones florentes eloquii fama vulgabat“; zur Datierung: BERSCHIN 1986, 260; ELM 2003, 211f. 620 Vita Lupi 2 (296,3–10 Kr./L.): „Septimo coniugii anno, instigante Domino, se ad conversionem hortatu mutuo contulerunt. Tum ille superni spiritus vigore flammatus, transferens ad nitorem mentium vestis ornatum, relicto patrio lare cunctisque mundanae cupiditatis nexibus disrutis, euangelicae perfectionis exempla sectatus, verum eximiae claritatis et gratiae splendoris conspicuum sanctum Honoratum alacri animo maiori virtute credidit expetendum, abbatem primae habitationis insolae Lerinensis, cuius nimpae instructione cervicae subdita, iugum dominicae servitutis excipiens, omnium vigiliarum abstinentiarumque dogmatibus institutus“; vgl. BRUNERT 1994, 260 (deren Blick aber zu sehr auf das Wortfeld eremus beschränkt ist, um die literarische Eigenart der Vita würdigen zu können). 621 BHL 3453; CPL 3 2105. Zur Datierung vgl. B ORIUS , SC 112, 44–46; vgl. weiterhin GESSEL 1970; HEINZELMANN 1973, 39f.; BERSCHIN 1986, 260f.; BRUNERT 1994, 235–252.

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Verfasser Constantius, Kleriker in Lyon und Briefpartner des Sidonius Apollinaris622, entstammte zwar – wie auch Eugippius, Autor der im selben Zeitraum niedergeschriebenen Vita Severini – dem gebildeten Römertum, wollte aber wie dieser „über den engen Kreis der gebildeten Oberschichten hinaus und in die Tiefe wirken“; die Abgrenzung gegen eine überbordende rhetorische Gestaltung erscheint nicht unbegründet, wenn man beide Viten z.B. mit der Vita Epifani des Ennodius vergleicht.623 Freilich lässt sich aus den bereits üblichen einleitenden Selbstbezichtigungen keineswegs schließen, dass nicht die Bildungsträger als Leserschaft anzunehmen seien. Die Bescheidenheitstopik in den vorangestellten Briefen an die Bischöfe Patiens von Lyon und Censurius von Auxerre greift vielmehr zwei bereits bei Sulpicius Severus vorliegende Motive auf: Patiens, der Auftraggeber, hätte sich „einen Erzähler aussuchen können, der für einen so erhabenen Stoff besser geeignet gewesen wäre“624; dass Censurius ihn zur Verbreitung des Werkes veranlasst habe, erfüllte Constantius mit großer Betrübnis: „So soll ich in besonderer Weise selbst Ankläger und Denunziant meines eigenen Fehltritts sein! Denn offensichtlich fällt doch die Schande auf mich, wenn die Nachlässigkeit meines Stiles gebildeten Menschen zu Ohren kommt.“625

Constantius legte tatsächlich Wert auf Anschaulichkeit und Dynamik der Darstellung, mithin auf ihre Eignung für den öffentlichen Vortrag vor einem größeren Publikum. Wilhelm Gessel bezeichnet die Vita Germani daher als „Beispiel einer homiletischen Paränese in hagiographischer Aussageweise“.626 Das Programm wird luzide in der Vorrede entfaltet: „Die meisten Leute werden zum Schreiben angeregt, wenn sie ein überreicher Stoff lockt. Sie meinen nämlich, die vielfältigen Eindrücke mehrten auch die Fähigkeiten. Da ich nun wenigstens im Ausschnitt Leben und Wirken des hochberühmten Bischofs Germanus schildern soll, ängstigt mich die Überzahl der wunderbaren Begebenheiten… Dazu tobt auf dem Grunde meines Herzens ein noch unentschiedener Streit: Einerseits leistet das Bewußtsein meiner Unfähigkeit Widerstand, andererseits aber treiben mich die Betrachtung der Frömmigkeit des Germanus und die zahllosen Beispiele seiner Wundertaten dazu an, an einiges zu erinnern und manches zu berichten. Bisher sind sie der

622 S.o. S. 229 mit Anm. 310. Constantius wird erst in einer späteren Fassung der Vita Germani als presbyter bezeichnet; tatsächlich könnte er Lehrer an einer Schule in Lyon gewesen sein (BORIUS, SC 112, 19). 623 PRINZ 1965, 474; zum Vergleich mit Ennodius vgl. RICHÉ 1962, 131 Anm. 76. 624 Ep. ad Patientem (112,13f. Borius): „… qui tantae materiae relatorem magis dignum habuissetis eligere“; Übersetzung hier und im Folgenden nach FRANK, Frühes Mönchtum II, 59–97. 625 Ep. ad Censurium (114,12–15 B.): „… essemque ipse reatus mei quodam modo et accusator et proditor. Manifeste enim condemnatio in me manebit, si uerborum meorum abiectio doctorum offeratur auditui.“. 626 G ESSEL 1970, 4. Als „Geschichtsschreiber“ (so BRUNERT 1994, 241) ist Constantius kaum zu sehen, auch wenn er sich über den Mangel an aussagekräftigen Quellen beklagt (vita Germ. praef.; 120,21–23 B.).

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Kenntnis und dem Nutzen der Allgemeinheit sträflicherweise durch das darübergebreitete Schweigen entzogen worden. So will ich denn lieber meine Zurückhaltung aufgeben, als solche Gotteswerke auf ewig in Vergessenheit geraten zu lassen. Der Stoff entschuldigt den Erzähler, und wem die Nachlässigkeit des Stiles mißfällt, der soll sich am schönen Inhalt freuen.“627

Es geht also präzise um die Wundertaten (miracula) des Germanus; diese bislang viel zu wenig beachteten Gnadenerweise Gottes sollen erzählt werden, um so die Leser zur imitatio des Heiligen einzuladen. Im Epilog der Vita Germani wird das Publikum entsprechend erneut um Nachsicht für Sprachfehler und stilistische Armut sowie für die möglicherweise entstandene Langeweile gebeten; das alles möge aber um der Sache willen ertragen werden: „Doch was Christus zu gewähren nicht verdrossen hat, das vorzutragen sollte uns nicht verdrießen. Während er seine Heiligen verherrlicht, lädt er uns durch ihr Beispiel ein.“628

Der Unterschied zur Vita Hilarii wird an der Beschreibung der Predigttätigkeit des Germanus deutlich: Besaß diese bei Hilarius großen Stellenwert bis hin zu der Notiz, dass er seinen engelsgleichen Redefluss selbst nicht aufzuhalten vermocht habe (s.o. S. 294f.), so erscheint das homiletische Wirken des Germanus als ein Aspekt neben anderen, vor allem neben den erwähnten Wundertaten. Dies geht beispielhaft aus einer Episode hervor, die neben Constantius auch Prosper von Aquitanien bezeugt: eine Reise des Germanus und seines Neffen Lupus von Troyes um 429 nach Britannien, um dort der um sich greifenden Häresie des Pelagius – oder eher: Spielarten des Semipelagianismus – entgegenzutreten.629 Die Mission war erfolgreich, obgleich sich ihnen bereits bei der Überfahrt Dämonen in den Weg stellten – dass der zunächst schlafende Germanus die tobenden Wellen beruhigte, erinnert kaum

627 Const. vita Germ. praef. (118,1–6.10–120,1 B.): „Plerique ad scribendum sollicitante materia uberiore producti sunt, dum per multiplices sensus locupletari creduntur ingenia, sed mihi inlustrissimi uiri Germani antistitis uitam gestaque uel ex aliqua parte dicturo incutitur pro miraculorum numerositate trepidatio… Sed rursus intra sedem pectoris mei contentio alterna confligit: hinc resistit impossibilitatis conscientia, illinc commemorare aliqua, uel proferre, et religionis contemplatio et innumerabilium miraculorum exempla conpellunt, quae agnitioni uel profectui omnium impie per obductum silentium subtrahuntur. Idcirco malui uerecundiam meam neglegere quam uirtutes diuinas usquequaque obliuione ueterescere. Excusat materia dictorem, et cui uerborum abiectio displicuerit, pulchri sensus placebunt.“ Dass das Leben eines Heiligen nicht verborgen bleiben dürfe, nimmt auch Bischof Verus von Orange zum Anlass, die Vita seines Vorgängers Eutropius († 475) zu schreiben (BHL 2782; CPL3 2099; ActaSS Maii VI, 700F; vgl. HEINZELMANN 1973, 39) – tatsächlich in bewusst einfachem Stil. 628 Const. vita Germ. epil. (204,11–16 B.): „Ego duplicem ueniam a te, lector, exposco, primum quod soloecismis et abiectione uerborum aures tuas uulnero, deinde quod prolixior pagina uidetur parare fastidium. Sed non pigeat recensere quod Christum praestare non piguit; qui dum sanctos suos glorificat nos inuitat exemplo.“ 629 Vgl. Const. vita Germ. 12–18 (144–158 B.); Prosper, epitoma chronicon 1301 a. 429 (MGH.AA IX, 472 Mommsen); hier wird ein Diakon Palladius als Begleiter genannt. Vgl. vita Lupi 4 (297,1–6 Kr./L.); BRUNERT 1994, 236.

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zufällig an Jesu Sturmstillung (Mt 8,23–27) –, wobei die Wortführer der Häretiker zunächst eine öffentliche Auseinandersetzung scheuten. Unterdessen stärkten Germanus und Lupus den bedrängten katholischen Glauben: „Größe und Macht der Apostel war in ihnen gegenwärtig. Autorität besaßen sie durch ihre edle Haltung, Wissen aus ihrer Bildung und die Wunderkraft durch ihre Verdienste.“630

Dem korrespondiert die Begründung, die die Vita Lupi für die Auswahl ihres Protagonisten als Begleiter des Germanus gibt: Er sei „mächtig an Geist, berühmt durch Redekunst, herausragend durch Heiligkeit“.631 Als es schließlich zu einer Diskussion kam, wurde schnell das Unterschied von „diuina auctoritas“ und „humana praesumptio“ erkennbar; der rhetorischen „nuditas uerborum“ trat aus dem Mund der gallischen Bischöfe „der Sturzbach ihrer Redekunst mit apostolischem und evangelischem Donner“ entgegen.632 Gerade die pathetische Darstellung ihrer Rede lässt erkennen, dass hier die Verkündigung in Analogie zu den miracula gestaltet wird, die die Vita insgesamt prägen. Ein ähnliches Bild ergibt auch die Schilderung eine Reise des Germanus nach Arles zum Sitz der gallischen Präfektur und ihrer Begleiterscheinungen: „Verschiedene Krankheiten wurden unter seinem Segen da und dort geheilt; durch Predigten wurden die Bürger erquickt, und mochte er auch eilends weiterziehen, so tränkte er doch das dürstende Volk aus den Quellen seiner Lehre.“633

Die Begegnung mit dem Präfekten Auxiliaris – der bereits in der Vita Hilarii auftrat (s.o. S. 295) – ist auf den ersten Blick das Zusammentreffen zweier hochgestellter Persönlichkeiten, wird von Constantius aber damit eingeleitet, dass der Präfekt „den durch Wunder ausgezeichneten Mann“634 kennenlernen wollte und auf Heilung für seine schwerkranke Gattin hoffte. Auxiliaris war beeindruckt von der „edlen Vornehmheit des Antlitzes, der Gelehrtheit seiner Rede und der Sicherheit in der Lehre“ und fand, dass Germanus ein weitaus bedeutenderer Mann war, als man ihm ohnehin nachsagte.635 Die Erzählung 630 Const. vita Germ. 14 (148,8–11 B.): „Erat in illis apostolorum instar et gloria, auctoritas per conscientiam, doctrina per litteras, uirtutes ex meritis.“ 631 Vita Lupi 4 (297,1 Kr./L.): „pollens ingenio, clarus eloquio, sanctitate praecipuus“. 632 Const. vita Germ. 14 (150,28–35 B.): „Priores in loco beatissimi sacerdotes praebuerunt aduersariis copiam disputandi quae sola nuditate uerborum diu inaniter et aures occupauit et tempora. Deinde antistites uenerandi torrentes eloquii sui cum apostolicis et euangelicis tonitribus profuderunt; miscebatur sermo proprius cum diuino et adsertiones uiolentissimas lectionum testimonia sequebantur.“ Vgl. den Kommentar von GESSEL 1970, 10f. sowie BRANDT 1999, 133f. 633 Const. vita Germ. 23 (166,6–9 B.): „Diuersae infirmitates passim benedictione sanantur, praedicationibus ciuitas recreatur et licet festinus abscesserit, sitientem populum doctrinae fontibus inrigauit.“ 634 Const. vita Germ. 24 (168,3f. B.): „insignem uirtutibus uirum“. 635 Const. vita Germ. 24 (168,8–12 B.): „Ita enim dignitas uultus, sermonis eruditio, praedicationis auctoritas stupentis animum compleuerunt ut merito fama eum minorem fuisse cognosceret; inuentus est enim rebus maior esse quam nuntiis.“

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mündet in die wunderbare Gesundung der Präfektengattin und schließt mit Geschenken des glücklichen Ehemannes – und mit Steuererleichterungen für die Bürger von Auxerre, womit das eigentliche Ziel der Reise erreicht ist.636 Der Wundertäter Germanus erweist sich damit als defensor ciuitatis „sowohl bei der göttlichen Majestät als auch in den Bedrängnissen der Welt“.637 Doch legt auch Constantius Wert auf Jugend und Bildung seines Helden. Ohne Erwägungen, ob man die Prinzipien der Rhetorik auf Herkunft und Werdegang anwenden solle, setzt er mit Elternhaus und Bildungskarriere ein: „Germanus stammte aus der Stadt Auxerre. Er war Kind vornehmster Eltern. Von früher Kindheit an wurde er in den freien Künsten unterwiesen. Der schulische Unterricht verband sich mit dem Reichtum seiner Geistesanlagen. Er schuf einen Gelehrten von doppelter Berufung: durch Natur und Fleiß. Um sich die Wissenschaft in voller Fülle anzueignen, ging er nach dem Schulbesuch in Gallien nach Rom. Um sein Wissen zu vollenden, erwarb er sich dort auch Kenntnis des Rechtes. In Ausübung des Advokatenamtes war er danach eine Zierde der Gerichte der Präfektur. In dieser Tätigkeit stand er im Glanze vielfachen Lobes. Zur Gattin nahm er sich eine Frau aus vornehmem Geschlecht, reich und von edlen Sitten. Da er nun unter den ‚Togaträgern‘ außerordentliches Ansehen genoß, erwählte ihn der Staat zu höchster Ehre, indem er ihm die Spitze und die Leitung des ‚Ducatus‘ in den Provinzen übertrug.“638

Eingedenk der Vita Antonii und der Vita Martini lässt sich das vornehme Elternhaus als hagiographischer Topos verstehen; so ergibt sich ein schlüssiges Bild der steilen Karriere eines jungen römischen Provinzadligen, eines togatus und homo omnino latinus. Ganz nach römischer Tradition gehen Begabung und Fleiß eine harmonische Verbindung ein. Bereits in der oftmals gerühmten gallischen Rhetorik geschult, wird die Bildung durch einen Aufenthalt in Rom verfeinert und durch das Rechtsstudium im Blick auf eine administrative Kar636

Vgl. Const. vita Germ. 24 (168,19–22 B.). Const. vita Germ. 19 (160,3–6 B.): „Certe expectatio propriae ciuitatis beatum Germanum uotis duplicibus ambiebat, quam et apud maiestatem diuinam et inter mundi procellas seruare consueuerat.“ 638 Const. vita Germ. 1 (122,1–16 B.): „Igitur Germanus Autisiodorensis oppidi indigena fuit, parentibus splendidissimis procreatus est, ab ipsis infantiae rudimentis studiis liberalibus institutus; in quo doctrinae conlatio, cum ingenii ubertate consentiens, eruditissimum duplicato bono, id est naturae et industriae, reddiderunt. Atque ut in eum perfectio litterarum plena conflueret, post auditoria gallicana intra urbem Romam iuris scientiam plenitudini perfectionis adiecit [vgl. Cassiod. var. X 7,2; 391,7–392,17 Fr.]. Deinde tribunalia praefecturae professione aduocationis ornauit. In quo actu dum multiplici laudis luce resplendet, sublimem genere, diuitiis, moribus sortitur uxorem. Quem quidem togae praeconis praeminentem protinus res publica ad honorem praesumpsit insignia, ducatus culmen et regimen per prouincias conferendo“; Übers. FRANK, 63. Die Vermutung von Borius (SC 112, 123 Anm. 2), mit den studia liberalia könne auch eine „litteratio par le psautier“ gemeint sein, erweist sich angesichts der folgenden Karriereschritte als höchst unwahrscheinlich. Gerade weil „Constance ne sait sans doute rien sur cette période de la vie de Germain“ (ebd.), ist anzunehmen, dass er seinem Helden mit den „freien Künsten“ genau das zuschrieb, was darunter allgemein in der Spätantike verstanden wurde, eben die Ausbildung beim Grammatiker und Rhetoriker.- Die (Amts- ?) Bezeichnung ducatus culmen ist unklar (vgl. GESSEL 1970, 5); deutlich ist hingegen die Stilisierung der Karriere nach dem Vorbild von Paul. vita Ambr. 5,1 (60,1–5 B.). 637

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riere vervollkommnet. Der glänzende Einstieg in das Berufsleben (gleich in eine Präfektur, vermutlich die gallische) passt ebenso ins Bild wie die standesgemäße Heirat und der zügige Aufstieg in weitere hohe staatliche Ämter. Es folgt aber eine wichtige Modifikation des hagiographischen Diskurses: „Seine Ausbildung erfolgte zweifellos aufgrund eines verborgenen göttlichen Ratschlusses. Dem künftigen apostolischen Bischof sollte keine Vollkommenheit abgehen. Die Beredsamkeit bereitete ihn für die Predigttätigkeit vor, die Kenntnis des Rechts für die Gerechtigkeit und die Gemeinschaft mit der Gattin für das Zeugnis der Keuschheit.“639

All das, was den Erwartungen an einen Mann seiner sozialen und politischen Stellung entspricht, ist also nicht auch für den späteren Bischof nützlich, es ist von vorneherein die Voraussetzung, um das Bischofsamt ausfüllen zu können.640 Unmittelbar nach dieser Deutung der Aufstiegsgeschichte wird berichtet, wie Nobilität und Volk von Auxerre einstimmig Germanus zum Bischof designierten – gegen dessen Willen, ohne jegliche geistliche Vorbereitung oder eigene Hinwendung zur Askese, sogar ohne einen Hinweis, dass er einem christlichen Elternhaus entstammte oder getauft war; dies entspricht dem Vorbild des Ambrosius, aber z.B. auch des Nektarius, der 381 unversehens vom praetor zum Nachfolger des unter skandalösen Umständen zurückgetretenen Gregor von Nazianz als Bischof von Konstantinopel avancierte.641 Nach Martin Heinzelmann repräsentiert Germanus damit bereits den „Typus des ‚merowingischen Bischofsheiligen‘, also von hohen Amtsträgern, die endlich das Bischofsamt als Krönung ihrer staatlichen Laufbahn bekleideten“.642 Der Bischof Germanus hat also eine – konkrete oder topische? – Vorgeschichte, tritt dann aber mit einem Schlag ins Rampenlicht. Die grammatische, rhetorische und juristische Ausbildung dient seiner Vollkommenheit, spielt aber im Fortgang der Erzählung eine untergeordnete Rolle und blitzt nur gelegentlich auf, wie bei dem Verweis auf sein faktisches Wirken als defensor ciuitatis (s.o.). Constantius bietet damit – trotz der Anklänge des ersten Kapitels an die Vita Ambrosii – keine „Erfolgs- oder Aufstiegsbiographie“: Er stellt sich in die Traditionslinie der Vita Martini und beschreibt seinen Helden als Wundertäter, Ketzerbekämpfer und vorbildlichen Asketen.643 Gerade im 639 Const. vita Germ. 1 (122,16–124,20 B.): „Erudiebatur profecto occulto diuinitatis iudicio, ne quid perfectionis deesset apostolico pontifici mox futuro. Parabatur eloquentia praedicationibus, iuris doctrina iustitiae, uxoris societas ad testimonium castitatis“; vgl. BAUMGART 1995, 173. 640 Vgl. HEINZELMANN 1976, 120: „Die Beredsamkeit des römischen Funktionärs erweist sich als die geeignete Voraussetzung für den predigenden Bischof“; ebd. wird eine Parallele zum Lob der eloquentia in den Epitaphen für gallische Bischöfe gezogen; s.o. S. 179–184. 641 Vgl. Socr. h.e. V 8,12 (GCS N.F. 1, 280,13–17 Hansen); Sozom. h.e. VII 8,1–8 (854,18–858,10 H.); Theod. h.e. V 8,8 (GCS N.F. 5, 288,15–20 Parmentier/Hansen). 642 H EINZELMANN 1973, 39. 643 H EINZELMANN 1973, 38 spricht von den Wundererzählungen als „Erbschaft der Asketenvita“; nach der Vita Germani habe es „kaum eine Weiterentwicklung der Bischofsvita, dafür aber eine gewaltige Ausweitung der virtutes“ gegeben (aaO. 39).

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letztgenannten Aspekt ist die Verbindung zu Lérins wiederum unübersehbar; kein Geringerer als Hilarius von Arles tritt in der Vita als Bewunderer des Germanus auf.644 Dennoch ist deutlich, dass unbeschadet der Zugehörigkeit aller Schriftsteller zum selben kulturellen Kontinuum zwischen Hilarius von Arles und Honoratus von Marseille einerseits, Constantius von Lyon andererseits in der hagiographischen Relevanz der Bildungsvoraussetzungen des Protagonisten ein nicht zu vernachlässigender Unterschied besteht: Germanus empfängt seine Bildung aus göttlichem Ratschluss ausschließlich zur Vorbereitung auf das Bischofsamt, die weltliche Sphäre kommt entsprechend nur in dieser Zuordnung auf das episkopale Amt in den Blick – während die zuvor genannten Viten die kulturelle Lebenswelt ebenso wie den geistlichen Bereich als genuines Wirkungsfeld des Heiligen ansehen. Die Linie, die Hilarius und sein eigener Hagiograph vorgezeichnet hatten, nahm um die Wende zum 6. Jahrhundert der Gallier Ennodius (seit 513 Bischof von Pavia) wieder auf, als er das Leben seines Vorgängers Epiphanius († 496) als „Karrierefigur im spätantiken Gewande“645 beschrieb und ihn nicht als Mönchsbischof, sondern als „ausgesprochen ‚weltliche[n]‘, um nicht zu sagen politische[n] Bischof“ darstellte.646 Die niedrige Herkunft des Epiphanius wird durch seine stupende Bildung und außergewöhnliche Scharfsinnigkeit kompensiert. Gerade seine rhetorische Begabung qualifiziert ihn als Bischof – was durchaus auch als Apologie in eigener Sache zu verstehen ist: „In ihm stimmte die Rede mit der Gelehrsamkeit überein, er war wie geschaffen für Schmeichelworte, schon damals ein Künstler darin, für andere einzutreten, voll Autorität, um einzelne zurechtzuweisen, und äußerst sanft, um andere mit der nötigen Behutsamkeit aufzurütteln: die Stimme volltönend, von der Kraft männlicher Eleganz geprägt, und dennoch weder wie ein Landbewohner oder Bauer noch wie ein Schwächling oder wie einer, der ein Stückweit von mannhafter Festigkeit entfernt ist.“647

Insgesamt wird im 6. Jahrhundert die rhetorische Bischofsbiographie jedoch zum Auslaufmodell. Als letztes prominentes Beispiel und zugleich als Symbol des strukturelle Wandels darf die Vita Caesarii Arelatensis gelten, von Bischöfen (Buch I) sowie von Priestern und Diakonen (Buch II) nicht lange nach Caesarius’ Tod (542) verfasst. Obwohl das erste Buch in gehobenerem Duktus geschrieben ist als das zweite, findet sich im Vorwort gleichwohl die ver-

644

Const. vita Germ. 23 (168,18–20 B.); dazu KASPER 1991, 217; s.o. S. 294. BERSCHIN 1986, 225. 646 Vgl. E LM 2003, 169–176, hier 169. 647 Ennod. vita Epif. 17 (BHL 2570; CPL 3 1494; 86,27–31 V.): „Erat in eodem sermo ad doctrinam congruus, fabricatus ad blanditias, ad intercessiones iam tunc artifex, ad corripiendos singulos auctoritate plenus, ad exhortandos quosque necessario lepore dulcissimus: vox sonora, suco virilis elegantiae condita, nec tamen agrestis ac rustica nec infracta gradatimque a mascula soliditate deposita“; das mannhafte Auftreten erinnert an die Vorschrift bei Ambr. off. I 19,84 (31,21–23 T.). 645

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traute Bitte um Verständnis für den niederen Sprachstil, nun aber gerechtfertigt durch eine Analogie zur (Predigt-) Tätigkeit des Heiligen selbst: „Um eines aber bitten wir in vorliegendem frommem Werk die Leser: Wenn wir einfache Berichterstatter zufällig vor die Ohren und das Urteil geschulter Männer kommen, mögen sie uns nicht vorwerfen, daß unser Stil bar des Wortprunks und der Sicherheit in der Grammatik sei. Uns, die wir Taten, Worte und Verdienste eines so großen Mannes wahrheitsgemäß erzählen, genügt das Licht seiner Werke und [seine] Tugendzier. Denn der genannte Herr Caesarius, den wir zum Gegenstand haben, war gewohnt zu sagen: ‚Manche vermeiden bäurische Art im Reden, lassen aber nicht von den Lastern im Leben.‘ Ja, das verdient auch die reine Aufrichtigkeit der Jungfrauen Christi, daß nichts Geschminktes, nichts mit weltlicher Kunst Komponiertes ihren Augen oder Ohren gefällig angeboten werde. Vielmehr mögen sie die aus der Quelle der einfachen Wahrheit hervortretenden Worte reinster Erzählung empfangen. Und deshalb ist unsere Rede mit frommer Lauterkeit zufrieden und lehnt weltlichen Prunk ab, denn sie verschmäht die Überheblichkeit weltlichen Ruhms mit ihren Werken und freut sich mehr an der Übereinstimmung mit der Redeweise der Fischer als der der Rhetoren.“648

Die Autoren berufen sich auf Caesarius’ sermo rusticus (s.u. S. 327–337) als angemessenen Ausdruck christlicher Haltung; hier wirft die Sorge Gregors von Tours, ob seiner Unkenntnisse in Grammatik und Rhetorik getadelt zu werden, ihre Schatten voraus (s.o. S. 273–275). Ebenso deutlich ziehen die beiden Kleriker, die Buch II der Vita verfassten, die Grenzlinie: „Wir bedienen uns nicht der säkularen Redekunst – selbst wenn sie uns zur Verfügung stünde –, weil die Wahrheit der heiligen Taten jeden Prunk weltlicher Redegewandtheit übersteigt.“649

Caesarius selbst war freilich noch ein Römer vom alten Schlage, wie seine Hagiographen dokumentieren: Entgegen der Versicherung, „nichts mit weltlicher Kunst Komponiertes“ zu bieten, wird dessen Familie in Chalon-sur648 Vita Caes. I 2 (BHL 1508; CPL 3 1018; 457,20–458,2 Kr.): „Unum tamen hoc in praesenti opusculi devotione a lectoribus postulamus, ut si casu scolasticorum aures atque iudicia nos simplices contingerit relatores attingere, non arguant, quod stilus noster videtur pompa verborum et cautela artis grammaticae destitutus, quia nobis actus et verba et merita tanti viri cum veritate narrantibus lux sufficit eius operum et ornamenta virtutum. Etenim memoratus domnus Caesarius, quem habemus in opere, solitus erat dicere: ‚Nonnulli rusticitatem sermonum vitant et a vitae vitiis non declinant.‘ Meretur siquidem hoc et Christi virginum pura sinceritas, ut nihil fucatum, nihil mundana arte compositum aut oculis earum offeratur aut auribus placiturum, sed de fonte simplicis veritatis manantia purissimae relationis verba suscipiant. Atque ideo noster iste sermo integritatis religione contentus rennuit mundanam pompam, quia respuit cum suis operibus gloriae mundanae iactantiam, et potius delectatur eloquio piscatorum concordare quam rethorum“; Übers. BERSCHIN 1986, 254; vgl. aaO. 249f. zu den Verfassern (die Bischöfe Cyprian von Toulon, Firminus von Uzès, und Viventius [Buch I] sowie der Priester Messianus und der Diakon Stephanus [Buch II]) und zur Datierung (vor 549); vgl. auch ELM 2003, 176– 182. BERSCHIN 1986, 258 verortet „zwischen dem ersten und dem zweiten Buch der Caesariusvita die Demarkationslinie zwischen ‚Spätlatein‘ und ‚merowingischem Latein‘“. 649 Vita Caes. II 1 (484,3–5 Kr.): „Non indigemus, vel si nobis suppeteret, eloquentia saeculari, quia omnem mundanae facundiae transcendit ornatum sanctarum veritas actionum.“

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Saône gerühmt, „die mehr als alle ihre Mitbürger besonders an Glauben und Sittlichkeit herausragte.“650 Dem jungen Caesarius sollte – nach einem körperlichen Zusammenbruch aufgrund übersteigerter asketischer Übungen in Lérins – eine solide Ausbildung zuteilwerden, und zwar nicht bei irgendeinem Rhetor, sondern in Arles bei Julianus Pomerius, „den seine Lehre von der Kunst der Grammatik als einzigartig und glänzend auswies.“651 Die Vita legt den Akzent jedoch nicht darauf – anders als die Vita Germani –, dass Caesarius in der Schule wenigstens implizit die für einen Bischof erforderliche Ausbildung empfangen haben könnte; vielmehr sei ihm von Gott selbst die Eitelkeit und Nutzlosigkeit dieses Strebens vor Augen geführt worden: „Die edlen Personen [vor allem sein Mentor Firminus] sannen aber in ihrem Sinn darauf, weil der heilige Caesarius durch solche Gnade Gottes getragen und durch solche Gedächtniskraft durch die Gabe Christi gestärkt zu werden schien, dass in ihm durch die Studien der weltlichen Wissenschaft die mönchische Einfachheit poliert würde. Aber die Erdichtungen menschlicher Erziehung nahm er nicht auf, weil die göttliche Gnade Vorkehrungen traf, ihn selbst für sich heranzubilden. Als ihm nun einmal der Lehrer ein Buch zum Studium übergab, er aber vom langen Wachen ermüdet war, legte er es auf seinem Lager unter seine Schulter; als er nun darüber eingeschlafen war, erschreckte ihn eine furchtbare Vision auf göttliche Anweisung: Als er schon eine Weile in Schlummer gesunken war, sah er gleichsam die Schulter, auf der er lag, und den Arm, mit dem er sich auf das Buch stützte, von einem sich windenden Drachen verzehrt werden. Aus dem Traum erwacht, aber immer noch von diesem Gesicht geängstigt, begann er darum heftig mit sich selbst zu hadern, weil er das Licht der Regel des Heils mit der törichten Weisheit der Welt zu verbinden getrachtet hatte. Daher verwarf er dies unverzüglich im Wissen darum, dass der Schmuck perfekter Rede denen nicht fehlt, denen geistliche Einsicht sich eröffnet.“652

Die Stilisierung dieses Traumes nach Hieronymus’ berühmter Vision (s.u. S. 431) wird durch den Drachen noch zusätzlich dramatisiert. Die Botschaft ist klar: Caesarius ist Asket und soll dies nach dem Willen Gottes auch bleiben, 650

Vita Caes. I 3 (458,6–9 Kr.): „Sanctus ac beatissimus Caesarius Arelatensis episcopus Cabillonensis territorii fertus indigena; cuius parentes aeque prosapies, quod est magnum et praecipuum honoris ac nobilitate exemplum, supra omnes concives suos fide potius et moribus floruerunt.“ 651 Vita Caes. I 9 (460,13–15 Kr.): „Erat autem ipsis personis familiarissimus quidem Pomerius nomine, scientia rethor, Afer genere, quem ibi singularem et clarum grammaticae artis doctrina reddebat“; zur Person s.u. S. 374f. 652 Vita Caes. I 9 (460,15–27 Kr.): „Concipiunt igitur animo generosae personae, quatinus tanta Dei gratia sanctus Caesarius refertur tantaque memoria dono Christi videretur esse fulcitus, ut saecularis scientiae disciplinis monasterialis in eo simplicitas poleretur. Sed eruditionis humanae figmenta non recepit, quem instruendum per se sibi divina gratia praeparavit. Librum itaque, quem ei legendum doctor tradiderat, casu vigilia lassatus, in lectulo sub scapula sua posuit; supra quem dum nihilominus obdormisset, mox divinitus terribili visione percellitur, et in soporem aliquantulum resolutus, videt quasi scapulam in qua iacebat brachiumque quo innixus fuerat codici dracone conligante conrodi. Excussus ergo e somno, territus ipse visu, terribilius se ex eodem facto coepit arguere, eo quod lumen regulae salutaris stultae mundi sapientiae voluerit copulare. Igitur contempsit haec protinus, sciens, quia non deesset illis perfectae locutionis ornatus, quibus spiritalis eminet intellectus“; vgl. KASTER 1988, 70.

2. Bildung als Medium christlicher Identitätsdarstellung

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wovon ihn die gutmeinende Verwandtschaft durch Bildung abbringen will. Er hatte sich damit „entschieden von einer Bildungswelt, von Bildungszielen getrennt, deren Gottlosigkeit er offenbar vor allem im Vertrauen des Menschen auf eigene, durch Übung ausbildbare Kräfte erkannte.“653 Dass Caesarius später seine Predigttätigkeit nur deshalb so wirkungsvoll ausüben konnte, weil er tatsächlich in der antiken Rhetorik bestens geschult war (s.u. S. 328), bleibt davon unbenommen. Seine Hagiographen markieren allerdings gerade hier die Differenz zur „Welt“ in aller Deutlichkeit: „Wahrheit ist durch Ausbildung nicht zu gewinnen, durch rhetorisches Handwerk sprachlich nicht zu fassen, sie ist bis ins Wort Gottesgeschenk.“654 Zugleich wird deutlich, dass die studia immer noch als römische Schulbildung verstanden werden. Sie prägen Kurzcharakteristiken wie die des Remigius von Reims, des Täufers Chlodwigs, bei Gregor von Tours: „Der heilige Bischof Remigius war ein Mann von erlesenem Wissen und besonders mit den rhetorischen Studien vertraut, dabei ragte er aber derart an Heiligkeit heraus, dass er den Tugenden des Silvester gleich kam.“655 Bei Gregors Zeitgenossen Venantius Fortunatus wird Hilarius von Poitiers († 367), fast schon eine Gestalt aus grauer Vorzeit, als einer der letzten großen Rhetoren beschrieben: „Wie war er im Gespräch vorausschauend, in seiner Darlegung eindringend, beredt in seinem grammatischen Ausdruck, wunderbar in seiner Tugendkraft, vielfältig in seinem Ausdrucksvermögen, genau im Unterscheiden, klug – so der Prophet – wie die Schlange, einfältig wie eine Taube, der Gnade nicht ermangelnd, Salz eines ansprechenden Talentes, ein Quell rechter Rede, Schatz der Wissenschaft, ein Licht der Lehre, der Kirche ein Verteidiger, Kämpfer gegen ihre Feinde.“656

Von dieser Zeit ist Venantius durch den Untergang des römischen Reiches getrennt, dessen Ideal des litteratus freilich weiterlebte, als unverzichtbare Qualifikation eines Bischofs oder als dunkle Folie für den hellen Glanz der 653 V ON DER N AHMER 1994, 37. Vgl. dazu auch Caesarius’ epistula hortatoria ad virginem deo dedicatam (PL 67, 1136A): „scientiae praerogativam praepediente segnitia assecutus non sum“; vgl. HAGENDAHL 1983, 100. 654 V ON DER N AHMER 1994, 166. 655 Greg. Tur. Franc. II 31 (77,11–13 Kr./L.): „Erat autem sanctus Remegius episcopus egregiae scientiae et rethoricis adprime inbutus studiis, sed et sanctitate ita praelatus, ut Silvestri virtutebus equaretur“; dazu SCHEIBELREITER 1983, 63f.; vgl. auch glor. conf. 74 (792,1f. Kr.) zu Reticius von Autun (GP 680): „fuit enim nobilissimis parentibus et litterarum acumine clarus“; zu ihm vgl. auch Hier. ep. 37,3,1 (CSEL 54, 288,5–10 H.) an Marcella: „innumerabilia sunt quae in illius mihi commentariis sordere uisa sunt. est quidem sermo compositus et Gallicano cothurno fluens, sed quid ad interpretem, cuius professio est, non quo ipse disertus appareat sed quo eum qui lecturus est sic faciat intellegere, quomodo ipse intellexit qui scripsit.“ 656 Venant. Fort. vita Hilar. XIV 51 (BHL 3885; CPL 3 1058; MGH.AA IV/2, 6,37–7,1 Krusch): „Quam fuit in dissertione providus, in tractatu profundus, per litteraturam eloquens, per virtutum mirabilis, in complexionibus multiplex, in resolutione subtilis, astutus iuxta prophetam ut serpens, columbae simplicis gratiam non amittens, conditi sal ingenii, fons loquendi, thesaurus scientiae, lux doctrinae, defensor ecclesiae, hostium propugnator“; Übers. VON DER NAHMER 1994, 47.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Asketen. Denn obwohl der klassische biographische locus der Bildung weiterhin eine Rolle für die christliche Hagiographie spielte, wurde rhetorische Bildung im hagiographischen Diskurs der ausgehenden Spätantike mindestens auf der semantischen Oberfläche zunehmend kritisch, wenn nicht ablehnend betrachtet. Dies änderte sich erst wieder, als in merowingischer Zeit die Bischöfe sukzessive die Verantwortung für das geistliche und weltliche Erziehungswesen in ihrer Stadt übernahmen und damit ein verstärktes Interesse an der eigenen memoria entwickelten.657 Die rhetorisch stilisierten Viten des Honoratus und Hilarius von Arles sind damit Höhepunkt und Abschluss einer letzten großen Blüte der antiken Rhetorik in der lateinischen Hagiographie. Die Vita Caesarii steht hingegen mit ihrer in spezifischer Weise ambivalenten Haltung zur römischen Schulbildung bereits an dem Punkt, an dem „der Sermo humilis und rusticus, den viele Kirchenväter als den einzig dem Christentum angemessenen Sprachstil (meist augenzwinkernd) gepriesen hatten, nun wirklich literaturfähig wurde.“658

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Vgl. HEINZELMANN 1990, 133f. BERSCHIN 1986, 258. ELM 2003, 197 konkretisiert diese Ambivalenz dahingehend, dass den verbliebenen Römern wie den „barbarischen“ Eroberern gleichermaßen die Bedeutung der Rhetorik als Mittel des Kulturtransfers wie der Herrschaftssicherung deutlich gewesen sei, die Bischöfe aber zur Missionierung der neuen „heidnischen“ Nachbarn eines sermo simplex bedurft hätten. 658

3. Dürfen Kleriker gebildet sein? Amtsträger und pagane Bildung In Inschriften, Briefen und Heiligenviten erscheinen, wie gesehen, Bischöfe und andere Kleriker häufig als gebildet, wobei Bildung und Bildungsbesitz – gerade in Feldern der Interaktion mit der paganen Umwelt – immer wieder problematisiert werden. Die grundsätzliche Frage nach der Bedeutung von Schulbildung betrifft aber eine bestimmte Gruppe von Christen in besonderer Weise: Ist „heidnische“ Bildung für einen Kleriker statthaft? Dürfen gebildete Menschen gar Bischöfe werden? Und wenn sie es geworden sind, dürfen sie dann die einst erworbene Bildung in den Dienst ihres Amtes stellen – oder müssen sie ihr den Abschied geben? Darüber wurde in der Spätantike sowohl in kirchenrechtlichen Texten (3.1.) als auch in homiletischem Kontext reflektiert (3.2.); die antike Rhetorik erfuhr schließlich in Augustins systematischem Hauptwerk De doctrina christiana erstmals eine differenzierte Aneignung für die christliche Verkündigung (3.3.). 3.1. Dürfen Kleriker „heidnische“ Bücher lesen? „Die Heilige Schrift, nicht die Grammatik muss der Bischof auslegen“1 – so zieht das in der Mitte des 12. Jahrhunderts entstandene Decretum Gratiani die Summe der altkirchlichen Verhältnisbestimmung des kirchlichen Amtes zur paganen Bildung. Als Autorität wird Papst Gregor I. (590-604) zitiert, der im Jahr 601 an Bischof Desiderius von Vienne geschrieben hatte: „Es ist etwas zu uns gedrungen, woran wir nicht ohne Beschämung denken können, nämlich dass du, lieber Bruder, gewisse Leute in Grammatik unterrichtest. Dies haben wir als so peinlich empfunden und müssen es mit solchem Unwillen zurückweisen, dass wir das zuvor Gesagte in Seufzen und Trauer verkehren, weil sich nicht in einem Mund gemeinsam mit dem Lob des Jupiter der Lobpreis Christi finden kann. Und wie schwerwiegend und greulich es ist, wenn ein Bischof das singt, was nicht einmal für fromme Laien schicklich ist, das magst du selbst bedenken… Wenn sich nun herausstellen sollte, dass das, was uns zugetragen wurde, falsch ist, und es sich erweist, dass du keineswegs diese possenreißerische und weltliche Literatur betreibst, wollen wir Gott danken, weil er es nicht zugelassen hat, dass dein Herz von den gotteslästerlichen Preisungen dieser Frevel befleckt würde.“2

1 Decretum Gratiani, pars I, dist. LXXXVI, c. 5 (Corpus Iuris Canonici I, 299 Friedberg): „Sacram scripturam, non grammaticam debet episcopus exponere.“ 2 Greg. I. reg. XI 34 (MGH.Epp. II, 303,11–16.20–23 Hartmann): „Sed post hoc pervenit ad nos, quod sine verecundia memorare non possumus, fraternitatem tuam grammaticam quibusdam exponere. Quam rem ita moleste suscepimus, ac sumus vehementius aspernati, ut ea qui prius dicta fuerant in gemitu et tristitia verteremus, quia in uno se ore cum Iovis laudibus Christi laudes non capiunt. Et quam grave nefandumque sit episcopo canere, quod nec laico religioso conveniat, ipse considera… Unde si post hoc evi-

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Desiderius war eine der geistigen Führungsfiguren im Episkopat des Frankenreiches. Er wurde als Kind „den literarischen Studien überantwortet“ und „umfassend in der Grammatik ausgebildet“.3 In welchem Rahmen und mit welchen Texten er seinen Unterricht abhielt, ist allerdings nicht erkennbar; Gregor benennt keine konkreten Versäumnisse von bischöflichen Pflichten und bezieht sich auch nicht auf frühere rechtliche Festlegungen.4 Die kollegiale Mahnung ist freilich von grundsätzlicher Natur: Das Miteinander von christlichem Glauben und paganer Bildung in einer Person wird für unmöglich erklärt, weil die Grammatik eben nicht nur Sprachregeln, sondern auch mythologische Inhalte vermittle.5 Im Widmungsbrief seiner Moralia in Iob an Leander von Sevilla betont Gregor, er habe ganz bewusst die Regeln der „disciplina exterior“ missachtet, Barbarismen absichtlich nicht vermieden und sich schon gar nicht um Satzstellung, Modi und Kasus geschert, „weil ich es für absolut unangemessen halte, die Worte der himmlischen Offenbarung den Regeln eines Donatus zu unterwerfen.“6 Bei einem Bischof wie Desiderius muss dies noch unstatthafter erscheinen als bei einem Laien, dem es freilich nach Gregors Auffassung ebenso untersagt ist, sich mit paganer Literatur abzugeben. In noch schärferer Form brachte dies wenige Jahre später – in Kenntnis der Invektiven Gregors – der spanische Bischof Isidor von Sevilla († 636) zum Ausdruck:

denter haec quae ad nos perlata sunt falsa esse claruerint neque vos nugis et saecularibus litteris studere constiterit, et Deo nostro gratias agimus, qui cor vestrum maculari blasfemis nefandorum laudibus non permisit.“ 3 Vita vel Passio sancti Desiderii a Sisebuto rege composita 2 (MGH.SRM III, 630,12–15 Krusch): „Qui cum annos quos fas est doceri contigisset legitimos, traditur ad studia literarum, nec multa morula concrescente, sensus sui vigore iam doctos transcendens, plenissime grammatica edocatus, divinas autoritates mira celeritate retinendo explicuit“; vgl. SCHEIBELREITER 1983, 59. 67. 4 Nach Pierre RICHÉ (1962, 196f.) habe Gregor hier nur die entsprechende Bestimmung der Statuta Ecclesiae antiqua (zit. unten S. 316) konsequent angewandt; doch ist unklar, ob Gregor diese Rechtssammlung bekannt war (skeptisch dazu SCHEIBELREITER 1983, 66). 5 Nach WEISSENGRUBER 1967, 242–244 wollte Gregor den Gebrauch der „heidnischen“ philologischen Methoden nur wenigen erfahrenen Theologen konzedieren, die hinreichend „divinae scripturae scientia… institutum“ seien (reg. XIII 14; 382,4f. H.); grammatische Unterweisung in einer quasi öffentlichen Bischofsschule stieß daher auf entschiedene Ablehnung. 6 Greg. I. reg. V 53a (357,37–358,1 E./H.): „Unde et ipsam loquendi artem, quam magisteria disciplinae exterioris insinuant, servare despexi. Nam sicut huius quoque epistolae tenor enuntiat, non metacismi collisionem fugio, non barbarismi confusionem devito, situs modosque et praepositionum casus servare contemno, quia indignum vehementer existimo, ut verba caelestis oraculi restringam sub regulis Donati. Neque enim haec ab ullis interpretibus, in scripturae sacrae auctoritate servata sunt.“ Vgl. ILLMER 1976, 436: „Die Absage an die artes und ihre Inhalte, an die Grammatik und ihre Texte erscheint als der Kern der conversio.“ EIGLER 2003, 129 sieht hier Lebens- und Sprachstil konvergieren: „Ein neuer sprachlicher tenor repräsentiert eine gewandelte Lebensausrichtung, die ganz von der Zugehörigkeit zur ursprünglichen Bildungsgemeinschaft absieht.“

3. Christliche Amtsträger und pagane Bildung

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„Dem Christen ist es verboten, die Erfindungen der Dichter zu lesen, weil sie durch Ergötzen an eitlen Fabeln den Sinn für die Reizmittel der Lust anfachen. Denn nicht nur wenn wir Weihrauch darbringen, opfern wir den Dämonen, sondern auch wenn wir deren Worte freiwillig in uns aufnehmen.“7

Hinter der Polemik steht die Sorge, die sprachlich und stilistisch weniger anspruchsvollen biblischen Schriften könnten gegenüber dem klassischen Ideal gering geachtet werden: Auch die biblischen Autoren hätten sich nicht an Donatus gehalten, so Gregor; und Isidor sekundiert: Die Schriften der „Heiden“ prunkten zwar von außen mit wortgewaltiger Redekunst, entbehrten aber von innen jeglicher Weisheit, während es sich bei den biblischen Schriften (nach 2 Kor 4,7) genau anders herum verhalte.8 Das eloquium humile der Heiligen Schrift sei dem aufgeblähten und aufgeputzten Stil der paganen Literatur vorzuziehen: „Hüten muss man sich also vor solchen Büchern, und um der Liebe zur Heiligen Schrift willen sind sie zu meiden.“9 Diese Dissoziation von Schrift- und Klassikerlektüre kann um 600 als etabliert gelten; das schließt freilich nicht aus, dass Gregor von Tours im gleichen Zeitraum seine mangelhafte säkulare Bildung wortreich beklagen und deren Fehlen auch bei zeitgenössischen Bischöfen rügen konnte.10 Gregor rechnet vielmehr noch in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts mit Bischöfen, die nach dem Bildungsplan des „noster Martianus“ (Capella) in den sieben freien Künsten unterwiesen worden waren und daher Anstoß an seiner sprachlich ungeschliffenen Historia Francorum nehmen, andererseits aber davon auch zur Umsetzung einzelner Partien in Poesie angeregt werden könnten: „Sollte dich, Bischof des Herrn, wer du auch seist, unser Martianus in den Sieben freien Künsten unterrichtet und durch die Grammatik zu lesen gelehrt haben, durch die Dialektik strittige Sätze zu entscheiden, durch die Rhetorik die verschiedenen Arten des Versbaus zu erkennen, durch die Geometrie Flächen und Längenmaße zu berechnen, durch die Astrologie den Lauf der Gestirne zu beobachten, durch die Arithmetik die Gattungen der Zahl zu erkennen, in der Harmonie verschiedene Klänge mit dem lieblichen Tonfall 7 Isid. sent. III 13,1 (PL 83, 685A–686A): „Ideo prohibetur Christianus figmenta legere poetarum, quia per oblectamenta inanium fabularum mentem excitant ad incentiva libidinum. Non enim solum thura offerendo daemonibus immolatur, sed etiam eorum dicta libentius capiendo.“ Zu Isidors Sicht der paganen Bildung im Kontext des Übergangs der Spätantike zum Frühmittelalter vgl. FONTAINE 1959, 785–788; DIESNER 1977, 97–107 und jetzt KUHLMANN 2006. 8 Sent. III 13,3 (686A–687A): „Gentilium dicta exterius verborum eloquentia nitent, interius vacua virtutis sapientia manent; eloquia autem sacra exterius incompta verbis apparent, intrinsecus autem mysteriorum sapientia fulgent. Unde et Apostolus: ‚Habemus, inquit, thesaurum istum in vasis fictilibus‘.“ 9 Sent. III 13,2 (686A): „Quidam plus meditari delectantur gentilium dicta propter tumentem, et ornatum sermonem, quam Scripturam sanctam propter eloquium humile. Sed quid prodest in mundanis doctrinis proficere, et inanescere in divinis; caduca sequi figmenta, et coelestia fastidire mysteria? Cavendi sunt igitur tales libri, et propter amorem sanctarum Scripturarum vitandi“; vgl. WEISSENGRUBER 1967, 229f. 10 So Greg. Tur. Franc. IV 12 (MGH.SRM I/1 2 , 144,1f. Krusch/Levison) zu Cautinus von Clermont; vgl. SCHEIBELREITER 1983, 58.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

der Gedichte in Übereinstimmung zu bringen – solltest du in all diesem so bewandert sein, daß unser Stil dir bäurisch erscheint, so bitte ich dich dennoch nicht wegzunehmen, was ich geschrieben habe. Wenn dir aber daran etwas gefällt, so habe ich nichts dagegen, daß du es in Versen behandelst, sofern du nur unser Werk unberührt läßt.“11

Bildung ziert also einen Bischof – vorausgesetzt werden kann und muss sie jedoch nicht (mehr). Die Suche nach Vorstufen dieser Entwicklung führt nicht zufällig zu Hieronymus, dessen höchst ambivalente Haltung zur paganen Bildung sich in einem Brief an Damasus durch Beschwerden über römische Kleriker (sacerdotes Dei) entlädt, „die wir dabei beobachten, wie sie die Evangelien und Propheten missachten und die Komödien lesen, Liebeslieder in bukolischen Versen singen, Vergil verehren und damit das Vergehen, das bei Kindern aus Notwendigkeit geschieht, selbst aus freien Stücken begehen. Hüten wir uns also davor, dass wir nicht eine Gefangene als Frau begehren, damit wir nicht in den Götzendienst zurückfallen; wenn wir aber einmal von der Liebe zu ihr verführt sind, wollen wir sie säubern und von allem Schrecken des Schmutzes reinigen, damit nicht unser Bruder, für den Christus gestorben ist, ein Ärgernis erleiden muss, indem er hört, dass durch die Stimme eines Christen Lieder, die zum Lob der Götzen gedichtet wurden, erklingen.“12

Hieronymus konzediert also, dass die Begegnung mit Poeten und Tragöden in der Schule für einen ambitionierten Knaben nicht zu vermeiden sei, doch dürfe diese Liebhaberei im Erwachsenenalter nicht einfach fortgeführt werden, zumal nicht von Klerikern, die um die Gefahren dieser Bildungsgüter für die einfachen Christen wissen müssten, denen das hermeneutische Rüstzeug fehle, um sich gefahrlos mit paganer Mythologie zu befassen. Die nicht namentlich genannten Kleriker dienen ihm als Beispiele unreflektierter Anbiederung an den klassischen Bildungskanon, anstatt einen christlichen Umgang damit zu pflegen. Dass gerade kirchliche Amtsträger hier Vorbildfunktion haben, bringt Hieronymus in seiner Auslegung von Eph 6,4 zum Ausdruck: 11

Greg. Tur. Franc. X 31 (536,8–15 Kr./L.): „Quod si te, o sacerdos Dei, quicumque es, Martianus noster septem disciplinis erudiit, id est, si te in grammaticis docuit legere, in dialecticis altercationum propositiones advertere, in rethoricis genera metrorum agnoscere, in geometricis terrarum linearumque mensuras colligere, in astrologiis cursus siderum contemplare, in arithmeticis numerorum partes colligere, in armoniis sonorum modulationes suavium accentuum carminibus concrepare; si in his omnibus ita fueris exercitatus, ut tibi stilus noster sit rusticus, nec sic quoque, deprecor, ut avellas quae scripsi. Sed si tibi in his quiddam placuerit, salvo opere nostro, te scribere versu non abnuo“; Übers. BERSCHIN 1986, 301; vgl. auch unten S. 401 zu diesem Zitat sowie oben S. 275 zu glor. conf. prol. 12 Hier. ep. 21,13,9 (CSEL 54, 123,19–124,7 Hilberg): „At nunc etiam sacerdotes Dei omissis euangeliis et prophetis uidemus comoedias legere, amatoria bucolicorum uersuum uerba cantare, tenere Vergilium et id, quod in pueris necessitatis est, crimen in se facere uoluntatis. Cauendum igitur, ne captiuam habere uelimus uxorem, ne in idolio recumbamus; aut, si certe fuerimus eius amore decepti, mundemus eam et omni sordium horrore purgemus, ne scandalum patiatur frater, pro quo Christus est mortuus, cum ex uoce Christiani carmina in idolorum laudes conposita audierit personare.“ Zur Anweisung an die Israeliten in Dtn 21,10–13, eine im Krieg gefangene Sklavin äußerlich wie innerlich ihrer Herkunft zu entfremden, bevor sie zur Frau genommen werden könne, vgl. unten S. 473–476.

3. Christliche Amtsträger und pagane Bildung

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„‚Erzieht sie [sc. eure Kinder] in der Zucht und Ermahnung des Herrn.‘ Was wir hier als ‚Ermahnung‘ (correptio) lesen, nennt man im Griechischen angemessener νουθεσία, was eher nach auferbauender Mahnung und Erziehung klingt als nach purer Strenge. Das sollten die Bischöfe und Priester lesen, die ihre Söhne in der weltlichen Literatur unterweisen und sie die Komödien lesen und die schändlichen Machwerke der Possenreißer singen lassen und diese Erziehung vielleicht noch aus kirchlichen Mitteln finanzieren! Was um der Sünde willen eine Jungfrau oder Witwe oder irgendein Armer, der dabei sein Wesen ausfließen lässt, als Spende einlegt, das verwendet der Grammatiker oder Rhetor – als sein Neujahrsgeschenk am Fest der Kalenden oder seine Gabe zu den Saturnalien oder zu den Minervalien – entweder für seine privaten Ausgaben oder als Spende für den Tempel oder gar für schändliche Liebe.“13

Die educatio durch die Zucht Gottes steht also im Widerspruch zur Bildung durch die klassischen Autoren, nicht nur aus inhaltlichen Gründen, sondern auch weil durch die Auszahlung des Unterrichtsentgelts an den hohen „heidnischen“ Festtagen die Einbindung der Grammatik- und Rhetorikschule in das pagane Umfeld akzeptiert wird – umso skandalöser, wenn dies den Missbrauch von Kollektengeld einschließt! Die scharfe Kritik an dem, „der einen derartigen Urwald an Metrik in das Herz ihrer Schüler einpflanzt“14, hindert Hieronymus freilich nicht daran, in seinem Kommentar selbst Vergil, Horaz und Sallust zu zitieren.15 Auch Pelagius verstand Eph 6,4 als Abgrenzung von weltlicher Erziehung, denn der Apostel warne hiermit die Hausväter: Wenn sie ihre Söhne „zu weltlichen Studien anstiften, lasst ihr sie die Neigung zum Jähzorn lernen; unterweist sie statt dessen in der Zucht des göttlichen Gesetzes. Solchen Eltern befiehlt er demnach den Söhnen zu gehorchen!“16 Innerhalb epistolographischer Netzwerke wird oft ein „Vorher-NachherSchema“ verwendet, um das kirchliche Amt zur Bildungsbiographie ins Verhältnis zu setzen. So betont Ennodius von Pavia gelegentlich, er wolle sich nicht an den Prunk der Redekunst wagen und könne sich auch gar nicht mehr 13 Hier. in Eph. III 6,4 (PL 26, 540AB): „Educate illos in disciplina et correptione Domini. Quam correptionem nos legimus, melius in Graeco dicitur νουθεσίαν, quae admonitionem magis et eruditionem quam austeritatem sonat. Legant episcopi atque presbyteri, qui filios suos saecularibus litteris erudiunt, et faciunt comoedias legere, et mimorum turpia scripta cantare, de Ecclesiasticis forsitan sumptibus eruditos: et quod in corbonam pro peccato virgo vel vidua, vel totam substantiam suam effundens quilibet pauper obtulerat, hoc Kalendariam strenam, et Saturnalitiam sportulam et Minervale munus Grammaticus, et Orator, aut in sumptus domesticos, aut in templi stipes, aut in sordida scorta convertit“; zur Bezahlung der Grammatik- und Rhetoriklehrer an öffentlichen Festtagen vgl. VÖSSING 1997, 311 Anm. 1125; zur Auslegung der παιδεία καὶ νουθεσία κυρίου (Eph 6,4) vgl. SCHWENK 1992, 150f. 14 Hier. in Eph. II 4,17ff. (PL 26, 504B): „qui tantam metrorum silvam in suo studiosius corde distinguit et congerit.“ 15 Explizite Nennungen: Hier. in Eph. II 4,5f. (PL 26, 497A): Verg. Georg. IV 221f. und Aen. VI 721–724; in Eph. III 5,20 (530A): Horat. carm. III 3,7f.; in Eph. III 5,33 (537A): Sall. Cat. 1,2; dazu HAGENDAHL 1958, 124f. 16 Pelag. exp. in Ephes. 6,4 (380,8–10 Souter): „Ne eos [sc. filios] ad saecularia studia prouocantes, iracundiam di[s]cere faciatis, sed diuinae legis eos instituite disciplinis. talibus ergo parentibus filios praecipit oboedire.“ Zu Eph 6,4 selbst s.o. S. 7f.

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vorstellen, wie jemand solches riskieren könnte, „wo es doch reicht, dass sich mein Amt um die einfache Lehre bemüht“.17 Hier wird auf die professio des Bischofs enggeführt, was einem anderen Adressaten gegenüber als Grundsatz für das Verhältnis von Bildung und Glaube bei allen Amtsträgern gilt: „Deinen Jungen, welchem eigentlich noch das Bemühen um die freien Studien obliegt, hast du leider vor der Zeit, zu der ein angemessenes Urteil möglich wäre, zu kirchlichen Ämtern bestimmt… Die von der weltlichen Erziehung zu ihm eilen, die weist der Schöpfer unseres Heils nicht zurück, dass aber jemand aus dem Umkreis seiner Hoheit zu jenen überläuft, das duldet er nicht… Ich erröte, wenn jemand, der Kirchliches vorträgt, dies mit weltlichem Schmuck aufputzt.“18

Weit entfernt davon, die Notwendigkeit literarischer Bildung zu bestreiten, bringt Ennodius doch ein klares Gefälle zum Ausdruck: Zwischen studia liberalia und res ecclesiasticae lässt sich nicht beliebig hin und her wechseln. Dass dies auch gar nicht möglich wäre, selbst wenn der betroffene Bischof es wollte, legt Sidonius Apollinaris gegenüber Oresius dar, der den auch als Dichter geschätzten Bischof um die Zusendung neuer Werke gebeten hatte: „Zunächst [ist zu sagen]: Ich habe von Beginn meines religiösen Amtes an dieser Tätigkeit grundsätzlich abgesagt, weil man es als Konzession an die [eigene] Schwachheit ansehen könnte, wenn mich die Ungezwungenheit der Verse beschäftigte, während doch schon die Gewichtigkeit der Handlungen begonnen hatte, mich in Beschlag zu nehmen. Außerdem steht es fest, dass jedes Werk, wenn es durch lange Unterbrechung ruht, nur schwer wieder aufzunehmen ist… Ich will daher einen Mittelweg einhalten: Wenn ich auch keine neuen Epigramme diktieren werde, so will ich dir doch Briefe schicken, falls sich welche im Versmaß anfinden, die unbeachtet liegen geblieben sind, [verfasst in der Zeit] vor der Bedrängnis des gegenwärtigen Amtes; und ich bitte dich, kein solch ungetreuer Sachwalter der Gerechtigkeit zu sein, dass du denkst, ich hätte in Wirklichkeit niemals von solchem Schreiben Abstand genommen.“19

Sidonius verweist also seine poetische Tätigkeit – die bei Abfassung des Briefes bereits ein Dutzend Jahre zurücklag – in die Vergangenheit: Die Aufgaben des Bischofs vertragen sich nicht mit den Ambitionen des Dichters. Natürlich 17 Ennod. ep. II 6,4f. an Julianus Pomerius (MGH.AA VII, 38,19–21 Vogel): „Periclum facere de eloquentiae pompa non debeo nec praesumo qualiter quis valeat experiri, cum professionem meam simplici sufficiat studere doctrinae.“ 18 Ennod. ep. IX 9,1f. an Camella (297,2–4.6–9): „Nam parvulum tuum quem studiorum liberalium debuit cura suscepisse ante iudicii convenientis tempora religionis titulis insignisti… Properantes ad se de disciplinis saecularibus salutis opifex non refutat, sed ire ad illas quemquam de suo nitore non patitur… Erubesco ecclesiastica profitentem ornamentis saecularibus expolire“; SCHEIBELREITER 1983, 54. 19 Sidon. ep. IX 12,1–3 (a. 481/82; III 160f. Loyen): „Primum ab exordio religiosae professionis huic principaliter exercitio renuntiaui, quia nimirum facilitati posset accommodari, si me occupasset leuitas uersuum, quem respicere coeperat grauitas actionum. Tum praetera constat omnem operam, si longa intercapedine quiescat, aegre resumi… Tenebimus igitur quippiam medium, et sicut epigrammata recentia modo nulla dictabo, ita litteras, si quae iacebunt uersu refertae, scilicet ante praesentis officii necessitatem, mittam tibi, petens, ne tu sis eatenus iustitiae praeuaricator, ut me opineris numquam ab huiusmodi conscriptione temperaturum“; zu Oresius vgl. KAUFMANN 1995, 327f. Nr. 74; PLRE II 810.

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ist es Koketterie, wenn Sidonius meint, er habe das Dichten wohl längst verlernt20; die zahlreichen in seine Briefe eingestreuten Verse belegen, dass Sidonius bei Bedarf sehr wohl noch kunstgerecht dichten konnte. In das Bild des Bischofs, wie er selbst es zeichnet, fügt sich die poetische Ader aber gerade nicht ein. Das liegt nicht zuletzt an den kirchlichen Aufgaben, wie Sidonius zehn Jahre zuvor seinem Amtskollegen Perpetuus von Tours darlegt: „Du bittest darum, dass ich dir die Rede zukommen lasse, die ich vor dem Volk von Bourges in der Kirche im Plauderton gehalten habe. Darin gibt es freilich keine Einteilung nach den Prinzipien der Rhetorik, keine Kunstgriffe des Redners, keine grammatischen Stilfiguren, auch keinen entsprechenden Schmuck und keine rhetorische Zucht. Ebenso wenig wäre es passend gewesen – anders als es bei kunstgerecht Argumentierenden Brauch ist –, geschichtliche Exempel, poetische Muster oder auch nur ein paar Kleinigkeiten an Wendungen aus der Kontroversrede einzufügen.“21

Dass sich Sidonius in der Kirche an das Volk von Bourges wendet, unterstreicht die politische Rolle, die der ehemalige Praefectus urbis Romae auch als kirchlicher Amtsträger in Gallien spielt. Wenn der Bischof nicht mit seinen ebenso gebildeten Freunden korrespondiert, muss er die kunstlose Redeform wählen, darf also nicht den Regeln der rhetorischen partitio folgen, sondern eine dem Gespräch nachempfundene Rede halten (sermocinari). Die Ingredienzien einer fachgerechten Rede, die im Folgenden aufgezählt werden, haben in der Kirche keinen Platz. Hier scheint ein Denkmuster durch, das die theoretischen Erwägungen über Möglichkeiten und Grenzen christlicher Rede im 5. Jahrhundert entscheidend prägte: der sermo humilis oder rusticus als Gegenbild zur Schulrhetorik; damit ist natürlich zugleich (und nach den Regeln brieflicher Kommunikation sogar zuerst) die eigene Gebildetheit, die ostentativ in den Hintergrund gestellt wird, unterstrichen.22 Die Dissoziation von kirchlichem Amt und klassischer Bildung findet sich auch in Texten juristischen Charakters. Nach welchen Kriterien ein Kleriker und speziell ein Bischof zu wählen sei, wurde erstmals in den Pastoralbriefen, später dann durch regionale Kirchenordnungen, in nachkonstantinischer Zeit durch überregional bindende synodale Entscheidungen und seit justinianischer Zeit durch reichsweit gültige kaiserliche Erlasse geregelt.23 Die Person 20 Vgl. Hier. vita Malchi 1 (PL 23, 53B): Er müsse erst den Rost von der Zunge abschleifen, bevor er seine literarische Tätigkeit wieder aufnehmen könne (zit. o. S. 262f. Anm. 470). 21 Sidon. ep. VII 9,1f. (a. 471; III 52 L.): „siquidem iniungis, ut orationem, quam uideor ad plebem Biturigis in ecclesia sermocinatus, tibi dirigam. cui non rhetorica partitio, non oratoriae machinae, non grammaticales figurae congruentem decorem disciplinamque suppeditauerunt. Neque enim illic, ut exacte perorantibus mos est, aut pondera historica aut poetica schemata scintillasue controuersalium clausularum libuit aptari.“ Zu Perpetuus vgl. KAUFMANN 1995, 331f. Nr. 80; PLRE II 860f. 22 Zur Analyse des Briefes und der nachfolgenden Predigt vgl. E IGLER 2003, 146–149. 23 Zu Entstehung, Entwicklung und Ausformung der (spät)antiken Kirchenordnungen vgl. Bruno STEIMER, in: LACL3, 426–428, sowie DERS. 1992, bes. 151–335 („Zur Formgeschichte der Gattung“); weiterhin Marcel METZGER, in: RGG4 4 (2001), 1260f.

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des Bischofs spielt zwar fast durchgehend eine wichtige Rolle, dennoch finden sich nur selten Bestimmungen zu seinem Bildungshintergrund. Die Synode von Serdica (342/43) legte fest, wenn ein „scolasticus de foro“ zum Bischof gewählt werde, sei der Weg durch die niederen Weihegrade einzuhalten, um seine Eignung festzustellen.24 Hier lassen sich gewisse Vorbehalte gegen in der Öffentlichkeit tätige Rhetoren (und ebenso gegen Wohlhabende und Staatsbeamte) erkennen, die aus den falschen Gründen als qualifiziert erscheinen mochten, eben aufgrund von Eloquenz und nicht von Frömmigkeit. Ausführlich widmen sich die um 500 in der Gallia Narbonensis kompilierten Statuta ecclesiae antiqua dem Bischofsamt.25 Der Prolog konstatiert: „Wer zum Bischof geweiht werden soll, muss vorher daraufhin geprüft werden, ob er von Natur her klug und gelehrig ist, ob er an Sitten gemäßigt und der Lebensweise nach keusch und enthaltsam ist, ob er stets seinen Aufgaben obliegt, ob er gütig gegenüber den Geringen und barmherzig ist, ob er litteratus ist, ob er im Gesetz des Herrn unterwiesen, im Verständnis der Schriften behutsam und in den kirchlichen Lehren geübt ist.“26

Die Kardinalfrage lautet natürlich, wie litteratus hier zu verstehen ist: als Fähigkeit zu lesen und zu schreiben (in Analogie zu can. 45, wonach alle arbeitsfähigen Kleriker ein Handwerk erlernen und Schriftkompetenz erwerben müssen: „litteras discere“)27 – oder als klassische Bildung, wie Martin Heinzelmann mit Bezug auf die zahlreichen gebildeten gallischen Bischöfe jener Zeit betont?28 Eindeutig um die erstgenannte Möglichkeit geht es wenig später in der Gesetzgebung Justinians, in der zwar eingeschärft wird, niemand dürfe zum Bischofsamt aufsteigen, der nicht in den kirchlichen Lehren bewandert sei und nicht lesen und schreiben könne, jedoch nicht explizit auf klassischer Bildung insistiert wird.29 Lese- und Schreibkompetenz wurden schon zuvor

24 Conc. Serd. can. 10 (EOMIA I 2,3, 472,3–473,17 Turner). Dieselbe Synode setzte sich damit auseinander, dass Bischöfe in einer anderen Stadt den dortigen Ortsbischof zu verdrängen suchten, der „non tam instructus, neque tam doctus“ gewesen sei (can. 14; 475,10f.). 25 CPL 3 1776; vgl. Andreas SCHRÖDER , in: LACL 3 , 656. 26 Stat. eccl. ant. prol. (CChr.SL 148, 164,1–6 Munier): „Qui episcopus ordinandus est, ante examinetur, si natura prudens est, si docibilis, si moribus temperatus, si uita castus, si sobrius, si semper sui negotii, si humilibus affabilis, si misericors, si litteratus, si in lege Domini instructus, si in scripturum sensibus cautus, si in dogmatibus ecclesiasticis exercitatus.“ 27 Stat. eccl. ant. can. 45 (173,115f. M.): „Omnes clerici qui ad operandum ualidi sunt et artificiola et litteras discant.“ 28 H EINZELMANN 1976, 239f. mit Anm. 33; vgl. Rufin. h.e. VII 32,6 (GCS Eusebius II/2, 719,11f. Mommsen) über Bischof Anatolius von Laodicea: „in studiis liberalium litterarum et in philosophicis a puero adprime eruditus“. 29 Nov. Iust. 123,1 praef. (a. 546): τῆς ὀρθῆς καὶ καθολικῆς πίστεως καὶ σεµνοῦ εἶναι βίου καὶ γράµµατα εἰδέναι (594,10–12 Schoell/Kroll) bzw. „rectae et catholicae fidei et honestae vitae esse [et] litteras nosse“ (594,8f.); nov. Iust. 6,1,6 (a. 535): ᾿Αλλὰ µηδὲ ἀµελέτητος ὢν τῶν ἱερῶν δογµάτων πρὸς ἐπισκοπὴν εἰσίτω (37,11f.) bzw. „Sed neque ineruditus existens sacrorum dogmatum ad episcopatum accedat“ (37,10f.); zu den beiden zitierten Stellen vgl. NOETHLICHS 1973, 35.

3. Christliche Amtsträger und pagane Bildung

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von Papst Hilarus (461-468) und später von Gregor I. eingefordert.30 Dies gilt ebenso in monastischem Kontext, wie die Regula Benedicti und die Regula Pachomii belegen; auch die Bischöfe Caesarius und Aurelian von Arles († 551) schreiben in ihren Regeln für die Arleser Nonnen- und Mönchsklöster vor: „omnes litteras discant“.31 Die zeitgenössische Regula Tarnatensis präzisiert, dass man im Kloster „nicht mit Gesprächen über irgendwelche weltlichen Fabeln beschäftigt sein möge, sofern nicht die Rede des Erzählers etwas darlegt, das die Seele des Hörenden erbaut“.32 Die Texte der paganen Bildung dürfen also als Sinnbild der Vergänglichkeit studiert werden! Klassische Literatur wird als Lektüre um ihrer selbst willen, auch im Dienst des Schriftspracherwerbs, aus dem Kloster ausgeschlossen.33 Klösterliche Elementarbildung von Kindern erscheint in Hippo sogar als Alternative zur säkularen Schulbildung34; ein gezieltes Konkurrenzunternehmen zur paganen Schule war dies aber schon aufgrund der geringen Zahl von im Kloster erzogenen Kindern nicht.35

30 Coll. canonum I 128 = Conc. Rom. a. 465 can. 3 (CChr.CM 6, 91,8–10 Fornasari): „Quod inscii litterarum nec non et aliqua membrorum dampna perpessi, et hi qui ex poenitentibus sunt ad sacros ordines aspirare non audeant.“ Zu Gregor s.u. S. 319. 31 Caes. reg. virg. 18,7 (SC 345, 192 de Vogüé/Courreau); Aurel. reg. mon. 32 (PL 68, 391C); reg. virg. 26 (PL 68, 400B); Ferreolus von Uzès, reg. 11 (PL 66, 963D): „Omnis qui nomen vult monachi vindicare, litteras ei ignorare non liceat“; dazu WEISSENGRUBER 1967, 206; s. Clemens KASPER, in: LACL3, 100. 266; zur Regula Benedicti und Regula Pachomii s.o. S. 270f. Dass Mönche gelegentlich illiterat waren und blieben, musste Benedikt hinnehmen, empfand es aber als defizitär (reg. Ben. 48,23; CSEL 75, 130 Hanslik: „Si quis uero ita neglegens et desidiosus fuerit, ut non uellit aut non possit meditare aut legere, iniungatur ei opus, quod faciat, ut non uacet“). 32 Reg. mon. Tarnat. 9 (PL 66, 981B): „nec collocutione quarumcunque fabularum saecularium occupentur, nisi fortasse hoc proferat sermo relatoris, quod animam aedificet audientis“; vgl. WEISSENGRUBER 1967, 225. Bei Bas. reg. fus. tract. 14,1–4 (PG 31, 952A–957A) ist ein von Mönchen erteilter, christlicher Primarunterricht für Kinder, die im Kloster aufwachsen, vorgesehen. 33 Vgl. auch das Lektüreverbot für junge Nonnen bei Hier. ep. 22,29,7 (CSEL 54, 189,2– 4 H.): „quid facit cum psalterio Horatius? cum euangeliis Maro? cum apostolo Cicero? nonne scandalizatur frater, si te uiderit in idolio recumbentem?“ Dass mit der Lektüre der Klassiker ein adulterium linguae begangen würde (ebd. n. 6; 188,16), ist allerdings nach ADKIN 1993 ein traditioneller Topos. Kritik an monastischen Bildungsbemühungen übt auch Cass. inst. praef. 6 (CSEL 17/1, 5,22–28 Kreuz/Petschenig): Das Kloster sei grundsätzlich keine Schule! 34 Zur klösterlichen Unterweisung in Hippo vgl. Aug. ep. 20*,32,1 (BAug 46B, 340,571f. Divjak): „iuuenis in monasterio nutritus“; Aug. cons. euang. I 10,15 (CSEL 43, 15,16f. Weihrich): „qui adhuc pueriliter in gradu lectorum christianas litteras norunt“; Quodvultdeus, serm. de virtut. carit. 1,7 (CChr.SL 60, 367,17f. Braun): „ab infantia sacras litteras didicisti“. Es ist kaum anzunehmen, dass die lectores infantuli das Kloster „stundenweise verließen, um an Hand von Götter- und Heldensagen bei einem heidnischen litterator auf Kosten des Bischofs Lesen und Schreiben zu lernen“ (so VÖSSING 1997, 249). 35 Vgl. Augustins Klage in discipl. 11,12 (zit. u. S. 376); dazu VÖSSING 1997, 251: Dem monasterium „fehlte – aus dieser Perspektive – alles, was die antike schola ausmachte: die (nominelle) Freiheit oder sagen wir besser: die Öffentlichkeit des Zugangs bei gleichzeitiger sozialer Auslese, die Beschäftigung mit den prestigeträchtigen artes liberales (wie selektiv auch

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Auch Can. 5 der Statuta ecclesiae antiqua legt fest, „dass ein Bischof die Bücher der Heiden gar nicht, die der Häretiker jedoch bei Notwendigkeit und zur gegebenen Zeit lesen möge.“36 Immerhin musste er mit elaborierten Schriftstücken umgehen können: Häufig galten die zu bekämpfenden Häretiker als hoch gebildet – gerade deshalb seien sie ja vom orthodoxen Glauben abgefallen!37 In diesem Verbot klingt eine Tradition an, die bis ins 3. Jahrhundert zurückreicht und in der syrischen Didascalia fassbar wird, die auf eine Grundschrift aus vorkonstantinischer Zeit zurückgeht und die in einer lateinischen Teilübersetzung (Codex Veronensis 55) und in griechischer Bearbeitung in den „Apostolischen Konstitutionen“ erhalten ist, die beide aus dem späten 4. Jahrhundert stammen.38 Nach Codex Veronensis 55 lautet die (auch in den Constitutiones Apostolorum enthaltene) entscheidende Passage: „Die heidnischen Bücher aber sollst du überhaupt nicht anrühren. Denn was gibst du dich mit fremden Worten und Gesetzen oder mit Lügenpropheten ab, welche leicht den weniger gefestigen Menschen ihren Irrtum einflößen? Was fehlt dir denn am Worte Gottes, dass du zu jenen heidnischen Fabeln greifst? Wenn du Geschichtsberichte lesen willst, tritt nur herzu, dafür hast du die Bücher der Könige; wenn du Philosophie und Poesie willst, so hast du die Propheten, bei denen du eine vollkommenere Darlegung der ganzen Dichtkunst und Sophisterei findest, weil sie des einzigen Herrn Weisheit und Donnerrede sind. Wenn du aber Lieder wünschst, so hast du die Psalmen; wenn du aber etwas über den Beginn der Schöpfung [wissen willst], so hast du die Genesis; wenn es dir jedoch um Gesetze und Vorschriften geht, so hast du das herrliche Gesetz des Herrn. Von allen Schriften, die diesem fremd und daher teuflisch sind, halte dich tapfer fern!“39

immer) und das Ziel: die öffentliche und formalisierte literarische Kommunikation mit Blick auf das traditionelle städtische Leben.“ 36 Stat. eccl. ant. can. 5 (167,12f. M.): „ut episcopus gentilium libros non legat, haereticorum autem pro necessitate et tempore.“ 37 Vgl. z.B. Sulp. Sev. chron. II 46,2 (SC 441, 332,10–13 de Senneville-Grave) zu Priscillian: „familia nobilis, praediues opibus, acer inquies, facundus, multa lectione eruditus, disserendi et disputandi promptissimus, felix profecto, si non prauo studio corrupisset optimum ingenium“; Clem. recogn. II 5,4 (GCS 51, 53,27f. Rehm/Strecker): Simon Magus habe in Athen Philosophie studiert – „vehementissimus est orator, in arte dialectica et syllogismorum tendiculis enutritus“; Hier. tract. in psalm. I 143 (CChr.SL 78, 321,235–237 Morin): „Difficile haereticos inuenies inperitos: omnes enim haeretici magistri instructi sunt scientia saeculari“; vgl. oben S. 108–110 zur Kritik der Apologeten am gebildeten Gnostiker Valentin. 38 Vgl. S TEIMER 1992, 51 (Datierung der Didasc.); 110–113 (das Fragmentum Veronense – geschrieben an der Wende vom 5. zum 6. Jh. – enthält die im späten 4. Jh. entstandene Übersetzung einer griechischen Vorlage); 117–122 (die Const. App. wurden um 375/400 in Syrien kompiliert; dabei stellen Buch I–VI eine tiefgreifende Bearbeitung der Didasc. dar). 39 Lat. Didasc. III 2–18 (TU 75, 5f. Tidner): „Gentiles autem libros penitus ne tetigeris. Quid enim tibi est cum alienis verbis vel legibus aut pseudoprofetis, quae facile leviorib[us] hominib[us] errorem praestant? Nam quid tibi deest in verbo Dei, ut ad illas gentiles fabulas pergas? Si vis storias legere, discurre et habes Regnorum; si autem sofistica et poetica, habes Profetas, in quibus totius poetiae et sophiastiae maiorem narrationem invenies, quoniam domini, qui solus est, sapientia et sonitus sunt. Si vero canticorum desideras, habes Psalmos; si autem initium Generationis mundi, habes Genesim; aut si leges et praecepta,

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Hier ist der Fall eines reichen, offensichtlich der Bildungsschicht angehörigen Gemeindegliedes im Blick, das nicht von seiner gewohnten Lektüre lassen wollte.40 Der Verfasser der Didascalia insistiert dagegen auf dem literarischen Rang der biblischen Schriften, der in gebildeten Kreisen gelegentlich bestritten wurde (s.u. S. 461). Was hier für die Gemeindeglieder gilt, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Anforderungen, die für einen Bischof gelten: Dieser möge „umfassend gebildet“ sein; wenn dies aber nicht der Fall sei, so müsse er doch mit dem Wort Gottes vertraut sein und ein angemessenes Alter haben.41 Das verwendete Gegensatzpaar „ad omnia eruditus – sine litteris“ (πεπαιδευµένος – ἀγράµµατος) lässt erkennen, dass es nicht um Lesen und Schreiben, sondern um die Schulbildung im Sinne der Grammatik- und Rhetorikschule geht: Diese soll ein Kandidat besitzen, muss dies freilich nicht, solange er mit den biblischen Schriften vertraut ist. Nach Georg Schöllgen spiegeln sich hierin die Bildungsvoraussetzungen, die der Didascalia selbst zu Grunde liegen: Sie beweist „weder Kenntnis der klassischen Rhetorik noch der Popularphilosophie, nicht einmal der ansonsten unvermeidlichen Schulautoren… Was die Didaskalie von einem ἀγράµµατος fordert, ist also präzise der Kenntnisstand, den sie selbst verrät.“42 Ein Analphabet als Bischof war dagegen nicht vorgesehen, selbst wenn gelegentlich berichtet wird, dass ein Bischof mangels Schreibkenntnissen nicht einmal seine Unterschrift unter Konzilsakten setzen konnte.43 Im Umfeld dieser Kirchenordnung galt höhere literarische Bildung als prinzipiell verzichtbar – eine Position, die durch das lateinische Fragmentum Veronense auch im Westen des Römischen Reiches bekannt war und die relativ genau die tatsächlichen Verhältnisse im kleinasiatischen Episkopat widerspiegelt.44 habes gloriosam domini legem. Ab omnibus igitur his tam alienis et diabolicis scripturis fortiter te abstine.“ Vgl. Const. App. I 6,1–6 (SC 320, 116,1–13 Metzger); dazu SCHÖLLGEN 1998, 108f. 176f. Nach BROX 1981, 269 ergibt sich hier „aus dem schlichten Argument der Glaubensgefährdung und aus dem Ziel der pastoralen Bewahrung das Totalverbot“. 40 Const. App. I 5,1f. (116,1–7 M.); vgl. SCHÖLLGEN 1998, 177. 41 Lat. Didasc. IX 20–23 (16 T.): „Sit igitur, si possibile est, ad omnia eruditus; et si sine litteris est, sed notitiam habens verbi divini et stabilis aetate“; Const. App. II 1,2 (144,12f. M.): ῎Εστω οὖν, εἰ δυνατόν, πεπαιδευµένος· εἰ δε καὶ ἀγράµµατος, ἀλλ᾿ οὖν ἔµπειρος τοῦ λόγου, καθήκων τῇ ἡλικίᾳ; vgl. dazu auch WISCHMEYER 1992, 136f. 42 SCHÖLLGEN 1998, 109. 43 So z.B. Paulinus von Zura auf dem Konzil von Karthago a. 411 (I 133; CChr.SL 149A, 112,83 Munier: „litteras nesciente“); vgl. HARRIS 1989, 320f.; ebenso Elias von Hadrianopel und Caiumas von Phainus auf dem Konzil von Ephesus 431 (ACO II 3, 254,8f.; 255,19f. Schwartz); dazu SEELIGER 2003, 307 mit Anm. 54. 44 H ÜBNER 2005, 245–252 hat für den kleinasiatischen Raum herausgearbeitet, dass Bildung zwar eine Zugangsvoraussetzung zum Episkopat darstellte, der Umfang der jeweils genossenen Bildung aber stark variierte, weshalb nicht von den Inhabern der prominenten Sitze (wie Basilius in Caesarea) auf die Gesamtheit der Bischöfe zu schließen sei (249). In kleineren Städten wählten meist die Kurialen einen Bischof aus ihren Reihen (252), d.h. aus

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Ähnlich akzentuieren die Statuta: Hier wird auf Vertrautheit mit dem orthodoxen Bekenntnis und dessen Kritikern Wert gelegt; wer bereits Bischof war, sollte sich von „heidnischer“ Literatur fernhalten und seine Lektüre, wenn unumgänglich, auf die Machwerke der christlichen Irrlehrer beschränken. Dass klassische Bildung eine konstitutive Bedeutung für die Ausübung des Bischofsamtes haben könnte, ist nicht erkennbar.45 Was erwartet wurde, war vielmehr die Fähigkeit, die kirchliche Lehre gegen Häretiker zu verteidigen und sie der Gemeinde einzuschärfen. Darauf deutet die Skizze der Trinitäts- und Gnadenlehre eingangs der Statuta ecclesiae antiqua hin; dies kommt ebenso im ersten Kanon des Breviarium Hipponense zum Ausdruck, wonach „um des Bekenntnisses und der Bekräftigung des Glaubens willen zuerst die in der Heiligen Schrift Unterwiesenen oder von Kindheit an darin Unterrichteten in den Klerus aufgenommen werden sollen.“46

Für die Rechtstexte der lateinischen Spätantike ist festzuhalten, dass keine höhere literarische Bildung von einem Bischof erwartet wurde; im Prolog der Statuta ecclesiae antiqua wird „litteratus“ entsprechend durch Verweise auf das „Gesetz des Herrn“, die Heilige Schrift und die kirchliche Lehrtradition expliziert. Erwartet wurde also eine biblisch-kirchliche Bildung. Augustin betonte, dass ein „homo christianus litteris tantum ecclesiasticis eruditus“ kein Ungebildeter, sondern vielmehr ein in ganz spezifischer Weise Gebildeter sei47, und

der munizipalen Oberschicht, deren Angehörige für gewöhnlich wenigstens rudimentäre grammatische oder rhetorische Bildung erworben hatten. Darüber hinausgehenden literarischen Ambitionen einzelner Gemeindeglieder – wie es in der Didascalia der Fall zu sein scheint – begegneten solche Bischöfe daher mit Unverständnis (so SCHÖLLGEN 1998, 177). 45 Sehr pointiert urteilt RICHÉ 1962, 137: „La culture profane est une des habitudes qu’il doit également abandonner lorsqu’il quitte l’état laïc“ – m.E. sollte der Bischof seine Bildung eher „ruhen“ lassen. Man wird andererseits auch MARKSCHIES 2002, 111 in seiner Einschätzung der „neuen reichskirchlichen Einstellung zur παιδεία“, die „seit dem späten vierten Jahrhundert… als eine notwendige Vorstufe im Lebenslauf eines christlichen Würdenträgers“ gegolten habe, nur mit Einschränkungen zustimmen können. 46 Brev. Hippon. can. 1 (CChr.SL 149, 33,4–6 Munier): „Ut primum scripturis diuinis instructi uel ab infantia eruditi, propter fidei professionem et assertionem, clerici promoueantur.“ Eine analoge Forderung erhebt Joh. Chrys. (sac. IV 5; SC 272, 262,19–28 Malingrey); s. LEPPIN 2000, 305. 47 Aug. civ. VIII 10 (CChr.SL 47, 226,1f. Dombart/Kalb). Dass Kleriker geistlich gebildet sein sollten, mussten zahlreiche Synode seit dem 6. Jh. einschärfen (NOETHLICHS 1990, 15); noch Nizäa II (787) legte fest, ein Bischof müsse auf jeden Fall den Psalter kennen (can. II; COGD I, 319,302-307)! Auch das Vaterunser oder das Glaubensbekenntnis waren nicht selbstverständlich, weshalb den Bischöfen ihre Verantwortung eingeschärft wurde (Siric. cap. XVI; PL 13, 1130A): „Presbyter qui orationem dominicam non tenet, nec symbolum, neque psalmos, si episcopus fuit qui eum benedixit, hic primum omnium dignitatem, quam illicite praesumpsit, amittat, et sub districta poenitentia omni tempore vitae suae in Monasterio degat. Infantes vero, quos in sancta Trinitate baptizavit, baptizati permaneant.“ Vgl. auch Gelas. ep. 9 ad episcopos Lucaniae, cap. XVI (PL 59, 47D): „Ut nemo litteras nesciens vel aliquid parte corporis minutus provehatur ad clerum.“

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Hieronymus sah die Qualifikation eines Gemeindevorstehers im Unterschied zu falschen Hirten in der Verbindung von sapientia, eruditio und doctrina: „Zwischen Hirten und ‚Böcken‘ besteht folgender Unterschied: Für Hirten hält man in der Kirche die, die der Herde mit Weisheit, Bildung und Gelehrsamkeit vorstehen, ‚Böcke‘ aber die, welche zwar im Volk als Anführer auftreten, aber in sich keine Gelehrsamkeit und Weisheit haben und wegen ihrer überaus großen Schlichtheit eher mit der Torheit verwandt sind.“48

Allerdings wird nicht spezifiziert, was hier mit eruditio gemeint ist. Andernorts klagt Hieronymus, heutzutage würden Bischöfe „aus dem Schoße Platons und Aristoteles’ gewählt – selten findet man noch einen, der nicht von ihnen erzogen wurde. Wen auch immer man von den Gebildeten heute ordiniert, stets sorgt er sich nicht, wie er das Mark der Schriften schlürfe, sondern wie er den Ohren des Volkes mit rhetorischen Floskeln schmeichle!“49 Zwei Jahrhunderte später führte diese Unterstellung bei Gregor I. dazu, dass am besten keine Angehörigen des Kurialenstandes in den Klerus aufgenommen werden sollten, weil diese unweigerlich „der Kurie sklavisch ergeben“ seien – was in Bezug auf mögliche Interessenkonflikte zwischen Kirche und civitas berechtigt erscheinen konnte, womit aber gerade gebildete und vermögende Männer von kirchlichen Leitungsfunktionen ausgeschlossen wurden, deren die Kirche zu Gregors Zeiten dringend bedurfte!50 Damit setzt sich eine schon im späten 4. Jahrhundert zu erkennende Tradition der Bildungsskepsis römischer Bischöfe fort (s.o. S. 151), wobei die Inhaber der cathedra Petri nur selten selbst zur geistigen Elite zählten; Ausnahmen waren Damasus, Leo I. und Gelasius. Gregors eingangs zitierter Brief an Desiderius zeigt aber, dass mit Bischöfen aus den Kreisen gebildeter Römer nach wie vor zu rechnen war; es galt nicht als prinzipielles Ausschlusskriterium, rhetorische oder philosophische Bildung erworben zu haben. Die kategorische Entgegensetzung von Grammatik und Heiliger Schrift bei Gregor I. und im Decretum Gratiani vereindeu-

48 Hier. in Ier. V 34,2 (CChr.SL 74, 251,4–9 Reiter) zu Jer 25,36f. (32,22f. LXX): „inter pastores autem et arietes ista diuersitas est, quod pastores putentur in ecclesia, qui praesunt gregi cum sapientia et eruditione atque doctrina, arietes uero, qui principes quidem uidentur in populo, sed nihil habent in se doctrinae atque sapientiae et per nimiam simplicitatem propemodum stultitiae uicini sunt.“ 49 Hier. c. Lucif. 11 (CChr.SL 79B, 31,424,32,429 Canellis): „Reuera de Platonis et Aristotelis sinu in episcopatum adleguntur. Quotus enim quisque est, qui non apprime in his eruditus est. Adquin quicumque ex litteratis quicumque hodie ordinantur, id habent curae, non quomodo scripturarum medullas ebibant, sed quomodo aures populi declamatorum flosculis mulceant.“ Nach HAGENDAHL 1983, 85 wird hier auf Bischöfe im kulturfreundlicheren Osten angespielt. 50 Vgl. K RAUSE 2006, 417 mit Verweis auf Greg. reg. II 31 an den nach Squillace exilierten Bischof Johannes von Lissus in Dalmatien (133,8–11 E./H.) und reg. IV 26 an Bischof Januarius von Calaris/Cagliari (261,19–23 E./H.). In beiden Fällen wird gleichwohl betont, dass ein künftiger Bischof kein „ignorans litteras“ bzw. „sine litteris“ sein dürfe.

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tigt damit einen differenzierteren Sachverhalt.51 Nicht explizit reflektiert, sondern in Kauf genommen wurde, wie auf der Synode von Serdika anklang (s.o. S. 314 Anm. 24), dass zahlreiche Bischöfe bereits vor ihrer Wahl über eine gediegene rhetorische Bildung verfügten; diskutiert wurde nur, ob und in welchem Maße sie diese für Predigt und Lehre einsetzen durften. Nach Georg Scheibelreiter lag die verzögerte Herausbildung einer spezifisch christlichen Schule gerade daran, dass implizit davon ausgegangen werden konnte, dass die pagane Schule die Kleriker auf ihre Aufgaben hinreichend vorbereitete: „Solange die so sehr bekämpfte heidnisch-klassische Bildung bei den angehenden Klerikern vorausgesetzt werden konnte, brauchte sich die Kirche, zumindest was die gebildeten Kreise betraf, um die Verkündigung ihrer Lehre keine Sorgen zu machen. Als diese Bildung aber abnahm, die klassische Erziehung verflachte und auch die Conversio Erwachsener seltener wurde, mußte man darangehen, eine regelrechte Klerikerausbildung zu schaffen.“52 3.2. Ein Leitbild der Predigt: der sermo piscatorius Predigt ist öffentliche Rede und unterliegt spezifischen Kommunikationsbedingungen.53 Spätantike Predigten hatten natürlich eine enge Affinität zu den traditionellen Formen öffentlicher Rede vor Gericht, in der Volksversammlung und bei feierlichen Anlässen, wobei diese Redegattungen in der späten Kaiserzeit teils einen Aufschwung erlebten (so das Genus demonstrativum in der Panegyrik), teils ihre Bedeutung längst verloren hatten (so das Genus deliberativum mit dem Ende der Republik). Die in der Schule gelehrte Rhetorik wurde von ihren christlichen wie „heidnischen“ Kritikern daher einerseits als Instrument überschwänglichen Lobpreises, andererseits als rein virtuelles Betätigungsfeld für angehende Politiker wahrgenommen, die immer noch lernten, in der Volksversammlung für militärische Strategien gegen längst besiegte Feinde zu plädieren (s.o. S. 44f.). Die größte Alltagsnähe besaß das Genus iudiciale, die Rede vor Gericht. Doch galt gerade die forensische eloquentia als 51 Auf ein signifikantes Detail weist BAUMGART 1995, 91 hin: Nach den Statuta Ecclesiae antiqua sollten zwar „die Frauen, die mit dem Amt, die Frauen zu taufen, betraut wurden, dazu befähigt sein, in einfacher und gerader Rede (‚aperto et sano sermone‘) über die Taufe und ihre Folgen zu sprechen, da die zu taufenden Frauen meist ohne Bildung und vom Land seien (‚imperitas et rusticanas mulieres‘). Interessanterweise mutet aber kein Konzil den übrigen – männlichen – kirchlichen Funktionsträgern zu, sich verständlich zu machen“; vgl. stat. eccl. ant. can. 100 (184,268–273 M.): „uiduae uel sanctimoniales, quae ad ministerium baptizandarum mulierum eliguntur, tam instructae sint ad id officium, ut possint aperto et sano sermone docere imperitas et rusticanas mulieres, tempore quo baptizandae sunt, qualiter baptizatoris ad interrogata respondeant et qualiter accepto baptismate uiuant.“ Nach Genn. vir. ill. 68 (82,22–24 R.) war Salvian von Marseille in der „humana et divina litteratura“ gebildet und schrieb sowohl in „schulmäßigem“ als auch in „ungebundenem“ Stil („scripsit scholastico et aperto sermone multa“). 52 SCHEIBELREITER 1983, 78; vgl. jetzt auch R APP 2005, 178–183. 53 Zum Folgenden vgl. knapp, aber instruktiv SCHÄUBLIN 1994, 28f.

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Kunst der Überzeugung, die unabhängig von ethischer Legitimität „funktionieren sollte“.54 Entsprechend wurde eine rhetorische Gestaltung der Predigt von christlichen Autoren vielfach als problematisch empfunden.55 Im Hintergrund solcher homiletischer Reflexionen steht die Vermutung, wer einmal rhetorische Fähigkeiten erworben habe, werde sie bei Gelegenheit auch zum Einsatz bringen. „Es bedarf aber keiner Redegewandtheit und keines beeindruckenden Gedächtnisses, wo offensichtlich eine einfache, in kunstlosem Stil vorgetragene Ermahnung von Nöten ist“, so Caesarius von Arles.56 Eloquentia (bzw. elocutio) und memoria, die hier als verzichtbar bezeichnet werden, bilden die beiden Mittelschritte der Formulierung und Aneignung der Rede, nachdem der Stoff erarbeitet (inventio) und geordnet (dispositio) ist und bevor das Ergebnis zum Vortrag (actio) kommt.57 Gerade die Kunst, eine Rede auszuarbeiten und sie frei darzubieten, wird also von Caesarius als unnötig und dem Gegenstand unangemessen betrachtet, der vielmehr einen sermo pedester erfordert: Dieser muss „einfach“ und „bodenständig“, „prosaisch“ statt poetisch überformt sein und hat daher auch nichts mit dem rhetorischen genus subtilis gemein, das sich zwar schlicht präsentiert, aber nicht weniger stilistische Raffinesse erfordert als der „gemäßigte“ und der „erhabene Stil“.58 Das Kriterium einer guten Predigt ist nach Caesarius die Verständlichkeit für alle Gemeindeglieder, eben auch für die illiterati, die keinen Sinn und Geschmack für rhetorische Gestaltung haben: „Auch wenn jemand, der die litterae nicht gelernt hat, die göttliche Lesung nicht selbst lesen kann, so kann er doch bereitwillig dem Lesenden zuhören.“59 Unterschiede in den Bildungs54 Vgl. Augustins Rückblick auf die Zeit in den „kampferfüllten Gerichtshallen“ Karthagos („fora litigiosa“): „ut excellerem in eis, hoc laudabilior, quo fraudulentior“ (conf. III 3,6; CChr.SL 27, 29,14f. Verheijen); zu seinem Urteil über den Wert der Rhetorik für die Predigt s.u. 3.3. 55 Vgl. allerdings S ATTERTHWAITE 1997, 688: „Their practices in their writings constitute a far larger body of evidence for their view on this topic.“ Zur Gattung und Topik der Predigt allgemein vgl. Maurice SACHOT, Homilie, in: RAC 16 (1994), 148–175. 56 Caes. serm. 1,13 (CChr.SL 103, 10 Morin): „Non hic aut eloquentia aut grandis memoria quaeritur, ubi simplex et pedestri sermone admonitio necessaria esse cognoscitur.“ An wen sich diese Mahnung richtet (Bischöfe oder auch andere Kleriker?), ist nicht ganz klar. THÜMMEL 1994, 115–122 beantwortet die Frage „Wer war der Prediger?“ mit Hinweisen auf uneinheitliche Gebräuche in den einzelnen Reichsteilen: Während im Osten seit Origenes’ Zeiten Presbyter Predigtdienst leisteten, setzte sich dies im Westen wohl erst im 5. Jh. durch; der predigende Presbyter Augustin war – noch – eine Ausnahme (117). Eine Beschränkung der Predigttätigkeit auf die sacerdotes (hier: Bischöfe und Priester, nicht Mönche) schärft dagegen Leo I. ein (RPR[J] 495 = ep. 119,6 an Bischof Maximus von Antiochien; PL 54, 1045C–1046A). 57 Quint. III 3,1 (I 290 Rahn); vgl. Josef M ARTIN 1974, 12f.; LAUSBERG 1990, 139. 58 Vgl. A UERBACH 1958, 32f. 59 Caes. serm. 6,1 (31 M.): „Primum est, quod lectionem divinam etiamsi aliquis nesciens litteras non potest legere, potest tamen legentem libenter audire“; vgl. FERREIRO 1992, 8 Anm. 14 mit weiteren Belegen. Auch Johannes Chrysostomus fordert die Zuhörer auf, womöglich die zu behandelnde Perikope bereits vor dem Gottesdienst zu lesen (in Joh. hom. 3,1; 11,1; PG 59, 37; 77f.; dazu THÜMMEL 1994, 122).

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voraussetzungen dürfen also nicht den Zugang zur biblischen Botschaft behindern – denn nur diese eröffnet ja den Weg zum Heil. Immer wieder findet sich die Warnung vor dem Versuch des Predigers, den – tatsächlichen oder unterstellten – Erwartungen des Publikums an einen anspruchsvollen Vortrag zu entsprechen und sich als declamator zu gerieren: „Wenn du in der Kirche sprichst, soll nicht das Schreien des Volkes, sondern sein Seufzen hervorgerufen werden; die Tränen der Hörer mögen dein Lob aussprechen; der Stil des Priesters soll durch das Lesen der [Heiligen] Schriften gebildet sein. Ich will nicht, dass du ein Redner, ein Schreier oder ein Schwätzer wirst, sondern einer, der mit dem Mysterium vertraut ist und in höchstem Maße gebildet im Blick auf die Heilszeichen deines Gottes. Worte herumwirbeln und durch die Geschwindigkeit des Redens beim unerfahrenen Volk Bewunderung seiner selbst bewirken, ist Sache der ungelehrten Menschen. Die Frechheit redet häufig von dem, was sie nicht weiß, wenn sie nur andere überzeugt, und reißt Wissen an sich.“60

Rhetorik und Sachkenntnis stehen nach Hieronymus also konträr zueinander als zwei Arten, eruditus zu sein; es geht um den Unterschied von Wortgewalt und schriftgemäßer Bildung. Durch eine kunstgerechte Reihe von Antithesen drückt Julianus Pomerius, einst selbst Rhetor und Lehrer des Caesarius, bevor dieser der weltlichen Redekunst abschwor (s.o. S. 374), die prinzipielle Differenz zwischen Rhetoren und christlichen Lehrern aus: „Eines muss die Methode der Deklamatoren, etwas anderes die der Lehrer sein. Jene begehren mit ganzer Kraft ihrer Fähigkeit den Aufputz der strahlenden Deklamationskunst, diese suchen in nüchternem und gebräuchlichem Stil die Herrlichkeit Christi. Jene legen sinnentleerten Dingen kostbare Ornamente an Worten bei; diese schmücken und verschönern mit wahrhaftigen Sätzen einfache Worte. Jene trachten, die Unansehnlichkeit ihrer Sinne gleichsam mit einem Schleier schön klingenden Stils zu verbergen; diese bemühen sich, die Ungehobeltheit ihrer Reden mit wertvollen Sinngebungen zu verschönern. Jene gründen ihren ganzen Ruhm in der Gunst des Volkes, diese in der Kraft Gottes. Jene reden einsichtig, und doch erfahren die Zuhörer durch ihr Deklamieren keinen Fortschritt; diese lehren in alltäglicher Sprache und machen [die Zuhörer] zu ihren Nachahmern. Und zwar deshalb, weil sie ihre Argumentation nicht durch die Sucht nach prunkvoller Wortkünstelei verderben!“61

60 Hier. ep. 52,8,1 an Nepotianus (CSEL 54, 428,16–429,3 H.): „Dicente te in ecclesia non clamor populi, sed gemitus suscitetur; lacrimae auditorum laudes tuae sint; sermo presbyteri scripturarum lectione eruditus sit. nolo te declamatorem esse et rabulum garrulumque, sed mysterii peritum et sacramentorum dei tui eruditissimum. uerba uoluere et celeritate dicendi apud inperitum uulgus admirationem sui facere indoctorum hominum est. adtrita frons interpretatur saepe, quod nescit, cum aliis suaserit, sibi quoque usurpat scientiam.“ Mit rabulum garrulumque klingt nach HAGENDAHL 1958, 194 Anm. 2; 286 Cic. orat. 15,47 an, nach ADKIN 1997, 26f. auch Cic. de orat. I 46,202. 61 Julian. Pom. vit. cont. I 24 (PL 59, 439BC): „Denique alia est ratio declamatorum, et alia debet esse doctorum. Illi elucubratae declamationis pompam totis facundiae suae viribus concupiscunt, isti sobrio usitatoque sermone Christi gloriam quaerunt. Illi rebus inanibus pretiosa verborum induunt ornamenta; isti veracibus sententiis ornant, et commendant verba simplicia. Illi affectant suorum sensuum deformitatem tanquam velamine quodam phalerati sermonis abscondere; isti eloquiorum suorum rusticitatem

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Dass der Rhetor vor allem auf emotionale Reaktionen des Publikums, nicht auf Belehrung und Ermahnung aus sei, bezeichnet Hieronymus als typisches Unterscheidungsmerkmal des falschen vom rechten Prediger: „Wen auch immer du in der Kirche sich als Marktschreier gebärden siehst, der mit verführerischen und liebreizenden Worten Beifall heischt, Lachen entlockt und die Zuhörer in den Stand der Fröhlichkeit versetzt: wisse, dass dies ein Zeichen von Torheit ist, sowohl dessen, der redet, als auch derer, die hören.“62

Die Sorge, dass ihm dies unterstellt werde, trieb Augustin um: Er fürchte, dass, „wenn ihr mir Beifall spendet und mich lobt, ihr meint, dass dies auch mein Ziel und mein Streben sei, wenn ich spreche!“63 Gelegentlich gebot er der allzu schnell begeisterten Gemeinde mit freundlichem Spott Einhalt: „Was habe ich denn gesagt? Was lobt ihr? Seht, das war erst die Fragestellung, und schon lobt ihr drauflos!“64 Doch ist das Streben nach Applaus nicht nur dem bildungsverliebten Rhetor anzulasten; vielmehr sieht Augustin hier auch noch für den erfahrenen Prediger eine große Versuchung, wie er in einem selbstkritischen Rückblick zum Jahrestag seiner Ordination ausführt: „Ich bin in der Gefahr, nur darauf zu achten, wie ihr lobt, und darüber zu vernachlässigen, wie ihr lebt. Jener aber, unter dessen Augen ich rede, ja unter dessen Augen ich denke, weiß, dass ich mich nicht an den öffentlichen Lobsprüchen erfreue, sondern dass es mich vielmehr unruhig und beklommen macht, auf welche Weise die leben, die mich student pretiosis sensibus venustare. Illi totam laudem suam in favore vulgi, isti in virtute Dei constituunt. Illi plausibiliter dicunt, et nihil auditoribus suis declamando proficiunt; isti usitatis sermonibus docent, et imitatores suos instituunt. Quia rationem suam nulla fucatae compositionis affectatione corrumpunt.“ Vgl. auch vit. cont. I 23 (PL 59, 438D–439A) zur Selbstbezeichnung des Paulus als „etsi imperitus sermone, sed non scientia“ (2 Kor 11,6): „unde datur intelligi, quod non se debeat ecclesiae doctor de accurati sermonis ostentatione iactare, ne videatur ecclesiam dei non velle aedificare, sed magis se quantae sit eruditionis ostendere. non igitur in verborum splendore sed in operum virtute totam praedicandi fiduciam ponat, non vocibus delectetur populi acclamantis sibi sed fletibus, nec plausum a populo studeat exspectare sed gemitum.“ Pomerius empfiehlt die confabulatio mutua älterer und jüngerer Christen als Alternative zum periculosi sermonis officium der klassischen Rhetorik (vit. cont. I 14; PL 59, 430BC); ähnlich Hier. ep. 112,22,4 (CSEL 55, 393,9f. H.); vgl. ILLMER 1976, 432f. 62 Hier. in Eccles. 9,17 (CChr.SL 72, 332,362–267 Adriaen): „Quemcumque in ecclesia uideris clamatorem et cum quodam lenocinio ac uenustate uerborum excitare plausus, risus excutere, audientes in affectus laetitiae concitare; scito signum esse insipientiae, tam eius qui loquitur quam eorum qui audiunt.“ 63 Aug. in Psalm. 141,8 (CSEL 95/5, 33,7–34,8 Gori): „ut adclametis et laudatis me, et hunc me habere finem et hanc intentionem, cum loquor“. 64 Aug. serm. 96,4 (PL 38, 587): „Quid enim dixi? quid laudastis? Ecce quaestio est, et tamen iam laudastis“; eine vergleichbare Fragereihe bietet Aug. in Psalm. 147,15 (215,1–6 G.); vgl. NORDEN 1915, 555. In ähnlicher Weise ermahnt auch Hieronymus sein Publikum (tract. in Ps. I 7; 20,41f. M.: „quaeso uos ut patientius audiatis: scripturas enim interpretari uolumus, non declamare“); falls es sich bei diesen Homilien um rein literarische Produkte (möglicherweise um Übersetzungen von Origenes-Predigten) handelt, wäre die Mahnung ein Stilelement, um ihnen „Mündlichkeit“ zu verleihen. Vgl. auch Joh. Chrys. hom. 30 in act. apost. 3 (PG 60, 226–228): Μηδενὶ τῶν ἀκουόντων ἐξεῖναι κροτεῖν µεταξὺ λέγοντός τινος... ∆ιὰ τί ἐκροτήσατε;... Τί τοῦτο; Πάλιν κροτεῖτε; dazu NORDEN 1915, 552; THÜMMEL 1994, 121.

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loben. Von schlecht Lebenden will ich aber gar nicht gelobt werden, davor schrecke ich zurück, das verwerfe ich: das bewirkt in mir Schmerzen, nicht Lust. Zu behaupten, dass ich von recht Lebenden nicht gelobt werden wollte, dafür müsste ich allerdings lügen; wenn ich es jedoch zugebe, fürchte ich, mehr nach Vergänglichem als nach Beständigem zu trachten. Was soll ich also sagen? Weder will ich es ganz, noch will ich es überhaupt nicht. Ich will es nicht ganz, damit ich nicht von menschlichem Lob versucht werde; ich verwerfe es auch nicht ganz, damit die, denen ich predige, nicht ungehalten sind.“65

Augustin sieht also sehr genau, dass ein christlicher Prediger nicht per se dem Verlangen nach Anerkennung und Beifall entkommen kann; dies nicht zuzugeben wäre ebenso falsch wie nicht zu versuchen, sich dennoch auf die Aufgabe der Predigt, d.h. auf Belehrung und Anleitung zum christlichen Leben zu konzentrieren. Die rhetorische Schulung für mit der Predigt völlig unvereinbar zu erklären hätte freilich in eklatanter Weise der prominenten Stellung widersprochen, die Prediger in den großen Städten des Reiches längst erreicht hatten, so Ambrosius in Mailand und Johannes Chrysostomus in Antiochien und später in Konstantinopel.66 Zwar beklagte Hieronymus, dass „bis heute viele in der Kirche sagen: ‚Lasst uns gehen und den oder jenen anhören, der mit wundersamer Redekunst seiner Predigt die Worte herumwirbelt‘, und dann Applaus provozieren, lärmen und in die Hände klatschen.“67 Die Attraktivität des Christentums für gebildete Großstädter lag jedoch nicht allein in asketischen Lebensformen, wie sie Hieronymus wortgewaltig propagierte, sondern eben auch in kunstgerecht vorgetragenen Predigten, die der zeitgenössischen Rhetorik entsprachen – ein Verlangen, dessen sich christliche Prediger bewusst sein mussten.68 65 Aug. serm. 339,1 (PL 38, 1480): „Periculum autem meum est, si attendam quomodo laudatis, et dissimulem quomodo vivatis. Ille autem novit, sub cujus oculis loquor, imo sub cujus oculis cogito, non me tam delectari laudibus popularibus, quam stimulari et angi quomodo vivant qui me laudant. Laudari autem a male viventibus nolo, abhorreo, detestor, dolori mihi est, non voluptati; laudari autem a bene viventibus, si dicam nolo, mentior; si dicam volo, timeo ne sim inanitatis appetentior quam soliditatis. Ergo quid dicam? Nec plene volo, nec plene nolo. Non plene volo, ne in laude humana pericliter; non plene nolo, ne ingrati sint quibus praedico“; vgl. den Kommentar dazu bei MOHRMANN 1954, 393–395. 66 Vgl. LEPPIN 2000, 304–307 zu Buch IV und V von De sacerdotio (abgefasst in Antiochien um 390; vgl. Anne-Marie MALINGREY, Einleitung, in: SC 272, 7–25, hier 13). Nach L EPPIN „versucht Johannes einen mittleren Kurs zu steuern“ (307), so dass zwar die Notwendigkeit einer kunstgerechten Rede bekräftigt, diese aber nicht mit den Mitteln der klassischen Rhetorik erreicht werden soll, sondern durch „Überwindung aller Affekte“ (306), in der sich die spezifische δύναµις des Predigers erweise, die nicht auf Vergnügen (τέρψις), sondern auf Nutzen (ὠφέλεια) ziele. Vgl. auch KENNEDY 1980, 145f. 67 Hier. in Ezech. X 33,23 (479,1421–1424 Gl.): „Tales sunt usque hodie multi in ecclesiis qui aiunt: ‚Venite audiamus illum et illum, mira eloquentia praedicationis suae uerba uoluentem‘, plaususque commouent et uociferantur et iactant manus.“ Nach STUDER 1998, 111 „machten sich die christlichen Gemeinden der grossen Städte diese Art [sc. die öffentliche Rede] zu eigen, die Menschen zu unterhalten und zu erziehen“; die Predigtliteratur der großen Kirchenväter biete „ein reichhaltiges Zeugnis dieser Volkserziehung“. 68 Vgl. SCHÄUBLIN 1994, 36.

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Diese Problematik reflektiert Hieronymus in seinem Galaterkommentar, wo die Aufgabe des Predigers in der zeitgenössischen Gesellschaft mit der Vergeblichkeit der prophetischen Verkündigung verglichen wird: „So etwas hat heute in den Kirchen Konjunktur: Indem man die Einfachheit und Wahrheit der apostolischen Worte zurücklässt, kommt man wie im Athenaeum und in Hörsälen zusammen, damit der Beifall der Umstehenden erregt werde, damit eine mit der Lüge der Kunst der Rhetorik geschmückte Rede wie eine Dirne zum Publikum hinausgehe, nicht um das Volk zu erziehen, sondern um um seine Gunst zu buhlen, die in der Weise des süßen Psalmen- und Flötengesanges die Sinne der Zuhörenden umschmeichelt, so dass jener alte Prophet Ezechiel ganz in unsere Zeit zu passen scheint, wenn der Herr zu ihm sagt: Und ich habe dich für sie gleichsam zur Stimme der Kithara gemacht, die gefällig singt und gut gestimmt ist; und sie werden deine Worte hören und sie nicht befolgen [Ez 33,32].“69

Beklagt wird also die Haltung der Gemeinde als eines Publikums, das nichts weiter sucht als gefällige Lehren und kurzweilige Diskussion, ohne davon in irgendeiner Weise ihr Leben prägen zu lassen. Noch Isidor von Sevilla warnte, die kunstvoll konstruierte Falschheit betöre den Menschen und lege ihm „durch den Schmuck der Sprache süße Fesseln“ an. Darum gelte für jeden Christen, zu Hause wie im Gottesdienst: „Bei der Lektüre sind nicht die Worte, sondern die Wahrheit zu lieben!“ 70 Das freilich würde nur gelingen, wenn die Christen sich von „fabulae vanae“ fernhielten, so schon Augustin: „Wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt, lasst ab von den sinnentleerten Märchen und richtet euren Sinn auf die Heilige Schrift: Wir sind eure Bücher!“71

Im Blick sind hier weniger literarisch gebildete als einfache Menschen, die sich von Göttern und Mythen faszinieren lassen, statt sich auf die Lesung der Schrift und auf die Predigt zu konzentrieren. Dies scheint nicht nur in Hippo ein Problem gewesen zu sein; eine sowohl Augustin als auch Caesarius von Arles zugeschriebene Predigt beklagt, dass viele Gemeindeglieder nicht den Empfang der Sakramente abwarten, „sondern gleich nach der Lesung der göttlichen Worte die Kirche verlassen; und selbst während diese gelesen werden, sind andere mit nutzlosen und weltlichen Märchen beschäftigt, so dass 69 Hier. in Gal. III prooem. (PL 26, 399BC): „Iam enim et in Ecclesiis ista quaeruntur: omissa apostolicorum simplicitate et puritate verborum quasi ad Athenaeum et ad auditoria convenitur, ut plausus circumstantium suscitentur, ut oratio rhetoricae artis fucata mendacio quasi quaedam meretricula procedat in publicum, non tam eruditura populos quam favorem populi quaesitura et in modum psalterii et tibiae dulce canentis sensus demulceat audientium, ut vetus illud propheta Ezechielis nostris temporibus possit aptari, dicente domino ad eum: ‚et factus es eis quasi vox citharae suave canentis et bene compositae et audiunt verba tua et non faciunt ea‘.“ 70 Isid. sent. III 13,8 (PL 83, 687B): „In lectione non verba, sed veritas est amanda. Saepe autem reperitur simplicitas veridica, et composita falsitas, quae hominem suis erroribus illicit, et per linguae ornamenta laqueos dulces aspergit.“ 71 Aug. serm. 227 (PL 38, 1100 = SC 116, 238,33f. Poque): „Quando convenitis ad ecclesiam, tollite fabulas vanas, intenti estote ad scripturas. Codices vestri nos sumus.“

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sie jene weder selbst hören noch es zulassen, dass andere zuhören.“72 Von Caesarius selbst berichten seine Hagiographen, er habe dafür gesorgt, „dass die Gefallsucht der Laien sich auf Psalmen und Hymnen richte und dass gleichermaßen mit hoher und melodischer Stimme einige der Kleriker in Griechisch, andere in Latein freie Stücke und Antiphone sängen, damit niemand Gelegenheit hätte, sich in der Kirche mit Fabeln abzugeben.“73

Wenn aber dann Ruhe und Konzentration im Kirchenraum herrschen – welchem Leitbild soll der Prediger folgen, wenn er denn kein Rhetor sein darf? Als Kriterium findet sich häufig die Fähigkeit, so zu reden, dass es alle in der Gemeinde verstehen, gerade auch die simplices. „Ich spreche einfach um der Einfachen willen“, betont Hieronymus in einer Psalmenpredigt74. Ausführlich entfaltet Petrus Chrysologus († nach 451) diesen Grundsatz: „Volkstümlich ist zum Volk zu reden; die Gemeinde ist in der gemeinsamen Sprache anzureden; das Nötige ist allen in der Weise aller zu sagen; den Naturverhafteten in wertschätzender Sprache mit einfachen, den Gelehrten mit liebreizenden [Worten]: Denn wer spricht, lehrt alle das Kommende. Also mögen die Sprachgewandten ihm heute die ungeschliffene Sprache zugestehen.“75

Gezielt lässt die antithetische Struktur der Passage erkennen, dass es dem Prediger natürlich nicht an der erforderlichen Sprachkompetenz fehlt. Hier wird eine Argumentationsfigur erkennbar, die selbst ein rhetorisches Mittel darstellt und dazu dient, die – pejorativ konnotierte – Rhetorik vorgeblich aus dem Arsenal der Prediger zu verbannen. Gregor von Tours bringt dies im Vorwort seiner Historia Francorum auf die knappe Formel: „Einen philosophierenden Rhetor verstehen nur wenige, einen, der wie ein Bauer spricht,

72 Ps.-Aug. serm. 281,1 (PL 39, 2276): „Rogo vos, fratres charissimi, et paterna pietate commoneo, ut quoties aut in die dominico, aut in aliis majoribus festivitatibus Missae fiunt, nullus de ecclesia discedat, donec divina mysteria compleantur. Et quamvis multi sint, de quorum fide et devotione gaudeamus, sunt tamen plures minus de salute animae suae cogitantes, qui lectis divinis lectionibus statim de ecclesia foris exeunt; cum tamen etiam dum ipsae lectiones leguntur, aliqui ex illis ita otiosis et saecularibus fabulis occupantur, ut eas nec ipsi audiant, nec alios audire permittant. Isti tales minus a nobis culparentur, si ad ecclesiam non venirent: quia ibi probantur amplius Deum laedere, ubi peccatorum poterant indulgentiam promereri“; vgl. den Augustin zugeschriebenen serm. 283,1 (PL 39, 2281): „ut et maturius veniatis, et cum veneritis, magis orare vel psallere, quam otiosis vos vel saecularibus studeatis fabulis occupare“. 73 Vita Caes. I 19 (MGH.SRM III, 463,29–464,2 Krusch): „Adiecit etiam atque compulit, ut laicorum popularitas psalmos et hymnos pararet, altaque et modulata voce instar clericorum alii Graece, alii Latine prosas antiphonasque cantarent, ut non habeant spatium in ecclesia fabulis occupari.“ 74 Hier. tract. in psalm. I 118[119] (253,205–207): „uidete, quid sit sacramentum: propheta, immo sanctus in primo gradu constitutus – dico simplicius propter simpliciores – quid dicit?“ (zu Ps 119,3). 75 Petrus Chrys. serm. 43,1 (CChr.SL 24, 242,3–7 Olivar): „Populis populariter est loquendum; communio compellanda est sermone communi; omnibus necessaria dicenda sunt more omnium. Naturalis lingua cara simplicibus, doctis dulcis: docens loquatur omnibus profutura. Ergo hodie imperito uerbo ueniam dent periti“; zum Vf. vgl. Bärbel DÜMLER, in: LACL 3, 570f.

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viele.“76 Dass Äußerungen in kirchlichem Kontext für viele, nicht nur für wenige verständlich sein müssen, führt Hieronymus auf die Charakteristik der biblischen Schriften und auf die sich darin aussprechende Intention zurück: „So schrieben die Apostel, und so hat der Herr selbst in seinem Evangelium geredet, dass es nicht [nur] wenige, sondern alle verstünden.“77 In einer Predigt des Origenes über den Römerbrief, die in der Übersetzung Rufins zur selben Zeit im Westen Verbreitung fand, wird entsprechend der Missionserfolg der frühen Kirche nicht auf eine glänzende Beredsamkeit der Missionare, sondern vielmehr auf Lebensnähe und Herzenswärme zurückgeführt: „Schließlich hat man in der Wirklichkeit oft erfahren, daß es manche redegewandte und gebildete Menschen gibt, die nicht nur gut reden können, sondern auch hervorragende Kenntnisse haben. Obwohl sie in den Gemeinden viel gesagt und dabei ungeheuren Beifall und Lob geerntet haben, hat sich dennoch keiner ihrer Zuhörer aufgrund dessen, was sie gesagt haben, betroffen gefühlt, noch ist einer zum Glauben oder zur Furcht Gottes gekommen bei der Erinnerung an das, was gesagt wurde; sondern man geht weg, nachdem man einen gewissen Genuß und Freude beim bloßen Zuhören empfangen hat. Oft aber ist es so, daß Leute, die nicht sehr beredt sind und sich nicht um den Aufbau ihrer Rede bemühen, mit einfachen und schmucklosen Worten viele Ungläubige zum Glauben bekehren, Stolze zur Demut niederbeugen und Sünder zur Umkehr bewegen.“78

Rhetorisch gebildet zu sein verschafft dem Prediger also keinen Vorteil, vielmehr verleitet es ihn, sich an ebenso gebildeten Zuhörern zu orientieren und darüber zu vergessen, dass die Masse der Gläubigen, Katechumenen und Interessierten kein Ohr für sprachliche Feinheiten besitzt – und auch nicht besitzen muss, um zur Kirche zu gehören. Die Forderung, dass nicht der literarische Geschmack von wenigen die Diktion der Predigt bestimmen dürfe, die sich an alle richte, ist bei Caesarius von Arles bereits zum locus communis geronnen, was sogar Vorbehalte gegenüber der Exegese der Väter einschließt: „Wenn wir die Darlegungen der Heiligen Schrift in derselben Anordnung und Sprachgewalt, wie sie von den heiligen Vätern ausgelegt wurden, den Ohren eurer Liebe nahebringen wollten, könnte die Speise der Lehre höchstens zu den wenigen in der Schule 76 Greg. Tur. Franc. praef. (1,14 Kr./L.): „philosophantem rethorem [sic] intellegunt pauci, loquentem rusticum multi“; vgl. BEUMANN 1964, 70f. 77 Hier. tract. in psalm. I 86 (116,119–121 M.): „sic scripserunt apostoli, sic et ipse Dominus in evangelia sua locutus est, non ut pauci intellegerent, sed ut omnes.“ Vgl. tract. in psalm. I 78 (74,29–31 M.) gegen Origenes’ Exegese von Ps 79,11: „ego uero simpliciter rusticana simplicitate et ecclesiastica ita tibi respondeo (ita enim apostoli responderunt, sic sunt locuti, non uerbis rhetoricis et diabolicis)…“. 78 Orig. comm. in Rom. 9,2 (FC 2/5, 38,17–28 Heither): „Denique et rebus ipsis saepe compertum est nonnullos eloquentes et eruditos vivos non solum in sermone, sed et in sensibus praepotentes, cum multa in ecclesiis dixerint et ingentem plausum laudis acceperint, neminem tamen auditorum ex his, quae dicta sunt, compunctionem cordis accipere nec proficere ad fidem nec ad timorem Die ex recordatione eorum, quae dicta sunt, incitari, sed suavitate quadam et delectatione sola auribus capta disceditur, saepe autem viros non magnae eloquentiae nec compositioni sermonis studentes verbis simplicibus et incompositis multos infidelium ad fidem convertere, superbos inclinare ad humilitatem, peccantibus stimulum conversionis infigere“; vgl. NORDEN 1915, 535 Anm. 2; BEUMANN 1964, 92.

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Gebildeten vordringen, die übrige Menge des Volkes aber bliebe hungrig; und daher bitte ich euch demütig, dass sich die gebildeten Ohren damit zufrieden geben mögen, nachsichtig die bäurischen Worte zu ertragen, wenn nur die ganze Herde des Herrn in einfachem und, wie ich es ausdrücken möchte, bodenständigem Stil ihr Futter zu empfangen vermag. Und weil nun einmal die unerfahrenen und einfachen Gemüter nicht zur Höhe der Gebildeten aufsteigen können, mögen sich die Gebildeten dazu bequemen, sich zur Unwissenheit von jenen herabzuneigen, weil Gebildete das, was einfachen Menschen gesagt wird, verstehen können; was aber Gebildeten gepredigt wird, vermögen einfache Menschen nicht vollständig zu erfassen.“79

Offenbar wurden in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts Predigten und Auslegungen der sancti patres (womit Hieronymus, Augustin und ihre Zeitgenossen gemeint sind) bereits als für das Volk zu anspruchsvoll empfunden, d.h. die homiletischen und exegetischen Erzeugnisse derer, die selbst zwar schon den einfachen Stil propagiert hatten, dieser Forderung jedoch nur bedingt nachgekommen waren.80 Die Beharrungskraft dieses Postulats lässt darauf schließen, dass es sich um einen Topos (und nicht etwa um eine intellektuell unterdurchschnittlich gerüstete Gemeinde in Arles) handelt; dafür spricht auch die Beobachtung, dass das Caesarius-Zitat selbst „mit [seinem] Periodenbau, [seinen] Antithesen und rhythmischen Klauseln… nicht gerade ein Musterbild des schlichten, unrhetorischen Stils“ darstellt.81 Bei Caesarius stehen individuelle rhetorische Kompetenz und programmatische Ausrichtung 79 Caes. serm. 86,1 (353 M.): „Si expositiones sanctarum scripturarum eo ordine et illo eloquio, quo a sanctis patribus sunt expositae, caritatis vestrae auribus voluerimus intimare, non nisi ad paucos scolasticos cibus doctrinae poterit pervenire, reliqua vero populi multitudo ieiuna remanebit; et ideo rogo humiliter, ut contentae sint eruditae aures verba rustica aequanimiter sustinere, dummodo totus grex domini simplici et, ut ita dixerim, pedestri sermone pabulum spiritale possit accipere. Et quia inperiti et simplices ad scolasticorum altitudinem non possunt adscendere, eruditi se dignentur ad illorum ignorantiam inclinare, quia, quod simplicibus dictum fuerit, scolastici intellegere possunt, quod autem eruditis fuerit praedicatum, simplices omnino capere non ualebunt.“ Vgl. EIGLER 2003, 116. 149f. 80 Vgl. N ORDEN 1915, 529: „Um es kurz zu sagen: in der Theorie haben sie [sc. die christlichen Autoren] von den ältesten Zeiten bis tief in das Mittelalter hinein fast ausnahmslos den Standpunkt vertreten, daß man ganz schlicht schreiben müsse, in der Praxis haben sie das gerade Gegenteil befolgt.“ OBERHELMAN 1991, 124 kommt auf der Grundlage einer Analyse des Prosarhythmus in Predigten von Ambrosius, Hieronymus und Augustin zu dem Schluss, dass diese in ihren Homilien keine schulrhetorischen Stilmittel verwandten, sondern lediglich „popular elements of style that were designed to please a church audience“; kritisch zu dieser Beschränkung auf ein Kriterium äußert sich SCHÄUBLIN 1994, 29: „Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass Predigten [sc. des Ambrosius], die den Rhetorikprofessor Augustin so sehr in Bann zu schlagen vermochten, in einem spezifisch christlichen sermo humilis gehalten wurden“ (s.u. Anm. 84 zu conf. V 13,23). 81 H AGENDAHL 1959, 191; vgl. DERS . 1983, 100 sowie SCHEIBELREITER 1983, 92: „Die überlieferten Formen der klassischen Bildung verdammte er nicht, aber sie schienen ihm nutzlos bei Leuten, die nur ‚pedestri sermone‘ das Wort Gottes verstehen konnten. Was ihm an der klassischen Bildung brauchbar schien, übernahm er… So war seine Abwendung von der ‚stulti mundi sapientia‘ keine absolute. Die nächste Generation, die seine Vita verfaßte, sah diese Dinge schon unproblematischer, einfacher, um nicht zu sagen radikaler.“

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an den simplices also in einem spannungsvollen Verhältnis zueinander: Jene wird gerade von einem, der sie beherrscht, als hinderlich wahrgenommen. Seine Haltung entspricht der syrischen Didascalia (s. S. 317): Bildung ist nicht verwerflich, wird aber nicht vorausgesetzt; und wie dort der Bischof keine rhetorische Kompetenz besitzen muss, so darf er hier die Aufnahmefähigkeit dafür nicht von seinen Gemeindegliedern erwarten. Schon Ambrosius hatte gelegentlich das Beispiel eines Lehrers benutzt, der seine gebildeten Zuhörer so erziehen müsse, dass sie ihm auch dann folgten, wenn er sich in seinem Vortrag an den Begriffsstutzigeren orientieren müsse: „Man stelle sich einen Lehrer vor, der einen dunklen Sachverhalt seinen Hörern eröffnen will, wie er – auch wenn er selbst redegewandt und kenntnisreich ist – sich gleichwohl zu dem Kenntnisstand derjenigen herabläßt, die schwerer begreifen; wie er eine einfache, besonders deutliche und gängige Redeweise benutzt, um verstanden zu werden. Sollte also unter den Hörern einer lebhafteres Aufnahmevermögen haben und ihm daher leichter folgen können, beachtet er ihn nicht und lehnt ihn ab. Sieht der Lehrer einen solchen, ermahnt er ihn, damit er es duldet, daß der Lehrer mehr bei den Schwächeren und Einfältigeren verweilt, so daß auch die übrigen folgen können.“82

Unter den zu Belehrenden kann und darf es Unterschiede geben, solange der Lehrer (der Prediger) diese Unterschiede wahrnimmt und seine Ausführungen dem Fassungsvermögen seiner Schüler (der Gemeinde) anpasst, auch wenn es unter diesen einige wenige geben mag, die dem Lehrer auf sein eigenes Niveau folgen könnten. Tatsächlich hielt der Mailänder Bischof allerdings Predigten, die durchaus höheren Ansprüchen genügten, wie noch Gregor von Tours wusste83 und wie bereits Augustin erfuhr, der Ambrosius’ Gottesdienste besuchte, „um mir ein Urteil zu bilden, ob seine Rednergabe ihrem Ruf entspräche“, und aus intellektueller Perspektive hohe Befriedigung erfuhr: „Ich freute mich an der einnehmenden Art seines Vortrags; er zeugte von höherer Bildung als der des [Manichäers] Faustus, aber was das rednerische Gehabe betrifft, wirkte er weniger strahlend und bestrickend. Im übrigen, dem Gehalt nach, kein Vergleich: der eine verlor sich in den manichäischen Gaukeleien, der andere dagegen lehrte auf die heilsamste Weise das Heil.“84

82 Ambr. Isaac 7,57 (FC 48, 120,21–122,4 Dassmann): „Constitue nunc doctorem aliquem, qui rem obscuram velit aperire audientibus, quemadmodum, etsi ipse potens in sermone sit et scientia, condescendat tamen ad eorum scientiam qui non intellegant et simplici et planiore atque usitato sermone utatur, ut possit intellegi. Quisquis igitur inter audientes vivacior sensu sit, qui facile sequi possit, elevat eum atque excutit. Hunc videns doctor revocat, ut patiatur magis doctorem humilioribus et planioribus inmorari, quo et ceteri sequi possint.“ 83 Greg. Tur. virt. Mart. I 5 (MGH.SRM I/2, 591,1f. Krusch); zit. o. S. 279 Anm. 538. 84 Aug. conf. V 13,23 (70,14–16.19–71,23 V.): „Et studiose audiebam disputantem in populo, non intentione, qua debui, sed quasi explorans eius facundiam, utrum conueniret famae suae… delectabar suauitate sermonis, quamquam eruditioris, minus tamen hilarescentis atque mulcentis, quam Fausti erat, quod attinet ad dicendi modum. Ceterum rerum ipsarum nulla comparatio: nam ille per manichaeas fallacias aberrabat, iste autem saluberrime docebat salutem.“

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Der neue Rhetor der Stadt Mailand anerkannte also die rhetorischen Fähigkeiten des Bischofs, der keineswegs „ohne Schminke der Worte, sondern in einfachem Stil“ sprach, wie sein Biograph Paulinus glauben machen möchte.85 Angesichts seines Auditoriums, das den Kaiserhof einschloss, war ein sermo rusticus im Sinne des Caesarius kaum sinnvoll, angemessen war vielmehr die von Augustin hervorgehobene suauitas sermonis86, die dem Gebildeten einen ästhetisch ansprechenden Vortrag bot, ohne dabei notwendigerweise den Inhalt der Predigt – die Schriftexegese – in den Hintergrund zu drängen.87 Gebildete unter seinen Hörern – darunter durchaus auch Heiden – erwartete ebenso Augustin.88 Selbst wenn in Hippo kaum mit Angehörigen der Reichsaristokratie zu rechnen war, so frequentierte doch genügend munizipale Prominenz seine Gottesdienste, um ihm Anlass zu geben, sich über die Relevanz der klassischen Bildung für die Christen zu äußern. Dabei betont er die kategoriale Differenz zwischen biblischer und weltlicher Unterweisung: „Seht her, meine Brüder, und beachtet: Die in der Kirche genährt und in den biblischen Schriften erzogen wurden, sind keine ungehobelten, bäurischen, einfältigen [Menschen]. Es sind nämlich unter euch gelehrte und gebildete Männer, die in manchen Künsten

85 Paul. Med. vita Ambr. 7,3 (62,15 Bastiaensen): „non fucis verborum, sed simplici sermone“. Vgl. DASSMANN 2004, 144f.: „Die Fassungskraft seiner Hörer… muß, falls Ambrosius sich an seine eigene Forderung gehalten hat, angesichts des exegetischen und theologischen Niveaus seiner Predigten nicht gering gewesen sein.“ Zur sukzessive wachsenden Wertschätzung des Mailänder Bischofs durch Augustin s. aaO. 168f.; vgl. z.B. c. Iulian. II 11 (PL 44, 681): „ecce fundit eloquentiae lucidum ac perspicuum flumen Ambrosius: non est ubi haereat lector, ubi caliget auditor“; dazu auch OBERHELMAN 1991, 118. 86 Vgl. OBERHELMAN 1991, 59: „A well trained rhetorician, Ambrose knew that victory was accomplished not only by what one said, but by who said it and how it was said.“ 87 Genau dies war nach Augustin das große Manko des Manichäers Faustus, der viele „durch den Reiz seines angenehmen Vortrags“ (conf. V 3,3; 58,4 V.: „per inlecebram suauiloquentiae“) betört habe. Dass Faustus „in allen angesehenen Wissenschaften außerordentlich beschlagen und zumal in den freien Künsten gebildet“ sei (58,9f.: „honestarum omnium doctrinarum peritissimus et adprime disciplinis liberalibus eruditus“), stellte sich bald als Trugschluss heraus: Er besaß nur mittelmäßige grammatische und gar keine rhetorische Bildung (conf. V 6,11; 62,37–39: „expertus sum prius hominem expertem liberalium disciplinarum nisi grammaticae atque eius ipsius usitato modo“) – was er auch gar nicht bestritt (conf. V 7,12; 63,12: „nouerat enim se ista non nosse nec eum puduit confiteri“). Jedoch stand ihm durch tägliche Übung „eine Beredtheit zur Verfügung, die durch ein zurückhaltendes Wesen und eine gewisse natürliche Anmut an verführerischem Reiz noch gewann“ (conf. V 6,11; 62,43f.: „inde suppetebat eloquium, quod fiebat acceptius magisque seductorium moderamine ingenii et quodam lepore naturali“). Augustin gibt zu, dass Frommsein zweifellos auch ohne Bildung möglich sei – „nur durfte er dann nicht Manichäer sein!“ (conf. V 7,12; 63,4f.: „quorum quidem ignarus posset ueritatem tenere pietatis, sed si manichaeus non esset“); vgl. UTHEMANN 1996, 159 Anm. 22. 88 Freilich nicht ausschließlich; vgl. serm. 87,1,2 (PL 38, 531) zu Joh 15,1–8, worin er explizit Bauern anspricht: „Dominus dicit in Evangelio: ‚Ego sum vitis, vos estis sarmenta, Pater meus est agricola‘. Quid facit agricola? Interrogo vos, qui agricolae estis; quid facit agricola? Puto quia agrum colit. Si ergo Pater Deus agricola est, habet agrum, et colit agrum suum, et exspectat inde fructum.“

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nicht nur mittelmäßig unterwiesen sind. Ihr aber, die ihr jene Künste, die man ‚die freien‘ nennt, nicht gelernt habt, ihr seid durch die Verkündigung des Herrn genährt worden – was mehr ist!“89

Den wenig oder gar nicht gebildeten Christen gilt der Zuspruch: In Bezug auf geistliche Dinge seid ihr nicht die Einfaltspinsel, als die ihr nach dem Maßstab der viri litterati geltet! In der Schrift – also durch den Katechumenenunterricht und durch das Hören der Predigt – gebildet zu sein ist hiernach wichtiger als klassische Bildung. Weit entfernt davon, eine elaborierte Rede nicht zu schätzen, wie das Urteil über Ambrosius beweist, hält Augustin fest, dass nicht die Schulbildung, sondern das Katechumenat den Predigthörer macht. Ähnlich beginnt Zeno von Verona eine Predigt über die Gerechtigkeit Gottes mit Gedanken über falsch gelagerte Erwartungen seines Auditoriums: „Vielleicht mag einer von meinen gelehrten Zuhörern in schallendes Gelächter ausbrechen, wenn ich, ein Mann so ganz ungelehrt und unberedt, etwas über Gerechtigkeit zu sprechen wage, ein Gebiet, über dessen Eigenart durch Begabung und Gelehrsamkeit hervorragende Männer in dicken Bänden nichts Sicheres herauszustellen vermochten. Aber ich möchte mich nicht darum kümmern, wie sich jemand über mich lustig macht. In der Kirche Gottes erwartet man nämlich nicht geschminkte Rede, sondern reine Wahrheit. Und von der Wahrheit sind diejenigen nicht ohne Schuld abgekommen, die da glaubten, die Gerechtigkeit Gottes bestehe in den Künsten der Beredsamkeit.“90

Die im Folgenden im Rekurs auf Laktanz entfaltete Unterscheidung der innerweltlichen bürgerlichen und natürlichen Gerechtigkeit einerseits, der Gerechtigkeit Gottes andererseits konkretisiert die Grundthese der zitierten Einleitungssätze: Christliche Verkündigung, wie sie in der Predigt (und in anderen kirchlichen Lebensvollzügen) geschieht, beruht auf Wahrheit; und diese ist nicht abhängig von rednerischer Begabung und enzyklopädischer Gelehrsamkeit, ja sie widerspricht, wo eloquentia als Vorbedingung der Wahrheitserkenntnis behauptet wird. Gewiss wird man aus der behaupteten kategorialen Differenz nicht umstandslos schließen können, dass derartig eingebildete Welt-Weise tatsächlich unter Zenos Kanzel saßen und ihren Bischof auslachten – umso weniger, als dessen Predigten keinesfalls kunstlos gestaltet sind.91 89 Aug. serm. 133,4 (PL 38, 738f.): „uidete, fratres mei, distinguite nutriti in ecclesia, eruditi in scripturis dominicis, non rudes, non rustici, non idiotae. sunt enim inter uos docti et eruditi uiri et quibuscumque litteris non mediocriter instructi: et qui illas litteras quae liberales uocantur, non didicistis, plus est quod in sermone dei nutriti estis“; zu dieser Predigt s. auch unten S. 451. 90 Zeno Veron. tract. II 1,1 (CChr.SL 22, 145,2–9 Löfstedt): „Fortassis de circumstantibus doctis quispiam in cachinnos erumpat, quod homo imperitissimus et elinguis, aliquid audeam de iustitia disputare, de cuius proprietate excellentes ingenio et doctrina uiri nihil certi libris ingentibus prodiderunt. Sed ego non curem, de me quemadmodum quis iocetur. Non enim in ecclesia dei fucatus quaeritur sermo, sed ueritas pura, a qua longe omnes illi non immerito aberrauerunt, qui iustitiam dei manere in eloquentiae uiribus aestimabant“; Übers. BIGELMAIR, BKV2 10, 81. 91 Bärbel D ÜMLER , LACL 3 , 731 identifiziert sogar den „apuleiischen Asianismus“ als Stilmerkmal bei Zeno (vgl. dazu auch NORDEN 1915, 588–598).

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Gerade darum war Zeno aber daran gelegen, die Differenz zwischen Wahrheit und Rhetorik so eindeutig wie möglich zu markieren: Wer sich auf den sermo fucatus verlässt, gelangt nicht zur Wahrheit; diese aber ist es, die man in der Kirche erwarten darf und soll.92 Das Verhältnis zwischen dem Redevermögen des Predigers und seinem „Gegenstand“ formuliert Papst Leo I. (440461) daher als Überbietung: „Es übersteigt nämlich, Geliebteste, und übertrifft bei weitem die Größe des göttlichen Werkes die Fähigkeiten menschlicher Rede.“93 Weder die Erhabenheit des Gegenstandes noch die Rezeptionserwartungen der Gemeinde dürfen den Prediger abschrecken, so Caesarius von Arles: „Aber vielleicht sagt jemand: Ich bin nicht redegewandt, daher kann ich nicht die Worte der Schrift auslegen. Auch wenn das so ist: Gott erwartet von uns nicht, was wir nicht erfüllen können. Denn dies [sc. die Unbeholfenheit der Rede] schadet dabei den Priestern gar nichts, denn selbst wenn einer über die weltliche Redekunst verfügte, ziemte es sich dennoch nicht, in ‚hohepriesterlicher‘ Diktion zu predigen, weil diese kaum von wenigen [d.h. schon gar nicht von vielen] verstanden werden könnte.“94

Auf die „Größe“ des Gegenstandes ist bei Hilarius und Augustin zurückzukommen (S. 338f. 344f.). Caesarius denkt jedenfalls ganz von den Fähigkeiten der Prediger und von den Verstehensvoraussetzungen der Mehrheit der Gemeindeglieder her. Beide sind moderat, was aber entlasten und anspornen soll: Niemand möge zur Befreiung von Predigtdienst mangelnde Fähigkeiten zum Memorieren und Vortragen anführen! Hier zieht Caesarius einen Vergleich heran, der im Mittelalter eine stile Karriere als Argumentation zu Gunsten eines ostentativen christlichen Bildungsmangels machen sollte: „Ich fürchte, frömmste Herren, dass uns diese Entschuldigung in jenem fürchterlichen Gericht nicht retten kann, weil wir bestens wissen, dass unser Herr keine Gebildeten und Rhetoren, sondern Fischer ohne Bildung und Schafhirten, Arme und Unwissende, zur Verkündigung des Wortes des Herrn erwählte.“95

92

Zu fucus als Attribut der Rede vgl. BLÜMER 1991, 22–33, ohne auf Zeno einzugehen. Leo I., tract. 29,1 (CChr.SL 138, 146,1f. Chavasse): „Excedit quidem, dilectissimi, multumque supereminet humani eloquii facultatem diuini operis magnitudo“; vgl. tract. 37,3; 62,1 (202,48–51; CChr.SL 138A, 376,1–9 Ch.); dazu BLÜMER 1991, 55–59. 94 Caes. serm. 1,12 (8 M.): „Sed forte dicit aliquis: non sum eloquens, ideo non possum aliquid de scripturis sanctis exponere. Etiam si ita est, non Deus ista requiret a nobis, quae implere non possumus. Nam in tantum sacerdotibus ista non nocent, ut etiam, si sit in aliquo eloquentia saecularis, non oporteat pontificali eloquio praedicare, quod vix ad paucorum potest intelligentiam pervenire.“ Vgl. serm. 1,20 (16): „Unde etiam sit in aliquo sacerdote pulchra et exuberans eloquentia saecularis, sicut iam suggessi, satis incongruum est, si ita uoluerit in ecclesia loqui, ut admonitio eius non ad totum, sicut expedit, dominicum gregem, sed uix ad paucos possit scholasticos peruenire.“ Ebd. (17) wird Hier. ep. 52,8,1 (s.o. Anm. 60) zitiert: „Sacerdote praedicante oportet ut magis gemitus suscitentur quam plausus.“ 95 Caes. serm. 1,20 (16 M.): „Sed dicit aliquis: Memoria mihi deest, et eloquentiam ad proferendum uerbum dei non habeo. Timeo, piissimi domini, ne forte nos non possit ista excusatio in illo tremendo iudicio defensare, qui optime nouimus dominum nostrum non scolasticos vel rhetores, sed piscatores sine litteris et 93

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Aus dem Sachverhalt, dass Petrus, Andreas und ihre Gefährten als Fischer oder Handwerker überwältigenden Erfolg mit ihrer Missionspredigt hatten, schließt Caesarius also auf die Entbehrlichkeit, ja Hinderlichkeit literarischer Bildung für den christlichen Prediger. Gerade die eloquentesten Theologen ihrer Zeit geben ihren eigenen Bildungsvoraussetzungen wortreich den Abschied: „Dieser Petrus war Fischer; und großen Ruhm erntet der Redner, wenn er von jenem Fischer verstanden wird“, sagt Augustin96; andernorts tritt der Fischer selbst an die Stelle des orator: „Der Fischer verließ seine Netze, der Fischer empfing Gnade, und er wurde zum göttlichen Redner!“97 Am farbigsten malen dies die pseudo-clementinischen Rekognitionen aus, deren (verlorene) griechische Urfassung von Rufin ins Lateinische übertragen wurde und weite Verbreitung fand.98 Petrus feiert hier glänzende Erfolge als Redner; seine mangelnde philosophische Bildung hindert ihn nicht daran, im Disput über Schriftgelehrte und Pharisäer zu triumphieren.99 Der Grund dafür ist einfach: „Er ist nämlich ein Mann Gottes, voll allen Wissens, dem auch die griechische Bildung nicht verborgen ist – denn er ist erfüllt vom Heiligen Geist, dem nichts verborgen ist.“100 Wen Gott also in seinen Dienst nimmt und als θεῖος ἀνήρ zum Träger des göttlichen Pneuma macht, dem verleiht er auch die Fähigkeiten eines Rhetors, die Petrus bei Bedarf einzusetzen weiß: „Nachdem wir aber nach griechischer Weise debattiert hatten und an einen Punkt gelangt waren, wo kein Ausweg mehr offen zu stehen schien, da eröffnete er uns, gleich-

ovium custodes, pauperes utique et ignobiles, ad praedicandum verbum domini praeelegisse.“ Der in der Forschung für diese Denkfigur geläufige Begriff „Sermo piscatorius“ ist nach HAGENDAHL 1959, 192 als quellensprachlicher Begriff nicht nachweisbar, anders als sein griechisches Pendant, vgl. z.B. Theod. affect. IX 69,2 (PG 83, 1057C): παρὰ τοῖς κήρυξιν οὐδὲν περιφανὲς ὁρῶντες οὐδὲ περίβλεπτον, ἀλλὰ γλώττας ἁλιευτικάς τε καὶ σκυτοτοµικάς. S. auch oben S. 5. 96 Aug. serm. 43,5,6 (PL 38, 256): „Petrus iste, qui sic loquitur, piscator fuit: et modo magnam laudem habet orator, si potuerit ab illo intelligi piscator“; vgl. auch serm. 250,1 (PL 38, 1163f.). 97 Aug. serm. 87,10,12 (PL 38, 537): „Dimisit retia piscator, accepit gratiam piscator, et factus est divinus orator.“ Zu Petrus vgl. auch Hier. ep. 12,2 (CSEL 54, 42,1f. H.): „Contra sophistas quoque saeculi et sapientes mundi Petrus et Jacobus piscator mittitur.“ 98 Vgl. einführend F. Stanley JONES , in: RGG 4 6 (2003), 1790; Johannes HOFMANN, in: LACL 3, 155–157; zur Bildungsthematik vgl. VIELBERG 2000, 79–109; KELLEY 2006, 51–57. 99 Clem. recogn. I 63,1 (44,5–7 R./Str.): „consequenter protestati sumus ac docuimus nos imperiti et piscatores, sacerdotes quidem de uno solo deo caeli“; vgl. Av. CAMERON 1991, 95f. Besonders aussagekräftig ist die Begegnung des Verfassers mit dem Apostel Barnabas (I 7,14; 10,10–12 R./Str.): „Intellegebam sane, quod nihil dialecticae artis inesset in homine, sed simpliciter et absque ullo dicendi fuco, quae audisset a filio Dei vel vidisset, exponeret.“ Vgl. KELLEY 2006, 52: „Rather than attempt to portray Barnabas and Peter as skilled philosophers, the narrative suggests that their lack of expertise gives them more direct access to philosophical truth.“ 100 Clem. recogn. VIII 5,4 (219,27–220,1): „homo dei enim est, plenus totius scientiae, quem ne Graeca quidem latet eruditio, quia spiritu dei repletus est quem nihil latet.“ Gegen KELLEY 2006, 52 Anm. 41 liegt damit keine Spannung zu recogn. I 63,1 vor: Zwar wird Petrus hier Bildung attestiert, doch wird ihm diese vom Geist verliehen, nicht in der Schule erworben!

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

sam von der Erkenntnis Gottes erfüllt, offen und klar die Wahrheit aller Dinge, so dass nicht nur wir, sondern alle anwesenden Zuhörer den Weg der Wahrheit erkannten.“101

„Aperte et dilucide“ zu reden ist das Kennzeichen des geübten Rhetors, das hier ausgerechnet dem illiteraten Fischer Petrus zugeschrieben wird. Dieser beherrschte aber im Bedarfsfall die officia oratoris in Vollkommenheit: „Die Schulbildung lehrt uns, beim Vortragen die Ordnung des Erzählens und das, was der erlauchte Gegenstand erfordert, zu vereinen. Wenn wir sie zu Gunsten der Irrtümer des Altertums gebrauchten, wären wir mit dem ganzen Aufputz und Liebreiz der Worte dem Untergang des Lebens geweiht; wenn wir aber zur Verkündigung der Wahrheit Sprachbildung und Gnade zusammen bringen, lässt sich, meine ich, nichts erwerben, was diesem an Nützlichkeit gleich kommt.“102

Recht gebraucht, befördert die eruditio liberalis die Verkündigung. Der piscator avanciert damit zum Leitbild für den orator, dessen Fähigkeiten gewürdigt, aber in den Dienst des Evangeliums gestellt werden, wofür rhetorische Kenntnisse in bestimmten Situationen nützlich sind. „Clemens“ plädiert nicht für schroffe Abgrenzung, sondern für differenzierte Inanspruchnahme der antiken Bildung, die dem wahren Apostel selbstverständlich zuhanden ist: Nach Petrus dürfe man das in der Jugend erworbene Allgemeinwissen zur Wahrheitsfindung einsetzen.103 Diese harmonisierende Position entspricht dem Urteil Augustins über die biblischen Schriftsteller, diese hätten sehr wohl grammatische und rhetorische Kenntnisse besessen, doch auf ihre Zurschaustellung verzichtet, um nicht der „Beifallshascherei“ der Rhetoren zu erliegen; man könne durch wenige Veränderungen in der Wortstellung die Schriften der Bibel mit schulmäßigen Satzschlüssen versehen, jedoch: „Man muß sich davor hüten, daß den göttlichen und gewichtigen Aussagen, während ihnen der Prosarhythmus hinzugefügt wird, das Gewicht entzogen wird!“104

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Clem. recogn. VIII 5,6 (220,2–6 R./Str.): „postea vero quam a nobis Graecorum modo fuerit disputatum atque ad id ventum, ubi exitus nullus appareat, tunc ipse quasi dei scientia repletus aperte et dilucide rerum nobis omnium patefaciet veritatem, ut non solum nos, sed et omnes qui praesto sunt auditores, viam veritatis agnoscant“; vgl. VIELBERG 2000, 96f. 102 Clem. recogn. I 25,2 (23,12–16 R./Str.): „Narrandi ordinem et lucidius quae res expetit proferendo eruditio nobis contulit liberalis, qua si utamur in antiquitatis erroribus, in perniciem vitae verborum decore ac suavitate decidimus; si vero ad adserendum veritatem eruditionem sermonis et gratiam conferamus, puto ex hoc non parum utilitatis adquiri.“ Nach VIELBERG 2000, 91 praktizierte Petrus als officia oratoris konkret die dispositio, elocutio, memoria und pronuntiatio, während er auf die inventio verzichten konnte, weil die „wahre Philosophie“ keiner genialen Einfälle bedürfe! 103 Clem. recogn. X 42,5 (353,24–354,2 R./Str.): „cum enim ex divinis scripturis integram quis susceperit et firmam regulam veritatis, absurdum non erit, si aliquid etiam ex eruditione communi ac liberalibus studiis, quae forte in pueritia adtigit, ad adsertionem veri dogmatis conferat, ita tamen ut ubi vera didicit, falsa et simulata declinet.“ 104 Aug. doct. christ. IV 20,41 (CChr.SL 32, 148, 99f. Martin): „Sed cauendum est, ne diuinis grauibusque sententiis, dum additur numerus, pondus detrahatur“; Übers. POLLMANN, 188.

3. Christliche Amtsträger und pagane Bildung

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Freilich gab es schon seit langem „gelernte“ Rhetoren unter den Christen. Augustin argumentiert in einer Predigt gegen die – reale oder fiktive – Meinung, wenn Christus schon selbst ein homo humilis gewesen sei, habe er doch wie ein ambitionierter Lehrer um hochgestellte Schüler geworben, um sich in deren Glanz zu sonnen; daher sei nicht der Fischer Petrus, sondern der Rhetor Cyprian der wahre Apostel. Die Erwählung der piscatores durch Christus geschah nach Augustin jedoch keineswegs zufällig: Christus „erwählte nicht Könige oder Senatoren, nicht Philosophen oder Redner; tatsächlich erwählte er vielmehr einfaches Volk, Arme, Ungelehrte und Fischer. Petrus war Fischer, Cyprian war Redner. Wenn nicht im Glauben (fideliter) der Fischer vorangeht, kann der Redner nicht demütig (humiliter) folgen.“105

Anhand der Dissoziation von Fischern und Rednern muss sogar Cyprian, der andernorts als „doctor suauissimus“ gepriesen wird, hinter dem wahrhaft demütigen und so der Selbsterniedrigung Christi entsprechenden Fischer-Prediger Petrus zurückstehen.106 Andernorts führt Augustin aus, dass Petrus deshalb an erster Stelle stehe, weil durch ihn nicht nur der gelehrte Redner, sondern sogar der Kaiser zum Glauben gelangt sei.107 Es geht also nicht nur um die Abgrenzung gegen die Standards zeitgenössischer Rhetorik, sondern auch um die inhaltliche Akzentuierung der Botschaft Christi, wie Hieronymus erklärt: „‚Folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen!‘ [Mt 4,19]. Diese [sc. Petrus und Andreas] wurden als erste dazu berufen, dem Herrn nachzufolgen; Fischer und Ungebildete wurden zum Predigen ausgesandt, damit man nicht meine, der Glaube der Gläubigen werde nicht durch die Vollmacht Gottes, sondern durch Redekunst und Gelehrsamkeit bewirkt.“108 105 Aug. serm. 197,2 (PL 38, 1023): „Sed forsitan dicet aliquis: Etsi ipse humiliter natus est, in discipulorum nobilitate jactare se voluit. Non elegit reges, aut senatores, aut philosophos, aut oratores: imo vero elegit plebeios, pauperes, indoctos, piscatores. Petrus piscator, Cyprianus orator. Nisi fideliter praecederet piscator, non humiliter sequeretur orator.“ Vgl. die gleiche – kritisch bewertete – Reihe von Redner, Senatoren und Herrschern in serm. 43,6 (PL 38, 256f.). 106 Vgl. zum Lob Cyprians Aug. doct. christ. II 40,61 (74,30 M.); in IV 14,31 (138,33–35) werden die Eingangsworte aus ad Donat. 1 (zu dieser Schrift s.o. S. 92f.) kritisiert: „Non dicuntur ista nisi mirabiliter affluentissima fecunditate facundiae, sed profusione nimia grauitati discplicent.“ Freilich habe Cyprian dies nur geschrieben, um seine Fähigkeiten denen zu demonstrieren, die glaubten, wer einfach schreibe, sei zu nichts anderem in der Lage (138,35–38); die Christen hingegen, die Cyprians Briefe und Traktate um ihrer Klarheit willen schätzten, sollten erkennen, „wie die Nüchternheit der christlichen Bildung die Sprache von dieser Überfülle befreit und auf eine würdigere und zurückhaltendere Beredsamkeit beschränkt hat“ (138,26–28: „ut sciretur a posteris, quam linguam doctrinae christianae sanitas ab ista redundantia reuocauerit et ad eloquentiam grauiorem modestioremque restrinxerit“; Übers. POLLMANN, 176). 107 Aug. in euang. Joh. 7,17 (CChr.SL 36, 76,18–77,20 Willems): „Magnus Cyprianus orator, sed prior Petrus piscator, per quam postea crederet non tantum orator, sed et imperator.“ 108 Hier. in Matth. 4,19 (CChr.SL 77, 23,403–407 Hurst/Adriaen): „‚Venite post me, et faciam uos fieri piscatorum hominum..‘ Isti primi uocati sunt, ut Dominum sequerentur; piscatores et illiterati mittuntur ad praedicandum ne fides credentium non virtute Dei sed eloquentia atque doctrina fieri putare-

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In dieser Antithese wirkt ein schon früh gegen die Christen erhobener Vorwurf nach, der sich auf die niedere Herkunft und die kunstlose Sprache der Apostel und ihrer Nachfolger als Missionare bezog. Bereits bei Tertullian und Origenes, in einem bei Laktanz zitierten antichristlichen Pamphlet und noch bei Kaiser Julian wird diese Kritik greifbar.109 Von christlichen Autoren wird dieser Vorwurf umgedreht und ins Positive gewendet, denn gerade an dem wunderbaren Erfolg der christlichen Missionare erweise sich allein Gottes Macht als Grund des Glaubens, so Chromatius von Aquileia († 407/08): „Also erwählte er nicht die Edlen oder Reichen der Welt, damit die Predigt nicht angezweifelt würde, nicht die Weisen dieser Weltzeit, so dass man glauben könnte, das Menschengeschlecht würde durch die Weisheit dieser Welt überzeugt, sondern er erwählte Fischer, Ungebildete, Unkundige, Ungelehrte, damit die Gnade des Erlösers offenbar würde: Niedere also vor der Welt, gemessen am Amt dieser Kunst, aber Hervorragende im Glauben; Verachtete auf der Erde durch die Willfährigkeit ihres frommen Sinnes, jedoch vor allen anderen im Himmel Empfangene; Unbekannte in der Welt, aber Berühmte bei Christus, nicht eingeschrieben in das Buch des irdischen Senats, aber eingeschrieben in das Buch der Engel im Himmel; Arme in der Welt, aber Reiche bei Gott.“110

Augustin malt diese Unbildung der „Menschenfischer“ im letzten Buch von De civitate Dei als Parodie auf die kaiserzeitliche Philosophie aus: „Einige wenige Fischer, wissenschaftlich ungebildet, von der Gelehrsamkeit der Zeitgenossen gänzlich unbeschwert, ohne Kunde der Grammatik, ohne Rüstung der Dialektik, ohne Pomp der Rhetorik, sandte Christus mit den Netzen des Glaubens auf das Meer dieser Welt und fing gleichwohl so viele Fische jeder Art, darunter so wunderbare und seltene wie die Philosophen selbst.“111

tur“; ähnlich Greg. I. reg. XI 36 a. 601 (305,27f. H.) an Augustin von Canterbury: „Qui ut mundum ostenderet non sapientia hominum, sed sua se virtute convertere, praedicatores suos quos in mundum misit, sine litteris elegit.“ Von den zahlreichen Stellen, an denen Hieronymus die Einfachheit der apostolischen Predigt lobt, vgl. bes. tract. in Ps. I 78 (zit. oben S. 327 Anm. 77) mit dem Kontrastbild der ausgefeilten, aber in sich „teuflischen“ Rhetorik; weiterhin ep. 57,12,4 (CSEL 54, 525,17–526,1 H.): „nec reprehendo in quolibet Christiano sermonis inperitiam…, uenerationi mihi semper fuit non uerbosa rusticitas, sed sancta simplicitas: qui in sermone imitari se dicit apostolos, prius imitetur in uita.“ 109 Tert. anim. 3,3 (CChr.SL 2, 785,15–18 Waszink); Orig. Cels. I 62 (GCS Orig. I, 113,7– 10 Koetschau); Lact. inst. V 2,17 (CSEL 19/1, 406,17–21 Brandt); zu Julian s.u. S. 358. 110 Chromat. tract. XVI 1 (CChr.SL 9A, 263,16–25 Lemarié/Étaix): „Non ergo nobiles mundi aut diuites elegit, ne suspecta fieri praedicatio, non sapientes saeculi, ut per sapientiam mundi persuasisse humano generi crederentur, sed elegit piscatores, illiteratos, imperitos, indoctos, ut aperta esset gratia Saluatoris. Humiles quidem in saeculo etiam ipso artis officio, sed praecelsos fide ac deuotae mentis obsequio, despectos terrae, sed acceptissimos caelo, ignobiles saeculo, sed nobiles Christo, non scriptos in albo senatus terreni, sed scriptos in albo angelorum in caelo, pauperes mundo, sed diuites Deo.“ 111 Aug. civ. XXII 5 (810,20–26 D./K.): „Ineruditos liberalibus disciplinis et omnino, quantum ad istorum doctrinas adtinet, impolitos, non peritos grammatica, non armatos dialectica, non rhetorica inflatos, piscatores Christus cum retibus fidei ad mare huius saeculi paucissimos misit atque ita et ex omni genere tam multos pisces et tanto mirabiliores, quanto rariores, etiam ipsos philosophis cepit“; Übers.

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Diese ostentative Ablehnung sämtlicher in der Schule zu erwerbenden Bildungsgüter findet ihre pointierte Entsprechung in einer der Patristik geläufigen biblischen Reminiszenz: Hätten Petrus und Johannes nicht als ἄνθρωποι ἀγράµµατοι καὶ ἰδιῶται – also als Menschen, die der hellenistischen παιδεία in eklatantem Maße ermangelten – vor den Hohepriestern gestanden (Apg 4,13), hätten sie kaum so überzeugend ihren Glauben bekennen können.112 Von hier aus – so scheint es – führt für die bischöflichen Nachfolger dieser Fischer kein Weg zu einer produktiven Inanspruchnahme der antiken Schulrhetorik. 3.3. Vom Nutzen der Rhetorik für die Predigt: Augustin, De doctrina christiana Was in der homiletischen Theorie fast durchgehend behauptet wurde, sah in anderen literarischen Zusammenhängen gelegentlich anders aus: In hagiographischen Texten ist der „illiterate“ Missionsbischof Martin von Tours nur ein Leitbild neben anderen113, in vielen Heiligenviten kommt der klassischen Bildung vielmehr konstitutive Bedeutung für das Bischofsamt zu: Augustin wurde von seinem Vorgänger Valerius als Assistent ausgewählt, weil der alte Bischof selbst keine lateinische Bildung besaß.114 Honoratus von Arles fand bei Gennadius von Marseille Erwähnung als „in ecclesia declamator“115, wurde also mit exakt dem Begriff gelobt, der bei Julianus Pomerius als Antithese zum Prediger Verwendung fand. Bei Germanus von Auxerre erschien die gesamte Bildungskarriere des ambitionierten Juristen als implizite Vorbereitung auf den späteren kirchlichen Dienst.116 Hilarius von Arles besaß schließlich die Geistesgegenwart, beim Eintreffen gebildeter Gemeindeglieder schnell vom sermo humilis in den erhabenen Stil zu wechseln117, praktizierte also genau das THIMME, 753; s. civ. XIII 49 (647,15–18) nach Mt 4,19; Apg 4,13 u.a.: „Elegit discipulos, quos et apostolos nominauit, humiliter natos, inhonoratos, inlitteratos, ut quidquid magnum essent et facerent, ipse in eis esset et faceret“; serm. 272A (frg. Verbr. 38; RBén 84, 1974, 265,11–14): „ineruditos liberalibus disciplinis, et omnino quantum ad saeculi doctrinas pertinet impolitos, non peritos grammatica, non armatos dialectica, piscatores Christus cum retibus fidei ad mare saeculi paucissimos misit.“ 112 Zu Apg 4,13 vgl. Orig. Cels. VIII 47 (262,16f. K.); Hier. in Matth. 4,19 (zit. o. Anm. 108); Aug. civ. XVIII 49 (647,15–18 D./K.); dazu GAMBLE 1995, 9. 113 Sulp. Sev. Mart. 25,8 (SC 133, 312 Fontaine); s.o. S. 268 Anm. 496. 114 Poss. vita Aug. 5,2 (34,12–17 G.); s.o. S. 281 Anm. 547. 115 Genn. vir. ill. 100 (97,13–15 R.); s.o. S. 291 Anm. 600. 116 Const. vita Germ. 1 (SC 112, 122,16–124,20 Borius); s.o. S. 301 Anm. 639; dazu HEINZELMANN 1976, 119f., der auch im Epitaph des Sidonius Apollinaris für den „orator, dialecticus, poeta, tractator“ Claudianus Mamertus (ep. IV 11,6 vv. 8f.; zit. oben S. 229f. Anm. 312) das Lob rhetorischer Fähigkeiten eines Priesters ausgesprochen findet; dabei wird allerdings die Zuordnung vertauscht: Für Sidonius war Claudianus zuerst Redner und Dichter und erst danach Priester und Gehilfe seines Bruders, des Bischofs von Vienne (v. 1: „Germani decus et dolor Mamerti“; zu ihm KAUFMANN 1995, 323f. Nr. 66), der in die Masse der den Verblichenen bestaunenden Bischöfe eingereiht wird (v. 2: „mirantum unica pompa episcoporum“). Auch Avitus ist nach seinem Epitaph orator und poeta (s.o. S. 183 mit Anm. 77). 117 Vita Hilar. 14 (92,1–7; 93,13–19 C.); s.o. S. 293f.

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Gegenteil jener Anpassung an das Begriffsvermögen der simplices, die in der homiletischen Theorie – wie gesehen – dominierte. Damit traf sich Hilarius mit seinem Namensvetter Hilarius von Poitiers († 367), für den das Sprachniveau der Verkündigung auf keinen Fall vernachlässigt werden dürfe: „Der Apostel, der uns in vielem erzieht, lehrt auch dies, dass das Wort Gottes mit aller Ehrerbietung zu behandeln sei: ‚Wer spricht, tue dies gleichwie eine Rede Gottes‘ [1 Petr 4,11]. Es ziemt sich nämlich nicht, gemäß unserer Umgangssprache dabei eine nachlässige Leichtigkeit walten zu lassen; sondern wenn wir aussprechen, was wir lernen und lesen, muss dem Autor durch die Sorgfalt des Sprachstils Ehre erwiesen werden. Und als Beispiel für diese himmlische Lehre mag uns die Gewohnheit im menschlichen Amt dienen. Denn wenn jemand die Worte eines Königs auslegt und dessen Vorschriften vor den Ohren des Volkes verkündet, bemüht er sich, sorgfältig und achtsam durch die Ehrerbietung des Amtes der Würde des Königs gerecht zu werden, damit alles mit Ehre und Hingabe erwogen und gehört wird. Um wieviel mehr müssen also wir, die wir die Verkündigung des Herrn im Dienst der menschlichen Erkenntnis zu behandeln haben, in diesem Amt an Würde voranstehen? Wir sind nämlich gewissermaßen ein Werkzeug des Heiligen Geistes, durch den die Vielfältigkeit der Stimme und die Unterschiedlichkeit der Lehre zu hören ist. Achten wir also darauf und tragen Sorge dafür, dass wir nichts Niederes sagen, die wir doch das Gesetz jenes Ausspruchs fürchten: ‚Verflucht ist jeder, der das Werk des Herrn lässig tut!‘ [Jer 48,10].“118

Hier ist das Kategoriensystem der antiken Rhetorik im Blick, wobei der Stil des sermo humilis aber gerade nicht dem Predigtziel entspricht. Nicht das Fassungsvermögen der Zuhörer liegt der Gestaltung der Predigt als Kriterium zu Grunde, sondern die Botschaft und ihr „Absender“: Wer von Gott zu sprechen hat, spricht von Erhabenem und muss daher den „erhabenen Stil“ benutzen, um der Würde seines Auftraggebers gerecht zu werden, d.h. um nicht eine bereits unter Menschen, um wieviel mehr also bei Gott unverzeihliche Nachlässigkeit zu begehen. Damit wird die später von Augustin nur in modifizierter Form übernommene Forderung Ciceros, dass nämlich der Stil dem Gegenstand zu entsprechen habe (s.u. S. 345), grundsätzlich für die christliche Predigt rezipiert. Dass der sermo humilis für belehrende und paränetische Zielsetzungen der Rede ungeeignet ist, betonen ebenfalls bereits Cicero und

118 Hilar. Pict. in psalm. 13,1 (CChr.SL 61, 76,1–16 Doignon): „In multis nos erudiens apostolus etiam id edocet, cum omni reuerentia uerbum dei esse tractandum, dicens: ‚Qui loquitur, tamquam eloquia dei‘. Non enim secundum sermonis nostri usum promiscuam in his esse oportet facilitatem, sed loquentibus nobis ea quae didicimus et legimus per sollicitudinem sermocinandi honor est reddendus auctori. Et exemplum nobis caelestis doctrinae praestat humani officio consuetudo. Si enim quis uerba regis interpretans et praecepta eius in aures populi deducens curat diligenter et caute per officii reuerentiam regis satisfacere dignitati, ut cum honore ac religione omnia et relegantur et audiantur, quanto magis conuenit dei eloquia ad cognitionem humanam retractantes dignos nos hoc officio praestare! Sumus enim quoddam sancti Spiritus organum, per quod uocis uarietas et doctrinae diuersitas audienda est. Vigilandum ergo et curandum est ut nihil humile dicamus metuentes huius sententiae legem: ‚Maledictus omnis faciens opera dei neglegenter‘.“ Ausführlicher Kommentar bei FONTAINE 1969; vgl. auch schon ELLSPERMANN 1949, 110f.

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Quintilian.119 Andererseits wendet sich Hilarius aber auch „contre les excès du style moderne et de la rhétorique impériale tardive“120: „Es ziemt sich also für die Prediger, sich bewusst zu sein, dass sie nicht für die Menschen reden, und für die Zuhörer, zu wissen, dass ihnen nicht Menschenworte vorgetragen werden, sondern dass es Gottes Worte, Gottes Satzungen und Gottes Gesetze sind, und dass sich für beide Dienste allergrößte Ehrerbietung schickt. Die schlimmste Gefahr besteht nämlich darin, über die Schätze Gottes, über die geheimen Heilszeichen, über den ewigen Bund Überflüssiges vorzutragen oder nachlässig zuzuhören.“121

Weder kunstlose Umgangssprache (nihil humile) noch zweckfreie rhetorische Kunstformen (nihil superuacuum) sind der Botschaft angemessen, die der Prediger auszurichten hat, sondern allein das genus grande. Darin finden der klassisch gebildete Rhetor und der biblisch geschulte Theologe zueinander.122 Für Eduard Norden ist es „bezeichnend, daß gerade ein Gallier unumwunden sich dahin geäußert hat, eine so hohe Religion dürfe nur in würdiger Sprache verkündet werden“123; so ist es auch kein Zufall, dass dieses Postulat noch um 500 der gallische Rhetor und Bischof Avitus von Vienne wiederholte: „Ein Mund, vertraut mit dem Zierrat weltlicher Eloquenz, befeuchtet von dahinströmenden Fluten aus der Tiefe romuleanischer Herkunft, eignet sich mit dem geschuldeten 119 F ONTAINE 1969, 301 Anm. 42 verweist auf Cic. orat. 57,192 ( „neque humilem atque abiectam orationem, nec nimis altam atque exaggeratam probat“) und Quint. XI 1,6 („neque humile atque cotidianum sermonis genus… epilogis dabimus“). 120 F ONTAINE 1969, 299. 121 Hilar. in psalm. 13,1 (76,21–77,27 D.): „Oportet igitur et praedicantes existimare non hominibus se loqui, et audientes scire non hominum sibi uerba proferri, sed esse Dei uoces, Dei constituta, Dei leges, et reuerentiam maximam utrique officio conuenire. Maximi enim periculi res est, de thesauris Dei, de sacramentis reconditis, de testamento aeterno aliquid aut superuacuum proferre aut neglegenter audire.“ FONTAINE 1969, 295–297 sieht hierin eine „déontologie de la prédication“ begründet; vgl. dazu auch UTHEMANN 1996, 153 Anm. 12. 122 Vgl. F ONTAINE 1969, 304: „Sur ce point, l’artiste et le théologien se sont en la personne d’Hilaire mutuellement appuyés. Son sens esthétique d’une prose d’art exigeante, son sens théologique et spirituel de la grandeur de Dieu, se sont rencontrés et alliés pour lui faire refuser la solution rigoriste, à tout prendre plus facile, d’une esthétique ‚misérabiliste‘ à la manière de Lucifer de Cagliari“; zu dessen Invektive in moriend. 11 s.u. S. 428. 123 N ORDEN 1915, 533; aaO. 636 werden zeitgenössische pejorative Urteile über den „gallischen Cothurn“ aufgeführt, vgl. die gegenüber Paulinus von Nola geäußerte Kritik an Hilarius bei Hier. ep. 58,10,2 (CSEL 54, 539,17–20 H.): „Sanctus Hilarius Gallicano cothurno adtollitur et, cum Graeciae floribus adornetur, longis interdum periodis inuoluitur et a lectione simpliciorum fratrum procul est“, während der Bischof von Poitiers andernorts in höchsten Tönen gelobt (Hier. ep. 34,3,2) und sogar mit Quintilian auf eine Stufe gestellt wird (ep. 70,5,3; beide Stellen: zit. unten S. 443); vgl. weiterhin Hieronymus’ Urteil über Reticius von Autun in ep. 37,3,1 an Marcella (288,6–10 H.): „est quidem sermo compositus et Gallicano coturno fluens, sed quid ad interpretem, cuius professio est non, quomodo ipse disertus appareat, sed quomodo eum, qui lecturus est, sic faciat intellegere, quomodo intellexit ille qui scripsit.“ Nach Sulp. Sev. dial. I 27,2 (CSEL 1, 179,19 Halm) weigerte sich der Martinsschüler Gallus zu reden „cum fuco aut cothurno“; auch Ennodius kritisiert in ep. I 15,1 an Florianus (23,30 V.) den „grandis coturnus in eloquentia“.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Eifer die ihm von oben gesandte Materie für eine würdige Disputation an; wenn die Redekunst sich zum Herausstellen der sichtbaren Welt oder zur Verherrlichung der königlichen Triumphe eignet und wenn nun der erste und bessere Teil eine Schutzherrin erfordert, kann sie nicht der Bekräftigung der Wahrheit nicht dienen. So wie du durch das Loben anderer Taten der Könige dem Kaiser gabst, was des Kaisers war, so ist es auch hier: Du gibst Gott, was Gottes ist, und brauchtest den Kaiser nicht zu fürchten.“124

Die differenzierteste Rezeption erfährt die antike Rhetorik bei Augustin in De doctrina christiana.125 Dieses zwischen 396 und 426 verfasste Opus magnum beschränkt sich nicht auf die Dimension eines homiletischen Handbuchs und richtet sich auch nicht ausschließlich an Kleriker, wie Karla Pollmann betont hat, sondern an alle, die öffentlich oder privat mit der Heiligen Schrift umgehen.126 Dennoch ist die in Buch IV geführte Auseinandersetzung mit der antiken Rhetorik in besonderer Weise auf den Kontext öffentlicher religiöser Rede bezogen.127 Zwar erklärt Augustin selbst, kein christliches Lehrbuch der Rhetorik vorlegen zu wollen, und verwendet für seinen Gegenstand das unbestimmte Verb proferre (nachdem Buch I-III sich mit dem invenire beschäftigt hatten).128 Jedoch ist einerseits der Rahmen der klassischen Rhetorik in Aufnahme und Abgrenzung durchgehend präsent, und andererseits geht es nicht um irgendwelche Kontexte der Verkündigung, sondern „vor allem um das, was wir von der erhöhten Kanzel herab der Gemeinde sagen“.129

124 Avit. ep. 53 an den vir illustrissimus Heraclius (82,7–13 P.): „Os saecularis eloquentiae pompis adsuetum et fluentis exundantibus Romuleae profunditatis irriguum alacritate debita missam sibi de supernis materiam dignae disputationis arripuit; facundia cum interfuit aut describendi mundi iucunditatibus aut regalium triumphorum praeconiis, patronam ubi primum melior pars poposcit, adstruendae veritati non servire non potuit. Sicut alias laudando regum reddidisti Caesari, quod Caesaris erat, ita hic, ut redderetis deo, quae dei sunt, nec Caesari pepercistis.“ 125 Zum Stand der Forschung vgl. P RESTEL 1992 (zur Cicero-Rezeption) und P OLLMANN 1996 (doct. christ. als Schrifthermeneutik); zur Predigttheorie UTHEMANN 1996; zur Praxis DROBNER 2004; zum Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit FRANK 1990, 261– 265; zur rhetorischen Terminologie Wilhelm BLÜMER, Eloquentia, in: AL 2 (2002), 775–797. 126 Vgl. Aug. doct. christ. IV 30,63 (116,4–11 M.): „Siue autem apud populum uel autem quoslibet iamiamque dicturus siue quod apud populum dicendum uel ab eis, qui uoluerint aut potuerint legendum, est dictaturus, oret, ut deus sermonem bonum det in os eius…“. POLLMANN 1996, 70f. konstatiert, dass zwar in der Spätantike im Regelfall „Bischöfe und Priester als die Nachfolger der Apostel predigen“ (vgl. Ambros. in Eph. 4,11f.; CSEL 81/3, 100,6–11 Vogels; vgl. oben S. 321 Anm. 56); Bibeltexte spielten aber auch im Katechumenenunterricht und in der „Hauskatechese“ eine Rolle, so dass sich „als Adressat für DC grundsätzlich jeder Christ denken [lässt], sowohl was Interpretation als auch was Verkündigung des Wortes Gottes anbelangt.“- De doctrina christiana wird im Folgenden nur mit Angabe von Seiten- und Zeilenzahl zitiert. Die Übersetzungen folgen Pollmann, ohne jede Abweichung zu vermerken. 127 Vgl. SCHÄUBLIN 1994, 30; HARRISON 2000, 215. 128 Aug. doct. christ. IV 1,1 (116,4–11) mit Zitat von I 1,1 (6,1–4). 129 Doct. christ. IV 18,35 (142,12f.): „maxime quae de loco superiore populis dicimus“; vgl. IV 13,29 (136,14) zum „eloquens ecclesiasticus“; IV 10,25 (133,29,39) zum „sermo in populis“.

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Augustin stimmt mit der großen Mehrheit seiner Zeitgenossen darin überein, dass eine rhetorische Ausbildung keine zwingende Voraussetzung ist, um die christliche Botschaft zu verkündigen. Dass heißt aber nicht, dass die Rhetorik bereits als solche zu kritisieren wäre: Vielmehr gilt sie ihm als „in der Mitte gelegen, weil sie viel zur Überredung sowohl von guten als auch von schlechten Dingen vermag“, so dass es keinen Grund gibt, sich ihrer nicht zu bedienen, solange dies zur Verbreitung und Verteidigung der Wahrheit geschieht.130 Bereits zwei Jahrzehnte zuvor hatte Augustin gegenüber Cresconius die Redekunst an die Rechtgläubigkeit des Redners gebunden: „Die Beredsamkeit… ist die Fähigkeit zu reden, wodurch angemessen ausgedrückt wird, was wir denken; sie ist dann zu gebrauchen, wenn wir das Rechte denken… Denn wer wüsste nicht, dass die Beredsamkeit, d.h. die Erfahrung und Fähigkeit im Reden, so nützlich oder schädlich ist, wie das, was gesagt wird, nützlich oder schädlich ist?“131

In einem späten Brief an Firmus präzisiert Augustin, die klassischen Rhetoren hätten fein differenzierend nicht den „beredten Mann“ (eloquens), sondern den „Redner“ (orator) als „uir bonus dicendi peritus“ bezeichnet.132 Obwohl das entscheidende Kriterium für einen Redner die Wahrheit seiner Rede ist, ist es aber keinesfalls gleichgültig, wie diese Wahrheit zur Sprache gebracht wird: „Aber da die einen es abgestumpft, formlos und kalt tun, die anderen aber scharfsinnig, ausgeschmückt und leidenschaftlich, ist es schon nötig, dass derjenige sich der hier behandelten Aufgabe stellt, der weise erörtern oder sprechen kann, auch wenn er es nicht beredsam vermag, so dass er den Zuhörern nützt, wenngleich weniger, als er nützen würde, wenn er beredsam sprechen könnte. Vor dem aber, der vor unverständiger Beredsamkeit überströmt, muss man sich um so mehr hüten, je mehr der Zuhörer von ihm in dem, was er hört, erfreut wird und, weil er ja hört, dass er beredt spricht, glaubt, dass er auch wahrhaft spricht. Dieser Sachverhalt entging aber auch jenen nicht, die glaubten, dass die rhetorische Kunst lehrbar sei. Sie gestanden nämlich ein, ‚daß Weisheit ohne Be-

130 Aug. doct. christ. IV 2,3 (117,13–18): „Cum ergo sit in medio posita facultas eloquii, quae ad persuadenda seu prava seu recta valeat plurimum, cur non bonorum studio comparatur, ut militet veritati, si eam mali ad obtinendas perversas vanasque causas in usus iniquitatis et erroris usurpant?“; vgl. II 36,54 (70,1–5): „Sunt etiam quaedam praecepta uberioris disputationis, quae iam eloquentia nominatur, quae nihilominus uerae sunt, quamuis eis possint etiam falsa persuaderi; sed quia et uera possunt, non est facultas ipsa culpabilis, sed ea male utentium peruersitas“; dazu POLLMANN 1996, 216; c. Cresc. I 13,16; IV 2,2 (CSEL 52, 339,23–27; 499,23–500,2 Petschenig); VAN DER NAT 1977, 212 Anm. 2. 131 Aug. c. Cresc. I 1,2 (326,11–13.21–24 P.): „eloquentia uero facultas dicendi est congruenter explicans quae sentimus, qua tunc utendum est cum recta sentimus… Quis enim nescit… eloquentiam, hoc est peritiam facultatemque dicendi, sic esse utilem uel inutilem, ut fuerint utilia uel inutilia quae dicuntur?“ Vgl. serm. Dolbeau 23,4f. (CEAug.A 147539,61–64; 540,86f.): „magnum hoc donum eloquii, magnum bonum, sed habent hoc et mali. non est commune cum bestiis, sed est commune cum iniquis… eloquium habes: bonum est, sed unde bene opereris.“ Vgl. BLÜMER, AL 2, 778f. 783 sowie 787–794 zur Ambivalenz und Rezeption der Beredsamkeit in doct. christ. 132 Aug. ep. 2*,12 a. 427/28 (BAug 46 B, 90,373–377 Divjak): „Unde non eloquentem – potest enim esse eloquentia sine sapientia – sed ipsum oratorem ita definiendum ueteres arbitrati sunt, ut eum esse dicerent uirum bonum dicendi peritum“; vgl. BLÜMER 2002, 66f.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

redsamkeit den Bürgerschaften wenig nütze, dass aber Beredsamkeit ohne Weisheit meistens allzusehr schade und niemals nütze‘.“133

Da also selbst die Koryphäen früherer Zeiten – ohne Namensnennung wird Cicero zitiert – diesen Zusammenhang begriffen hätten, obwohl ihnen die Einsicht in die Wahrheit ja noch fehlte, wäre es fahrlässig, wenn die Christen sich nicht umso mehr um eine sprachlich angemessene Darbietung dieser Wahrheit bemühten.134 Bereits zwei Jahrzehnte zuvor hatte Augustin in seiner Schrift gegen Cresconius die Bedeutung der Grammatik zur Abwehr unkontrollierter Vielrednerei dargelegt.135 Die Schulbildung ist aber auch deshalb nicht obsolet, weil es bei schulmäßiger Grammatik und Rhetorik nicht zuerst um sprachlichen Glanz, sondern um Verständlichkeit geht – also um das, was für die christliche Predigt unverzichtbar ist. Dass die Invektive gegen die Grammatik sich dabei selbst der rhetorischen Kunst bedient, passt ins Bild.136 Augustin steuert damit in der Frage der Relevanz höherer Schulbildung für christliche Amtsträger einen mittleren Weg: Der Besuch der Grammatik- und Rhetorikschule ist nicht der Königsweg zur christlichen Beredsamkeit; zielführend ist es vielmehr, sich an beredten Menschen zu orientieren, d.h. an den biblischen und kirchlichen Autoren, die ob ihrer Weisheit und Beredsamkeit gerühmt werden.137 Die Höherschätzung des ingenium und besonders der exempla gegenüber den in der Schule vermittelten praecepta der Rhetorik teilt

133 Aug. doct. christ. IV 5,7 (120,1–12): „Sed cum alii facent obtunse, deformiter, frigide, alii acute, ornate, uehementer, illum ad hoc opus, unde agimus, iam oportet accedere, qui potest disputare uel dicere sapienter, etiamsi non potest eloquenter, ut prosit audientibus, etiamsi minus quam prodesset, si et eloquenter posset dicere. Qui uero affluit insipienti eloquentia, tanto magis cauendus est, quanto magis ab eo in his, quae audire inutile est, delectatur auditor et eum, quoniam diserte dicere audit, etiam uere dicere existimat. Haec autem sententia nec illos fugit, qui artem rhetoricam docendam putarunt; fassi sunt enim ‚sapientiam sine eloquentiam parum prodesse ciuitatibus, eloquentiam uero sine sapientia nimium obesse plerumque, prodesse numquam‘“ (Cic. inv. I 1,1). Zum Verhältnis von Weisheit und Beredsamkeit vgl. auch doct. christ. IV 6,10 (122,37–123,39): „quasi sapientiam de domo sua, id est, pectore sapientis procedere intelligas et tanquam inseparabilem famulam etiam non uocatam sequi eloquentiam“. Nach POLLMANN 1996, 230 sieht Cicero als „rednerische[s] Ideal die eloquentia sapiens, d.h. die Weisheit [als] die Beigabe der Beredsamkeit“ an, während Quint. VIII prooem. 6 die moralische Qualität betone („rhetoricen bene dicendi scientiam et utilem et artem et virtutem esse“). 134 Ebd. (120,13–18). 135 Aug. c. Cresc. I 1,2 (326,7–11 P.): „plerumque autem loqui amant etiam qui nesciunt, quid loquantur uel quomodo loquantur siue ad sanitatem sententiarum siue ad ipsum qui per artem grammaticam discitur integrum sonum ordinemque uerborum“; vgl. WEISSENGRUBER 1977, 104f. 136 Vgl. FRANK 1990, 264: „Typisch für Augustin: Die Mißachtung der Regel drückt er mit einem Prunkstück der Paronomasie dieser Regeln aus!“ 137 Aug. doct. christ. IV 5,8 (121,33–41): „Porro qui non solum sapienter, uerum etiam eloquenter uult dicere, quoniam profecto plus proderit, si utrumque potuerit, ad legendos uel audiendos et exercitatione imitandos eloquentes eum mitto libentius, quam magistris artis rhetoricae uacare praecipio, si tamen hi, qui leguntur et audiuntur, non solum eloquenter, sed etiam sapienter dixisse uel dicere ueraci praedicatione laudantur. Qui enim eloquenter dicunt, suauiter, qui sapienter, salubriter audiuntur.“

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Augustin durchaus mit Cicero138, geht aber darin über diesen insofern hinaus, als er eine ars rhetorica im Grunde als überflüssig bezeichnen kann.139 Dies liegt an seiner spezifischen Sicht der in der Heiligen Schrift gebotenen exempla: Die biblischen Autoren haben nach Augustin nicht nur sämtliche pagane Stilfiguren, sondern sogar noch weitere, der rhetorischen Theorie unbekannte Wirkmechanismen auf den Leser beherrscht.140 Diese altera eloquentia ist jedoch aufgrund der obscuritas vieler Passagen nur unter Vorbehalt ein Vorbild für den christlichen Redner, vor allem aufgrund der Versuchung, zur Verstärkung dieser Eloquenz wiederum pagane Redekunst zu bemühen.141 Was aus der Bibel jedoch übernommen wird, erscheint nicht als Alternative zur Schulrhetorik, sondern als deren Indienstnahme: Alle officia oratoris sind legitime und notwendige Hilfsmittel des christlichen Predigers, nicht nur das Lehren (docere), sondern auch Erfreuen (delectare) und Überzeugen (movere): „Ein Kirchenredner muss also, wenn er etwas rät, was getan werden muss, nicht nur lehren, damit er unterweist, und erfreuen, damit er die Aufmerksamkeit des Zuhörers fesselt, sondern auch erschüttern, damit er siegt.“142

138 PRESTEL 1992, 24–27 zeigt, dass Augustins Berufung auf die „Romanae principes eloquentiae“ (doct. christ. IV 3,4; 118,7) für seine These, die Rhetorik werde in der Schule entweder schnell oder gar nicht gelernt, Nähe und Distanz zugleich ausdrückt, denn Cicero folgert aus dem Prinzip „celeriter discere“ natürlich nicht, dass der Schulbesuch fakultativ sei. „Augustinus scheint Cicero souverän zu benutzen – für die Explikation seiner selbst“ (aaO. 27). Cicero wird anonym verschiedentlich als „homo“ oder „uir eloquentissimus“ gerühmt, z.B. civ. XXII 6 (812,17 D./K.); serm. Denis 23,2 (CChr.SL 41, 419,44 Lambot); ep. 130,5,10 (CSEL 44, 51,10 Goldbacher); weitere Belege bei BLÜMER, AL 2 (2002), 785f. In conf. I 13,20 (29,3– 30,5 V.) geht Augustin dagegen, nun mit Namensnennung, auf Distanz: „usitato iam dicendi ordinem perueneram in librum cuiusdam Ciceronis, cuius linguam fere omnes mirantur, pectus non ita“, während er in c. Acad. III 18,41 (CChr.SL 29, 59,19 Green) noch von „noster Tullius“ spricht. 139 Vgl. Aug. doct. christ. IV 3,4; 16,33 (118,10–16.25–33; 141,41–44) mit Cic. de orat. I 32,146f. (55,9–21 Kumaniecki); dazu PRESTEL 1992, 101–107; POLLMANN 1996, 234f. 140 Doct. christ. IV 6,10; 7,14 (122,27–123,2; 127,120–126); vgl. H ARRISON 2000, 218. 141 Vgl. P OLLMANN 1996, 227: „Je mehr Obscuritas-Ästhetik sich in einer Bibelstelle findet, desto weniger darf der christliche Redner sich zu deren Erklärung einer ‚BallastEloquenz‘ bedienen.“ 142 Aug. doct. christ. IV 13,29 (136,14–137,17): „Oportet igitur eloquentem ecclesiasticum, quando suadet aliquid, quod agendum est, non solum docere, ut instruat, et delectare, ut teneat, uerum etiam flectere, ut uincat.“ Vgl. die Zitate aus Cic. orat. 21,69 in IV 12,27 (135,3f.): „probare necessitatis est, delectare suauitatis, flectere uictoriae“ sowie aus orat. 29,101 in IV 17,34 (141,12–14): „Is erit igitur eloquens, qui, ut doceat, poterit parua submisse, ut delectet, modica temperate, ut flectat, magna granditer dicere.“ Zu dieser ciceronischen Begriffstrias vgl. KURSAWE 2000, 18–22 mit weiteren Verweisen auf Brut. 49,185 (55,2–5 Malcovati) und auf Quint. III 5,2; VIII prooem. 7; XI 3,154; XII 10,59 (I 300; II 126; 666; 778–780 R.); zur Rezeption in De doctrina christiana vgl. aaO. 25–47 (wobei das Verfahren, aus jedem Vorkommen dieser oder einer ähnlichen Terminologie im Werk Augustins auf den Einfluss der antiken Rhetorik zu schließen, von Therese FUHRER scharf kritisiert worden ist, vgl. JbAC 45, 2002, 231–233). Vgl. die Definition der Aufgabe des Schriftauslegers und Lehrers in IV 4,6 (119,1–5): „Debet igitur diuinarum

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Gewiss soll der christliche Redner den Erfolg seines Auftretens in erster Linie dem Gebet und erst dann seinen eigenen Fähigkeiten zuschreiben (mit einem schönen Wortspiel: „sit orator antequam dictor“); wenn er beides, Gebet wie Rede, angemessen vollbringt, „kann er zu Recht beredsam genannt werden, auch wenn er die Zustimmung des Hörers nicht erreicht“.143 Damit wird nicht nur die Orientierung am Beifall des Publikums, sondern überhaupt das zustimmende Verhalten der Hörer als Kriterium einer gelungenen Predigt ausgeschlossen. Auch dies geht auf Quintilian zurück, der den Sinn der ars rhetorica als „in actu posita, non in effectu“ bestimmte.144 Die Pointe liegt bei Augustin jedoch in der geistlichen Haltung des Predigers, welche die Inanspruchnahme rhetorischer Hilfsmittel gerechtfertigt erscheinen lässt. Die „Sache“ der Predigt, d.h. die Botschaft der Heiligen Schrift unterscheidet sich freilich in einem zentralen Punkt von den Themen der Rhetorik, besonders von den Prozessreden, die als Beispiel dafür dienen, dass Ciceros Unterscheidung des verhaltenen, gemäßigten und erhabenen Stiles vielleicht für Gerichtsverhandlungen, nicht aber für die christliche Verkündigung tauge: „In jenen Gerichtsprozessen nämlich wird das eine kleine Angelegenheit genannt, wo über finanzielle Dinge geurteilt werden muss; eine bedeutende Angelegenheit ist es, wenn über das Heil und das Schicksal von Menschen geurteilt werden muss. Wo aber keine von diesen beiden Angelegenheiten beurteilt werden muss und nicht angestrebt wird, dass der Zuhörer handelt oder entscheidet, sondern nur, dass er erfreut wird, da haben sie den Stil gewissermaßen den mittleren zwischen den beiden anderen und deswegen den mäßigen, d.h. den gemäßigten genannt… Aber da wir nun einmal alles, besonders was wir von der erhöhten Kanzel herab der Gemeinde sagen, auf das Heil der Menschen, und zwar nicht auf das zeitliche, sondern auf das ewige, beziehen müssen, wobei man sich sogar vor der ewigen Verdammnis hüten muss, ist im Falle von uns Christen alles bedeutend, was wir sagen, sogar bis zu dem Punkt, dass nicht einmal Erörterungen über den Erwerb oder Verlust von finanziellen Dingen als klein angesehen werden dürfen, wenn der Kirchenlehrer darüber spricht, egal ob es sich um einen großen oder kleinen Geldbetrag handelt.“145

scripturarum tractator et doctor, defensor rectae fidei ac debellator erroris, et bona docere et mala dedocere atque in hoc opere sermonis conciliare auersos, remissos erigere, nescientibus, quod agitur, quid exspectare debeant intimatur“; konzise auch in serm. 339,2 (PL 38, 1480): „praedicare autem, arguere, corripere, aedificare, pro unoquoque satagere“; vgl. MÜHLENBERG 1994, 10; VERWILGHEN 1998, 233–235. 143 Aug. doct. christ. IV 15,32 (138,7); IV 17,34 (141,4–6): „Quod cum apte et conuenienter facit, non immerito eloquens dici potest, etsi non eum sequatur auditoris adsensus.“ Der Theorie entspricht die häufige Anrufung Gottes in seinen Predigten; vgl. MÜHLENBERG 1994, 12–15. 144 Quint. II 17,23.25 (I 256 R.); vgl. P RESTEL 1992, 241; KURSAWE 2000, 39. 145 Aug. doct. christ. IV 18,35 (141,4–9; 142,12–18): „In illis enim ea parua dicuntur, ubi de rebus pecuniariis iudicandum est, ea magna, ubi salute ac de capite hominum, ea uero, ubi nihil horum iudicandum est nihilque agitur, ut agat siue decernat, sed tantummodo ut delectetur auditor, inter utrumque quasi media et ob hoc modica, hoc est moderata dixerunt… In istis autem nostris, quandoquidem omnia, maxime quae de loco superiore populis dicimus, ad hominum salutem nec temporariam, sed aeternam referre debemus, ubi etiam cauendus est aeternus interitus, omnia sunt magna, quae dicimus, usque adeo, ut nec de

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Mit Lk 16,10 („Wer in kleinen Dingen treu ist, wird auch in großen Dingen treu sein“) wird im Folgenden die Nivellierung aller Aspekte der kirchlichen Verkündigung begründet, mit 1 Kor 6,1–9 (Christen sollen nicht in der Art weltlicher Prozesse übereinander richten) die Unmöglichkeit des öffentlichen Gerichtswesens als Vorbild für christliches Handeln dargelegt. Augustin konstatiert hier eine kategoriale Differenz zur antiken Rhetorik: Das bei Cicero zentrale Prinzip, dass sich der Stil am Gewicht des Gegenstandes zu orientieren habe146, wird zurückgewiesen, da es in der kirchlichen Verkündigung immer um das Heil, niemals um etwas „Niedriges“ gehe. Daher muss der christliche Redner alle drei Stile beherrschen, um je nach Absicht das eine Thema angemessen ausdrücken zu können: „Und wenn dieser Lehrer (doctor) auch Redner (dictor) von bedeutenden Dingen sein muß, muß er diese dennoch nicht immer im erhabenen Stil vortragen, sondern verhalten, wenn er etwas lehrt, und gemäßigt, wenn er etwas tadelt oder lobt. Wenn aber etwas getan werden muß und wir zu solchen Leuten sprechen, die dies tun müssen und trotzdem nicht wollen, dann müssen bedeutende Dinge erhaben und zur Erschütterung der Gemüter angemessen gesagt werden. Manchmal wird über ein und dieselbe bedeutende Sache sowohl verhalten gesprochen, wenn man lehrt, als auch gemäßigt, wenn man verkündet, und erhaben, wenn ein davon abgewandtes Gemüt dazu angetrieben werden soll, sich zu bekehren.“147

Allerdings können die Stilarten – mit Cicero und Quintilian – in einer Rede gemischt und um der Aufmerksamkeit der Zuhörer willen auch verbunden werden.148 Augustin geht darin über die Tradition hinaus, dass nicht nur Stile mischbar sind, „sondern deren jeweilige Effekte (officia dicendi) auf jedes Genus dicendi zutreffen“.149 Dabei ergibt sich eine Akzentuierung zu Ungunsten des gemäßigten, epideiktischen Stiles, der mit Lob und Tadel auf delectare zielt: ipsis pecuniariis rebus uel acquirendis uel amittendis parua uideri debeant, quae doctor ecclesiasticus dicit, siue sit illa magna siue parua pecunia.“ 146 Vgl. Cic. orat. 21,72 (22,5–7 Westmann). 147 Aug. doct. christ. IV 19,38 (144,1–9): „Et tamen cum doctor iste debeat rerum dictor esse magnarum, non semper eas debet granditer dicere, sed submisse, cum aliquid docetur; temperate, cum aliquid uituperatur siue laudatur; cum uero aliquid agendum est et ad eos loquimur, qui hoc agere debent nec tamen uolunt, tunc ea quae magna sunt, dicenda sunt granditer et ad flectendos animos congruenter. Et aliquando de una eademque re magna et submisse dicitur, si docetur et temperate, si praedicatur, et granditer, si auersus inde animus, ut conuertatur, impellitur.“ 148 Aug. doct. christ. IV 22,51 (157,1–4): „Nec quisquam praeter dicsiplinam esse existimet ista miscere, immo quantum congrue fieri potest, de omnibus generibus dictio uarianda est. Nam quando prolixa est in uno genere, minus detinet auditorem“; vgl. Cic. orat. 29,103; Quint. XII 10,71. 149 P OLLMANN 1996, 237; zur Rekonstruktion der augustinischen Sicht der genera dicendi vgl. ausführlich PRESTEL 1992, 240–274. UTHEMANN 1996, 150f. bestreitet zunächst die von SCHÄUBLIN 1994, 31 vorgetragene These von drei Wirkungen eines und desselben Stils und findet bei Augustin lediglich den (traditionellen) Stilwechsel, konzediert dann aber mit Bezug auf doct. christ. IV 26,56 (zit. unten Anm. 152), „daß Umkehr (conversio) ‚auf sämtlichen Stilebenen angestrebt werden muß‘“ (aaO. 152 mit Zitat von SCHÄUBLIN 1994, 44).

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

„Wenn es die grundsätzliche Aufgabe der Beredsamkeit ist, in allen drei Stilarten für das Ziel der Überzeugung angemessen zu reden, ihr Ziel aber das, wovon man in seiner Rede überzeugen möchte, dann gelangt der Redner nicht zum Ziel der Beredsamkeit, wenn er nicht die Überzeugung seiner Zuhörer erreicht, selbst wenn er in allen drei Stilarten in für die Überzeugung angemessener Weise redet. Er überzeugt im verhaltenen Stil davon, daß, was er sagt, wahr ist; er überzeugt im erhabenen Stil davon, daß das getan werden muß, wovon die Zuhörer schon wissen, daß es getan werden muß, und es doch nicht tun; er überzeugt im gemäßigten Stil davon, daß er schön und ausgeschmückt redet. Wozu haben wir dieses letztere Ziel nötig?“150

Hier kommt die – zu Augustins Lebzeiten bei „Heiden“ wie Christen geläufige – Kritik an der inhaltsleeren, nur auf Selbstdarstellung fixierten Rhetorik im Gefolge der „zweiten Sophistik“ zum Ausdruck, gegen die sich eine christliche Rhetorik, wie sie Augustin entwirft, abgrenzen muss.151 Erfreuen um der Unterhaltung willen ist für den christlichen Redner (wie schon bei Hilarius) nicht statthaft, vielmehr steht die delectatio im Dienst des übergreifenden Ziels des Rhetors: „nämlich daß jemand, der weise spricht, wenn er auch beredsam sprechen will, sich bemühen muß, verständig, bereitwillig und gehorsam angehört zu werden.“152 Damit wird Eloquenz wiederum an Weisheit gekoppelt: Lob und Tadel, die im gemäßigten Stil „weder ungeschmückt gelassen noch unangemessen ausgeschmückt“ werden, zielen auch, aber nicht nur auf Erfreuen, vielmehr muss der Redner sich auch hier bemühen, gehorsam und verständig angehört zu werden – denn nur dann erfüllen Lob und Tadel auch eine belehrende und ermahnende Funktion für die Zuhörer.153 Die Predigt als 150 Aug. doct. christ. IV 25,55 (160,9–161,17): „Nam cum eloquentiae sit uniuersale officium, in quocumque istorum trium genere, dicere apte ad persuasionem; finis autem, id quod intenderis, persuadere dicendo; in quocumque istorum trium genere dicit quidem eloquens apte ad persuasionem, sed nisi persuadet, ad finem non peruenit eloquentiae. Persuadet autem in submisso genere uera esse, quae dicit, persuadet in grandi, ut agantur, quae agenda esse iam sciuntur nec aguntur, persuadet in genere temperato pulchre ornateque se dicere: quo fine nobis quid opus est?“ Vgl. KURSAWE 2000, 44. 151 Aug. doct. christ. IV 25,55 (161,17–20): „Appetant eum, qui lingua gloriantur, et se in panegiricis talibusque dictionibus iactent, ubi nec docendus nec ad aliquid agendum mouendus, sed tantummodo est delectandus auditor“; vgl. HARRISON 2000, 220: „What he [sc. Augustine] seems to want to say is that Christian literature is rhetorical, in a way that takes up the best of classical practice but is not subject to its failings.“ 152 Aug. doct. christ. IV 26,56 (161,1–3): „eum qui sapienter dicit, si etiam eloquenter uult dicere, id agere debere, ut intellegenter, ut libenter, ut oboedienter audiatur“; vgl. bereits IV 15,32; 17,34 (138,4f.; 141,1–4). KURSAWE 2000, 30 betont im Anschluss an PRESTEL 1992, 157f., dass im docere „die eigentliche Aufgabe des christlichen Redners“ besteht. Dem entspricht die Rolle des Predigers als Lehrer (so Aug. in psalm. 126,3; 190,45–47 G.: „Tamquam uobis ex hoc loco doctores sumus, sed sub illo magistro in hac schola vobiscum discipuli sumus“), wobei der so beschriebene christliche Lehrer eben nicht seine eigene Kunst, sondern die Botschaft seines eigenen Lehrers auszurichten habe (vgl. STUDER 1996, 487–489 mit weiteren Belegen). 153 Aug. doct. christ. IV 26,57 (162,36–163,44): „Illa quoque eloquentia generis temperati apud eloquentem ecclesiasticum nec inornate relinquitur nec indecenter ornatur nec solum hoc appetit, ut delectet, quod solum apud alios profitetur, uerum etiam in his, quae laudat siue uituperat, istis appetendis uel firmi-

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ein komplexer Sprechakt ist also inhaltlich um die Belehrung zentriert und sucht durch Lob und Tadel die Zustimmung der Zuhörer zu erlangen, um diese dann zum Befolgen des Gehörten zu bewegen. Delectare und flectere (bzw. movere) haben nicht mit dem Inhalt, sondern mit dessen Präsentation zu tun.154 Dabei hat die delectatio ihren Zweck nicht in sich selbst, vielmehr sind alle kommunikativen Strategien auf das flectere auszurichten; Pollmann spricht von einer „Finalisierung“ der drei Stile in Richtung auf das „gehorsame Anhören“.155 Dafür stellt die Übereinstimmung des Lebens des Predigers mit der von ihm vorgetragenen Lehre die unverzichtbare Voraussetzung dar: „Was aber das gehorsame Zuhören anbelangt, hat der Lebensstil des Redners ein größeres Gewicht als eine wie auch immer bedeutende Erhabenheit des Redestils.“156

Zwar sind auch Prediger, bei denen zwischen Leben und Lehre eine Diskrepanz besteht, nicht von vorneherein erfolglos, da sie „ihren eigenen Vorteil suchen, aber nicht wagen, von der erhöhten Position des kirchlichen Stuhles aus, den die heilbringende Lehre eingerichtet hat, ihren eigenen Vorteil zu lehren.“157 Mangelnde Konsequenz im Leben bietet aber eine willkommene Ausrede für ihre Hörer, „so daß sie das Wort Gottes, das ihnen verkündigt wird, zugleich mit seinem Verkündiger verachten.“158 Wie das Leben des Predigers grundsätzlich seiner Lehre entsprechen soll, so auch seine Rede:

us tenendis, illis autem deuitandis uel respuendis uult utique oboedienter audiri. Si autem non auditur intellegenter nec libenter potest. Proinde illa tria, ut intellegant, qui audiunt, ut delectentur, ut oboediant, etiam in hoc genere agendum est, ubi tenet delectatio principatum.“ Insofern es in einer Predigt analog zur antiken suasoria darum gehe, gewissermaßen „Rat zu erteilen“, hat SCHÄUBLIN 1994, 46 eine Nähe zwischen Predigt und Beratungsrede festgestellt, wodurch „sich letztlich wohl beide als Ableger des genus deliberativum“ erweisen: „Die Gemeinde steht dem Prediger als neuer populus gegenüber, den es angesichts drängender, fundamentaler Entscheidungen zu gewinnen, zu unterrichten, zu lenken gilt.“ 154 Aug. doct. christ. IV 12,27 (135,4–6): „Horum trium, quod primo loco positum est, hoc est docendi necessitas, in rebus est constituta, quas dicimus, reliqua duo, in modo, quo dicimus.“ Vgl. POLLMANN 1996, 240; VERWILGHEN 1998, 235; KURSAWE 2000, 34f.; zur kritischen Rezeption von Cic. orat. 21,69 vgl. PRESTEL 1992, 228–235. 155 P OLLMANN 1996, 242 zu IV 26,56 (zit. oben Anm. 152). 156 Aug. doct. christ. IV 27,59 (163,1f.): „Habet autem ut oboedienter audiamus, quantacumque granditate dictionis maius pondus uita dicentis.“ Vgl. VERWILGHEN 1998, 237: „La condition fondamentale du succès réside plutôt dans la dignité de la vie de l’orateur… Donner l’exemple aux autres et faire d’abord de sa conduite une éloquente prédication, c’est pour Augustin l’âme de l’apostolat et de la vraie éloquence.“ 157 Aug. doct. christ. IV 27,59 (163,14–16): „Sua enim quaerere student, sed sua docere non audent, de loco scilicet superiore sedis ecclesiasticae, quam sana doctrina constituit“ (vgl. Tit 1,9). 158 Aug. doct. christ. IV 27,60 (164,28f.): „Dei uerbum, quod eis praedicatur, simul cum ipso praedicatore contemnant.“

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

„Auch in der Rede selbst soll er lieber mit Dingen gefallen wollen als mit Worten, und er soll nicht glauben, daß etwas besser gesagt wird, wenn es nicht wahrer gesagt wird, und er soll als Lehrer nicht den Worten dienen, sondern die Worte dem Lehrer.“159

Darum sei es eben besser, ohne Beredsamkeit weise zu sprechen, als wortreich Unweisheit von sich zu geben.160 Augustin betont also die Priorität des guten Lebens gegenüber der Nützlichkeit der Beredsamkeit für die Verkündigung; dadurch ergibt sich ein Gefälle im Bild des orator christianus, der nicht mit dem vir bonus dicendi peritus Catos, Ciceros und Quintilians zu identifizieren ist. Wenn die ethische Qualität des Lebens jedoch gegeben ist, hindert nichts, die Lehre der Heiligen Schrift in fachgerechter Eloquenz vorzutragen. Daher erscheint m.E. Pollmanns Beschreibung von Buch IV als „Hinweise für den christlich korrekten Umgang mit der fakultativ erlaubten Rhetorik“161 zu defensiv: Tatsächlich ist es nicht „fakultativ“, ob ein Prediger seine Kunst versteht; wenn es um öffentliche Verkündigung geht, reicht die Berufung auf die den biblischen Schriften inhärente Eloquenz nicht aus.162 Wenn Augustin selbst konstatiert, dass eine „in reizloser Form“ (insuauiter) vorgetragene Predigt nur die wenigen Lernbegierigen erreichen würde, die sich auch von einer ungeschlachten Darbietungsform (abiecte inculteque) nicht schrecken ließen163, folgt daraus, dass ein Prediger – und überhaupt jeder, der andere Christen belehrt – auf die Form seiner Rede achten und jedenfalls in öffentlicher Verkündigung „die überlieferten Regeln und Kunstgriffe kennen und wirksam einsetzen“ muss.164 Ihre Evidenz jedoch gewinnt die Predigt nicht durch die Beredsamkeit des Predigers, sondern durch ihre „Sache“, die christliche Botschaft; daher sieht Prestel den zentralen Unterschied zu Cicero darin, dass dieser als orator mit seiner Person (kunstmäßige) ars rhetorica und (inhaltliche) sapientia zusammenbringen und verkörpern will, während Augustin die Person 159 Aug. doct. christ. IV 28,61 (164,6–8): „In ipso etiam sermone malit rebus placere quam uerbis nec existimet dici melius, nisi quod dicitur uerius, nec doctor uerbis serviat, sed uerba doctori.“ Vgl. HARRISON 2000, 220f. 160 Aug. doct. christ. IV 28,61 (165,30–32): „Sed qui utrumque non potest, dicat sapienter, quod non dicit eloquenter, potius quam dicat eloquenter, quod dicit insipienter“; vgl. bereits IV 5,8 (121,33– 41), zit. oben Anm. 137. 161 P OLLMANN 1996, 243. 162 H ARRISON 2000, 221f.: „Rather, it is when he [sc. Augustine] turns to actually justify his use of rhetoric, to explain why it is necessary and effective for the Christian writer and preacher, that what he says seems most cogent, ingenuous, and true to his own experience.“ 163 Aug. doct. christ. IV 11,26 (134,3–6): „Quod tamen si fiat insuauiter, ad paucos quidem studiosissimos suus peruenit fructus, qui ea quae discenda sunt, quamuis abiecte inculteque dicantur, scire desiderant“; vgl. BLÜMER 2002, 69. 164 SCHÄUBLIN 1994, 30. Vgl. RAPPE 2001, 412: „In this treatise, we witness a complete upset of the secular art and its grip upon the institutions of Christian paideia. No doubt, Augustine spoke from experience in the pulpit; the institutes of preaching were a new form of oratorical rules, designed primarily to save souls, and to ensure that truth could be revealed with as much persuasive power as its antithesis.“

3. Christliche Amtsträger und pagane Bildung

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des tractator ganz in seiner Aufgabe, nämlich der Schriftauslegung, aufgehen lässt.165 Mit Schäublin ist jedoch die Kontinuität in der Rolle des orator festzuhalten: „‚Der Redner‘, dessen Gestalt die ganze klassische Antike fasziniert hatte, musste – mit einer neuen Aufgabe – als ‚Prediger‘ weiterleben, und die Metamorphose fand zweifellos… in der Schule statt.“166

165 166

Vgl. PRESTEL 1992, 295. SCHÄUBLIN 1994, 45.

4. Christen als Lehrer im Schulsystem der Spätantike Die Tätigkeit von Christen als Lehrer an „heidnischen“ Schulen ist bislang wenig erforscht. Tertullians Urteil, dass ein Christ grundsätzlich nicht Lehrer sein könne, und die Mahnung der Traditio apostolica, ein Lehrer möge vor dem Eintritt ins Katechumenat seinen Beruf aufgeben (s.o. S. 68), waren schon für ihre eigene Zeit nur bedingt repräsentativ; nach der „konstantinischen Wende“ wurden solche Forderungen nicht mehr erhoben.1 In den spätantiken kirchenrechtlichen Sammlungen wird nur in den aus Ägypten stammenden, ursprünglich griechisch verfassten und arabisch überlieferten Canones Hippolyti christlichen Grammatikern eine antipagane Aufklärung vorgeschrieben: „Ein Grammatiker, der kleine Kinder unterrichtet und nichts anderes hat, von dem er leben könnte, soll einen Tadel aussprechen, wenn in dem, was er unterrichtet, etwas [Heidnisches] vorkommt, und er soll bekennen, dass die, welche von den Heiden Götter genannt werden, Dämonen seien; und er soll ihnen [sc. seinen Schülern] täglich sagen: Es gibt keinen anderen Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist. Wenn er seine Schüler alles Fachliche lehren kann, ist das gut; wenn er aber darüber hinaus dazu voranschreitet, sie den wahren Glauben zu lehren, wird ihm dies zum Verdienst gerechnet werden.“2

Die Kautele der Traditio apostolica wird hier mit der Anweisung verbunden, den Schülern einzuschärfen, was von den Göttern der „Heiden“ zu halten sei – ein Verfahren, das schon Tertullian skeptisch beurteilt hatte, da es kaum möglich sei, sich bei der Vermittlung des Lehrstoffs zugleich konsequent von diesem zu distanzieren. Dass die zitierten Anweisungen schulische Realität widerspiegeln können, zeigt aber ein aus Ägypten (4. Jh.) stammendes Schulheft, in dem jede Seite mit einem Kreuzeszeichen versehen ist, bevor mit griechischen Götternamen das Schreiben geübt wird.3 Doch wird damit die 1 Auf die signifikante Ausnahme Augustins ist unten (S. 421) einzugehen. Die Constitutiones Apostolorum folgen zwar weitgehend Trad. ap. 16, nicht aber bei den Restriktionen für Lehrer als Taufbewerber (Const. App. VIII 32,8–10; SC 336, 236,24–238,32 Metzger). 2 Can. Hipp. 69f. (TU VI/4, 80f. Achelis): „ Γραµµατικός , qui parvos pueros instruit, si aliam artem non novit, qua victum quaerat, vituperat, quandocumque in iis, quos instruit, aliquid apparet, et sincere confiteatur eos, qui a gentilibus diis vocantur, daemones esse dicatque coram illis quotidie: Non est Deus nisi pater et filius et spiritus sanctus. Si autem discipulos omnes docere potest magnam partem (– – – – –), vel si potest ulterius progressus docere eos fidem veram, hoc illi erit merito“; die arabische Fassung ist ediert von Coquin, PO 31/2, hier 366 (can. 12); vgl. MARROU 1977, 591; zu Autor und Datierung vgl. STEIMER 1992, 77f., der mit Coquin für eine genuine Verbindung mit dem Namen Hippolyts votiert; anders MARKSCHIES 1999, 8–11: Die Zuschreibung an Hippolyt sei erst in der koptischen Übersetzung des griechischen Originals erfolgt; dieses sei ins späte 4., eher noch ins frühe 5. Jh. zu datieren. BEAVIS 2000, 417 extrapoliert allzu weitgehend: „the urban school ‚must have opened an almost unlimited missionary door of opportunity’.“ 3 Papyrus Bouriant 1 (ZIEBARTH 1913, 21f. Nr. 46); vgl. M ARKSCHIES 2002, 101f.

4. Christen als Lehrer im Schulsystem der Spätantike

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Partizipation von Christen als Lehrer und Schüler am Schulwesen nicht in Frage gestellt, sondern durch eine Art Exorzismus gerade ermöglicht. Standen in den vorigen Abschnitten Christen als Bildungsträger und damit als Schüler im Mittelpunkt, so ist im Folgenden nach christlichen Bildungsvermittlern zu fragen: nach Christen, die als Lehrer im paganen Schulsystem wirkten und damit praktizierten, was Tertullian für unmöglich gehalten und die Traditio apostolica nur als Notlösung konzediert hatte. Dieser Sachverhalt wurde ausgerechnet von Kaiser Julian problematisiert, also durch einen dezidierten „Heiden“, dessen Schuledikt von 362 auch für Christen die Frage aufwarf, wie die Vermittlung von Bildung angesichts asketischer und theologischer Bildungskritik zu rechtfertigen sei (4.1.). Zwar blieb Julians Herrschaft Episode, doch die Herausforderung durch seine Bildungspolitik behielt ihre Bedeutung, nicht nur weil hier eine prinzipielle Anfrage an das Bildungsverständnis der Christen formuliert war4, sondern weil in der Spätantike Christen in großer Zahl als Lehrer wirkten und damit in ihrem Wirkungsfeld paradigmatisch die enge Verwobenheit des Christentums in die römische Gesellschaft bezeugten, die als ambivalent, wenn nicht problematisch erschien. Hier sind zunächst die Zeugnisse über Lehrer im lateinischen Sprachraum zusammenzustellen (4.2.), bevor im folgenden Abschnitt nach der theologischen Reflexion eben dieser antiken Bildung zu fragen ist, die auch von Christen – und zumeist ganz selbstverständlich – vermittelt wurde. 4.1. Dürfen Christen Lehrer sein? Das Schulgesetz Julians Wenn in der Spätantike überhaupt einmal trennscharf zwischen christlichen und „heidnischen“ Urteilen über einen Menschen zu unterscheiden ist, dann gewiss bei Julian, den Ammianus Marcellinus, Libanius und Claudianus Mamertinus in höchsten Tönen lobten, Gregor von Nazianz und Kyrill von Alexandrien hingegen mit schärfster Kritik belegten. Diesen höchst diskrepanten Würdigungen5 stehen Julians Erlasse, Briefe und Traktate als kritisches Korrektiv gegen die Gemengelage von Panegyrik und Polemik in antiken Quellen 4 Vgl. INGLEBERT 2004, 334: „Le célèbre épisode de 362, où les chrétiens s’insurgèrent contre l’interdiction d’enseigner qui leur fut faite par Julien… montre à quel point la plupart des chrétiens avaient accepté la culture classique, et prouve que l’on ne peut plus alors dissocier les problèmes scolaires et culturels.“ 5 Vgl. NESSELRATH 2001, 16: „Der zum Heiden gewordene Renegat, der militärisch und administrativ rastlos tätige Kaiser, der rhetorisch versierte Schriftsteller und der neuplatonische Philosoph – alle diese Aspekte tauchen in jeweils verschiedenen Mischungsverhältnissen bei der Beurteilung Julians in den literarischen Zeugnissen seiner Mit- und Nachwelt auf, je nach der geistigen Herkunft und weltanschaulichen Position der einzelnen Autoren…“. Zu Julian vgl. den „Klassiker“ von BIDEZ 1940 (zuerst frz. 1930); WILKEN 1986, 175–207; BOUFFARTIGUE 1992; GIEBEL 2002; zuletzt BRINGMANN 2004 und ROSEN 2006 (hier auch 394–462 ein Abriss der literarischen Wirkungsgeschichte Julians bis zur Gegenwart). Zur Person vgl. PLRE I 477f. Nr. 29; RÜPKE/GLOCK 989 Nr. 1676.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

und moderner Forschung gegenüber. Im vorliegenden Zusammenhang muss das Augenmerk besonders dem „Rhetorenedikt“ vom 17. Juni 362 gelten: „Schulmeister und Professoren müssen sich in erster Linie durch ihre Sitten, sodann durch ihre Redekunst auszeichnen. Weil ich aber nicht persönlich in allen Gemeinden anwesend sein kann, ordne ich an, dass jeder, der sich als Lehrer betätigen will, sich nicht auf der Stelle und ohne weiteres auf diesen Beruf verlegen darf, sondern durch einen Ratsbeschluss anerkannt sein muss und ein Dekret der Ratsherren mit einstimmigem Votum der Vornehmsten unter ihnen zu erlangen hat. Dieses Dekret wird mir nämlich zur Bearbeitung vorgelegt werden, damit sie durch unsere Bestätigung mit erhöhtem Ansehen in die Schulen der Gemeinden eintreten können.“6

Dieser Text hat harsche Beurteilungen erfahren: „Ce monument d’intolérance se termine par le couplet habituel en l’honneur de la liberté“, so Paul Allard; die Schulen seien damit zu „séminaires de paganisme“ geworden.7 Das Ziel seiner scheinbar harmlosen, tatsächlich jedoch heimtückischen Politik sei es gewesen, die Christen aus öffentlichen Funktionen zu verdrängen, ihnen die Bürgerrechte zu nehmen und sie schließlich aus dem Gemeinwesen zu vertreiben.8 Diese Darstellung speist sich aus Hieronymus’ Chronik: „Als Julian sich dem Götzenkult zugewandt hatte, gab es eine sanfte Verfolgung, die zum Opferdienst mehr verlockte, als dass sie dazu zwang, so dass viele von uns aus freiem Willen daran teilnahmen.“9

Mit der Schule spielte dabei eine Institution die zentrale Rolle, die bislang nicht als Konfliktherd aufgefallen. Torben Christensen formuliert das Ziel des Schulgesetzes als „Mobilisierung der Schule im Kampf für das Heiden-

6 Cod. Theod. XIII 3,5 (741 Mommsen): „Magistros studiorum doctoresque excellere oportet moribus primum, deinde facundia. Sed quia singulis civitatibus adesse ipse non possum, iubeo, quisque docere vult, non repente nec temere prosiliat ad hoc munus, sed iudicio ordinis probatus decretum curialium mereatur optimorum conspirante consensu. Hoc enim decertum ad me tractandum referetur, ut altiore quodam honore nostro iudicio studiis civitatum accedant“ (bis auf den letzten Satz übernommen in Cod. Iust. X 53,7; CIC II, 666 Krüger); Übers. FIEDROWICZ 2004, 126. Neuere Arbeiten zur Problematik des Schulediktes: HARDY 1968; KLEIN 1981; PACK 1986, 261–300; THRAMS 1992, 117–132; FIEDROWICZ 2001; BRINGMANN 2004, bes. 123–128; ROSEN 2006, 270–273; vgl. aus der älteren Forschung noch ENßLIN 1923, bes. 187–189. 7 A LLARD 1910, 360. 364; vgl. auch BIDEZ 1940, 278. 8 A LLARD 1910, 368: „C’est la persécution bénigne, insidieuse, qui n’attaque pas de front, mais emploie les moyens obliques… Par une série de mesures, dont aucune n’est absolument illégale, mais qui, rassemblées, constituent la plus monstrueuse tyrannie, elle cherche à mettre peu à peu les chrétiens à l’écart de toutes les fonctions publiques, à leur ravir en détail leurs droits de citoyens, à les pousser doucement hors la cité, hors la loi.“ Auch nach Rufin. h.e. X 33 (GCS Eusebius II/2, 994,23 Mommsen) war Julian ein „callidior persecutor“ als seine Vorgänger; vgl. THRAMS 1992, 124 und FIEDROWICZ 2001, 75. 9 Hier. chron. a. 362 (GCS Eusebius VII/1, 242,12–15 Helm): „Iuliano ad idolorum cultum conuerso blanda persecutio fuit inliciens magis quam inpellens ad sacrificandum, in qua multi ex nostris uoluntate propria corruerunt.“

4. Christen als Lehrer im Schulsystem der Spätantike

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tum“10; Peter Stockmeier spricht vom „ersten Kulturkampf unter Kaiser Julian“11, Joseph Bidez von einer „Kriegserklärung an das Christentum“.12 Freilich konnte dieser Erlass auch als nicht christenfeindlich, sondern um die Qualifikation des Lehrpersonals allgemein bemüht interpretiert werden: Dass ein dicendi peritus auch ein vir bonus sein müsse, war römische Überzeugung seit republikanischer Zeit. Dass der Kaiser persönlich die Einstellung der Lehrer in Kleinstädten und Dörfer überwachen wollte, erscheint zwar unpraktikabel, spiegelt aber die zeitgenössische Stilisierung Julians als „Lehrer aller Tugenden und Fürst der Philosophie“.13 B. Carmon Hardy würdigte das Gesetz als „konstruktive Maßnahme“, die – in Übereinstimmung mit den übrigen Reformmaßnahmen Julians im administrativen und ökonomischen Bereich – „die Schulen zu ihren traditionellen Aufgaben zurückzuführen“ versuchte. Wenn in dem Edikt eine singuläre antichristliche Stoßrichtung gesehen werden könne, dann deshalb, weil Julian die Christen – für Hardy nicht zu Unrecht – für „einen der meistverbreiteten Kulturschäden seiner Zeit“ verantwortlich gemacht habe, nämlich für „die wachsende Unversöhnlichkeit geistlicher und weltlicher Interessen“.14 Auch für Rowland Smith steht hinter dem Schuledikt keine religiöse Radikalisierung, sondern die konsequente Umsetzung von Julians Ideal der Philanthropie als Grundlage des Staates.15 Nach Richard Klein ist das Schuledikt weder „einem puren Christenhaß und einem blinden Fanatismus für die polytheistische Glaubenswelt entsprungen“ noch als „eine erste sichtbare Maßnahme zur Wiederaufrichtung des heidnischen Staates“ zu betrachten; der jungen Kaiser habe gegen den von christlichen Günstlingen seines Vorgängers durchsetzten Beamtenapparat „seine Herrschaft durch die Erziehung zuverlässiger Amtsträger abzusichern“ versucht, im Wissen darum, „daß nur eine mit ihm in Glauben und Bildung geeinte Elite fähig und willens ist, ihm in Zukunft die hart erkämpfte Herrschaft zu erhalten.“16 Diese Deutung entspricht der inschriftlichen Darstellung Julians

10

CHRISTENSEN 1981, 257. STOCKMEIER 1967, 133; ebenso THRAMS 1992, 125 und FIEDROWICZ 2001, 77. 12 B IDEZ 1940, 276. 13 Vgl. die Inschrift auf einer Statuenbasis aus Ephesus, zit. bei C ONTI 2004, 77 Nr. 26 Z. 1–8: „D(omino) n(ostro) Fl(avio) Cl(audio) Iuliano, | virtutum omnium magistro, | philosophiae principi, | venerando et | piissimo imperatori, | victoriosissimo Augusto, | omnium barbararum | gentium debellatori“. Stifter war der proconsul Asiae von 363, Aelius Claudius Dulcitius (vgl. PLRE I 274 Nr. 5; VON HAEHLING 1978, 140f. Nr. 9). 14 H ARDY 1968, 398. 391. 395; vgl. ENßLIN 1923, 118–125; COCHRANE 1940, 273f. 15 Vgl. S MITH 1995, 212: „Philanthrôpia was a virtue central to Julian’s imperial vision, and closely bound up with his ideal of paideia. In his view, the Christians had seized upon it in one of its aspects and used it to their own ends; and in that respect their practice of it found a parallel in his eyes in the use they made of Greek education.“ Vgl. zu dieser Herleitung des Schuledikts auch PROSTMEIER 2001, 39. 16 K LEIN 1981, 151; zur Kritik an Hardy und Klein vgl. P ACK 1986, 265f. 11

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

als „restitutor libertatis et Romanae religionis“17, die auch in der Gedenkrede des von ihm verehrten Rhetors Libanius vom Sommer 365 zur Sprache kommt: „Da er nun glaubte, daß Rhetorik und Tempel Geschwister seien und zugleich sah, wie diese völlig, jene zum großen Teil verfallen waren, tat er alles, damit die Reden wieder volles Ansehen erführen und die Liebe für sie in den Menschen erwache, indem er einerseits die Vertreter der Redekunst ehrte, andererseits selbst Reden verfasste… Dieselbe Absicht steckte auch hinter seinem Entschluß, die Verwaltung der Städte Kennern der Redekunst in die Hände zu geben und ungebildete Statthalter zu entlassen, die zwar gewandte Stenographen waren, aus Unverstand aber das Staatsschiff untergehen ließen. Er rehabilitierte Männer, die sich in Redekunst und Dichtung und anderen Studien, durch welche man die Tugenden des Regierenden lernen kann, hervortaten und die bisher auf die Seite gestoßen worden waren, und machte sie zu Statthaltern der Provinzen.“18

Die Christen hätten allerdings, so Klein, „als Selbstzweck verstanden, was für Julian Mittel zum Zweck war“: die neue Funktion der traditionellen Schulbildung als Ausweis politischer Zuverlässigkeit künftiger Amtsträger.19 Eine antichristliche Stoßrichtung des „Rhetorenedikts“ legt allerdings das präzisierende Sendschreiben nahe: Die παιδεία ὀρθή erschöpfe sich nicht in formaler Korrektheit von Satzbau und Sprache, sondern ziele auf die ethische Dimension, auf die Unterscheidung von Gut und Böse. Daher stellt Julian fest: „Wer also seine Schüler anderes lehrt als er denkt, scheint mir von Bildung ebenso weit entfernt zu sein wie von der Wesensart eines redlichen Mannes.“20 Bildung ist demnach – entsprechend der antiken Rhetorikkritik –

17 C ONTI 2004, 171 Nr. 167 Z. 4–14 = CIL VIII 4326: „omn[i] ge|nere polle|nti virtu|tum, invicto | principi, res|titutori li|be[r]t[at]is et Ro|[manae] re|ligion[is] a[c] tr[i] |[umfat]ori or|bis“. 18 Liban. or. XVIII 157f. (II 304,11–16; 304,20–305,5 Foerster): ῾Ο δὲ νοµίζων ἀδελφὰ λόγουςτεκαὶθεῶνἱερὰκαὶτὸµὲνὅλωςἀνῃρηµένονὁρῶν,τοῦδὲτὸπλέον,ὅπωςτελέωςκαὶ τὸτούτωνἔχοικαὶπάλινἐρασθεῖενἄνθρωποιλόγων,ἔπραττε,τοῦτοµὲνταῖςτῶνἐπισταµένων τιµαῖς, τοῦτο δὲ τῷ λόγους αὐτὸς ποιεῖν… τῆς αὐτῆς δὲ διανοίας καὶ τὸ τὰς πόλεις ὑπὸ τοῖς λέγεινἐπισταµένοιςποιεῖνκαὶπαῦσαιτοὺςβαρβάρουςτῶνἐθνῶνκυβερνήτας,οἳγράφοντεςµὲν σὺν τάχει, νοῦν δὲ οὐκ ἔχοντες ἀνέτρεπον τὰ σκάφη. ὁ δὲ τοὺς πληρωµένους ποιητῶν τε καὶ λογοποιῶνκαὶπαρ᾿ὧνἦνεἰδέναι,τίςἄρχοντοςἀρετή,τούτουςπαρεωσµένουςὁρῶνἔδωκετοῖς ἔθνεσι; Übers. FATOUROS/KRISCHER, BGL 58, 210–212; zur Datierung WIEMER 1995, 260– 266; zur Beziehung des Libanius zu Julian s. jetzt WINTJES 2005, 119-133. Nach PACK 1986, 287–293 lässt sich diese Kehrtwendung der Personalpolitik von Konstantius zu Julian nicht verifizieren; in der Kürze der Zeit konnte Julian gar nicht anders, als sich der unter seinen Vorgängern ausgebildeten Kandidaten zu bedienen, wobei „Altgläubigkeit… im Zweifelsfall als hinreichendes Indiz für innere Distanz zum Regime des Konstantius“ galt (aaO. 293). 19 K LEIN 1981, 153. GIEBEL 2002, 141 versteht das Schuledikt – überpointiert – als Reaktion auf die Attraktivität des asketischen Lebens für gebildete Christen: „Konnte man also den Christen trauen, daß sie loyale Staatsdiener blieben, mußte sich Julian fragen, oder gingen seine Beamten eines Tages in die Wüste?“ 20 Ep. 61c (422B Bidez/Cumont): ῞Οστις οὖν ἕτερα µὲν φρονεῖ, διδάσκει δὲ ἕτερα τοὺς πλησιάζοντας, αὐτὸς ἀπολελεῖφθαι δοκεῖ τοσούτῳ παιδείας, ὅσῳ καὶ τοῦ χρηστὸς ἀνὴρ εἶναι; Übers. WEIS, 177 (hier gezählt als ep. 55).

4. Christen als Lehrer im Schulsystem der Spätantike

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mehr als die Kunst grammatischer Analyse und die Technik überzeugenden Redens, vielmehr gehört dazu auch die persönliche Haltung des Lehrenden: „Daher sollten alle, die Unterricht irgendwelcher Art anbieten, untadelig in ihrer Haltung sein und keine Ansichten in ihrer Seele tragen, die ihrem öffentlichen Auftreten widerstreiten; doch weit mehr als bei allen anderen sollte das bei denen zutreffen, die zur Behandlung literarischer Werke mit der Jugend zusammenkommen, als Erklärer des Schrifttums der Alten, seien sie Rhetoren, Grammatiker oder gar erst Sophisten; denn sie wollen nicht nur Lehrer sprachlicher Stilgesetze, sondern auch sittlicher Grundsätze sein, und sie behaupten, die politische Wissenschaft sei ihr Spezialgebiet.“21

Im Folgenden führt Julian aus, wie die „Alten“ Bildung vermitteln könnten: „Für Homer und Hesiod und Demosthenes und Herodot und Thukydides und Isokrates und Lysias waren die Götter Führer zu jeglicher Bildung… Ein Unding ist es deshalb nach meiner Auffassung, daß die Interpreten ihrer Werke den von ihnen verehrten Göttern die Ehre verweigern.“22

Es geht also nicht nur um schulphilosophische ethische Prinzipien, sondern um die Götter, die von den großen Literaten besungen worden waren. Julian nennt hier ausschließlich Griechen; dies entspricht der Klage während seiner Statthalterschaft in Gallien gegenüber Studienkollegen aus Athener Zeiten: „Es ist ein Wunder, wenn ich überhaupt noch Griechisch sprechen kann; so barbarisch verwildert sind wir durch diese Gegenden hier“23 – während in der Mitte des 4. Jahrhunderts die Schule von Bordeaux ihre Blütezeit erlebte!24 Entscheidend ist, dass die Glaubwürdigkeit Homers und seiner Nachfolger auf dem Spiel zu stehen scheint, weswegen die angesprochenen Lehrer vor der Alternative stehen, „entweder nicht zu lehren, was sie nicht ernst neh21 Ep. 61c (422CD): Πάνταςµὲνοὖνχρῆντοὺςκαὶὁτιοῦνδιδάσκεινἐπαγγελλοµένουςεἶναι τὸν τρόπον ἐπιεικεῖς καὶ µὴ µαχόµενα οἷς δηµοσίᾳ µεταχειρίζονται τὰ ἐν τῇ ψυχῇ φέρειν δοξάσµατα, πολὺ δὲ πλέον ἁπάντων οἶµαι δεῖν τοιούτους, ὅσοι ἐπὶ λόγοις τοῖς νέοις συγγίγνονται, τῶν παλαιῶν ἐξηγηταὶ γιγνόµενοι συγγραµµάτων, εἴτε ῥήτορες εἴτε γραµµατικοὶ καὶ ἔτι πλέον οἱ σοφισταί· βούλονται γὰρ πρὸς τοῖς ἄλλοις οὐ λέξεων µόνον, ἠθῶν δὲ εἶναι διδάσκαλοι, καὶ τὸ κατὰ σφᾶς εἶναί φασι τὴν πολιτικὴν φιλοσοφίαν; Übers. WEIS, 177. Nach KLEIN 1981, 129f. Anm. 5 sind hier Vermittler der „höheren“ Schulbildung gemeint, nicht die Elementarlehrer, „da sie nicht in gleicher Weise auf eine öffentliche Anstellung hoffen konnten und keine Privilegien (Immunität) genossen“; s.o. S. 53. Da nur eine Minderheit der Jugendlichen die Grammatiker und Rhetoren aufsuchten, konnte Julian auf diesem Wege nicht „eine wertorientierte Erziehung auf breitester gesellschaftlicher Ebene“ anstreben (so aber FIEDROWICZ 2001, 86) – es ging ihm vielmehr ausschließlich um die Bildungselite. 22 Ep. 61c (423A B./C.): ῾Οµήρῳ µέντοι καὶ ῾Ησιόδῳ καὶ ∆ηµοσθένει καὶ ῾Ηροδότῳ καὶ Θουκυδίδῃ καὶ ᾿Ισοκράτει καὶ Λυσίᾳθεοὶ πάσηςἡγούνταιπαιδείας... ῎Ατοπον µὲνοἶµαι τοὺς ἐξηγουµένους τὰ τούτων ἀτιµάζειν τοὺς ὑπ᾿ αὐτῶν τιµηθέντας θεούς; Übers. WEIS, 179. Zu Julians Auffassung von der „Gottlosigkeit“ der Christen vgl. PROSTMEIER 2001, 44–51. 23 Ep. 8 (441C B./C.): Τὰ δὲ ἐµά, εἰ καὶ φθεγγοίµην ῾Ελληνιστί, θαυµάζειν ἄξιον· οὕτως ἐσµὲνἐκβεβαρβαρωµένοιδιὰτὰχωρία; Übers. WEIS, 13; vgl. ZELZER 1997, 341. 24 Vgl. SIVAN 1993, 74 und ausführlich HAARHOFF 1920, 39–52, bes. 47f. zu Bordeaux und 49f. zu Julians sarkastischer Bezugnahme auf die gallischen ἄγροικοι.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

men, oder, wenn sie schon unterrichten wollen, zuerst durch die Tat zu lehren“, in jedem Fall aber die Mitteilungen der Alten nicht als „Ehrfurchtslosigkeit, Unverstand und Verwirrung“ hinzustellen.25 Wer sich inhaltlich von Ilias und Odyssee distanziert, anhand dieser Texte aber analytische Methoden einübt, handelt unaufrichtig – und wem dies unterstellt wird, ist eindeutig: „Halten sie aber die für Weise, deren Interpreten sie sind und als deren Propheten sie sozusagen thronen, dann sollen sie zuerst ihrer Ehrfurcht vor den Göttern nacheifern; nehmen sie hingegen von ihnen an, daß sie in ihrer Auffassung von den verehrungswürdigen Wesen geirrt haben, dann sollen sie in die Kirchen der Galiläer gehen, um den Matthäus und Lukas auszulegen, deren Weisung folgend euer Gesetz die Teilnahme am Opfermahl untersagt.“26

Die Texte, die dem Schulunterricht zu Grunde liegen, behandeln also nicht nur unter anderem religiöse Themen, sondern sind integraler Ausdruck der hellenistischen Religion, zu der sich das Christentum als Alternative darstellte, wie Julian aus seiner eigenen christlichen Erziehung wusste. Die Forderung, Konsequenzen daraus zu ziehen, richtete sich ausschließlich an die Lehrer, während christliche Schüler ausdrücklich in der Schule verbleiben sollten: „Wer von den jungen Leuten zur Ausbildung kommen will, ist davon nicht ausgeschlossen… Belehren nämlich, meine ich, nicht bestrafen muss man die Unvernünftigen.“27

Solche Belehrung ist aber für Julian nur durch Lehrer möglich, die die Schriften der „Alten“ nicht nur als Unterrichtsmaterial, sondern zuerst als „Theologie“ wahrnehmen und sich selbst als Propheten der darin auftretenden Götter verstehen. Julian versteht unter Schulunterricht also über die Vermittlung rhetorischer Fähigkeiten hinaus die Einführung in die hellenistische Religion als Grundlage des mos maiorum – die Schule soll damit auch in religiöser Hinsicht junge Menschen zu Staatsbürgern heranbilden. Genau dies ist aber nicht möglich, wenn christliche Lehrer diese religiöse und kulturelle Bindungsfunktion der klassischen Literatur bestreiten – wobei es auch für pagane Grammatiker oder Rhetoren eine neue Erfahrung war, anhand der Homerauslegung religiöse und ethische Bildung vermitteln zu sollen!

25 Ep. 61c (423B B./C.): δίδωµι δὲ αἵρεσιν µὴ διδάσκειν, ἃ µὴ νοµίζουσι σπουδαῖα, βουλοµένους δέ, διδάσκειν ἔργῳ πρῶτον, καὶ πείθειν τοὺς µαθητάς, ὡς οὔτε ῞Οµηρος οὔτε ῾Ησίοδοςοὔτετούτωντίςἀνόητος,οὓςἐξήγηνταικατηγορηκότεςαὐτῶνκαὶκατεγνωκότεςἀσέβειανἄνοιάντεκαὶπλάνηνεἰςτοὺςθεούς; Übers. WEIS, 179. 26 Ep. 61c (423D): ᾿Αλλ᾿ εἰ µὲν οἴονται σοφοὺςὧν εἰσιν ἐξηγηταὶ καὶ ὧνὥσπερπροφῆται κάθηνται, ζηλούτωσαν αὐτῶν πρῶτον τὴν εἰς τοὺς θεοὺς εὐσέβειαν· εἰ δὲ εἰς τοὺς τιµιωτάτους ὑπολαµβάνουσι πεπλανῆσθαι, βαδιζόντων εἰς τὰς τῶν Γαλιλαίων ἐκκλησίας ἐξηγησόµενοι ΜατθαῖονκαὶΛουκᾶν,οἷςπεισθέντεςἱερείωνὑµεῖςἀπέχεσθαινοµοθετεῖτε; Übers. WEIS, 179. 27 Ep. 61c (424AB B./C.): ὁβουλόµενοςδὲτῶννέωνφοιτᾶνοὐκἀποκέκλεισθαι...καὶγὰρ, οἶµαι,διδάσκειν,ἀλλ᾿οὐχὶκολάζεινχρὴτοὺςἀνοήτους; Übers. WEIS, 181.

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Julian unterstellte, für Christen sei dies nicht nur ungewohnt, sondern schlechthin unmöglich, wenn sie ihrer eigene Lehre folgten, die nicht Wissenschaft, sondern Glauben fordere, wie Gregor von Nazianz empört referiert: „Julian wendet ein: ‚Uns gehört Wissenschaft und Bildung, wozu auch die Verehrung der Götter gehört. Für euch paßt Dummheit und Rohheit; euer oberster Grundsatz und eure Weisheit ist: Glaube!‘“28

Die scharfe Dichotomie von Christen und Hellenen ist ein Spiegel der pauschalen christlichen Abgrenzung von den „Heiden“, gemünzt auf die nicht mit den „Logoi“ vertrauten und „bäurischen“, also „barbarischen“ und kulturlosen Christen (zum „sermo piscatorius“ s.o. 3.2.). In seiner Polemik „Gegen die Galiläer“ attackiert Julian, was er als Heuchelei der Christen betrachtet: „Wenn euch wirklich die Lektüre eurer Schriften genügt, warum nascht ihr von der Lehre der Griechen?“29 Doch wohl deshalb – so die Antwort –, weil die Christen die Defizite ihrer Bibel bestens kennen: „Ihr wisst es selbst, wie mir scheint, welch großer Unterschied zwischen euren inspirierten Schriften und den unsrigen in der Wirkung auf den Verstand sich findet, und dass niemand anhand eurer Literatur ein edler oder auch nur tüchtiger Mensch wird, dass dagegen unsere einen jeden, auch wenn er ganz talentlos ist, besser macht. Ist er aber gut veranlagt und wird ihm noch dazu die Bildung durch unsere Literatur zuteil, so wird er geradezu ein Geschenk der Götter für die Menschen…“.30

Darum habe „jeder, der auch nur ein Minimum an guten Anlagen besaß, sich schleunigst von eurer Gottlosigkeit abgewendet“.31 Julian verknüpft damit ἀπαίδευσις und ἀθεότης: „Unbildung“ ist nicht die Unfähigkeit zu lesen und zu schreiben, sondern eine sittliche und staatsbürgerliche Defizienz. Wenn Julian den Christen vorwirft, sie hätten ihren Wandel „nach der Lebensweise der verworfensten Leute gestaltet, von Krämern, Zöllnern, Tänzern und

28 Greg. Naz. or. 4,102 (SC 309, 250,1–3 Bernardi): ῾Ηµέτεροι, φησίν, οἱ λόγοι καὶ τὸ ἑλληνίζειν, ὧν καὶ τὸ σέβειν θεούς, ὑµῶν δὲ ἡ ἀλογία καὶ ἡ ἀγροικία, καὶ οὐδὲν ὑπὲρ τὸ ‚Πίστευσον‘ τῆς ὑµετέρας ἐστὶ σοφίας; Übers. nach KURMANN 1988, 339; vgl. STOCKMEIER 1967, 134. 29 C. Galil. frg. 55 (149,2–4 Masaracchia): τοῦ χάριν ὑµεῖς τῶν παρ᾿ ῞Ελλησι παρεσθίετε µαθηµάτων, εἴπερ αὐτάρκης ὑµῖν ἐστιν ἡ τῶν ὑµετέρων γραφῶν ἀνάγνωσις; Übers. FIEDROWICZ 2004, 129. 30 C. Galil. frg. 55 (149,14–18 M.): ὡς ἐκ µὲν τῶν παρ᾿ ὑµῖν οὐδεὶς ἂν γένοιτο γενναῖος ἀνήρ,µᾶλλονδὲοὐδὲἐπιεικής,ἐκδὲτῶνπαρ᾿ἡµῖναὐτὸςαὐτοῦπᾶςἂνγένοιτοκαλλίων,εἰκαὶ παντάπασιν ἀφυήςτις εἴη. φύσεως δὲ ἔχων εὖ καὶ τὰςἐκ τούτων προσλαβὼν παιδείας ἀτεχνῶς γίνεταιτῶνθεῶντοῖςἀνθρώποιςδῶρον...; Übers. FIEDROWICZ 2004, 129. 31 C. Galil. frg. 55 (149,9–11 M.): ὅτῳ οὖν ὑπῆρξεν εὐφυΐας κἂν µικρὸν µόριον, τούτῳ τάχιστα συνέβη τῆς παρ᾿ ὑµῖν ἀθεότητος ἀποστῆναι; Übers. FIEDROWICZ 2004, 129; dazu MEREDITH 1980, 1139. Vgl. auch frg. 57 (151,6–8 M.): σκοπεῖτε οὖν, εἰ µὴ καθ᾿ ἕκαστον τούτωνὑµῶνἐσµενκρείττους,λέγωδὲτὰπερὶτὰςτέχναςκαὶσοφίανκαὶσύνεσιν.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Kupplern“32, stellt er sich in die polemische Tradition eines Celsus. Bereits dieser hatte kritisiert, Jesus habe um sich „die schlechtesten Steuereinnehmer und Seeleute“ versammelt33; das Missionsprogramm der Christen laute daher: „Kein Gebildeter komme zu uns, kein Weiser und kein Verstandesmensch! Solche Eigenschaften werden bei uns als Übel angesehen. Aber wenn einer ungelehrt, wenn einer unvernünftig, wenn einer ungebildet, wenn einer töricht ist, der möge ruhig kommen!“34

Julians Kritik an den Christen wird bereits von Hieronymus dieser Diastase von Christentum und Bildung nach Celsus (und Porphyrius) zugeordnet.35 In einem bei Facundus von Hermiane überlieferten Brief Julians an Photin von Sirmium erscheint daher Diodor von Tarsus als „gewitzter Lehrmeister einer ungeschlachten Religion“36 und als Prototyp christlicher (Un-) Bildung: „Denn zum Schaden des Interesses der Allgemeinheit fuhr dieser Mensch zu Schiff nach Athen, verlegte sich auf die Philosophie, nahm ohne Verständnis an den musischen Disziplinen teil und wappnete seine hassenswerte Zunge mit den Entdeckungen der Rhetorik zum Kampf gegen die himmlischen Götter. Dabei zeigte er eine hochgradige Unkenntnis der Mysterien der Hellenen und sog sich, wie man sagt, mit dem ganzen Irrwahn seiner primitiven, unwissenden Fischer-Theologen voll.“37

Wer unter dem Einfluss solcher „ver-bildeter“ Theologen steht, dem fehlt zwangsläufig das Verständnis für die in der Schule behandelten Texte, damit 32 Frg. 58 (153,25–27): πᾶσιν γὰρ ἔθνησι καὶ βίοις ἀνθρώπων ἑτέρων, καπήλων, τελωνῶν, ὀρχηστῶνἑτεροτρόπωνκαὶἁρµόττεινᾠήθητεχρῆναιτὰπαρ᾿ὑµῖν; Übers. NEUMANN, 32. 33 Orig. Cels. I 62 (GCS Origenes I, 113,8f. Koetschau): ἐπιῤῥήτουςἀνθρώπους,τελώνας καὶναύταςτοὺςπονηροτάτους. 34 Orig. Cels. III 44 (GCS Origenes II, 239,27–240,1 K.): µηδεὶςπροσίτωπεπαιδευµένος, µηδεὶςσοφός,µηδεὶςφρόνιµος·κακὰγὰρταῦτανοµίζεταιπαρ᾿ ἡµῖν·ἀλλ᾿εἴτιςἀµαθής,εἴτις ἀνόητος,[εἴτιςἀπαίδευτος],εἴτιςνήπιος,θαρρῶνἡκέτω; Übers. STOCKMEIER 1967, 125; vgl. auch Cels. I 27 (79,10f. K.): [διδασκαλίαν] ἰδιωτικήν,διὰτὸἰδιωτικὸνκαὶοὐδαµῶςἐνλόγοις δυνατὸνἰδιώτηνµόνωνκρατήσασαν; weiterhin Cels. III 55 (250,15–27 K.); VI 14.23 (84,27f.; 94,4f. K.); vgl. ALAND 2005, 9f.; PILHOFER 2005, 254–256. Nach MARKSCHIES 2004, 17f. verrät die Kritik zugleich die Anerkennung intellektueller Potenz: „Selbst wenn pagane Autoren den Aufstieg des Christentums mit Volksverdummung und Betrug an leichtgläubigen Menschen zu erklären versuchten, dementierten sie in aller Regel nahezu im selben Atemzug, damit einen Schlüssel gefunden zu haben, der das gesamte Phänomen erklärte.“ 35 Hier. vir. ill. praef. 7 (BPat 12, 58 Ceresa-Gastaldo): „Discant ergo Celsus, Porphyrius et Iulianus, rabidi adversum Christum canes, discant sectatores eorum qui putant ecclesiam nullos philosophos et eloquentes, nullos habuisse doctores, quanti et quales viri eam fundaverint, struxerint, adornaverint et desinant fidem nostram rusticae tantum simplicitatis arguere suamque potius imperitiam recognoscant.“ 36 Ep. 90 Bidez = ep. 30 Weis (Facund. defens. IV 2,61; CChr.SL 90A, 119,485 Clément/ vander Plaetse): „acutus sophista religionis agrestis“. 37 Ep. 90 B. (Facund. defens. IV 2,63; 119,494–499 C./v.Pl.): „Iste enim malo communis utilitatis Athenas nauigans et philosophans imprudenter musicarum participatus est rationum et rhetoricis confectionibus odibilem armauit linguam aduersus caelestes deos, usque adeo ignorans paganorum mysteria, omnemque miserabiliter inbibens, ut aiunt, degenerum et imperitorum eius theologorum piscatorum errorem“; Übers. WEIS, 87.

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aber für die hellenischen Götter und ihre Mysterien, weshalb er nicht mit der Unterweisung der Jugend betraut werden kann. Aus dieser Perspektive erscheint Julians Schuledikt in der Tat als Maßnahme zur Verbesserung der Bildungsinstitutionen, und zwar auf dem Weg der Umgestaltung zu einer Art heidnischem Katechumenenunterricht. Marrou sprach pointiert von der „ersten Bekenntnisschule mit religionspropagandistischem Auftrag“.38 Dass christliche Lehrer das Amt zugunsten ihres Glaubens aufgeben sollten, wurde allerdings nicht nur von Christen, sondern auch von dem römischen Historiker Ammianus Marcellinus kritisiert, der ein positives Bild des jungen Kaisers zeichnet, seine Bildungspolitik davon aber gerade ausnimmt: „Unvereinbar mit seiner Milde war jedoch die Verfügung, die man mit ewigem Schweigen bedecken sollte, nach der den Lehrern der Rhetorik und Grammatik, soweit sie sich zum christlichen Glauben bekannten, die Lehrtätigkeit verboten wurde.“39

Mit der Beschneidung von Bildungsmöglichkeiten begeht Julian denselben Fehler, den bereits Tacitus dem Domitian vorwarf und der als Topos bei Laktanz gegen Galerius begegnet.40 Andere Zeitgenossen loben die Bildungsinitiativen des Kaisers, ohne auf das Schuledikt einzugehen: Der Panegyricus des Claudianus Mamertinus attestiert Julian, einen Kampf an zwei Fronten geführt zu haben, nämlich zur „Verbesserung der Sitten und Richtigstellung der Gesetze“41; gelobt wird dabei die Erneuerung von Bildung und Philosophie: „Du, allerhöchster Herrscher, hast die vertriebenen und verbannten Tugenden nach dem Heimkehrrecht wieder in das Gemeinwesen eingeführt, du hast die schon ausgelöschten literarischen Studien wieder entzündet und die Philosophie, die bis vor kurzem verdächtig war und nicht nur ihrer Ehren beraubt, sondern auch angeklagt und beschuldigt wurde, nicht allein durch deinen Urteilsspruch befreit, sondern sie, mit Purpur umhüllt und mit Gold und Edelsteinen geschmückt, auf den königlichen Thron gesetzt.“42

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MARROU 1977, 589. Amm. XXII 10,7 (I 275,16–18 Seyfarth): „Illud autem erat inclemens obruendem perenni silentio, quod arcebat docere magistros rhetoricos et grammaticos ritus Christiani cultores“; Übers. SEYFARTH III 41; vgl. Amm. XXV 4,20 (I 364,3–7 S.): „namque et iura condidit non molesta absolute quaedam iubentia fieri uel arcentia praeter pauca, inter quae erat illud inclemens, quod docere uetuit magistros rhetoricos et grammaticos Christianos, ni transissent ad numinum cultum.“ Zu Ammians Kritik vgl. NESSELRATH 2001, 30–33; s. auch MEREDITH 1980, 1139; DEMANDT 1989, 102. 40 Lact. mort. pers. 22,4 (FC 43, 150,17–20 Städele): „Iam fuerant eloquentia extincta, causidici sublati, iure consulti aut relegati aut necati, litterae autem inter malas artes habitae, et qui eas noverant, pro inimicis hostibusque protriti et execrati“; STÄDELE, 44 Anm. 114 verweist auf Tacit. Agr. 2,2. 41 Claud. Mamert. paneg. lat. III (XI) 4,3 (123,22f. Mynors): „emendatio morum iudiciorumque correctio“; vgl. n. 4,7 (124,7–9): „Ita illi anni spatia diuisa sunt, ut aut barbaros domitet aut ciuibus iura restituat, perpetuum professus aut contra hostem aut contra uitia certamen.“ 42 Ebd. 23,4 (137,28–138,5 M.): „Tu, tu inquam, maxime imperator, exsulantes relegatasque uirtutes ad rem publicam quodam postliminio reduxisti, tu extincta iam litterarum studia flammasti, tu Philosophiam paulo ante suspectam ac non solum spoliatam honoribus sed accusatam ac ream non modo iudicio liberasti, sed amictam purpura, auro gemmisque redimitam in regali solio conlocasti.“ 39

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Wenn hier auf christliche Kritik am antiken Bildungswesen angespielt wird, dann geschieht das sehr versteckt; eher stimmt Mamertinus in die in der Spätantike verbreitete Klage über den Niedergang der Bildung ein, wie sie im gleichen Zeitraum auch Libanius vorträgt: „Gesetzt, ich könnte mich in allen übrigen Dingen mit der Gegenwart befreunden, würde mich nicht da allein die Situation der rhetorischen Studien wieder zu ihrem Feind machen? Sie strahlten einst, jetzt sind sie im Schatten. Einst zogen sie von überallher die Jugend an, jetzt werden sie als nichtig beurteilt.“43

Bezeichnenderweise ohne direkte Bezugnahme auf das Schuledikt äußert sich Libanius grundsätzlich positiv zur Bildungspolitik Julians: „Infolge dieser Maßnahmen erblühten wieder die Gefilde der Weisheit. Die Hoffnungen auf Ehren gründeten sich nunmehr auf den Besitz der Redekunst, und das Geschäft der Lehrer der Beredsamkeit fand neuen Zulauf, wobei die einen am Beginn ihrer Studien standen und die anderen sich später umschulten, in voller Barttracht und mit dem Werk ihrer Hände im Gepäck.“44

Dass Libanius auch in seinem Prosphonetikos, den er bald nach dem 18. Juli 362 in Antiochien dem Kaiser präsentierte, auf jeden Kommentar zum Schuledikt verzichtet, versteht Hans-Ulrich Wiemer als öffentliche Distanznahme, da jener sich weigerte, „den Weltanschauungskampf in die Schule zu tragen“ – aus eigenem Interesse: „Libanios führte selbst eine religiös gemischte Schule. Da Julians Schulpolitik jedoch auf eine Trennung in heidnische und christliche Schulen hinauslief, fürchtete er mit Grund, daß er seine christlichen Schüler verlieren würde.“45 Libanius hätte dann das Edikt genauso aufgefasst wie die christlichen Kritiker (s.u.), nämlich als Lehr- und Lernverbot. Zu Recht betont Wiemer, dass Libanius gerade nicht „des Lobes voll über diese Tat“ war, wie Richard Klein behauptet.46 Kaiser und Rhetor setzten unterschiedliche Akzente: Julian betrachtete die Erneuerung der Bildungsinstitutionen als geeignetes Mittel seiner Religionspolitik – für Libanius hingegen ermöglichte die religiöse Option, die Bildung wieder in ihr angestammtes Recht (und so 43 Liban. or. II 43 (I/1, 252,18–253,2 F.): Εἶεν· εἰ δὲ δὴ καὶ τἄλλα µε πάντα φίλον τοῖς παροῦσιν, οὐκ ἄν µε καὶ µόνα τὰ περὶ τοὺς λόγους εἰκότως ἐξεπολέµωσεν; οἳ πάλαι µὲν ἤστραπτον, νῦν δ᾿ εἰσὶ σκοτεινοί, καὶ πάλαι µὲν εἷλκον τὴν πανταχόθεν νεότητα, νῦν δ᾿ οὐδὲν εἶναι κέκρινται; Übers. HOSE 2000, 291. Weiterhin beklagt er den Vormarsch des Lateinischen – und dass vor Gericht Stenographen, nicht Rhetoren dominieren (n. 44; 253,7–10)! 44 Liban. or. XVIII 160 (II 305,15–20 F.): ᾿Απὸτούτωνπολὺςαὖθιςὁλειµὼντῆςσοφίας. καὶ αἱ τῶν τιµῶν ἐλπίδες ἐπὶ τὴν τῶν λόγων µεθειστήκεσαν κτῆσιν, καὶ τοῖς σοφισταῖς τὰ πράγµατα βελτίω τῶν µὲν ἀπ᾿ ἀυτῶν τοῦ µανθάνειν ἀρχοµένων, τῶν δὲ ὀψὲ παρ᾿ αὐτοὺς µεταχωρούντων πώγωνας ἐκεῖσε φερόντων καὶ τὸ τῶν δακτύλων ἔργον. Übers. FATOUROS/ KRISCHER, 213. 45 WIEMER 1995, 110; ebenso jetzt auch WINTJES 2005, 132. 46 K LEIN 1981, 133; vgl. aaO. 134: „Ohne jede Einschränkung heißt der kämpferische Heide Libanius… das Vorhaben seines ehemaligen Schülers gut.“ Auch SWAIN 2004, 398 betont, dass Libanius die religiöse Befrachtung des Schulstoffes durchaus nicht schätzte.

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auch ihn selbst in die ihm zustehende gesellschaftliche Spitzenposition) einzusetzen, wofür der Götterkult als Mittel zum Zweck dient: „Mit dem Götterkult, Kaiser, kehrt auch die Wertschätzung zurück, die der Kunst der Rede gebührt, nicht nur deswegen, weil die Beredsamkeit wohl nicht den geringsten Teil des Götterkults ausmacht, sondern auch deswegen, weil du zur Verehrung der Götter durch eben diese Beredsamkeit angetrieben wurdest. Da die Beredsamkeit für den gegenwärtigen Glückszustand verantwortlich ist, mußte es für sie natürlich Platz im Kaiserpalast geben.“47

Libanius hatte kein Interesse daran, die Schule in den Dienst der Religion zu stellen; das Schuledikt bedrohte ja auch die freie Entfaltung seiner Kunst. „Wenn aber selbst der Lobredner des Kaisers sich im Grunde religiös indifferent zeigte und seine kleinliche Rhetorenperspektive nicht aufgeben mochte“, so Edgar Pack, frage sich, „wer eigentlich den vielbeschworenen ‚renouveau païen‘ in julianischer Ausprägung hätte tragen sollen.“48 Hier lag die Crux der ehrgeizigen Religionspolitik des jungen Kaisers. Das Schuledikt wurde bereits am 11. Januar 364 durch seinen Nachfolger Jovian wieder aufgehoben: „Wenn jemand durch seine Lebensführung in gleicher Weise wie durch seine Beredsamkeit zur Ausbildung der Jugend geeignet ist, mag er entweder eine neue Schule eröffnen oder den (inzwischen) eingestellten Unterricht wieder aufnehmen.“49

Christliche Autoren waren jedoch vielfach nicht bereit, Julians Religionspolitik als Episode zu betrachten. Sie sahen darin das Wiederaufleben christenfeindlicher Maßnahmen, obwohl das Schuledikt in seiner kurzen Geltungsdauer kaum Konsequenzen gezeitigt hatte. Zwar beklagt Gregor von Nazianz, viele Christen seien aus Schwachheit oder aus Hoffnung auf materielle Vorteile abgefallen.50 Nach Orosius wollten dagegen „unter den gegebenen Umständen alle überall und alsbald lieber ihr Amt als ihren Glauben aufgeben“51, 47

Liban. or. XIII 1 (II 63,2–8 F.): ᾿Επανήκειµετὰτῶνἱερῶν,ὦβασιλεῦ,καὶτὸτιµᾶσθαι τὴντῶνλόγωντέχνην,οὐµόνονὅτιµέροςτῶνἱερῶνοὐκἐλάχιστονἴσωςοἱλόγοι,ἀλλ᾿ὅτικαὶ πρὸςτὴντιµὴντῶνθεῶνὑπ᾿αὐτῶνἐκινήθηςτῶνλόγων.οὓςοὖντῶνπαρόντωνἀγαθῶναἰτίους εἶναισυµβέβηκε,τούτοιςἔδειδήπουκαὶχώρανἐνβασιλείοιςεἶναι; Übers. WIEMER 1995, 81; s. HOSE 2000, 295 zur „programmatischen Bedeutungsusurpation“ zugunsten der Rhetorik. 48 P ACK 1986, 297f. 49 Cod. Theod. XIII 3,6 (742 M.): „Si qui erudiendis adulescentibus vita pariter et facundia idoneus erit, vel nocum instituat auditorium vel repetat intermissum“; Übers. BRINGMANN 2004, 126. Als Urheber des Erlasses werden fälschlich – wenn das Datum zutrifft – Valentinian und Valens genannt. Die in Anm. 39 zitierte Ammian-Stelle impliziert mit dem Jovian-Erlass, dass das Schuledikt auch tatsächlich in Kraft gesetzt worden ist (anders COLPE 1996, 321–324). 50 Greg. Naz. or. 4,11 (102,7–11 B.); vgl. KURMANN 1988, 65f. 51 Oros. hist. VII 30,3 (CSEL 5, 509,18–510,4 Zangemeister): „aperto tamen praecepit edicto, ne quis Christianus docendorum liberalium studiorum professor esset. sed tamen, sicut a maioribus nostris compertum habemus, omnes ubique propemodum praecepti condiciones amplexati officium quam fidem deserere maluerunt.“

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und Johannes Chrysostomus stößt in seinem Panegyricus auf die unter Julian als Märtyrer hingerichteten Juventinus und Maximinus ins gleiche Horn: „Alle Ärzte und Soldaten, Sophisten und Rhetoren zwang er, entweder den Unterricht aufzugeben oder sich vom Glauben loszusagen. So entfachte er den Krieg gegen uns, damit sie, wenn sie [vom Glauben] abfielen, dadurch zum verächtlichsten Gespött würden, weil sie nicht die Frömmigkeit dem Geld vorzögen. Sie aber standen wacker und blieben standhaft, damit der Sieg nicht allzu strahlend ausfalle und das Siegeszeichen nicht glänzend sei; denn es ist nichts Großes, die [literarische] Kunst und den Unterricht um der Frömmigkeit willen fahren zu lassen.“52

Namentlich bekannt sind lediglich zwei Lehrer, die ihre Posten aufgaben: der Rhetor Marius Victorinus in Rom, der kurz zuvor zum Christentum konvertiert war und sich (Augustin zufolge) angesichts des Gesetzes, „durch welches zu Kaiser Julians Zeiten den Christen die Ausübung des Lehramtes in Literatur und Redekunst verboten wurde, lieber von der Wortmacherei der Schule als von deinem Worte trennen wollte, durch das du ‚die Zungen der Kinder beredt machst‘“53; und der athenische Rhetor Prohaeresius, der nach Hieronymus’ Chronik sogar gegen den Willen des Kaisers sein Lehramt aufgab: „Als das Gesetz erlassen wurde, dass die Christen nicht länger Lehrer der freien Künste sein dürfte, da schloss Prohaeresius, Rhetor zu Athen, freiwillig seine Schule, obgleich ihm Julian ausnahmsweise zugestanden hatte, auch als Christ zu lehren.“54

Freilich sind Victorinus und Prohaeresius kaum typische Vertreter ihres Standes, insofern sie weder um ihr soziales Prestige noch um ihre finanzielle Absicherung fürchten mussten. Dass auch Grammatiker und Rhetoren in kleineren Städten ihre Schulen schlossen, ist nicht belegt; freilich war in den weni52 Joh. Chrys. in Juvent. 1 (PG 50, 573): ᾿Ιατρούς, καὶ στρατιώτας, καὶ σοφιστάς, καὶ ῥήτοραςἅπανταςἀφίστασθαιτῶνἐπιτηδευµάτων,ἢτὴνπίστινἐξόµνυσθαιἐκέλευσεν·οὕτωπρὸς ἡµᾶς τὸν πόλεµον ἀκροβολιζόµενος, ἵνα ἂν µὲν εἴξωσι, καταγέλαστος ἡ ἧττα γένηται, ὅτι χρηµάτωντὴνεὐσέβειανοὐπροτίµησαν·ἂνδὲστῶσιγενναίωςκαὶπεριγένωνται,µὴπανὺλαµπρὰ ἡ νική, µηδὲ περιφανὲς τὸ τρόπαιον γένηται· οὐδὲν γὰρ µέγα τέχνης καὶ ἐπιτηδεύµατος ὑπὲρεὐσεβείαςκαταφρονῆσαι. Vgl. ALLARD 1910, 366. 53 Aug. conf. VIII 5,10 (CChr.SL 27, 119,3–6 Verheijen): „... quod imperatoris Iuliani temporibus lege data prohibiti sunt christiani docere litteraturam et oratoriam – quam legem ille [sc. Marius Victorinus] amplexus loquacem scholam deserere maluit quam uerbum tuum, quo ‚linguas infantium facis disertas‘“ (Sap 10,21); Übers. BERNHART 381. 54 Hier. chron. a. 363 (242,24–243,1): „Prohaeresius sofista Atheniensis lege data, ne christiani liberalium artium doctores essent, cum sibi specialiter Iulianus concederet, ut christianus doceret, scholam sponte deseruit“; vgl. BREITENBACH 2003, 149 Anm. 134; ebenso Eunap. vit. soph. X 8,1 (512 Wright). Prohaeresius war Konkurrent des von Julian verehrten Libanius; nach WIEMER 1995, 57 gibt Eunapius „athenische Lokaltradition wieder, wenn er die bissige Bemerkung hinzufügt, daß Julian Libanios deswegen geehrt habe, weil er Proaeresius, den Inhaber des athenischen Lehrstuhles für Rhetorik, habe kränken wollen“ (mit Verweis auf Eunap. frg. 26,2; 38,1–4 Blockley); vgl. dazu Ilona OPELT, Eunapios, in: RAC 6 (1966), 328–336, hier 334f.; SWAIN 2004, 378f. Zur Relativierung des Christentums seines „Helden“ Prohaeresius weist Eunap gelegentlich auf dessen Vertrauen in die eleusischen Mysterien hin (aaO. 374f.).

4. Christen als Lehrer im Schulsystem der Spätantike

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gen Monaten zwischen dem Erlass des Schuledikts und dem Tod Julians die Umsetzung dieser Maßnahme möglicherweise noch gar nicht erfolgt, so dass nur in den Metropolen des Reiches einige prominente Lehrer demonstrativ Konsequenzen zogen.55 Julians Schuledikt brachte daher keinen Einschnitt für die als Lehrer tätigen Christen, prägte jedoch die christliche Apologetik der kommenden Jahrzehnte – und damit die Rechtfertigung oder Kritik der von Christen in Anspruch genommenen Bildung – zutiefst.56 Vor allem Gregor von Nazianz erhob Julian in zwei unmittelbar nach dessen Regierungszeit entstandenen Reden57 zum Erzfeind aller gebildeten Christen, was auch Licht auf das eigene Bestreben des kappadokischen Bischofs wirft, Christentum und Bildung zu versöhnen. Julians Bildungsideal wird als ἄσοφος σοφία hingestellt und mit dem Verdikt belegt: „Alle Macht und Bildung dieser Welt wandelt in Finsternis und ist fern vom Licht der Wahrheit!“58 (vgl. 1 Kor 1,21). Gregor selbst will die Bildung dieser Welt allerdings keineswegs abwerten, sondern bezieht sich positiv darauf: „Obwohl die Literatur allen vernünftigen Wesen gemeinsam ist, mißgönnte sie Julian, als wenn sie sein persönliches Eigentum gewesen wäre, den Christen. Er, der sich einbildete, der allervernünftigste zu sein, dachte am unvernünftigsten über die Literatur.“59

Zur Torheit wird der Anspruch auf Bildung, wenn sie anderen abgesprochen wird. Vielmehr eignet Bildung dem Menschen qua Menschsein, unabhängig von der Religionszugehörigkeit.60 Christliche Bildung unterscheidet sich von 55 Parmenianus, der zwischen 362 und 393 als donatistischer Bischof von Karthago amtierte und als rhetorisch versierter und literarisch umtriebiger Mann galt (PCBE I 816–821; Wilhelm GEERLINGS, in: LACL3, 546), war möglicherweise im Zusammenhang mit Julians antichristlichen Maßnahmen nach Nordafrika geflüchtet (Optat. c. Parm. II 17; CSEL 26, 51,5–18 Ziwsa); er könnte als Rhetor von dessen Schuledikt betroffen gewesen sein. 56 Keine messbare Wirkung, aber vielfaches Interesse der Forschung zeitigte die Idee der beiden Apollinarii aus Laodicea, die biblischen Geschichte in pagane literarische Formen zu gießen; vgl. Socr. h.e. III 16,1–7 (GCS N.F. 1, 210,5–24 Hansen); Sozom. h.e. V 18,3–7 (FC 73/2, 640,14–642,21 Hansen); dazu MARROU 1977, 590f.: „Man sieht den Widersinn. Man zwingt sie gewissermaßen, einen strengen christlichen Unterricht zu schaffen. Sie lehnen es ab, und es gelingt ihnen, sich auf dem Boden der klassischen Bildung zu behaupten.“ PACK 1989, 260 sieht hier ein typisches Beispiel der „Bindung in der Ablehnung“. 57 Nach KURMANN 1988, 10 schrieb Gregor beide Reden zwischen Sommer 363 (nach dem Tod Julians) und Frühjahr 364. Zum Grundtenor HARDY 1968, 388: „Keine Schmähung, sei sie noch so mißtönig, durfte in seinen Angriffen auf Julian fehlen.“ 58 Greg. Naz. or. 4,3 (90,19–21 B.): πᾶσαἡτοῦαἰῶνοςτούτουδύναµιςτεκαὶ παίδευσιςἐν σκότει διαπορευοµένη καὶ τοῦ τῆς ἀληθείας φωτὸς πόρρω πίπτουσα; Übers. HAEUSER, BKV 59, 73; vgl. KURMANN 1988, 43f. 59 Greg. Naz. or. 4,4 (92,9–11 B.): ὧν [sc. τῶν λόγων] ὄντων λογικοῖς ἅπασιν, ὡς ἰδίων αὐτοῦ χριστιανοῖς ἐφθόνησεν, ἀλογώτατα περὶ λόγων διανοηθεὶς ὁ πάντων, ὡς ᾤετο, λογιώτατος; Übers. FIEDROWICZ 2004, 132. 60 Das Argument findet sich (allerdings nicht auf Julian gemünzt) auch bei Hieronymus: In quaest. hebr. prol. weist er die Anschuldigung, griechische Autoren plagiiert zu haben,

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

paganer Bildung nicht durch literarische Formen, sondern durch Frömmigkeit und Ethik.61 Dass Julian ῾Ελληνίζειν nicht als Inbegriff der Christen und „Heiden“ gemeinsamen Kultur und Sprache, sondern als „Hellenentum“ und „Christentum“ trennend ansah, wies Gregor vehement zurück: „Die Sprache gehört nicht nur ihren Erfindern, sondern allen, die sich ihrer bedienen; eine Kunst, ein Studium gehört, wenn du ihr Erfinder sein willst, gleichwohl nicht dem Erfinder.“62

Das zeige auch das verdiente Ende Julians: „Julian mag das Verbot erlassen haben, griechische Bildung anzunehmen (ἀττικίζειν), die Wahrheit (ἀληθεύειν) konnte er doch nicht in Ketten schlagen.“63 Analog dazu berichten spätere Kirchenhistoriker, Julian habe es nicht ertragen, dass die Christen die „Heiden“ mit deren eigenen Waffen geschlagen hätten; darum habe er den Gegnern diese Waffen ein für allemal aus der Hand nehmen wollen.64 Bildung wird von Gregor als „wertneutral“ angesehen; den von Julian verfochtenen Konnex von griechischer ‚Theologie‘ und hellenistischer Bildung akzeptierte er nicht. Er selbst hatte in Athen (gemeinsam mit Basilius) philosophische Studien betrieben und bei dieser Gelegenheit (ca. 355) den künftigen Kaiser kennengelernt, dessen Besuch nach Gregor einem doppelten Zweck diente: „Der eine, ehrenwerte, war, Griechenland und seine Bildungsstätten zu besuchen. Der andere, geheim gehaltene und nur wenigen bekannte, war, die dortigen Priester und Betrüger über sein Schicksal zu befragen. Denn seine Gottlosigkeit konnte sich noch nicht offen zeigen.“65 mit dem Verweis auf Terenz zurück („Terentii quippiam sustinens“), „der doch gleichsam über den allzugänglichen Schatz [sc. der griechischen Komödie] Besitzrecht habe, aber als Dieb angeklagt wurde“ (CChr.SL 72, 1,6f. de Lagarde: „et quasi publici aerarii poetam furem criminabatur“). Vgl. Terenz, Andr. 5-7; Eun. 23f.; Horaz, ars 131 („publica materies privati iuris erat“); dazu JAKOBI 2006, 251: „Was aber ‚gleichsam öffentlichen Charakter‘ besitzt, kann man nicht stehlen. Der Vorwurf ist, wie Hieronymus implizit zu verstehen gibt, unsinnig.“ 61 Greg. Naz. or. 4,23 (116,7f. B.): οὐτῇ[φιλοσοφίᾳ]περὶλόγουςµόνον,καὶὅσηκαὶδιὰ τῶνἠθῶνἔχειτὸεὐσεβές; vgl. KURMANN 1988, 21. 90f. 62 Greg. Naz. or. 4,106 (258,8–11 B.): οὔτεφωνὴτῶνεὑροµένωνµόνονἐστίν,ἀλλὰπάντων τῶν µετεχόντων, οὔτε τέχνη τις ἢ ἐπιτήδευσις ἣν ἂν ἐνθυµηθῆναι θελήσῃς; Übers. HAEUSER, BKV 59, 142; vgl. NESSELRATH 2001, 22. 63 Greg. Naz. or. 4,5 (94,15–17 B.): ῞Ωστεὁτοῦτοπροστάξαςἀττικίζεινµὲνἐκώλυσε,τὸ δὲ ἀληθεύειν οὐκ ἔπαυσε; Übers. HAEUSER, BKV 59, 74f.; zu den Begriffen ἑλληνίζειν und ἀττικίζειν vgl. BREITENBACH 2003, 190. 64 Vgl. Theod. h.e. III 8,2 (GCS N.F. 5, 185,9–11 Parmentier/Hansen): „τοῖς οἰκείοις γάρ“, φησί, „πτεροῖς κατὰ τὴν παροιµίαν βαλλόµεθα· ἐκ γὰρ τῶν ἡµετέρων συγγραµµάτων καθοπλιζόµενοι τὸν καθ᾿ ἡµῶν ἀναδέχονται πόλεµον“. Vgl. Socr. h.e. III 12,7 (207,4–7 H.): νόµῳ ἐκέλευε Χριστιανοὺς ῾Ελληνικῆς παιδεύσεως µὴ µετέχειν, ἵνα µὴ φησίν ἀκοµώµενοι τὴν γλῶττανἐτοίµωςπρὸςτοὺςδιαλεκτικοὺςτῶν῾Ελλήνωνἀπαντῶσιν; dazu GELZER 2001, 112f.. 65 Greg. Naz. or. 5,23 (336,6–10 B.): ∆ιττὸς δὲ αὐτοῦ τῆς ἐπιδηµίας ὁ λόγος· ὁ µὲν εὐπρεπέστερος,καθ᾿ἱστορίαντῆς῾Ελλάδοςκαὶτῶνἐκεῖσεπαιδευτηρίων,ὁδὲἀπορρητότερος καὶοὐπολλοῖςγνώριµος,ὥστετοῖςἐκεῖθύταιςκαὶἀπατεῶσιπερὶτῶνκαθ᾿ἑαυτὸνσυγγενέσθαι,

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Hier liegt für Gregor also die entscheidende Differenz: nicht zwischen dem ungebildeten Christentum und der hellenistischen Bildung, sondern zwischen dieser Bildung, die Christen und Hellenen zugänglich sein müsse, und der vorund widerchristlichen griechischen Mythologie samt dem daraus hervorgegangenen Opfer- und Orakelwesen. Jene Bildung war für ihn nützlich und notwendig zugleich, um auch als Christ gebildet zu sein. Entsprechend beschreibt Gregor im Rückblick seine Motivation zum Studium in Athen: „Denn ich strebte danach, die [d.i. heidnische] Bastardbildung der rechtmäßigen [d.i. christlichen] als Hilfe beizugeben, damit nicht die sich überheben, die nichts gelernt haben außer der törichten und leeren Schönrednerei, die in Schall und Kehlen begründet liegt, und damit ich nicht eingewickelt würde von den Schlingen der Sophistik.“66

Gregor konnte daher die Beschneidung der Lehrtätigkeit von Christen nur als Ausfluss der fanatischen Gottlosigkeit des Apostaten Julian verstehen, während er seine eigenen Studien in Athen als nützlich für die wahre, christliche Bildung ansah.67 Das war allerdings im 4. Jahrhundert auch innerhalb des Christentums eine umstrittene Position; Gregor und Basilius repräsentierten mit ihrer Bildung keineswegs den gesamten Episkopat des Ostens.68 Während sich im griechischen und syrischen Kulturraum zahlreiche christliche Autoren mit Julian und seinen religionspolitischen Maßnahme auseinanοὔπωπαρρησίανἐχούσηςτῆςἀσεβείας; Übers. FIEDROWICZ 2004, 134; der ganze Abschnitt (or. 5,23f.) wird wörtlich von Socr. h.e. III 23,18–24 (220,19–221,12 H.) übernommen; vgl. NESSELRATH 2001, 23f. Julian ließ sich in Athen in die eleusischen Mysterien einweihen (Eunap. vit. Soph. VII 3,6; 438 W.; vgl. BREITENBACH 2003, 159f.; BRINGMANN 2004, 39f.) – entgegen dem soeben von Konstantius erlassenen Verbot der Opferkulte (Cod. Theod. XVI 10,5 vom 23.11.353; 898 M.). 66 Greg. Naz. carm. 2,1,11,113–118 (De vita sua, hg. von Christoph J UNGCK , Heidelberg 1974, 58): Καὶ γὰρ ἐζήτουν λόγους / δοῦναι βοηθοὺς τοὺς νόθους τοῖς γνησίοις, / ὡς µήτ᾿ ἐπαίροινθ᾿οἱµαθόντεςοὐδὲἕν /πλὴντῆςµαταίαςκαὶκενῆςεὐγλωττίας, /τῆςἐνψόφοιςτεκαὶ λάρυγξικειµένης, /µητ᾿ἐνδεοίµηνπλεκτάναιςσοφισµάτων; Übers. BREITENBACH 2003, 172. 67 Dies durchaus im Unterschied zu Basilius von Caesarea; vgl. B REITENBACH 2003, 173f. Doch berichtet Rufin, dass beiden als Absolventen der Athener Studien eine Tätigkeit als Rhetor angeboten worden sei (h.e. XI 9; 1014,17f. M.): „Quod opus magnifice quidem implebat Basilius, Gregorius uero magnificentius contemnebat“; vgl. ELLSPERMANN 1949, 166. 68 Gregor selbst beklagt (or. 43,11; SC 384, 138,5–7 Bernardi), zahlreiche Christen hätten keinen Sinn für ἡ ἔξωθεν παίδευσις, ἣν οἱ πολλοὶ χριστιανῶν διαπτύουσιν ὡς ἐπίβουλον καὶ σφαλερὰνκαὶΘεοῦπόρρωβάλλουσαν,κακῶςεἰδότες; freilich betont Gregor wenig später im Rückblick auf die gemeinsam mit Basilius in Athen verbrachte Zeit die Differenz zwischen „unseren“ christlichen und den heidnischen Lehrern „draußen“ (or. 43,21; 166,1–4 B.): ∆ύο µὲνἐγνωρίζοντοἡµῖνὁδοί,ἡµὲνπρώτηκαὶτιµιωτέρα,ἡδὲδευτέρακαὶοὐτοῦἴσουλόγου,ἥ τεπρὸςτοὺςἱεροὺςἡµῶνοἴκουςκαὶτοὺςἐκεῖσεδιδασκάλουςφέρουσακαὶἡπρὸςτοὺςἔξωθεν παιδευτάς; vgl. BREITENBACH 2003, 145. 161f. Davon noch einmal zu unterscheiden ist Ungebildetheit als literarischer Topos, wie bereits die Ausführungen zur Hagiographie zeigten; insofern ist der Verweis von KLEIN 1981, 140 Anm. 28 auf Ath. vita Ant. 93,4 (SC 400, 374,21–23 Bartelink; zit. o. S. 257 Anm. 444) kein Beleg für „die Einstellung der Mönche zur heidnischen Bildung“ insgesamt, sondern nur für ein bestimmtes monastisches Ideal.

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dersetzten, waren die Reaktionen im Westen knapp, spät und unspezifisch, was nicht zuletzt daran liegt, dass – abgesehen vom Fall des Marius Victorinus – kaum konkrete Auswirkungen des Schuledikts spürbar wurden. Ein erster Reflex findet sich in Ambrosius’ erstem Brief an Valentinian II. gegen Symmachus’ relatio zugunsten des Victoria-Altars, wo der Kaiser davor gewarnt wird, den „Heiden“ ihre priesterlichen Privilegien zurückzugeben, „die niemals unser Blut geschont und sogar unsere Kirchen abgerissen haben und uns erst vor kurzem durch ein Gesetz Julians das allgemeine Recht zu reden und zu lehren verweigert haben“.69 Das Schuledikt steht hier in einer Reihe mit den Christenverfolgungen der vorkonstantinischen Zeit und erscheint nicht nur als Lehrverbot, sondern als öffentliches Redeverbot: Ohne rhetorische Bildung wären die Möglichkeiten der Christen, als städtische Rhetoren oder als Advokaten öffentlich zu wirken, massiv eingeschränkt worden – insofern habe Julian einen „konfessionellen Numerus clausus“ intendiert.70 Auch nach Rufin habe Julian „die Christen daran gehindert, das Studium der heidnischen Autoren aufzunehmen, und sogar den Elementarunterricht denen vorbehalten, welche die Götter und Göttinnen verehrten“71; hier werden sogar die ludimagistri in das Verbot einbezogen. Dass die christlichen Schüler am Erwerb paganer Bildung gehindert werden sollten, widerspricht zwar Julians eigener Kommentierung seines Gesetzes, wird aber bei Augustin bereits in topischer Manier wiederholt: „Hat er [sc. Julian] etwa die Kirche nicht verfolgt, der doch den Christen verbot, die freien Wissenschaften zu lehren und zu lernen?“72

Das Schuledikt wurde also dahingehend verstanden, dass alle Christen von den Bildungsinstitutionen ausgeschlossen werden sollten73, während Julian selbst darauf gehofft hatte, auch christliche Schüler in „heidnischem“ Sinne beeinflussen und an sein philanthropisches Gemeinschaftsideal heranführen zu können. Die interpretatio christiana des Schuledikts wurde von den Kirchen69 Ambr. ep. 72[17],4 (CSEL 82/3, 12,25–13,29 Zelzer): „Et de dispendiis queruntur qui numquam nostro sanguini pepercerunt, qui ipsa ecclesiarum aedificia subruerunt. Petunt etiam, ut illis privilegia deferas, qui loquendi et docendi nostris communem usum Iuliani lege proxima denegarunt“; Übers. KLEIN 1972, 119; vgl. DERS. 1981, 136. 70 So die Formulierung von FIEDROWICZ 2001, 77. 71 Rufin. h.e. X 33 (994,25–27 M.): „studia auctorum gentilium Christianos adire prohibens ludos litterarum illis solis, qui deos deasque venerarentur, patere decernit.“ 72 Aug. civ. XVIII 52 (CChr.SL 48, 651,41–43 Dombart/Kalb): „An ipse non est ecclesiam persecutus, qui Christianos liberales litteras docere ac discere vetuit?“; Übers. THIMME II 508. Nach SCHLANGE-SCHÖNINGEN 1995, 143 „stimmte die Deutung der Christen, die in Julians Rhetorenedikt den Versuch sahen, ihnen jeglichen Zugang zur Bildung zu verstellen, zwar nicht mit dem Wortlaut, aber doch mit Julians Ziel überein.“ 73 Diese Wahrnehmung des Rhetorenedikts erlaubt freilich nicht den Schluss, „that by Julian’s time, Christian parents typically sent their children to schools run by Christian masters, or invited Christian tutors into their homes“ (BEAVIS 2000, 421).

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historikern des 4. und 5. Jahrhunderts kolportiert und gelangte dadurch in Cassiodors Historia tripartita, die für das spätere Bild Julians prägend sein sollte.74 Wenn auch im lateinischen Westen die Auseinandersetzung mit Julian weniger erbittert geführt wurde als im griechischen Osten, so galt das Schuledikt doch hier ebenso als grundlegende Infragestellung der Partizipation von Christen an den Institutionen paganer Bildung – was umso schwerwiegender erscheinen musste, als Christen längst nicht mehr nur als Schüler, sondern auch als Lehrer in der antiken Schule begegneten, wie zu zeigen sein wird. Peter Thrams’ Urteil: „Julian versuchte also, den christlichen Humanismus zu vernichten“75 setzt bereits ein reflektiertes Verhältnis der Christen zur antiken Bildung voraus – eine Prämisse, die für diese Epoche nicht haltbar ist, da Anstöße wie Julians Schuledikt überhaupt erst dazu führten, dass eine solche Bildungsreflexion einsetzte.76 Otto Seeck bemerkte, dass „diese Bestimmungen nur das gesetzlich festlegten, was die Christen theoretisch immer gefordert, praktisch freilich nie durchgeführt hatten“.77 Tatsächlich wurde Julians Schuledikt sogar in den Codex Theodosianus aufgenommen; der Codex Iustinianus proklamierte 527 ein neues Lehrverbot – nun allerdings für die „Heiden“.78 4.2. Christliche Lehrer in der lateinischen Spätantike Wie Tertullians Invektiven in De idololatria die Existenz christlicher Lehrer in Karthago zu Beginn des 3. Jahrhunderts belegen (s.o. S. 64-69), so impliziert Julians Schuledikt, dass Christen in der Mitte des 4. Jahrhunderts in spürbarem Ausmaß innerhalb des römischen Schulsystems tätig waren. Im Folgenden wird ein Überblick über die nachweisbaren christlichen Lehrer in der lateinischen Spätantike gegeben, geordnet nach Schulstufen.79 Zu fragen ist,

74 Vgl. nur Cassiod. hist. VI 37,2 (CSEL 71, 360,6–8 Hanslik/Jakob): Julian sei zutiefst über christliche Rhetoren wie Apollinaris, Basilius und Gregor von Nazianz empört gewesen – „quamobrem arbitratus hinc armari Christianos prohibuit eos Graecorum doctrinis imbui et eorum lectionibus erudiri“ (nach Sozom. h.e. V 18,1); vgl. THRAMS 1992, 133 und NESSELRATH 2001, 43. 75 T HRAMS 1992, 125. 76 Vgl. M EREDITH 1980, 1139: „After 362 it was no longer possible for educated Christians to assume in some sort of illdefined way that classical culture was the common property of those who spoke Greek.“ 77 S EECK 1922, 328. 78 Vgl. Cod. Iust. X 53,7 (422 Kr.); zum Lehrverbot für Heiden s.u. Anm. 154. 79 Der Begriff scholasticus ist dabei zweideutig: Er kann sowohl den Rhetor als auch dessen Schüler bezeichnen (vgl. VÖSSING 2006, 145 mit Beispielen). Scholastici in christlichen Quellen (z.B. Ursinus und Lascius; ILCV 733f.; Rom, S. Sebastiano bzw. Via Flaminia) sind dagegen in den meisten Fällen Schüler (vgl. die scholastici des Phosphorus bei Tert. adv. Val. 8,3; zit. oben S. 45 Anm. 110), so auch der scolasticus eques romanus Aelius Marcellinus, der mit seiner Gattin Aurelia Julia in Mainz bestattet wurde (ILCV 735 = CIL XIII 11834). Der 457/61 in Marseille verstorbene Priester Musaeus (MATHISEN, Hist. 31, 1982, 379) war nach Genn. vir. ill. 80 (TU 14/1, 88,16–18; 89,6 Richardson) ein „vir in divinis scripturis doctus et in

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in welchen sozialen Bezügen Christen als Lehrer begegnen und ob im konkreten Fall eine Auseinandersetzung zwischen christlichem Glauben und „heidnischer“ Bildung erkennbar wird, ob also die religiöse Affiliation für die Beteiligten im schulischen Alltag ein Problem darstellte – oder gerade nicht.80 4.2.1. Magistri ludi Christliche Elementarlehrer sind vor allem inschriftlich bezeugt, zumeist in vergleichsweise unaufwändiger Form; nur selten waren sie für Angehörige der Oberschicht die prägenden Lehrerpersönlichkeiten, denen man einen kunstvollen Grabstein oder gar eine metrische Inschrift setzte (die ja erst schätzen konnte, wer selbst den Unterricht des Grammatikers absolviert hatte). Die erhaltenen Inschriften bezeugen zumeist nur das Wirken als Lehrer, ohne dies näher zu spezifizieren.81 Auf einem Epitaph aus Poitiers wird dem Schriftzug: „Fauste, uiuat in deo semper!“ ein Kreuz hinzugefügt, zwischen dessen Balken sich die Ergänzung: „uiuat Faustinus magister!“ findet82; dies unterstreicht die Jenseitshoffnung, ohne etwas über das irdische Leben dieses Lehrers auszusagen. Besondere Wertschätzung wird dem magister ludi Melleus aus Centum Cellae zuteil, dessen als amicus amicorum gedacht wird83, ebenso dem Römer Septimius Rufus, einem offenbar hoch geachteten magister symmae.84 Auf dem Agnes-Friedhof an der römischen Via Nomentana ist umgekehrt die Grabinschrift eines Lehrers für seinen ehemaligen, nun mit gerade einmal 23 Jahren verstorbenen Schüler erhalten.85 Auch ein anderer römischer Lehrer setzte seinem Schüler ein Denkmal:

earum sensibus subtilissime exercitatione limatus, lingua quoque scholasticus“. Zu dem „graeca et latin lingua scholasticus“ (Genn. vir. ill. 46) und späteren Bischof Julian von Eclanum s.u. S. 439f. 80 Vorarbeiten – ohne Kategorisierung nach Religion – liegen für die grammatici (KASTER 1988; AGUSTA-BOULAROT 1994; SCHINDEL 2003) und für die Stadt Rom (RIESS 2001) vor. 81 Vgl. einen römischen Anonymus (K ASTER 378 Nr. 176): CIL VI 9530 = ICUR N.S. II 5129 (saec. IV–VI) sowie die Inschrift des Flavius Sabinianus für seinen „hochgeschätzen Lehrer Aurelius Gerontius“ (ILCV 721 = CIL VI 10008; Rom, Hermes-Friedhof, wohl saec. IV); vgl. ILCV 3707 (Salona/Dalmatien) für Firmus. Keine Berufsbezeichnung trägt der Lehrer in CIL VI 10009: „M. Aurelio | Ianuario | coniux et | discentes | fecerunt | B · M“ (Fundament des päpstlichen Palastes neben St. Peter). 82 ILCV 2206 = CIL XIII 1176 (saec. IV ?); vgl. GP 607 Nr. 3. 83 KASTER 311 Nr. 97: ILCV 718 = CIL XI 3568; 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts. 84 ILCV 724 = CIL VI 32045 (Rom, Weinberg oberhalb des Cyriaca-Friedhofs). DIEHL (ebd.) verweist für mögliche Ergänzungen auf CLE 91,5f. (Anth. lat. II/1, 47 Buecheler: „magister ludi litterari Philocalus, summa quom castitate in discipulos suos“) und CIL VIII 822 = ILS 1347 aus dem afrikanischen Burza („mag. r[ei] summae priuatae, magistr[o summa]rum rationum“). 85 ILCV 722 = CIL VI 33930; nicht datiert.

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„Im Heiligen Geist: Für den guten Florentius, der 13 Jahre lebte, errichteten [diesen Grabstein] Coritus, der Lehrer, der ihn mehr liebte, als wenn er sein eigener Sohn gewesen wäre, und Coideus, die Mutter, für den hochgeschätzten Sohn.“86

Man mag spekulieren, in welcher Beziehung Coritus zur Mutter des Verstorbenen stand – jedenfalls war der magister hier, wie auch im Fall des Panpinus, dem sein ungenannter Lehrer einen Grabstein setzte, wohl mehr als nur ein bezahlter und verspotteter Schulmeister.87 Davon zu unterscheiden sind die Hauslehrer (nutritores)88, deren Epitaphe oft eine enge Bindung der Familie bzw. der Schüler an den vertrauten Pädagogen bezeugen, so im Fall des 404 verstorbenen Jovianus, eines „Hauslehrers von drei Brüdern“.89 Der zwölf Jahre zuvor bestattete Antimio wurde gar mit metrischen Versen geehrt, in denen (Z. 2) die Rede der cumaeischen Sibylle an Aeneas aufgegriffen wird: „Einen unvergänglichen Platz besitzt nun du selbst, Erzieher, hier bist du Verdienter am Ziel, ‚der du große Gefahren bestanden hast‘, hier empfängst du Glücklicher die Ruhe, da die Jahre vollendet sind. Hier ruht der papas Antimio, der siebzig Jahre lebte, beigesetzt unter unserem Herrn Arcadius II. und Flavius Rufinus, viri clarissimi, an den Nonen des Novembers.“90

Solche Inschriften deuten auf eine bleibende soziale Bindung über die Schulzeit hinaus hin. Eine weitere interessante Ausnahme von dem verbreiteten Bild des sozial verachteten und schlecht bezahlten Elementarlehrers (s.o. S. 52) ist für Parentium (Istrien) bezeugt: Hier konnte der magister puerorum Clamosus mit seiner Frau Successa einhundert Fuß des Bodenbelags für die neue Kirche stiften; eine weitere Donation ist in einer etwas später errichteten Kirche am gleichen Ort für einen Mann gleichen Namens und Berufes, jedoch mit einer Gattin Victorina, bezeugt. Wenn es sich um Vater und Sohn – oder um Verwandte – handelt, bezeugen die beiden Inschriften, dass hier eine Fa86 ILCV 3393 = CIL VI 10013: „ispirito santo bono | Florentio, qui uixit anis XIII, | Coritus magi(s)ter, qui plus amauit | quam si filium suum, et Coideus | mater filio benemerenti fecerunt“ (Coemeterium S. Saturnini, Via Salaria). 87 ILCV 723 = CIL VI 10015: „posuit tabula ma|gister discenti | Panpino benem|erenti“ (Rom, Cyriaca-Friedhof). Vgl. auch ILCV 2345 = CIL VI 10012: „Iulius magister | bene merenti Felici|ano. petat pro nobis“ (Rom, Kloster S. Gregor, mit einem Kreuz gekennzeichnet, undatiert). 88 Mit nutritor wird das griechische πάππας wiedergegeben, das gelegentlich aber auch für παιδαγωγός eintreten kann (so in den Hermeneumata Montepessulana: CGL III 327,21). 89 ILCV 755: „hic iacet Iouianus nutritor et papas trium | fratrum. depositus pridie idus Augustas | Honorio Aug. VI. benemerenti in pace. uixit | [a]nnos pm. XL“ (Rom, Friedhof S. Valentini, a. 404); vgl. auch den Grabstein für Maecilius Hilas, den seine Tochter dem „hochgeliebten Erzieher der gens Caeionia“ setzte (DACL IV/2, 1737): „Maecilio Hilati du|lcissimo nutritori Cae|ioniorum Puscianae C.F. | et camemicu qui vixit an | LXXV m. X fecit Mae|cilia Rocata Domino pa|tri dulcissimo mellito.“ 90 ILCV 754 = CLE 675 (Rom, bei Porta Salaria, a. 392): „perpetuam sedem nutritor possides ipse| hic meritus finem, ‚magnis defuncte periclis‘ [Verg. Aen. VI 83],| hic requiem felix sumis cogentibus annis. | hic positus papas Antimio, qui uixit annis LXX, | depositus domino nostro Arcadio II et Fl. Rufino | uu. cc ss. nonas Nobembr.“

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milie von Elementarlehrern zu den lokalen Honoratioren gehörte, die sich an der Finanzierung der örtlichen Kirchen beteiligten, was soziales Ansehen und finanzielle Möglichkeiten voraussetzt.91 Wenn der Name „Clamosus“ dagegen eine literarische Reminiszenz an Martial darstellt92, indiziert dies einen grammaticus93; wahrscheinlich wurden in Parentium jedoch Elementar- und Anfangsgründe des Grammatikunterrichts in einer Schule von der gleichen Person erteilt, die als „Bildungsmonopolist“ entsprechendes Ansehen genoss. Theodosius, der in einem am 25. Februar 575 verfassten Papyrus das Testament der Manna zu Gunsten der Kirche in Ravenna beglaubigt, firmiert als „u(ir) d(euotus)“ und „mag(ister) l(itterarum)“94; dies kann aber auch als „magister ludi“ aufgelöst werden. Beide Bezeichnungen treten gelegentlich kombiniert auf95: Beim magister ludi litterarii Flavius Fortunatus spricht der Ehrenname aber kaum für einen Elementarlehrer, eher für einen Grammatiker, der im 5. Jahrhundert gute soziale Aufstiegsmöglichkeiten besessen hätte.96 Zu Beginn des 4. Jahrhunderts konnte ein Lehrer hingegen durch den Glauben noch in Schwierigkeiten geraten: Nach Prudentius wurde der magister litterarum Cassianus aus Forum Cornelii (Imola) während der diocletianischen Verfolgung von seinen Schülern mit deren stili zu Tode gebracht.97 Die Geschichte ist als Zeugnis eines religiösen Konflikts im Zusammenhang mit der Schule bemerkenswert; allerdings wurde sie zu einer Zeit aufgeschrieben, als die harsche „vorkonstantinische“ Alternative zwischen Glauben und Bildung längst einer differenzierten Diskussion über die Partizipation von Christen am Schulwesen gewichen war. Prudentius lässt damit am Thema Bildung noch einmal die Zeit der „heidnischen“ Christenverfolger Revue passieren.98 Bekräftigt wird 91 So K ASTER 254f. Nr. 29. 30; zum älteren Clamosus vgl. ILCV 719 (Ende 4./Anfang 5. Jh.): „Clamosus mag(ister) puer(orum) et Successa (fecerunt) p(edes) C, | Felicissimus cum suis (fecit) p.C.“, zum jüngeren: Inscriptiones Italiae X/2, Nr. 74 (Mitte des 5. Jh.s). Nicht auszuschließen ist natürlich eine zweimalige Verheiratung desselben Mannes. 92 So DIEHL zu ILCV 719; vgl. Mart. epigr. V 84,1f.: „puer… clamoso revocatur a magistro“. 93 KASTER 1988, 254 vermutet jedenfalls „some contact with the classical tradition.“ 94 Vgl. PCBE II/2, 2181 Nr. 2 (zwei gleichlautende Belege bei T JÄDER I, 220,14; 222,40). 95 So bei dem anonymen, 516 verstorbenen magister ludi litterarii (KASTER 378 Nr. 177): CIL VI 9529 = ILCV 717 (Rom, S. Paolo fuori le mura); ebenso CLE 91,5 (s.o. Anm. 84). 96 KASTER 286 Nr. 62; AE 1968, 72 (Aquileia, wohl 5./6. Jh.); zur Bedeutung und zu den Trägern des Ehrentitels „Flavius“ vgl. KASTER 1988, 109–111. 97 KASTER 252f. Nr. 26; BHL 1625; Prud. perist. 9,13–16 (CSEL 61, 367 Bergman). Der Märtyrer war wohl zugleich Elementar- und Stenographielehrer, vgl. perist. 9,21–24.35f. (ebd.): „praefuerat studiis puerilibus et grege multo / saeptus magister litterarum sederat, / uerba notis breuibus conprendere cuncta peritus / raptimque punctis dicta praepetibus sequi… agmen tenerum ac puerile gubernat, / fictis notare uerba signis inbuens.“ Der Liber pontificalis des Agnellus von Ravenna bezeugt die basilica Cassiani (n. 52; FC 21/1, 244,16 Nauerth). 98 KASTER 1988, 406 Nr. 216 weist darauf hin, dass noch in der Legenda aurea des Jacobus de Voragine mit der Lebens- und Leidensbeschreibung eines magister puerorum Felix eine Dublette des Martyriums des Cassian als Ätiologie des Namens „St. Felix in pincis“ existiert.

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dadurch, dass man den religiösen Konflikt im Klassenzimmer – „cum Christum libere confitetur“ – im Rückblick für unvermeidlich hielt und in den Lehrern jener Zeit potenzielle oder tatsächliche Märtyrer erblickte. 4.2.2. Grammatici a) Christliche Grammatiker in Grabinschriften: Anno 372 setzte der Römer Crispinianus als „pater grammaticus“ seiner Tochter Crispina einen Grabstein.99 Dies ist eine von nur zwei christlichen Inschriften, in der ein grammaticus genannt wird100; die andere ist einem Bonifatius von seiner Frau Aeliana gewidmet. An die Nennung von Namen und Lebensdaten schließen sich die Verse an: „Die Hallen Trajans verlangen nach mir und ebenso der Herr, ganz Rom wird weinen, und er selbst wird Trauer tragen.“101

Es wäre schon bemerkenswert, wenn ein Grammatiker auf das Mitleid ganz Roms rechnen dürfte. Die Berufsbezeichnung kann entgegen der Konjektur Diehls „sc[olastico] grammatico“, die durch den mehrdeutigen Begriff des scholasticus (s.o. Anm. 79) die Interpretation noch erschwert, aber auch mit Riess als „sc[riba librarius]“ gedeutet werden. Mit den atria wäre dann die trajanische Bibliothek gemeint, wo Bonifatius als „ranghöchster apparitor der spätantiken Magistrate“ fungiert hätte.102 Bonifatius wäre damit das früheste Beispiel für einen christlichen Grammatiker, der eines der wichtigsten öffentlichen Ämter bekleidete, die ihm als nicht senatorischem Bürger Roms offen standen. Obwohl nur diese beiden Inschriften christliche grammatici explizit erwähnen, lassen sich doch weitere Vertreter dieser Profession identifizieren: „Deuter der alten Dichter und [berufener] Lehrer“ wird Deuterius tituliert, „der nun sicher in wohlgefälligem Frieden ruht“ – fast wortgleich beschreibt Venus in der Aeneis das Ende König Antenors.103 Inhalt und Form der Inschrift 99 A GUSTA-B OULAROT 1994, 672 Nr. 12; KASTER 263 Nr. 39 (AE 1969/70, 22 Nr. 71 = ICUR NS VIII 23413): „Carissimae filiae Crispinae, | quae vixit annos XV, menses VIIII, dies XII, Crispinianus | pater, grammaticus, curavit, [Chrismon] | Modesto et Harintheo cons(ulibu)s“ (FelicitasKatakombe). 100 So A GUSTA -B OULAROT 1994, 672. Nach RIESS 2001, 187f. ist das Monument „ungewöhnlich groß und gut erhalten“; die darin zu Tage tretende „Großmannssucht“ spiegele wider, dass den „Unterschichten… mehr Gestaltungsfreiheit im Medium der Epigraphik zur Verfügung stand, ihre Epigraphik somit weniger normiert als die der Eliten war“. 101 ILCV 726 = CLE 1343 = CIL VI 9446: „benemerenti Bonifatio sc[olastico] | grammatico Aeliana c[oniux caris]|sima posuit.|Traiani queren(t) (nunc) atria m[e dominusque], [cum] | tota Roma flebit et ipse [dolens].“ 102 R IESS 2001, 183; vgl. ebd. zur Datierung auf das späte 4. Jahrhundert; ebenso K ASTER 249 Nr. 22; anders AGUSTA-BOULAROT 1994, 668f. Nr. 8, die Traiani als Hinweis auf die 1. Hälfte des 2. Jh.s ansieht. 103 KASTER 269 Nr. 45 (ILCV 729 = CLE 1964 = Anth. lat. II/3, 1): „priscorum interpres uatum doctorq[ue uocatus] | Deuterius [pl]acida securus pace quiescit“; vgl. Verg. Aen. I 249; zur Person: PLRE II 357 Nr. 5.

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sind also in Entsprechung zur Betätigung des Entschlafenen gewählt; die Berufsbezeichnung wird mit einer Anspielung versehen, deren Entschlüsselung von ehemaligen Schülern erwartet werden konnte. Auf die Unterweisung in lateinischer Dichtung weist auch die nur fragmentarisch erhaltene metrische Inschrift eines Schülers für den Grammatiker Hyginus († 427) hin: „Mich, den Jungen, unterwies Rom in den lateinischen Versen“ – Roma steht für die dabei prägende Lehrerpersönlichkeit.104 In beiden Fällen ist die Einführung in die pagane Dichtung das entscheidende Datum; dass hier ein Widerspruch zum Christsein des Verstorbenen bestehen könnte, scheint für die Dedikanten nicht im Vordergrund zu stehen. Vielmehr wird mit aller Kunstfertigkeit die Tätigkeit des Toten herausgestellt; im Fall des Bonifatius ergibt sich sogar ein Beleg für den sozialen Aufstieg eines – christlichen – Grammatikers. Der wohl im 5./6. Jahrhundert in Afrika wirkende grammaticus Calbulus war schließlich nicht nur Verfasser von zwei Epigrammen über das Kreuz Christi bzw. über das Sakrament der Taufe, sondern wird in letzterem selbst als Stifter des dort erwähnten Baptisteriums identifiziert.105 Calbulus gehörte offenbar zu den Honoratioren seiner Stadt und drückte dies durch Zuwendungen an die örtliche Kirche aus. Der Beruf des grammaticus scheint für ihn also einträglich gewesen zu sein, falls sich seine finanziellen Möglichkeiten nicht aus anderen Quellen (Erbe, Heirat) speisten. Dass die antike Formkultur in den Dienst liturgischer Vollzüge gestellt wird, lässt auf ein unproblematisches Miteinander von christlichem Glauben und klassischer Bildung schließen, was aber nichts über die Unterrichtspraxis dieses Grammatikers aussagt. b) Literarisch bezeugte Grammatiker: Soziale Aufsteiger sind unter Grammatikern eher selten; unter den Korrespondenten der christlichen Bildungsträger in der Spätantike finden sich nur wenige Lehrer, die meisten davon Rhetoren. Der umfangreiche Briefwechsel des Sidonius Apollinaris bezeugt immerhin zwei Vertreter jener Profession: Etwa 465 lud er einen wohl in Clermont-Ferrand tätigen grammaticus namens Domitius auf sein Landgut ein106; ein Jahrzehnt später lobte er den Grammatiker Johannes, der sich als einziger dem Nieder104

ILCV 725 = CLE 1353, Z. 7f.: „[… puer]um me Roma Latin[is]|[… ue]rsibus erudiit.“ KASTER 249f. Nr. 23; PLRE II 250; PCBE I 182; Anth. lat. I/1, 289–291 Nr. 373/374 Shackleton Bailey; vgl. bes. Nr. 373 Z. 11–13: „marmoris oblati speciem, nova munera, supplex / Calbulus exhibuit, fonti[s] memor, unde renatus, / ad formam cervi gremium perduxit aquarum“; nach KASTER könnten die Zwischenüberschriften in diesem Gedicht darauf hindeuten, dass die Verse um das – für Immersionstaufen geeignete – Taufbecken herum angeordnet waren. 106 KASTER 274 Nr. 50; GP 592; PLRE II 371 Nr. 2. Nach Sidon. ep. II 2,2 (II 45 Loyen) las Domitius über Terenz; nach carm. 24,10–15 (MGH.AA VIII, 262 Luetjohann) war er ein kundiger Literaturkritiker, was die professionelle Beschäftigung mit Grammatik indiziert: „ac primum Domiti larem servi intrabis trepidantibus Camenis: tam censorius haud fuit vel ille, quam risisse semel ferunt in aevo; sed gaudere potes rigore docto: hic si te probat, omnibus placebis.“ Für KAUFMANN 1995, 295 Nr. 27 handelt es sich dagegen nicht um einen Christen. 105

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gang der lateinischen Sprache in Gallien in den Weg gestellt und den Kampf gegen die Bildungsfeindlichkeit der Zeitgenossen aufgenommen habe.107 Wie oben (S. 230f.) notiert, lag Sidonius mehr daran, mit den wenigen verbliebenen Gebildeten in Kontakt zu stehen, als sich selbst um den Erhalt der vom Untergang bedrohten Schulen zu bemühen; daher richten sich seine Briefe fast nur an Absolventen der Schulen, nur selten an deren Lehrer. Leider enthält Ausonius’ Commemoratio professorum Burdigalensium so gut wie keine Informationen zur Religionszugehörigkeit der Lehrer in Bordeaux.108 Seine eigene beeindruckende Karriere bringt Ausonius ebenfalls nicht mit seinem Glauben in Verbindung.109 Er ist vielmehr das Beispiel par excellence für den Aufstieg, den ein Lehrer – aus guter Familie stammend – im 4. Jahrhundert absolvieren konnte, nämlich bis zum Erzieher des künftigen Kaisers Gratian und darüber hinaus bis zum Konsulat, und das nicht trotz, sondern mit seiner vielleicht pragmatischen, aber prinzipiell nicht zu bezweifelnden Zugehörigkeit zur christlichen Kirche. Karriere machte auch der aus Afrika stammende grammaticus latinus Flavius, den Diocletian an den Hof nach Nikomedien holte; wie bei Laktanz (s.u. S. 386-388) ist aber unsicher, wann sein Übertritt zum Christentum erfolgte.110 Hieronymus selbst führte in der Darstellung seines einstigen Freundes und späteren Gegners Rufin von Aquileia eine Grammatikschule in Bethlehem: „Seinen Vergil, die Komödiendichter, die Lyriker und die Historiker setzte er den ihm zum Erlernen der Gottesfurcht anvertrauten Kindern auseinander, damit er nämlich auch zum Vermittler der heidnischen Autoren würde, von denen er doch geschworen hatte, wenn er sie läse, leugne er Christus!“111

Die pointierte Kritik Rufins an Hieronymus’ Gelübde, sich niemals wieder mit paganen Autoren zu beschäftigen, führt Rufin zur grundsätzlichen Frage 107 KASTER 298 Nr. 80; PLRE II 601; Sidon. ep. VIII 2,1 (zit. o. S. 230); vgl. auch S. 214 zu ep. VIII 2,2, wo Johannes mit Cicero und Demosthenes verglichen wird; KASTER erwägt daher, ob Johannes eher als Rhetor anzusehen sei, während die seiner Schule entstammende „competens lectorum turba“ (ep. VIII 2,3; III 85 L.) für einen Grammatiker spricht. 108 Der einzige, von dem man aufgrund des Namens ein christliches Bekenntnis annehmen kann, war ein gewisser Anastasius (KASTER 241f. Nr. 11; vgl. GP 553; PLRE I 59 Nr. 1; Auson. prof. Burd. 10,42–53; 50 Green; erstes Drittel des 4. Jahrhunderts). 109 Vgl. K ASTER 247–249 Nr. 21; PLRE I 140f. Nr. 7; GP 565: Ausonius unterrichtete als grammaticus und als rhetor (protr. 67–76; zit. oben S. 31 Anm. 25); vgl. IRMSCHER 1993. 110 Unklar ist, ob Hieronymus mit „Flavius noster“ (adv. Iovin. II 6; PL 23, 293A) einen Christen oder einen lateinischen Autor meint (nachdem mehrere Griechen genannt wurden); s. KASTER 285f. Nr. 61; PLRE I 349 Nr. 1. Flavius war Autor einer hexametrischen Schrift De medicinalibus; zu seiner Berufung nach Nikomedien vgl. Hier. vir. ill. 80,1 (186 C.-G.). 111 Rufin. apol. adv. Hier. II 11 (CChr.SL 20, 92,16–21 Simonetti): „ante non multum adhuc temporis partes grammaticas exsecutus sit, et Maronem suum comicosque ac lyricos et historicos auctores traditis sibi ad discendum Dei timorem puerulis exponebat, scilicet ut et praeceptor fieret auctorum gentilium, quos si legisset tantummodo, Christum se iurauerat negaturum.“

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nach der Adäquanz der Beschäftigung mit weltlicher Bildung112: Hieronymus rühme sich ja geradezu, von Jugend an und noch im jetzigen „Greisenalter“ Umgang mit dem Lehrstoff der Grammatiker, Rhetoren und Philosophen gepflegt zu haben.113 Das behauptete Hieronymus in der Tat (s.u. S. 437), doch ist unwahrscheinlich, dass in Bethlehem eine regelrechte Grammatikschule (die über klösterliche Elementarunterweisung hinausgegangen wäre) existierte. Immerhin erschien dies nicht als undenkbar und wurde prompt kritisch gegen den christlichen „Teilzeitgrammatiker“ gewendet: Hieronymus lehre nicht, was zur Gottesfurcht anleite, sondern pflege literarischen Liebhabereien – was später Gregor I. Desiderius von Vienne vorwarf (s. S. 307f.).114 Schon am Übergang zum Frühmittelalter steht Julianus Pomerius. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts in Mauretanien geboren, lehrte er nach 490 in Arles und unterrichtete dort auch den jungen Caesarius, der aber nach einem eindrücklichen Traumgesicht den Klassikern vollmundig abschwor (s.o. S. 304f.). Dieser Misserfolg wurde offensichtlich nicht dem Lehrer zugeschrieben, der in der Vita Caesarii als „Rhetor durch Kenntnis, Afrikaner durch Herkunft“ erscheint, „den seine Lehre von der Kunst der Grammatik als einzigartig und glänzend auswies.“115 Auch hier ist die Unterscheidung der Schulstufen und Lernstoffe im Fließen, wie das Nebeneinander der Begriffe rethor [sic] und ars grammatica belegt.116 Zugleich bietet Pomerius ein Beispiel für einen Lehrer, der später Priester (so nach Gennadius von Marseille) oder Abt (so nach Ruricius von Limoges) wurde; dass in der Vita Caesarii geistliche Würden nicht genannt werden, Pomerius vielmehr als Exponent jener heftig kritisierten weltlichen Wissenschaft erscheint, macht ein Nacheinander seiner Tätigkeiten wahrscheinlich.117 Erhalten sind keine grammatischen Texte, sondern die im Mittelalter viel gelesenen, monastische, pastorale und ethische 112 Rufin. apol. adv. Hier. II 46 (119,14–18 S.): „Saeculares libros, pro quibus sedenti seque uerberanti pro tribunalibus Christo dixerat: ‚Si umquam legero, si habuero gentilium codices, te negaui‘, nunc non solum legere uel habere, uerum etiam omnem suae doctrinae iactantiam in his eum gerere demonstraui.“ 113 Ebd. II 33 (108,33–36 S.): „Haec est omnis illa iactantia, qua te a prima aetate usque ad senectam in grammaticorum et rhetorum et philosophorum scholis ac disciplinis praedicas esse uersatum“. 114 Eine Parallele zu Hieronymus’ pädagogischen Bemühungen bietet Theodoret: Der als Konfessor aus Edessa in die ägyptische Thebais verbannte Protogenes – selbst in der „Schrift des Eunomius“, d.h. in Stenographie geschult – habe im Exil sowohl die Schnellschrift als auch die Heilige Schrift gelehrt (h.e. IV 18,8; 241,11–16 P./H.): Πρωτογένηςδὲὁ ἀξιάγαστος, τὰ Εὐνοµίου γράµµατα πεπαιδευµένος καὶ γραφεῖν εἰς τάχος ἠσκηµένος, τόπον εὑρὼνἐπιτήδειονκαὶτοῦτονδιδασκαλεῖονκαὶπαιδαγωγεῖονἀποφήνας,µειρακίωνκατέστηδιδάσκαλος,καὶκατὰταὐτὸνγραφεῖντεεἰςτάχοςἐδίδασκεκαὶτὰθεῖαἐξεπαίδευελόγια. 115 Vita Caes. I 9 (MGH.SRM III, 460,13–15 Krusch): „Erat autem ipsis personis familiarissimus quidem Pomerius nomine, scientia rethor, Afer genere, quem ibi singularem et clarum grammaticae artis doctrina reddebat.“ 116 KASTER 342f. Nr. 124; PLRE II 896 (vgl. M ATHISEN, Hist. 31, 1982, 382); GP 671. 117 Genn. vir. ill. 99 (96,9 R.): „in Gallia presbyter ordinatus“; Ruric. epp. I 17; II 10 (CChr.SL 64, 329,3; 344,2 Demeulenaere) sind dagegen an Pomerius abbas adressiert.

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Fragen behandelnden drei Bücher De vita contemplativa. Der Grammatiker und Rhetor wurde also zum – immer noch kunstfertigen – geistlichen Autor.118 c) Augustin und sein Kreis: Augustin nimmt eine Sonderstellung ein, was seine Verbindung von klassischer Bildung und theologischem Wirken angeht. Außergewöhnlich ist auch der Kenntnisstand über sein Leben, seine Bildungsbiographie und die kritische Einschätzung derselben.119 Bei Augustin koinzidieren die Konversion zum Christentum und das Ende der „weltlichen“ Laufbahn zeitlich und sachlich; freilich blieb er auch als Christ, Priester und Bischof im Besitz seiner grammatischen und rhetorischen Fähigkeiten und galt, wie sein Biograph Possidius anmerkt, gerade aufgrund seiner literarischen Bildung als idealer Assistent seines Ordinators Valerius.120 Augustin begann seine Karriere als Grammatiklehrer in seiner Heimatstadt Thagaste, wirkte dann als Rhetor in Karthago und schaffte schließlich über die Zwischenstation Rom den Sprung in den kaiserlichen Dienst in Mailand. Er selbst schildert diese Zeit im Rückblick wie folgt: „Während dieser neun Jahre, von meinem neunzehnten bis achtundzwanzigsten Lebensjahr, war ich Verführter und Verführer, Betrogener und Betrüger in der Vielgestalt meiner Leidenschaften: öffentlich durch die sogenannten ‚Wissenschaften für die Freigeborenen‘, dazu noch heimlich unter der falschen Marke der Religion; dort eingebildet, hier abergläubisch, ein Windbeutel da wie dort.“121

Kurz darauf präzisiert er seine Tätigkeit in unverhohlen pejorativer Weise: „Ich lehrte in diesen Jahren die Redekunst und bot die siegeskundige Wortmacherei zum Kaufe, selbst besiegt von der Lebensgier.“122

118 Zu De vita contemplativa (CPL3 998) und den wenigen Fragmenten seiner acht Bücher umfassenden Schrift De natura animae et qualitate eius vgl. Genn. vir. ill. 99 (96,11f. R.): Letztere sei „arte dialectica et sermone ingenio[que] apto“ verfasst; vgl. auch Isid. vir. ill. 25,31–33 (PL 83, 1096AB); summarisch Karla POLLMANN, in: LACL 3, 407. 119 KASTER 246f. Nr. 20; PLRE II 186–191 Nr. 2. Augustin könnte (wie Ausonius) auch als Rhetor behandelt werden, ist jedoch gerade als Mittelpunkt des Kreises von Cassiciacum interessant, in dem mit der Dichterlektüre ein typisches Thema der Grammatiker vorherrschte (vgl. DOIGNON 1990, 52f.). 120 Poss. vita Aug. 5,2 (zit. oben S. 281 Anm. 547). Vgl. M ARROU 1981, 14: „Im Autor von De trinitate oder von De civitate Dei steckt immer noch der grammaticus von Madaura“, mit Bezug auf ep. 261,4 (CSEL 57, 620,3–5 Goldbacher): Audacius wolle wohl mit metrischen Versen prüfen, „utrum ego adhuc ista diiudicare meminerim, quae forte iam obliti sunt, qui talium aliquando studiosi postea plurimum in ecclesiasticis litteris profecerunt?“ 121 Aug. conf. IV 1,1 (40,1–5 V.): „Per idem tempus annorum nouem, ab undeuicesimo anno aetatis meae usque ad duodetricensimum, seducebamur et seducebamus falsi atque fallentes in uariis cupiditatibus et palam per doctrinas quas ‚liberales‘ uocant, occulte autem falso nomine religionis, hic superbi, hic superstitiosi, ubique uani“; Übers. BERNHART, 139; vgl. VÖSSING 1997, 279 mit Anm. 1036. 122 Conf. IV 2,2 (40,1f. V.): „Docebam in illis annis artem rhetoricam et uictoriosam loquacitatem uictus cupiditate uendebam“; Übers. BERNHART, 141; vgl. auch conf. VIII 6,13 (121,8f. V.) und

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Sein Ziel sei es gewesen, „gute Schüler zu haben“, die er in den „Listen des Trugs“ unterwiesen habe, „nicht damit sie sich ihrer wider Leib und Leben eines Unschuldigen bedienen sollten, aber doch etwa für Leib und Leben eines Schuldigen.“123 Kritisiert wird die Vermittlung einer rhetorischen Kunstfertigkeit, die jenseits moralischer Bedenken beliebig einsetzbar sein sollte – eine Kritik, die in der Predigt De disciplina christiana generalisiert wird: Christliche Eltern gäben ihre Kinder wie die „Heiden“ allein deshalb in die Schule, „damit du ein Mensch wirst…, damit du unter den Menschen hervorragst… damit du besitzt, was die übrigen haben, und besitzt, was nur wenige haben: Denn so erwirbst du Ehre und Würde.“124 Niemand sage: „Lasst euch in der Literatur unterweisen, damit ihr wisst, wie ihr die biblischen Schriften lesen könnt!“125 Eben dieses Spezifikum des Grammatikunterrichts, Texte „kunstgerecht“ zu analysieren, hatte der zornige Prediger selbst unterrichtet. Augustin setzte seine Karriere als Rhetor in Karthago fort, zutiefst beeindruckt von dem in Rom wirkenden Syrer Hierius, der in der griechischen wie in der lateinischen Redekunst bewandert war, ein Ideal, das Augustin selbst nie erreichte.126 Hierius widmete er auch seine erste, um 380 verfasste Schrift De pulchro et apto, an die er sich später nur mit demonstrativer Verschwommenheit erinnern wollte.127 In der Hoffnung, hier – anders als als in seiner Heimat – mit gesitteten und lernwilligen Schülern arbeiten zu können, wechselte Augustin 383 nach Rom. Durch Vermittlung keines Geringeren als des amtierenden praefectus urbis Symmachus gelangte er im Folgejahr als Rhetor nach Mailand und damit in die Nähe des Kaisers, auf den er sogar einen Pabereits die Invektive in conf. I 13,22 (12,36f.) gegen die „uenditores grammaticae uel emptores“; zu Interpretation dieser Passage vgl. TORNAU 2002, 320–323; weiterhin ep. 259,4 (CSEL 57, 614,2f. G.): „si adhuc in schola rhetoris verba discipulis venderem, prius ab eis mercedem sumerem.“ Er selbst habe sich einst den sprachlichen Schliff „vom mütterlichen Geld erkauft“ (conf. III 4,7; 30,11 V.: „…ad acuendam linguam, quod uidebar emere maternis mercedibus“). 123 Aug. conf. IV 2,2 (40,2–5 V.): „Malebam tamen, domine, tu scis, bonos habere discipulos, sicut appellantur boni, et eos sine dolo docebam dolos, non quibus contra caput innocentis agerent, sed aliquando pro capite nocentis“; Übers. BERNHART, 141. 124 Aug. discipl. 11,12 (CChr.SL 46, 220,303–307 vander Plaetse): „ut sis homo… ut sis eminens inter homines… ut habeas quantum ceteri, aut quantum pauci: habeas inde honorem, habeas inde dignitatem.“ 125 Ebd. (220,301f. v.Pl.): „discite litteras, ut habeatis unde legere possitis codices dominicos.“ 126 Aug. conf. IV 14,21 (51,6f. V.): „docto prius graecae facundiae, post in latina etiam dictor mirabilis extitisset“; zur Lehrtätigkeit in Karthago vgl. c. Acad. II 2,3 (CChr.SL 29, 19,11f. Green) sowie conf. V 7,13 (63,26) und VI 7,11 (81,10f.): „ego autem rhetoricam ibi professus publica schola uterer“, was allerdings kein „municipal appointment“ bedeutet (so KASTER 1988, 246), sondern nur allgemein zugänglichen Unterricht. 127 Vgl. Aug. conf. IV 13,20 (51,11–13 V.): „scripsi libros ‚De pulchro et apto‘, puto, duos aut tres; ‚tu scis, deus‘ [Ps 68,6]: nam excidit mihi. Non enim habemus eos, sed aberrauerunt a nobis nescio quomodo.“ Nach DODARO 2001, 71 taucht hier bereits hier das rhetorische Problem des aptum oder decus auf, das später in seiner Auseinandersetzung mit Häretikern wie Faustus eine wichtige Rolle spielen sollte (vgl. aaO. 75–81).

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negyricus halten durfte128, und in den Einflussbereich des Bischofs Ambrosius, den Augustin – ganz Lehrer – zunächst um seiner Redegabe willen schätzte, (noch) nicht als Ausleger der Heiligen Schrift.129 Hintergründe und Vorgeschichte der Bekehrung Augustins müssen hier nicht nachgezeichnet werden. In den Confessiones erscheint die Konversion als lange angebahnte Klimax des Lebensweges und führt als erster Schritt zur Aufgabe des Lehramtes im Herbst 386.130 Dennoch war die Beschäftigung mit literarischen Studien eine Konstante im Übergang: Verecundus, selbst angesehener Grammatiker und vermögender Bürger Mailands, stellte Augustin sein Landgut Cassiciacum zur Verfügung, von wo aus dieser nach dem Ende der Herbstferien das Ende seines Rhetorendaseins kundgab.131 Verecundus selbst war kein Christ und folgte auch nicht dem Beispiel seiner Freunde, die sich 387 taufen ließen, weil er als verheirateter Mann nicht das monastische Ideal hätte verwirklichen können, das ihm vorschwebte; erst als Todkranker empfing er bald darauf die Taufe.132 Bei seiner Unterrichtstätigkeit wurde er wiederum zeitweise von dem gemeinsamen Freund Nebridius unterstützt, mit dem Augustin von Cassiciacum aus einen regen Briefwechsel pflegte: „Nebridius aber hatte unserer freundschaftlichen Bitte nachgegeben, er möchte doch den Unterlehrer machen bei dem uns allen gleich liebwerten Verecundus, Bürger von Mailand und Grammatiker, der die verlässige Hilfskraft, die er wahrlich nötig hatte, angelegentlich aus unserem Kreis sich wünschte, ja mit dem Recht der Freundschaft forderte. Nicht also ein Streben nach Gewinn zog Nebridius dahin – er hätte ja, bei solcher Absicht, mit der Wissenschaft bessere Geschäfte gemacht –, vielmehr wollte sich der so liebenswürdige und entgegenkommende Freund nur aus Gefälligkeit unserer Bitte nicht versagen…“.133

128 Aug. conf. VI 6,9 (79,10 V.): „recitare imperatori laudes, quibus plura mentirer, et mentienti faueretur ab scientibus“. Diese Episode berichtet Augustin mit ostentativer Abscheu, während es sich seinerzeit um einen Höhepunkt seiner Karriere gehandelt haben dürfte; vgl. TORNAU 2002, 323. Auch auf den Konsul Bauto verfasste er eine Lobrede, vgl. c. Petil. III 25,30 (CSEL 52, 185,19–22 Petschenig). 129 Vgl. Aug. conf. V 13,23 (70,1–6.14–21 V.); teilweise zit. oben S. 329. 130 Aug. conf. IX 2,2.4; 4,7 (133,1–134,7.29–34; 136,1–4 V.). 131 KASTER 371f. Nr. 159; PLRE I 950 Nr. 2; PCBE II/2 2265f. Nr. 1; vgl. conf. IX 3,5 (135,6f. V.) zum Rückzug ad uillam; IX 5,13 (140,1f.) zur Aufgabe des Lehramtes: „Renuntiaui peractis uindemialibus, ut scholasticis suis Mediolanenses uenditorem uerborum alium prouiderent.“ 132 Aug. conf. IX 3,5 (135,3–6.9–11 V.): „Nondum christianus coniuge fideli ea tamen ipsa artiore prae ceteris compede ab itinere, quod aggressi eramus, retardabatur nec christianum esse alio modo se uelle dicebat quam illo, quo non poterat… Quamuis enim absentibus nobis, cum Romae iam essemus, corporali aegritudine correptus et in ea christianus et fidelis factus ex hac vita emigrauit.“ 133 Aug. conf. VIII 6,13 (121,10–17 V.): „Nebridius autem amicitiae nostrae cesserat, ut omnium nostrum familiarissimo Verecundo, Mediolanensi et ciui et grammatico, subdoceret, uehementer desideranti et familiaritatis iure flagitanti de numero nostro fidele adiutorium, quo indigebat nimis. Non itaque Nebridium cupiditas conmodorum eo traxit – maiora enim posset, si uellet, de litteris agere – sed officio beneuolentiae petitionem nostram contemnere noluit amicus dulcissimus et mitissimus“; Übers. BERNHART,

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Nebridius, selbst „noch nicht Christ“134, widerstand also der von Augustin bei sich selbst beklagten Versuchung, Lehre um des Profits willen zu betreiben, sondern erfüllte mit seinem Beistand für Verecundus das „Amt“ (officium) der Freundschaft (amicitia) – eine Wendung, die bereits in epistolographischem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielte (s.o. S. 191). In Cassiciacum wird ein Zirkel literarisch gebildeter und teils professionell als Lehrer tätiger Männer erkennbar, die genau das praktizierten, was Augustin später als Inbegriff eines freundschaftlichen Miteinanders beschreiben konnte: „mitsammen plaudern und mitsammen lachen und sich einander gefällig erzeigen; gemeinsam schöne Bücher lesen, gemeinsam scherzen und sich gemeinsam Artigkeiten sagen… einander belehren und lernen voneinander…“.135

Aus diesem diskursiven Umgang mit vertrauten Freunden im Rahmen eines „Christianae uitae otium“136 entstanden Augustins erste christliche Schriften (Contra Academicos, De beata uita, De ordine, Soliloquia), aber auch – als späte Frucht seiner wissenschaftlichen Studien – eine Abhandlung De grammatica, der erste Teil des ambitionierten, aber unerfüllten Vorhabens, Traktate zu allen sieben artes liberales zu schreiben; selbst der genannte Erstling kam später abhanden und ist nur in Fragmenten überliefert.137 Der Übergang zum christlichen Leben vollzog sich für Augustin also trotz der dramatischen Bekehrungsszene sanft. Die harsche Selbstkritik in den Retractationes, auch damals noch, d.h. nach seiner Konversion, habe er „nach Art der weltlichen Wissenschaft aufgeblasen geschrieben“138, spiegelt eher das nachträgliche Kopfschüt-

387. Zu Nebridius vgl. KASTER 314f. Nr. 104; PLRE I 620 Nr. 4; PCBE I 774–776; nach conf. VI 10,17 war er ein „quaestionum difficillimarum scrutator acerrimus“ (85,34f.). Gegen die PLRE ist mit KASTER 1988, 315. 372 die Identifikation von Nebridius und Verecundus mit dem Lehrergespann auszuschließen, von dem Augustin in sermo 178,7,8 spricht (PL 38, 964), und zwar im Rückgriff auf eigene Erinnerungen an einen „pauperrimus homo, nobis apud Mediolanum constitutis; tam pauper, ut proscholus esset grammatici: sed plane christianus, quamvis ille esset paganus grammaticus; melior ad velum, quam in cathedra.“ Hier ist also von einem Christen die Rede, der sich aus Armut als Hilfslehrer verdingen musste; beides trifft auf Nebridius nicht zu, ebenso wenig wie auf Verecundus das Adjektiv paganus. 134 Aug. conf. IX 3,6 (135,20 V.): „nondum christianus“. 135 Aug. conf. IV 8,13 (47,15–17.19 V.): „conloqui et conridere et uicissim beniuole obsequi, simul legere libros dulciloquos, simul nugari et simul honestari…docere aliquid inuicem aut discere ab inuicem“; Übers. BERNHART, 159.161. Zum „Schulbetrieb“ in Cassiciacum vgl. DOIGNON 1990, 59f. 136 Retract. I 1,1 (CSEL 36, 11,6 Knöll). 137 Retract. I 5,6; 6 (27,12–28,7 K.); zu gramm. vgl. Wilhelm G EERLINGS , in: LACL 3 , 78– 98, hier 84; Wolfgang HÜBNER, Disciplinarum libri, in: AugL 2 (2002), 485–487; FUHRER 2004, 85: Danach geht die Ars Augustini pro fratrem mediocritate breviata (hg. von C.F. WEBER, Univ.-Prog. Marburg 1861; CPL 3 1557) mindestens in Grundzügen auf Augustin zurück, der ursprünglich wohl – wie im Fall von De musica – einen Dialog gestaltet hatte; pseudepigraph ist dagegen die Schrift De grammatica bzw. Regulae (GrLat V, 496–524; CPL3 1558). 138 Aug. retract. prol. 3 (10,2f. K.): „adhuc saecularium litterarum inflatus consuetudine scripsi.“

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teln darüber, dass der gewesene Grammatiker und Rhetor gleich eine christlich grundierte, universale Wissenschaftslehre zu entwickeln getrachtet hatte. d) Autoren grammatischer Schulschriften: Eine letzte Gruppe von christlichen Grammatikern ist weder in Inschriften noch literarischen Zeugnissen, sondern durch ihre schriftstellerische Tätigkeit – und oft durch nicht mehr – bezeugt. Das gilt z.B. für den römischen Lehrer, auf den Hieronymus sich mit Stolz berief: Aelius Donatus, der damals prominenteste Lehrer, dessen ars selbst bald zum Gegenstand von Kommentaren wurde.139 Dass mit dem zeitgleich wirkenden Marius Victorinus der Verfasser einer einflussreichen ars grammatica durch literarische und epigraphische Zeugnisse in differenzierterer Form Gestalt annimmt, ist eine Seltenheit – wobei Victorinus als rhetor urbis Romae unter Konstantius II. und durch seine Erhebung in den Clarissimat wiederum eine Sonderstellung besitzt.140 In den meisten Fällen ist die Religionszugehörigkeit nur aus Indizien zu erschließen, so bei Placidus, der als Autor eines spätantiken Glossariums bezeugt ist und vermutlich als Grammatiker wirkte141: Dass er Christ war, legt zunächst der Sachverhalt nahe, dass sich in seinem Werk Hinweise nicht nur auf Aelius Donatus, sondern auch auf Orosius finden, dessen Historia adversus paganos kaum unbefangen von einem „Heiden“ zitiert worden sein dürfte.142 Placidus nimmt außerdem wiederholt auf „pagani“ Bezug, und zwar eindeutig mit religiöser Konnotation. Die im 5. Jahrhundert im literarischen Diskurs wie in der kaiserlichen Gesetzgebung etablierte Leitdifferenz ist hier bereits in ein zu Schulzwecken benutztes Handbuch lateinischer Ausdrücke eingegangen.143 Drei Verfasser spätantiker grammatischer Handbücher sind, wenn auch unterschiedlich sicher, als Christen zu identifizieren: Pompeius, Phocas und 139

Vgl. die Übersicht über die Kommentargattungen bei FUHRMANN 1994, 85–91. KASTER verzeichnet ihn daher nicht unter den Grammatikern; da in der Tat wenig darauf hindeutet, dass Victorinus als grammaticus lehrte, wird er unten bei den Rhetoren ausführlich behandelt (s.u. S. 392f.). 141 KASTER 341f. Nr. 123; PLRE II 890 Nr. 2. Sein Glossar (zu dieser Gattung s.o. S. 37) bietet CGL V in drei Rezensionen (Placidus libri Romanorum, Placidus Libri glossarum, Placidus codicis Parisini); kurzen Erläuterungen archaischer Wörter folgen dabei ausführlichere grammatische und historische Notizen. 142 Vgl. CGL V 71,23: „Gestarum non nomine gentis est sed mercannariorum gallarum“, bei Oros. hist. IV 13,5 (241,15f. Z.) allerdings „Gaesatorum“ und „Gallorum“; CGL V 97,23 zum Tod Domitians, „cuius cadaber populari sandapila per uespelliones reportatum atque ignominiose sepultum est“ (Oros. hist. VII 10,7; 464,16f. Z.). Die Entlehnungen aus Orosius bestimmen den terminus post quem, die Rezeption bei Isidor von Sevilla den terminus ante quo (KASTER 1988, 342). 143 Vgl. CGL V, 49,10 (Libri Glossarum): „est et auspicium quod aues uel animalia paganis auribus demonstrant unde futura noscuntur“ (fast wortgleich aaO. 4,5 nach den Libri Romanorum) sowie aaO. 90,22: „Pan quem pagani deum dicunt uel incubum appellant capriuis pedibus barbatum rubicunda facie in destram fistulam in leua virgam tenentem que nolunt rerum et tocius nature deum unde Pan quasi omnia appellant“ (= 27,11). 140

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Priscian. Ersterer verfasste einen umfänglichen Kommentar zu Donatus’ ars (maior), und zwar als Lehrerhandbuch für den Grammatikunterricht.144 Der Text bietet über konventionelle grammatische Beispiele hinaus eine ausführliche Diskussion des Wortes Pascha; dass Pompeius Christ war, ist daher wahrscheinlich.145 Das gilt ebenso für den im späten vierten oder frühen fünften Jahrhundert wirkenden Grammatiker Phocas146, dessen Ars de nomine et verbo von einem Lehrer im Blick auf den Grammatikunterricht geschrieben wurde, wie die Berufung auf „nostra professio“ und die Erwähnung der „discipuli nostri“ bezeugen.147 Dass der christliche Name Petrus als Beispiel verwendet wird, lässt sich als indirekter Hinweis auf seine religiöse Affiliation deuten.148 In der Vorrede zu seiner Vergil-Vita wird andererseits die Aeneis als carmen sacrum bezeichnet; ob diese praefatio von Phocas stammt, ist aber umstritten.149 Auch wenn er Christ war, wurde seine Lehrschrift nicht unter dieser Perspektive wahrgenommen: Cassiodor rechnete ihn unter die Autoren, die zu ihren Zeiten in großen Ehren gehalten worden seien, wie Q. Remmius Palaemon, Marcus Valerius Probus und Censorinus, also unzweifelhafte „Heiden“.150 Phocas’ 144 KASTER 343–346 Nr. 125; PLRE II 898 Nr. 1; der Kommentar ist ediert in GrLat V, 95–312. Pompeius wirkte wahrscheinlich in Afrika, zeitlich nach Donatus und auch nach Servius’ Donat-Kommentar, aber vor Isidor von Sevilla, der sein Werk benutzte, also im späten 5. oder im 6. Jahrhundert. 145 GrLat V, 177,4–20, doch werden auch pagane Feste wie die Saturnalia herangezogen. 146 KASTER 339–341 Nr. 121; PLRE II 881 Nr. 3; handschriftlich als grammaticus urbis Romae belegt. Den terminus ad quem liefert die Rezeption seiner ars de nomine et verbo bei Priscian (gramm. X 23; GrLat II, 515,16 übt beiläufig Kritik an GrLat V, 433,24); der terminus a quo hängt an der Frage, ob seine Vita Vergilii (Vitae Vergilianae antiquae, ed. Hardie, 29–35) von Donatus’ gleichnamiger Schrift beeinflusst ist oder direkt auf Sueton zurückgreift. KASTER 1988, 340 optiert für eine spätere Datierung (frühes 5. Jh.). Die Notiz in Cod. Vat. Regin. 1560 (saec. XI; zit. n. GrLat V, 407): „Focas iste antiquissimus grammaticus fuit ante Priscianum et Donatum, adeo ut Priscianus multa de eo in libro suo dicat et exempla sumat“ ist wohl, was das Verhältnis zu Donatus angeht, von Cassiod. gramm. (GrLat VII, 214,21–215,1) abhängig und findet sich fast wortgleich im Phocas-Kommentar des Remigius von Auxerre (9. Jh). 147 GrLat V, 411,8–16; zur Schulperspektive vgl. das die Ars einleitende Gedicht (410,2– 13) sowie vereinzelte Hinweise auf ein breiteres Publikum (426,8f.); dazu KASTER 1988, 339. 148 GrLat V, 423,20. 149 Die Praefatio zu Phocas’ Vita Vergilii ist nur in einem einzigen Manuskript erhalten (Cod. Paris. lat. 8093, saec. IX; hg. von Jakob BRUMMER, Vitae Vergilianae, Leipzig 1912, 50,21–24): „his fave dictis! retegenda vita est / vatis Etrusci modo, qui perenne / Romulae voci decus adrogavit / carmine sacro.“ Die späteren Herausgeber der antiken Vergil-Viten lassen den Prolog in ihren Editionen aus (vgl. jedoch KASTER 1988, 341). 150 Cassiod. inst. II 1,1 (FC 39/2, 300,14–302,1 Bürsgens): „Sed quamvis auctores temporum superiorum de arte grammatica ordine diverso tractaverint, suisque saeculis honoris decus habuerint, ut Palaemon, Phocas, Probus et Censorinus…“; die beiden Erstgenannten wirkten im 1. Jh., der letztere im 3. Jh. n.Chr. Auch in inst. I 30,2 (270,1–9 B., hier Z. 3) wird Phocas unter die „orthographi antiqui“ gezählt, wobei neben Velius Longus (2. Jh. n.Chr.) die spätantiken Autoren Curtius Valerianus, Q. Papirianus, Adamantius Martyrius und Eutyches, später auch Diomedes und Theoctistus genannt werden; vgl. BÜRSGENS, FC 39/1, 270f. Anm. z.St.

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Charakterisierung der antiken Schule als „Gymnasium der Weisheit, in dem der Weg zum seligen Leben aufgezeigt wird“151, bleibt in spezifischer Weise unbestimmt: Weder ist einfach ein Bezug zur christlichen beata vita herzustellen noch dieser grundsätzlich auszuschließen. Zwar betonte Augustin, „daß eifrigen und begabten jungen Leuten, die Gott fürchten und das selige Leben suchen, heilsam vorgeschrieben wird, daß sie keinen Wissenschaften, welche außerhalb der Kirche Christi gelehrt werden, gleichsam zur Erlangung des seligen Lebens sicher zu folgen wagen, sondern diese nüchtern und sorgfältig unterscheiden sollen.“152

Wenn Phocas jedoch, worauf einiges hindeutet, in Rom für dortige Lehrer und auch für römische Gebildete schrieb, erscheint diese scharfe Abgrenzung weniger eindeutig. Dass die klassische grammatische und rhetorische Bildung keinen Widerspruch zum christlichen Glauben und Leben darstellte, mag für sein Publikum ganz selbstverständlich gewesen sein, ohne dass sich „heidnische“ Leser dadurch ausgeschlossen fühlen mussten. Insofern für Phocas selbst und die zeitgenössischen Grammatiker kein Widerspruch zwischen ihrer Profession und einer Zugehörigkeit zum Christentum bestand, zählte ihn Cassiodor also ganz zu Recht zu den „alten Orthographen“. Neben Donatus war Priscian der prominenteste unter den spätantiken grammatici latini. Er stammte aus Caesarea in Mauretanien und wirkte während der Herrschaft Anastasius’ I. (491-518) bis in die ersten Jahre Justinians (527565) in Konstantinopel.153 In diesem Umfeld und in dieser Zeit einen Christen in einer Grammatikschule zu finden, erstaunt, für sich genommen, nicht mehr; noch zu Priscians Lebzeiten wurde durch Justinian ein generelles Lehrverbot für Heiden erlassen und damit faktisch die Umkehrung dessen angeordnet, was Julian anderthalb Jahrhunderte zuvor versucht hatte.154 Wiederum 151 GrLat V, 411,6f.: „gymnasium sapientiae, quo ad beatam vitam semita demonstratur“; vgl. KASTER 1988, 89 mit Anm. 286. 152 Aug. doct. christ. II 39,58 (CChr.SL 32, 72,1–5 Martin): „uidetur mihi studiosis et ingeniosis adulescentibus et timentibus Deum beatamque uitam quaerentibus salubriter praecipi ut nullas doctrinas quae praeter ecclesiam Christi exercentur tamquam ad beatam vitam capessendam secure sequi audeant“; Übers. POLLMANN, 95; s. auch unten S. 450. 153 KASTER 346–348 Nr. 126; PLRE II 905 Nr. 2; vgl. Bettina WINDAU, in: LACL 3 , 589f. zu seinem Schrifttum; vgl. bes. die Institutio de arte grammatica (CPL3 1546; GrLat II–III) und die Praeexercitamina rhetorica (CPL3 1549; GrLat III, 430–440 = RLM 551–560 Halm). Sein Wirken in Konstantinopel wird durch den Panegyricus auf Kaiser Anastasius (wohl 503) und durch die Subskriptionen zu einigen Büchern der Institutio (526) eingegrenzt. Kleinere Werke sind einem Symmachus gewidmet; wenn es sich dabei um den Schwiegervater des Boethius handelt, sind jene auf spätestens 525 – das Datum der Hinrichtung des Senators – zu datieren. Cassiod. gramm. (GrLat VII, 207,13f.) nennt als Quelle seiner Schrift „Priscianus grammaticus, qui nostro tempore Constantinopoli doctor fuit“; damit dürfte nicht seine Zeit am westlichen Kaiserhof (bis 537), sondern sein Aufenthalt in Konstantinopel (540–544) gemeint sein. 154 Cod. Iust. I 5,18,4 (a. 527; 57 Kr.): ὥστετοὺςτὰτοιαῦτανοσοῦντας [nämlich Häretiker, Samariter und Heiden] µήτε στρατεύεσθαι µήτε τινὸς ἀξιώµατος ἀπολαύειν, ἀλλὰ µηδὲ ἐν σχήµατιδιδασκάλουπαιδείαςδῆθέντινοςτὰςτῶνἁπλουστέρωνψυχὰςεἰςτὴνἑαυτῶνἀνθέλκειν

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reiht Cassiodor, wie bereits Phocas, nun auch Priscian, den er andernorts als „auctor modernus“ bezeichnen kann, unter die klassischen Grammatiker ein (neben einem ansonsten unbekannten Griechen Helenos).155 Aus der Perspektive Cassiodors konnte eine Einteilung nicht auf der Zugehörigkeit zum Christentum oder „Heidentum“ basieren, sondern nur auf der literarischen Beschäftigung mit „säkularen“ oder christlichen Themen. Die Grammatik gehört zweifelsfrei zu ersteren, wie schon aus der Anordnung seiner Institutiones hervorgeht: Die Vorrede zum zweiten Buch stellt klar, dass die Grammatik „Ursprung und Grundlage der freien Künste“ ist156, die explizit von der „geistlichen Wissenschaft“, die im ersten Buch zur Sprache kam, unterschieden werden. Von dieser Warte aus stellt sich also gar nicht die Frage, ob Priscian Christ war, und sie wäre auch aufgrund von Priscians Institutio nicht eindeutig zu beantworten, wenn der Autor nicht selbst auf „meinen Lehrer Theoctistus, die Zierde aller Redekunst“ hinwiese, „dem ich alles Wissen, über das ich verfüge, gleich nach Gott verdanke.“157 Dass dieser der von seinem Schüler betonten Reihenfolge zugestimmt hätte, legt der Name nahe.158 Wiederum zählt Cassiodor den Genannten unter die klassischen Referenzautoren, und zwar neben Diomedes als Verfasser einer Orthographie und damit als Vorbild seines eigenen Werkes, während Priscian seinem „überaus weisen Herrn und Lehrer“ eine institutio artis grammaticae zuschreibt.159 Als Lehrer Priscians lebte Theoctistus in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts; wenn er jenen in Konstantinopel unterrichtete, ergäbe sich eine Diadoche christlicher lateinischer Grammatiker in der östlichen Kaiserstadt.160 πλάνηνκαὶκατὰτοῦτοποιεῖναὐτοὺςἀγροτέρουςπερὶτὴνἀληθῆκαὶκαθαρὰντῶνὀρθοδόξων πίστιν, µόνοις δὲ ἐκείνοις διδάσκειν καὶ σιτήσεως δηµοσίας τυγχάνειν ἐφίεµεν τοῖς τῆς ὀρθοδόξου πίστεως οὖσιν; mit gleicher Begründung wiederholt in Cod. Iust. I 11,10,2 (64 Kr.). Bereits das mit Justin erlassene Häretikeredikt hatte den bei Gericht tätigen Rhetoren ihre Verantwortung für den christlichen Glauben eingeschärft (Cod. Iust. I 5,12,8; 54 Kr.); zu Justinians Bildungspolitik vgl. SCHLANGE-SCHÖNINGEN 1995, 154–157; MAAS 2005, 20f. 155 Cassiod. inst. II 1,1 (300,8f. B.): „De quarum [sc. litterarum] positionibus atque virtutibus Graece Helenus, Latine Priscianus subtiliter tractaverunt“; vgl. gramm. (GrLat VII, 147,15): „ex Prisciano moderno auctore“. 156 Cassiod. inst. II praef. 4 (294,8–10 B.): „In quo [sc. secundo] libro primum nobis dicendum est de arte grammatica, quae est videlicet origo et fundamentum liberalium litterarum.“ 157 Prisc. gramm. VI 51 (GrLat II, 238,5–7): „doctissime attendit noster praeceptor Theoctistus, omnis eloquentiae decus, cui quidquid in me sit doctrinae post Deum imputo.“ Im Panegyricus für Kaiser Anastasius wird interessanterweise die Josephsgeschichte paraphrasiert (Poetae latini minores, 271,211–218 Baehrens). 158 KASTER 364f. Nr. 149; PLRE II 1066 Nr. 5. 159 Cassiod. inst. I 30,2 (270,15f. B.): „Diomedem quoque et Theoctistum aliqua de tali arte scripsisse comperimus“; Prisc. gramm. XVIII 56 (GrLat III, 231,24f.): „teste sapientissimo domino et doctore meo Theoctisto, quod in institutione artis grammaticae docet“. 160 Allerdings wird keiner von beiden mit der 425 in Konstantinopel begründeten „Universität“ in Verbindung gebracht, die immerhin zehn Lehrstühle für lateinische Grammatiker besaß. Zwar wird Priscian im Incipit seiner Institutio als „doctor urbis Romae Constantinopoli-

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Als lateinischer Grammatiker wirkte in Konstantinopel (mindestens bis 566/67) Flavius Cresconius Corippus aus Karthago.161 Nach eigener Auskunft stammte er aus dem afrikanischen Hinterland162, lehrte dann in der nordafrikanischen Metropole und wechselte schließlich in die östliche Kaiserstadt, wo seine Panegyrici auf Kaiser Justin II. und Anastasius, seinerzeit Quaestor sacri palatii und magister officiorum, entstanden. Corippus werden drei biblische Epen zugeschrieben, die jedoch nicht erhalten sind; sein Epos auf den kaiserlichen Feldherrn Johannes, das er bald nach dem Maurenkrieg 548 verfasste, ist nicht nur als historische Quelle bedeutsam, sondern gibt auch ein Beispiel kreativer christlicher Rezeption Vergils am Ende der Spätantike.163 Mit Corippus endet die Linie der im Osten nachweisbaren (!) lateinischen christlichen Grammatiker; fast zur gleichen Zeit summierte im Westen Cassiodor das Wissen der antiken Grammatik in seiner Institutio, wohl wissend, dass die Tradition der Grammatikschulen im Abbrechen begriffen war, was sein jüngerer Zeitgenosse Papst Gregor I. dezidiert begrüßte (s.o. S. 308). Jedoch verfassten noch im 7. Jahrhundert die westgotischen Bischöfe Julian von Toledo und Isidor von Sevilla grammatische Schulschriften, ersterer als ars wie seine spätantiken Vorgänger, letzterer im Rahmen der „Etymologien“. Als Quelle für beide hat Ulrich Schindel einen Traktat De vitiis [et virtutibus] identifiziert, der zwischen 450 und 550 abgefasst worden sein könnte und nicht nur die klassischen Schulautoren, sondern auch das Alte und das Neue Testament sowie Autoren wie Augustin, Hieronymus, Dracontius und Tyconius als Quellen heranzieht.164 „Isidorus iunior“ – so der in der einzigen Handschrift genannte Verfasser – nimmt die kirchlichen Schriften ganz selbstverständlich als Referenzgröße in Anspruch, ohne dafür eine gesonderte Rechtfertigung für nötig zu erachten, und entwirft so „eine Synthese von heidnischer grammatischer Gelehrsamkeit und biblischer Natur-Eloquenz“.165 Wenn Schindels Datierung zutrifft, liegt hiermit ein Indiz vor, dass nicht nur tanae“ tituliert (GrLat II, 1 App.; ähnlich Cassiodor, s.o. Anm. 153), jedoch fehlt ein eindeutiger Beleg (so SCHLANGE-SCHÖNINGEN 1995, 129). 161 KASTER 261–263 Nr. 37; vgl. Ludmilla KRESTAN/Klaus WINKLER , in: RAC 3 (1957), 424–429 und Beate SURMANN, in LACL 3, 165. 162 Ioh. praef. 25f. (39f. Vinchesi): „quid quod ego ignarus, quondam per rura locutus, / urbis per populos carmina mitto palam?“ 163 H OFMANN 1989 forderte entsprechend, dass Corippus in einer Neuausgabe der Patrologie von ALTANER/STUIBER endlich seinen Platz haben müsse – ein Desiderat, das mit dem LACL-Eintrag (Anm. 161) erfüllt ist. Zur Begründung verweist er (365–368) auf spezifisch christliche Sprachmuster wie die Schöpfungstheologie in Ioh. 286–292 (50 V.) und Iust. II 11–29 (33f. Antès) sowie die Paraphrase des Nizäno-Constantinopolitanums in Iust. IV 292–311 (85 A.). Vgl. auch das Fazit von KRESTAN/WINKLER, RAC 3 (wie Anm. 161), 428: „Christliche Vorstellungen überwiegen gegenüber heidnisch-antiken.“ 164 Dazu vgl. SCHINDEL 2003, 183–189. 165 SCHINDEL 2003, 188; vgl. aaO. 185–188 zu einigen Beispielen der Verwendung von Augustin-Passagen zu didaktischen Zwecken (civ. XI 18; enchir. 2,8).

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Christen als Lehrer, sondern auch christliche Texte als Unterrichtsstoff in der Spätantike prinzipiell möglich waren – ohne dass der grammaticus seinen Schülern die Verwerflichkeit der Götter der klassischen Schulschriften vor Augen geführt hätte, wie es die Canones Hippolyti gefordert hatten (s. S. 350). Der ansonsten unbekannte „Isidor“ belegt freilich nicht, „daß die GrammatikerSchule des Westens auch schon vor Cassiodor… sich ebenso selbstverständlich wie im Osten an die neue Staatsreligion adaptierte“166: Das skizzierte Material deutet vielmehr darauf hin, dass christliche Lehrer im Regelfall nicht die klassischen Autoren durch eigene ersetzten, was den Ausstieg aus dem Christen und „Heiden“ verbindenden Bildungscurriculum bedeutet hätte. Bis zum Ende der antiken Schultradition gehörten also Christen zu den Protagonisten der Grammatik, durchaus an prominenter Stelle, ohne dass Konflikte aus dieser Tätigkeit entstanden wären. Natürlich ist nicht mehr rekonstruierbar, ob und wenn ja, wie viele Christen aus religiösen Bedenken gar nicht erst den Lehrerberuf anstrebten. Diejenigen, die als Grammatiker in den antiken Schulen tätig waren, scheinen dies aber überwiegend nicht als konfliktträchtig empfunden zu haben. Augustins Vorbehalte gegenüber der Grammatik reagieren damit aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine für selbstverständlich erachtete Lehrtätigkeit vieler Zeit- und Glaubensgenossen. 4.2.3. Rhetores a) Epigraphisch bezeugte Rhetoren: Christliche Rhetoriklehrer begegnen nur in wenigen Inschriften167; in dem Lehrberuf mit dem höchsten Prestige dauerte es vermutlich am längsten, bis sich Christen als Lehrer etabliert hatten. Neben einer Inschrift, die in vandalischer Zeit ein römischer Rhetor Citherius für seinen Schüler Hilarinus anfertigen ließ168, ist besonders auf ein Zeugnis aus der nordafrikanischen Byzacena hinzuweisen: 166

SCHINDEL 2003, 189. Nach RIESS 2001, 166 sind oratores im Unterschied zu den rhetores keine Lehrer, sondern Politiker oder Juristen. Dies entspricht der Unterscheidung bei Marius Victorinus, rhet. 1,1 (RLM 156,23–25 Halm): „Rhetor est, qui docet litteras atque artes tradit eloquentiae: sophista est, apud quem dicendi exercitium discitur: orator est, qui in causis privatis ac publicis plena et perfecta utitur eloquentia“; Beispiele für letzteres sind der Soldat und orator Flavius Merobaudes (o. S. 176f.) sowie der Verfasser eines Gedichts auf die Jungfrau Maria, Andrea orator (spätes 6. Jh.; vgl. PCBE II/1, 126 Nr. 2; Sebastian BIALAS, in: LACL 3, 36; Anth. lat. I/2, 57f. Nr. 494c Riese). Diese Differenzierung wird freilich nur selten in den Quellen in hinreichender Trennschärfe durchgeführt (vgl. ThesLL IX/2, 1981, 893–900 s.v. orator I, bes. 898f.), am augenfälligsten in Diocletians Höchstpreisedikt (Edictum imperatoris Diocletiani de pretium rerum venalium VII 71; zit. oben S. 29 Anm. 11), wo von „orator sibe sofista“ in eindeutiger Parallele zu den magistri ludi und grammatici die Rede ist; zeitgleich zeigt allerdings Arnobius (S. 119. 387), dass die Unterscheidung von orator und rhetor durchaus angewandt wurde. 168 ICUR II 461: „Quisque gravas lacrimis Hilarini flebile marmor, fleto aviam potius duram vivacibus annis; ille Deo meruit, tenero praelectus in aevo, vivire tiro brevis, sed iam sub milite (Christi?).“ 167

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„Hier liegt Valurius Geminius. Er war Rede- und Lebenslehrer; den Körpern der Menschen galt seine stete Zuverlässigkeit und heilsame Pflege. Im großen Kreislauf der Monate lebte er 80 Jahre lang ein Leben im Glauben; im Lauf der Zeiten kam er dann an dieser Stätte in würdigem Frieden zur Ruhe.“169

Dass es sich hier um einen Christen handelt, wird durch das der Inschrift vorangestellte Kreuz, flankiert von Α und Ω, belegt. In der Formulierung „Fandi uitae(que) magister“ könnte die in christlichen wie paganen Quellen geläufige Kritik an der Lebensabgehobenheit der Rhetorik aufgenommen und durch den Hinweis auf die Lebenspraxis sowie – als Steigerung? – auf den christlichen Glauben abgewehrt werden. Das öffentliche Gedenken an Geminius spiegelt demnach das Faktum des von Christen erteilten Rhetorikunterrichts, aber auch die Notwendigkeit einer Rechtfertigung dafür. Unter den christlichen Rhetoren nimmt Flavius Magnus († nach 425) eine Sonderstellung ein: Er wurde als erster Rhetor überhaupt in den Rang eines comes ordinis primi erhoben und trug offenbar den Ehrentitel eines rhetor urbis aeternae (sofern damit nicht die Position als öffentlich besoldeter Rhetor in der Nachfolge Quintilians gemeint ist). Die Inschrift auf seinem Sarkophag, mit einem zweifachen AΩ-Christogramm versehen, lautet wie folgt: „Flavius Magnus, uir clarissimus, Rhetor in der ewigen Stadt, dem der allerhöchste Senat allein um seiner Verdienste willen kundtat, dass er ihn für hinreichend geeignet erachtete, dass mit ihm das Gesetz der Würdigkeit Geltung gewinnen sollte; argloser Lehrer und innerhalb kurzer Zeit von dem gesamten patrizischen Nachwuchs auserlesen als Lehrer der Beredsamkeit, seiner Zeit so unnachahmlich, dass er nur den Alten gleichgestellt werden kann.“170

Heike Niquet sieht in dieser Sarkophaginschrift eine für die Spätantike charakteristische „maßlose rhetorische Übertreibung zur Steigerung seines Prestiges“: „Daß er fraudis ignarus war, durften die Öffentlichkeit und seine Mandanten mit Fug und Recht von ihm erwarten, und wenn in der Inschrift auf das Gesetz Theodosius’ I. angespielt wird, das Gelehrte nach zwanzig Jahren Tätigkeit mit dem Rang eines comes primi ordinis belohnte, so wird der Blick davon weggelenkt, daß Magnus dieses Privileg selbstverständlich mit seines-

169 AE 1953, 49 (Mactaris/Byzacena, 5. Jahrhundert): „Valurius Geminius hic situs est. Fandi quonda|m vitaeq[ue] magister semper fide[m] | adqu[e] salutiferas curas humanis d|ebebat corporibus. LXXX enim mag|nos bolvendis mensibus | orbes fidelis vitam peregit; | consequentibus metis hac sede | digna in pace quievit“; Übers. nach VÖSSING 1997, 151f. 170 ILCV 102 = CIL VI 9858 = ICUR NS VII 18802 (S. Laurentio in agro Verano): „Fl. Magnus u.c. rhetor urbis aeternae, cui tantum ob meritum suum | detulit senatus amplissimus, ut sat idoneum iudicaret, a quo lex | dignitatis inciperet, praeceptor fraudis ignarus et intra breue tem|pus uniuersae patriciae soboli lectus magister eloquentiae, ita inimi|tabilis saeculo suo, ut tantum ueterib. possit aequari“; Übers. nach GEIST/PFOHL, 117 Nr. 306. Zur Person vgl. PLRE I 535 Nr. 10; PCBE II/2, 1350 Nr. 1.

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gleichen teilte.“171 Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch entscheidend, dass all dies – die ruhmreiche und prägende Lehrtätigkeit ebenso wie die dafür verliehenen Ehren – im frühen 5. Jahrhundert eben auch einem Christen attestiert werden konnten, der damit für das geehrt wurde, was Augustin in De disciplina christiana (s.o. S. 376) als Irrweg antiker Schulbildung gebrandmarkt hatte. Flavius Magnus ist damit ein Beispiel für den sukzessiven Umschwung im späten 4. und frühen 5. Jahrhundert, als Christen Posten und Ehren erwerben konnten bzw. als es für die Vergabe hoher Ämter wie für das soziale Ansehen keine Rolle mehr spielte, ob jemand Christ war. Umgekehrt war es vermutlich derselbe Magnus, der um 397/98 in einem Schreiben an Hieronymus diesen für seine literarische Benutzung paganer Autoren tadelte und damit eine pointierte Replik provozierte.172 Falls jener erst nach diesem Briefwechsel zum Christentum konvertierte, würde das die spannende, aber nach Lage der Dinge kaum zu beantwortende Frage aufwerfen, ob und welche Rolle Hieronymus’ Antwort bei diesem Religionswechsel spielte. b) Literarische Zeugnisse über christliche Rhetoren: An der Schwelle zum 4. Jahrhundert und damit zur „konstantinischen“ Zeit steht Laktanz, der zwischen 290 und 300 von Diocletian als Lehrer der lateinischen Rhetorik an den Kaiserhof nach Nikomedien berufen wurde, wo er sich (nach Hieronymus) aus Mangel an Schülern auf das Schreiben verlegte. Zeitgleich mit dem Ausbruch der Christenverfolgung – wohl ohne direkten Zusammenhang damit – legte er 303 sein Amt nieder und widmete sich der Apologetik für das Christentum, bevor ihn Konstantin ca. 315 als Prinzenerzieher nach Trier berief.173 Laktanz 171 N IQUET 2000, 170f.; vgl. Cod. Theod. VI 21,1 a. 425 (268,5–15 M.), wo einige konstantinopolitanische Rhetoren des Comitats gewürdigt werden, diese Ehrung jedoch prinzipiell allen Rhetoriklehrern in Aussicht gestellt wird: „Qua in re quicumque alii ad id do[ctri]nae genus, quod unusquisque profitetur, ordinatur [pro]dentur, si laudabilem in se probis moribus vit[am] esse monstraverint, si docendi peritiam fac[undi]amque dicendi, interpretandi subtilitatem, cop[iam] disserendi se habere patefecerit et coetu amp[lis]simo iudicandi digni fuerit aestimati, qui in me[mo]rato auditorio professorum fungantur officio, hi quoque cum ad viginti annos observatione iug[i] ac seduto docendi labore pervenerit, isdem, quibus praedicti viri, dignitatibus perfruantur.“ 172 Hier. ep. 70 (CSEL 54, 700–708 Hilberg), gerichtet an den „orator urbis Romae“ (700,5); die Prämisse der Antwort lautet (700,16–701,2): „numquam hoc quareres, nisi te totum Tullius possideret, si scripturas sanctas legeres, si interpretes earum omisso Volcatio euolueres.“ FÜRST 2003, 190 s.v. bringt den Korrespondenten nicht mit dem Verstorbenen aus ILCV 102 in Verbindung. Vgl. auch Hier. adv. Rufin. I 30 (CChr.SL 79, 29,18–21 Lardet); TORNAU 2006, 89f. 173 PLRE I 338 Nr. 2 (Firmianus qui et Lactantius); vgl. das Selbstzeugnis: inst. V 2,2 (CSEL 19, 403,14f. Brandt); dazu VÖSSING 1997, 277f. mit Anm. 1032; Hier. vir. ill. 80,1 (186 C.-G.): „Firmianus, qui et Lactantius, Arnobii discipulus, sub Diocletiano principe accitus cum Flavio grammatico… Nicomediae rhetoricam docuit ac penuria discipulorum ob Graecam se videlicet civitatem ad scribendum se contulit“; zu Leben und Werk: Karl-Heinz SCHWARTE, in: LACL 3, 443– 445; Antonie WLOSOK, in: HLL 5, 375–404; ELLSPERMANN 1949, 67–100; zur freiwilligen, nicht erzwungenen Aufgabe des Lehramtes vgl. zuletzt HECK 2005, 216 mit Anm. 52.

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galt – wie sein Lehrer Arnobius, der in Sicca (Africa proconsularis) wirkte – noch ein Menschenalter später als hervorragender Rhetor.174 Letzterer führte als Beweis für die Überzeugungskraft des Christentums den Sachverhalt an, dass sich „öffentliche Redner, Grammatiker, Rhetoriklehrer, Rechtsgelehrte, Ärzte und Philosophen“ dem christlichen Glauben zugewandt hätten175; die Nichtwidersprüchlichkeit von Glauben und Bildung ist dabei vorausgesetzt, während einer Beurteilung der Wahrheit der christlichen Botschaft nach grammatischen und rhetorischen Regeln andernorts abgelehnt wird.176 Beide Apologeten schrieben gewissermaßen „zwischen den Zeiten“, als eine Wende im Verhältnis der römischen Kaiser zum Christentum erkennbar wurde, ohne dass man – wie die Julian-Episode zeigt – dies als irreversiblen Umschwung hätte ansehen dürfen. Arnobius und Laktanz wandten sich an Christen, die selbst „Heiden“ gewesen waren oder pagane Bildung genossen hatten und nun dazu bewogen werden sollten, die Frage nach der Wahrheit der nach der Sprachrichtigkeit vorzuordnen, sei es auf dem Weg der Polemik, wie bei Arnobius, oder der abholenden Werbung, wie bei Laktanz.177 Dieser nimmt positiv Bezug auf „heidnische“ Bildung, die hier erstmals als Propädeutik der Beschäftigung mit biblischen Texten präsentiert wird: „Die allgemein gebräuchlichen Buchstaben sind zu lernen, um lesen zu können… Auch bei den Grammatikern ist einige Mühe aufzuwenden, damit du die rechte Weise des Sprechen kennst; dafür bedarf es vieler Jahre… ebenso wenig ist die Redekunst zu vernachlässigen, damit du das, was du gelernt hast, auch vortragen und ausdrücken kannst. Geometrie, Musik und Astrologie sind nötig, weil diese Künste einiges mit der Philoso-

174 Hier. vir. ill. 79 (186 C.-G.): „Arnobius sub Diocletiano principe Siccae apud Africam florentissime rhetoricam docuit“; chron. a. 327 (231,14–21 H.): „Arnobius rhetor in Africa clarus habetur. Qui cum Siccae ad declamandum iuvenes erudiret et adhuc ethnicus ad credulitatem somniis compelleretur nec ab episcopo impetraret fidem, quam semper inpugnaverat, elucubravit adversum pristinam religinem luculentissimos libros et tandem velut quibusdam obsidibus pietatis foedus impetravit“; das schließt nicht aus, dass Hieronymus die intransparente partitio seiner sieben Bücher adversus Nationes kritisieren kann (Hier. ep. 58,10,2; CSEL 54, 539,16f. H.: „inaequalis et nimius absque operis partitione confusus“), also gerade einen Arbeitsschritt, den jeder Rhetor perfekt beherrschen musste! Zu Arnobius vgl. ELLSPERMANN 1949, 54–66; Rainer JAKOBI, in: LACL 3, 62–64; Antonie WLOSOK , in: HLL 5, 365–375, bes. 366f. zur Schülerschaft des Laktanz. Vgl. hingegen N ORDEN 1915, 582: „Es gibt kaum zwei Schriften, die sich unähnlicher sind als das rohe Pamphlet des einen [sc. Arnobius] und das von vornehmer Ruhe getragene, mit der Fülle edelster hellenisch-römischer Weisheit durchtränkte Kunstwerk des anderen [sc. Laktanz].“ 175 Arnob. nat. II 5 (CSEL 4, 50,24–27 Reifferscheid); zit. oben S. 119. 176 Vgl. Arnob. nat. I 59 (40,2–4 R.): „aut qui minus id quod dicitur uerum est, si in numero peccetur aut casu praepositione participio coniunctione?“; s. auch unten S. 401f. 177 EIGLER 2003, 152f. verbindet mit Arnobius und Laktanz (und mit Firmicus Maternus) „das den Anfang der Spätantike markierende Zusammentreffen von Wiederbelebung der traditionellen Schulbildung mit dem Bemühen von christlicher Seite, sich in apologetischer Absicht verstärkt an die Bildungsschichten des Westens zu wenden bzw. im Falle einer Spätbekehrung die alte heidnische Bildung im Interesse des neuen Glaubens einzusetzen“.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

phie gemeinsam haben. Das alles können freilich weder Frauen noch Sklaven, weder Arme noch Handwerker oder Bauern lernen!“178

Der an Cicero geschulte Rhetor hat hier bereits so etwas wie das Curriculum der artes liberales im Blick, das Augustin und Martianus Capella in kanonische Form gossen und Cassiodor zu einem Kompendium von Lerngegenständen ausarbeitete. Am Beginn der „konstantinischen“ Zeit steht Laktanz als einer der großen Rhetoren seiner Zeit – und (mit Arnobius) als ein Christ, der seine Lehrerfahrung wie Cyprian in den Dienst der Apologetik stellte.179 Bereits im Zusammenhang der Hagiographie war von dem Gallier Edesius die Rede, einem „rethoricae facundiae et metricae artis peritissimus vir“, der den unermüdlichen Arbeitseifer des Hilarius von Arles und dessen Geistesgröße in poetischen Versen pries.180 Ohne ihn als unmittelbaren Lehrer dieses Heiligen oder eines anderen Zeitgenossen identifizieren zu können, wird doch hiermit der Kreis gebildeter Christen greifbar, aus dem sich das Leriner Mönchtum zum guten Teil rekrutierte und der wiederum als Adressat der Arleser Bischofsviten gelten darf. Weniger deutlich zeichnet sich das Bild des Rhetors Endelechius ab, wohl ebenfalls ein Gallier, der um 395 in Rom wirkte und in Kontakt mit Paulinus von Nola stand: Dieser bekundete gegenüber Sulpicius Severus, Endelechius habe ihn durch sein Schreiben zur Abfassung eines – verlorenen – Panegyricus auf Kaiser Theodosius I. „angestiftet“; der Rhetor wird dabei explizit als „gesegneter, das heißt christlicher Mann“ und als Freund des Paulinus beschrieben.181 Von Endelechius ist ein Bekehrungsepos 178 Lact. inst. III 25,9–12 (258,6–17 Br.): „discendae istae communes litterae propter usum legendi… grammaticis quoque non parum operae dandum est, ut rectam loqendi rationem scias; id multos annos auferat necesse est. ne oratoria quidem ignoranda est, ut ea quae didiceris proferre atque eloqui possis. geometria quoque ac musica et astrologia necessaria est, quod hae artes cum philosophia habent aliquam societatem. quae uniuersa perdiscere neque feminae possunt… neque servi… neque pauperes aut opifices aut rustici.“ MARKSCHIES 2002, 102 bezieht die mehrjährigen Mühen mit der Grammatik zu undifferenziert auf die „Elementarlehrer“. 179 Vgl. W LOSOK 1989, 136–138 und DIES ., HLL 5, 380. Sidonius Apollinaris stellte Laktanz in eine Reihe mit Hieronymus und Augustin (ep. IV 3,7; II 118 L.: „instruit ut Hieronymus, destruit ut Lactantius, adstruit ut Augustinus“); Eucher. cont. 396–399 (BPat 16, 82 Pricoco) zählte ihn gemeinsam mit Minucius Felix und Cyprian unter die „clarissimos facundia“ (s.u. S. 442f. Anm. 182). Die theologische Kritik an seinen teils unkonventionellen Ansichten führte jedoch dazu, dass Decr. Gelas. V 7,2 seine Werke indizierte (TU 38/4, 55,312 von Dobschütz: „opuscula Lactantii apocrypha“), ebenso wie die des Arnobius (n. 320; aaO. 56). 180 GP 594; PLRE II 386; s.o. S. 295; vgl. die Charakterisierung in vita Hilar. Arel. 15 (94,6f. Cavallin) sowie die Verszitate: ebd. c. 23 (94,8–14; 100,6–10). 181 GP 689 (Severus Sanctus qui et Endelechius); PLRE II 975; Wolfgang SCHMID , in: RAC 5 (1962), 1–3; Matthias SKEB, in: LACL 3, 218; vgl. Paul. Nol. ep. 28,6 (FC 25/2, 680,1–5 Skeb): „alius libellus ex his est, quos ad benedictum id est Christianum virum, amicum meum Endelechium scripsisse videor, non tamen edidisse convincar. Is enim mihi auctor huius in domino opusculi fuit, sicut ipsius epistola, quae libello meo pro themate praescribitur, docet“; zu dem Panegyricus vgl. bereits oben S. 164 mit Anm. 198.

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unter dem Titel De mortibus boum erhalten, das in Anlehnung an Vergils Georgica den Vielgötterglauben der Landbevölkerung anprangert.182 Ein Bezug zum Unterrichtsgeschehen findet sich bei beiden gallischen Rhetoren nicht; erkennbar wird jedoch, dass und wie die antike Poesie in den Dienst christlicher Hagiographie und Lehrdichtung gestellt wird.183 Ein dem Flavius Magnus vergleichbares Beispiel sozialen Aufstiegs eines Lehrers bietet Eugenius, Rhetor in Rom, Protégé des comes Richomer und des Heermeisters Arbogast, schließlich 392/94 Usurpator gegen Kaiser Theodosius I.184 Nach Socrates war er grammaticus latinus, nach Zosimus und Johannes von Antiochien rhetor185. Die christlichen und paganen Quellen betonen übereinstimmend, dass seine außergewöhnliche Bildung für diesen steilen Aufstieg verantwortlich gewesen sei.186 Ob er hingegen tatsächlich Christ war, ist eine offene Frage: Zwar wird er in den christlichen Quellen einer „Restauration“ des „Heidentums“ beschuldigt, so dass seine klassische Bildung in das Zwielicht antichristlicher Umtriebe gerät; dieser Zusammenhang mochte sich freilich eher christlichen Historikern so darstellen, die mit einer scharfen Dichotomie zwischen Christen und „Heiden“ operierten, während von der gezielten Begünstigung einer geschlossenen „heidnischen Partei“ tatsächlich keine Rede sein kann. Die religiöse Frage wird von der politischen überlagert: Einem von seiner Bildung fehlgeleiteten Christen fehlte als Usurpator gegen Theodosius, den entschiedenen Förderer des Christentum, jegliche Legitimität. c) Die Korrespondenten des Sidonius Apollinaris: Mehrere Rhetoren finden sich unter den Korrespondenten des Sidonius Apollinaris, der den befürchteten Niedergang der klassischen Bildung in Gallien durch intensive Kontaktpflege 182 Anth. lat. I/2, 334–339 Nr. 893 Riese; neu hg. und übers. von B ARTON 2000, 22–57. Endelechius lässt seinen „Helden“ Tityrus (den er Vergils erster Ecloge entlehnt, vgl. aaO. 73–97) im Brustton des gebildeten Städters sprechen, der mit der Konversion zum Christentum auch die pagane Mythologie durchschaut hat; „paganus“ wird hier bewusst doppeldeutig als „ländlich“ und „heidnisch“ verwendet. Der Gott der Christen ist der Gott der Großstädte (338,105–108 R.): „Signum, quod perhibent esse crucis dei, / Magnis qui colitur solus in urbibus, / Christus, perpetui gloria numinis, / Cuius filius unicus“ (vgl. BARTON, aaO. 81f.); an die dort lebenden Christen (oder „Halbchristen“, aaO. 202 – dazu s.o. S. 143f.!) wendet sich auch das bukolische Gedicht, das Endelechius zu einem „diuinus uere poeta“ im Sinne von Paul. Nol. carm. 22,157 (CSEL 30, 193 Hartel/Kamptner) macht (so BARTON, aaO. 159). 183 Beide gehören in den Kontext der seit dem 4. Jahrhundert aufblühenden christlichen Poesie, als deren Exponenten Juvencus, Proba und Prudentius, später Sedulius, Dracontius, Paulinus von Périgueux und Venantius Fortunatus zu gelten haben; vgl. Johannes SCHWIND, Epos, in: LACL 3, 231f. u.o. S. 24 Anm. 83. 184 S.o. S. 161f. (Quellen für das Folgende); KASTER 403f. Nr. 11; PLRE I 293 Nr. 6. 185 Nach KASTER 1988, 404 spricht mehr für einen Rhetor als für einen Grammatiker. 186 Zos. IV 54,2 (II/2, 323,16–18 Paschoud): καὶὅτιδιὰπαιδείαςὑπερβολὴνκαὶτὴνἄλλην τοῦβίουσεµνότηταπρὸςἀγαθὴνβασιλείανἁρµοδιώτατοςἔσται; Socr. h.e. V 25,2 (307,26 H.): διὰτὸεἶναιἐλλόγιµος; Joh. Ant. frg. 280 Roberto (zit. o. S. 161): ὑπὸγλώττηςεὐδοκινοῦντα.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

unter den viri litterati aufzuhalten versuchte. Viele der Erwähnten sind ausschließlich durch Sidonius’ Briefe bezeugt; diese Briefe aber verfolgten nicht das primäre Ziel, Informationen zu vermitteln, so dass aus ihnen nur selten biographische Details zu gewinnen sind (s.o. S. 224). Dies gilt beispielsweise für den gallischen Rhetor Adelphius, von dem durch einen Brief des Sidonius an Priscus Valerianus kaum mehr als der Name bekannt ist.187 Besser steht es mit Lampridius, einen Poeten und Rhetoriklehrer in Bordeaux, der auch am Hof des römischen Kaisers Maiorian wirkte und später vom Westgotenkönig Eurich gefördert wurde. Tragische Berühmtheit erlangte er durch sein Ende: Er wurde um 476 im eigenen Haus von seinen Sklaven ermordet.188 Sidonius schwärmte in höchsten Tönen von der Bildung des befreundeten Dichters: Lampridius habe in seinen Georgica Bäurisches abgebildet, ohne selbst so zu werden.189 Nur dem geübten Rhetor gelang es also, authentisch einfach zu schreiben, was als außergewöhnliche Kunstfertigkeit gelten durfte. Lupus von Périgueux, gegenüber dem Sidonius dieses Lob äußerte, gehörte selbst zu den wenigen Gebildeten, die das Urteil seines Briefpartners auch würden schätzen können: Er wirkte in seiner Heimatstadt, später in Agen als Rhetor.190 Sidonius attestierte ihm: „Wenn man von dir eine rhetorische Unterweisung einfordert, braucht man keinen Paulinus, keinen Alcimus mehr“; gemeint sind die Dichter Paulinus von Périgueux – der als Hagiograph des heiligen Martin bekannt wurde – und Alcimus Alethius.191 Ähnliches Lob wurde seinem Namensvetter Lupus, Bischof von Troyes, zuteil192, der einer Honoratiorenfamilie in Toul entstammte und eine so profunde Schulbildung erhielt, „dass sich der Ruf seiner Redekunst durch die blühenden Landschaften verbreitete“.193 Lupus wirkte wohl als Rhetoriklehrer in Toul, bevor er um 426 nach Lérins aufbrach und 427 Bischof in Troyes wurde; er starb 478. Für Sidonius steht seine rhetorische Kompetenz im Vordergrund des Interesses, die in der Vita eine zwar wichtige, aber natürlich spezifisch begrenzte Rolle einnimmt. Sidonius betrachtet Lupus hingegen – auch als Bischof – als eine der wenigen Stützen des untergehenden Altertums, dessen Glanz in den 187

GP 544; PLRE I 14 Nr. 4; vgl. Sidon. ep. V 10,3 (II 191 L.). GP 633; PLRE II 656f. Nr. 2; KAUFMANN 1995, 316f. Nr. 59. 189 Sidon. ep. VIII 11,6 an Lupus von Périgueux (477/78; III 114 L.): „in georgica sic rusticans multum, quod nihil rusticus“. Lampridius unterrichtete in Bordeaux (ep. IX 13,2 vv. 22f.; III 163 L.): „declamans gemini pondere sub stili / coram discipulis Burdigalensibus“. 190 GP 641 Nr. 2; PLRE II 694 Nr. 1; KAUFMANN 1995, 322f. Nr. 65. 191 Sidon. ep. VIII 11,2 (a. 477/78; III 110): „si a te instructio rhetorica poscatur, hi Paulinum, illi Alcimum non requirunt“; zur Identifikation der Genannten vgl. oben S. 230 Anm. 315. 192 GP 641 Nr. 1; M ATHISEN , Hist. 31 (1982), 377f.; KAUFMANN 1995, 321f. Nr. 64; s.o. S. 296. 193 Vita Lupi Trecensis 1 (MGH.SRM VII, 295,21 Krusch/Levison): „per regiones florentes eloquii fama vulgabat“. Diesen Ruhm des späteren Bischofs von Troyes bezeugt auch Sidonius in verschiedenen Briefen, z.B. ep. IX 11,6.9 (III 157f. L.). 188

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Briefkontakten der gallischen Gebildeten zu konservieren versucht wird. Zu diesen gehört schließlich auch der vir spectabilis Sapaudus, Rhetor in Vienne194: Er stand nicht nur mit Sidonius Apollinaris, der seine „ebenso klare wie anschauliche Wortwahl“ pries, in brieflichem Kontakt, sondern auch mit Claudianus Mamertus und Avitus von Vienne, kann also gewissermaßen als Knotenpunkt im epistolographischen Netzwerk des spätantiken Gallien angesehen werden.195 Über die wechselseitige Selbstvergewisserung der Bedeutung gemeinsam erworbener Bildung hinaus lassen sich allerdings Sidonius’ Briefen keine Hinweise auf die Einbindung seiner Freunde in konkretes Unterrichtsgeschehen entnehmen. Daher muss hier die Feststellung genügen, dass in diesem Netzwerk Bischöfe ebenso wie Laien begegnen, wobei der christliche Glaube zwar keinen Gegensatz zur antiken Bildung darstellte, als solcher aber nur selten thematisch wurde. d) Rhetoren als Schriftsteller: Die Grenze zwischen brieflicher Kommunikation und literarischer Betätigung ist fließend: Auch an Agroecius, den Bischof von Sens, richtete Sidonius ein Schreiben; derselbe Agroecius war aber vor seinem Episkopat nicht nur ein professioneller Rhetor, sondern auch Verfasser einer ars de orthographia.196 Das kurze Werk versteht sich als Supplement zu Flavius Capers De orthographia et de proprietate ac differentia sermonum; gewidmet ist es Bischof Eucherius von Lyon (434-450), der Agroecius das Werk Capers überlassen hatte und nun um kritische Verbesserung gebeten wird, wie er ja auch das Leben seines Mitchristen und Dieners zu korrigieren pflege.197 Agroecius zögerte nicht, in der Einleitung zu einer unzweifelhaft paganen Vorbildern folgenden Grammatik die höchste Aufgabe eines Priesters darin zu sehen, „die ihm anvertrauten Menschen sowohl nach dem Geist zu unterweisen als auch nach dem Buchstaben zu belehren“.198 Damit liegt erstmals eine Schul-

194

GP 689; PLRE II 976; KAUFMANN 1995, 346 Nr. 101. Sidon. ep. V 10,3 (a. 476/77; II 191 L.): „tua vero tam clara, tam spectabilis dictio est, ut illi diuisio Palaemonis, grauitas Gallionis, abundantia Delphidi, Agroecii disciplina, fortitudo Alcimi, Adelphii teneritudo, rigor Magni, dulcedo Victorii non modo non superiora sed uix aequiparabilia scribant“; Claudian. Mam. ep. 2 (CSEL 11, 205,2–22 Engelbrecht); Avit. ep. 86 (MGH.AA VI/2, 95,17–96,16 Peiper). 196 GP 548 Nr. 3; PLRE II 39 Nr. 3; KASTER 381f. Nr. 181; vgl. KAUFMANN 1995, 276f. Nr. 2; Bettina WINDAU, in: LACL 3, 13. Sidonius lud ihn wohl 470 zur Bischofswahl nach Bourges ein (ep. VII 5,2; III 49f. L.); möglicherweise ist er mit dem gebildeten metropolitanus von ep. VII 9,6 (III 54 L.) identisch: „qui cum sit suae prouinciae caput, sit etiam mihi usu, institutione, facundia, priuilegio, tempore, aetate praestantior“. 197 GrLat VII, 113,1–3: „libellum Capri de orthographia misisti mihi. haec quoque res proposito tuo et moribus tuis congrua est, ut, qui nos in huius vitae actibus corrigere vis, etiam in scribendi studiis emendares.“ 198 GrLat VII, 113,6–8: „hoc est vere summum Dei sacerdotem esse, commissos sibi homines, ut ipsis dicitis, et secundum spiritum imbuere et secundum litteram perdocere.“ 195

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schrift im klassischen Stil als Widmungsexemplar an einen Bischof vor, der freilich selbst auf hohem Niveau schriftstellerisch tätig war.199 Rhetoren, die zugleich als Dichter tätig waren, finden sich ebenfalls in Gallien: Paulinus von Périgueux war wohl Rhetor in seiner Heimatstadt; er verfasste eine metrische Bearbeitung der Vita Martini des Sulpicius Severus.200 Während er den Stoff an die ästhetischen Bedürfnisse gebildeter Leser anpassen wollte, stellt die Alethia des Marius Claudius Victorius, zwischen 425 und 450 Rhetor in Marseille, ein „biblisches Lehrepos“ dar, „das wohl für die Belehrung der Jugend bestimmt war“.201 In inhaltlich freier Form, inspiriert von paganen und christlichen Vorbildern wird hier die Ur- und Vätergeschichte bis zum Untergang von Sodom und Gomorrha nacherzählt. In gewisser Weise bietet Victorius damit eine Analogie zu den poetischen Neufassungen der biblischen Schriften durch die beiden Apollinarii angesichts des julianischen Schuledikts (s.o. S. 363 Anm. 56), hier mit dem selbst gewählten Ziel, biblische Unterweisung auf literarisch anspruchsvollem Niveau zu betreiben. Der wohl prominenteste christliche Rhetor war Gaius Marius Victorinus, „durch dessen Wirken als Rhetor alleine Rom erstrahlte“.202 Unter Konstantius amtierte er als rhetor urbis Romae, wurde 354 gemeinsam mit Donatus in den Clarissimat erhoben und mit einer eigenen Statue auf dem Trajansforum geehrt. Schon in fortgeschrittenem Alter stehend, wandte er sich zwischen 358 und 361 der Kirche zu und ersuchte um die Taufe – nach Augustin „zum Erstaunen Roms, zur Freude der Kirche“.203 Als Konsequenz dieser Konversion nahm er 362 in Folge des Schuledikts Julians seinen Abschied (s. S. 362). Nach seiner Konversion wandte er sich in einer Reihe von Schriften gegen die Arianer; davor hatte er Kommentare zu Schriften Ciceros (Topica, De inventione) sowie Handbücher für den Unterricht verfasst (Ars grammatica, De definitionibus, De syllogismis hypotheticis).204 Hieronymus spendet seinen theologischen und exegetischen Schriften nur ein ambivalentes Lob: Sie seien „nach dialektischer Art“ abgefasst und daher „reichlich dunkel“; nur die Gebildeten

199

Vgl. Clemens KASPER, Eucherius (von Lyon), in: LACL3, 234f. GP 666 Nr. 9; PLRE II 846 Nr. 7; s.o. S. 270 mit Anm. 503. 201 GP 712 Nr. 4; PLRE II 1160 Nr. 11; Bettina WINDAU, in: LACL 3, 486f. (Zitat: 486). 202 PCBE II/2, 2289–2293 Nr. 1; PLRE I 964 Nr. 11; Anton ZIEGENAUS, in: LACL 3 , 487f.; Goulven MADEC/Peter Lebrecht SCHMIDT, in: HLL 5, 342–355; das Zitat im Text entstammt dem Epitaph für seine Enkelin Accia Maria Tulliana (ILCV 104 = CLE 1966 = CIL VI 31934; Rom, 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts), Z. 2f.: „Victorinus auus, quo tantum rhetore Roma | enituit“. 203 Aug. conf. VIII 2,4 (116,51f. V.): „mirante Roma, gaudente ecclesia“; s.o. S. 142. 204 Nach Cassiod. inst. II 2,10 (322,12f. B.) war der Kommentar zu De inventione (CPL 3 1544; RLM 155–304 Halm) in Vivarium vorhanden. Inst. II 3,13 nennt explizit die Schrift über die hypothetischen Syllogismen (358,12–14) und bezieht sich auch auf De definitionibus. 200

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könnten sie verstehen.205 Doch pflegte ein prominenter Rhetor auch gar nicht volkstümlich, sondern für die literarischen Kenner zu schreiben! Im vorliegenden Zusammenhang ist festzuhalten, dass mit Marius Victorinus zum ersten Mal inschriftliches Lob, literarische Bewunderung und schriftstellerische Nachwirkung in einem Christen zueinander finden, und zwar in durchaus harmonischer Form. Insgesamt wird deutlich, dass aus den Schulhandbüchern und -kommentaren nur in seltenen Fällen – und auch dann nur en passant – eine religiöse Affiliation hervorgeht. Angesichts des Gegenstandes dürfte dies kaum verwundern, war der korrekte Gebrauch von Worten und Wortverknüpfungen doch wenig geeignet für den Austrag religiöser Differenzen. Damit wird aber aus der Schulpraxis deutlich, dass Julians Initiative, das Lehramt an eine religiöse Observanz zu binden, sowohl „Heiden“ als auch Christen gleichermaßen als überzogen und als der Schule nicht angemessen erscheinen musste – einer Schule, in der Christen zuallermeist offenbar ganz selbstverständlich als Lehrer wirkten und kein Interesse haben konnten, den Schülern eine christlich motivierte Unannehmbarkeit des Lehrstoffes zu vermitteln. Das Beispiel Augustins zeigt, dass das Verhältnis von Christentum und klassischer Schulbildung fragwürdig wurde, wo ein einstmals ambitionierter Lehrer seine Karriere abgebrochen und sich einem christlich-asketischen Leben (sowie bald einer kirchlichen Laufbahn) zugewendet hatte, wo also auf einen abgeschlossenen Lebensabschnitt zurückgeblickt und dieser aus der Perspektive der eigenen Konversion zum Christentum betrachtet wurde. Umgekehrt kann gefolgert werden, dass die Mehrzahl der Christen, die als Lehrer an „heidnischen“ Schulen wirkten, diese Spannung keineswegs in so existenzieller Form empfanden; wenn auch nicht prinzipiell auszuschließen ist, dass es gelegentlich Konflikte gab, so liegen doch jedenfalls auch keine eindeutigen Hinweise auf solche vor. Prudentius’ Schilderung des Martyriums des Cassian ist nicht nur im Vergleich mit den anderen Quellen eine Ausnahme, sondern auch durch die erzählte Situation, nämlich die diocletianische 205 Hier. vir. ill. 101 (101 C.-G.): „Victorinus, natione Afer, Romae sub Constantio principe rhetoricam docuit et in extrema senectute Christi se tradens fidei scripsit ‚Adversus Arium‘ libros more dialectico valde obscuros, qui nisi ab eruditis non intelliguntur, et ‚Commentarios in Apostolum!“; vgl. auch in Gal. prol. (PL 26, 308A): „Non quod ignorem Caium Marium Victorinum, qui Romae, me puero, rhetoricam docuit, edidisse Commentarios in Apostolum; sed quod occupatus ille eruditione saecularium litterarum, Scripturas omnino sanctas ignoraverit: et nemo possit, quamvis eloquens, de eo bene disputare, quod nesciat“; in Ezech. XIII 42 praef. (CChr.SL 75, 606,33–36 Glorie): „et illud rhetoris Victorini breuiter admoneo, ut obscuritatem uoluminum ex tribus rebus fieri scias: uel rei magnitudine, uel doctoris imperitia, uel audientis duritia“ – in seinem eigenen Fall sieht Hieronymus die beiden erstgenannten Schwierigkeiten gegeben, führt dies aber nicht für Victorinus aus. Vgl. dagegen Boeth. in Porph. isag. comm. Ia ed. I 1 (CSEL 48, 4,12 Brandt): „Victorinus orator sui temporis ferne doctissimus“; vgl. IIa ed. V 24 (347,26); comm. in Cic. topica 1 (PL 64, 1041B).

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Verfolgung.206 Unter den Vorzeichen der „konstantinischen Wende“ führte die literarische Polemik christlicher Autoren gegen die „heidnische“ Bildung im lateinischen Westen nicht zu einem Exodus von Christen aus den scholae publicae; im Gegenteil, nicht wenige christliche Lehrer gehörten zu den örtlichen Honoratioren, einige gelangten sogar zu höchsten Ehren. Autoren wie Augustin und Hieronymus, die sich kritisch mit der Institution Schule, ihrem Lehrstoff und ihrem Personal auseinandersetzten, können also nicht als die „Spitze des Eisbergs“ einer grundsätzlichen Ablehnung der Lehrtätigkeit von Christen an öffentlichen Schulen gelten. Dadurch verliert diese Kritik nicht ihre Bedeutung, doch ist die enge Einbindung von Christen als Lehrer und als Schüler in das pagane Bildungssystem im Blick zu behalten, wenn wir uns im Folgenden der theologischen Reflexion dieser Bildung zuwenden.

206

Gleiches gilt für den Lehrer und Märtyrer Babylas, s.u. S. 510.

5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht Christen partizipierten in der Spätantike nicht nur als Lehrer und Schüler am paganen Bildungssystem, sondern verteidigten auch vehement ihren Anspruch darauf, als Kaiser Julian christliche Lehrer aus den Schulen verbannen wollte. Daneben bestanden aber ernste Vorbehalte gegenüber grammatischer und vor allem rhetorischer Bildung, die als gefährlich angesehen wurde, da sie z.B. die Prediger in Versuchung führen konnte, als declamatores zu agieren und ihre Botschaft zu Gunsten des Schmucks der Rede zurücktreten zu lassen. Dass nach De doctrina christiana die Beherrschung der genera dicendi als für die Verkündigung der christlichen Botschaft nützlich, ja sogar notwendig ist, erledigt daher nicht die kritische Reserve, die bei dem ehemaligen Grammatikund Rhetoriklehrer Augustin bereits in seinen frühen Schriften begegnet, die sachlich noch ganz den artes liberales verpflichtet sind: „Weißt du nicht, daß es mir bei jenem Schulbetrieb immer auf den Magen schlug, daß sich die Schüler bis heute nicht von dem Nutzen und dem inneren Wert des Unterrichtsstoffes, sondern von der Sucht nach eitlem Beifall leiten lassen, so daß sie sich nicht schämen, sogar Reden anderer vorzulesen, um sich auch noch applaudieren zu lassen – o welch beklagenswertes Übel! – gerade von denen, die das verfaßt haben, was sie vorlesen?“1

Erfolgreiche rhetorische Strategien zu plagiieren war zweifellos ein Ziel des Unterrichts, der ja nicht zu Originalität erziehen, sondern in die Tradition der maiores einweisen sollte.2 Augustin sah dieses Ziel aber gerade verfehlt, solange nur auf Applaus für die Aneignung standardisierter Muster, nicht auf den nutzbringenden Erwerb von Bildung abgestellt wurde, nicht auf utilitas und decorum. Der letztgenannte Begriff bezeichnete in der antiken Rhetorik die Herausforderung, im gegebenen Fall über die mechanische Anwendung vorgegebener Strategien hinauszugelangen, um dem konkreten Gegenstand gerecht zu werden.3 Für Augustin kommt dabei auch die religiöse Dimension ins Spiel: Der Fehler der Schule sei vor allem, dass die Kinder zwar auf viele Dinge hingewiesen würden, die Gott geschaffen habe, doch nicht zur Vereh1 Aug. ord. I 10,30 (BAug 4/2, 145,73–79 Doignon): „tu nescis in illa schola grauiter me stomachari solitum, quod usque adeo pueri non utilitate ac decore disciplinarum sed inanissimae laudis amore ducerentur, ut quosdam etiam aliena uerba recitare non puderet exciperentque plausus – o ingemescendum malum! – ab eisdem ipsis, quorum erant illa, quae recitabant“; Übers. MÜHLENBERG, 272. 2 Zu dieser Funktion des antiken Rhetorikunterrichts vgl. KASTER 2001, 325f. 3 Das literarische decorum (aptum, τὸ πρέπον; dazu L AUSBERG 1990, 507–511 §§ 1055– 1062) spielt eine wichtige Rolle in den Auseinandersetzungen mit innerchristlichen Gegnern wie dem Manichäer Faustus; vgl. DODARO 2000; DERS. 2001, 72–75 zur antiken Theorie nach Cic. orat. 21,70: „Ut enim in vita sic in oratione nihil est difficilius quam quid deceat videre.“

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rung des Schöpfers angeleitet würden. „Also nicht wie gewisse Redekünstler dich verschwiegen haben, indem sie zwar die Schöpfung lobten, jedoch den Schöpfer vergaßen, nicht so lobt dich Generation auf Generation in deinen Knechten, wenn sie deine Werke lobt“, so in einer Homilie zu Ps 144,4.4 Dieses „gottlose“ Weltbild würde die Kinder lebenslang prägen, und genau darin sahen christliche Autoren die größte Gefahr der Schule, wie Johannes Cassian in seinen Mönchsgesprächen Abt Nesteros sagen lässt: „Der menschliche Geist kann sich nicht völlig aller Gedanken entledigen, und solange er nicht ganz mit geistlichen Studien befasst ist, wird er notwendigerweise von dem gefesselt, was er früher gelernt hat.“5

Diese pädagogische Einsicht findet sich bereits – ohne Kritik daran – bei Quintilian und ebenso in Hieronymus’ Empfehlungen an die römische Adlige Laeta für eine geistliche Erziehung ihrer Tochter Paula: „Man sagt, dass die Aussprache der Mutter schon von Jugend an den Grund zur Beredsamkeit der Gracchen gelegt hat, während Hortensia bereits auf den Knien des Vaters ihre erste Ausbildung in der Redekunst erhielt. Es ist schwierig, später auszumerzen, was der jugendliche Geist in sich aufgenommen hat. Wer kann der Purpurwolle ihren ursprünglichen Glanz wiedergeben? Ein ungebrauchtes Gefäß behält lange den Geschmack und den Geruch seines ersten Inhaltes.“6

Allerdings soll Paula auch als virgo Dei eine gepflegte Diktion besitzen; dafür möge ein „magister probae aetatis et uitae atque eruditionis“ engagiert werden, der (gegen Bezahlung) Paula denselben Dienst leisten werde, den Aristoteles an König Alexander verrichtet habe.7 Weder Cassian noch Hieronymus sehen – bei allen Vorbehalten – in einer geistlichen Erziehung ein vollständiges Äquivalent zur paganen Bildung. Das Fernhalten der Kinder von den schädlichen 4 Aug. in psalm. 144,7 (CSEL 95/5, 109,15–18 Gori): „Non ergo quemadmodum quidem eloquentes muti, laudantes creaturam, obliviscentes creatorem, non sic te laudat generatio et generatio in servis tuis, cum laudat opera tua.“ Verfehlt wird, worauf es eigentlich ankommt, nämlich delectare und prodesse (109,11–13 G.): „Si pulchritudo te delectat, quid pulchrius faciente? Si utiliter laudatur, quid illo utilius, qui fecit omnia?“; dazu STUDER 1996, 488f. mit Anm. 33. 5 Cass. conl. XIV 13,2 (CSEL 13, 414,25–28 P./Kreuz): „uacare enim cunctis cogitationibus humana mens non potest, et ideo quamdiu spiritalibus studiis non fuerit occupata, necesse est eam illis qui pridem didicit inplicari“; vgl. ILLMER 1976, 449; SCHEIBELREITER 1983, 51. Zur Bedeutung der Schulbildung für asketische Autorität bei Cassian vgl. GOODRICH 2005, 412f. 415–417. 6 Hier. ep. 107,4,6 (CSEL 55, 295,9–13 Hilberg): „Graccorum eloquentiae multum ab infantia sermo matris scribitur contulisse, Hortensiae oratio in paterno sinu coaluit. difficulter eraditur, quod rudes animi perbiberunt. lanarum conchylia quis in pristinum candorem reuocet? rudis testa diu et saporem retinuit et odorem, quo primum imbuta est“; Übers. SCHADE, BKV 16, 390f.; die beiden Bilder finden sich auch in Hier. adv. Rufin. I 30 (CChr.SL 79, 30,41–53 Lardet, zit. S. 432 Anm. 142); zur Purpurwolle vgl. Lucrez VI, 1074–1077, zum Geruch des Gefäßes Horaz, ep. I 2,69f.; zur Argumentation insgesamt Quint. I 1,5 (16 Rahn) mit der Pointe: „et haec ipsa magis pertinaciter haerent quae deteriora sunt“; die Beispiele der Gracchen und der Hortensia folgen in I 1,6. 7 Hier. ep. 107,4,4f. (294,17–295,5 H.; Zitat: 294,23).

5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht

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Einflüssen der Schulbildung konnte in monastischen oder adlig-eremitischen Kontexten noch praktikabel erscheinen – für die Mehrheit der Christen der Spätantike war dies keine realistische Möglichkeit. Der Verfechter der Askese und Kritiker „heidnischer“ Bildung, Johannes Chrysostomus, beklagte zwar, die Sünden würden durch das Erlernen rhetorischer Fähigkeiten noch gesteigert, räumte aber ein, dass die Vorbehalte gegenüber der Schule kein Grund seien, diese gleich abzuschaffen.8 Damit war bleibend die Aufgabe gestellt, sich zur paganen Schulbildung ins Verhältnis zu setzen – gewiss auch im Modus scharfer Kritik, öfter aber im Modus einer differenzierten Annäherung. Im Folgenden soll das Augenmerk dieser kritischen Reflexion der paganen Bildung und den Institutionen ihrer Vermittlung gelten. Das betrifft zunächst die Schule als Bildungsstätte und soziales System, d.h. die Themen, Methoden und Ziele des Grammatik- (5.1) und Rhetorikunterrichts (5.2.). Ausgehend von der wiederholt behaupteten Fundamentalopposition zwischen biblischer Wahrheit und paganer Bildung ist daraufhin zu fragen, inwieweit christliche Autoren versuchten, eine Bildung „aus eigenen Quellen“ (5.3.) zu entwerfen, für die die „heidnische“ Bildung als Propädeutik fungieren konnte (5.4.). 5.1. Der Grammatikunterricht und die Dichter 5.1.1. Wesen und Nutzen der Grammatik Im System der antiken Bildung hatte der Grammatiklehrer über die Sprachrichtigkeit zu wachen: Seine Aufgabe war es, die Schüler mit normativen Vorgaben vertraut zu machen, was „gutes“, d.h. an den klassischen Autoren orientiertes Latein war und welche Fehler zu meiden waren. Das sahen christliche Autoren nicht grundsätzlich anders, so z.B. Cassiodor: „Die Grammatik ist die anhand von Beispielen aus den berühmten Dichtern und Autoren gewonnene Fähigkeit zur kultivierten Sprache. Ihre Aufgabe ist die fehlerfreie Ausdrucksweise in Prosa oder Versen. Ihre Vollendung indes besteht darin, durch die Fähigkeit zur ausgefeilten Rede und makellosen Schreibweise zu gefallen.“9

8 Joh. Chrys. oppugn. 3,11 (PG 47, 367): Πονηρία γὰρ τὴν τοῦ λέγειν προσλαβοῦσα ἐµπειρίαν πολλῷ χείρονα τῆς ἀµαθίας ἐργάζεται τὰ δεινά... Τί οὖν; κατασκάψοµεν τὰ διδασκαλεῖα, φησίν; Οὐ τοῦτο λέγω, ἀλλ᾿ ὅπως µὴ τὴν τῆς ἀρετῆς καθέλωµεν οἰκοδοµήν, καὶ ζῶσαν κατορύξωµεν τὴν ψυχήν· σωφρονούσης µὲν γὰρ ταύτης οὐδηµία ἀπὸ τῆς τῶν λόγων ἀπειρίας ἔσται ζηµία, διεφθαρµένης δὲ µεγίστη ἡ βλάβη, κἂν σφόδρα ἡ γλῶττα ἠκονηµένη τυγχάνῃ,καὶτοσούτῳµείζων,ὅσῳπερἂνἐκείνηπροσῇἡδύναµις; s. UTHEMANN 1997, 290f. 9 Cassiod. inst. II 1,1 (FC 39/2, 300,10–14 Bürsgens): „Grammatica vero est peritia pulchre loquendi ex poetis illustribus auctoribusque collecta; officium eius est sine vitio dictionum prosalem metricamque componere; finis vero elimatae locutionis vel scripturae inculpabili placere peritia“; vgl. auch var. IX 21,3f. (CChr.SL 96, 371,19–372,24 Fridh): „Nam sicut musicus consonantibus choris efficit dulcissimum melos, ita dispositis congruenter accentibus metrum novit decantare grammaticus. Grammatica magistra verborum, ornatrix humani generis, quae per exercitationem pulcherrimae lectionis antiquorum nos cognoscitur iuvare consiliis.“ Zu weiteren spätantiken Definitionen der Grammatik s.o. S. 41f.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Hier sind die entscheidenden Elemente des antiken Grammatikunterrichts versammelt: die klassischen Vorbilder, das Kriterium der Fehlerlosigkeit und das Ziel, mit den erworbenen Fähigkeiten zu glänzen, worauf sich die christliche Kritik richtete (s.u.). Der Gegenstand der Grammatik sei die „locutionis integritas“, betonte auch Augustin.10 In seinen Schriften aus dem zeitlichen Umfeld von Cassiciacum wird der Grammatik als Kunst eine positive Rolle attestiert, ungeachtet der Kritik am Grammatikunterricht: Aus der Disposition der menschlichen Vernunft, Gemeinschaftsformen mit anderen vernunftbegabten Wesen anzustreben, ergibt sich die Notwendigkeit der Kommunikation durch ein Zeichensystem in mündlicher und (für den Austausch mit körperlich Abwesenden) schriftlicher Form: „Dies ist sozusagen die Kindheit der Grammatik, die Varro ‚litteratio‘, Einführung in die Schreibkunst, nennt.“11 Ihr Gegenstand ist die Klassifizierung der Buchstaben und ihrer Bestandteile, der Wortarten und der korrekten Aussprache. Inhaltlich ist sie die Wissenschaft von der Schriftsprache (litterae), weshalb sie litteratura genannt wird, so dass „unvermeidlich zu ihr all das, was aufgeschrieben wurde, weil es nicht vergessen werden sollte, dazugehört“.12 Der Grammatiker ist nach De musica „jener Wächter der Geschichte, der keine andere Erklärung dafür hat, warum man sich diese aneignen sollte, als dass die, welche vor uns lebten und deren Bücher noch existieren und von den Grammatikern behandelt werden, jene nicht hervorgebracht, aber sich angeeignet und so gebraucht haben. Ihr Wert ist daher der Wert der Autorität.“13

Indem der Wächter das korrekte Aneinanderreihen sprachlicher Zeichen kontrolliert, gewährleistet er die der Welt mit der Schöpfung eingepflanzte Ordnung, die sogar vermeintliche Vergehen gegen Sprachkonventionen umfasst: „Die Dichter haben die sogenannten ‚Solözismen‘ und ‚Barbarismen‘ gerne verwendet; sie ändern lieber deren Namen und nennen sie rhetorische Figuren und ‚Metaplasmen‘, als daß sie sie als eindeutige Fehler meiden. Streiche sie jedoch aus den Gedichten, und du wirst sehen, daß dir die besten Gewürze fehlen! Sammle vieler solcher Wendungen an einem Ort, und ich werde mich von dem ganzen Haufen angeekelt abwenden, weil er beißend, widerlich und ranzig riecht. Übertrage sie auf die ungebundene Gerichtsrede – wer wird nicht veranlassen, daß die sich davonmachen und ins Theater begeben soll? Die Ordnung muß die Stilmittel also steuern und ihnen ihr Maß setzen; sie duldet nämlich

10 Aug. doct. christ. IV 3,5 (CChr.SL 32, 119,48 Martin): „ipsa arte grammatica, qua discitur locutionis integritas.“ 11 Aug. ord. II 12,35 (272,24–26 D.): „quaedam grammaticae infantia, quam Varro litterationem uocat“; Übers. MÜHLENBERG, 316; vgl. Varro, gramm. frg. 92 (227,7–18 Götz/Schöll); zu Augustins Sicht der Grammatik vgl. AMSLER 1989, 101–108; LUHTALA 2005, 138–150. 12 Aug. ord. II 12,37 (274,45–49 D.): „Poterat iam perfecta esse grammatica, sed quia ipso nomine profiteri se litteras clamat, unde etiam Latine litteratura dicitur, factum est, ut, quicquid dignum memoria litteris mandaretur, ad eam necessario pertineret“; Übers. MÜHLENBERG, 317; vgl. Quint. II 1,4. 13 Aug. mus. II 1,1 (450 Trapè/Gentili): „custos ille videlicet historiae, nihil aliud asserens cur hanc corripi oporteat, nisi quod hi qui ante nos fuerunt et quorum libri exstant tractanturque a grammaticis ea correpta, non producta usi fuerint. quare hic quidquid valet, auctoritas valet“; vgl. MARROU 1981, 13.

5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht

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weder, daß sie in sich selbst übertrieben sind, noch, daß sie irgendwo als Fremdkörper erscheinen.“14

Die normative Aufgabe der Grammatik ergibt sich also aus der Vernunftstruktur der Wirklichkeit, der durch geordnetes Sprachverhalten zu entsprechen ist, wozu auch gezielte Abwendung von der Konvention gehören kann. Zehn Jahre später begegnet Augustin der Kritik des Manichäers Faustus, die Bibel könne nur als von Gott eingegeben gelten, wenn man die Sünden der Erzväter tilge, durch einen Vergleich mit dem Verhalten von Schülern, die grammatisch unzulässige Formulierungen Vergils bekrittelten: „So wie sich die Redefiguren und Wortumbildungen der Lehrer von den Solözismen und Barbarismen der Ungebildeten unterscheiden, so weit sind die typologisch zu verstehenden Taten der Propheten von den lustgetriebenen Sünden ihrer Feinde entfernt!“15

Zutreffend weist Robert Dodaro darauf hin, dass Augustin Faustus nicht durch Erklärungen des Inhaltes der Schrift, sondern im Duktus des Grammatikers mit einer Belehrung über das decorum biblischer Sprache begegnet. Der reflektierte Umgang mit den Vorschriften der Grammatik wird als Analogie zur rechten Auslegung der Schrift beschrieben: „Selbst wenn man den Unterschied der Gegenstände in Betracht zieht, so gilt doch: Was man bezüglich der Korrektheit und Fehler beim Sprechen Bildung oder Unkenntnis nennt, das gilt hinsichtlich der moralischen Tugenden und Sünden, wenn auch in ganz anderer Art, als Weisheit oder Torheit!“16

Auch sein literarischer Disput mit Cresconius zeigt, dass Augustin bei aller Kritik an Inhalten und Akteuren des Grammatikunterrichts auf seine einst erworbenen Kompetenzen bei Bedarf entschlossen zurückgriff. Cresconius hatte schriftlich auf Augustins Angriffe gegen Petilianus, den donatistischen Bischof von Cirta, geantwortet und ihn gegen Augustins Kritik verteidigt, der wiederum mit einer Gegenschrift in vier Büchern antwortete. Cresconius war

14 Aug. ord. II 4,13 (200,64–73 D.): „Soloecismos et barbarismos quos uocant, poetae adamauerunt quae schemata et metaplasmos mutatis appellare nominibus quam manifesta uitia fugere malunt. Detrahe tamen ista carminibus, suauissima condimenta desiderabimus. Congere multa in unum locum, totum acre putidum rancidum fastidibo. Transfer in liberam forensemque dictionem, quis non eam fugere atque in theatra se condere iubebit? Ordo igitur ea gubernans et moderans nec apud se nimia nec ubilibet aliena esse patietur“; Übers. MÜHLENBERG, 292. 15 Aug. c. Faust. XXII 25 (CSEL 25, 620,1–4 P.): „quantum distant schemata et metaplasmi doctorum a soloecismis et barbarismis inperitorum, tantum distare figurata facta prophetarum a libidinosis peccatis iniquorum.“ Die Kritik richtete sich auf den Gebrauch eines Subjekts im Singular mit einem Verb im Plural (Verg. Aen. I 212: „pars in frusta secant“ – Soloezismus) und die Schreibweise „relligio“ (Aen. II 715 – Barbarismus). 16 Aug. c. Faust. XXII 25 (620,13–16 P.): „uerumtamen proportione sui cuiusque generis quod in illis locutionum quibusdam uirtutibus seu uitiis peritia uel inperitia, hoc in his morum quamuis longe in diuerso genere uirtutibus seu uitiis sapientia uel insipientia ualet“; vgl. DODARO 2001, 79f.

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Laie und Grammatiklehrer17; Augustin selbst bezeichnet ihn als „tam liberaliter eruditus et in arte uerborum non mediocriter doctus“ und spricht ihn direkt als „uir disertissime“ sowie als „homo cordatus, homo litteratus“ an.18 Augustin bringt gegen Cresconius’ Vorwurf, er bediene sich in unvorsichtiger Weise der Dialektik, nicht die eigene Vergangenheit als Lehrer, wohl aber seine Schulbildung zur Sprache: „Auch ich bin an die Literatur gewöhnt, habe aber längst vergessen, was ich als Kind gelernt habe“19; die Perspektive ist also bewusst distanziert. Dem „gewieften Erforscher und Abwäger der Worte“20 wird wiederholt vorgeworfen, seine Kunst in den Dienst der falschen Sache zu stellen und ihr dabei ein zu hohes Eigengewicht gegenüber inhaltlichen Fragen beizumessen. Es sei keinesfalls statthaft, „dass du dich erdreistest, in einer kirchlichen Frage oder Diskussion uns über die Künsteleien der Grammatik zu belehren.“21 Augustin sucht also mit theologischen Gründen die Grammatik in die Schranken zu weisen, bekämpft Cresconius aber auch auf dessen ureigenem Feld, sozusagen im Gespräch unter Berufsgenossen: „Indessen würdest du mich nicht einmal mit Berufung auf die Grammatiker des Irrtums bezüglich des Wortes zeihen, wenn du wenigstens die Verfasser der Sinnsprüche [sc. die paganen Dichter] selbst aufmerksam hättest lesen oder dich an sie erinnern wollen!“22

Es folgt ein Zitat aus Vergils Georgica, mit dem Augustin einen grammatischen Sachverhalt – die Funktion des Komparativs – deutlich macht: Cresconius hatte im Streit um den wechselseitigen Vorwurf, „Traditoren“ in der eigenen Kirche zu haben, behauptet, auch wenn Augustin diesen Vorwurf mit besseren Gründen (probabilius) erheben könne, seien doch damit seine eigenen guten Gründe (probabiliter) nicht obsolet, denn nach den Regeln der Grammatik verstärke der Komparativ eine positive Aussage, ohne diese zu bestreiten. Augustin führt dagegen Hebr 6,8f. und Verg. Georg. III 513f. an, wo aus dem Komparativ keineswegs zu schließen sei, dass die gesteigerte Aussage positiv sei – es gehe also nicht ohne Wahrheitsfrage ab.23 Gegen Cresconius’ Vorwurf, die Bezeichnung „Donatistae“ müsse grammatisch korrekt „Donatiani“ heißen, erinnert er diesen in ironischem Tonfall daran, 17 KASTER 263 Nr. 38; PLRE II 329 Nr. 1; PCBE I 230–238 Nr. 4; Aug. retract. II 52,1 (CSEL 36, 162,7 Knöll); vgl. dazu Bettina WINDAU, in: LACL 3, 167; Madeleine MOREAU, in: AL 2 (2002), 137–139. 18 Aug. c. Cresc. II 15; III 55,61; IV 31,38 (CSEL 52, 373,26f.; 466,19; 537,10 Petschenig); für weitere Belege vgl. WEISSENGRUBER 1977, 103 Anm. 8. 19 Aug. c. Cresc. III 74,86 (491,10f. P.): „ego iam his litteris adsuefactus et illas quas puer didici oblitus“. 20 Aug. c. Cresc. III 73,85 (489,24f. P.): „callidus examinator appensorque uerborum“. 21 Aug. c. Cresc. III 73,85 (490,9–11 P.): „hic ego numquid dico, quod in quaestione uel in disputatione ecclesiastica nos artificialia grammatica docere conaris“. 22 C. Cresc. III 75,87 (491,18–20 P.): „Quamquam nec secundum grammaticos in uerbo me errasse reprehenderes, si saltem uerborum ipsorum auctores uel attente legere uel memoriter recolere uoluisses.“ 23 Vgl. dazu W EISSENGRUBER 1977, bes. 107–110.

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„dass ich, dem du solche Redegewandtheit zuschreibst, nicht einmal Nomina zu deklinieren fähig bin; und wiege die Deinen in Sicherheit, damit sie nicht einen als Dialektiker fürchten, der, wie du siehst, erst noch den Unterricht eines Grammatikers benötigt.“24

Knapp zwei Jahrzehnte nach Cassiciacum identifizierte sich Augustin also nicht mehr über seine einstige Profession als Grammatiklehrer, konnte aber die von Cresconius als Diskussionsbasis beanspruchten Kompetenzen gegenüber dem ehemaligen Berufskollegen polemisch ins Spiel bringen. Ungeachtet der kritischen Auseinandersetzung mit den klassischen Dichtern (s.u.) blieb die sprachliche Normativität der Grammatik auch unter christlichen Vorzeichen in Geltung – und sei es durch das Eingeständnis, diesen Ansprüchen in kaum verzeihlicher Weise nicht (mehr) zu genügen, wie fast zwei Jahrhunderte später Gregor von Tours beteuerte (vgl. auch oben S. 309f.): „Sollte dich, Bischof des Herrn, wer du auch seist, unser Martianus in den Sieben freien Künsten unterrichtet und durch die Grammatik zu lesen gelehrt haben, durch die Dialektik strittige Sätze zu entscheiden, durch die Rhetorik die verschiedenen Arten des Versbaus zu erkennen, durch die Geometrie Flächen und Längenmaße zu berechnen, durch die Astrologie den Lauf der Gestirne zu beobachten, durch die Arithmetik die Gattungen der Zahl zu erkennen, in der Harmonie verschiedene Klänge mit dem lieblichen Tonfall der Gedichte in Übereinstimmung zu bringen – solltest du in all diesem so bewandert sein, daß unser Stil dir bäurisch erscheint, so bitte ich dich dennoch nicht wegzunehmen, was ich geschrieben habe. Wenn dir aber daran etwas gefällt, so habe ich nichts dagegen, daß du es in Versen behandelst, sofern du nur unser Werk unberührt läßt.“25

5.1.2. Sprachrichtigkeit versus Glaubenseinsicht? Der Dünkel des Gebildeten (im schlimmsten Fall eines gelehrten Bischofs) wird häufig der Wahrheitsfrage entgegengesetzt. Bereits im frühen 4. Jahrhundert nimmt dieses Thema in der Apologie des Arnobius breiten Raum ein: „Ist etwa das, was man sagt, weniger wahr, wenn es gegen Zahl oder Kasus verstößt, gegen Präposition, Partizip oder Konjunktion? Solcher Prunk der Sprache, solche Regelkonformität der Rede bleibe den zänkischen Versammlungen auf dem Forum und vor Gericht vorbehalten und werde vor allem denen gewährt, die, weil sie nach Lockmitteln der Begierden suchen, all ihren Eifer in den Glanz der Worte investieren. Wenn es um 24 Aug. c. Cresc. II 2,3 (362,10–14 P.): „tu tantum memento me, cui tantam tribuisti eloquentiam, nondum nosse nomina declinare et nuntia uestris securitatem, ne iam timeant tamquam dialecticum, cui uides adhuc necessarium esse grammaticum.“ 25 Greg. Tur. Franc. X 31 (MGH.SRM I/1 2 , 536,8–15 Krusch/Levison): „Quod si te, o sacerdos Dei, quicumque es, Martianus noster septem disciplinis erudiit, id est, si te in grammaticis docuit legere, in dialecticis altercationum propositiones advertere, in rethoricis genera metrorum agnoscere, in geometricis terrarum linearumque mensuras colligere, in astrologiis cursus siderum contemplare, in arithmeticis numerorum partes colligere, in armoniis sonorum modulationes suavium accentuum carminibus concrepare; si in his omnibus ita fueris exercitatus, ut tibi stilus noster sit rusticus, nec sic quoque, deprecor, ut avellas quae scripsi. Sed si tibi in his quiddam placuerit, salvo opere nostro, te scribere versu non abnuo“; Übers. BERSCHIN 1986, 301. In glor. conf. (MGH.SRM I/2, 747,1–5 Krusch) zählen fiktive Gesprächspartner die grammatischen Elemente auf, die der Bischof angeblich nicht beherrscht!

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Dinge geht, die nichts mit solcher Prahlerei zu tun haben, entscheidet man, was gesagt wird, nicht danach, wie liebreizend man spricht und was den Ohren schmeichelt, sondern was den Hörern Nutzen bringt. Denn wir wissen ja, dass manche, die sich der Weisheit hingegeben hatten, nicht nur von der Pflege des Stils Abstand nahmen, sondern auch, wenn sie etwas schmuckvoller und ausdrucksstärker sagen konnten, dennoch im Eifer sich gewöhnlicher Einfachheit befleißigt haben, damit sie nicht die Strenge der gewichtigen Rede abschwächten und eher in sophistische Prahlerei verfielen.“26

Die Weisen, von denen man hier lernen kann, sind vor allem die Schriftsteller der Bibel, die in gewöhnlichem, ja „schmutzigem“ Stil („triuialis et sordidus sermo“) geschrieben hätten. Nie habe sich die Wahrheit an schöner Schminke (fucus) erwiesen, und was einmal als gewiss erkannt worden sei, lasse sich nicht mehr von einer weitschweifigen rhetorischen Darstellung an der Nase herumführen.27 „Eure Schriften sind voll von Barbarismen und Solözismen“, lässt Arnobius einen fiktiven Kontrahenten einwerfen, „und beschmutzt von der Missgestalt der Sprachsünden.“ Dies, so die Antwort, sei ein kindischer und engstirniger Tadel28, der nur das fatale Selbstwertgefühl der Grammatikschule und ihrer Lehrer zeige, das von der Frage nach der Wahrheit ablenke: „Weil ihr Verben und Nomina nach Kasus und Tempus zu beugen wisst, weil ihr mangelhafte Ausdrücke und Grammatikfehler zu vermeiden und eine rhythmische, geordnete und wohlgesetzte Rede entweder selbst vorzutragen oder, wenn sie ganz ungepflegt ist, zu erkennen vermögt… deshalb meint ihr zu wissen, was wahr ist und was falsch, was geschehen kann und was nicht, was die Natur des Tiefsten und Höchsten ist? Hat nicht irgendwann einmal jene überall verbreitete Botschaft eure Ohren erreicht, dass die Weisheit der Menschen zuallererst Torheit bei Gott ist?“29

26 Arnob. nat. I 59 (CSEL 4, 40,2–15 Reifferscheid): „aut minus id quod dicitur uerum est si in numero peccetur aut casu praepositione participio coniunctione? pompa ista sermonis et oratio missa per regulas contionibus litibus foro iudiciisque seruetur deturque illis immo, qui uoluptatum delenimenta quaerentes omne suum studium uerborum in lumina contulerunt. cum de rebus agitur ab ostentatione summotis, quid dicatur spectandum est, non quali cum amoenitate dicatur, nec quid aures commulceat, sed quas adferat audientibus utilitates, maxime cum sciamus etiam quosdam in sapientia deditos non tantum abiecisse sermonis cultum uerum etiam, cum possent ornatius et uberius eloqui, triuialem studio humilitatem secutos, ne conrumperent scilicet grauitatis rigorem et sophistica se potius ostentatione iactarent.“ 27 Arnob. nat. I 58 (39,8–14 R.): „ab indoctis hominibus et rudibus scripta sunt et idcirco non sunt facili auditione credenda. Vide ne magis haec fortior causa sit, cur illa sint nullis coinquinata mendaciis mente simplici prodita et ignara lenociniis ampliare. Triuialis et sordidus sermo est. Numquam enim ueritas sectata est fucum nec quod exploratum et certum est circumduci se patitur orationis per ambitum longiorem.“ 28 Arnob. nat. I 59 (39,20–22 R.): „Barbarismis, soloecismis obsitae sunt, inquit, res uestrae et uitiorum deformitate pollutae. Puerilis sane atque angusti pectoris reprehensio.“ 29 Arnob. nat. II 6 (51,20–24.28–52,4 R.): „quia per casus et tempora declinare uerba scitis et nomina, quia uoces barbaros soloecismosque uitare, quia numerosum et structum compositumque sermonem aut ipsi uos nostis ecferre aut incomptus cum fuerit scire… idcirco uos arbitramini scire, quid sit falsum, quid uerum, quid fieri possit aut non possit, quae imorum summorumque natura sit? numquamne illud uulgatum perstrinxit aures uestras, sapientiam hominis stultitiam esse apud deum primum?“; vgl. ELLSPERMANN 1949, 62f.

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So sehr Augustin die Grammatik schätzte, so sah er doch ihren Grundfehler darin, die Schüler dazu anzuleiten, sich auf ihre literarische Bildung etwas einzubilden und die Imitation der Form über die Erkenntnis der Inhalte zu stellen. In De doctrina christiana relativierte er das Ziel eines korrekten Sprachgebrauchs gegenüber De ordine: Solözismen und Barbarismen seien nicht mehr und nicht weniger als Abweichungen von der Sprechweise jener, „die früher als wir nicht ohne eine gewisse Autorität gesprochen haben“30; daher gelte: „Was also ist die Korrektheit der Sprache anderes als die Bewahrung einer fremden Gewohnheit, welche durch die Autorität der Sprechweise der Alten festgesetzt wurde? Aber trotzdem werden die Menschen um so mehr dadurch verletzt, je schwächer sie sind, und je schwächer sie sind, um so gelehrter wollen sie scheinen, nicht in der Kenntnis der Dinge, durch welche wir aufgebaut werden, sondern durch die Kenntnis der Zeichen, mittels derer es im ganzen nicht schwierig ist, sich aufzublasen.“31

Daher würden diejenigen Christen, „welche mit der Hl. Schrift in gewisser Weise ernährt und erzogen worden sind“, ganz selbstverständlich die Klassiker für fehlerhaft halten, wo sie nicht mit dem aus der Bibel vertrauten Latein übereinstimmten.32 Augustin selbst gibt in den Confessiones freimütig zu, er habe als junger Mann, im Bann der Klassiker stehend, die Bibel „für unwürdig erachtet, mit der Würde ciceronianischer Sprache verglichen zu werden“.33 Im Blick auf die Frage nach der Nützlichkeit des Gelernten beklagt er, „solche Torheiten“ (die Nachahmung der Klage über den Tod der Dido) gälten „für edlere, ersprießlichere Bildung als der Unterricht, in dem ich Lesen und Schreiben lernte.“34 Während alle sogenannten Gelehrten den Namen des 30

Doct. christ. II 13,19 (45,19f. M.): „qui priores nobis non sine auctoritate aliqua locuti sunt.“ Aug. doct. christ. II 13,19f. (45,26–32 M.): „Quid est ergo integritas locutionis, nisi alienae consuetudinis conseruatio, loquentium ueterum auctoritate conseruatae? Sed tamen eo magis inde offenduntur homines, quo infirmiores sunt; et eo sunt infirmiores, quo doctiores uideri uolunt non rerum scientia, qua aedificamur, sed signorum qua non inflari omnino difficile est“; Übers. POLLMANN, 61f. Die ebd. gebotenen (aus dem Sprachgebrauch klassischer Vorbilder begründeten) Definitionen von Barbarismen und Solözismen (45,16–19.21–23) finden sich ebenso in den zeitgenössischen Grammatikhandbüchern (vgl. z.B. Donat. gramm. ars mai. 3,1f.; GrLat IV, 392,5–8; 393,6f.). Zu Augustins Argumentation vgl. RAPPE 2001, 412; LUHTALA 2005, 141f. 32 Aug. doct. christ. II 14,21 (47,15–20 M.): „Quamquam tanta est uis consuetudinis etiam ad discendum, ut, qui in scripturis sanctis quodammodo nutriti educatique sunt, magis alias locutiones mirentur easque minus latinas putent quam illas, quas in scripturis didicerunt neque in latinae linguae auctoribus reperiuntur.“ Zum Wandel in der Einschätzung der Grammatik vgl. SHANZER 2005, 107f. 33 Aug. conf. III 5,9 (CChr.SL 27, 31,6f. Verheijen): „uisa est mihi indigna, quam Tullianae dignitati compararem.“ 34 Aug. conf. I 13,21 (12,25–27 V.): „Talis dementia honestiores et uberiores litterae putantur quam illae, quibus legere et scribere didici“; vgl. conf. I 13,22 (12,28–31.43–46): „sed nunc in anima mea clamet deus meus, et ueritas tua dicat mihi: non est ita, non est ita; melior est prorsus doctrina illa prior. nam ecce paratior sum obliuisci errores Aeneae atque omnia eius modi quam scribere et legere… item si quaeram, quid horum maiore uitae huius incommodo quisque obliuiscatur, legere et scribere an poetica illa figmenta, quis non uideat, quid responsurus sit, qui non est penitus oblitus sui?“ 31

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Aeneas zu buchstabieren wüssten, ließe die einfache Frage, ob dieser denn tatsächlich in Karthago gewesen sei, die „Verkäufer und Käufer der Grammatik“, jedenfalls die Unfähigen unter ihnen, ratlos zurück; die Verständigeren müssten die Frage verneinen, ohne sagen zu können, was die Kenntnis der Klassiker für das Leben nütze.35 Auch er sei als Junge diesem „dulcissimum spectaculum“ verhaftet gewesen, auch ihm sei aufgetragen worden, „den Zorn und Schmerz der Juno, daß sie es nicht vermochte, ‚von Latien den König der Teukrer fernzuhalten’, in Worte zu bringen.“ Augustin kommentiert: „Ich wußte sehr wohl, daß Juno solche Klagen nie gesprochen hat. Aber man verlangte von uns, aufs Geratewohl uns auf der Fährte der dichterischen Erfindung zu bewegen und in ungebundener Rede vorzutragen, was der Dichter in Versen gesagt haben könnte; und wer angemessen der Würde der Göttin, die er sprechen ließ, die Wallungen von Zorn und Schmerz am echtesten wiederzugeben, die Gedanken in die passendsten Worte zu kleiden verstand, der erntete das größte Lob.“36

Zwar kann Augustin sich nicht den Hinweis verkneifen, dass er diese Aufgabe beifallumrauscht zu lösen vermochte; doch das ändert nichts an der fatalen pädagogischen Konsequenz dieses Vorgehens: „Was Wunder auch, daß ich mich solcherweise in Eitelkeiten verlor und mich von dir, mein Gott, hinweg nach außen wandte? Ja, man stellte mir als Vorbilder Menschen hin, die sich bei der Mitteilung etwelcher guter Handlungen, die sie aufzuweisen hatten, in die Seele hinein schämten, wenn sie für einen Verstoß gegen die Aussprache [Barbarismus] oder den Satzbau [Solözismus] getadelt wurden, aber beim Erzählen ihrer Liebesgenüsse, wenn sie nur in fehlerloser, wohlgesetzter Rede üppig und blumig zu schildern wußten, sich vor Freude über empfangene Komplimente nicht zu fassen wußten. Das siehst du, Herr, und schweigst, ‚langmütig und huldreich und getreu‘ [Ps 85,15].“37

Der Grundfehler des Grammatikunterricht liegt demnach in moralischer Indifferenz: Die Frage nach der Wahrheit einer Aussage tritt hinter das Sprechen „integris et rite consequentibus uerbis“ zurück – weshalb der Bischof Augustin beschämt auf seine Schulzeit zurückblickt, die ihn geradezu systematisch lehrte, die einfache Sprache der Bibel zu verachten und seine Redeweise gut 35 Aug. conf. I 13,22 (12,36–40 V.): „non clament aduersus me uenditores grammaticae uel emptores, quia, si proponam eis interrogans, utrum uerum sit quod Aenean aliquando Carthaginem uenisse poeta dicit, indoctiores nescire se respondebunt, doctiores autem etiam negabunt uerum esse.“ 36 Aug. conf. I 17,27 (15,4–11 V.): „ut dicerem uerba Iunonis irascentis et dolentis, quod non possit ‚Italia Teucrorum auertere regem‘ [Verg. Aen. I 38], quae numquam Iunonem dixisse audieram. Sed figmentorum poeticorum uestigia errantes sequi cogebamur et tale aliquid dicere solutis uerbis, quale poeta dixisse uersibus: et ille dicebat laudabilius, in quo pro dignitate adumbratae personae irae ac doloris similior affectus eminebat uerbis sententias congruenter uestientibus“; Übers. BERNHART, 55. 37 Aug. conf. I 18,28 (15,1–7 V.): „Quid autem mirum, quod in uanitates ita ferebar et a te, deus meus, ibam foras, quando mihi imitandi proponebantur homines, qui aliqua facta sua non mala si cum barbarismo aut soloecismo enuntiarent, reprehensi confundebantur, si autem libidines suas integris et rite consequentibus uerbis copiose ornateque narrarent, laudati gloriabantur? uides haec, domine, et taces longanimis et multum misericors et uerax“; Übers. BERNHART, 57.

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ciceronianisch „copiose ornateque“ zu gestalten.38 Wie Christian Tornau betont, vermittelte der Grammatiklehrer gerade mit dieser moralischen Indifferenz natürlich auch Werte, insofern der Akzent ganz auf dem gelungenen Vortrag und nicht auf dessen Inhalt lag: Augustin legt hier den Finger auf ein „hidden curriculum“, das den Schüler aus seiner Perspektive zwangsläufig dazu bringt, „dass er die falschen Prioritäten setzt“.39 In diesem Sinne kritisierte Augustin seinen früheren Schüler Licentius, der ihm eine Versepistel geschickt hatte: Er lege wohl mehr Wert auf geordnete und vorzeigbare Sprache als auf ein geordnetes und vorbildliches Leben; es sei für ihn erträglicher, „dass deine schlechtgefügten Sitten das Ohr deines Gottes verletzen, als wenn deine schlechtgefügten Silben die Autorität des Grammatikers erzürnen.“40 Bereits De ordine prinzipialisierte den Zusammenhang von Lehre und Leben: „Diese Wissenschaft befiehlt also jenen, die sie zu kennen wünschen, zugleich einer doppelten Ordnung zu folgen, deren einer Teil die des Lebens, der andere die der Erziehung ist.“41

Die Konfrontation von formaler Sprach- und moralischer Lebenslehre ist freilich keine Erfindung Augustins: Nach dem Diktum Senecas „Non vitae, sed scholae discimus“42 findet sich diese Dissoziation in christlichem Kontext bei Laktanz, demzufolge es die Kompetenz des Grammatikers oder Rhetoriklehrers sei, „wie sich zu reden ziemt“, während der Weise (sapiens) zu vermitteln wisse, „wie man leben soll“.43 Bei Augustin wird aber darüber hinaus konkret das Problem in den Blick genommen, wie im Katechumenenunterricht mit solcherart Gebildeten umzugehen sei. In De catechizandis rudibus werden zwei Typen von gebildeten Taufbewerbern unterschieden: Die einen seien nicht nur „liberalibus doctrinis excultus“, sondern hätten sich auch mit christlichen Schriften vertraut gemacht und seien begierig darauf, ihre Erkenntnisse mitzuteilen und zu diskutieren.44 Andere hingegen 38

Vgl. Cic. Tusc. I 4,7 (220,17f. Pohlenz); de orat. I 6,21 (10,1f. Kumaniecki). TORNAU 2002, 326. 40 Aug. ep. 26,4 (CSEL 34/1, 86,10–12 Goldbacher): „incompositis moribus quod offendis aures dei, leuius sit, quam si incompositis syllabis tuis grammatica suscenseret auctoritas“; im Zusammenhang zit. oben S. 203 mit Anm. 185; vgl. auch conf. I 18,29 (16,18–29 V.). 41 Aug. ord. II 8,25 (234,6–9 D.): „Haec igitur disciplina eis, qui illam nosse desiderant, simul geminum ordinem sequi iubet, cuius una pars uitae, altera eruditionis est.“ 42 Seneca, ep. 106,12 (II 447,16 Reynolds); vgl. die pointierte Kritik in ep. 88,9 (I 314,21– 24): „Ad musicam transeo. Doces me quomodo inter se acutae et graves consonent, quomodo nervorum disparem reddentium sonum fiat concordia: fac potius quomodo animus secum meus consonet nec consilia mea discrepent“; dazu TORNAU 2002, 326 Anm. 45. 43 Inst. III 13,5 (CSEL 19, 213,2–5 Brandt): „et nos non de grammatico aut oratore, quorum scientia est quomodo loqui deceat, sed de sapiente disserimus, cuius doctrina est quomodo uiuere oporteat.“ 44 Aug. catech. rud. VIII 12,1 (CChr.SL 46, 133,1–9 Bauer): „si ad te quisquam catechizandus uenerit liberalibus doctrinis excultus, qui iam decreuerit esse christianus, et ideo uenerit ut fiat, difficillimum omnino est, ut non multa nostrarum scripturarum litterarumque cognouerit, quibus iam instructus ad sac39

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„kommen von den landläufigen Grammatik- und Rhetorikschulen, und man wird es weder wagen, sie unter die Ungebildeten zu rechnen noch unter jene Hochgebildeten, die innerlich von Fragen gepeinigt werden, die große Dinge betreffen. Wenn also solche Leute, die durch ihre Redekunst unter den übrigen Menschen hervorzuragen meinen, kommen, um Christen zu werden, dann müssen wir ihnen mehr als den erstgenannten literarisch Gebildeten vermitteln, daß sie eindringlich zu ermahnen sind, christliche Demut anzunehmen und zu lernen, die nicht zu verachten, von denen sie wissen, daß sie eher sittliche als sprachliche Fehler vermeiden, und sich zu hüten, eine geübte Zunge mit einem reinen Herzen auch nur zu vergleichen, obwohl sie sie diesem gewohnheitsmäßig sogar vorziehen.“45

Zwischen den doctissimi, die von Lebensfragen zum Christentum getrieben werden, und den letztgenannten Katechumenen, die dazu neigen, weniger gebildete Christen gering zu achten, besteht der Unterschied nicht in der Schulbildung, sondern in der auf dieser beruhenden Selbsteinschätzung: Wer meint, in der Schule schon das Entscheidende gelernt zu haben, muss davon überzeugt werden, dass er vielmehr noch einmal ganz von vorne, nur diesmal mit den richtigen Fragen, anzufangen habe. Den Antrieb zu dieser Suche vermittelt die Schule gerade nicht; es bleibt offen, wo jene Gebildeten den Anstoß zu tiefergehendem Fragen empfangen sollten, so dass ihnen die Schulbildung dabei nicht mehr im Weg stünde. Als pädagogische Konsequenz muss bei der Unterweisung der Katechumenen die Geschichte Gottes so erzählt werden, dass die Sache, nicht die Sprachgestalt überzeugt: „Denn wenn selbst jene, deren Leibspeise reißerische Possen sind, die man aber dennoch für gut hält und Grammatiker nennt, sich bemüht haben, jenen erfundenen und für die Begierde der Sinne erdachten Fabeln der Poeten einen Anstrich von Nützlichkeit zu geben (wenn auch nur einer eitlen und auf weltliche Speise erpichten) – wieviel vorsichtiger müssen dann wir sein, damit nicht das, was wir als wahr erzählen, ohne Rechenschaft über seine wahren Gründe abzulegen, entweder durch unnützen Liebreiz oder durch gefährliche Begehrlichkeit glaubhaft erscheint.“46

ramentorum participationem tantummodo uenerit. tales enim non eadem hora qua christiani fiunt, sed ante solent omnia diligenter inquirere, et motus animi sui, cum quibus possunt, communicare atque discutere.“ 45 Aug. catech. rud. IX 13,1f. (135,1–11 B.): „Sunt item quidam de scholis usitatissimis grammaticorum oratorumque uenientes, quos neque inter idiotas numerare audeas, neque inter illos doctissimos, quorum mens magnarum rerum est exercitata quaestionibus. his ergo qui loquendi arte ceteris hominibus excellere uidentur, cum ueniunt, ut christiani fiant, hoc amplius quam illis illitteratis impertire debemus, quod sedulo monendi sunt, ut humilitate induti christiana discant non contemnere, quos cognouerint morum uitia quam uerborum amplius deuitare, et cordi casto linguam exercitatam nec conferre audeant quam etiam praeferre consueuerant.“ 46 Aug. catech. rud. VI 10,5 (131,19–25 B.): „si enim fictas poetarum fabulas et ad uoluntatem excogitatas animorum, quorum cibus nugae sunt, tamen boni qui habentur atque appellantur grammatici, ad aliquam utilitatem referre conantur, quamquam et ipsam uanam et auidam saginae saecularis: quanto nos decet esse cautiores, ne illa quae uera narramus, sine suarum causarum redditione digesta, aut inani suauitate aut etiam perniciosa cupiditate credantur.“

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Der christliche Katechet darf sich also nicht am Vorbild des Grammatikers orientieren, der den erfundenen Göttermythen nachträglich den Schein der Glaubwürdigkeit verleihen will. Zu dieser negativen Sicht des Lehrers passt, dass Augustin verschiedentlich das in der Antike geläufige Bild des Grammatikers aufgreift, der fehlende Kompetenz mit drohendem Gestus wettzumachen versuche: „Wenn nur alle hier unterwiesen werden, muss niemand die Grammatiker fürchten“, so wendet er sich in einer Predigt seine Gemeinde47, und anlässlich der traditio symboli versucht er die Katechumenen zu beruhigen: „Seid gewiss, wir sind eure Väter, und wir haben keine Rute und keinen Stock wie die Grammatiker!“48 Entsprechend will Augustin, wie er zu Beginn des Dialogs De beata uita betont, nicht auf seine Cousins Lartidianus und Rusticus als Gesprächspartner verzichten, „obwohl sie unter keinem Grammatiker gelitten haben; denn ich hielt gerade ihren gesunden Menschenverstand angesichts der Sache, um die ich mich bemühte, für notwendig.“49 Und im Verlauf des Dialogs lässt er eine Bemerkung fallen, die alle zum Lachen gereizt habe: „Wir brauchen hier ja keine Angst vor den Grammatiklehrern zu haben und uns auch nicht zu fürchten, daß wir wegen solchen nachlässigen Gebrauchs der Wörter von denen Prügel beziehen, die uns ihr Eigentum zur Nutzung überlassen haben.“50

In der entspannten Atmosphäre von Cassiciacum konnte der frühere Grammatiker und Rhetor humorvoll auf die Begrenztheiten der einstigen Berufskollegen zurückblicken und deren Eifer karikieren, die Kontrolle über die lateinische Schriftsprache zu behalten. Andernorts mahnte er dagegen mit großem Ernst: „Fürchten wir nicht die Ruten der Grammatiker, wenn wir dennoch zur tragfähigen und höchst gewissen Wahrheit gelangen.“51 Gerade in Predigten betonte Augustin, dass grammatische Regeln bei der Wahrheitssuche bestenfalls nicht helfen, sie schlimmstenfalls aber erheblich behindern: „Was sollen uns nun die Absichten der Grammatiker? Besser, ihr versteht uns in unserer ungeschliffenen Ausdrucksweise, als ihr seid allein trotz unserer Beredtheit.“52

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Aug. serm. 37,10,14 (PL 38, 228): „dum omnes instruantur, grammatici non timeantur.“ Aug. serm. Guelf. 1,11 (PLS 2, 543): „securi estote, patres vestri sumus, non habemus ferulas et virgas grammaticorum.“ Vgl. Hieronymus’ (polemischen) Rat (adv. Rufin. I 17; 16,34f. L.): „ante audire grammaticum, ferulae manum subtrahere et, inter paruulos ἀθηνογέρων, artem loquendi discere.“ 49 Aug. beat. vit. 1,6 (CChr.SL 29, 68,141–144 Green): „nec Lartidianum et Rusticum consobrinos meos, quamuis nullum uel grammaticum passi sint, deesse uolui ipsumque eorum sensum communem ad rem, quam moliebar, necessarium putaui“; Übers. nach SCHWARZ-KIRCHBAUER, 186. 50 Aug. beat. vit. 4,31 (82,189–191 Gr.): „non enim nec hic grammaticorum formidine liberabimur aut metuendum est, ne ab eis castigemur, quod incuriose utimur uerbis, qui res suas nobis ad utendum dederunt“; Übers. nach SCHWARZ-KIRCHBAUER, 209. 51 Aug. in euang. Joh. 2,14 (CChr.SL 36, 18,12–14 Willems): „dicamus ergo, non timeamus ferulas grammaticorum; dum tamen ad ueritatem solidam et certiorem perueniamus.“ 52 Aug. in psalm. 36,3,6 (CChr.SL 38, 371,3–5 Dekkers/Fraipont): „quid ad nos grammatici uelint? melius in barbarismo nostro uos intellegitis, quam in nostra disertitudine uos deserti eritis“; Übers. 48

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Dieser knappen Sentenz entspricht die These in De Genesi contra Manichaeos: „Die Meinung einiger wahrhaftiger Christen, die zugleich in den literarischen Studien bewandert sind, scheint mir zutreffend zu sein: Als sie einige andere Bücher, die ich gegen die Manichäer veröffentlicht habe, gelesen hatten und bemerkten, dass diese von weniger gebildeten Lesern nicht oder nur schwer verstanden werden könnten, mahnten sie mich sehr wohlwollend, nicht vom allgemeinen Sprachgebrauch abzuweichen, wenn ich derart verderbliche Irrlehren auch aus den Köpfen der Ungebildeten vertreiben wollte. Den gebräuchlichen und einfachen Stil verstehen ja auch die Gelehrten, jene [sc. literarische Hochsprache] verstehen aber die Ungelehrten keineswegs.“53

Ebenso erklärt Augustin in Buch III von De doctrina christiana, in zweifelhaften Fällen sei die umgangssprachliche Bezeichnung vielleicht sprachlich weniger elegant, jedoch eindeutiger und daher dem Verständnis förderlicher. Als Beispiel dient die Übersetzung von Ps 139,15: „Vor dir ist mein os nicht verborgen, das du im Verborgenen bereitet hast“: In klassischem Latein könne nur von der Betonung her entschieden werden, ob es sich um „Mund“ (στόµα) oder „Knochen“ (ὀστοῦν) handelt54; dagegen betont Augustin, er wolle lieber einen Barbarismus (ossum) benutzen, „als dass der Sinn weniger klar ist, weil das Latein besser ist.“55 In Buch IV wird dieses Beispiel erneut herangezogen, „weil doch die Ohren der Afrikaner die Kürze und Länge von Vokalen nicht unterscheiden können“56. Der gute Lehrer ist also gehalten, sich an den Ungebildeten unter seinen Predigthörern oder Katechumenen zu orientieren, wie es ja auch die Übersetzer der Bibel getan hätten, deren sprachliche Kompetenz andernorts in De doctrina christiana IV ausführlich nachgewiesen wird.57 Für den Hörer ist nicht entscheidend, „mit wie großer Beredsamkeit er [sc. der Prediger oder Lehrer] lehrt, sondern mit wie großer Transparenz der BeWEISSENGRUBER 1964/65, 24f. Vgl. auch Aug. in psalm. 138,20 (CSEL 95/4, 151,7f. Gori): „melius est reprehendant nos grammatici, quam non intellegant populi“; im Kontext geht es um die Verwendung der nachklassischen Form ossum statt os in Ps 139,15 (s. auch unten Anm. 54). 53 Aug. gen. c. Manich. 1,1 (CSEL 91, 67,6–14 Weber): „Placuit enim mihi quorundam vere Christianorum sententia, qui cum sint eruditi liberalibus litteris, tamen alios libros nostros, quos adversus Manichaeos edidimus cum legissent, viderunt eos ab imperitioribus aut non aut difficile intelligi et me benevolentissime monuerunt, ut communem loquendi consuetudinem non desererem, si errores illos tam perniciosos ab animis etiam imperitorum expellere cogitarem. Hunc enim sermonem usitatum et simplicem etiam docti intellegunt, illum autem indocti non intellegunt“; vgl. dazu BEUMANN 1964, 92f. 54 Aug. doct. christ. III 3,7 (81,28f. M.): „non est absconditum a te os meum, quod fecisti in occultum“ fürοὐκἐκρύβητὸὀστοῦνµουἀπὸσοῦ,ὃἐποίησαςἐνκρυφῇ (LXX); ähnlich Hieronymus nach der Septuaginta („non est occultatum os meum a te quod fecisti in occulto“), anders nach dem hebräischen Psalmentext („non sunt operta ossa mea a te quibus factus sum in abscondito“). 55 Doct. christ. III 3,7 (81,46f. M.): „quam ut ideo esset minus apertum, quia magis latinum est.“ 56 Doct. christ. IV 10,24 (133,17f. M.): „ubi Afrae aures de correptione uocalium uel productione non iudicant?“; Übers. hier und im Folgenden nach POLLMANN, 169f. 57 Doct. christ. IV 10,24 (132,6–10): „Quamuis in bonis doctoribus tanta docendi cura sit uel esse debeat, ut uerbum, quod, nisi obscurum sit uel ambiguum, latinum esse non potest, uulgi autem more sic dicitur, ut ambiguitas obscuritasque uitetur, non sic dicatur ut a doctis, sed potius ut ab indoctis dici solet.“

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weisfähigkeit“58, so dass nicht die maiores, sondern die praesentes das maßgebliche Kriterium für die sprachliche Form abgeben. Bezeichnenderweise beruft sich Augustin dafür aber (ohne ihn zu nennen) auf Cicero: „Ein sorgfältiges Streben nach dieser Beweisfähigkeit vernachlässigt manchmal die gepflegteren Worte und kümmert sich nicht darum, was gut klingt, sondern was diejenige Sache gut veranschaulicht und einprägt, die er zu zeigen beabsichtigt. Daher sagte ein gewisser Rhetoriklehrer, als er eine solche Art der Redeweise behandelte, sie enthalte eine gewisse ‚sorgfältige Nachlässigkeit‘. Diese vermeidet Redeschmuck aber so, daß sie nicht statt dessen Schmutz anzieht.“59

Mit dem Hinweis auf die diligens negligentia sichert sich Augustin Ciceros Beistand für die These, dass einfaches Latein nicht schlechtes Latein sein muss, solange der Redner und Lehrer bewusst (und nicht aus Inkompetenz) auf die strikte Befolgung der sprachlichen Korrektheit verzichtet, die er natürlich beherrscht.60 „Sordes negligentiae“ befürchtet in ähnlicher Weise Hieronymus in seinem Sacharja-Kommentar, den er für Bischof Exsuperius von Tours in größter Eile habe diktieren müssen, was die Form leider wiederspiegele: „Wenn auch der Verstand gewandt und erfahren ist und die Rede durch lange Übung versiert dahinströmt, bewahrt sie dennoch, wenn sie nicht von der Hand des Autors aufbereitet und blank poliert wird, Spuren der Nachlässigkeit an sich; sie schwelgt im Blumenschmuck der Worte, fließt an Ausdrücken über oder ist hart im Wortklang. Daher heißt es auch von Vergil, dass er seine Bücher gleichsam der Sprache nach als ‚Bärenkind‘ verfasste und sie dann durch ‚Ablecken‘ besser machte, die seitdem in ewigem Gedenken überdauern und die notwendige Struktur der Metrik durch freie Rede vollkommen machen.“61

Sorgfältige literarische Gestaltung wird hier also als notwendig angesehen, so dass die vermeintlich unfertige Form des übersandten Kommentars nur mit dem Appell an das unbestrittene Vorbild Vergil zu rechtfertigen ist. Impliziert 58 Doct. christ. IV 9,23 (132,12f. M.): „non curante illo, qui docet, quanta eloquentia doceat, sed quanta euidentia.“ 59 Doct. christ. IV 10,24 (132,1–6 M.): „Cuius euidentiae diligens appetitus aliquando neglegit uerba cultiora nec curat quid bene sonet, sed quid bene indicet atque intimet, quod ostendere intendit. Vnde ait quidam, cum de genere tali locutionis ageret, esse in ea quandam ‚diligentem negligentiam‘ [Cic. orat. 23,78]. Haec tamen sic detrahit ornatum, ut sordes non contrahat.“ 60 Bedenkenswert ist daher die Rekonstruktion des Verhältnisses der beiden hier behandelten Schriften Augustins bei TORNAU 2002, 331 Anm. 64: „Die ‚Confessiones‘ enthalten die Kritik am Bestehenden, ‚De doctrina christiana‘ bietet die positive Alternative.“ 61 Hier. in Zach. III praef. (CChr.SL 76A, 848,8–15 Adriaen): „Quamuis elegans sit exercitatumque ingenium, et longo usu trita currat oratio, tamen nisi auctoris manu curata fuerit et polita, redolet sordes negligentiae et uel nimio uerborum flore luxuriat, uel hiulca uocabulis fit, aut aspera consonantibus. Vnde et de Vergilio traditum est, quod libros suos quasi ursorum fetus lingua composuerit et lambendo fecerit esse meliores, qui durarent in memoriam sempiternam, et necessitatem metri libera oratione complerent.“ Die Anekdote (ebenso in Gal. III praef.; PL 26, 400B) geht auf die Vergil-Vita Suetons zurück (n. 22: 11,83f. Hardie): „non absurde carmen se ursae more parere dicens et lambendo demum effingere“; zu Hieronymus’ grammatischer Kompetenz vgl. AMSLER 1989, 108–118.

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ist darin freilich, dass das „Ablecken“ die äußere Gestaltung betrifft, nicht den Inhalt, der nur ansehnlicher, aber nicht „wahrer“ gemacht werden kann und muss. Allein an der Form Kritik zu üben, ist daher in christlichem Sinne nicht statthaft: „Ich weiß, dass unter Christen Wortsünden nicht getadelt zu werden pflegen“, entgegnet Hieronymus seinem Kritiker Rufin.62 Die Funktion der grammatischen Bildung, zu korrektem Sprachgebrauch zu befähigen, wird also von den zitierten christlichen Autoren keineswegs verworfen, jedoch an das Kriterium der Verständlichkeit für die Zeitgenossen gebunden. Das ist auch gar nicht anders denkbar, soll doch durch öffentliche Rede nicht nur eine glorreiche Vergangenheit in Erinnerung gerufen, sondern vielmehr den Hörern eine ihnen bislang unbekannte Wahrheit verkündigt werden.63 Hier liegt eine entscheidender Differenz zwischen dem Bischof Augustin, der mit seinen Predigten und Lehrschriften ein missionarisches und pädagogisches Interesse verfolgt, und seinem Amtskollegen Sidonius Apollinaris, der zwei Generationen später dem Grammatiker Johannes die traditionelle Rolle zuschreibt, als custos des klassischen Latein zu fungieren, und der sich gegenüber gebildeten Korrespondenten für einfach formulierte Ansprachen entschuldigen zu müssen meint.64 Andererseits verwendet Augustin den Topos der eigenen Unbildung nie anders als ironisch (etwa gegenüber Cresconius) und tritt nicht – wie anderthalb Jahrhunderte später Gregor von Tours – im Gestus der Unterwerfung unter die übermächtige Tradition der Sprachrichtigkeit auf.65 Die Grenze liegt in der Wahrheitsfrage: Nicht die formale Gestalt einer Predigt oder die Konventionalität des Sprachgebrauchs entscheidet über die Angemessenheit des Inhalts. Das macht Augustin in einer Predigt zum Tag der Apostel Petrus und Paulus anhand des Namen Christi deutlich: „Christus Jesus, das bedeutet Christus der Erretter. Denn das heißt ‚Jesus‘ im Lateinischen. Und nun mögen nicht die Grammatiker fragen, ob dies [korrektes] Latein ist, sondern die Christen, ob das wahr ist!“66 62

Adv. Rufin. II 10 (41,6f. L.): „Scio inter Christianos uerborum uitia non solere reprehendi.“ MAC CORMACK 1998, 79 verweist als zeitgenössische Meinung, der Augustin zweifellos zugestimmt haben würde, auf die gegen den Grammatiker Servius gerichtete Rede des Avienus in Macr. sat. I 5,2 (18,1–7 Willis): „sed antiquitatem vobis placere iactatis quod honesta et sobria et modesta sit: vivamus ergo moribus praeteritis, praesentibus verbis loquamur. ego enim id quod a C. Caesare, excellentis ingenii ac prudentiae viro, in primo Analogiae libro scriptum est habeo semper in memoria atque in pectore, ut ‚tamquam scopulum, sic fugiam infrequens atque insolens verbum‘“ – wobei hier die Pointe darin liegt, dass Praetextatus dem jungen Heißsporn anhand der von diesem verwendeten Wendung „mille verborum est“, die tatsächlich auf Cic. Milon. 53 zurückgeht, sofort seine Grenzen aufzeigt (n. 4f.; 18,16–22 W.; s. KASTER 1988, 171–175; DODARO 2001, 74). 64 Sidon. ep. VIII 2,1 (zit. oben S. 230); zu seiner in sehr einfacher Diktion in Bourges gehaltenen Ansprache vgl. ep. VII 9,1f. an Perpetuus von Tours (zit. oben S. 313). 65 Vgl. die präventive Entschuldigung für den Fall, „si aut in litteris aut in sillabis grammaticam artem excessero, de qua adplene non sum inbutus“ (Greg. Tur. Franc. I praef.; 3,18f. Kr./L.). 66 Aug. serm. 299,6 (PL 38, 1371): „Christus, inquit, Jesus, id est Christus Salvator. Hoc est enim latine Jesus. Nec quaerant grammatici quam sit latinum, sed Christiani quam verum.“ 63

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5.1.3. Wertschätzung und Kritik der Dichter Auch der Umgang mit dem Hauptgegenstand des Grammatikunterrichts, den Dichtern, schwankt zwischen scharfer Ablehnung und wohlwollender Anverwandlung. Laktanz, dem an der Überführung antiker Bildungsgüter in einen christlichen Denkrahmen gelegen ist, bezieht sich wiederholt affirmativ auf „unseren Vergil“, den „höchsten“ oder „größten Dichter“ – damit verweist Laktanz (wie auch mit der Berufung auf Cicero, Seneca und Varro) „auf das ihm und seinen heidnischen Adressaten gemeinsame römische literarische Erbe“.67 Bei Augustin zeigt sich eine Entwicklung seiner Einschätzung Vergils: In Cassiciacum gilt dieser noch als „poeta noster“68, und in De utilitate credendi führt Augustin Vergil als Beispiel dafür an, dass man die mythologischen Passagen eines Dichters nicht wörtlich nehmen dürfe, weil man dadurch nicht nur selbst in Unglauben verfalle, sondern auch fälschlich annehme, der Gewährsmann habe dies selbst geglaubt.69 Die Beschäftigung mit Vergil kann im Folgenden sogar als Gleichnis für die angemessene Haltung gegenüber den biblischen Schriften herhalten: Man solle sich diesen mit derselben Ehrfurcht und mit demselben Wohlwollen nähern, das alle, die sich der grammatischen Unterweisung unterziehen, für Vergil aufbrächten. Denn nur so würden „die unzähligen Probleme des Vergilischen Werkes, die die Grammatiker ständig beschäftigen und beunruhigen“70, nicht zur Abscheu gegen den Unterrichtsgegenstand führen. Der Lehrer bürgt also für die Autorität seines Referenzautors und partizipiert zugleich an dessen Wertschätzung:

67 H ECK 1988, 172f. zu Lact. inst. I 13,12 (59,14 Heck/Wlosok): „noster Maro“ (zu Verg. georg. II 538); vgl. weiterhin inst. I 19,3 (81,18): „summus poeta“ (zu Aen. VI 663; VII 772f.); II 4,4 (123,14): „poeta maximus“ (zu georg. IV 110f.). HECK 1988, 173 weist auf den Unterschied zu Minucius Felix hin, „der im Munde des Christen im Streitgespräch als nos nur die Christen bezeichnen kann und darum Vergil vor dem Zitieren derselben Verse [sc. Aen. VI 724–727] Mantuanus Maro nennt“ (Oct. 19,2; 16,8 Kytzler); anders Lact. inst. I 5,11 (16,18f. H./W.): „nostrorum primus Maro non longe afuit a ueritate“. BUCHHEIT 1990, 372 merkt kritisch an, dies bedeute nicht die Erhebung Vergils zum Propheten: „Der Weg zur veritas ipsa war auch Vergil versperrt, weil Gottes Heilsplan es so wollte“ (s. auch unten Anm. 118). Laktanz rekurrierte auf die pagane Literatur „[to] shift the debate onto ground shared with the (pagan) interlocutor“, so SATTERTHWAITE 1997, 675 zu Lact. inst. VI 24,18 (575,2–5 Br.): „Non minus mirabiliter de conscientia et deo Tullius. ‚Meminerit inquit deum se habere testem, id est, ut ego arbitror, mentem suam, qua nihil homini dedit deus ipse diuinius‘“ (Cic. off. III 10,44). 68 Aug. c. acad. III 4,9 (CChr.SL 29, 39,46 Green) als Einleitung zu Verg. ecl. III 104– 107; vgl. z.B. auch das Zitat von Aen. X 875: „sic pater ille deus faciat, sic altus Apollo / incipias“ in ord. I 4,10 (94,21–96,22 D.), freilich als pointierte Anrede an den christlichen (!) Gott; vgl. MACCORMACK 1998, 48; zum Folgenden vgl. auch HAGENDAHL 1983, 76f. 69 Aug. util. cred. 4,10 (FC 9, 104,25–27 Hoffmann): „quod et rem non credendam credit neque id putandus est credidisse ille, quem legit“ zu Verg. Aen. VI 566–569. 70 Aug. util. cred. 5,13 (116,15–17 H.): „numquam nobis satis fieret de illis eius quaestionibus innumerabilibus, quibus grammatici agitari et perturbari solent“.

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„Deshalb sind wir eher aufgebracht über einen Lehrer, der bei einem Problemchen passen muß und keine Antwort weiß, als daß wir sein Schweigen mit einem Fehler Vergils erklären. Wenn er nun gar zu seiner Verteidigung von einem Fehltritt eines so bedeutenden Schriftstellers sprechen wollte, so werden seine Schüler wohl kaum bei ihm bleiben, selbst wenn sie schon das Schulgeld gezahlt haben.“71

Lehrer, die ihren Gegenstand nicht zuerst kritisieren, sondern empfehlen, verdient auch die Heilige Schrift, der im konkreten Fall auch der skeptische manichäische Schüler mit einem „positiven Vorurteil“ begegnen soll.72 Augustin gewährt damit einen Einblick in sein Verständnis der doppelten Aufgabe eines Grammatikers. Als Gewährsmann der Tradition hat er diese – erstens – als lernenswert zu empfehlen. Wo die Texte der autoritativen Tradition aber anstößig oder schwer verständlich erscheinen, hat der Grammatiker – zweitens – die Aufgabe, deren Sinn aufzudecken, um oberflächlichen Negativurteilen zu wehren. So berichtet Augustin in den Soliloquia, wie ihn die ratio daran erinnert habe, „daß alle jene Fabeleien und offenkundigen Täuschungen zur Sprachlehre gerechnet werden müssen“73: „Ich glaube, sie sind nicht infolge der Sprachlehre Täuschungen, sondern durch die Sprachlehre wird offenbar, was sie sind. Ein Dichtwerk ist ja ein Trugbild, das zu Nutzen und Genuß geschaffen ist. Die Sprachlehre aber ist die Wissenschaft, die über das gesprochene Wort wacht und diesem Regeln gibt. Dieser Beruf macht es notwendig, daß sie alle Zeugnisse menschlicher Sprache, also auch die Dichtungen, sammeln muß, die mündlich oder schriftlich überliefert sind, und dabei bewirkt sie nicht etwa selbst die Täuschungen, sondern lehrt und erweist an Hand dieser Zeugnisse, was richtig ist.“74

In De ordine erklärt Augustin, die Dichter seien sogar ermächtigt worden, „Sachverhalte der Vernunft nach ihrem Belieben in Lügenbildern der Phantasie darzustellen. Und da sie aus der ersten Wissenschaft, der Grammatik, hervorgegangen waren, ließ die Vernunft zu, daß die Grammatiker ihre Richter seien.“75

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Aug. util. cred. 5,13 (118,1–6 H.): „Itaque in quaestiuncula magistro deficienti et quid respondeat non habenti suscensemus potius quam illum mutum vitio Maronis putamus. Iam si ad defensionem suam peccatum tanti auctoris adserere voluerit, vix apud eum discipuli vel datis mercedibus remanebunt.“ 72 Nach S TUDER 1996, 495f. wird hier erkennbar, wie sehr für Augustin „die Lektüre der Bibel dem damaligen Schulbetrieb ähnlich ist, in der disciplina christiana im Grunde genommen einfach die Heiligen Schriften an die Stelle der alten Klassiker getreten sind.“ 73 Aug. soliloq. II 11,19,1 (CSEL 89, 70,12f. Hörmann): „an ignoras omnia illa fabulosa et aperte falsa ad grammaticam pertinere?“ ; Übers. MÜLLER, 113. 74 Aug. soliloq. II 11,19,2 (70,14–22 H.): „Sed, ut opinor, non per grammaticam falsa sunt, sed per eam, qualiacumque sunt, demonstrantur; siquidem est fabula compositum ad utilitatem delectationemve mendacium. est autem grammatica vocis articulatae custos et moderatrix disciplina; cuius professionis necessitate cogitur humanae linguae omnia etiam figmenta conligere, quae memoriae litterisque mandata sunt, non ea falsa faciens, sed de his veram quamdam docens adserensque rationem“; Übers. MÜLLER, 113; vgl. dazu L UHTALA 2005, 148. 75 Aug. ord. II 14,40 (284,41–286,46 D.): „In quibus [sc. poetis] cum uideret non solum sonorum sed etiam uerborum rerumque magna momenta, plurimum eos honorauit eisque tribuit quorum uellent

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Die Kompetenz, „reasonable lies“ zu formulieren76, benennt bereits Laktanz in der Epitome seiner Diuinae Institutiones: Um paganen Lesern entgegenzukommen, werden die Propheten zurückgestellt und statt dessen Dichter und Philosophen als Zeugen Gottes herangezogen.77 Diese bezeugen das „heidnische“ Pantheon, das aus christlicher Perspektive zwar selbstverständlich zu kritisieren ist. Von dieser Kritik nimmt Laktanz die Dichter selbst aber aus: „Aber es könnte irgendwer sagen [sc. um der Kritik die Spitze zu nehmen], dies sei von den Dichtern erfunden. Doch nicht dies ist Dichterart, so zu erfinden, daß man alles erlügt, sondern, daß man das, was sich abgespielt hat, durch eine Abbildung und sozusagen eine Art verschiedenfarbige Umhüllung verschleiert. Dieses Maß hat dichterische Freiheit: nicht das Ganze zu erfinden – das wäre Zeichen eines Lügners, eines Albernen –, sondern einen gewissen Teil mit Vernunft zu verhüllen.“78

Laktanz nimmt die Dichter, die die „heidnischen“ Götter bezeugen, also selbst als Kritiker dieses Pantheons in Anspruch, deuten sie doch immerhin an, was sich hinter den falschen Göttern der „Heiden“ verbirgt. Die Grammatiker, die diese verhüllte Botschaft zu dechiffrieren lehren, gelten daher (wie Ärzte und Rhetoren) als ordentlicher Beruf79, anders als die Philosophen: Diese seien „Menschen, die zwar mit höchster Gelehrsamkeit und Beredsamkeit begabt sind, aber weit von der Wahrheit entfernt, weil sie weder Gott noch die Weisheit zur Kenntnis genommen haben.“80 Den Dichtern dagegen konzediert Lakzanz – wie Augustin in De ordine – ein gewisses Maß an Gotteserkenntnis, und das strahlt auch auf ihre berufenen Ausleger ab.

rationabilium mendaciorum potestatem. Et quoniam de prima illa disciplina stirpem ducebant, iudices in eos grammaticos esse permisit“; Übers. MÜHLENBERG, 320. 76 M AC C ORMACK 1998, 53: „Poets were endowed, as Augustine expressed it, with the ‚power of formulating reasonable lies‘, of creating fictions to please and instruct, it being the subsequent task of grammarians to expound these poetic creations.“ Vgl. auch Augustins Beteuerung in conf. III 6,11 (s.u. S. 450 Anm. 225), anders als die Manichäer mit ihren Fabeln habe er die Dichtungen nie als historische Wahrheit betrachtet; zum Umgang Augustins mit den antiken Dichtern vgl. schon ELLSPERMANN 1949, 203–213. 77 Lact. epit. 3,2 (4,16–19 Heck/Wlosok): „denique, ut taceam de prophetis unius dei praedicatoribus, poetae quoque et philosophi et uates testimonium singulari deo perhibent“; vgl. ELLSPERMANN 1949, 72–77. 78 Lact. epit. 11,1 (12,5–10 H./W.): „Se dicet aliquis ficta haec esse a poetis, non est hoc poeticum sic fingere, ut totum mentiare, sed ut ea quae gesta sunt figura et quasi uelamine aliquo uersicolore praetexas. hunc habet poetica licentia modum, non ut totum fingat, quod est mendacis et inepti, sed ut aliquid cum ratione commutet“; Übers. HECK/SCHICKLER, 62f. 79 Lact. epit. 25,6 (34,4–8 H./W.): „qui medicinae aut grammaticae aut oratoriae studet, studiosus eius artis quam discit dici potest; ubi didicit, iam medicus, iam grammaticus, iam orator dicitur.“ 80 Lact. epit. 25,2 (33,11–13 H./W.): „homines summa quidem doctrina et eloquentia praediti, sed longe a ueritate summoti, quia nec deum nec sapientiam dei cognouerunt“; Übers. HECK/SCHICKLER, 80. Dieses Urteil widerspricht der Berufung auf Dichter und Philosophen als Zeugen Gottes (s.o.); vgl. die Diskussion zwischen HECK und BUCHHEIT (s.o. Anm. 67, u. Anm. 118).

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Augustin schränkt jedoch in De doctrina christiana die Wertschätzung der dichterischen Freiheit erheblich ein: Auch die allegorische Auslegung „heidnischer“ Götternamen – hier: „Neptun“ als Symbol des Meeres – führe ja nicht zur Verehrung Gottes als des Schöpfers des Meeres, d.h. zur Orientierung an der res, sondern vielmehr zur Verehrung seiner Werke (der signa) und so zu „fleischlicher Knechtschaft“.81 Bereits im frühen Dialog De magistro zeichnet sich die Abkehr von der grammatischen Analyse als Weg der Erkenntnis hin zur Aufassung von Bildung als intramentalem und nur bedingt lehrbarem Zeichenprozess ab, was die Bedeutung des Grammatikunterrichts und seiner „Gegenstände“ erheblich relativiert.82 Daher verweist Augustin in einem Brief an den „Heiden“ Nectarius mit deutlicher Distanz auf „jenen in eurer Literatur hochberühmten Dichter“83; der Christ will hier kein Römer (mehr) sein. Am Ende des 4. Jahrhunderts gab es aber zahlreiche Christen, die durch ihre Biographie die Unterscheidung zweier Literaturen quasi unterliefen und deren ästhetischen Erwartungen auch durchaus Rechnung getragen wurde. So finden sich sogar in Predigten Bezugnahmen auf Vergil als Exponenten römischer Dichtung schlechthin: Nicht nur Augustin zitiert in homiletischem Kontext den „poeta illorum“84, auch Zeno von Verona streut gelegentlich Zitate aus der Aeneis ein. So wird die Unsterblichkeit der menschliche Seele zunächst mit dem Hinweis auf „die Philosophen“, dann aber anhand „der Dichter“ aufgezeigt, die angemessener als jene beschrieben hätten, dass es in der Unterwelt einen doppelten Weg gebe, „einen für die Gottlosen, der in den Tartarus, und einen für die Frommen, der in das Elysium führt“.85 Da dort die Taten der Verstorbenen gewogen und beurteilt würden, hätten die Dichter zutreffend die Pointe des christlichen Gerichtsgedankens ausgesprochen:

81 Aug. doct. christ. III 7,11 (85,20–26 M.); das vorhergehende poetische Zitat (84,8–10 = Fragmenta poetarum Latinorum, 442 Nr. 64 Blänsdorf) konnte bislang keinem bekannten Dichter oder Werk zugewiesen werden; dazu MACCORMACK 1998, 64f. mit Anm. 87. 82 Vgl. Aug. mag. II 3 (116,10–118,23 Fuhrer) zur Interpretation von Verg. Aen. II 659 (an dem Wörtchen nihil wird die Problematik einer rein grammatischen Zeichentheorie aufgezeigt); vgl. die Ausgangsthese in mag. X 33 (176,4f.): „Quod si diligentius consideremus, fortasse nihil invenies, quod per sua signa discatur“ und die Bestätigung (n. 34; 178,11–13): „potius enim ut dixi vim verbi, id est significationem, quae latet in sono, re ipsa, quae significatur, cognita discimus, quam illam tali significatione percipimus“; s. MAC CORMACK 1998, 70: „In Augustine’s estimation, meaning in language was conveyed much more by signs than by correct usage because, in the last resort, usage was manmade, but signs were inherent in the God-given nature of things.“ 83 Aug. ep. 91,2 (CSEL 34/2, 428,10f. G.): „commemorauit poeta ille uestrarum clarissimus litterarum quosdam flores Italiae…“. 84 Aug. serm. 105,7,10 (PL 38, 622) zu Aen. I 278f. 85 Zeno, tract. I 2,4 (CChr.SL 22, 15,30–16,32 Löfstedt): „Poetae autem melius, qui duplicem uiam apud inferos ponunt: impiorum unam, quae ducit in tartarum, piorum aliam, quae ducit ad elisium“; Übers. BIGELMAIR, 187; vgl. Verg. Aen. VI 540–543. Zeno bezog dieses Zitat wohl aus Lact. inst. VI 4,1 (489,4–8 Br.).

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„Jeder erduldet, was er selbst verdient hat.“86 Schließlich behandelt Zeno die Frage, wie denn mit der Seele auch das Fleisch auferstehen könne, und interpretiert den paulinischen Gedanken eines pneumatischen Leibes (1 Kor 15,39f.) durch den „Samen der Unsterblichkeit“, d.h. durch den Hinweis auf den Heiligen Geist, „von dem schon der weiseste Dichter etwas vorausgeahnt hat, wenn er sagt: ‚Feurige Kraft jenen Samen belebt und himmlischer Ursprung‘.“87 So wenig die bei Vergil dargestellte Seelenlehre sich mit dem biblischen Thema der Auferstehung in Einklang bringen lässt, so wenig zufällig ist es doch, dass der Dichter mehrfach in derselben Predigt als Kronzeuge herangezogen wird: Was den gebildeten Predigthörern als Lernstoff aus der Schule vertraut war, wird in den Dienst christlicher Verkündigung gestellt, die durch die Poeten Bereicherung erfährt, deren mehrdeutige „vernünftige Fabeln“ durch die eindeutige christlichen Botschaft interpretiert werden. Dass zwischen den Dichtern und der Schrift keine prinzipielle Antithese besteht, betont auch der Traktat De fide ad Gratianum des Ambrosius von Mailand. Der Bischof hatte die „arianische Häresie“ in Buch I mit der mythologischen Hydra und der Scylla aus der Odyssee verglichen, um ihre Unausrottbarkeit einerseits, ihre Verderblichkeit andererseits zu beweisen.88 In Buch III geht Ambrosius auf einen Einwand des Homöers Palladius von Rathiaria ein: „Wenn einer glaubt, daß die Ausgestaltung einer derartigen Argumentation, die von den Geschichten der Dichter entlehnt ist, unerlaubt sei und, weil er am Inhalt – nämlich dem Glauben – nichts gefunden hat, was er tadeln könnte, irgend etwas an der Sprache bemängelt, soll er anerkennen, daß nicht allein die Ansichten, sondern sogar einzelne Verse der Dichter in die göttlichen Schriften eingefügt sind.“89

Damit wird den Dichtern90 attestiert, einen konstruktiven Beitrag zur biblischen Lehre von der Trinität geleistet zu haben, die verteidigt werden soll. Im Gegensatz zu dem bei Augustin kritisierten Verhalten des Lehrers, sich nur 86

Zeno, tract. I 2,4 (16,32–35 L.): „eo fortius addentes, quod defunctorum ibidem non tam formae quam facta noscantur ac necessario recipiant secundum quod mundanae administrationis suis in actibus portant, recte dicentes: ‚quisque suos patimur manes‘“ (Verg. Aen. VI 743, hier bezogen auf den Gedanken der Seelenwanderung). 87 Zeno, tract. I 2,26 (21,234f. L.): „de quo etiam poeta sapientissimus praesagauit dicens: ‚igneus est ollis uigor et caelestis origo seminibus‘.“ Verg. Aen. VI 730 stellt himmlischen Ursprung und Schwäche der Leiber (noxia corpora) allerdings in sehr „unpaulinischer“ Weise gegenüber! 88 Ambr. fid. I 6,46 (FC 47/1, 174,1–11 Markschies); angespielt wird dabei auf Homer, Od. XII 73–92 sowie Verg. Aen. III 424–432. 89 Ambr. fid. III 1,3 (356,3–8 M.): „si quis contra licitum putat colorem disputationis eiusmodi a poeticis fabulis derivatum et, cum in fide nihil, quod vituperare possit, invenerit, aliquid in sermone repraehendit, agnoscat non solum sententias, sed etiam versiculos poetarum scripturis insertos esse divinis.“ MARKSCHIES, FC 47/2, 356 Anm. 222 verweist auf ein entsprechendes Argument bei Pallad. c. Ambr. 56 (fol. 337r, Z. 39–49 = CChr.SL 87, 175 Gryson). 90 Die im Folgenden aufgezählten Beispiele beginnen mit dem locus classicus des AratusZitats in Apg 17,28, das Ambrosius bereits in fid. II prol. 7 (254,8f. M.) herangezogen hatte.

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aufs Formale zu beschränken und gar nicht bis zur Wahrheitsfrage zu gelangen, erscheint die Kritik der Häretiker hier als Rückzug auf die Bibel, ohne die Autoritäten des Grammatikunterrichts gelten zu lassen. Dieser Biblizismus geht nach Ambrosius fehl, weil zwischen der Schrift und den Werken der Dichter eben kein unüberwindlicher Graben besteht. Dass dies keine unangefochtene Meinung darstellte, geht aus dem einige Jahre später verfassten Brief des Hieronymus an den Rhetor Flavius Magnus hervor, wo am Bibelepos des Juvencus kritisiert wird, der Autor „entfaltet die Geschichte unseres Herrn und Retters in Versen und schämt sich nicht, die Hoheit des Evangeliums den Gesetzen der Metrik zu unterwerfen.“91 Es machte also einen Unterschied, ob klassische Dichter zur Illustration der Schrift herangezogen und womöglich Parallelen zwischen beiden aufgewiesen wurden oder ob die Bibel selbst ins Versmaß gebracht werden sollte. Freilich belegt die Popularität der Bibeldichtung unter den gebildeten Christen des 4. und 5. Jahrhunderts, dass Hieronymus mit seiner Kritik an Juvencus keineswegs einen überwältigenden Konsens repräsentiert. Der Dichter Sedulius forderte im Wissen um diese Schätzung seiner Kunst sogar, durch die Metrik eine ungewohnte Botschaft gezielt für Gebildete annehmbar zu machen: „Es gibt viele, die die Wissenschaft der weltlichen Studien aufgrund der dichterischen Genüsse und der wollüstigen Lieder ergötzt. Was auch immer sie an rhetorischer Fertigkeit sich anlesen, befolgen sie sehr nachlässig, weil sie es kaum schätzen; was sie aber durch die Schmeicheleien der Verse wie mit Honig gesüßt erkennen, das empfangen sie mit solcher Begierde des Herzens, dass sie es durch häufiges Wiederholen tief ins Gedächtnis einpflanzen und dort bewahren.“92

Wer sich an Dichtkunst berauscht, soll bei seiner Vorliebe „abgeholt“ werden, wenn ihm ein sperriges Thema wie das Sterben Jesu Christi nahegebracht werden soll, wie es Sedulius’ carmen paschale behandelt. Damit erscheint trotz aller Kritik an der Inhaltsleere der klassischen Dichtung die poetische Form doch als legitim, sofern sie nur zum richtigen Zweck eingesetzt wird. Die Urteile über die Grammatik waren und blieben in der Spätantike divergent. Caesarius von Arles hatte nur Spott für die Dichter übrig: „Die zweite [ägyptische] Plage, bei der von Fröschen die Rede ist, deutet, wie ich meine, bildhaft auf die metrischen Werke der Dichter, die in eitlem und aufgeblasenem Tonfall wie durch Geräusche und Lieder von Fröschen Geschichten der Täuschung in die Welt 91 Hier. ep. 70,5,3 (CSEL 54, 708,1f. H.): „[Iuvencus] historiam domini salvatoris versibus explicavit nec pertimuit evangelii maiestatem sub metri legibus submittere.“ Von hier aus zieht sich eine Linie zu Gregors des Großen Klage, Desiderius von Vienne vermische das Lob Jupiters mit dem Lobpreis Christi (reg. XI 34; zit. oben S. 307). 92 Sedul. ep. 1 ad Maced. (CSEL 10, 5,4–10 Huemer): „multi sunt, quos studiorum saecularium disciplina per poeticas magis delicias et carminum uoluptates oblectat. hi quicquid rhetoricae facundiae perlegunt, neglegentius adsequuntur, quoniam illud haud diligunt: quod autem uersuum uiderint blandimento mellitum, tanta cordis auiditate suscipiunt, ut in alta memoria saepius haec iterando constituant et reponant.“ Zum Autor vgl. Siegmar DÖPP, in: LACL 3, 628f.

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gebracht haben; denn jenes Tier ist zu nichts nütze, außer dass der Klang seiner Stimme zu schändlichem und aufdringlichem Lärm dient.“93

Während nur wenig später Gregor von Tours seine mangelnde grammatische Bildung beklagte und damit deren bleibende Maßgeblichkeit unterstrich, behauptete Caesarius die prinzipielle Unergiebigkeit der Dichterlektüre für die Bildung eines Christen. Festzuhalten ist, dass solche Voten zwar immer wieder begegnen, aber nicht die Regel darstellen: Wurde der Grammatikunterricht samt seinen Schultexten und seinem Lehrpersonal weitgehend kritisch betrachtet, so fand die Kunst der Grammatik selbst immer wieder christliche Bewunderer und Verteidiger – was bei der Bindung des christlichen Glaubens an die Schriften der Bibel, die als literarische Texte eine wie immer geartete „kunstgerechte“ Auslegung erforderten, letztlich nicht erstaunen kann. 5.2. Der Rhetorikunterricht und die Redner Die Kritik christlicher Autoren am Grammatikunterricht ähnelt oft der an der Rhetorikausbildung, da beide gemeinsam das Schulsystem bildeten, das als ebenso unumgänglich wie problematisch angesehen wurde. Jedoch richten sich die Bedenken hinsichtlich der Rhetorik weniger auf die Lektüre, die beim Grammatiker unter dem Deckmantel der Sprachrichtigkeit „heidnische“ Inhalte transportierte, sondern auf die Komposition von Sprechakten. Bereits oben (S. 322) wurde deutlich, dass der Gestus des declamator vom Prediger unbedingt vermieden werden sollte; an Augustins De doctrina christiana wurde aber ebenso erkennbar, dass der konstruktive Anschluss an die Schulrhetorik als möglich, ja sogar als notwendig erscheinen konnte. Im Folgenden ist über die spezifisch homiletischen Überlegungen hinaus zu fragen, wie aus christlicher Sicht Rhetorik und Rhetorikunterricht prinzipiell beurteilt wurden. 5.2.1. Der „Krieg vor Gericht“ Wie die Kritik an der Grammatik, so tritt auch die Skepsis gegenüber der Rhetorik bei Augustin erst allmählich in den Vordergrund. Die Definition in De Rhetorica, es sei „das Ziel der Aufgabe des Redners, gut zu sprechen, das Ziel des guten Sprechens jedoch das Überzeugen“94, kann aufgrund ihrer um93 Caes. Arel. sermo 99,2 (CChr.SL 103, 404f. Morin): „Secunda vero plaga, in qua indicuntur ranae, indicari figuraliter arbitror carmina poetarum, qui inani quadam et inflata modulatione velut ranarum sonis et cantibus mundo huic deceptionis fabulas intulerunt: ad nihil enim illud animal utile est, nisi quod sonum vocis inprobis et inportunis clamoribus reddit.“ 94 Aug. rhet. 2 (RLM 138,11f. Halm): „ut sit finis oratoris officii bene dicere, finis bene dicendi persuadere.“ In retract. I 5,6 (27,16–28,7 K.) vermerkt Augustin, er habe von seinem Plan eines Handbuchs zu allen sieben disciplinae liberales nur die Traktate über die Grammatik (CPL3 1557) und über die Musik (CPL3 258) ausgeführt; von den anderen Disziplinen seien nur principia fertiggestellt worden (s.o. S. 378f.). Ob de rhetorica eine solche Vorstudie ist oder darauf basiert, ist unklar (zu Augustins frühem Bildungskonzept vgl. FUHRER u.a. 2002, 13–

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strittenen Authentizität nicht als direktes Zeugnis für seine Sicht der Rhetorik betrachtet werden; ihr entspricht jedoch die Begründung der Rhetorik im ordo der Welt (vgl. oben S. 398f.). Gezielte Abweichungen von der Konvention machen einen Text danach erst reizvoll; exzessive Anwendung von Stilfiguren ruft dagegen Ablehnung hervor. Augustin fährt bezüglich der Rhetorik fort: „Die Ordnung muß die Stilmittel also steuern und ihnen ihr Maß setzen; sie duldet nämlich weder, daß sie in sich selbst übertrieben sind, noch, daß sie irgendwo als Fremdkörper erscheinen. Eine affektlose und nicht ausgefeilte Rede läßt die Höhepunkte und schönen Stellen in ihr besonders hervortreten. Wenn sie nichts anderes ist, wirst du sie als unbedeutend preisgeben. Wenn sie aber nicht so ist, treten die eigentlichen Schönheiten nicht hervor, sie herrschen nicht, wenn man so sagen darf, in ihrem eigenen Reich und Besitz; sie stehen sich selbst im Licht und bringen das Ganze in Unordnung.“95

Der Akzent liegt also auf der Ausgewogenheit der Mittel, auf die nicht verzichtet werden kann (ansonsten würde die ganze Rede als ungehobelt missachtet), die aber gezielt einzusetzen sind, damit das inhaltliche Ziel nicht hinter dem rhetorischen Feuerwerk zurücktreten muss. Dabei besteht die entscheidende Differenz zu De doctrina christiana darin, dass die Verankerung grammatischer und rhetorischer Kompetenz in der Schöpfungsordnung hier keine Rolle mehr spielt, die Schulbildung vielmehr von ihrer Nützlichkeit und Notwendigkeit für christliches Lehren und Predigen her evaluiert wird. Der Inhalt wird der Form vorgeordnet, wie die in Contra Cresconium (ca. 405) gegebene neue Definition belegt: „Die Redekunst… ist die Fähigkeit zu sprechen, die angemessen zum Ausdruck bringt, was wir denken; sie ist dann zu nutzen, wenn wir das Rechte denken.“96 25, bes. 18). Die Definition von Disputation und Rede, die Augustin in dial. 7 (a. 387/88; PL 32, 1414) gibt, enthält mit dem Stichwort „lügnerisch“ ein ethisches – jedoch nicht spezifisch christliches – Kriterium: „Quamvis enim nec disputationem deceat ineptam nec eloquentiam oporteat esse mendacem, tamen et in illa saepe, atque adeo paene semper, audiendi delicias discendi cupido contemnit et in hac imperitior multitudo quod ornate dicitur etiam vere dici arbitratur. Ergo cum appareat, quid sit uniuscuiusque proprium, manifestum est et disputatorem, si qua ei delectandi cura est, rhetorico colore aspergendum, et oratorem, si veritatem persuadere vult, dialecticis quasi nervis atque ossibus esse roborandum.“ Gegen BLÜMER 2002, 78f. liegt hier eine andere Ambivalenz der Rhetorik vor als in den späteren rhetorikkritischen Schriften; beide hier vorgetragenen Kritikpunkte – „die Eloquenz dürfe nicht ‚lügnerisch‘ sein“ und „die unerfahrene Menge halte das für wahr, was glänzend vorgetragen werde“ – sind längst Allgemeingut der antiken Bildungsdiskussion, die später in De doctrina christiana aus ganz anderer Warte in den Blick genommen wird. 95 Aug. ord. II 4,13 (200,72–79 D.): „Ordo igitur ea gubernans et moderans nec apud se nimia nec ubilibet aliena esse patietur. Submissa quaedam impolitaeque simillima ipsos saltus ac uenustos locos sese interponens inlustrat oratio. Quae si sola sit, proicis ut uilem; si autem desit, illa pulchra non prominent, non in suis quasi regionibus possessionibusque dominantur sibique ipsa propria luce obstant totumque confundunt“; Übers. MÜHLENBERG, 292; zur metaphysischen Grundierung des Bildungskonzepts vgl. jetzt BOUTON-TOUBOULIC 2004, 557–561 und bereits HADOT 1984, 101–136. 96 Aug. c. Cresc. I 1,2 (326,11–13 P.): „eloquentia… facultas dicendi est congruenter explicans quae sentimus, qua tunc utendum est cum recta sentimus“; vgl. ebd. (326,21–24): „Quis enim nescit…

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Eine vergleichbare Rhetorikkritik trägt Ambrosius in seinem Lukaskommentar anhand der Geschichte vom „verlorenen Sohn“ vor, wobei kunstfertige Reden „mit der eitlen Verführung der Philosophie und dem Beifall für die Kunst des Tönens mehr den Aufputz als irgendeine Nützlichkeit vorweisen“.97 Entscheidend ist das Wortfeld utilitas, dem sowohl die irregeleiteten Denkanstrengungen der Philosophen als auch das Beifallheischen der Rhetoren entgegengesetzt werden. Denk- und Redekünste sind an sich ambivalent und dürfen nur mit Vorsicht gebraucht werden, so wiederum Augustin: „Ein großes Geschenk ist die Redekunst, ein großes Gut; aber das besitzen auch die Schlechten. Wir haben es nicht mit den wilden Tieren gemeinsam, sondern mit unseren Widersachern. Viele besitzen die Redekunst und sind schlecht, und mit dieser Redekunst umzingeln sie viele und verschaffen sich zeitliche Macht… Du besitzt Gold: das ist gut, doch nur sofern du gut handelst. Du besitzt Redegewandtheit: das ist gut, doch nur sofern du sie gut einsetzt. Du hast einen gesunden Körper: benutze ihn recht.“98

Die Redekunst sei in den falschen Händen eine gefährliche Waffe, wie an dem talentierten und ambitionierten Vincentius Victor und seiner allzu ungezügelten Eloquenz zu sehen sei: „Es ist ärgerlich, gefährlich, ja verderblich, wenn man durch das Lob der Beredsamkeit zur Torheit verführen und in einem wertvollen Pokal einen giftigen Trunk kredenzen würde.“99

eloquentiam, hoc est peritiam facultatemque dicendi, sic esse utilem uel inutilem, ut fuerint utilia uel inutilia quae dicuntur?“ Dazu vgl. BLÜMER 2002, 73f. 97 Ambr. in Luc. 7,218 (CChr.SL 14, 289,2400–290,2406 Adriaen): „Sunt qui porcos accipiant pro gregibus daemonum, siliquas pro exili uirtute inanina hominum sermonumque iactantia, qui nihil prodesse possunt, inani quadam philosophiae seductione et quodam sonorum facundiae plausu pompam magis quam utilitatem aliquam demonstrantes sed haec diuturna oblectamenta esse non possunt et ideo ‚nemo illi dabat‘“; vollständig übersetzt unten S. 472. 98 Aug. serm. Dolbeau 23,4f. (CEAug. A 147, 595,61–65; 596,85–87): „Magnum hoc donum eloquii, magnum bonum, sed habent hoc et mali. Non est commune cum bestiis, sed est commune cum iniquis. Multi habent eloquium et mali sunt, et ipso eloquio multos circumveniunt et potentiam sibi temporalem requirunt… Aurum habes: bonum est, sed unde bene facias. Eloquium habes: bonum est, sed unde bene opereris. Salutem corporis habes: utere bene.“ Vgl. dazu BLÜMER 2002, 81. 99 Aug. anim. I 3,3 (CSEL 60, 305,15–17 Urba/Zycha): „Illud molestum est et periculosum uel perniciosum, si, cum laudatur eloquentia, persuadetur insipientia et in pretioso poculo bibatur pestifera potio“; vgl. auch II 17,23 (358,14–17): Die Mängel in Vincentius’ Schriften möge der Adressat, der Presbyter Petrus, deutlich herausstellen, „ne in eius ornato eloquio tamquam in pretioso poculo te inuitante etsi non bibente uenenum bibant, si tu quid inde biberis et quid non biberis nesciunt et propter laudem tuam omnia illic bibenda salubriter arbitrantur.“ Im Hintergrund steht der Absinthbechervergleich bei Lucrez, I 936–938: „Nam veluti pueris absinthia taetra medentes / cum dare conantur, prius oras pocula circum / contingunt mellis dulci flavoque liquore“; vgl. BLÜMER 1991, 49 Anm. 1. Vgl. HECK 1988, 169 Anm. 54 zur Rezeption dieser Stelle bei Hier. ep. 133,3,7 (CSEL 56, 246,15–17 H.); nach HAGENDAHL 1958, 274f. liegt hier direkte Textkenntnis, nicht eine – immerhin mögliche – Vermittlung durch Quint. III 1,4 (I 280–282 R.) vor.

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In seiner geistlichen Autobiographie hält Augustin entsprechend kritische Rückschau auf die Zeit, „als ich die siegeskundige Wortmacherei zum Kaufe bot“.100 Die Selbstkritik bezieht sich nicht nur auf das unehrliche „Geschäft“ mit Bildung, sondern auch auf die religiöse Irrfahrt jener Jahre. Der ambitionierte Rhetor war „Verführter und Verführer, Betrogener und Betrüger in der Vielgestalt meiner Leidenschaften: öffentlich durch die sogenannten ‚Wissenschaften für die Freigeborenen‘, dazu noch heimlich unter der falschen Marke der Religion; dort eingebildet, hier abergläubisch, ein Windbeutel da wie dort.“101 Die Confessiones schildern berufliche und religiöse Desorientierung als parallel, ja als interdependent, weshalb mit der Bekehrung auch die Position als Rhetor in der Kaiserresidenz Mailand aufgegeben wurde – kaum dass Augustin die nächsten Ferien abwarten konnte, „denn der Ehrgeiz, der mir die Last des Amtes hatte tragen helfen, war gewichen.“102 Der Bekehrung zu Christus folgte die Abkehr vom Handel mit Worten: „Und ich beschloß vor deinem Angesicht, nicht lärmend, sondern sachte den Dienst meiner Zunge zurückzuziehen vom Markte der Geschwätzigkeit, damit nicht länger eine Jugend, die nicht ‚dein Gesetz im Auge hat‘ [Ps 118,70] und nicht auf deinen Frieden, sondern auf lügenhaften Wahnsinn [Ps 39,5] und auf den Krieg vor Gericht, sich die Waffen für ihr Toben aus meinem Munde kaufe.“103

Der Friede Gottes und der Krieg vor Gericht erscheinen hier als strikte Gegensätze, so dass es für einen Christen undenkbar erscheinen muss, das Lehramt der Rhetorik nicht sogleich aufzugeben. Das Wirken der rhetorisch Gebildeten wird dabei nicht einfach karikiert, sondern als sehr ernsthafter Widerspruch zu biblischen Vorschriften dargestellt, als ebenso verlogen wie verrückt104, was einer eindringlichen Warnung Ciceros entspricht: „Umso größer die Macht ist, umso mehr muss sie mit Rechtschaffenheit und höchster Klugheit verbunden sein. Wenn wir daher denen, die der Tugend ermangeln, die Fülle der Redekunst vermitteln, dann machen wir diese nicht zu Rednern, sondern reichen den Rasenden gleichsam die Waffen.“105

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Aug. conf. IV 2,2 (40,1f. V.); zit. oben S. 375. Aug. conf. IV 1,1 (40,1–5 V.): „Per idem tempus annorum nouem, ab undeuicesimo anno aetatis meae usque ad duodetricensimum, seducebamur et seducebamus falsi atque fallentes in uariis cupiditatibus et palam per doctrinas quas ‚liberales‘ uocant, occulte autem falso nomine religionis, hic superbi, hic superstitiosi, ubique uani“; Übers. BERNHART, 139. 102 Conf. IX 2,4 (135,41f. V.): „quia recesserat cupiditas, quae mecum solebat ferre grave negotium.“ 103 Aug. conf. IX 2,2 (133,1–5 V.): „et placuit mihi in conspectu tuo non tumultuose abripere, sed leniter subtrahere ministerium linguae meae nundinis loquacitatis, ne ulterius pueri meditantes non legem tuam, non pacem tuam, sed insanias mendaces et bella forensia mercarentur ex ore meo arma furori suo.“ 104 Zu insanias mendaces (Ps 39,5) vgl. conf. VI 11,18; VIII 2,4 (86,4; 116,54 V.). Der Text folgt weder dem auf die LXX zurückgehenden Vulgatatext (insanias falsas für µανίαςψευδεῖς) noch der Fassung iuxta hebraicum (pompas mendacii). 105 Cic. de orat. III 14,55 (282,8–12 K.): „quae quo maior est vis, hoc est magis probitate iungenda summaque prudentia; quarum virtutum expertibus si dicendi copiam tradiderimus, non eos quidem 101

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Die Bindung der Rhetorik an die Tugend entspricht funktional Augustins Verweis auf das Gesetz Gottes. Für Cicero sind probitas und prudentia zwar keine selbstverständlichen, aber doch lehr- und lernbare Eigenschaften, während sich ein Leben nach dem Gesetz Gottes für Augustin kontradiktorisch zum Handeln vor Gericht verhält. Christian Tornau folgert, „daß es für den Christen überhaupt unverantwortlich sei, Rhetorik zu lehren: Denn er müßte es innerhalb eines Systems tun, in dem jeder mögliche Schüler bereits ein furens im ciceronischen Sinne ist, dem jeder ethische Maßstab fehlt.“106 Wenn dies zutrifft, sind die Confessiones der einzige lateinische Text vor Gregor dem Großen, der den Christen grundsätzlich untersagt, Rhetorik zu lehren. Nach De doctrina christiana ist die rhetorische Kunst zwar sinnvoll und notwendig für die Verkündigung des Wortes Gottes (s.o. S. 340–349), doch wird dabei der Lernstoff bereits vorausgesetzt und von der Institution seiner Vermittlung abgelöst. Damit erklärt sich Augustins Ansicht, man lerne das Reden eher durch Imitation als durch theoretische Unterweisung (s.o. S. 342f.), aus der dem Schulsystem inhärenten Fehlleitung der Schüler. Freilich ist die literarische Eigenart der Confessiones zu beachten, die nicht eine christliche Musterbiographie, sondern eine Mischung von Schriftmeditation, Protreptikos und – sit venia verbo – „Autohagiographie“ darstellt. In eine eindeutige Vorschrift hat Augustin seine Einsicht in die Unvereinbarkeit von Christentum und Rhetorenberuf bezeichnenderweise nie gegossen. Der erwähnte „Krieg vor Gericht“ begegnet bei den Zeitgenossen wiederholt als Beschreibung der Berufspraxis der Rhetoren. Im Zusammenhang des Streites zwischen den Aposteln Paulus und Petrus in Antiochien (Gal 2,11– 14) kommt Hieronymus auf seine Erfahrung als Schüler zu sprechen: „Einige Male, zu der Zeit, wo ich als junger Mann in Rom Kontroversien deklamierte und mich mit fiktiven Prozessen für wahre Streitfälle übte, lief ich zu den Gerichtshöfen und sah dort, wie die redegewandtesten Anwälte einander mit solcher Erbitterung bekämpften, daß sie sich oft von der Sache entfernten und zu persönlichen Beleidigungen übergingen und einander mit beißendem Spott überschütteten. Wenn nun jene so etwas tun, um bei den Angeklagten jeden Verdacht des Parteienverrats zu vermeiden, und das umstehende Volk damit täuschen – was hätten unserer Meinung nach Petrus und Paulus, solche Säulen der Kirche, solche Gefäße der Weisheit, angesichts des Streits zwischen Juden und Heiden tun sollen, außer darauf hinzuarbeiten, daß aus ihrem vorgetäuschten Streit Friede der Gläubigen werde und der kirchliche Glaube mittels eines heiligen Zanks zwischen ihnen in Eintracht zusammenfinde?“107

oratores effecerimus, sed furentibus quaedam arma dederimus.“ Auf diese Anspielung weist TORNAU 2002, 330 hin, zusätzlich zu ep. 2*,12 (BAug 46 B, 90,379–382 Divjak): „propter quod senserunt atque dixerunt, cum insipientibus dantur praecepta dicendi, non eos oratores effici sed arma quaedam furentibus dari“. Zur Redekunst als Waffe vgl. auch Quint. XII 1,1 (II 684 R.). 106 T ORNAU 2002, 330; die Parallele zu Tertullian notiert bereits H AGENDAHL 1983, 87. 107 Hier. in Gal. II 11f. (PL 26, 340BC): „aliquoties cum adolescentulus Romae controuersias declamarem, et ad uera certamina fictis me litibus exercerem, currebam ad tribunalia iudicum, et disertissimos

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Die Pointe des Vergleichs liegt darin, dass die Anwälte ja gar nicht wirklich persönlich gemeinte Invektiven vorbringen, sondern bewusste Täuschungen einsetzen, um ihre Redlichkeit unter Beweis zu stellen. Die controversia gerät damit in die Nähe des spectaculum, in dem die entgegengesetzten Positionen heillos übertrieben werden, um ihre Lösung desto strahlender erscheinen zu lassen – und so sei auch das factum antiochenum zu verstehen, womit der „vorgetäuschte Streit“ (simulata contentio) sich als „heiliger Zank“ (sanctum iurgium) entpuppt. Während Hieronymus andernorts keine Scheu zeigt, seine Gegner des falschen Gebrauchs rhetorischer Fertigkeiten anzuklagen, erscheinen die Anwälte und mit ihnen die Apostel als vollkommen gerechtfertigt in ihrem Verhalten, das genau den „Krieg vor Gericht“ widerspiegelt, zu dem Augustin keinen Beitrag mehr leisten wollte, weshalb er seine Rhetorenschule auflöste. Entsprechend findet bei ihm die These eines nur vorgetäuschten Streits zwischen Petrus und Paulus scharfe Kritik: Zwar ist er sich mit Hieronymus einig, dass die Befolgung des jüdischen Zeremonialgesetzes kein Adiaphoron, sondern entweder gut oder schlecht ist.108 Während dieser jedoch davon ausgeht, dass das Gesetz selbst grundsätzlich schlecht, weil soteriologisch irrelevant ist (so dass Petrus guten Gewissens Observanz vortäuschen und sich insofern wie ein Anwalt verhalten kann), hält Augustin daran fest, dass eine Anordnung Gottes nicht in sich schlecht sein kann, muss dann aber erklären, warum sie trotzdem nicht heilsnotwendig sei.109 Als Vergleichspunkt dienen nicht die Anwälte, sondern die Philosophen, die nicht die ganze Wahrheit, aber gelegentlich doch Wahres erkannt haben: „Ich hingegen scheue nicht so sehr den Vergleich der Apostel mit Philosophen, wenn auch jene in ihrem Diskurs etwas Wahres sagen, als den mit Rechtsanwälten, wenn sie in ihren Plädoyers zugunsten der Angelegenheiten Dritter Lügen verbreiten. Wenn es als angemessen durchging, ausgerechnet bei der Auslegung des Briefes an die Galater einen Vergleich mit solchen Leuten heranzuziehen, um eine heuchlerische Verstellung des Petrus und des Paulus zu rechtfertigen, warum sollte ich mich dann scheuen, vor dir die Philosophen zu erwähnen?“110

oratorum tanta inter se uidebam acerbitate contendere, ut omissis saepe negotiis, in proprias contumelias uerterentur, et ioculari se inuicem dente morderent. si hoc illi faciunt, ut apud reos nullam suspicionem praeuaricationis incurrant, et fallunt populum circumstantem: quid putamus tantas ecclesiae columnas, Petrum et Paulum, tanta uasa sapientiae inter dissidentes Iudaeos atque gentiles facere debuisse? nisi ut eorum simulata contentio, pax credentium fieret, et ecclesiae fides sancto inter eos iurgio concordaret“; Üb. TORNAU 2006, 77; vgl. FÜRST 1999b, 26–64. 108 Vgl. Hier. ep. 112,16,2 (FC 41/1, 210,5–12 Fürst = CSEL 55, 386,6–14 H.). 109 Als Beispiel dient ihm das Sabbatfasten der christlichen Gemeinden Nordafrikas und Roms (vgl. Aug. ep. 82,14; FC 41/2, 286,20–288,15 = CSEL 34/2, 364,5–19 G.). 110 Aug. ep. 82,13 (286,1–8 F. = 363,10–16 G.): „Ego uero apostolis non tam exemplum philosophorum timeo, quando et illi in sua disputatione veri aliquid dicunt, quam forensium advocatorum, quando in alienarum causarum actione mentiuntur. Quorum similitudo si in ipsa expositione epistulae ad Gala-

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Der Gedanke eines mendacium officiosum111 ist für Augustin nicht zielführend, denn dessen Anwendung auf den Streit unter Aposteln würde die einer ethischen Fundierung entbehrende Ausrichtung des Rhetorikunterrichts auf den „Krieg vor Gericht“ für die Schriftauslegung grundsätzlich legitimieren. Bereits zwei Generationen zuvor ist bei Laktanz zu beobachten, wie ein zum Christentum bekehrter Rhetor mit der Einsicht ringt, vertraute Wege nicht mehr beschreiten zu können. Am Beginn von Buch III der Diuinae Institutiones steht zunächst ein konventioneller Bescheidenheitstopos: „Ich wollte, dass mir eine Rednergabe zuteil würde; wenn nicht eine solche, wie sie Marcus Tullius [Cicero] besaß (denn diese war herausragend und bewundernswert), dann eine andere und jener doch nahe kommende.“112 Das Folgende bringt jedoch eine neue Akzentsetzung zum Vorschein: Die so erwünschten rhetorischen Fähigkeiten könnten und sollten eigentlich dazu dienen, „dass die Wahrheit ebenso aus eigener Kraft als auch mit Unterstützung der Kräfte des Geistes, derer sie sich bedient, dereinst dem Menschengeschlecht, nachdem sie die Irrtümer sowohl der Masse als auch deren, die man für Weise hält, entlarvt und widerlegt hat, ein strahlendes Licht darreicht. Aus zwei Gründen wünschte ich mir, dass dies geschieht: zum einen, weil die Menschen eher einer aufgeputzten Wahrheit Glauben schenken können, die ja auch einer Lüge glauben, gefangen durch den Schmuck der Rede und die lockende Schmeichelei der Worte; zum anderen, weil so gewiss die Philosophen mit ihren eigenen Waffen, deren sie sich rühmen und auf die sie zu vertrauen pflegen, am besten von uns niedergehalten werden. Aber weil Gott nun einmal die Natur der Sache so eingerichtet hat, dass die einfache und nackte Wahrheit gefälliger sei, weil sie durch sich selbst hinreichend geschmückt ist und, wenn sie mit äußerlich hinzugefügtem Beiwerk geschminkt ist, verdorben wird, die Lüge hingegen in fremder Gestalt gefällt, weil sie, durch sich selbst verdorben, zerfällt und vergeht, wenn sie nicht mit einem fremden, ausgesuchten Schmuck überzogen und poliert wird – darum ertrage ich es mit gleichmütigem Sinn, dass mir nur ein so mittelmäßiger Geist zugemessen worden ist.“113

tas ad confirmandam simulationem Petri et Pauli putata est decenter induci, quid ego apud te timeam nomen philosophorum…?“ 111 Aug. ep. 82,21 (306,4–6 F. = 373,15f. G.); ep. 40,3,3 (122,5f. = 71,13–72,1); Hier. ep. 112,11 (FC 41/1, 194,11f. = CSEL 55, 380,4f.); s. FÜRST 1999b, 57–61; TORNAU 2006, 77f. 112 Lact. inst. III 1,1 (177,6–8 Br.): „[Vellem mihi] etsi non qualis in Marco Tullio fuit, quia praecipua et admirabilis fuit, aliquam tamen proximam eloquentiae contingere facultatem.“ 113 Lact. inst. III 1,1–3 (177,8–23 Br.): „ut quantum ueritas ui sua propria ualet tantum ingenii quoque uiribus nixa exereret se aliquando et discussis et conuictis tam publicis quam eorum qui sapientes putantur erroribus humano generi clarissimum lumen inferret. Quod quidem duabus ex causis fieri uellem: uel quod magis possent credere homines ornatae ueritati, qui etiam mendacio credunt capti orationis ornatu lenocinioque uerborum, uel certe ut ipsi philosophi suis armis potissimum quibus placere sibi et confidere solent opprimerentur a nobis. Sed quoniam Deus hanc rei uoluit esse naturam, ut simplex et nuda ueritas esset luculentior, quia satis ornata per se est ideoque ornamentis extrinsecus additis fucata corrumpitur, mendacium uero specie placeret aliena, quia per se corruptum uanescit et diffluit, nisi ornatu aliunde quaesito circumlitum fuerit ac politum, aequo animo fero ingenium mihi mediocre esse concessum“; vgl. BLÜMER 1991, 25f.

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Die Bescheidenheit wird also in einen Grundsatz umgewandelt: Die Rhetorik soll nach Gottes Willen gar nicht zur Verkündigung seines Wortes dienen, weil man dann Gefahr liefe, die „Heiden“ weniger durch die Sache als durch deren Verpackung zu beeindrucken, so dass diese sich aus der falschen Motivation heraus bekehren würden. Dabei wird angedeutet, dass die Adressaten der Diuinae Institutiones der „aufgeputzten Wahrheit“ möglicherweise Glauben schenken würden, wenn sie nicht nackt und ungeschminkt daherkäme, sondern in ihrem literarische Gewand den Erwartungen der Gebildeten entspräche, wie mit Lucrez’ Absinthbechervergleich präzisiert wird: „Man bestreiche nur den Rand des Kelches mit dem himmlischen Honig der Weisheit, damit die bitteren Heilsmittel von den Uneingeweihten ohne Widerstand getrunken werden können, während die lockende erste Süße die Schärfe des harten Geschmacks unter dem Mantel der Eingängigkeit verbirgt. Denn das ist vor allem der Grund, dass die Heilige Schrift bei den Weisen und Gelehrten und Fürsten dieser Welt keinen Glauben findet, weil die Propheten in umgangssprachlichem und einfachem Stil zum Volk gesprochen haben.“114

Genau diesen Erwartungen versucht Laktanzens Schrift dann ja auch – in durchaus ansprechender Gestalt – gerecht zu werden. Entscheidend ist jedoch die prinzipielle Entkoppelung von Inhalt und Form: Die Wahrheit bedarf keiner sprachgewandten Einkleidung; eine mediokre Begabung, wie sie Laktanz bei sich selbst feststellt, ist also kein Hindernis für sachgerechte Verkündigung. Was für diese nötig ist, lernt man daher auch nicht beim Rhetor, dessen Unterricht an einer grundfalschen Orientierung kranke: „Jene Aufgabe muss man um vieles besser, nützlicher und ruhmreicher erachten als jene Tätigkeit als Rhetor, durch die ich – lange damit vertraut – die Jugend nicht zur Tugend, sondern zur geistreichen Schlechtigkeit erzogen habe; und so wollen wir nun um ebenso vieles angemessener von den himmlischen Geboten handeln, durch die wir die Sinne der Menschen in der Verehrung des wahrhaft höchsten Gottes zu unterweisen vermögen.“115

Knapper und kritischer urteilt Laktanz in De opificio Dei, die literarische Wissenschaft lehre nichts als Zungenfertigkeit, d.h. weder wahren Glauben noch

114 Lact. inst. V 1,14f. (401,1–7 Br.): „circumlinatur modo poculum caelesti melle sapientiae, ut possint ab imprudentibus amara remedia sine ulla offensione potari, dum illiciens prima dulcedo acerbitatem saporis asperi sub praetextu suauitatis occultat. nam haec in primis causa est cur apud sapientes et doctos et principes huius saeculi scriptura sancta fide careat, quod prophetae communi ac simplici sermone ut ad populum sunt locuti“; zu diesem Vergleich s.o. S. 419 Anm. 99. Vgl. dazu HECK 1988, 169: „Der Gegensatz Rhetorik – Wahrheit ist hier aufgehoben: Rhetorik im Dienst der Wahrheit. Ihre im Munde der Gegner schädliche Wirkung sollen die Christen usurpieren, ohne daß sich an dieser Wirkung an sich, dem einschmeichelnden Eindringen, etwas ändert.“ 115 Lact. inst. I 1,8 (2,23–3,5 H./W.): „Quae professio multo melior utilior gloriosior putanda est quam illa oratoria, in qua diu uersati non ad uirtutem, sed plane ad argutam malitiam iuuenes erudiebamus, multoque nunc rectius de praeceptis caelestibus disseremus, quibus ad cultum uerae maiestatis mentes hominum instituere possimus.“

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rechtes Handeln.116 Das werde an der hoch gerühmten Eloquenz Ciceros deutlich, die doch der Wahrheitserkenntnis entbehre: „Wenn selbst Marcus Tullius [Cicero], dieses einzigartige Beispiel wahrer Beredsamkeit, von Ungelehrten und Redeunkundigen, die aber für die Wahrheit stritten, häufig überwunden wurde – warum sollten dann wir darüber verzweifeln, dass die Wahrheit selbst aus eigener Macht und Klarheit gegen die lügnerische und verführerische Redekunst ankommen wird?“117

Das topische Bedauern über die eigene rhetorische Unzulänglichkeit wird also damit kompensiert, dass das unbestrittene Sprachvorbild Cicero gegenüber der Wahrheit an Grenzen stoßen musste. Rühmt ihn Laktanz als „größten Rhetor lateinischer Sprache“, „der beinahe mit göttlicher Stimme gesprochen“ habe118, kann er ihm doch die kritische Frage nicht ersparen: Was habe ihm seine canina eloquentia gebracht – außer hingerichtet zu werden?119 Die Durchsetzungsfähigkeit der Wahrheit hängt nicht von der Bildung ihres Verteidigers ab, ist jedoch empfänglich für rhetorische Aufbereitung: „Jene Übung in den fiktiven Gefechten hat uns dennoch vieles gelehrt, so dass wir nun die Sache der Wahrheit mit größerer Redefülle und Kunstfertigkeit vertreten können. Denn jene kann ohne Redegewandtheit verteidigt werden, wie sie schon oft von vielen verteidigt worden ist, dennoch muss sie durch Klarheit und Glanz der Rede ins Licht ge116

Lact. opif. 1,2 (CSEL 27/1, 4,6f. Brandt): „litteris nihil aliud quam linguam instituentibus“. Lact. opif. 20,5f. (64,2–6 Br.): „Nam si Marcus Tullius, eloquentiae ipsius unicum exemplar, ab indoctis et ineloquentibus, qui tamen pro uero nitebantur, saepe superatus est, cur desperemus ueritatem ipsam contra fallacem captiosamque facundiam sua propria ui et claritate ualituram?“ 118 Lact. inst. III 13,10 (CSEL 19, 213,21 Br.): „Romanae linguae summus orator“; VI 8,26 (551,13–15): „qui paene divina voce depinxit“ nach ausführlichem Zitat von „Ciceros Hymnus auf ein allwaltendes Naturgesetz aus dem Eingang der Laeliusrede in ‚De re publica‘ [III 22,33]“ (HECK 1988, 173). Nach BUCHHEIT 1990, 358–361 baut Laktanz „seinen paganen Lesern… eine protreptisch angelegte Brücke“, wobei der „Überbau nicht gradueller, sondern prinzipieller Natur“ sei (359), wie inst. VI 1,1 (479,3f.) zeige, wo der Autor betont, er habe seine Arbeit „diuino spiritu instruente ac suffragante ipsa ueritate“ vollbracht. Deshalb besäßen „die Heiden… nach Laktanz’ Meinung lediglich eine inanis imago depicta von der Gerechtigkeit“ (361, eine Paraphrase von inst. V 8,1f.; 421,4–12). Zwar bezeichnet Laktanz Cicero andernorts als „expers caelestium litterarum“ und „longe a veritatis notitia remotus“ (inst. II 11,15.17; 154,9f.17f. Br.), was die kategoriale Differenz zwischen „heidnischen“ und christlichen Erkenntnismöglichkeiten unterstreicht (362). Doch werden beide Zitate durch quamuis eingeführt, d.h. trotz aller Unkenntnis der Wahrheit deutet bei Cicero eben doch manches bereits auf die christliche Botschaft voraus; und darum eignet ihm nicht „nur“ eine imago sapientiae, sondern diese zeichnet ihn gerade aus und verbindet so Christen und „Heiden“! Zur Schätzung Ciceros unter christlichen Apologeten vgl. auch Arnob. nat. III 6 (116,1–7 R.): „et ante omnes Tullius Romani disertissimus generis nullam veritus impietatis invidiam ingenue constanter et libere quid super tali opinatione sentiret pietate cum maiore monstravit: a quo si res sumere iudicii veritate conscriptas, non verborum luculentias pergeretis, perorata esset haec causa nec secundas ut dicitur actiones nobis ab infantibus postularet.“ 119 Vgl. Lact. inst. VI 18,26–28 (551,11–552,1 Br.); dazu EDWARDS 1999, 214; zur canina facundia s.o. S. 241 Anm. 372; zu Laktanz und den Rhetoren s. ELLSPERMANN 1949, 89–95. 117

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setzt und gewissermaßen bekräftigt werden, damit sie machtvoller in die Herzen fließt, sowohl mit eigener Kraft gerüstet als auch mit dem Licht der Rede geschmückt.“120

Es ist also keineswegs irrelevant, ob ein Verteidiger des Christentums über die antike Schulbildung verfügt, so dass er zu den Gebildeten unter den Interessierten am Christentum als einer der Ihren sprechen kann. Vielmehr darf und soll ihr menschlicher Verteidiger alles aufbieten, was in den „Gefechten“ vor Gericht zur Anwendung kommt, sofern dies der Werbung unter denen dient, die in derselben Kunst geübt sind. Dass Laktanz selbst zu diesen gehört, ist unzweifelhaft, trotz seiner Klage, er habe sich alle Mühe gegeben, „um des Eifers für das Lehramt willen wenigstens ein bisschen Redegewandtheit zu erwerben; aber dennoch war ich niemals redekundig, der ich ja auch kein Forum betreten habe. Aber es ist ohnehin notwendig, dass mich die gute Qualität der Sache selbst redekundig macht, zu deren beflissener und gehaltvoller Verteidigung die Wissenschaft vom Göttlichen und die Wahrheit selbst hinreichen.“121

Eloquenz ist also nichts, was gewissermaßen „an sich“ erworben und dann auf beliebige Gegenstände angewandt werden könnte. Vielmehr impliziert die ueritas des Christentums eine spezifische scientia, die von jener nicht ablösbar erscheint. Denn für den christlichen Redner ist entscheidend, dass er seinen Schülern – im vorliegenden Fall seinen Lesern – Nutzen bringt, und zwar für das Leben in einem ethisch qualifizierten Sinne: „Wenn der Weise sich das Leben wünschen soll, so möchte ich wahrlich aus keinem andern Grunde zu leben wünschen, als um ein Werk zu vollbringen, das des Lebens wert wäre, und das den Lesern, wenn schon nicht für die Beredsamkeit, da der Strom der Rede bei mir nur spärlich fließt, so doch fürs Leben Nutzen schaffen möchte. Das ist das einzig Richtige.“122

Der Bescheidenheitstopos macht die Pointe umso deutlicher: Entscheidend ist, im Dienst welcher Sache der Redner mit seiner Kunst steht. Diese wird erst durch eine sachliche Fehlorientierung zur verwerflichen Angelegenheit: „Die Redekunst dient nämlich der Welt, sie trachtet danach, sich vor dem Volk zu brüsten und in schlechten Dingen zu gefallen, insofern sie häufig versucht hat, die Wahrheit

120 Lact. inst. I 1,10 (3,11–16 H./W.): „multum tamen nobis exercitatio illa fictarum litium contulit, ut nunc maiore copia et facultate causam ueritatis peroremus. Quae licet possit sine eloquentia defendi, ut est a multis saepe defensa, tamen claritate ac nitore sermonis inlustranda et quodammodo adserenda est, ut potentius in animos influat et ui sua instructa et luce orationis ornata“; vgl. BLÜMER 1991, 24f. 121 Lact. inst. III 13,12 (214,16–21 Br.): „Equidem tametsi operam dederim ut quantulamcumque dicendi adsequerer facultatem propter studium docendi, tamen eloquens numquam fui, quippe qui forum ne adtigerim quidem. Sed necesse est ipsa me faciat causae bonitas eloquentem, ad quam diserte copioseque defendendam scientia diuinitatis et ipsa ueritas sufficit.“ 122 Lact. opif. 20,8 (64,11–16 Br.): „Quod si uita est optanda sapienti, profecto nullam aliam ob causam uiuere optauerim quam ut aliquid efficiam quod uita dignum sit, et quod utilitatem legentibus, etsi non ad eloquentiam, quia tenuis in nobis facundiae riuus est ad uiuendum tamen adferat: quod est maxime necessarium“; Übers. HARTL, BKV 36, 284.

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zu vertreiben, um ihre Macht zu erweisen; sie erstrebt Einfluss, begehrt Ehren, verlangt nach dem höchsten Würdegrad.“123

Ja, sie vermag durch ihre intellektuelle Gefälligkeit sogar in fatale Trugschlüsse zu führen: „Die unglaubliche Macht der Redegewandtheit und die Feinsinnigkeit von Argumentationen und Darlegungen betrügen einen nämlich leicht. Diesen müssen wir teils mit unseren eigenen Waffen, teils mit Argumenten, die wir aus ihrem [sc. der Philosophen] Streit unter sich selbst gewonnen haben, begegnen, damit deutlich wird, dass sie den Irrtum eher eingeführt denn behoben haben.“124

Auch wenn hier dezidiert auf „unsere Waffen“, also auf die des Christentums, rekurriert wird, bleibt die Rhetorik für Laktanz doch eine nützliche Kunst, die freilich der richtigen Orientierung bedarf, nämlich an der Wahrheit, die ihrerseits nicht auf kunstvolle rhetorische Ausgestaltung angewiesen ist. Dieses Gefälle in der Theorie bedeutet aber nicht, dass Laktanz in der Praxis auf seine rhetorischen Fähigkeiten verzichtet hätte: Ein sermo piscatorius, wie er den Christen in seinem Umfeld in Nikomedien zugeschrieben wurde125, war für den einst an höchster Stelle geschätzten Rhetor keine Alternative. In den Divinae institutiones ist – anders als im Epilog von De opificio Dei – die Rhetorik „nicht mehr Gegnerin, sondern Gehilfin der ueritas“.126 Sie hat zwar für den Christen kein Wert an sich, sie muss und kann aber zur christlichen sapientia in ein konstruktives Verhältnis gesetzt werden, um dieser nützlich zu sein: „Am wenigsten standfest sind nämlich jene unter uns, die irgendwie mit Bildungsgut in Berührung gekommen sind. Denn auch darin sind Philosophen, Redner und Dichter verderbenbringend, dass sie ahnungslose Gemüter leicht in ihrem Netz fangen können durch die Anmut ihrer Prosa und ihrer Gedichte, die in lockendem Rhythmus dahinlaufen. Und aus ebendiesem Grund habe ich Weisheit und Religion verbinden wollen, damit nicht denen, die sich darum bemühen, jene eitle Gelehrsamkeit irgendwie hinderlich sein kann, so dass nun das Wissen um Bildungsgut der Religion und der Gerechtigkeit nicht nur nichts schadet, sondern sogar möglichst viel nützt, wenn der, der dies gelernt hat, in den Tugenden besser gerüstet, in der Wahrheit weiser ist.“127

123 Lact. inst. V 1,19 (401,18–21 Br.): „eloquentia enim saeculo seruit, populo se iactare et in rebus malis placere gestit, siquidem ueritatem saepius expugnare conatur, ut uim suam monstret: opes expetit, honores concupiscit, summum denique gradum dignitatis exposcit.“ 124 Lact. opif. 20,3 (63,17–21 Br.): „incredibilis enim uis eloquentiae et argumentandi disserendique subtilitas quemuis facile deceperit. quos partim nostris armis, partim uero ex ipsorum inter se concertatione sumptis reuincemus, ut appareat eos induxisse potius errorem quam sustulisse.“ 125 Lact. inst. V 2,17 (406,17–21 Br.) zitiert eine Streitschrift gegen die Christen von 303: „Praecipue tamen Paulum Petrumque lacerauit ceterosque discipulos tamquam fallaciae seminatores, quos eosdem tamen rudes et indoctos fuisse testatus est: nam quosdam eorum piscatorio artificio fecisse quaestum.“ 126 H ECK 2005, 217. 127 Lact. inst. V 1,9-11 (400,4-13 Br.): „nutant enim plurimi ac maxime qui litterarum aliquid attingerunt. nam et in hoc philosophi et oratores et poetae perniciosi sunt, quod incautos animos facile inretire possunt suavitate sermonis et carminum dulci modulatione currentium. ob eamque causam uolui sapientiam

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Hier unterscheidet sich Laktanz’ Haltung grundsätzlich von einer pauschalen Verwerfung der Rhetorik, wie sie ein Generatione später Bischof Lucifer von Calaris († 370) gegenüber Kaiser Konstantius II. äußerte: „Wir aber, denen zum Sprechen unsere Naturbegabung genügt und die wir jeglicher Kenntnis der heidnischen Literatur abhold sind, sind zur Zerstörung jeder Irrlehre in der Lage, weil die Sache selbst und die Wahrheit [in uns] sprechen. Du und deine Helfer, ihr habt die ganze Kunst der heidnischen Literatur groß gemacht; wir dagegen kennen lediglich die Heilige Schrift. Unser Stil ist gewöhnlich, eurer dagegen poliert und geschmückt, der auch beredt genannt zu werden verdient; und dennoch vermag euer ausgesuchter Stil keinen von den Christen kunstgerecht mit Süßem zu überzeugen, wenn er diesen Namen verdient und nicht nur so genannt wird; woran du, der du ein Wolf bist, unterscheiden kannst, ob einer ein Schaf oder ein Uneingeweihter ist.“128

Die Einfachheit und Eindeutigkeit der Bibel wird gegen den Bildungsdünkel in Stellung gebracht; freilich geht es Lucifer nicht um Christen und „Heiden“, sondern um rechte, d.h. nizänische und die Nizäner bekämpfende Christen.129 Eine andere Akzentuierung stellt die Unterscheidung von „Wort“ und „Sache“ anstelle von Wahrheit und Irrtum dar. In Augustins antimanichäischer Schrift Contra Adimantum (ca. 393) wird Cicero als Autor herangezogen, „bei dem es nicht um die Sache, sondern um die Worte geht. Denn während unsere Autoren, nämlich die der göttlichen Schriften, zuallermeist die Sachfragen erwogen haben, richtet sich bei den weltlichen Autoren beinahe alle Sorge auf die Worte.“130

Die Behauptung, man sehe bewusst von der rhetorischen Stilisierung zu Gunsten der „Sache“ und zu Lasten der bloßen „Worte“ ab, darf als locus classicus der spätantiken christlichen Rhetorikkritik gelten, wobei das Urteil über die Schlichtheit der eigenen Rede natürlich stets anzeigt, dass man zumindest die Kriterien für einen „klassischen“ Stil kennt und diesen auch einsetzen könnte, wenn man dies nur wollte. Die Antithese von res und verba cum religione coniungere, ne quid studiosis inanis illa doctrina possit officere, ut iam scientia litterarum non modo nihil noceat religioni atque iustitiae, sed etiam prosit quam plurimum, si is qui eas didicerit, sit in uirtutibus instructior, in ueritate sapientior“; Übers. HECK 2005, 223. 128 Lucif. moriend. 11 (CSEL 14, 306,19–28 Hartel): „nos uero, quibus ad loquendum natura sufficit, alieni ab omnia scientia ethnicalium litterarum, ad omnem destruendam haeresem ualemus, quia res ipsa et ueritas loquantur. tu ac tui adiutores litterarum ethnicalium plenam auxistis artem; nos sumus tantum sacras scientes litteras. noster sermo est communis, contra uester politus ornatus, qui etiam dici mereatur disertus; et tamen suadere dulcis per artem quaesitus sermo uester nulli potest Christianorum nisi ei qui non sit, sed tantum dicatur; ut tu, qui cum sis lupus, unus esse de ouibus ab insciis iudiceris.“ Zu Autor und Schrifttum vgl. Jean DOIGNON, in: HLL 5, 486–491; Michael DURST, in: LACL 3, 464f. (Datierung von Moriendum esse pro Dei filio auf 360/61); vgl. auch LAISTNER 1950, 49. 129 Lucifer ist einer der wenigen Autoren des 4. Jh.s, der dem Postulat einer einfachen Sprache auch Folge leistete, und ist daher eine „bedeutende Quelle für das spätantike Vulgärlatein“ und ein „wichtiger Zeuge für den altlateinischen Bibeltext“ (DURST, LACL 3, 464). 130 Aug. c. Adim. 11 (CSEL 25/1, 137,13–17 Zycha): „Cuius auctoris mentionem facere uolui, quoniam non de re quaestio, sed de uerbo est. Sicut enim nostri auctores, diuinarum scilicet litterarum, de rebus maxime cogitauerunt, sic mundanorum auctorum prope omnis cura de uerbis est.“

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findet sich auch bei Autoren, die keine Vorreiter der christlichen Klassikerrezeption sind, wie Vigilius von Thapsus (um 500): Der Autor bittet den Leser seines Werkes gegen den Häretiker Eutyches, sich nicht „an der Rohheit unserer Rede“ (vilitas nostri sermonis) zu stoßen, „denn vielleicht konnte ja eine ganz kunstvolle Redeweise absichtlich geglättet werden: Wir haben nämlich unseren Stil so gemäßigt, dass wir den Lesern mehr die Sache als die Worte nahebringen.“131 Ein einfacher Stil ist kein Zeichen mangelnder Vertrautheit mit rhetorischen Formen, sondern bewusst gewähltes Mittel zum Zweck; die Kunst besteht darin, sich von rhetorischen Vorbildern freizumachen, wenn damit der Wahrheit besser gedient ist. Dieses Argument findet sich auch im Kommentar des Ambrosiaster zu 2 Kor 11,6, wo Paulus gegenüber den korinthischen „Überaposteln“ betont, er sei „inperitus sermone, sed non scientia“: „Dies richtet sich nicht gegen die [anderen] Apostel, denn diese waren nicht redekundig, ja sogar ohne jede Bildung, dennoch aber erfüllt vom Heiligen Geist, sondern betrifft jene, die die Korinther aufgrund der formvollendeten Rede bevorzugten; denn in religiösen Dingen bedarf es der Kraft der Rede, nicht des süßen Klanges…“.132

Freilich hatte der Statthalter Festus nach Apg 26,24 dem Apostel „multae litterae“ attestiert, die ihn in den Wahnsinn getrieben hätten („te faciunt extorrem“) – der Begriff litterae konnte zweifellos als Anspielung auf schulische Bildung gelesen werden. Der Ambrosiaster greift diesen Faden auf, um zu unterstreichen, dass Paulus seinen korinthischen Gegnern ebenbürtig gewesen sei, aber ein ganz bestimmtes kommunikatives Ziel verfolgt habe: „Indem er so sprach, wollte Paulus nicht etwa zu erkennen geben, dass er zum Sprechen überhaupt nicht in der Lage sei, sondern [er tat es] wegen denjenigen, die nicht durch den Glauben, sondern durch die Redekunst verlockt werden wollten… Deshalb handelte der Apostel unter Vernachlässigung der Redekunst in dieser Weise, damit der Glaube durch die virtus als Zeugin annehmbar erschiene, so dass nicht die Redekunst den Glauben empfehlen möge, sondern die virtus, der die Redekunst weicht.“133

131 Vigil. Thaps. c. Eut. I 15 (PL 62, 104B): „Quaeso interea lectorem, vilitatem nostri sermonis non usquequaque despiciat: quia et fortassis potuit eloquentius oratio comi. Sed nos ita stylum temperavimus, ut rem potius quam verba legentibus commendaremus.“ Zu comi i.S. von „geglättet werden“ vgl. ThesLL III, 1993 s.v., bes. Quint. VIII 3,42 (II 166 R.): „probabile autem Cicero [sc. part. 6,19] id genus dicit, quod non nimis est comptum: non quia comi expolirique non debeat (nam et haec ornatus pars est), sed quia vitium est ubique quod nimium est.“ Das gelte besonders für eine Übersetzung ins Griechische, die umso schwieriger sei, je kunstvoller das lateinische Original komponiert sei (ebd.): „Et maxime hoc opus cothurno tumentis eloquii inflari non debuit, ne transferendi in Graecum necessitas aliqua adsit. Quia difficilius integritas sensuum in aliam linguam pari potest sermonis venustate servari.“ Zu Vigilius vgl. Georg RÖWEKAMP, in: LACL 3, 720. 132 Ambros. in 2 Cor 11,6 (CSEL 81/2, 283,5–9 Vogels): „hoc non ad apostolos pertinet, quia non erant eloquentes, utpote sine litteris, pleni tamen sancto spiritu, sed hos tangit, quos praeferebant Corinthii causa accurati sermonis, cum in religione vis sermonis necessaria sit, non sonus dulcis…“. 133 Ambros. in 2 Cor 11,6 (283,12–14.19–22 V.): „hoc ergo dicens non se loqui nescire voluit intellegi, sed propter eos qui non per fidem, sed per eloquentiam commendari volebant…quamobrem apostolus spreta eloquentia id agebat, ut fides teste virtute acceptabilis esset, ut non fidem eloquentia

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Mit virtus als Gegensatz zu eloquentia ist hier das demütige Vorbild des Apostels beschrieben, das sich in einer evangeliumsgemäßen Sprachwahl zeigt. Der Wahrheit des Evangeliums steht also die dem Paulus vertraute, aber nicht der Verkündigung dienliche rhetorische Bildung gegenüber, ein Gegensatz, der sich in verschärfter Form bei Hieronymus findet: „Ich antworte dir ganz schlicht in bäurischer und kirchlicher Einfachheit; denn so haben die Apostel geantwortet, so haben sie gesprochen, nicht mit rhetorischen und teuflischen Worten.“134

Die Verweigerung rhetorischen Schmucks ist keineswegs nur eine Frage der Zweckdienlichkeit, vielmehr verbindet Hieronymus das anziehende Äußere einer wohlgestalteten Rede mit ihrem todbringenden Inhalt: „Ein goldener Kelch, das sind die Lehren der Philosophen und die Redekunst der Rhetoren. Denn wer wäre nicht von den Philosophen fasziniert? Wer würde nicht von den Rednern dieser Welt verführt? Sie haben den goldenen Kelch aber nur als äußeren Glanz der Redekunst; innen dagegen ist Gift enthalten, das nicht verborgen bleiben könnte, wenn es nicht vom Schein des Goldes verhüllt würde.“135

Bildung wird hier in einen Zusammenhang mit philosophischen, d.h. „heidnischen“ Lehren gebracht, die unter der ansprechenden „Verpackung“ lauern. Der dafür benutzte Vergleich des Lucrez, der sich schon oben bei Augustin und Laktanz fand (s.o. S. 419. 424), ist ein locus classicus antiker Philosophenschelte und bezeugt daher gerade die Verbundenheit mit der Kultur, die auf der semantischen Oberfläche kritisiert wird. Wenn die Einfachheit biblischer und kirchlicher Sprache dem eloquent vermittelten weltlichen Wissen gegenübergestellt wird, hat dies durchaus Anhalt an der Schulwirklichkeit: Lehrstoff waren ja auch poetische, mythologische und philosophische Inhalte, obwohl die entsprechenden Schriften primär als literarische Formbeispiele herangezogen wurden. Der durchschnittliche grammaticus oder rhetor dürfte daher zutiefst erstaunt gewesen sein, welch religiöser Ernst seinem Unterricht hier – und ebenso in Julians Rhetorenedikt – zugeschrieben wurde.

spreta eloquentia id agebat, ut fides teste virtute acceptabilis esset, ut non fidem eloquentia commendaret, sed virtus, cui cedit eloquentia.“ 134 Hier. tract. in psalm. I 78 (CChr.SL 78, 74,29–31 Morin): „ego uero simpliciter rusticana simplicitate et ecclesiastica ita tibi respondeo: ita enim apostoli responderunt, sic sunt locuti, non uerbis rhetoricis et diabolicis“; vgl. auch oben S. 327 Anm. 77. 135 Hier. tract. in Psalm. II 82 (387,67–72 M.): „Calix uero aureus, dogmata philosophorum et eloquentia rhetorum. Quis enim non indictus a philosophis? Quis enim ab oratoribus mundi istius non seductus? Calicem aurem habent extrinsecus splendorem eloquentiae: et intrinsecus uenena sunt condita, quae latere non poterant, nisi auri specie celarentur.“

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5.2.2. Innerchristliche Kontroversen um die Rhetorik Hieronymus ist das eindrücklichste Beispiel einer unauflöslichen Ambivalenz in der christlichen Bewertung der Rhetorik, der man sich selbst mit ostentativ schlechtem Gewissen bedient, während man ihre sachgerechte Beherrschung anderen gebildeten Christen abspricht. Bei Hieronymus richtet sich diese Kritik sogar gegen den Kritiker selbst: Brieflich berichtet er von einem Traumerlebnis, in dem ihn Christus gefragt habe, ob er denn Christ wäre; auf seine affirmative Antwort hin habe ihn jener beschuldigt: „Du lügst! Du bist Ciceronianer, kein Christ; denn wo dein Schatz ist, da ist dein Herz!“136 Zutiefst erschüttert habe er geschworen: „Herr, wenn ich je wieder weltliche Schriften besitzen und sie lesen sollte, dann hätte ich dich verleugnet!“137 Es ist letztlich eine müßige Frage, wie lange (oder ob überhaupt) sich der Autor an sein eigenes Gelübde gehalten habe.138 Signifikant ist vielmehr, dass sein Traumerlebnis die zuvor erhobene Forderung plausibel machen soll, die Adressatin Eustochium möge sich „heidnischer“ Lektüre enthalten: „Was hat Horaz mit dem Psalter zu schaffen, Vergil mit den Evangelien, Cicero mit dem Apostel? Ist es nicht ein Ärgernis für deinen Bruder, wenn er dich in die Götzenverehrung zurückfallen sieht?“ (vgl. 1 Kor 8,9).139

Ebenso wie Tertullian, an den sich Hieronymus hier in Duktus und Wortwahl anlehnt, mit seiner grundsätzlichen Antithese von Athen und Jerusalem eine aktuelle polemische Absicht, nämlich die Kritik an bildungsbegierigen Gegnern, verfolgte (s.o. S. 73f.), so geht es auch Hieronymus um einen konkreten Anlass: Ein biblischer Lektürekanon für junge Asketinnen sollte etabliert werden, wobei die Absage an die Schulbildung eine gesonderte Rechtfertigung erforderte. Man muss weder den religiösen Ernst des Gelübdes noch dessen Historizität bestreiten, um zu erkennen, das die literarische Schilderung der asketischen Paränese dient, also ein geistliches Leitbild propagieren, nicht etwas über den Verfasser mitteilen will. Hieronymus’ späterer Disput mit Rufin entwickelte sich aus der – für ihn selbst ganz überraschenden – 136 Hier. ep. 22,30,4 (190,5–13 H.): „Interrogatus condicionem Christianum me esse respondi. Et ille, qui residebat: ‚mentiris‘, ait, ‚Ciceronianus es, non Christianus; ubi thesaurus tuus, ibi et cor tuum‘.“ 137 Ep. 22,30,5 (191,6f. H.): „Domine, si umquam habuero codices saeculares, si legero, te negaui.“ 138 Hieronymus’ Beteuerung, er habe seit fünfzehn Jahren weder Cicero noch Vergil oder andere pagane Autoren gelesen und habe an diese nur vage Erinnerungen (in Gal. III praef.; PL 26, 399CD: „nostis enim ipsae, quod plus quam quindecim anni sunt, ex quo in manus meas numquam Tullius, numquam Maro, numquam gentilium litterarum quilibet autor ascendit, et si quid forte inde cum loquimur obrepit, quasi antiqui per nebulam somnii recordamur“) entlarvt sich selbst als topisch. Anders akzentuiert ep. 70,3,2 an Magnus (CSEL 54, 703,15–18 H.): „Lege eos [sc. Origenes, Euseb von Caesarea, Methodius und Apollinaris von Laodicea] et inuenies nos conparatione eorum inperitissimos et post tanti temporis otium uix quasi per somnium quod pueri didicimus recordari.“ 139 Hier. ep. 22,29,7 (CSEL 54, 189,2–4 H.): „quid facit cum psalterio Horatius? cum euangeliis Maro? cum apostolo Cicero? nonne scandalizatur frater, si te uiderit in idolio recumbentem?“

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Erkenntnis, dass dieser den zitierten Brief mitsamt dem Gelöbnis der Klassikerabstinenz sehr viel ernster nahm, als der Autor dies intendiert hatte: „Wenn man nun sichtet, was er schreibt, findet sich da auch nur eine Seite, auf der er nicht sagt: ‚Aber unser Cicero, aber unser Horaz und Vergil…‘? Vielmehr bringt er in beinahe allen seinen Werken viel mehr und längere Zeugnisse von den Seinen als von den Propheten und Aposteln. Wenn er an Mädchen und Frauenzimmer schreibt, die, wenn überhaupt, nur aus unseren Schriften auferbaut werden wollen und dürfen, flicht er für sie Beispiele seines Horaz und Cicero oder Vergil ein.“140

Der so Inkriminierte legte demonstratives Erstaunen an den Tag: Bereits die Propheten hätten davor gewarnt, Träume allzu ernst zu nehmen.141 Hieronymus’ Verteidigung richtet sich jedoch grundsätzlich auf Rufins Bildungsverständnis: Dieser maße sich ein Urteil über die literarische und rhetorische Kompetenz seines Kontrahenten an, ohne durch seine Schulbildung dafür qualifiziert zu sein – wohingegen er selbst diese Bildung einst so nachhaltig genossen habe, dass sie ihm noch heute zur Verfügung stehe: „Wenn du eine literarische Ausbildung erhalten hättest, würde das ‚Gefäß‘ deines dürftigen Talents ‚danach duften, womit es einmal eingerieben worden ist‘. Denn ‚die Purpurwolle wäscht kein Wasser aus.‘ Auch die Esel und die unbehauenen tierischen Wesen haben schließlich die Redewendungen erlernt. Du wunderst dich, dass ich das Lateinische nicht vergessen habe, wo du doch das Griechische ohne Lehrer erworben hast? Sieben Arten der Schlüsse haben mich die Anfangsgründe der Dialektik gelehrt; was ein Axiom ist, den wir ‚Grundsatz‘ nennen können; weshalb es ohne Prädikat und Subjekt keinen Satz gibt; die Glieder des Sorites, die Feinheiten der falschen Schlüsse, die Trugbilder der Sophismen. Ich wäre fähig zu schwören, daß ich, seit ich aus der Schule heraus bin, dergleichen nie mehr gelesen habe. Soll ich also aus dem Fluß Lethe trinken, nach den Geschichten der Dichter, damit man mir nicht vorwirft, zu wissen, was ich gelernt habe?“142 140 Rufin. apol. adv. Hier. II 7 (CChr.SL 20, 88,5–8; 89,15–20 Simonetti): „Relegantur nunc, quaeso, quae scribit: si una eius opera pagina est, ubi non dicat: ‚sed Tullius noster, sed Flaccus noster, et Maro…‘. Sed in omnibus fere opusculis suis multo plura et prolixiora testimonia de his suis quam de prophetis nostris vel apostolis ponit. Puellis quoque uel mulierculis scribens, quae non utique nisi de nostris Scripturis aedificari et cupiunt et debent, exempla eis Flacci sui et Tullii uel Maronis intexit.“ Zum Streit der einstigen Freunde und Studienkollegen vgl. ELLSPERMANN 1949, 162–167. 141 Hier. adv. Rufin. I 31 (31,5–8 L.): „Sed tamen qui somnium criminatur audiat prophetarum uoces, somniis non esse credendum, quia nec adulterium somnii me ducit ad Tartarum, nec corona martyrii in caelum leuat“; vgl. Jer 23,25–28; 29,8 (gegen „Lügenpropheten“, die sich auf ihre Träume verlassen). Vgl. die Ironie in adv. Rufin. III 32 (102,5–7 L.): „Magni criminis reus sum, si puellae et uirgini Christi dixi saeculares codices non legendos, et me in somnis commonitum promisisse ne legerem.“ 142 Hier. adv. Rufin. I 30 (30,41–53 L.): „Si didicisses litteras, oleret testa ingenioli tui quo semel fuisset imbuta [vgl. Hor. ep. I 2,69f.]. Lanarum conchylia nullae aquae diluunt [vgl. Lucr. VI, 1074– 1077]. Etiam asini et bruta animalia, quamuis in longo itinere, nouerunt secundo diuerticula. Miraris si ego latinas litteras non sim oblitus, cum tu graecas sine magistro didiceris? Septem modos conclusionum dialectica me elementa docuerunt; quid significet ἀξίωµα, quod nos ‚pronuntiatum‘ possumus dicere; quomodo absque uerbo et nomine nulla sententia sit; soritarum gradus, pseudomeni argutias, sophismatum fraudes. Iurare possum me, postquam egressus de schola sum, haec numquam omnino legisse. Bibendum igitur mihi erit de lethaeo gurgite, iuxta fabulas poetarum, ne arguar scire quod didici“; Übers. z.T. nach

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Der Verteidiger in eigener Sache karikiert also den Kritiker, der ihm vorwerfe, dass er seine Kenntnisse in Grammatik, Rhetorik und Dialektik nicht vergessen habe – die dieser selbst gar nicht erst erworben habe. Dazu gehört die geradezu parodistische Schilderung eines weiteren Traumes, in dem der junge Hieronymus seinem Lehrer zu Übungszwecken eine controuersiola vortragen sollte und, schweißgebadet erwacht, sich selbst dazu gratulierte, diesen Unterricht hinter sich zu haben143 – eine Erfahrung, die Rufin wohl nicht gemacht habe, weshalb er sich zu seiner (Halb-) Bildung nicht zu bekennen wage: „Woher hast du einen solchen Wortschatz, einen lichtvollen Satzbau, eine Vielfalt von Übersetzungen – du, ein Mensch, der von der Rhetorenschule in seiner Jugend kaum mit spitzen Lippen gekostet hat? Täusche ich mich, oder liest du heimlich Cicero und bist darum so beredt? Mir hältst du das Vergehen solcher Lektüre vor, damit du allein dich unter allen Kirchenschriftstellern mit dem Strom der Beredsamkeit rühmen kannst!“144

Selbst wenn Hieronymus tatsächlich die Klassiker wieder gelesen haben sollte – was er bestreitet –, wäre es in jedem Fall schlimmer, sie selbst heimlich zu studieren, um dann anderen ihre Verwendung vorzuhalten. Im Hintergrund wird damit eine handfeste Konkurrenz unter einstigen Freunden und jetzigen literarischen Rivalen erkennbar, die sich um den Einfluss auf die asketisch inspirierten und exegetisch interessierten Angehörigen der römischen Oberschicht richtet und die auf dem Feld der klassischen Bildung ausgetragen wird. Hieronymus’ Ankündigung: „Ich will meinen Rivalen als alter Mann das lehren, was ich als Knabe gelernt habe: Es gibt eine Vielzahl literarischer Gattungen; je nach Art des Gegenstandes ändern sich nicht bloß die inhaltlichen Aussagen, sondern auch die gliedernden Formulierungen“145 weist auf die Pointe seiner rhetorischen Strategie hin, die Nützlichkeit der einst erworbenen Schulbildung zu behaupten und doch ihr gegenüber zugleich eine spezifisch christliche Freiheit zu demonstrieren. Die Apologie entfaltet sich entsprechend in zwei Richtungen: Einerseits habe Rufin nicht die nötige Kenntnis, über Hieronymus’ Werke zu urteilen, andererseits versuche er, seine eigenen Schriften als gebildet darzustellen, was TORNAU 2006, 91; zum Motiv des bleibenden Geruchs und der Purpurwolle s.o. S. 260f. mit Anm. 462; vgl. die Mahnung an Laeta, Paula mit geistlicher Lektüre beginnen zu lassen, da sich sonst die Klassiker unauslöschlich in ihr festsetzen würden (s.o. S. 396). 143 Hier. adv. Rufin. I 30 (30,36–40 L.): „Nunc cano et recaluo capite saepe mihi uideor in somnis, comatulus et sumpta toga, ante rhetorem controuersiolam declamare; cumque experrectus fuero, gratulor me dicendi periculo liberatum.“ 144 Hier. adv. Rufin. I 30 (30,57–31,63 L.): „Vnde tibi tanta uerborum copia, sententiarum lumen, translationum uarietas, homini qui oratoriam uix primis labris in adulescentia degustasti? Aut ego fallor aut tu Ciceronem occulte lectitas et ideo tam disertus es; mihique lectionis eius crimen intendis, ut solus inter ecclesiasticos tractatores eloquentiae flumine glorieris.“ 145 Hier. adv. Rufin. I 15 (14,20–23 L.): „ἀντίζηλον meum docebo senex quod puer didici, multa esse genera dictionum et, pro qualitate materiae, non solum sententias, sed et structurarum uerba uariari“; Übers. TORNAU 2006, 83.

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seine Kritik konterkariere. Im Prolog seiner Übersetzung von Origenes’ De principiis (a. 398) hatte Rufin Hieronymus hohes Lob gespendet, allerdings vermischt mit Kritik an dessen Wechsel ins antiorigenistische Lager: „Diese Bitte [sc. Origenes zu einem römischen (Autor) zu machen und ihn dem lateinischen Publikum zu schenken] wurde auch an unseren Bruder und Amtsgenossen gerichtet, und zwar vom Bischof Damasus. Er übersetzte daraufhin zwei Homilien über das Hohelied aus dem Griechischen ins Lateinische und schrieb dazu ein so glänzendes Vorwort, daß er bei jedermann das Verlangen weckte, Origenes zu lesen und gründlich zu studieren… Aber wie ich sehe, findet er mehr Gefallen an eigenen literarischen Erzeugnissen und betreibt eine Tätigkeit, die höheren Ruhm einbringt: ‚Vater der Rede‘ zu sein und nicht bloß Übersetzer. Wir übernehmen also eine Aufgabe, die er begonnen und gutgeheißen hat, können freilich die Worte jenes großen Mannes nicht mit der gleichen Kraft der Beredsamkeit wiedergeben.“146

Die Berufung auf Hieronymus’ Autorität (und durch ihn vermittelt auf die des Damasus) rechtfertigt das eigene Vorhaben; die Kritik an der inkonsequenten Erfüllung der zitierten Bitte wird dabei noch unterstrichen durch eine captatio benevolentia hinsichtlich der größeren Eloquenz des Vorgängers. Der Kritisierte lässt dies im ersten Buch gegen Rufin (verfasst 401) durch einen „Sprung auf die Metaebene“ als simple rhetorische Spielerei erscheinen: „Ihr seht, daß wir seine Absicht durchschauen und daß wir in der Schule die Tricks des höhnischen Lobpreises oft durchgespielt haben.“147

Eine ähnliche Strategie verfolgt Hieronymus in seiner Auseinandersetzung über Origenes mit Johannes von Jerusalem, der sich auf die unrhetorische Schlichtheit des eigenen Stils berufen hatte: „Was er ‚Schlichtheit‘ nennt, das verstehe ich als Hinterlist. Er will mich davon überzeugen, daß sein Glaube rein ist; nun, so sei auch seine Rede rein… Was für eine Schlichtheit ist das aber – als ob man wie ein Akrobat im Theater auf Zehenspitzen über Eier und Ähren gehen würde? Überall ist er zweifelhaft, überall verdächtig. Man könnte mei146

Rufin. Orig. princ. praef. 1 (GCS Origenes V, 3,4–9; 4,3–7 Koetschau): „In quod [sc. ut Origenem Romanum facerent et latinis auribus eum donarent] etiam frater et collega noster ab episcopo Damaso deprecatus, cum homilias duas de Cantico canticorum in latinum transtulisse ex graeco, ita in illo opere ornate magnificeque praefatus est, ut cuivis legendi Origenem et avidissime perquirendi desiderium commoveret… Sed ille, ut video, in stilo proprio placens rem maioris gloriae sequitur, ut ‚pater verbi‘ [vgl. Plat. Symp. 177d4] sit potius quam interpres. Nos ergo rem ab illo quidem coeptam sequimur et probatam, sed non aequis eloquentiae viribus tanti viri ornare possumus dicta“; Üb. GÖRGEMANNS/KARPP, 73–75. Die zitierte Intention, „Origenes zu einem Römer zu machen“, findet sich fast wörtlich in Hier. hom. Orig. in Ezech. praef. (GCS Origenes VIII, 318,1–3 Baehrens): „Magnum est quidem, amice, quod postulas, ut Origenem faciam latinum et hominem iuxta Didymi videntis sententiam alterum post apostolum ecclesiarum magistrum etiam Romanis auribus donem“; darauf beruft sich Rufin sachlich in Orig. princ. praef. (4,7–9 K.) und zitiert Hieronymus wörtlich in apol. adv. Hier. II 16 (96,17–21 S.). Die Praefatio zu den Ezechienhomilien, auf die Rufin hier wohl anspielt, hatte tatsächlich weitere Übersetzungen in Aussicht gestellt (318,21–24 B.). 147 Hier. adv. Rufin. I 1 (2,31–33 L.): „Videtis nos intellegere prudentiam eius et praedicationis diasyrticae strophis in scholis saepe lusisse“; Übers. TORNAU 2006, 86; dort auch das Zitat im Text.

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nen, er schreibe keine Darlegung seines Glaubens, sondern eine controuersia voll Verstellungsfiguren. Woran er sich heute versucht, das haben wir schon vor langer Zeit in der Schule gelernt; er kämpft gegen uns mit unseren eigenen Waffen.“148

Der Gegner, der einen theologischen Diskurs zu führen beansprucht hatte, findet sich in der Rolle des gewieften Gerichtsredners wieder, der seine wahre Taktik so geschickt verschleiert, dass er nur von einem noch versierteren Rhetor überführt werden kann. Die controuersia gilt hier als eigene Waffe aus dem Arsenal der paganen Bildung, dessen sich der Christ und Theologe Hieronymus besten Gewissens bedient. Johannes müsste also schon mehr bieten als eine Schulübung! Für die Diskussion mit Rufin bedeutet dies: Die Ablehnung des gespendeten Lobes macht auch die sachliche Kritik gegenstandslos. Hieronymus weicht einer Antwort auf die Frage, warum er Origenes’ dogmatische Schriften früher nicht für häretisch gehalten habe, aus, indem er die Anwendung eines rhetorischen Kniffes entlarvt und dem Gegner die Wahrhaftigkeit einer so verbrämten Position bestreitet.149 In Buch III wird Rufin einer praeteritio zu Lasten der sauberen Beweisführung geziehen: „Und unterdessen spielst du, allerberedester Mann, mit rhetorischer Kunst und gibst vor, zu übergehen, was du sagst, so dass du die Vorwürfe, die du nicht beweisen kannst, gleichermaßen stillschweigend als Verbrechen darstellst.“150

Sich so seines Schulwissens zu bedienen zeigt für Hieronymus nur, dass der Gescholtene Kenntnisse vorspiegelt, die ihm fehlen. Auf Rufins Beteuerung, er habe Hieronymus’ Redekunst gelobt und würde dies auch jetzt noch tun, „wenn du nicht – gegen den Ausspruch deines Tullius – sie durch viel Selbstherrlichkeit zum Müßiggang verurteilt hättest“151, entgegnet der Kritisierte: „Ich war nicht so töricht, deine Unwissenheit zu tadeln, die niemand wirkungsvoller anklagen kann als du selbst, wenn du schreibst. Aber deinen Mitschülern, die ebenso wie du keine literarischen Studien betrieben haben, wollte ich zeigen, was für Fortschritte du in dreißig Jahren im Orient gemacht hast, du ungelehrter Schreiberling, der du meinst, Frechheit, Wortgewalt und Verleumden sei bei allen ein Zeichen guten Gewissens!“152 148 Hier. c. Ioh. 2 (CChr.SL 79A, 6,17–7,28 Lardet): „quam ille simplicitatem uocat, ego malitiam interpretor. persuadere mihi uult, quod pure credat, pure ergo et loquatur... nunc uero quae ista simplicitas est, quasi super oua et aristas inter theatrales praestigias pendenti gradu incedere? ubique dubius, ubique suspectus. putes eum non expositionem fidei, sed figuratam controuersiam scribere. quod iste nunc appetit, olim in scholis didicimus. nostra aduersum nos dimicat armatura“; Übers. TORNAU 2006, 87. 149 Eine Antwort darauf gibt gewissermaßen Hier. quaest. hebr. prol. (CChr.SL 72, 2,14f. de Lagarde): „uellem cum inuidia nominis eius habere etiam scientia scripturarum.“ 150 Hier. adv. Rufin. III 21 (93,25–28 L.): „et interim, homo eloquentissimus, arte ludis rhetorica et simulas te praeterire quae dicis, ut, qui obiecta probare non poteras, quasi praetermissa facias criminosa.“ 151 Der Brief Rufins ist nicht erhalten, wird aber zitiert bei Hier. adv. Rufin. III 6 (78,2–5 L.): „Eloquentiam, ut dicis, tuam et in praefatione mea laudasse me fateor, et etiam nunc laudarem, nisi tu eam, contra Tullii tui sententiam, multa iactantia facere odiosam“ (vgl. Cic. div. in Caec. 11,36). 152 Hier. adv. Rufin. III 6 (78,9–79,15 L.): „Imperitiam tuam non tam stultus eram, ut reprehenderem, quam nemo potest fortius accusare quam tu ipse dum scribis. Sed uolui ostendere condiscipulis tuis,

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Diese Kritik prägt den Streit um Origenes’ exegetische Schriften: Während Rufin Hieronymus auf die von ihm zitierten Passagen zu behaften suchte, die mittlerweile als „origenistisch“ und d.h.: heterodox galten, belehrte ihn dieser über die literarische Eigenart des Kommentars, zu deren Einordnung man freilich gewisser grammatischer Kenntnisse bedürfe: In der Schule hätte Rufin lernen können, „dass es etwas anderes ist, Geschichte zu schreiben oder Reden, Dialoge oder Briefe oder eben Kommentare.“153 In diesen stünden die Meinungen früherer Kommentatoren (Origenes, Didymus, Apollinaris) nebeneinander, ohne dass der gegenwärtige Autor für jede von ihnen die Verantwortung trage, was auch für die pagane Literatur gelte, in deren große Kommentartradition sich Hieronymus ohne allzuviel Bescheidenheit einreiht: „Ich nehme an, du hast als Knabe Kommentare gelesen: von Asper zu Vergil und Sallust, von Vulcatius zu Ciceros Reden, von Victorinus zu seinen Dialogen, von meinem Lehrer Donat zu den Komödien des Terenz und gleichermaßen zu Vergil und von anderen zu anderen Autoren, etwa Plautus, Lukrez, Horaz, Persius, Lucan. Greife doch die Interpreten dieser Autoren an, weil sie sich nicht nur an eine einzige Erklärung gehalten haben, sondern zu derselben Frage sowohl ihre eigene Meinung als auch die Meinung anderer aufzählen!“154

Angesichts der vorausgehenden Unterstellung, dass Rufin im Grunde gar keine wirkliche Bildung erworben habe – so wird Donatus, bei dem beide studiert hatten, als „mein Lehrer“ vereinnahmt! –, handelt es sich eher um die Demonstration eigener Kenntnisse, die bei näherem Hinsehen nicht mehr und nicht weniger als das übliche Schulpensum darstellen: Vergil und Sallust, Cicero und Terenz bilden zusammen die „Quadriga Messii“ (s.o. S. 40), die im Unterricht anhand der zeitgenössischen Kommentarliteratur traktiert wurde. Plautus, Lukrez, Horaz, Persius und Lucan werden dagegen nicht durch qui tecum non didicerunt litteras, quid per triginta annos in oriente profeceris, qui, συγγραφεὺς ἀγράµµατος, procacitatem disertitudinem, et maledicere omnibus bonae conscientiae signum arbitraris.“ 153 Hier. adv. Rufin. I 16 (14,10f. L.): „Tunc intelleges aliter conponi historiam, aliter orationes, aliter dialogos, aliter epistulas, aliter commentarios.“ 154 Hier. adv. Rufin. I 16 (26–33 L.): „Puto quod puer legeris Aspri in Vergilium ac Sallustium commentarios, Vulcatii in orationes Ciceronis, Victorini in dialogos eius, et in Terentii comoedias praeceptoris mei Donati, aeque in Vergilium, et aliorum in alios, Plautum uidelicet, Lucretium, Flaccum, Persium atque Lucanum. Argue interpretes eorum quare non unam explanationem secuti sint, et in eadem re quid uel sibi uel aliis uideatur enumerent“; Übers. TORNAU 2006, 83; vgl. adv. Rufin. III 11 (83,6–14 L.): „Nos in commentariis et illis et aliis, et nostram et aliorum sententias explicauimus, aperte confitentes, quae sint haeretica, quae catholica. His est enim commentariorum mos et explanantium regula, ut opiniones in expositiones uarias persequantur et quid uel sibi uel aliis uideatur edisserant. Et hoc non solum sanctarum interpretes Scripturarum, sed saecularium quoque litterarium explanatores faciunt, tam latinae linguae quam graecae.“ Vgl. SCHÄUBLIN 1992, 151–153 zu Hieronymus’ Anspruch, sich an die leges commentariorum gehalten zu haben: Auch Donat wollte in einem Sammelwerk aus älteren Meinungen und eigenen Anmerkungen die vereinten Autoritäten der Tradition zur Sprache bringen (ep. ad Munatium, in: Vitae Vergilianae antiquae, 5,6f. Hardie): „agnosce igitur saepe in hoc munere collaticio sinceram vocem priscae auctoritatis.“

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Kommentatoren spezifiziert, so dass dieser Teil der Liste wohl dem gezielten „name-dropping“ dienen dürfte, das vielleicht nicht Rufin selbst, aber die römischen Literaten beeindrucken würde. Hieronymus beruft sich jedenfalls ganz unbefangen auf die Bildungserfolge seiner Jugend, und dies nicht nur in polemischem Kontext: In der Vorrede seiner Übersetzung des Hiobbuches gibt er als Ziel an, diejenigen Stellen deutlicher hervortreten zu lassen, die in früheren Versionen „unklar sind, fehlen oder jedenfalls aufgrund von Abschreibfehlern verderbt sind“. Solches sei bei ihm nicht zu erwarten: „Immerhin habe ich die hebräische Sprache bis zu einem gewissen Grad erlernt, und was das Lateinische angeht, so habe ich mein Leben nahezu von der Wiege an unter Grammatikern, Rhetoren und Philosophen zugebracht.“155 Daher kann er Rufin der Unkenntnis elementarer Stilvorschriften zeihen: „Ich wundere mich nur, daß du, der Aristarch unserer Zeit, diese elementaren Dinge nicht wußtest – obwohl du, beschäftigt mit inhaltlichen Fragen und dich überschlagend vor Eifer, gegen mich Verleumdungen anzuhäufen, die Regeln der Grammatik und Rhetorik gering geachtet hast: Dir war es unwichtig, Hyperbata nach längeren Einschüben aufzulösen, Kakophonien zu meiden, Hiaten auszuweichen. Es wäre absurd, bei einem Körper, der als ganzer krank und zerschlagen ist, auf einzelne Wunden zu zeigen. Ich verzichte darauf, etwas zum Tadeln auszuwählen; soll er selber wählen, welchen Fehler er nicht hat.“156

Rufins Unbildung beginnt also bereits bei den puerilia, die man im Grammatikunterricht gelernt haben sollte; umso weniger erscheint er als ebenbürtiger Gegner für einen Schriftsteller wie Hieronymus. Der Vergleich mit Aristarchos, im 3. Jahrhundert v.Chr. Leiter der Bibliothek von Alexandrien, karikiert Rufins Bildungsanmaßung: Jenem wies man den Grundsatz zu, „Homer aus Homer zu erklären“, d.h. ihm wurde eine fundamentale grammatische Grundregel zugeschrieben157, so dass es umso lächerlicher erscheint, dass Rufin nicht einmal die einfachsten grammatischen Stilprinzipien beherrscht – ganz im Unterschied zum Ankläger natürlich. In Analogie dazu karikiert Hieronymus seinen Gegner als „Halbgebildeten und Rabbi“, wobei er jüdische Bildung offenbar als nicht besonders qualitätvoll einschätzte.158 155 Hier. Vulg. praef. in Iob (732,38–41 Weber): „ut ea quae in illa [antiqua interpretatione] aut obscura sunt aut omissa aut certe scriptorum vitio depravata, manifestiora nostra interpretatione fierent, qui et hebraeum sermonem ex parte didicimus et in latino paene ab ipsis incunabulis inter grammaticos et rethores et philosophos detriti sumus“; Übers. FÜRST 2003, 271. 156 Hier. adv. Rufin. I 17 (15,4–12 L.): „Illud miror quod, Aristarchus nostri temporis, puerilia ista nescieris, quamquam tu, occupatus in sensibus, et ad struendam mihi calumniam cernulus, grammaticorum et oratorum praecepta contempseris, paruipendens ὑπέρβατα post anfractus reddere, asperitatem uitare consonantium, hiulcam fugere dictionem. Ridiculum est debilitati et fracti totius corporis uulnera pauca monstrare. Non eligo quod reprehendam, eligat ipse quo uitio careat“; Übers. TORNAU 2006, 84. 157 Vgl. Franco M ONTANARI , in: DNP 1 (1996), 1090–1994, wonach der Grundsatz: ῞Οµηρονἐξ῾Οµήρουσαφηνίζειν aber nicht direkt auf Aristarchos zurückzuführen ist (1092). 158 Hier. adv. Rufin. I 30 (30,55 L.): „litteratulus atque rabbi“; vgl. SEELIGER 2003, 300.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Die Schulbildung wird damit zum Mittel der literarischen Selbstidentifikation. Obwohl der Autor eine gewisse Distanz wahrt, insofern die Kompetenz des christlichen Schriftstellers sich nicht auf die Vertrautheit mit der „Quadriga Messii“ beschränkt, gilt diese aber auch nicht als verzichtbar, insofern erst die Schule zu dem Bildungsniveau verhilft, auf dem Hieronymus mit den Adressaten seiner Briefe und Bibelkommentare verkehren möchte. „Heidnische“ Bildung zu erwerben und zu besitzen ist für einen Christen kein Adiaphoron, wie Hieronymus gegen Johannes von Jerusalem herausstellt: „Liebende urteilen blind, steht in der weltlichen Literatur – aber die hast du womöglich vor lauter Beschäftigung mit den Heiligen Schriften ganz und gar vernachlässigt.“159

Sich auf eine rein christliche Bildung zu berufen ist nach Hieronymus also unstatthaft, falls man damit fehlende pagane Bildung überspielen will, die zwar kein Bildungsziel sui generis, aber die unerlässliche Voraussetzung für jede gehaltvolle theologische Auseinandersetzung ist. Dies wird an Hieronymus’ „Dialog gegen die Pelagianer“ deutlich: Der Pelagianer Critobulus beruft sich darin auf Dtn 18,13 und Mt 5,48 zur Unterstützung seiner These, wenn Gott Vollkommenheit befohlen habe, müsse diese für den Menschen auch erreichbar sein, ansonsten habe Gott ein unrechtes Gebot erlassen. Der orthodoxe Atticus hält Röm 3,23f. dagegen (alle Menschen haben gesündigt), und da dies auch bei den Aposteln der Fall sei, meine der Kontrahent also, der normale Christ sollte besser sein als die Apostel selbst. Gegen diese syllogistische Unterstellung, die sich für Atticus aus der pelagianischen Exegese zwingend ergibt160, legt Critobulus heftigen Widerspruch ein: „Diese Argumentation ist ganz gewunden, sie umschließt die kirchliche Einfachheit mit der Dornenhecke der Philosophen. Was haben Aristoteles und Paulus miteinander zu schaffen, was Platon und Petrus? Jener war Fürst der Philosophen, dieser der Apostel, über dem die Kirche des Herrn auf einem stabilen Fundament errichtet ist, welchem weder der Ansturm eines Flusses noch ein Unwetter irgendetwas anhaben kann.“161

159 Hier. c. Ioh. 3 (8,9–11 L.): „scribunt saeculi litterae amantium caeca esse iudicia. quae tu forsitan sacris uoluminibus occupatus omnino neglexeris“; Übers. TORNAU 2006, 92; das Zitat entstammt einer verlorenen Schrift Ciceros, vgl. dazu HAGENDAHL 1958, 167 und 219 zu Hier. in Os. III praef. (CChr.SL 76, 109,144f. Adriaen): Cicero habe „amantium caeca iudicia sunt“ selbst „mehr dem Sinn als dem Wort folgend“ aus dem griechischen Original des Theophrast (tatsächlich aus Platon, Nomoi V 731e) übersetzt: τυφλοῦταιγὰρπερὶτὸφιλούµενονὁφιλῶν. 160 Hier. adv. Pelag. 1,14 (CChr.SL 80, 17,27f. Moreschini): Obwohl Critobulus das nicht gesagt habe, „tamen ex propositione tua, ipsa consequentia et rerum ordine invitus hoc loqueris“. 161 Hier. adv. Pelag. 1,15 (17,1–18,6 M.): „Haec argumentatio tortuosa est, Ecclesiasticam simplicitatem inter philosophorum spineta concludens. Quid Aristoteli et Paulo? Quid Platoni et Petro? Ut ille enim princeps philosophorum, ita hic Apostolorum fuit, super quem Ecclesia Domini stabili mole fundata est, quae nec impetu fluminis, nec ulla tempestate concutitur.“

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Die Antithese erinnert an Hieronymus’ Brief an Eustochium und darüber hinaus an Tertullian. Dagegen weist der Orthodoxe gelassen darauf hin, dass schon die Form der Entgegnung ihren Inhalt Lügen strafe: „Du redest wie ein Rhetor, und während du mir die Philosophie vorhältst, läufst du ins Lager der Redner über. Höre aber, was eben dein Redner sagt: ‚Lass ab von den Gemeinplätzen; solche wachsen schon in unserem eigenen Garten.‘“162

Vergebens versucht sich Critobulus dagegen zu verwahren, er argumentiere mit der „Aufgeblasenheit der Redner“, die darin bestehe „was bedeutet, zum Zweck des sachgerechten Überzeugens zu sprechen“, während er doch „die reine Wahrheit in reinem Stil“ vortrage.163 Doch Atticus überführt ihn der Inanspruchnahme rhetorischer Fertigkeiten, womit auch die sachliche Position ins Zwielicht rückt; der Häretiker bedient sich unangemessener Mittel und beherrscht diese nicht einmal so gut, dass er den Gegner übertölpeln kann: „Oh! Besonders redegewandt versuchst du dich zu geben, um nicht zu sagen: rhetorisch versiert, nachdem deine Schüler sich bereits in Lehrer verwandelt haben. Der glänzende Redner Antonius, dessen Lob Cicero singt, meint freilich, er habe viele Redegewandte gesehen, aber nicht einen echten Rhetor. Hör also auf, vor mir mit dem Blumenschmuck der Redner, der dir nicht gehört und mit dem man die Ohren der Unerfahrenen und Kinder zu betrügen pflegt, herumzuspielen, und sag ganz einfach, was du meinst.“164

Sogar Augustin musste sich von seinem literarischen Gegner Julian von Eclanum in ähnlicher Schärfe vorhalten lassen, seine Schriften bezeugten selbstbewusst vorgetragene Halbbildung: Er missbrauche die Unwissenheit derer, die ihm applaudierten, und verstecke sich hinter der Mehrdeutigkeit von Worten, „was der gebildete Leser unserer Werke, wer auch immer es ist, sehr wohl erkennt!“165 Selbst der Nachwelt als ein „graeca et latina lingua scholasticus“ bekannt166, spielt Julian polemisch auf Augustins Vergangenheit als Rhetor an:

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Hier. adv. Pelag. I 15 (18,6–9 M.): „Rhetoricaris, et dum mihi objicis philosophiam, ad Oratorum castra transcendis. Verum audi quid idem dicat Orator tuus: ‚Desine communibus locis: domi nobis ista nascuntur‘“ (Cic. Lucull. 80). 163 Ebd. (18,9–15): „Nulla hic eloquentia est, nullus Oratorum tumor, quorum definitio est, dicere ad persuadendum accommodate, sed puram puro sermone quaerimus ueritatem: Aut Dominum non impossibilia praecepisse; ut sint in culpa qui possibilia non fecerint: aut si non possunt fieri, non eos qui impossibilia non faciunt; sed eum qui impossibilia praecepit, quod nefas dictu sit, conuinci iniustitiae.“ 164 Hier. adv. Pelag. 3,17 (121,7–13 M.): „ah! nimium disertus esse coepisti, ut non dicam eloquens, postquam discipuli tui uersi sunt in magistros antonius enim orator egregius, in cuius laudibus tullius personat, disertos se ait uidisse multos, eloquentem adhuc neminem. noli igitur mihi oratorum et non tuis floribus ludere, per quos solent imperitorum atque puerorum aures decipi, sed simpliciter dic quid sentias.“ Nach ADKIN 1997, 25f. steht hier – über HAGENDAHL 1958, 266 hinaus – nicht nur Cic. orat. 5,18, sondern auch Cic. de orat. I 21,94 Pate (vgl. SCHADE, BKV 15, 492 Anm. 3). 165 Jul. Ecl. ad Florum = Aug. c. Iul. imp. II 36 (CSEL 85/1, 188,1–3 Zelzer): „Abuti te imperitia faventum tibi et delitescere sub ambiguitate verborum, quicumque ille fuerit operum nostrorum eruditus lector intellegit“; vgl. eine ähnlich gelagerte Kritik in c. Iul. imp. II 150 (273,1–3): „Pate-

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

„Wenn du mit unversehrtestem Glauben, nach Art der Schulen, nur um die Kräfte deiner Gelehrsamkeit zur Schau zu stellen, versuchen würdest, das, was unwiderlegbar ist, zu erschüttern, würden nach Beendigung des öffentlichen Wettstreits dennoch die, denen du widersprichst, den Siegespreis erhalten.“167

Die Schulbildung gilt demnach als Inbegriff des von vorneherein vergeblichen Versuchs, die christliche Wahrheit durch rhetorische Kunst zu bekämpfen – die Augustin in Julians Sicht nicht einmal hinreichend beherrscht, was zu der doppelt spöttischen Titulierung als „allerfrömmster Priester und allergelehrtester Rhetor“168, aber auch als „Aristoteles der Punier“ und sogar als „Melitides“, als sprichwörtlicher Dummkopf, führt.169 Auch Julian verfolgt also die Strategie, den Gegner darauf zu behaften, dass er zwar pagane Bildung für sich beansprucht, diesen Anspruch aber nur unvollkommen einlösen kann. Insofern entbehrt es nicht der Ironie, dass Augustin selbst dem jungen Julian die Einsicht in sein Werk De musica verweigert hatte, weil er sich darin allzusehr der weltlichen Eitelkeit verschrieben habe: „Weder jene zahllosen und lästerlichen Fabeln, von denen die Gedichte der eitlen Poeten voll sind, noch die aufgeblasenen und polierten Lügen der Redner noch schließlich die geschwätzige Schlauheit der Philosophen stimmen in irgendeiner Weise mit unserer Freiheit überein… Gänzlich ferne sei es, dass man ihre Eitelkeiten und wahnsinnigen Lügen, die prahlerischen Possen und der überhebliche Fehler mit Recht als ‚freie Wissenschaften‘ bezeichnete.“170

facta igitur vel imperitia vel impudentia tua, quae aut non curat aut non valet, quid dicatur, expendere.“ Zum Schrifttum s. Wilhelm GEERLINGS, in: LACL 3, 405f. 166 Genn. vir. ill. 46 (TU 14/1, 78,5–7 Richardson): „Iulianus episcopus, vir acer ingenio, in Divinis Scripturis doctus, graeca et latina lingua scholasticus, prius ergo quam inpietate Pelagii in se aperiret clarus in doctoribus ecclesiae fuit.“ 167 Jul. Ecl. ad Florum = Aug. c. Iul. imp. IV 75 (76,1–4): „si enim incolumissima fide scholari more ad ostendendas tantummodo eruditionis tuae vires ea temptares quae sunt invicta concutere, finito tamen certaminis ludicro, his quibus obloquebaris palmam daturus“; Übers. L ÖSSL 2001, 75 Anm. 9. 168 Jul. Ecl. ad Florum = Aug. c. Iul. imp. I 48,3 (37,36 Z.): „sacerdos religiosissime rhetorque doctissime“. Die Ironie wird aus einer Bemerkung zu Augustins Auslegung von Röm 5,12 ersichtlich: „ridetur certe ab eruditis calliditas sophismatum“ (c. Iul. imp. IV 90,4; 95,39f.). 169 Jul. Ecl. ad Florum = Aug. c. Iul. imp. III 199 (498,5 Z.): „Aristoteles poenorum“; vgl. auch I 7 (9,5): „disputator poenus“. Den Schimpfnamen „Melitides“ (V 25,3; 217,37: „Manicheus aut Melitides alter“), der in Homer-Glossen begegnet, bietet im Lateinischen außer Julian nur Apuleius; vgl. WEBER 2001, 503f.: „Wer seinen Gegner mit einem derartig entlegenen Ausdruck als Dummkopf brandmarkt, baut offenbar ganz bewußt eine Barriere zwischen dessen und dem eigenen intellektuellen Niveau auf und setzt sich damit nicht nur im theologischen Diskurs, sondern auch in der Wahl der literarischen Mittel von seinem Widersacher ab.“ 170 Aug. ep. 101,2 an Julians Vater Memor (408/09; CSEL 34/2, 540,13–17; 541,3f. G.): „Non illae innumerabiles et impiae fabulae, quibus uanorum plena sunt carmina poetarum, ullo modo nostrae consonant libertate, non oratorum inflata et expolita mendacia, non denique ipsorum philosophorum garrulae argutiae… Absit omnino, ut istorum uanitates et insaniae mendaces, uentosae nugae ac superbus error recte liberales litterae nominentur.“ In mus. VI 1,1 (624 Tr./G.) kritisiert Augustin an den ersten fünf Büchern, er habe bei seinem „pueriliter morari“ den Grammatiker und Dichtern

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Stattdessen wird dem jungen Julian Augustins späterer Biograph Possidius als Beispiel einer rein geistlichen Bildung vor Augen gestellt (s.o. S. 279f.). In der späteren wechselseitigen Polemik galt Augustin dieses einst geäußerte Interesse Julians an weltlicher Bildung als Indiz eines verderblichen Rationalismus und einem damit korrespondierenden Vertrauen in die eigene Redekunst: „Dies [sc. den Begriff der Erbsünde] beachtest du nicht, während du Redegewandtheit ohne Weisheit an dich reißt und vermittels eines Stromes der Eitelkeit, aber verlassen (desertus) vom Licht der Wahrheit, redekundig (disertus) sein willst.“171

Dieser „Eitelkeit der Geschwätzigkeit“ (vanitas loquacitatis) widerspreche nicht nur die „Beredsamkeit der Wahrheit“ (eloquia veritatis)172, sondern auch die Schar der früheren und gegenwärtigen Glaubenszeugen: „Von diesen höchst gelehrten und scharfsinnigen Richtern [sc. Cyprian, Hilarius, Ambrosius und Gregor von Nazianz] ist deine Häresie schon verdammt worden, bevor sie geboren war!“173 Dass Julian nach Augustin als „sehr scharfsinnig und gebildet, als Philosoph und Dialektiker“ erscheinen wolle174, war angesichts der mit großer geistiger Anstrengung geführten Auseinandersetzung ein nicht unverdientes Kompliment, wurde jedoch zum Makel, der Julian im Urteil der Nachwelt anhaftete. Mit Augustin und Julian tritt ein Generationskonflikt zu Tage: Letzterer entstammte als Sohn eines Bischofs bereits dem kirchlichen Kontext und musste nicht erst, wie Augustin und andere durch hartes Ringen den Weg von der paganen Bildung zum christlichen Glauben und zur Verhältnisbestimmung beider finden.175 zuviel Raum gewährt; wer mit diesen nicht vertraut sei („qui in ista intelligenda eruditi non sunt“), möge sich gar nicht erst dazu herabzulassen („ne ad ista descendant“). 171 Aug. c. Iul. imp. IV 128 (153,88–90 Z.): „haec non attendis, dum eloquentia sine sapientia raperis, et flumine vanitatis vis esse disertus, desertus lumine veritatis“; hier wird die für Augustins Rhetorikverständnis „paradigmatische Unterordnung der eloquentia unter die sapientia“ deutlich (BLÜMER 2002, 72). Zum Zweck der Polemik wird Julian wiederholt der Besitz von eloquentia klassischen Zuschnitts bescheinigt; vgl. c. Iul. imp. VI 20,3 (359,72–360,73 Z.): „copioso et ornato… eloquio“; auch schon in c. Iul. III 21,48 (PL 44, 726): „Hoc enim tu satis eloquenter facis, quod inerudite et impolite faciebat Epicurus“; vgl. BLÜMER, AL 2, 786. 172 Aug. c. Iul. imp. IV 90 (96,63f. Z.): „haec eloquia veritatis subsannant vanitatem loquacitatis tuae“; vgl. VI 40,14 (457,221–223): „quid est, rogo te, quod adversus divinorum eloquiorum evidentiam incredibili rabie spumantis loquacitatis oblatras?“; weitere Belege: BLÜMER, AL 2, 787 Anm. 67. 173 Aug. c. Iul. imp. II 33 (186,17–19 Z.): „a quibus eruditissimus prudentissimisque iudicibus… haeresis vestra prius est damnata quam nata.“ 174 Aug. c. Iul. imp. VI 18,1 (351,32–34 Z.): „qui valde acutus, et eruditus, et philosophaster, et dialecticus vult videri“. 175 Vgl. L ÖSSL 2001, 84: „Im vergleichsweise geschützten Raum kirchlicher Kultur aufgewachsen und ausgebildet worden zu sein, machte es für jemanden wie Julian eher noch attraktiver, sich der Pflege säkularen Bildungsguts zu widmen. Die Vertreter des goldenen Zeitalters der lateinischen christlichen Literatur, allen voran Augustinus und Hieronymus, hatten nun ja einen Grundstock an christlicher Gelehrsamkeit hinterlassen. Die Generation Julians brauchte sich also nicht mehr ängstlich um Schaffung, Erhalt und Vermittlung einer

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

5.2.3. Lob christlicher Rhetoren Rhetorische Bildung konnte im Streit unter Christen also kritisch bewertet werden, weil der jeweilige Kontrahent sie entweder nicht beherrschte oder falsch einsetzte. Zu beobachten ist freilich auch das Gegenteil: Christliche Autoren der Spätantike – und nicht nur die gebildeten Korrespondenten des Sidonius Apollinaris (s.o. S. 213f.) – machten sich häufig wechselseitige Komplimente, unter denen rhetorische Kompetenz als wertvollstes Prädikat galt. Zu Beginn des 6. Jahrhunderts konnte Ennodius von Pavia noch ganz ungebrochen in das traditionelle Lob der „regina rerum oratio“ einstimmen: „Wer unseren Studien dient, befiehlt alsbald dem Erdkreis. / Keinen Zweifel fürchtend, verlieh mir die Kunst die Herrschaft.“176 Einem gewissen Florianus attestierte er, in diesem finde er „die Abgründigkeit der ciceronianischen Flut, die Originalität Sallusts und die Eleganz Vergils“.177 Hieronymus verglich Laktanz’ Werke mit den Dialogen Ciceros; der ehemalige Prinzenerzieher am Hofe Konstantins in Nikomedien brauche als Rhetor keinen Vergleich mit den Zeitgenossen und auch nicht mit dem überragenden Vorbild zu scheuen: „Wie ein Strom ciceronianischer Beredsamkeit“ sei Laktanz zu lesen; wer seine Werke De ira dei und De opificio dei lese, finde darin „eine bündige Zusammenfassung der Dialoge Ciceros.“178 In seiner Chronik erscheint Laktanz als „der gelehrteste unter allen Männern seiner Zeit“179, und obwohl Hieronymus Einwände gegen die in Laktanzens (nicht erhaltenen) Briefen an Demetrianus vorgetragene Auffassung von der Substanzlosigkeit des Heiligen Geistes erhob, verteidigte er dessen Diuinae Institutiones als nützliche Lektüre für jeden Christen.180 Augustin reihte ihn unter die Autoren ein, die mit Gold und Silber beladen aus Ägypten ausgezogen seien, d.h. den „Heiden“ die klassische Bildung zum Nutzen des Christentums entwunden hätten181; Eucherius von Lyon nannte Laktanz in einem Atemzug mit den „an Redekunst hochberühmten“ Minucius Felix und Cyprian sowie Hilarius von Poitiers, Johannes christlich-kulturellen Identität sorgen. Auf der Basis des Vorhandenen konnte das gesamte Wissen und Denken der Antike jetzt vielmehr neu geordnet werden.“ 176 Ennod. opusc. 6,17 (MGH.AA VII, 314,22f. Vogel): „Qui nostris servit studiis, mox imperat orbi. / Nil dubium metuens ars mihi regna dedit“; vgl. Pacuv. trag. frg. XIV 177: „regina rerum oratio“; bereits zitiert bei Quint. I 12,18. 177 Ennod. ep. I 16,3 (MGH.AA VII, 24,19f. Vogel): „adhibita credo adversus me fuisset Tulliani profunditas gurgitis, Crispi proprietas, Maronis elegantia.“ 178 Hier. ep. 58,10,2 (CSEL 54, 539,14f. H.): „Lactantius, quasi quidam fluuius eloquentiae Tullianae“; ep. 70,5,2 (707,12f.): „quos si legere uolueris, dialogorum Ciceronis ἐπιτοµὴν repperies“. 179 Hier. chron. a. 317 (GCS Eusebius VII/1, 230,9–15 Helm): „Crispus et Constantinus… Caesares appellantur. Quorum Crispum Lactantius Latinis litteris erudivit, vir omnium suo tempore eloquentissimus, sed adeo in hac vita pauper, ut plerumque etiam necessariis indiguerit.“ 180 Hier. ep. 84,7,2 (CSEL 55, 128,21–23 H.): „Quis mihi interdicere potest, ne legam Institutionum eius libros, quibus contra gentes scripsit fortissime, quia superior sententia detestanda est?“ 181 Aug. doct. christ. II 40,61 (74,29–31 M.); zu diesem „Kulturtransfer“ s. unten 5.3.3.

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Chrysostomus und Ambrosius.182 Sidonius Apollinaris rühmte seinen Freund Claudianus Mamertus für seinen philosophischen Traktat De statu animae: „Er lehrt wie Hieronymus, er vernichtet wie Laktanz, er erbaut wie Augustin.“183 Im Gedächtnis blieb Laktanz als wortgewaltiger Apologet und Kritiker des „heidnischen“ Götterglaubens, dessen heterodoxe Meinungen man im 4. und 5. Jahrhundert nicht als Hindernis ansah, von seinem Wissen zu profitieren.184 Den Ehrentitel eines „uir eloquentissimus“ verleiht Hieronymus auch an Hilarius von Poitiers, den „Kriegstrompeter gegen die Arianer lateinischer Sprache“185, den Rufin zu Gunsten des Origenes hatte verbuchen wollen. Hilarius’ De trinitate steht für Hieronymus „nach Stil und Anzahl der Bücher“ mit Quintilians Institutio auf einer Stufe186, und auch andernorts wird der Bischof von Poitiers in höchsten Tönen ob seiner Eloquenz gelobt: „Ich wage nicht, einen solchen Mann, den redegewandtesten seiner Zeit, zu tadeln, von dem sowohl aufgrund seines Verdienstes als Konfessor als auch durch seinen Eifer im Leben und die Klarheit der Rede die Kunde geht, wo immer das Römische etwas gilt.“187

Das bedeutet natürlich nicht, dass Hieronymus nicht auch Kritik am für die Gemeinde nur schwer verständlichen, mit „gallischem Kothurn“ und griechischer Blumigkeit angereicherten Stil des Hilarius äußern kann.188 Unter den Galliern gilt dieser typische Stil wiederum gerade als Qualitätsmerkmal: „Auch Paulinus, der Bischof von Nola, ein ganz besonderes und heiliges Beispiel unseres Galliens, besaß einst ungeheure Reichtümer und sehr großes rhetorisches Talent; deshalb ging er in meine Gedanken und meine Betrachtungen ein als ein Mann, der auch alle Teile der Welt in hohem Maße mit seiner Beredsamkeit und seinen Taten erfüllt.“189

182 Eucher. cont. 396–399 (BPat 16, 82 Pricoco): „Et quando clarissimos facundia, Firmianum, Minutium, Cyprianum, Hilarium, Joannem [Chrysostomum], Ambrosium, ex illo volumine numerositatis evolvam?“ 183 Sidon. ep. IV 3,7 (II 118 L.): „instruit ut Hieronymus, destruit ut Lactantius, adstruit ut Augustinus“; zuvor (n. 6) waren bereits die Größen der antiken Rhetorik angerufen worden („suadet ut Cato, dissuadet ut Appius, persuadet ut Tullius“), den drei genannten Theologen werden noch weitere Namen angefügt: „attollitur ut Hilarius, summittitur ut Iohannes, ut Basilius corripit, ut Gregorius consolatur, ut Orosius affluit, ut Rufinus stringitur, ut Eusebius narrat, ut Eucherius sollicitat, ut Paulinus prouocat, ut Ambrosius perseuerat.“ 184 Erst das Decretum Gelasianum setzte seine Werke auf den Index (s.o. S. 388 Anm. 179). 185 Hier. adv. Rufin. II 19 (56,48f. L.): „Hilarius uir eloquentissimus et contra Arianos latini sermonis tuba“. 186 Hier. ep. 70,5,3 (707,17f. H.): „duodecim Quintiliani libros et stilo imitatus est et numero“. 187 Hier. ep. 34,3,2 (262,9–12 H.): „tantum uirum et suis temporibus disertissimum reprehendere non audeo, qui et confessionis suae merito et uitae industria et eloquentiae claritate, ubicumque Romanum nomen est, praedicatur.“ 188 Hier. ep. 58,10,2 (539,17–20 H.); zit. oben. S. 339 Anm. 123. 189 Eucher. cont. 387–393 (82 Pr.): „Paulinus quoque, Nolanus episcopus, peculiare et beatum Galliae nostrae exemplum, ingenti quondam divitiarum censu uberrimo eloquiae fonte; ita in sententiam

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Hieronymus übt generell vor allem da Kritik, wo seine eigenen literarischen Ambitionen betroffen sind, sei es sein asketisches Programm, seien es seine theologischen und exegetischen Werke. Im Prolog zur Übersetzung von Didymus’ De spiritu sancto wird – ohne Namensnennung – kein Geringerer als Ambrosius von Mailand bezichtigt, „sich als häßliche Krähe mit fremden Federn zu schmücken“190, der ohne Nennung der griechischen Quellen seine gleichnamige Schrift veröffentlicht hatte, wobei „ nach dem Wort des Komikers ‚aus einem guten griechischen kein gutes lateinisches Werk geworden war‘“.191 Der Stil entspreche dabei dem inhaltlichen Plagiat an Dürftigkeit: „Nichts ist darin von dialektischer Schulung, nichts von männlicher Strenge, das den Leser auch gegen seinen Willen zur Zustimmung bewegt, nein, das Ganzen ist matt und schlaff, geziert und gesucht und hier und dort mit exquisiten Düften parfümiert.“192

Was Ambrosius getan habe, sei nichts als Diebstahl (furtum); der Leser seiner eigenen Übersetzung werde, „wenn er aus den Quellen zu schöpfen begonnen hat, die Rinnsale verachten.“193 Die Verteidigung des Ambrosius unternahm Rufin194, also ein Autor, der seinem Zeitgenossen Paulinus von Nola als „reich an Kenntnissen sowohl in der Schulbildung als auch in den heilbringenden Schriften griechischer wie lateinischer Sprache“ galt195 und der selbst Meriten als Übersetzer erworben hatte. In der Apologie gegen Rufin berief sich Hieronymus wiederum auf Ambrosius (in einem Atemzug mit Hilarius und Marius Victorinus) als Vorbild für die Übersetzung von Origenesnostram propositumque migravit, ut etiam cunctas admodum mundi partes eloquio operibusque resperserit“; Übers. MRATSCHEK 2002, 614. 190 Hier. Didym. spir. prol. (FC 78, 76,10f. Sieben): „informis cornicula alienis [se] coloribus adornare“; der Hg. nennt als Referenz Äsop (ebd. 77 Anm. 16), während H AGENDAHL 1958, 117 auf Horaz, ep. I 3,19f. verweist: „Moveat cornicula risum furtivis nudata coloribus.“ Zur Kritik an Ambrosius vgl. den Prolog zu Origenes’ Lukas-Homilien (FC 4/1, 56,20–58,2 Sieben). 191 Hier. Didym. spir. prol. (76,12f. S.): „iuxta Comici sententiam, ex graecis bonis latina vidi non bona“; zit. auch in Os. II prol. (55,181 A.); gemeint ist Terenz, Eun. 8. 192 Hier. Didym. spir. prol. (76,13–78,2 S.): „Nihil ibi dialecticum, nihil virile atque districtum, quod lectorem vel ingratis in assensum trahat, sed totum flaccidum, molle, nitidum atque formosum et exquisitis hinc inde odoribus pigmentatum.“ 193 Hier. Didym. spir. prol. (78,7f. S.): „Certe qui hunc legerit latinorum furta cognoscet, et contemnet rivulos cum coeperit haurire de fontibus.“ Nach HAGENDAHL 1958, 117 wird hier auf Cic. de orat. II 27,117 („Tardi ingenii est rivulos consectari, fontis rerum non videre“) Bezug genommen; die bittere Pointe der in den Text verwobenen Zitate werde erst aus ihrem Kontext voll erkennbar: „The crow deprived of the borrowed plumes excites ridicule (moveat risum), and it is stupid (tardi ingenii) to overlook the sources for the streamlet.“ 194 Rufin. apol. adv. Hier. I 26.28 (102,17–27; 104,6–19 S.); in I 27 (102,1–103,33) zitiert er Hieronymus’ Vorwort zur Didymus-Übersetzung; die Kritik richtet sich auf Hieronymus’ eigenen Umgang mit griechischen Theologen, vor allem mit Origenes. 195 Paul. Nol. ep. 28,5 (FC 25/2, 678,4f. Skeb): „et scholasticis et salutaribus litteris graece iuxta ac latine dives“; vgl. ep. 40,6 (904,19f.): „sancto doctissimo viro et carissimo mihi, qui non solum legendo sed etiam peregrinando multa cognovit“.

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Texten196: Rufins Fehler sei nicht das Unterfangen an sich, sondern das heterodoxe Ergebnis. Sowohl Ambrosius als auch Rufin werden bei Hieronymus, wo sie als Exegeten und Übersetzer zu ihm in Konkurrenz stehen, als rhetorisch inkompetent dargestellt, sofern es nur dem argumentativen Ziel dient. Umgekehrt rekurrieren im Briefwechsel zwischen Hieronymus und Augustin beide Autoren auf „Ambrosius noster“.197 Letzterer spricht seinem Taufvater in der ersten Fassung von Contra Iulianum ein hohes Lob aus: „Siehe, Ambrosius lässt einen glänzenden und klaren Fluss der Redekunst ausströmen: Da ist nichts, wo der Leser stocken oder der Hörer im Finstern tappen würde!“198

Aber auch der Briefpartner empfängt Komplimente: Hieronymus sei „heute im Gebiet der kirchlichen Literatur bekannt durch den Ruf solch herausragender Gelehrsamkeit und durch entsprechende Arbeit“.199 Die Wertschätzung des Hieronymus in gallischen Asketenkreisen bezeugt ausgerechnet der literarische Konkurrent, Sulpicius Severus: Hieronymus sei „neben dem Verdienst des Glaubens und der Gabe der Tugenden nicht nur in der lateinischen und griechischen, sondern auch in der hebräischen Literatur derart bewandert, dass sich ihm in jeglichem Zweig der Wissenschaft niemand zu vergleichen wagt.“200 Die Sprachkenntnisse des Bibelübersetzers beeindruckten die Nachwelt proportional zu ihrem Bedeutungsverlust als Element gehobener Allgemeinbildung. Facundus von Hermiane († 568) konstatiert ungläubig das vermeintliche Lektürepensum des Exegeten aus Stridon: „Unser Hieronymus, ein äußerst gelehrter Mann, war auch von einer derartigen Belesenheit, dass er beinahe alle Ausleger der Heiligen Schrift in griechischer wie lateinischer Sprache studiert hatte.“201

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Hier. adv. Rufin. I 2 (3,7f. L.); II 14 (47,12f.); III 14 (86,8). Hier. ep. 112,20 (FC 41/1, 222,3f.); Aug. ep. 82,21.24 (FC 41/2, 306,8; 312,7f.). 198 Aug. c. Iul. II 11 (PL 44, 681): „ecce fundit eloquentiae lucidum ac perspicuum flumen Ambrosius: non est ubi haereat lector, ubi caliget auditor.“ Vgl. ebd. II 6,16 (685), wo Julians loquacitas und multiloquium Ambrosius’ eloquium gegenübergestellt werden; weiterhin c. Iul. imp. II 36,2 (188,19–24 Z.): „Ambrosius est ille, non quicumque de vulgo, cuius imperitam multitudinem non valentem de tuis disputationibus iudicare nimis alta cervice et proterva fronte contemnis; Ambrosius est, inquam, cui nulla ex parte in ipsis litteris saecularibus, de quibus multum inflaris, aequaris…“. 199 Aug. pecc. mer. III 6,12 (CSEL 60, 138,13f. Urba/Zycha): „qui hodieque in litteris ecclesiasticis tam excellentis doctrinae fama ac labore versatur.“ Vgl. Aug. c. Iul. I 34 (PL 44, 665): „graeco et latino, insuper et hebraeo, eruditus eloquio“; ebd. II 36 (699f.): „sic in ecclesia laboravit, ut eruditionem catholicam multum in latina lingua multis et necessariis litteris adiuvaret“; civ. XX 23 (CChr.SL 48, 742,45f. Dombart/Kalb): „presbyteri Hieronymi liberum in Danielem satis erudite“. 200 Sulp. Sev. dial. I 8,3 (CSEL 1, 159,27–160,1 Halm): „vir enim praeter fidei meritum dotemque virtutum non solum Latinis adque Graecis, sed et Hebraeis litteris ita institutus est, ut se illi in omni scientia nemo audeat comparare.“ Zum Verhältnis beider vgl. oben S. 242 mit Anm. 376. 201 Facundus, defens. IV 2,54 (CChr.SL 90A, 117,422–425 Clément/vander Plaetse): „Hieronymus quoque noster vir admodum doctus, qui etiam tantae fuerat lectionis, ut paene omnes sive in Graeco sive in Latino eloquio divinarum scripturarum tractatores legeret.“ 197

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Facundus stellt damit wohl die Quelle der übertriebenen, aber langlebigen Annahme von Hieronymus’ stupender Belesenheit dar; jedoch entspricht dies ganz dem Eindruck, den der Gelobte selbst immer wieder zu erwecken suchte – und keineswegs nur hinsichtlich der kirchlichen Schriftsteller. Am Ausgang der Spätantike hatten also die klassische Bildung im Allgemeinen und die Rhetorik im Besonderen ihren Platz im christlichen Tugendkanon gefunden. In dem Schriftstellerkatalog, den Cassiodor im ersten Buch seiner Institutiones bietet, fungiert Redegewandtheit durchgängig als Eigenschaft der großen Theologen früherer Zeiten, die mit ihrer geistlichen Schriftauslegung „gleich funkelnden Sternen den kirchlichen Himmel erstrahlen lassen“202: Hilarius von Poitiers wird gerühmt als „ein Mann von besonderem Tiefsinn und ein höchst umsichtiger Streiter des Wortes“203, Cyprian von Karthago als „träufelndes Öl, das alles angenehm eingängig macht“ sowie als „ausgezeichneter Redner und bewunderungswürdiger Lehrer“. Sein Werk De dominica oratione, „mit rhetorischer Eleganz verfasst“, wird als Beispiel der „glänzenden Zeugnisse seiner Beredsamkeit“ genannt.204 Ambrosius von Mailand gilt Cassiodor als „Quell makelloser Rede, von sittlichem Ernst und überaus gewinnend in seiner nicht verletzenden Überzeugungskraft, bei dem Leben und Lehre in Übereinstimmung standen“.205 Der Bischof erscheint damit als christliche Inkarnation des „vir bonus dicendi peritus“, d.h. des Ideals der römischen rhetorischen Tradition, freilich in spezifischer Brechung: Sind es hier die Wundertaten, die das christliche proprium markieren, so werden Cyprian als Prediger und Seelsorger sowie Hilarius als Exeget besonders gewürdigt; entscheidend ist demzufolge, dass die rhetorische Kompetenz in den Dienst der einem Bischof angemessenen Aufgaben gestellt wird. Dies gilt natürlich ebenso für Augustin, den Cassiodor in signifikanter Reihung als „herausragenden Gelehrten, Überwinder der Häretiker, Verteidiger der Gläubigen, Sieger in berühmten Kontroversen“ rühmt.206 Cassiodor merkt an, dass Augustin bisweilen schwer zu verstehen sei, führt dies jedoch nicht auf seine Schulbildung zurück, vielmehr verweist er ausdrücklich auf die Confessiones, denen zufolge Augustin „sämtliche mathematische Disziplinen, deren Aneignung anderen selbst unter Anleitung von Fachleuten kaum ver-

202

Cassiod. inst. I 17 (228,7f. B.): „quibus velut stellis micantibus caelum fulget ecclesiae“. Cassiod. inst. I 18 (228,10f. B.): „nimia profunditate subtilis et cautissimus disputator“. 204 Cassiod. inst. I 19 (228,19f.; 230,4–8 B.): „velut oleum decurrens in omnem suavitatem, lingua composita declamator insignis doctorque mirabilis… Nam inter alia quae nobis facundiae suae clara monumenta dereliquit, in expositione orationis dominicae… libellum declamatoria venustate conscripsit“; zu weiteren Urteilen spätantiker Autoren über Cyprian vgl. oben S. 90–92. 205 Cassiod. inst. I 20 (230,10–12 B.): „lactei sermonis emanator, cum gravitate acutus, inviolenta persuasione dulcissimus, cui fuit aequalis doctrina cum vita“. 206 Cassiod. inst. I 22 (236,2–4 B.): „doctor eximius…, debellator hereticorum, defensor fidelium et famosorum palma certaminum.“ 203

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gönnt ist, ohne einen Lehrer erlernt“.207 Damit wird die Pointe gerade umgekehrt: Während Augustin beklagt, er habe zwar alles gelesen und verstanden, jedoch keinen Nutzen daraus gezogen, da er seine überragenden Geistesanlagen nicht als Gabe Gottes erkannte, ist seine geistliche Größe nach Cassiodor gerade an der schnellen Auffassungsgabe erkennbar – ein Zeichen dafür, dass jene Erkenntnis der natürlichen Anlagen als Schöpfungsgabe Gottes für den Autor längst selbstverständlich geworden war. Entsprechend hatte Cassiodor keinerlei Bedenken, Boethius († 524) dafür zu loben, „dass du die philosophischen Erkenntnisse der Griechen zur römischen Lehre gemacht hast“208; was damit gemeint ist, geht aus dem Anecdoton Holderi hervor: „Boethius tat sich in den höchsten Würden hervor und war in beiden Sprachen ein perfekter Rhetor… aber im Übersetzen der Kunst der Logik, d.h. der Dialektik, und in den mathematischen Disziplinen war er so, dass er den alten Schriftstellern entweder gleichkam oder sie sogar übertraf.“209

Ausgerechnet die aristotelische Logik, die Augustin als Irrweg verurteilte, weil sie ihn zu der Annahme verleitete, auch Gott sei durch die zehn Kategorien zu erfassen210, wird hier zum Anlass höchsten Lobes für ihren Übersetzer. Am ausführlichsten unter den christlichen Autoren geht Cassiodor auf Hieronymus ein, „der uns ja mit der Überfülle seiner Beredsamkeit zu sättigen weiß“211; die ubertas facundiae bezieht sich konkret auf die Vulgata, hat also der Bibelübersetzung gute Dienste geleistet. Auch die Traktate und Briefe des Hieronymus gelten als „gut verständlich, gelehrsam und elegant“.212 Bemängelt werden weniger Verständnisprobleme bezüglich seiner Schriften als deren ausufernde Länge, was freilich auch an ihrem literarischem Gepräge liege: „Gleichwohl aber nutzt er jede Gelegenheit, in wohlgefälliger Auflockerung Beispielhaftes aus der Heidenwelt einzustreuen, erläutert das Ganze, schmückt es aus und schreitet gleichmäßig und immer beredt durch die verschiedenen Formen der Auseinandersetzung.“213

207 Cassiod. inst. I 22 (236,7–11 B.): „Huius autem ingenii vivacitatem si quis nosse desiderat, libros ipsius ‚Confessionum‘ legat, ubi se refert omnes mathematicas disciplinas sine magistro comprehendisse, quas alli sub doctis expositoribus vix datur attingere“; vgl. Aug. conf. IV 16,30 (55,30–49 V.). 208 Cassiod. var. I 45,3 (49,19f. Fr.): „ut Graecorum dogmata doctrinam feceris esse Romanam“. 209 Anecdoton Holderi (CChr.SL 96, V,13f.18–20): „Boethius dignitatibus summis excelluit, utraque lingua peritissimus orator fuit… sed in opere artis logicae, id est dialecticae, transferendo ac mathematicis disciplinis talis fuit, ut antiquos auctores aut aequiperaret auf uinceret.“ 210 Vgl. Aug. conf. IV 16,29 (54,18–23 V.); dazu H ADOT 1984, 120f. 211 Inst. I 21,1 (230,18f. B.): „quando nos facundiae suae multa cognoscitur ubertate satiasse“. 212 Inst. I 21,1 (232,1 B.): „planus, doctus, dulcis“. 213 Inst. I 21,1 (232,8–11 B.): „Sed tamen, ubicumque se locus attulit, gentilium exempla dulcissima varietate permiscuit, totum explicans, totum exornans, et per diversa disputationum genera disertus semper et aequalis incedens.“

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Pagane exempla und die genera disputationum (also doch wohl die suasoria und controversia der Rhetorenschule) gereichen in Cassiodors Augen dem christlichen Autor zur Ehre, der sie virtuos einzusetzen vermag – genau das hatten knapp zweihundert Jahre zuvor nicht nur Rufin, sondern auch der Rhetor Magnus kritisiert. Letzterem hatte Hieronymus geantwortet, nur wer ausschließlich mit den Klassikern und gar nicht mit der christlichen Literatur vertraut sei, könne auf eine solch scharfe Unterscheidung kommen: „Was aber die Frage betrifft, die du mir am Ende deines Briefes stellst: warum ich in meinen Schriften gelegentlich Beispiele aus der weltlichen Literatur anführe und den Glanz der Kirche mit heidnischem Schmutz trübe, so gib dich mit einer knappen Antwort zufrieden: Du würdest so etwas nie fragen, wenn dich nicht Cicero völlig mit Beschlag belegte und du stattdessen die Heiligen Schriften läsest, wenn du deren Interpreten durcharbeiten und den Volcatius beiseitelegen würdest.“214

Wer also bei Cicero und seinem Kommentator stehenbleibt, kann sich kein Urteil über christliche Literatur erlauben, die zu Recht aus den „heidnischen“ Schriften schöpft: Sogar die Philosophen möge man lesen, „denn die Bücher von fast allen – außer denen, welche sich mit Epikur der Wissenschaft verweigert haben – sind voll von Bildung und Gelehrsamkeit.“215 Was für Hieronymus erst noch argumentativ zu erstreiten war, nämlich die Legitimität der Verwendung paganer Argumentationsstrategien, ist für Cassiodor ein Qualitätsmerkmal. Aber auch das Ringen eines Hieronymus und Augustin um die Vereinbarkeit von klassischer Bildung und christlichem Glauben war nicht mehr eine Frage des „Ob“, sondern eine (allerdings drängende) Frage des „Wie“. Im Folgenden wird der Begründung dieser Bildungsrezeption und den dafür entwickelten hermeneutischen Verfahren vertieft nachzugehen sein. 5.3. Bildung aus eigenen Quellen? Bildung – genauer: antike Schulbildung – ist kein Weg zum Heil. Hat aber das Heil überhaupt etwas mit Bildung zu tun, und wenn ja, wie muss diese geartet sein? Das Problem der Schulbildung wurde von christlichen Autoren vorwiegend in deren ethischer Indifferenz oder Fehlleitung gesehen. Zum Glauben an den christlichen Gott führt Bildung nicht, und nach Laktanz kann sie auch nicht als Stufe auf dem Weg zu dessen Erkenntnis betrachtet werden. In der 214 Hier. ep. 70,2,1 (700,13–701,2 H.): „Quod autem quaeris in calce epistulae, cur in opusculis nostris saecularium litterarum interdum ponamus exempla et candorem ecclesiae ethnicorum sordibus polluamus, breuiter responsum habeto: numquam hoc quaereres, nisi te totum Tullius possideret, si scripturas sanctas legeres, si interpretes earum omisso Volcatio euolueres”; Übers. TORNAU 2006, 88. Gegenüber Rufin beruft sich Hieronymus auf seinen Briefwechsel mit Magnus (adv. Rufin. I 30; 29,18– 21 L.): „Nimirum iste est Sallustianus Calpurnius qui nobis per Magnum oratorem non magnam mouerat quaestionem, cui breui libello satisfecimus.“ 215 Ep. 70,6,1 (708,6–8): „Omnes paene omnium libri exceptis his, qui cum Epicuro litteras non didicerunt, eruditionis doctrinaeque plenissimi sunt“; s. HAGENDAHL 1958, 208f.; TORNAU 2006, 89.

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Epitome seiner Diuinae Institutiones kommt er im Rahmen einer ausführlichen Diskussion, was denn das höchste Gut sei, auch auf den Stoiker Herillos (3. Jh. v. Chr.) zu sprechen, der dafür das Wissen (scientia) vorgeschlagen hatte: „Zwar ist dies allein Sache des Menschen wie auch der Seele, aber es kann ohne Tugend zuteil werden. Denn einerseits darf man nicht schon den für glückselig halten, der irgendetwas vielleicht durch Hören gelernt, vielleicht durch geringe Lektüre zur Kenntnis bekommen hat, andererseits ist das keine Begriffsbestimmung des höchsten Gutes, weil es ein Wissen um entweder schlechte oder sicher unnütze Dinge geben kann. Und wenn es ein Wissen um gute und nützliche ist, welches man durch Anstrengung erreicht hat, ist das dennoch nicht ein höchstes Gut, weil Wissen nicht wegen seiner selbst erstrebt wird, sondern wegen eines anderen. Denn darum lernt man Wissenschaften, daß sie uns entweder zum Lebensunterhalt oder zum Ruhm oder auch zur Lust dienen, Dingen, die jedenfalls höchste Güter nicht sein können.“216

Der Wert von Bildung wird an die Tugend (uirtus) geknüpft: Wahres Wissen hat nichts mit beiläufig aufgeschnappten Bildungsfetzen zu tun, sondern muss erworben werden. Aber selbst dann bleibt die scientia moralisch ambivalent, sie kann unnütz oder sogar verderblich sein. Selbst im besten Fall hat sie ihren Wert nicht in sich, wie es für ein höchstes Gut unabdingbar ist. Bildung als Beruf, als Mittel zum Ruhm oder als Inhalt der uita otiosa wird gegenüber dem abgestuft, worauf sich das menschliche Streben richten soll, nämlich das Wissen um die göttliche Gerechtigkeit, wie anschließend (unter Berufung auf Cicero) ausgeführt wird.217 Analog dazu begründet Laktanz in den Institutiones seinen Verzicht auf eine Beschreibung der λογική, „die die ganze Dialektik und jede Art des Redens umfasst“: „Deren bedarf die göttliche Erziehung nicht, weil die Weisheit ihren Sitz nicht in der Sprache, sondern im Herzen hat und es daher nicht von Belang ist, welchen Stil wir verwenden. Es geht ja um die Sache, nicht um Worte. Schließlich handeln wir nicht vom Grammatiker oder Redner, deren Metier es ist, wie sich zu sprechen ziemt, sondern vom Weisen, dessen Lehre darin besteht, wie man leben soll.“218

216 Lact. epit. 28,11f. (38,12–22 H./W.): „haec quidem et hominis et animi solius est, sed potest sine uirtute contingere. nec enim beatus putandus est, qui uel auditu aliquid didicerit uel parua lectione cognouerit, nec est summi boni definitio, quia potest esse aut rerum malarum aut certe inutilium scientia. et si sit bonarum et utilium, quam labore sis adsecutus, summum tamen bonum non est, quia non propter se expetitur scientia, sed propter aliud. nam idcirco artes discuntur, ut sint nobis aut uictui aut gloriae aut etiam uoluptati; quae utique summa bona esse non possunt“; Übers. HECK/SCHICKLER, 85. Zu Herillos, einem Schüler Zenons, vgl. Brad INWOOD, in: DNP 5 (1998), 414f. 217 Lact. epit. 29,6 (40,10–16 H./W.): „merito ergo ac recte dictum est ‚sapientiam esse diuinarum et humanarum rerum scientiam‘. oportet enim scire nos, quid deo, quid homini debeamus, deo scilicet religionem, homini caritatem. sed illud superius sapientiae, hoc posterius uirtutis est et utrumque iustitia comprehendit“; zu der zitierten Definition vgl. Cic. off. II 2,5. 218 Lact. inst. III 13,4f. (212,21–213,5 Br.): „… in qua tota dialectica et omnis loquendi ratio continetur. hanc diuina eruditio non desiderat, quia non in lingua, sed in corde sapientia est nec interest quali utare sermone. res enim, non uerba quaeruntur. et nos non de grammatico aut oratore, quorum scientia est quomodo loqui deceat, sed de sapiente disserimus, cuius doctrina est quomodo uiuere oporteat.“

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Die Unterscheidung von göttlichen und menschlichen, in sich polyvalenten Gütern kehrt bei Augustin wieder. In De doctrina christiana wird bezüglich der „instituta hominum“ zwischen überflüssigen, ja schädlichen und lebensdienlichen Einrichtungen unterschieden; letztere dienen dem Zusammenleben in der Gemeinschaft aller Menschen und sind um dieser Aufgabe willen zu beachten.219 Unter den artes liberales finden nur die Geschichtsschreibung, die Dialektik und die Mathematik Augustins Wohlgefallen, freilich mit der Terenz’schen Einschränkung: „ne quid nimis“.220 Bei alledem gilt die Mahnung, „daß eifrigen und begabten jungen Leuten, die Gott fürchten und das selige Leben suchen, heilsam vorgeschrieben wird, daß sie keinen Wissenschaften, welche außerhalb der Kirche Christi gelehrt werden, gleichsam zur Erlangung des seligen Lebens sicher zu folgen wagen, sondern diese nüchtern und sorgfältig unterscheiden sollen.“221

Was also dem Zusammenleben dienlich ist, dient nicht automatisch auch dem ewigen Heil, ist für dieses vielleicht sogar gefährlich. Dies stellt das Substrat der Erfahrungen dar, die Augustin in Confessiones III vorträgt: Im Zuge seiner Rhetorikstudien sei er auf Ciceros Hortensius gestoßen, „dessen Sprache fast allgemein bewundert wird, nicht so freilich seine Gesinnung“.222 Anders als seine Mitschüler ergriff den jungen Augustin die Liebe zur Weisheit; nicht nur die Sprachgestalt, sondern vor allem der Inhalt faszinierte ihn.223 Die Begeisterung für den Hortensius hatte aber auch die Konsequenz, dass die Heilige Schrift aufgrund ihrer vermeintlich niederen literarischen Qualität den ambitionierten Leser abschreckte – „sie erschien mir unwürdig, mit der Würde des Ciceronischen in Vergleich zu treten.“224 Augustin beklagt im Rückblick, wie er daraufhin der exegetischen Kunst der Manichäer verfiel, die ihn tatsächlich noch mehr in die Irre führte als die Grammatiker und Dichter: „Denn Vers und Dichtung weiß ich immerhin in echte Nahrung umzusetzen, und wenn ich die fliegende Medea auch besang, so gab ich sie doch nicht für geschichtlich aus, und wenn ich sie besingen hörte, so glaubte ich doch nicht an sie; aber jene Torheiten habe ich geglaubt.“225

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Aug. doct. christ. II 25,40; 39,58 (61,39–42; 72,12–14 M.). Aug. doct. christ. II 39,58 (72,14–22 M.); vgl. Terenz, Andria 61. 221 Aug. doct. christ. II 39,58 (72,1–6 M.): „Quam ob rem uidetur mihi studiosis et ingeniosis adulescentibus et timentibus deum beatamque uitam quaerentibus salubriter praecipi, ut nullas doctrinas, quae praeter ecclesiam Christi exercentur tamquam ad beatam uitam capessendam secure sequi audeant, sed eas sobrie diligenter que diiudicent“; Übers. POLLMANN, 95; vgl. jetzt BEATRICE 2006, 272f. 222 Aug. conf. III 4,7 (29,3–30,5 V.): „usitato iam discendi ordine perueneram in librum cuiusdam Ciceronis, cuius linguam fere omnes mirantur, pectus non ita“; Übers. BERNHART, 105; zum Folgenden vgl. ROUSSEAU 1999, 178–180. 223 Aug. conf. III 4,7 (30,14 V.): „neque mihi locutionem, sed quod loquebatur persuaserat“. 224 Aug. conf. III 5,9 (31,6f.): „sed uisa est mihi indigna, quam Tullianae dignitati conpararem.“ 225 Conf. III 6,11 (32,50–52): „nam uersum et carmen etiam ad uera pulmenta transfero; uolantem autem Medeam etsi cantabam, non adserebam, etsi cantari audiebam, non credebam: illa autem credidi.“ 220

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Bei aller Kritik an den sinnentleerten Schulübungen seiner Jugend (s.o. S. 403–405) wird hier doch dem Grammatikunterricht zu Gute gehalten, dass dessen Gegenstand ästhetisch rezipierbar sei: Die alten Mythen habe er nie geglaubt – die Theologumena der Manichäer aber schon. Damit wird eine Unterscheidung eingezogen, die sowohl für das Profil einer „geistlichen Bildung“ als auch für einen angemessenen Umgang mit paganer Bildung maßgeblich sein soll: Wo es um das ewige Heil und um die Heilige Schrift, geht, ist nicht nach schulmäßigen Kriterien zu urteilen; wo hingegen Sprachrichtigkeit und rhetorische Gestaltung zur Debatte stehen, muss jede Zuschreibung einer Glaubensverbindlichkeit (also einer religio) unterbleiben.226 Zu fragen ist im Folgenden nach dieser Bildung aus eigenen Quellen und nach hermeneutischen Strategien christlicher Rezeption der paganen Bildung. 5.3.1. Geistliche Belehrung aus eigenen Quellen Augustin rechnet in De civitate Dei mit einem „Christenmenschen, der allein in den kirchlichen Schriften beschlagen ist“ und nichts von klassischer oder zeitgenössischer Philosophie versteht, außer dass man sich vor denen hüten möge, „die beim Philosophieren nur nach den Elementen dieser Welt fragen und nicht nach Gott, der die Welt geschaffen hat.“227 Dem Christen eignet also Unterscheidungsfähigkeit, die zu der Erkenntnis führt, dass im Laufe der Geschichte Gott mit der „rechten Erziehung des Menschengeschlechts“ voranschreitet.228 Das Begriffsfeld eruditio bzw. erudire kann daher bei Augustin durchaus Anwendung auf das Handeln Gottes und der Kirche finden, wird aber zur Schulbildung in ein spezifisches Überbietungsverhältnis gesetzt: „Seht her, meine Brüder, und beachtet: Die in der Kirche genährt und in den biblischen Schriften erzogen wurden, sind keine ungehobelten, bäurischen, einfältigen [Menschen]. Es sind nämlich unter euch gelehrte und gebildete Männer, die in manchen Künsten nicht nur mittelmäßig unterwiesen sind. Ihr aber, die ihr jene Künste, die man ‚die freien‘ nennt, nicht gelernt habt, ihr seid durch die Verkündigung des Herrn genährt worden – was mehr ist!“229

226 Vgl. R OUSSEAU 1999, 179: „The classical literary canon, therefore, with its pagan allusions, was to be approached by Christians, not with rejection or fear, but (as in the theater) with a suspension of belief.“ 227 Aug. civ. VIII 10 (226,1–8 D./K.): „quamuis enim homo christianus litteris tantum ecclesiasticis eruditus platonicorum forte nomen ignoret, nec utrum duo genera philosophorum extiterint in graeca lingua, ionicorum et italicorum, sciat: non tamen ita surdus est in rebus humanis, ut nesciat philosophos uel studium sapientiae uel ipsam sapientiam profiteri. cauet eos tamen, qui secundum elementa huius mundi philosophantur, non secundum deum, a quo ipse factus est mundus“; Übers. nach THIMME, 387; eine vergleichbare Kritik findet sich in Aug. in psalm. 144,7 (s.o. S. 396). 228 Aug. civ. X 14 (288,1–3 D./K.): „sicut autem unius hominis, ita humani generis, quod ad dei populum pertinet, recta eruditio per quosdam articulos temporum tamquam aetatum profecit accessibus“. 229 Aug. serm. 133,4 (PL 38, 738f.): „uidete, fratres mei, distinguite nutriti in ecclesia, eruditi in scripturis dominicis, non rudes, non rustici, non idiotae. sunt enim inter uos docti et eruditi uiri et quibus-

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Der Prediger spricht also eine aus der Perspektive weltlicher Bildung gemischte Gemeinde an und behaftet sie bei dem, was sie eint: die Bildung in sermone Dei, vermittelt anhand der scripturae dominicae. Dabei liegt der Sinn christlicher Bildung keineswegs darin, die „bene eruditi“ zu „minus eruditi“ werden zu lassen, sondern umgekehrt: Alle sollen sich der Bildung des Herrn erfreuen können.230 Die Kenntnis der artes liberales birgt aber die beständige Gefahr, das soziale Leitbild des „freien Mannes“ mit der durch Christus erworbenen Freiheit zu verwechseln: So fragt Augustin Bischof Memor, den Vater Julians, was denen, die ungerecht und unfromm lebten, sich aber ihrer „freien“ Erziehung rühmten, zu entgegnen sei, „wenn nicht, dass wir in den wahrhaft freien Schriften lesen: ‚Wenn euch der Sohn frei macht, dann werdet ihr in Wahrheit frei sein‘“ (Joh 8,36).231 Die neue eruditio impliziert einen neuen Umgang miteinander, wie eine Homilie zum Johannesevangelium zeigt: „Was willst du gleichsam als Gelehrter den Ungelehrten verleumden? Ich ziele aufs Tun, du aufs Sehen, so wollen wir beide als Ungelehrte eine Antwort von unserem Lehrer erbitten, aber nicht in seiner Schule nach Art der Kinder miteinander streiten.“232

Für die Erziehung in kirchlichem Kontext wird also das Bild der Schule zugleich rezipiert und transformiert: Nicht der sinnentleerte Streit um Worte und Geltung soll die „Schule des Herrn“ prägen, sondern das Miteinander von Gelehrten und Ungelehrten, die vor Christus unterschiedslos als indocti erscheinen. Wie für sein Predigtverständnis die Funktion des Lehrens und damit die Rolle des Lehrers zentral ist (vgl. oben S. 346f.), so gilt ihm die Kirche insgesamt als schola Christi und Christus als ihr magister: „Christus ist es, der lehrt; sein Katheder steht im Himmel… Seine Schule befindet sich auf der Erde, und seine Schule ist sein Leib. Das Haupt lehrt seine Glieder.“233

cumque litteris non mediocriter instructi: et qui illas litteras quae liberales uocantur, non didicistis, plus est quod in sermone dei nutriti estis“; s. auch oben S. 330f. 230 Aug. quant. anim. 14,24 (CSEL 89, 161,9–15 Hörmann): „quod facilius contingit his, qui aut bene eruditi ad haec accedunt, non studio inanis gloriae, sed divuino amore veritatis accensi aut qui iam in his quaerendis versantur, quamvis minus eruditi ad investiganda ea venerint, si patienter bonis se dociles praebent atque ab omni corporum consuetudine, quantum in hac vita permittitur, semet avertunt.“ 231 Aug. ep. 101,2 (CSEL 34/2, 540,5–8 G.): „quid enim aliud dicendum est eis, qui cum sint iniqui et impii, liberaliter sibi uidentur eruditi, nisi quod in litteris uere liberalibus legimus: ‚si uos filius liberauerit, tunc uere liberi eritis‘.“ 232 Aug. in euang. Joh. 18,6 (183,26–29 W.): „quid quasi doctus calumniaris indocto? ego ad faciendum, tu ad uidendum, ambo indocti a magistro quaeramus, non in schola eius pueriliter litigemus.“ 233 Aug. discipl. 15 (CChr.SL 46, 223,382–384 vander Plaetse): „Christus est qui docet; cathedram in caelo habet ... schola ipsius in terra est, et schola ipsius corpus ipsius est. caput docet membra sua“; vgl. serm. 292,1,1 (PL 38, 1320); in ep. Ioh. 3,13 (SC 75, 210 Agaesse): „Interior ergo magister est qui docet: Christus docet, inspiratio ipsius docet.“ Vgl. STUDER 1996; VERWILGHEN 1998, 241; Cornelius MAYER, eruditio, in: AL 2 (2002), 1098–1114, bes. 1106.

5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht

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Die Christen sind daher „eruditi in schola magistri caelestis“234, das heißt: sie sind „unterwiesen in seiner Literatur“, in der Heiligen Schrift, die von Christus handelt und zugleich auf ihn als Autor zurückzuführen ist.235 Was für Schüler er sich vorstellt, führt Augustin in einer Predigt zu Psalm 143 weiter aus: „Die Überschrift dieses Psalms lautet: ‚Gegen Goliath‘. Solche, die in der Heiligen Schrift nicht unbeleckt sind, die diese Schule gerne besuchen, die nicht wie die verzweifelten Kinder den Lehrer hassen, die den Vorlesern in der Kirche ein aufmerksames Ohr leihen und den Eingang ihres Herzens den Fluten der göttlichen Schrift weit öffnen, die nicht innerhalb der vier Wände ihres Hauses ihren eigenen Interessen frönen und sich an den traditionellen Fabeln erfreuen, so dass sie hierher kommen, um welche zu finden, mit denen sie über Unnützes quatschen, anstatt mit ihnen auf Nützliches zu hören, die nicht lieber über andere Dinge reden, solange sie mit ihren eigenen nicht im Reinen sind, die sich also nicht in solcher [falschen] Weise versammeln, und die überhaupt regelmäßig kommen – die sind eben auch nicht ratlos angesichts dieses Titels, der lautet: ‚Gegen Goliath‘; denn sie wissen, wer Goliath war. Dennoch wollen wir um einiger willen, die jetzt – anders als zu anderen Zeiten – aufmerksam sind oder die mit weltlichen Dornen, d.h. mit der Sorge alltäglicher Geschäfte das Wort, das in ihrem Herzen gleichsam als nutzbringender Samen ist, zu ersticken pflegen, auch jene uralten Geschichten erzählen, die denen geläufig sind, die aufmerksam und lernbegierig bezüglich der göttlichen Schriften sind.“236

Traditionelle Klagen über Schüler aller Altersstufen verbinden sich hier mit Ermahnungen an Predigthörer, die für die Heilige Schrift kein kontinuierliches Interesse aufbringen. Darin tritt ein Charakteristikum kirchlicher Verkündigung und Lehre hervor: Anders als der Schüler hat der Christ nie ausgelernt; bereits Laktanz betonte, dass die paganen Lehrer „niemanden auf den Weg der Erkenntnis bringen außer Kinder und Heranwachsende, denn in diesem Alter lernt man die freien Künste. Wir aber führen Menschen jeden Geschlechts, Herkommens und Alters in diesen himmlischen Weg ein, weil 234

Serm. 52,4,13; 122,3,3 (PL 38, 359. 681); in Psalm. 143,1 (CSEL 95/5, 74,25 G.) u.ö. Aug. serm. 270,1 zu Pfingsten (PL 38, 1237): „Sub hoc ergo magistro, cuius cathedra coelum est, quia erudiendi sumus litteris eius, advertite pauca quae dicam, donante ipso qui iubet ut dicam“; zu Christus als Autor der Hl. Schrift vgl. cons. euang. I 54 (CSEL 43, 60,20–61,7 Weihrich). 236 Aug. serm. 32,1 (CChr.SL 41, 398,22–33 Lambot): „Primotitulus eius est, Ad Goliam. qui rudes non sunt in scripturis diuinis, qui amant frequentare istam scolam, qui non oderunt magistrum sicut pueri desperati, et intentam aurem praebent in ecclesia lectoribus atque exceptorium cordis sui in fluentia scripturae diuinae patefaciunt, qui non intra istos parietes domus suae curam gerunt et domesticis fabulis delectantur, ut ideo conueniant ut inueniant cum quibus loquantur nugatoria, non cum quibus audiant utilia; qui non amant loqui de rebus alienis, cum defecerint in suis: qui ergo non ita conveniunt, et frequenter conueniunt, non sunt rudes in isto titulo Psalmi, quod scriptum est, Ad Goliam; norunt quis fuerit Golias. Tamen propter alios qui uel nunc intenti sunt, alio, autem tempore minus sunt intenti, uel fortasse spinis saecularibus, id est, negotiorum mundanorum curis, uerbum in corde suo tanquam semen utile offocare consuerunt, narremus etiam ista peruetera, et usitata intentis et studiosis Litterarum diuinarum.“ Zur Kirche als „Schule des Herrn“ vgl. STUDER 1996, 488 sowie 489 Anm. 33 den Hinweis auf Aug. in psalm. 98,1 (1378,2f. D./Fr.): „filii ecclesiae, et eruditi in schola Christi per omnes litteras antiquorum patrum nostrorum, qui scripserunt uerba Dei“. 235

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Gott, der der Führer auf diesem Weg ist, keinem geborenen Menschen die Unsterblichkeit verwehrt.“237 Der Sicht aller Gemeindeglieder als Schüler entspricht bei Augustin die Aufforderung, den Bischof als Lehrer der Heiligen Schrift zu schätzen – ein Amt, das Augustin auch als litterator bezeichnen kann, so dass der Prediger als christlicher Elementarlehrer erscheint.238 Die Sprachgestalt einer solchen christlichen Elementarunterweisung wurde bereits unter dem Stichwort der „Fischerpredigt“ thematisiert. Natürlich erinnert der spätantike Bischof eher selten an einen ungebildeten Fischer, und gerade diejenigen, die sich auf dieses Sprachspiel berufen, sind in den weltlichen Wissenschaften durchaus bewandert. Die Pointe ist daher nicht, dass Bischöfe ungebildet sein müssten, sondern dass sie ihre Fähigkeiten so einsetzen, dass Form und Inhalt der Predigt übereinstimmen. Leo I. entfaltet dies in einem mahnenden Brief an Kaiser Leon, der die Beschlüsse des Konzils von Chalcedon nicht zur Disposition stellen dürfe (was der Patriarch von Alexandrien, Timotheus Aelurus, forderte). Gegen die inspirierten Beschlüsse eines Konzils zu streiten sei ja ein Zeichen weltlicher Disputierlust: „Denn wenn es freistünde, stets über menschliche Meinungen zu streiten, würde es niemals an Leuten fehlen, die der Wahrheit zu widerstreben und auf die Geschwätzigkeit der weltlichen Weisheit [vgl. 2 Tim 2,14] zu vertrauen wagten. Darum erkennt man aus der Anordnung unseres Herrn Jesus Christus selbst, dass christlicher Glaube und Weisheit diese höchst verderbliche Eitelkeit, so weit es geht, meiden müssen: Der alle Völker zur Erleuchtung durch den Glauben rufen wird, der wählte nicht aus den Philosophen und Rednern die aus, die ihm durch die Verkündigung des Evangeliums dienen sollten, sondern aus den Niederen und Fischern, durch die er sich zeigte, nahm er diese, damit nicht die himmlische Lehre, voll aller Tugenden, als der Hilfe durch wohlgesetzte Worte bedürftig erschiene. Weshalb der Apostel aufbegehrt und sagt: ‚Der Herr hat mich nicht zum Taufen, sondern zur Verkündigung des Evangeliums gesandt, nicht in der Weisheit des [menschlichen] Wortes, damit nicht das Kreuz Christi seines Sinnes entleert würde: Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit für die, die vergehen werden, für die aber, die gerettet werden, ist es die Macht Gottes. Denn es steht geschrieben: Ich werde die Weisheit der Weisen verderben und die Klugheit der Klugen zurückstoßen. Wo ist ein Weiser? wo ein Schriftgelehrter? wo einer, der diese Weltzeit erforscht? Hat Gott nicht die Weisheit dieser Welt zu Torheit gemacht?‘ [1 Kor 1,17–20]. Rhetorische Beweisgründe und die menschlichen Einrichtungen der Verschlagenheit des Disputierens werden nämlich besonders dann gerühmt, wenn sie in ungewissen und aufgrund der Vielzahl an Meinungen undurchschaubaren Angelegenheiten das Verständnis der Hörer auf das lenken, was jeder seinem Scharfsinn und seiner Eloquenz zu behaupten zuschreibt; und so geschieht es, dass das, was mit größerer Kunstfertigkeit verteidigt wird, als wahrer gilt. Aber das Evangelium von Christus bedarf solcher Kunst nicht, in dem die Lehre der 237 Lact. inst. VI 3,15f. (488,13–17 Br.): „Sed neque ingredi faciunt in eam uiam [sc. der Erkenntnis], nisi pueros et adolescentes; uidelicet quod artes in his discantur aetatibus. Nos autem homines omnis sexus et generis et aetatis in hoc caeleste iter inducimus, quia deus, qui eius uiae dux est, immortalitatem nulli homini nato negat.“ 238 Aug. ep. 104,1,3 (CSEL 34/2, 584,4f. G.): „hoc congruit et litteris sacris, quarum me cupio litteratorem“; zum Begriff des litterator vgl. oben S. 28–31.

5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht

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Wahrheit in ihrem eigenen Licht zum Vorschein kommt; und man fragt nicht, was den Ohren schmeichelt, wo es für wahren Glauben reicht, zu wissen, wer lehrt.“239

Der wahre christliche Lehrer ist demnach wie bei Augustin Christus, der für die Verkündigung einfache Menschen in seinen Dienst nahm, bei denen die Gefahr rhetorischer und dialektischer Selbstverliebtheit nicht bestand. Diese lehrten weniger durch Worte als durch ihr Leben, wie der heilige Laurentius: „Die Redekunst mag zum Bitten geeignet sein, der Verstand ist wirkungsvoll beim Überreden – gewichtiger als Worte sind jedoch Vorbilder, und es ist besser, mit der Tat zu lehren als mit der Stimme.“240

Exempla sind hier mehr als ethisch gute Handlungen, bei einem Märtyrer wie Laurentius wird man vielmehr das Glaubenszeugnis durch den eigenen Tod anklingen hören. Jede Predigt kann bestenfalls dieses Zeugnis bekräftigen, bleibt aber notwendig hinter ihm zurück, wenn sich der Prediger allein auf seine eloquentia verlässt. Die scharfe Antithese Leos muss nicht bedeuten, dass beim Vortragen dieses Glaubenszeugnisses rhetorische Kompetenzen von vorneherein unnütz wären, entscheidend ist jedoch das Gefälle, das in ähnlicher Weise Hieronymus zu Ez 16,13 („ornata es auro et argento…“) formuliert: „Zumeist beziehen wir das Gold auf den Verstand, das Silber auf die Redekunst. Und der Herr möge uns zuteil werden lassen, dass wir würdig seien, den göttlichen Sinn und seine Weisheit zu empfangen und das, dessen wir im Verstand inne werden, mit dem Liebreiz der Rede vorzutragen und nicht aus jenen Götzen zu machen wie die Häretiker, über die geschrieben steht: ‚Ich habe ihnen Silber und Gold gegeben, sie aber haben aus Silber und Gold einen Baal gemacht!‘“241 239 Leo I., ep. 164,2 vom 17.8.458 (PL 54, 1149B–1150A = ep. 103; ACO II 4, 110,36– 111,19 Schwartz): „Nam si humanis persuasionibus semper disceptare sit liberum, numquam deesse poterunt qui ueritati audeant resultare, et de mundanae sapientiae loquacitate confidere: cum hanc nocentissimam uanitatem quantum debeat fides et sapientia Christiana uitare ex ipsa Domini nostri Jesu Christi institutione cognoscat; qui omnes nationes ad illuminationem fidei uocaturus, non de philosophis aut de oratoribus, qui praedicando Euangelio famularentur, elegit; sed de humilibus et piscatoribus, per quos se manifestaret, assumpsit, ne doctrina coelestis, quae erat plena uirtutum, auxilio uideretur indigere uerborum. Unde Apostolus protestatur et dicit: Non enim misit me Christus baptizare, sed euangelizare; non in sapientia uerbi, ne euacuetur crux Christi: uerbum enim crucis pereuntibus quidem stultitia est, his autem qui salui fiunt uirtus Dei est; scriptum est enim: ‚Perdam sapientiam sapientium, et prudentiam prudentium reprobabo. Ubi sapiens? ubi scriba? ubi inquisitor hujus saeculi? Nonne stultam fecit Deus sapientiam hujus mundi?‘ Argumenta enim rhetorica et institutae ab hominibus uersutiae disputandi in eo praecipue gloriantur, si in rebus incertis et opinionum uarietate confusis, ad hoc audientium trahant sensum, quod asserendum ingenio atque eloquio suo quisque delegerit; et ita fit ut quod majore facundia defenditur, uerius aestimetur. Sed Christi Euangelium hac arte non indiget, in quo doctrina ueritatis sua luce manifestata est; nec quaeritur quid auribus placeat, ubi uerae fidei sufficit scire quis doceat“; vgl. BLÜMER 1991, 55f. 240 Tract. 85,1 (CChr.SL 138A, 535,19–21 Chavasse): „Sit eloquentia facilis ad exorandum, sit ratio efficax ad suadendum, ualidiora tamen sunt exempla quam uerba et plus est opere docere quam uoce.“ 241 Hier. in Ezech. IV 16,13 (CChr.SL 75, 177,1308–1314 Glorie): „Crebro diximus aurum ad mentem, argentum ad eloquium pertinere. Tribuatque nobis Dominus, ut diuinum sensum accipere mereamur atque sapientiam et id quod mente concipimus eloquii uenustate proferre. Et nequaquam ex his

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Hieronymus sieht sich dabei auf den Spuren des Apostels Paulus, der das rechte Wissen um Christus eindeutig der sprachlichen Gewandtheit vorzog: „Der Apostel sagt: ‚Auch wenn ich in der Sprache unerfahren bin, bin ich es doch nicht im Wissen‘ [2 Kor 11,6]. Ihm fehlte beides nicht, aber das eine leugnete er demütig ab; mir fehlt beides, weil ich jede lobenswerte Fähigkeit, die ich als Knabe hatte, verloren und das Wissen, das ich haben wollte, trotzdem nicht erlangt habe; ich habe – Äsops Fabel vom Hund – Großes erstrebt und dabei auch das Geringere eingebüßt.“242

Die Adressatin Marcella soll natürlich erkennen, dass dem Absender – wie dem Apostel – weder geistliche Einsicht noch die Fähigkeit, diese kunstgerecht zu formulieren, fehlen; es dürfte ihr kaum eingeleuchtet haben, dass der Autor der magna (der brieflich übermittelten exegetischen Erkenntnisse) völlig die minora (die weltliche Bildung) entbehren sollte, schon gar nicht, wenn diese durch die Anspielung auf Äsop dezent zur Geltung gebracht werden.243 Die zitierte Paulusstelle kann aber als Schlüssel zum Bild des christlichen Lehrers und Exegeten gelten, wie Hieronymus ihn seinen Lesern beschreibt: [Didymus der Blinde] „ist zwar ‚unerfahren im Reden, aber nicht in der Erkenntnis‘ [2 Kor 11,6]. Schon der Stil verrät den apostolischen Mann, sowohl was den Gehalt seiner Ausführungen als auch was die Einfachheit der Formulierung angeht.“244

Hieronymus legt wie Augustin Wert darauf, dass die imperitia des „vir apostolicus“ spezifische Qualität hat, also nicht mit Unbelecktheit von jeglicher Bildung gleichzusetzen ist. Biblische Bildung hat Stil – nur nicht den, den man in Rhetorikschulen lernen und auf dem Forum gewinnbringend einsetzen kann! Der apostolische sermo ist an die apostolische vita geknüpft, wie Hieronymus Pammachius mit Anspielung auf dieselbe Paulusstelle erläutert: „Und ich tadele bei keinem Christen die Unerfahrenheit der Sprache – immerhin haben wir ja sogar von Sokrates jenen Ausspruch: ‚Ich weiß, dass ich nichts weiß‘, und von einem anderen Weisen: ‚Erkenne dich selbst!‘ –, verehrungswürdig erschien mir stets nicht die wortreiche Plumpheit, sondern die heilige Einfalt: Wer behauptet, die Apostel in der Sprache nachzuahmen, der ahme sie zuerst im Leben nach.“245

facere idola, sicut faciunt haeretici, de quibus scriptum est: ‚Dedi eis argentum et aurum, ipsi uero ex argento et auro fecerunt Baal‘“ (Hos 2,10 LXX). 242 Hier. ep. 29,7,2 (CSEL 54, 242,5–9 H.): „etsi inperitus sum, inquit, sermone, apostolus, sed non scientia. illi utrumque non deerat, et unum humiliter rennuebat; nobis utrumque deest, quia et, quidquid pueri plausibile habueramus, amisimus nec scientiam, quam uolebamus, consecuti sumus Aesopici canis fabula –, dum magna sectamur, etiam minora perdentes“; Übers. TORNAU 2006, 95. 243 Sulp. Sev. dial. I 27,5 (180,1–4 H.) entlarvt das literarische Spiel: „ceterum cum sis scholasticus, hoc ipsum quasi scholasticus artificiose facis, ut excuses imperitiam, quia exuberas eloquentia. sed neque monachum tam astutum neque Gallum decet esse tam callidum“; s.TORNAU 2006, 95 Anm. 321. 244 Hier. Didym. spir. prol. (78,8–11 S.): „Imperitus sermone est, sed non scientia, apostolicum virum ex ipso stilo exprimens, tam sensuum nomine quam simplicitate verborum.“ 245 Hier. ep. 57,12,4 (CSEL 54, 525,17–526,1 H.): „nec reprehendo in quolibet Christiano sermonis inperitiam – atque utinam Socraticum illud haberemus: ‚scio, quod nescio‘ et alterius sapientis: ‚te

5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht

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Maßstab ist also nicht rusticitas als solche, schon gar nicht, wenn sie sich mit vielen Worten (uerbosa) in den Vordergrund spielt, sondern die sancta simplicitas, in deren Nachahmung in Reden und Handeln das apostolische Proprium bestehe: „Heiligkeit ohne Bildung (sancta rusticitas) nützt nur ihrem Träger“, schreibt Hieronymus pointiert an Paulinus von Nola.246 Müsste man wählen, wäre zwar die Präferenz für rusticitas gegenüber der eloquentia nicht fraglich: „Weder möge sich ein bäurischer und ganz schlichter Bruder für heilig halten, wenn er nichts weiß, noch möge einer, der sprachgewandt und redekundig ist, in der Sprache die Heiligkeit schätzen – um wieviel besser ist es aber, von diesen beiden mangelhaften Dingen die heilige Bäurischkeit zu besitzen als die sündhafte Redekunst!“247

Doch das ist für Hieronymus letztlich nicht die entscheidende Alternative. Eine der Bibel wirklich angemessene Bildung setzt auf die Einheit von Leben und Lehre, Heiligkeit und Wissen. Obwohl sie im Zweifelsfall auf das Rüstzeug der Rhetoren verzichten kann, ist ihre Sprachgestalt nicht gleichgültig. Paulus dient mit der zitierten Stelle als Gewährsmann dafür, dass sermo und scientia eine Einheit bilden, dass die scientia vom Kreuz Christi also einen ihr entsprechenden sermo aus sich heraussetzt, der als solcher durchaus Stil hat. Hieronymus konkretisiert dies im dritten Buch seines Galaterkommentars für Eustochium und Paula. Kritik an seinem vermeintlich uneleganten Stil weist er entschieden zurück: „Darauf kann ich nur antworten, dass ich weder eine Preisrede noch einen Disput vor Gericht schreibe, sondern einen Kommentar, d.h. ich habe den Vorsatz, dass nicht meine Worte gelobt werden, sondern dass das, was von einem anderen gut gesagt worden ist, so verstanden wird, wie es gesagt wurde.“248

Sowohl der Panegyricus als auch die controversia sind unstatthaft, wo es um die Christusbotschaft geht; daher seien pagane Rhetoren für Christen ungeeignet: „Wenn einer Redekunst sucht oder sich an Deklamationen erfreut, hat er in beiden Sprachen Demosthenes und Cicero, Polemon und Quintilian. Die Kirche Christi setzt sich nicht aus [Schülern] der [platonischen] Akademie oder des [aristotelischen] Lycaeums, sondern aus geringstem Pöbel zusammen.“249

ipsum intellege‘! –, uenerationi mihi semper fuit non uerbosa rusticitas, sed sancta simplicitas: qui in sermone imitari se dicit apostolos, prius imitetur in uita.“ 246 Hier. ep. 53,3,4 (CSEL 54, 447,14): „sancta quippe rusticitas sibi soli prodest“ (zu Tit 1,9). 247 Hier. ep. 52,9,3 (CSEL 54, 431,9–13): „nec rusticus et tantum simplex frater ideo se sanctum putet, si nihil nouerit, nec peritus et eloquens in lingua aestimet sanctitatem, multoque melius est e duobus inperfectis rusticitatem sanctam habere quam eloquentiam peccatricem.“ Vgl. TORNAU 2006, 97. 248 Hier. in Gal. III praef. (PL 26, 400C): „sit responsum me non panegyricum aut controversiam scribere sed commentarium, id est, hoc habere propositum, non ut mea verba laudentur, sed ut quae ab alio bene dicta sunt ita intelligantur ut dicta sunt.“ 249 Ebd. (PL 26, 400CD): „Si quis eloquentiam quaerit uel declamationibus delectatur, habet in utraque lingua Demosthenem et Tullium, Polemonem et Quintilianum. Ecclesia Christi non de Academia et Lyceo, sed de vili plebecula congregata est“; vgl. BREITENBACH 2003, 167f. mit Anm. 15.

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Das heißt allerdings nicht, dass beide Arten von Literatur beziehungslos nebeneinander stünden, so dass also Gebildete zu den Schultexten der Philosophen, Ungebildete zur Bibel greifen sollten.250 Vielmehr lässt Hieronymus die Archegeten der Akademie und des Peripatos als Größen vergangener Zeiten erscheinen, die von einer neuen Bewegung sui generis abgelöst worden seien: „Wie wenige lesen heute noch Aristoteles oder kennen die Bücher Platons mit Namen! Kaum dass die müßigen Greise in ihren Schlupfwinkeln sich ihrer entsinnen. Von unseren Landbewohnern und Fischern aber redet der ganze Erdkreis, hallt die ganze Welt wider. Daher sind deren einfachen Worte in einfacher Sprache zu verbreiten.“251

Die Alternative von paganem und christlichem Sprachspiel wird verschärft, indem Hieronymus auch christliche Autoren in seiner Kritik einbezieht: „Nicht dass ich nicht wüsste, dass Gaius Marius Victorinus, der in Rom Rhetorik lehrte, als ich ein Junge war, Kommentare zu den Briefen des Apostels herausgegeben hat; aber weil er ganz von der Bildung der weltlichen Schriften in Beschlag genommen war, erkannte er überhaupt nicht die Eigenart der Heiligen Schrift; und niemand, wie beredt er auch sein mag, kann gut über das handeln, was er nicht kennt.“252

Als Konsequenz daraus betont Hieronymus in seinem Amoskommentar, dass „für die Erklärung der Heiligen Schrift keine wohlgesetzten und mit rhetorischen Blüten geschmückten Worte erforderlich sind, sondern Erziehung und Einfachheit der Wahrheit.“253 Eruditio und simplicitas sind also Kennzeichen der ueritas, die sich nicht an rudes und simplices richtet, sondern an Christen, die in ihrer spezifischen Weise gebildet sind, in einer anderen („weltlichen“) Weise dagegen nicht gebildet sein müssen (dies aber sein können). Hieronymus

250 Einem solchen Verständnis sucht Sidonius Apollinaris zu wehren, wenn er Donidius von einer Bibliothek berichtet, in der für Frauen und Männer verschiedene Regale vorgesehen seien, für erstere die religiösen Schriften, für letztere der „Kothurn lateinischer Redekunst“; unter diesen seien jedoch Christen und „Heiden“ wie Augustin und Varro, Horaz und Prudentius vereint, weil sie schließlich alle dieselbe literarische Gabe besäßen (ep. II 9,4 a. 465; II 64 L.): „Huc adfatim libri in promptu (uidere te crederes aut grammaticales pluteos aut Athenaei cuneos aut armaria, exstructa bybliopolarum): sic tamen quod, qui inter matronarum cathedras codices erant, stilus his religiosus inueniebatur, qui uerum per subsellia patrumfamilias, hi coturno Latiaris eloquii nobilitabantur; licet quaepiam uolumina quorumpiam auctorum seruarent in causis disparibus dicendi parilitatem: nam similis scientiae uiri, hinc Augustinus hinc Varro, hinc Horatius, hinc Prudentius lectitabantur“; dazu EIGLER 2003, 117. 251 In Gal. III praef. (PL 26, 401B): „Quotusquisque nunc Aristotelem legit? quanti Platonis vel libros novere vel nomen? Vix in angulis otiosi eos senes recolunt. Rusticanos vero et piscatores nostros totus orbis loquitur, universus mundus sonat. Itaque sermone simplici simplicia eorum verba pandenda sunt.“ 252 Hier. in Gal. praef. (PL 26, 308A): „non quod ignorem Gaium Marium Victorinum, qui Romae, me puero, rhetoricam docuit, edidisse commentarios in apostolum; sed quod occupatus ille eruditione saecularium litterarum, scripturas omnino sanctas ignorauerit: et nemo possit, quamuis eloquens, de eo bene disputare, quod nesciat“; zu Marius Victorinus als Rhetor vgl. oben S. 392f. 253 In Amos III praef. (CChr.SL 76, 300,54–56 Adriaen): „In explanatione sanctarum scripturarum non uerba composita et oratoriis floribus adornata sed eruditio et simplicitas quaeritur ueritatis.“

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selbst präsentiert sich immer wieder als jemand, der beide Diskurse perfekt beherrscht, so im Rahmen eines Schriftstellerkataloges im Jesajakommentar: „Zweifellos habe ich für Lerneifrige geschrieben, die die Heilige Schrift zu kennen begehren, nicht für Wählerische, die bei jedem Einzelnen die Nase rümpfen. Wenn jemand einen Strom der Beredsamkeit und kunstgerecht gefügte Deklamationen wünscht, möge er Cicero, Quintilian, Gallio und Gabinianus lesen und, um zu unseren Autoren zu kommen, Tertullian, Cyprian, Minucius Felix, Arnobius, Laktanz und Hilarius. Mir aber ist die Aufgabe gestellt, dass durch meine Auslegung Jesaja erläutert wird, und nicht, dass anhand von Jesaja meine eigenen Worte gelobt werden.“254

Bemerkenswert ist, dass den „heidnischen“ Rhetoren gleichwertige christliche Autoren zur Seite gestellt werden. Hier begegnet in nuce das in De viris illustribus ausgeführte Programm, den „Heiden“ (genannt werden Intellektuelle wie Celsus, Porphyrius und Julian) zu beweisen, dass auf christlicher Seite mindestens ebenso viel literarische Begabung zu finden ist: „Diese gegen Christus wütenden Hunde und ihre Anhänger, die meinen, die Kirche besäße keine Philosophen und Redekundigen oder Lehrer, mögen lernen, wie viele und was für welche Männer sie gegründet, aufgebaut und geschmückt haben – und sie mögen davon ablassen, unseren Glauben der bäuerlichen Einfalt zu bezichtigen, und vielmehr ihre eigene Unwissenheit anerkennen.“255

Der Kontext entscheidet also, in welchem Maß auf die Beredsamkeit christlicher Autoren positiv Bezug genommen wird: Gegenüber Celsus und Porphyrius, die den Christen Bildung rundheraus absprachen, und Julian, der sie sogar von deren Vermittlung und (nach christlicher Lesart) von ihrem Erwerb abhalten wollte, streicht Hieronymus heraus, welches Zerrbild des Christentums solche Autoren präsentieren – und liefert damit auch seinen Lesern in der römischen Oberschicht eine Rechtfertigung ihrer literarischen Interessen. Um den Propheten Jesaja zu kommentieren, hat der Ausleger dagegen in den Hintergrund zu treten und keinen eigenen Ruhm zu beanspruchen. Dem literarischen Geschmack der fastidiosi darf er um der Sache willen nicht entsprechen – was Hieronymus selbst natürlich könnte, wie die ausgiebig verwendete Topik am Ende eines Briefes an zwei gallische Asketinnen zeigt: „Dies alles habe ich in kurzer Nachtarbeit in schnellem Stil diktiert, weil ich den Wunsch des Bittstellers erfüllen wollte, und mich dabei gleichsam in einem schulmäßigen Thema

254 Hier. in Is. VIII prol. (CChr.SL 73, 315,9–16 Adriaen): „Certe nos studiosis scribimus, et sanctam scripturam scire cupientibus, non fastidiosis et ad singula nauseantibus. Qui si flumen eloquentiae, et concinnas declamationes desiderant, legant Tullium, Quintilianum, Gallionem, Gabinianum, et ut ad nostros ueniam, Tertullianum, Cyprianum, Minutium, Arnobium, Lactantium, Hilarium. Nobis propositum est Esaiam per nos intellegi, et nequaquam sub Esaiae occasione nostra uerba laudari.“ 255 Hier. vir. ill. praef. 7 (BPat 12, 58 Ceresa-Gastaldo): „Discant ergo Celsus, Prophyrius et Iulianus, rabidi adversum Christum canes, discant sectatores eorum, qui putant ecclesiam nullos philosophos et eloquentes, nullos habuisse doctores, quanti et quales viri eam fundaverint, exstruxerint, adornaverint, et desinant fidem nostram rusticae tantum simplicitatis arguere suamque potius imperitiam recognoscant.“

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geübt – denn noch am selben Tag klopfte der zum Aufbruch bereite Bote mit der Hand an die Tür –, und um zugleich auch meinen Kritikern zu zeigen, dass auch ich alles ausdrücken kann, was mir gerade in den Mund gelangt. Darum habe ich darin auch nur weniges aus der Hl. Schrift herangezogen und mein Redevermögen nicht, wie ich das in anderen Büchern zu tun pflege, mit deren Blüten bedeckt. Dahingeworfen wirkt der Stil und mit solcher Leichtigkeit beim Licht des Öllämpchens ausgegossen, dass die Hand der Schreiber der Zunge vorauseilte und die Schnelligkeit der Sprache die Zeichen und Abkürzungen der Worte übertraf.“256

Entsprechend wird im Brief an Marcella als Kriterium für die Auswahl religiöser Literatur für Frauen der Inhalt, nicht die Ästhetik angewandt: „Aber weil der Überbringer und Mittler unserer Rede auf die Heimkehr dringt, habe ich eine große Sache schneller diktiert als ich sollte. Für den, der über die Heilige Schrift handelt, sind nämlich weniger die Worte vonnöten als das Verständnis; denn wenn wir Redekunst suchen, muss man Demosthenes oder Cicero lesen, wenn es um die göttlichen Heilsmittel geht, sind unsere Bücher heranzuziehen, die aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt nicht gut klingen.“257

Pagane Autoren haben demnach grundsätzlich nichts mit der Auslegung biblischer Bücher zu tun. Darum rekurriert Hieronymus in seinem Galaterkommentar für die Geschichte der Galater nicht auf Varro, den „cunctarum antiquitatum diligentissimus perscrutator“, sondern auf Laktanz, was er allerdings selbst als einer Rechtfertigung bedürftig empfindet: „Weil es mir untersagt ist, unbeschnittene Menschen in den Tempel Gottes einzuführen [vgl. Ez 44,9] – und, ehrlich gesagt, sind schon viele Jahre vergangen, seit ich aufgehört habe, so etwas zu lesen –, bringe ich an dieser Stelle die Worte unseres Laktanz, der sich in seinem dritten Buch an Probus über dieses Volk geäußert hat.“258

Freilich wird auf derselben Seite Varro als Autorität angeführt; die zitierte Laktanz-Passage enthält selbst ein Vergil-Zitat.259 Daran wird die rhetorische 256 Hier. ep. 117,12,1f. (CSEL 55, 434,5–13 H.): „haec ad breuem lucubratiunculam celeri sermone dictaui uolens desiderio postulantis satisfacere et quasi ad scholasticam materiam me exercens – eadem enim die mane pulsabat ostium, qui profecturus erat – simulque, ut ostenderem obtrectatoribus meis, quod et ego possim, quicquid uenerit in buccam, dicere. unde et de scripturis pauca perstrinxi nec orationem meam, ut in ceteris libris facere solitus sum, illarum floribus texui, extemporalis est dictio et tanta ad lumen lucernulae facilitate profusa, ut notariorum manus lingua praecurreret et signa ac furta uerborum uolubilitas sermonis obrueret.“ Die Adressatinnen sind namentlich nicht bekannt (vgl. FÜRST 2003, 155). 257 Hier. ep. 29,1,3 an Marcella (232,18–233,5 H.): „Sed quia uector et internuntius sermonis nostri redire festinat, rem grandem celerius dicto quam debeo, licet de scripturis sanctis disputanti non tam necessaria sint uerba quam sensus, quia, si eloquentiam quaerimus, Demosthenes legendus aut Tullius est, si sacramenta diuina, nostri codices, qui de Hebraeo in Latinum non bene resonant, peruidendi.“ 258 Hier. in Gal. II praef. (PL 26, 353C): „Sed quia nobis propositum est incircumcisos homines non introducere in templum Dei – et ut simpliciter fatear, multi iam anni sunt quod haec legere desivimus – Lactantii nostri, quae in tertio ad Probum volumine de hac gente opinatus sit, verba ponemus.“ 259 H AGENDAHL 1958, 120f. spricht daher von „hypocrisy“. Laktanz’ vier Briefbücher an Probus (frg. 1; CSEL 27/1, 155,7–14 Brandt, mit Zitat von Verg. Aen. VIII 660f.) sind verloren, aber in Hier. vir. ill. 80,2 (186 C.-G.) bezeugt; vgl. WLOSOK, HLL 5, 401.

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Strategie deutlich, die Hieronymus in seinem exegetischen Werk verfolgt: Die kategoriale Differenz zwischen paganen literarischen Maßstäben und der Bibel als genuin christlicher Literatur hindert ihn nicht, gelegentlich oder sogar durchgängig auf „heidnische“ Autoren zu rekurrieren, solange im Blick auf den Wahrheitswert deren Unterordnung unter die Heilige Schrift garantiert ist. Diese Differenz ist für den Autor und seine gebildeten christlichen Leser kein Ausschlusskriterium; und so illustriert die Ersetzung Varros durch Laktanz das rhetorische Spiel, das Hieronymus’ Schriftauslegung insgesamt prägt. Die ostentative Grenzziehung gegenüber paganen Autoren bei der Schriftauslegung spiegelt freilich auch das Unbehagen wider, das nicht nur „Heiden“, sondern auch prominente Christen angesichts der literarischen Gestalt der Bibel verspürten. Diese galt vielfach als minderwertige Literatur, als „unwürdig, mit der Würde des Ciceronischen in Vergleich zu treten“, so Augustin (zit. oben S. 403)260 – und diese Empfindung wurde auch den zeitgenössischen Intellektuellen unterstellt.261 Die Kritik an der eigenen anfänglichen Verachtung der biblischen Schriften kann retrospektive Selbststilisierung sein; nicht jede Widerlegung solcher Kritik muss einen realen Angriff voraussetzen. Das Christentum war aber mit dem Problem der literarischen Qualität der Bibel konfrontiert, sobald es sich apologetisch und missionarisch an gebildete Schichten wandte, wie Laktanz bezeugt: „Wenn gebildete Menschen sich mit dem Glauben an Gott befassen und dieser von einem unerfahrenen Lehrer erklärt wird, glauben sie weniger. Denn sie sind gewöhnt an liebreizende und glattpolierte Reden und Gedichte und verschmähen darum den einfachen und gewöhnlichen Stil der göttlichen Schriften als schmutzig. Denn sie suchen das, was den Sinn umschmeichelt, zu dem überredet, was eingängig ist und sich, indem es erfreut, im Herzen einnistet. Kann nun etwa Gott, der Schöpfer sowohl des Verstandes als auch der Stimme und Sprache, etwa nicht kunstfertig reden? Tatsächlich wollte es die höchste Vorsehung, dass das, was göttlich ist, der Schminke ermangelt, damit alle verstehen, was er selbst zu allen sprach.“262

260 Vgl. Hier. ep. 22,30,2 (CSEL 54, 189,17–190,1 H.): „si quando in memet reuersus prophetam legere coepissem, sermo horrebat incultus et, quia lumen caecis oculis non uidebam, non oculorum putabam culpam esse, sed solis.“ 261 Hier. chron. praef. (4a,22–4b,13 H.): „Inde adeo uenit, ut sacrae litterae minus comptae et sonantes uideantur, quod diserti homines interpretatas eas de hebraeo nescientes, dum superficiem, non medullam inspiciunt, ante quasi uestem orationis sordidam perhorrescant quam pulchrum intrinsecus rerum corpus inueniant.“ 262 Vgl. pars pro toto Lact. inst. VI 21,4–6 (562,14–563,2 Br.): „homines litterati cum ad dei religionem accesserint ab aliquo inperito doctore fundati, minus credunt. adsueti enim dulcibus et politis siue orationibus siue carminibus diuinarum litterarum simplicem communemque sermonem pro sordido aspernantur. id enim quaerunt quod sensum demulceat, persuadet autem quidquid suaue est et animo penitus, dum delectat, insidet. num igitur deus et mentis et uocis et linguae artifex diserte loqui non potest? immo uero summa prouidentia carere fuco uoluit ea quae diuina sunt, ut omnes intellegerunt quae ipse omnibus loquebatur“; dazu BLÜMER 1991, 23.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Diese Argumentation knüpft an Laktanzens Verteidigung seiner vermeintlichen rhetorischen Inkompetenz an, die gegenüber der Selbstdurchsetzungskraft der Wahrheit Gottes zurücktreten muss und kann (s.o. S. 423). Dass es der Bibel an schulmäßiger Rhetorik fehlt, ist demnach vom Schöpfer gewollt, also keine Defizienz, sondern der angemessene Ausdruck des Willens Gottes, von allen Menschen – und nicht nur von den wenigen, die sich an schönen Worten erfreuen – verstanden zu werden. Dass die biblischen Autoren ihren eigenen stilistischen Regeln folgten, betonte auch Augustin anlässlich der Frage, ob diese „nur“ weise oder darüber hinaus auch beredt gewesen seien: „Sobald ich diese verstehe, kann mir nicht nur nichts weiser, sondern auch nichts beredsamer als diese erscheinen. Und ich wage zu sagen, daß alle, die richtig verstehen, was jene sprechen, ebenso erkennen, daß diese nicht anders sprechen dürften. So wie es nämlich eine gewisse Beredsamkeit gibt, welche sich eher für das jugendliche Alter ziemt, und eine eher für die ältere Generation und es nicht mehr Beredsamkeit genannt werden darf, wenn sie nicht zur Person des Redners paßt, ebenso gibt es eine gewisse Beredsamkeit, welche sich für die Menschen schickt, die des höchsten Ansehens äußerst würdig und zur Gänze göttlich inspiriert sind. Jene haben in dieser ihnen eigenen Weise gesprochen, und weder schickt sich für sie irgendeine andere Beredsamkeit, noch schickt sich eben diese für andere Leute; sie paßt nämlich genau zu ihnen. Je niedriger sie scheint, um so mehr übertrifft sie andere, nicht durch rhetorische Aufgeblähtheit, sondern durch die Festigkeit ihrer inhaltlichen Substanz.“263

Die Heilige Schrift überbietet also mit ihrem genuinen Stil die schulischen Ideale; sie muss sich nicht nur nicht verstecken, sondern kann selbstbewusst ihre Überlegenheit gegenüber klassischer Literatur proklamieren: „Du fändest nicht leicht etwas, was gehaltvoller und mehr geschmückt, also rhetorisch kunstfertiger wäre als dieser apostolische Stil“, hält Augustin seinem Kontrahenten Cresconius bezüglich 2 Kor 6,4–10 entgegen264, und De doctrina christiana zieht 2 Kor 11,16–30 gar als rhetorisches Stilvorbild heran: 263 Aug. doct. christ. IV 6,9 (122,6–16 M.): „Nam ubi eos intellego, non solum nihil eis sapientius, uerum etiam nihil eloquentius mihi uidere potest. et audeo dicere, omnes qui recte intellegunt, quod illi loquuntur, simul intellegere non eos aliter loqui debuisse. sicut est enim quaedam eloquentia, quae magis aetatem iuuenilem decet, est quae senilem, nec iam dicenda est eloquentia, si personae non congruit eloquentis, ita est quaedam, quae uiros summa auctoritate dignissimos plane que diuinos decet. Hac illi locuti sunt nec ipsos decet alia nec alios ipsa; ipsis enim congruit; alios autem, quanto uidetur humilior, tanto altius non uentositate, sed soliditate transcendit“; Übers. POLLMANN, 155f. Vgl. SATTERTHWAITE 1997, 687 Anm. 55, mit weiteren Beispielen für die Verteidigung der literarischen Qualität der Bibel: Arnob. nat. I 58f. (39,8–22 R.), zit. oben S. 401f.; Lact. inst. III 1,11 (179,3–8 Br.): „quae quidem traditer sunt breuiter ac nude. nec enim decebat ut cum deus ad hominem loqueretur, argumentis adsereret suas uoces, tamquam aliter fides ei non haberetur, sed ut oportuit locutus est tamquam rerum omnium maximus iudex, cuius est non argumentari, sed pronuntiare“; Ambr. in Luc. praef. 1 (1,4–7 A.): „nam licet scriptura diuina mundanae euacuet sapientiae disciplinam, quod maiore fucata uerborum ambitu quam rerum ratione subnixa sit, tamen si quis in scripturis diuinis etiam illa quae miranda illi putant quaerit, inueniet.“ 264 Aug. c. Cresc. I 16,20 (343,12f. P.): „quid enim hoc stilo apostolico uberius et ornatius, id est eloquentius facile inueneris?“

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„Die Aufmerksamen sehen, mit welch großer Weisheit diese Worte gesprochen sind. Sogar wer schnarchend vor sich hin schläft, bemerkt doch, in welch großem Strom der Beredsamkeit sie dahinfließen.“265

Flumen eloquentiae ist ein auch von christlichen Autoren für Cicero lobend verwendetes Bild – dem unbestrittenen Ideal kommt also der Apostel Paulus gleich, der sich doch selbst als inperitus sermone bezeichnet hatte! Entsprechend könnte die Bibel der gleichen Analyse unterzogen werden wie die Rhetoren und Dichter in der Schule, denn die biblischen Autoren hätten sämtliche Tropen gekannt und eingesetzt, „und zwar vielfacher und reicher, als diejenigen beurteilen oder glauben können, die unsere Autoren nicht kennen und die Tropen bei anderen Autoren kennengelernt haben.“266 Das ist freilich gegenüber den einfachen Christen, d.h. den Adressaten von Predigt und Katechese, nicht angebracht, wie Augustin betont, „damit wir nicht Grammatik zu lehren scheinen.“267 Für das Verständnis der Bibel sind grammatische Kenntnisse jedoch hilfreich, weshalb Prediger und Lehrer diese erwerben müssten, um ihre Aufgabe angemessen zu erfüllen.268 Augustin kann sogar so weit gehen, Gott selbst, den Hauptautor der Heiligen Schrift, als denkbar besten Rhetor darzustellen, was das Argument bei Laktanz faktisch umkehrt: „[Gott ist es], der die Schrift mit Figuren und Heilszeichen umhüllt. Jener, der die Sünder demütig auf den Boden zwingt, jener, der sie als Geläuterte empfängt, ‚bedeckt den Himmel mit Wolken‘… Das könnte euch in unserer Sprache nicht dargelegt werden, wenn Gott nicht mit der Menge der Figuren der Schrift den Himmel bedeckte.“269

Gott setzt Figuren oder Tropen also nicht als bloßen Redeschmuck ein, diese sind vielmehr notwendig, damit das Heilswerk den Menschen deutlich wird. Daraus gewinnt bei Augustin die Schrift ihre spezifische Qualität: Indem sie Weisheit und Redegewandtheit in sich vereint, ist sie der paganen Schulbil265 Aug. doct. christ. IV 7,12 (125,58–60 M.): „Quanta sapientia ista sint dicta uigilantes uident. Quanto uero etiam eloquentiae cucurrerint flumine, et qui stertit, aduertit“; Übers. POLLMANN, 159. 266 Aug. doct. christ. III 29,40 (100,1–101,5 M.): „Sciant autem litterati modis omnibus locutionis, quos grammatici graeco nomine tropos uocant, auctores nostros usos fuisse multiplicius atque copiosius, quam possunt existimare uel credere qui nesciunt eos et in aliis ista didicerunt“; Übers. POLLMANN, 130. Vgl. Hier. in Is. III 6,9f. (92,38–41 A.) zum Lukasevangelium: „Unde et sermo eius… comptior est, et saecularem redolet eloquentiam“ und chron. praef. (3b,14–4a,11 H.): „Denique quid Psalterio canorius? quod in morem nostri Flacci, et Graeci Pindari, nunc iambo currit, nunc alcaico personat, nunc Sapphico tumet, nunc semipede ingreditur. Quid Deuteronomii et Isaiae Cantico pulchrius? quid Salomone gravius? quid perfectius Iob? Quae omnia hexametris et pentametris versibus, ut Josephus et Origenes scribunt, apud suos composita decurrunt.“ 267 Aug. doct. christ. III 29,40 (101,7f. M.): „Sed hic eos ignaris tradere non decet, ne artem grammaticam docere uideamur.“ 268 Doct. christ. III 29,40 (101,8–10 M.) mit Rückverweis auf II 11,16; 13,19 (42,1–26). 269 Aug. in psalm. 146,15 (182,4–183,6.14f. G.): „Qui contegit scripturam figuris et sacramentis. Ille qui humiliat peccatores usque ad terram, ille qui suscepit mansuetos, ‚cooperit caelum nubibus‘… Exprimi uobis per linguam nostram non posset, nisi Deus nubibus figurarum caelum scripturarum cooperiret.“

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dung kategorial überlegen. Die Konsequenz daraus zieht Cassiodor, der die gesamte nicht- und vorchristliche Bildung aus der göttlichen Offenbarung ableitet. Diese Prioritätstheorie ist gewiss keine Erfindung des Gründers von Vivarium270; bei Cassiodor wird sie in der Vorrede zu seinem monumentalen Psalmenkommentar jedoch konsequent auf die einzelnen artes übertragen: „Dies [sc. die Redekunst der Schrift] haben die in den Künsten dieser Welt Erfahrenen, die bekanntlich sehr lange nach dem Entstehen der göttlichen Schriften gelebt haben, auf die Sammlungen von Beweisgründen, was die Griechen Topik nenne, sowie auf die Kunst der Dialektik und der Rhetorik übertragen, so dass für alle offensichtlich wird, dass den Gerechten zuerst das zum Darlegen der Wahrheit anvertraut wurde, was später die Heiden der menschlichen Weisheit zurechnen zu müssen glaubten.“271

Erst in der Anwendung auf die Bibel kommen die „weltlichen“ Wissenschaften zu ihrem Eigensten: „Die Schrift erhält von jenen [Künsten] nicht etwa einen ihr fremden Schmuck, sondern vielmehr verleiht sie diesen erst ihre spezifische Würde.“272 Zwar könnte man, so ein möglicher Einwand, das „untechnische“ Vokabular der Bibel gegen ihre Bildungsgesättigtheit einwenden: „Aber nun sagt einer: Weder Glieder von Syllogismen, noch rhetorisch verbrämte Ausdrücke, noch Begriffe aus den Disziplinen, noch irgendetwas anderes von dieser Art findet man in den Psalmen.- Man findet dies allerdings in der Wirkmächtigkeit des Sinnes, nicht in den Wörtern, wie sie da stehen!“273

Damit wird die Antithese von res und uerba aufgegriffen: Wer wie die „Lehrer der weltlichen Literatur“ nur nach Redefiguren oder Fachtermini sucht, sieht den Wald vor Bäumen nicht; wer hingegen nach dem Inhalt der Psalmen fragt, erkennt, „dass diese Figuren, Beweisgründe verschiedener Art, Definitionen, diese Lehren aus allen Disziplinen schon lange vor euren Schulen 270 Vgl. nur Ambr. bon. mort. 11,51 (CSEL 32/1, 747,8f. Schenkl): „nostra sunt quae in philosophorum litteris praestant“ sowie off. I 36,180 (CChr.SL 15, 66,10–12 Testard) zu Hiob 29,12f.: „Unde igitur hoc vel Tullius vel etiam Panaetius aut ipse Aristoteles transtulerint, apertum est. Quamquam etiam his duobus antiquior dixerit Iob…“; zum Altersbeweis bei Tertullian s.o. S. 77f. 271 Cassiod. in psalm. praef. 15 (CChr.SL 97, 19,65–71 Adriaen): „Haec mundanarum artium periti, quos tamen multo posterius ab exordio diuinorum librorum exstitisse manifestum est, ad collectiones argumentorum, quae graeci topica dicunt, ad artem dialecticam et rhetoricam transtulerunt, ut cunctis euidenter appareat prius ad exprimendam ueritatem iustis mentibus datum, quod postea gentiles humanae sapientiae aptandum esse putauerunt“; dazu HAGENDAHL 1983, 112. Vgl. inst. I 4,2 (138,11–13 B.): „de Scripturis divinis emanasse quod doctores saecularium litterarum ad sua studia postea transtulerunt“; inst. I 21,2 (234,15–23): Das zweite Buch soll sich mit den weltlichen Wissenschaften beschäftigen, „die bekanntlich aus der Hl. Schrift hervorgegangen sind“ („quae… ab Scripturis divinis cognoscitur esse progressa“); dazu KÜPPERS 2002, 74. 272 Cassiod. in psalm. praef. 15 (19,53f. A.): „[scriptura] non tamen ab eis accipiens extraneum decorem, sed potius illis propriam conferens dignitatem.“ 273 Cassiod. in psalm. praef. 15 (20,92–95 A.): „Sed dicit aliquis: Nec partes ipsae syllogismorum, nec nomina schemata, nec uocabula disciplinarum, nec alia huiuscemodi ullatenus inuenitur in psalmis. Inueniuntur plane in uirtute sensuum, non in effatione uerborum.“

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niedergeschrieben wurden!“274 Geistliche Bildung befähigt dazu, diese grammatischen und rhetorischen Sachverhalte zu erkennen und zu würdigen, so dass die Schrift in einem spezifischen Sinn als (gute) Literatur erscheint – während sie an erster Stelle natürlich Zeugnis der Offenbarung Gottes ist und bleibt. Bei Cassiodor ist damit die Eingemeindung der antiken Bildung in einen christlichen Lebenszusammenhang, damit aber auch die Ausbürgerung aus der antiken Schule vollzogen; die Mönche in Vivarium sollen und dürfen sich ganz unbefangen der artes liberales bedienen, sind diese doch Gottes gute Gaben an seine Geschöpfe, wie die Bibel selbst bezeugt.275 5.3.2. Konversion der Gebildeten Die Einsicht in die spezifisch biblische Unterscheidung von res und uerba und damit in die zuvor übersehene oder gering geschätzte literarische Qualität der Bibel ist freilich kein bloß intellektueller Vorgang, sondern hat existenzielle Konsequenzen. Geistliche Bildung zu erwerben wird häufig als conversio verstanden. Der Gebildete muss gleichsam seinen bisherigen Vorbildern abschwören und mitsamt seiner Eloquenz „konvertieren“: [Die Apostel] „unterwarfen Christus herausragendste Begabungen, gepflegteste Sprachformen und wundervolle Fähigkeiten scharfsinniger, redegewandter und gelehrter Männer und bekehrten sie zur Verkündigung des Weges der Frömmigkeit und des Heils.“276

Gegenüber einem hochgebildeten „Heiden“ wie Volusianus wird die rhetorische Kompetenz als geeignet für die christliche Verkündigung herausgestrichen – aber eben nach einer Konversion im Sinne der Unterwerfung unter Christus. Augustin lässt seine Erfahrung einer radikalen Lebenswende vom Stadtrhetor in Mailand zum Christen, Theologen und Bischof anklingen: Auch für ihn stellten ja seine davor und danach unbestrittenen Fähigkeiten die Kontinuität im Zuge der Konversion dar, standen dann aber im Dienst einer diametral gewandelten Lebensweise. Obwohl an der Wende zum vierten Jahrhundert schon zahlreiche Kinder in christliche Familien hineingeboren 274 Cassiod. in psalm. 23,10 (219,192–197 A.): „Cognoscite, magistri saecularium litterarum, hinc schemata, hinc diuersi generis argumenta, hinc definitiones, hinc disciplinarum omnium profluxisse doctrinas, quando in his litteris posita cognoscitis, quae ante scholas uestras longe prius dicta fuisse sentitis“; vgl. SCHLIEBEN 1974, 100; vgl. weiterhin Cassiod. in psalm. 150,5–6 (1329,148–154 A.): „Ecce de grammatica et de etymologiis, de schematibus, de arte rhetorica, de tropicis, de arte dialectica, de definitionibus, de musica, de geometria, de astronomia, et de propriis locutionibus legis diuinae, seriem refertam esse monstrauimus, quantus Dominus praestare dignatus est, ut qui talia legerint, gratanter agnoscant et qui adhuc rudes sunt, planissima dicta sine offensione percipiant.“ 275 Vgl. E IGLER 2003, 202: „Traditionelle Bildungsformen sind keine Konkurrenz, aber auch deren Träger keine Adressaten mehr“; vgl. auch DELAPLACE 2004, bes. 181–183. 276 Aug. ep. 137,4,16 an Volusianus (CSEL 44, 119,16–120,2 G.): „praeclarissima ingenia, cultissima eloquia mirabilesque peritias acutorum, facundorum atque doctorum subiugant [sc. apostoli] Christo et ad praedicandam uiam pietatis salutisque conuertunt“; vgl. GNILKA 1993, 177–186.

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wurden, stellt der Umgang mit gebildeten Konvertiten eine Konstante in Augustins pädagogischer Reflexion dar; dies erklärt, warum dem Erwerb rhetorischer Fähigkeiten in De doctrina christiana so wenig Aufmerksamkeit gewidmet zu werden braucht: Für deren Adressaten ist Bildung ebenso selbstverständlich wie für Briefpartner wie Volusianus; entscheidend ist vielmehr der rechte Einsatz solcher Bildung, der als Konversion von den sozialen Idealen, die die Schulbildung transportierte, zur biblisch fundierten Lebensweise erscheint. Als Paradigma einer Konversion dient dabei sein Landsmann Cyprian. In einer Predigt zum Jahrestag seines Martyriums entfaltet Augustin das Schema eines Lebens vor und nach der Konversion mit dem Focus auf Schulbildung: „Im Herrn sei also seine Seele gelobt, damit es die Sanftmütigen hören und sich freuen. Im Herrn sei die gute Seele gelobt, die durch den, der sie besitzt, gut wird, durch den, der sie beflügelt, stark wird, durch den, der sie erleuchtet, glänzt, durch den, der sie formt, schön, durch den, der sie erfüllt, fruchtbar ist. Als dieser [sc. Gott] abwesend war, vegetierte sie als etwas Totes, Finsteres, Unförmiges, Kaltes dahin, bevor er [sc. Cyprian] an Christus glaubte. Denn was nützte ihm als Heiden die Redekunst, durch die er gleichsam aus einem wertvollen Becher Todbringendes trank und Irrlehren zu sich nahm? Als aber die Güte und Menschlichkeit unseres Heilandes und Herrn ihn erleuchtete [Tit 3,4], reinigte sie den, der ihr glaubte, von den weltlichen Begierden und machte ihn zu einem Gefäß zu Ehre und Nutzen für ihr Haus, bereit zu jedem guten Werk.“277

Augustin erwähnt wie Pontius die „weltliche“ Kenntnisse und Fähigkeiten nur, um sie als unnütz für den Gottesmann zu übergehen.278 Für seine Argumentation ist Cyprians Verfügen über schulmäßige Eloquenz freilich ebenso wichtig wie die Behauptung ihrer Insuffizienz unter paganen Vorzeichen: Sie bleibt ihm ja erhalten und befähigt ihn erst zu bestimmten „guten Werken“, d.h. zu seinem umfang- und einflussreichen literarischen Werk, das auch das Andenken an den Bischof maßgeblich bestimmt. Daher setzt Augustin den Bericht von den Wirkungen der Konversion in hymnischem Tonfall fort: „Ihm sei Lob und Ehre, der die Seele seines Knechtes durch den Glauben für gerechtfertigt vor den Ungläubigen befindet und sie zu seiner ‚Framea‘ macht, d.h. zu seinem zweischneidigen Schwert, so dass durch eben diese Sprache die entblößte Torheit der Heiden getroffen wird, durch welche sie früher den Klugen als sicher, geschmückt und schön erschien; und damit ein so edles Werkzeug wie die Redekunst, durch die der nichtswürdige Aufputz für die verderblichen Lehren der Dämonen entstand, zur Auferbauung der Kirche bekehrt würde, durch deren Wachsen sie entmachtet wurden; und damit die Posaune einer solchen Stimme, die die Streitlustigkeit der lügenhaften Gerichtsverhandlungen zu 277 Aug. serm. 312,2 (PL 38, 1420f.): „In Domino ergo laudetur anima ejus, ut mites audiant et laetentur. In Domino laudetur anima bona, quo possidente fit bona, quo inspirante viget, quo illuminante fulget, quo formante pulchra, quo implente fecunda est. Hoc enim deserente, quondam mortua, tenebrosa, deformis, sterilis fluctuabat, antequam credidisset in Christum. Quid enim ei pagano proderat eloquentia, qua tanquam poculo pretioso et bibebat mortiferos, et propinabat errores? Cum autem benignitas et humanitas illuxit Salvatoris nostri Dei, mundavit eum credentem sibi a saecularibus cupiditatibus, et fecit vas in honorem utile domui suae, ad omne opus bonum paratum.“ 278 Pont. vita Cypr. 2 (CSEL 3/3, XCI,17–21 Hartel); s.o. S. 92. 252.

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schärfen pflegte, die für Christus streitenden und sich seiner rühmenden hingebungsvollen Märtyrer dazu anstachelte, dass der Teufel vor dem kostbaren Sterben der Heiligen niederfallen müsste. Auch Cyprian, durch dessen fromme und heilige Redekunst, die nicht märchenhaften Dunst verbreitete, sondern im Licht des Herrn erstrahlte, sie [die Märtyrer] entflammt wurden, lebte unter ihnen, indem er starb: Als Gerichteter überwand er den Richter, als Geschlagener besiegte er den Feind, als Getöteter tötete er den Tod. Er, der selbst in der Schule der menschlichen Verworfenheit sich selbst und andere anderer Lügen auszusprechen gelehrt hatte, um das, was ihm ein Gegner entgegenhielt, durch scharfsinnige Täuschung zu bestreiten – er lernte in einer anderen Schule, durch das Bekennen dem Feind entgegenzutreten. Denn wo der Feind den Namen Christi in ein Verbrechen verkehrt, da verwandelt Christus das Flehen in Lob.“279

Die Redekunst, die gerade für das Erstarken widerchristlicher Mächte in der Welt verantwortlich war, wird nun als Waffe gegen diese gewendet: Das Instrument für die belanglosen certamina vor Gericht wird zum entscheidenden Hilfsmittel im Kampf der Märtyrer gegen den Teufel und seine weltlichen Helfershelfer. Cyprian, selbst Lehrer dieser Eloquenz, musste sich einem anderen Lehrer unterwerfen, um in diesem Kampf seine einzigartige Rolle spielen zu können. Das macht ihn in Augustins Augen zu einem Vorbild über die Zeit der Verfolgung hinaus, wie eine Predigt zu Prv 31,10 („Mulierem fortem quis inveniet? pretiosior est autem lapidibus pretiosis, quae eiusmodi est“) ausführt: „Die kostbaren Edelsteine in der Kirche sind, und waren es immer, die Gelehrten, die überfließen an Wissen und Redekunst und aller Unterweisung im Gesetz. Ganz offenbar sind diese wertvolle Edelsteine; doch aus ihrer Zahl haben sich manche vom Schmuck jener Frau entfernt. Was Gelehrsamkeit und Redekunst, durch die er glänzt, anbelangt, war Cyprian ein wertvoller Edelstein – er aber verblieb bei ihrem Schmuck. Ein kostbarer Edelstein war auch Donatus – er jedoch blieb nicht am Gefüge des Schmucks haften. Jener, der blieb, wollte, dass er in ihr geliebt würde; jener, der sich davon trennte, suchte sich jenseits ihres Namens zu behaupten. Jener harrte bei ihr aus und sammelte [andere] bei ihr; jener fiel ab und begehrte nicht zu sammeln, sondern zu zerstreuen.“280

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Aug. serm. 312,4 (PL 38, 1421f.): „Illi laus, illi gloria, qui animam servi sui per fidem justificando eruit ab impiis, et fecit frameam suam, hoc est gladium bis acutum; ut per illam linguam stultitia Gentium nudata feriretur; per quam prius tecta atque velata pulchra prudentibus videbatur; atque ut eloquii tam nobilis instrumentum, quo ruinosis doctrinis daemoniorum indigna ornamenta fiebant, in aedificationem converteretur Ecclesiae, qua crescente illa laberentur; et ut tantae vocis tuba, quae forensium mendaciorum certamina solebat acuere, ad prosternendum pretiosis sanctorum mortibus diabolum Christo militantes et in ipso gloriantes devotos martyres excitaret. Inter quos et ipse Cyprianus, cujus pio et sancto, non jam fabulosos fumos emovente, sed dominica luce radiante accendebantur eloquio, moriendo vixit, judicatus judicem superavit, adversarium percussus vicit, mortemque occisus occidit. Qui enim in ludo perversitatis humanae et suam et aliorum linguas docuerat loqui mendacium, ut quod ab adversario objiceretur, astuta fallacia negaretur, jam in alia schola didicerat confitendo devitare adversarium. Ubi enim Christi nomen inimicus convertit in crimen, ibi supplicium Christus convertit in laudem“; vgl. BLÜMER 2002, 78 Anm. 26; DERS., AL 2, 786 (hier weitere Belege für das Lob der eloquentia Cyprians). 280 Aug. serm. 37,3,3 (PL 38, 223): „Sunt in Ecclesia lapides pretiosi, et semper fuerunt, docti, abundantes scientia et eloquio et omni instructione Legis. Pretiosi plane lapides isti sunt: sed ex eorum numero quidam aberraverunt ab ornamento mulieris hujus. Quantum enim pertinet ad doctrinam et eloquium

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Die Begabung gilt also als ambivalent, da Eloquenz je nach Ausrichtung zu Nutzen oder zu Schaden führen kann.281 Darum kann Cyprian von Augustin auch für die gegenwärtige Zeit der Verwerfungen durch das donatistische Schisma als Vorbild herangezogen werden: Er stellte die eloquentia in den Dienst der aedificatio, anders als Donatus. In diesem Sinne dient Cyprian auch im Jonakommentar des Hieronymus als Beispiel dafür, wie sich ein „Verteidiger des Götzendienstes“282 zum Prediger und Bekenner Christi wandelte: „Wen hat die weltliche Redekunst noch nicht trunken gemacht? Wessen Seele hat sie noch nicht durch wohlgesetzte Worte und den Glanz ihrer Beredsamkeit umgarnt? Nur schwer kommen mächtige, vornehme und reiche Menschen zum Glauben an Gott, und noch viel schwerer ist es für die Sprachgewaltigen. Ihr Geist wird nämlich blind gemacht durch Reichtum, Macht und Prunk. Umringt von Lastern, können sie die Tugenden nicht sehen, und die Einfachheit der Heiligen Schrift beurteilen sie nicht nach der Erhabenheit der Gedanken, sondern nach der Schlichtheit der Worte. Wenn sie, die früher Schlechtes gelehrt haben, sich zur Buße hinwenden und beginnen, Gutes zu lehren, dann werden wir sehen, dass die Völker Ninives durch eine einzige Predigt bekehrt werden und das geschieht, was wir bei Jesaja lesen: ‚Wird etwa ein Volk auf einmal geboren?‘“ (Jes 66,8 LXX).283

Auch für Hieronymus spielt also das Wortfeld convertere eine zentrale Rolle für die Beantwortung der Frage, wie ein „Sprachgewaltiger“ zu Gott kommen kann: Der weltliche Reichtum, der nach Mt 19,23 ein Hindernis für den Eintritt ins Reich Gottes darstellt, wird auf die Bildung ausgedehnt – daher bedarf es einer Konversion, eines radikalen Bruchs mit den Werten der paganen Sozialisation. Danach aber kann die bekehrte Redekunst ungeahnte Wirkungen zu Gunsten des Evangeliums entfalten, anstatt Seelen zu betören und zu unde fulget, lapis pretiosus erat Cyprianus: sed mansit in hujus ornamento. Lapis pretiosus erat Donatus: sed resiluit a compage ornamenti. Ille qui mansit, in ea se amari voluit: ille qui inde excussus est, praeter illam nomen sibi quaesivit. Ille permanens cum illa, ad illam collegit: ille resiliens, non colligere, sed spargere concupivit“; vgl. BLÜMER 2002, 81; DERS., AL 2, 788. 281 Entsprechend nimmt Augustin Cyprians rhetorisch durchstilisierte Schrift ad Donatum in Schutz (doct. christ. IV 14,31; 137,21–138,30 M.): „nec illa suauitas delectabilis est, qua non quidem iniqua dicuntur, sed exigua et fragilia bona spumeo uerborum ambitu ornantur, quali nec magna atque stabilia decenter et grauiter ornarentur. Est tale aliquid in epistola beatissimi Cypriani, quod ideo puto uel accidisse uel consulto factum esse, ut sciretur a posteris, quam linguam doctrinae christianae sanitas ab ista redundantia reuocauerit et ad eloquentiam grauiorem restrinxerit, qualis in eius consequentibus litteris secure amatur, religiose appetitur, sed difficillime impletur.“ 282 Hier. in Ion. 3 (FC 60, 190,1f. Risse): „qui prius idolatriae assertor fuit et in tantem gloriam venit eloquentiae ut oratoriam quoque doceret Carthagini“. 283 Hier. in Ion. 3 (190,10–21 R.): „Quem non inebriavit eloquentia saecularis? Cuius non animum compositione verborum et disertitudinis suae fulgore perstrinxit? Difficile homines potentes et nobiles et divites et his multo difficilius eloquentes credunt Deo. Obcaecatur enim mens eorum divitiis et opibus atque luxuria et, circumdati vitiis, non possunt videre virtutes, simplicitatemque scripturae sanctae non ex maiestate sensuum sed ex verborum iudicant vilitate. Cum autem ipsi qui prius mala docuerant, versi ad paenitentiam, docere coeperint bona, tunc videbimus Nineviticos populos una praedicatione converti et fieri illud quod in Esaia legimus: ‚Si nata est gens semel‘.“

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verführen. Dann wird der Gebildete die Bibel nicht mehr aufgrund ihrer vermeintlich niederen Sprachgestalt verwerfen; und wenn sich erst einmal ein Gebildeter (wie eben Cyprian) bekehrt hat, werden die anderen bald folgen.284 Eine Innenperspektive auf diesen Konversionsprozess bietet schließlich der Dichter Sedulius. Im Vorwort zum carmen paschale rechtfertigt er sein poetisches Vorhaben mit der gottgegebenen Konversion vom Liebhaber weltlicher zu einem der himmlischen Weisheit: „Als ich also, von den weltlichen Studien ganz in Beschlag genommen, die Kraft des ungeduldigen Geistes, den die göttliche Vorsehung in mir geschaffen hatte, nicht zum Nutzen der Seele, sondern für ein sinnentleertes Leben einsetzte, so dass die Fertigkeit in der literarischen Wissenschaft den Spielereien eines unnützen Werkes, nicht ihrem Urheber diente: da besah dennoch der barmherzige Gott, der Schöpfer der Dinge, sehr milde mich, sein Gebilde, und es schmerzte ihn, dass noch länger in mir die törichten Bestrebungen der weltlichen Weisheit herrschen sollten, und er würzte den faden Geist der sterblichen Klugheit mit himmlischem Salz.“285

Gott selbst ist es also, der die literarischen Fähigkeiten seiner Geschöpfe in Dienst nimmt. Die Schulbildung kann und soll Gott dienen, nur tut das der Gebildete nicht aus sich heraus, vielmehr bedarf es des Anstoßes durch den Schöpfer, um sein Geschöpf, das sich unwissend in unnützen Eitelkeiten verliert, auf den Weg rechter geistiger Betätigung zu bringen – einen Weg, den der Bekehrte dann aber auch verfolgen soll, wie Faustus von Riez mahnt: „Ebenso wie wir früher einmal mit großer Entschiedenheit für die weltlichen Studien gestritten haben, wollen wir nun mit ebensolcher Hingabe dem Herrn dienen!“286

Das Motiv der Konversion des Gebildeten und der Indienstnahme seiner Fähigkeiten für die Verkündigung der christlichen Botschaft stellt gewissermaßen das lebensgeschichtliche Fundament einer geistlichen Bildung aus den eigenen Quellen des Glaubens dar. Grammatische und rhetorische Kompetenzen können in den Dienst der Verkündigung gestellt werden, indem die Bildungsträger konvertieren, sich also von eingeschliffenen sozialen und ästhetischen Maßstäben lösen und Bildung als geistliches Geschenk begreifen. Die Frage nach der Aneignung von Bildung stellt damit einen Ausschnitt der komplexen Diskussion innerhalb des spätantiken Christentums um Konver-

284

Vgl. Aug. in psalm. 54,13 (666,3f. D./Fr.); zit. oben S. 134 Anm. 28. Sedul. ep. 1 ad Maced. (2,4–12 H.): „cum saecularibus igitur studiis occupatus uim inpatientis ingenii, quod diuinitatis in me prouidentia generauit, non utilitati animae sed inani uitae dependerem, et litterariae sollertia disciplinae lusibus infructuosi operis, non auctori seruiret: tandem misericors Deus, rerum conditor, clementius fabricam sui iuris aspexit et stultos in me mundanae sapientiae diutius haberi sensus indoluit ac fatuum prudentiae mortalis ingenium caelesti sale condiuit“; zur Analyse im Kontext des Motivs des Würzens vgl. GNILKA 1993, 86–89. 286 Faustus, ep. 9 an Ruricius von Limoges (CSEL 21, 212,1–3 Engelbrecht): „unde quanta dudum alacritate saecularibus studiis militauimus, tanta nunc deuotione domino seruiamus.“ 285

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sion und Konversionsmotive dar287 und darf sogar als deren Paradigma in Anspruch genommen werden, insofern es sich um ein für zahlreiche Konversionswillige unaufgebbares Element ihrer „heidnischen“ Existenz handelte. Gerade weil unter den Bedingungen des 4. und 5. Jahrhunderts die Forderung einer radikalen Abkehr von Lebensstilen und Karrierevorstellungen, die an Bildung gebunden waren, keine erfolgversprechende Missionsstrategie darstellte, trat neben der Konversion der Gebildeten ein weiteres, damit verbundenes Thema im Vordergrund: die Konversion der paganen Bildung selbst. 5.3.3. Konversion der Bildung a) Der Kampf zwischen David und Goliath (1 Sam 17,51): Der Versuch, „heidnische“ Bildungsgüter einer Konversion zum Christentum zu unterziehen, basiert grundsätzlich auf der Annahme, dass diese Bildung den Christen in irgendeiner Weise nützlich sein könnte. Das gilt selbst dann, wenn das Verhältnis von „christlich“ und „heidnisch“ als Kontradiktion betrachtet wird. In diesem Sinne wertet Augustin die Geschichte von David und Goliath aus: „Dann zog die Kirche ins Feld, und weil Goliath eine ‚Romphaea‘ oder ‚Framea‘, das heißt ein ungeheures zweischneidiges Schwert mit sich trug, nämlich die Redekunst dieser Weltzeit, die sich viele Gemüter unterwarf, lernten viele Knechte Gottes auch diese Redekunst, damit Goliath durch sein eigenes Schwert getötet würde. Wie redegewandt der heilige Cyprian, wie glänzend seine ‚Framea‘ in seinen Schriften erscheint! Es ist das Schwert des Goliath, aber es wurde dem schon Liegenden entwunden, wie der Feind es verdiente. Mit dieser Redekunst streiten wir täglich wider Goliath, und wollte Gott, dass es uns gelinge, jenen zu töten und so zu triumphieren!“288

Das „Heidentum“ wird also mit seinen eigenen Waffen geschlagen – ein Bild, das bei den Kirchenhistorikerm des 5. Jahrhunderts im Zusammenhang der „heidnischen“ Restauration Julians wiederkehrt, der den Christen die Waffen aus der Hand habe schlagen wollen, die den „Heiden“ gehörten, nun aber gegen diese eingesetzt würden (s.o. S. 364). Nach Augustin blieb der Kirche gar nichts anderes übrig, als sich pagane Bildung anzueignen, um dem übermächtigen Feind zu begegnen. Die Macht Gottes zeigt sich in der Umkehrung der Kräfteverhältnisse; das Paradigma ist wieder Cyprian: Seine rhetorischen Kompetenzen dienten erst einem sinnvollen Zweck, als sie sich gegen ihre Besitzer – zu denen auch er selbst gehörte – kehrten. Das Bild ist freilich inkonsistent: Es bleibt unklar, was Goliath zu Fall gebracht habe, wenn doch 287

Ausführlich zu diesem Problemfeld jetzt PIEPENBRINK 2005, 23–124. Aug. serm. Lambot 21,5 (PLS 2, 820): „deinde proficiente ecclesia, quoniam magnam quamdam romphaeam vel frameam, id est immanissimum gladium Golias ille portabat, eloquentiam saeculi huius quae multas sibi mentes subiugabat, multi serui dei et ipsam eloquentiam didicerunt, ut de suo gladio Golias interficeretur. Quam eloquens sanctus Cyprianus, quam fulgens framea eius in litteris eius apparuit. Goliae gladius est, sed iam iacenti extortus ut perimeretur inimicus. De ipsa eloquentia cotidie cum Golia pugnamus, et utinam nobis contingat, illo interfecto triumphare.“ 288

5. Pagane Bildung und ihre Institutionen in christlicher Sicht

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erst dem Niedergeschlagenen seine Waffe entrissen und gegen ihn gewendet wird. Der Akzent liegt darauf, dass dieser Kampf nicht ein Ereignis der Vergangenheit ist, sondern sich täglich wiederholt, nur dass jetzt das Christentum die „heidnische“ Eloquenz besitzt und beherrscht und so gegen das scheinbar mächtige, tatsächlich aber längst darniederliegende „Heidentum“ angehen kann. So versteht Hieronymus die Areopagrede des Paulus (Apg 17,28): „Der Führer des christlichen Heeres und unbesiegte Anwalt Christi presst aus einer Inschrift, die er zufällig an einem Altar wahrnimmt, ein Zeugnis im Dienste des Glaubens heraus. Denn er hatte von dem wahren David gelernt, den Gegnern die Waffen aus ihren Händen zu entwinden und das Haupt des stolzen Goliath mit dessen eigenem Schwert abzutrennen.“289

Ohne Bezug auf Goliath, aber im gleichen Bild fordert Paulinus von Nola, „von jenen den Reichtum des sprachlichen Ausdrucks und den Schmuck der Rede zu erwerben – gleichsam wie eine Rüstung aus den Waffen des Feindes, damit du, nackt in bezug auf ihre Irrtümer und bekleidet mit ihrer Redekunst, jene Schminke der Beredsamkeit, mit der die leere Weisheit täuscht, auf die volle Wirklichkeit aufträgst.“290

Der Begriff spolium erweckt den Eindruck einer im Kampf erworbenen Beute. Zugleich wird durch das Bild der Bekleidung und der Schminke unterstrichen, dass die eloquentia dem Christen äußerlich bleibt, so gute Dienste sie ihm auch leisten mag. Wird bei Augustin eine Gemeinde angesprochen, die womöglich im Alltag einen ganz unkomplizierten Umgang mit den benachbarten „Heiden“ pflegt, so wendet sich Paulinus an seinen Brieffreund Jovius, der davon überzeugt werden soll, seine beachtlichen literarischen Talente und philosophischen Interessen in den Dienst des christlichen Glaubens und der Bibellektüre zu stellen (s.o. S. 214–218); die Rüstung dient dann dem Schutz vor der eigenen Neigung, der (paganen) Ästhetik den Vorzug vor der (biblischen) Wahrheit zu geben. Das bedeutet: Bildung ist nützlich – jedenfalls zum Kampf gegen die, denen man sie gerade erst entwunden hat. b) Der verlorene Sohn (Lk 15,16): Bei seinem Klagen über das Herumirren zwischen philosophischen und manichäischen Lehren zitiert Augustin eine Bibelstelle, die eine ganz andere Einschätzung der paganen Bildung ermöglicht: „Wo warest Du mir damals und wie weit von mir? Und weit von Dir in der Fremde ging ich, selbst von den Trebern der Schweine ausgeschlossen, die ich mit Trebern fütterte.

289 Hier. ep. 70,2,4 (CSEL 54, 702,2–6 H.): „ductor Christiani exercitus et orator inuictus pro Christo causam agens etiam inscriptionem fortuitam arae retorquet in argumentum fidei. didicerat enim a uero Dauid extorquere de manibus hostium gladium et Goliae superbissimi caput proprio mucrone truncare“; Übers. nach SCHADE, BKV 18, 290. 290 Paul. Nol. ep. 16,11 (394,22–396,3 S.): „Tibi satis sit ab illis linguae copiam et oris ornatum quasi quaedam de hostilibus armis spolia cepisse, ut eorum nudus erroribus et vestitus eloquiis fucum illum facundiae, quo decipit vana sapientia, plenis rebus accommodes“; vgl. ROUSSEAU 1999, 185.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Wie viel besser da noch die Geschichten bei Grammatikern und Dichtern sind als dieses Fallenwerk…“.291

Die Ratlosigkeit des nach Wahrheit Suchenden wird mit der Sackgasse verglichen, in die sich der „verlorene Sohn“ manövriert hatte, so dass ihm nur noch das Hüten der Schweine und das Gieren nach deren Futter blieb – und nicht einmal diese waren ihm zugänglich. Demgegenüber erscheint die Schulbildung zwar kritikwürdig, aber nicht in gleicher Weise für das Seelenheil gefährlich wie religiöse Irrlehren. Augustin kann jedoch auch eine bildungskritische Auslegung dieses Gleichnisses vortragen. In den Quaestiones Euangeliorum wird das Schweinehüten des verlorenen Sohnes allegorisch ausgelegt: „Die Hungersnot in jener Gegend ist aber der Mangel am Wort der Wahrheit; einer der Bürger jener Region ist der Fürst der Lüfte, der zum Gefolge des Teufels gehört; dessen Haus ist die Art seiner Macht; die Schweine sind die unreinen Geister, die ihm gehorchen; die Schoten, mit denen er [sc. der junge Mann] die Schweine fütterte, sind die weltlichen Lehren, die nach kalter Eitelkeit klingen, von denen die Loblieder der Götzenbilder und Fabeln, die sich auf die Götter der Heiden beziehen, in verschiedener Sprache und in Liedern laut erschallen, an denen sich die Dämonen erfreuen.“292

Was in den Confessiones als Konsequenz der persönlichen Gottesferne geschildert wurde, begegnet hier als Wirken des Teufels: In dessen Haus ist der „verlorene Sohn“ geraten, dessen Dämonen sind sein einziger Umgang, und bekäme er etwas von deren Speise, dann wäre es nicht nur weltliche, sondern „dämonische“ Speise, weil die Lektüre der Dichtungen zum Götzendienst führt. Hier gehören die carmina poetarum also eindeutig auf die Seite des Bösen, nicht mehr zu den ambivalenten Gütern, aus denen man doch immerhin Nahrung gewinnen könnte. Auch in Ambrosius’ Lukaskommentar werden die Schweine als Dämonen und die Schoten als ungenießbare weltliche Lehren aufgefasst, dabei aber auf deren menschlichen Ursprung bezogen: „Manche verstehen die Schweine als Herden von Dämonen, die Schoten aber als schwache und sinnentleerte Kraft der Menschen und als Verherrlichung der Reden, die nichts nützen können; sie zeigen mit der eitlen Verführung der Philosophie und dem Beifall für die Kunst des Tönens mehr den Aufputz als irgendeine Nützlichkeit; aber all das bereitet keinen dauerhaften Genuss: Darum ‚gab es ihm niemand‘.“293 291 Aug. conf. III 6,11 (32,44–47; 32,53–33,63 V.): „Vbi ergo mihi tunc eras et quam longe? Et longe peregrinabar abs te exclusus et a siliquis porcorum, quos de siliquis pascebam. Quanto enim meliores grammaticorum et poetarum fabellae quam illa decipula!“; Übers. BERNHART, 115; dazu ROUSSEAU 1999, 178–180. 292 Aug. quaest. euang. II 33 (CChr.SL 44B, 74,25–32 Mutzenbecher): „fames autem in illa regione est indigentia uerbi ueritatis; unus ciuium regionis illius aliquis aerius princeps ad militiam diaboli pertinens; uilla eius modus potestatis eius; porci immundi spiritus qui sub ipso essent; siliquae quibus porcos pascebat saeculares doctrinae sterili uanitate resonantes, de quibus laudes idolorum fabularumque ad deos gentium pertinentium uario sermone atque carminibus percrepant, quibus daemonia delectantur.“ 293 Ambr. in Luc. 7,218 (289,2400–290,2406 A.): „Sunt qui porcos accipiant pro gregibus daemonum, siliquas pro exili uirtute inanina hominum sermonumque iactantia, qui nihil prodesse possunt,

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Einig sind sich Augustin und Ambrosius darin, dass nach dieser Auslegung die weltlichen Bildungsgüter keine geeignete Speise für Christen darstellen; sie sind vielmehr Sinnbild des Elends, in das man gerät, wenn man sich so weit wie nur irgend möglich von Gott fortbewegt hat. Die Überzeugungskraft dieses Bildes wird dadurch belegt, dass auch Hieronymus dieses Gleichnis zum Anlass nimmt, in einem Brief an Bischof Damasus seine Auffassung eines reflektierten Umgangs mit der antiken Kultur zu entfalten: „Wir können die Schoten aber auch anders verstehen. Die Speise der Dämonen sind die Lieder der Dichter, die weltliche Weisheit, der Prunk rhetorischer Rede. All diese erfreuen mit Eingängigkeit, und während sie die Ohren mit dahinlaufenden Versen in süßem Tonfall einfangen, durchdringen sie auch die Seele und fesseln das Innere des Herzens. Wo sie aber mit höchster Mühe und Aufmerksamkeit studiert werden, bieten sie ihren Lesern nichts anderes als eitlen Schall und lärmenden Klang; keine Sättigung durch Wahrheit, keine Erfrischung durch Gerechtigkeit erfährt man dort. Ihre Schüler harren im Hunger nach dem Wahren, in der Armut an Tugenden aus.“294

Wie in den zuvor zitierten Texten gilt die weltliche Bildung als nicht substanzhaft genug, um Sättigung zu ermöglichen; sie erfreut durch Äußerliches, bietet aber bei genauem Hinsehen nur leeren Liebreiz, keine lebensdienliche Wahrheit; von ihnen leben die Dämonen, aber nicht die Menschen, die nach Wahrheit und Tugend lechzen. Insgesamt dient also das Gleichnis vom verlorenen Sohn den zitierten Autoren zur Kritik an der Schulbildung, nicht zur Legitimation ihrer Inanspruchnahme wie die Geschichte von David und Goliath. Aus der Perspektive geistlicher Bildung muss Hunger leiden, wer sich nur von poetischen Fabeln und rhetorischen Deklamationen ernähren will. Augustins vorsichtige Abstufung von Dichterlektüre und manichäischer Lehre relativiert zwar diese Tendenz, hebt sie aber nicht auf: Nur für den verlorenen Sohn wären diese Güter eine Alternative zu der verbotenen Nahrung der Schweine, nicht für den gläubigen Christen. Von hier aus erscheint eine Konversion der „heidnischen“ Bildung allenfalls als Notmaßnahme. c) Die gefangene Sklavin (Dtn 21,10–13): Im Anschluss an die zuletzt zitierte Passage rezipiert Hieronymus ein alttestamentliches Bild, um den Umgang mit paganer Weisheit zu profilieren (durchsetzt mit paulinischer Paränese):

inani quadam philosophiae seductione et quodam sonorum facundiae plausu pompam magis quam utilitatem aliquam demonstrantes sed haec diuturna oblectamenta esse non possunt et ideo ‚nemo illi dabat‘.“ Vgl. dazu ELLSPERMANN 1949, 121. 294 Hier. ep. 21,13,4 (CSEL 54, 122,4–13 H.): „Possumus autem et aliter siliquas interpretari. Daemonum cibus est carmina poetarum, saecularis sapientia, rhetoricorum pompa uerborum. Haec sua omnes suavitate delectant et, dum aures uersibus dulci modulatione currentibus capiunt, animam quoque penetrant et pectoris interna deuinciunt. Verum ubi cum summo studio fuerint ac labore perlecta, nihil aliud nisi inanem sonum et sermonem strepitum suis lectoribus tribuunt; nulla ibi saturitas ueritatis, nulla iustititae refectio repperitur. Studiosi earum in fame ueri, in uirtutum peniuria perseuerant.“

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

„Der Typus dieser Weisheit wird im Deuteronomium mit dem Bild der gefangenen Frau beschrieben, hinsichtlich derer die göttliche Stimme vorschreibt, dass, wenn die Israeliten sie als Frau haben wollten, man ihr eine Glatze schere, die Nägel beschneide, die Haare ausrupfe und, wenn sie schließlich gewaschen sei, dann in den Besitz des Siegers übergehe. Wenn wir das buchstäblich verstehen wollten, wäre es dann nicht lächerlich? Aber wir pflegen ja genau dies zu tun, wenn wir Philosophen lesen, wenn Bücher mit weltlicher Weisheit uns in die Hände fallen: Wenn wir in diesen etwas Nützliches entdecken, bekehren wir es zu unserer Lehre; wenn aber etwas Überflüssiges [darin ist], etwa über Götzenbilder, Liebe oder rein weltliche Sorgen, dann tilgen wir es mitsamt der Wurzel, scheren es kahl, beschneiden es nach der Art der Fingernägel mit dem schärfsten Messer. Darum gebietet auch der Apostel, dass niemand in den Götzendienst zurückfalle: ‚Seht aber, dass eure Freiheit nicht den Schwachen zum Ärgernis wird‘ [1 Kor 8,9]. Denn wenn jemand einen, der gelehrt ist, in den Götzendienst zurückfallen sieht, wird dann nicht dessen Gewissen, sofern es schwach ist, zum Essen von Götzenopferfleisch angestachelt, so dass der Bruder, der nun einmal schwach ist, in deiner Gelehrsamkeit zu Grunde geht, obwohl Christus doch auch seinetwegen gestorben ist? Scheint er damit nicht in anderen Worten zu sagen, dass du keine Philosophen, Redner und Dichter lesen und nicht in deren Lektüre Ruhe finden mögest? Und wir sollten uns nicht darin gefallen, dem, was geschrieben steht, keinen Glauben zu schenken, wenn das Gewissen der anderen verletzt wird und man glaubt, wir würden rechtfertigen, was wir, als wir es lasen, nicht zurückgewiesen haben? Was soll das überhaupt, dass wir meinen, der Apostel bekräftige die Gelehrsamkeit dessen, der vom Götzenopfer isst, und nenne den vollkommen, von dem er weiß, dass er das Götzenopferfleisch verspeist? Es sei ferne, dass ein christlicher Mund ‚allmächtiger Iuppiter‘ erschallen lasse, ‚Hercules‘ oder ‚beim Castor‘ oder die übrigen, die eher Scheusale als Gottheiten sind. Aber nun sehen wir Priester, die die Evangelien und Propheten missachten und die Komödien lesen, Liebeslieder in bukolischen Versen singen, Vergil verehren und damit das Vergehen, das bei Kindern aus Notwendigkeit geschieht, selbst aus freien Stücken begehen. Hüten wir uns also davor, dass wir nicht eine Gefangene als Frau begehren, damit wir nicht in den Götzendienst zurückfallen; wenn wir aber einmal von der Liebe zu ihr verführt sind, wollen wir sie säubern und von allem Schrecken des Schmutzes reinigen, damit nicht unser Bruder, für den Christus gestorben ist, ein Ärgernis erleiden muss, indem er hört, dass durch die Stimme eines Christen Lieder, die zum Lob der Götzen gedichtet wurden, erklingen.“295

295 Hier. ep. 21,13,5–9 (122,13–124,7 H.): „huius sapientiae typus et in deuteronomio sub mulieris captiuae figura describitur, de qua diuina uox praecipit, ut, si israhelites eam habere uoluerit uxorem, caluitium ei faciat, ungues praesecet, pilos auferat et, cum munda fuerit effecta, tunc transeat in uictoris amplexus. haec si secundum litteram intellegimus, nonne ridicula sunt? Atqui et nos hoc facere solemus, quando philosophos legimus, quando in manus nostras libri ueniunt sapientiae saecularis: si quid in eis utile repperimus, ad nostrum dogma conuertimus, si quid uero superfluum, de idolis, de amore, de cura saecularium rerum, haec radimus, his caluitium indicimus, haec in unguium morem ferro acutissimo desecamus. unde et apostolus prohibet, ne in idolo quis recumbat, dicens: uidete autem, ne haec licentia uestra offendiculum fiat infirmibus. si enim quis uiderit eum, qui habet scientiam, in idolio recumbentem, nonne conscientia eius, cum sit infirma, aedificabitur ad manducandum idolothyta et peribit, qui infirmus est, in tua scientia frater, propter quem christus mortuus est? Nonne tibi uidetur sub aliis uerbis dicere, ne legas philosophos, oratores, poetas, ne in eorum lectione requiescas? Nec nobis blandiamur, si his, quae sunt scripta, non credimus, cum aliorum conscientia uulneretur et putemur probare, quae, dum legimus, non reprobamus? alioquin quale erit, ut aestimemus apostolum eius, qui uescebatur in idolio, scientiam conprobasse et eum dixisse perfectum,

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Die Pointe liegt hier darin, dass die Gefangene durchaus bekehrt werden kann: Sie muss von allem gereinigt werden, was an ihre „götzendienerische“ Vergangenheit erinnert; ist dies aber geschehen, sollte ein gefestigter Christ mit ihr gefahrlos umgehen können, wie ja auch für die „Starken“ in Korinth das Essen des Götzenopferfleisches keine Anfechtung mehr bedeutet. Da aber nicht alle Christen zu dieser Bekehrung ihrer eigenen oder der bei anderen beobachteten Bildung in der Lage sind, müssen die „Starken“, besonders die Amtsträger, dafür Sorge tragen, dass sie niemanden in geistige Bedrängnis bringen. Sich mit den Klassikern rezeptiv zu befassen ist daher etwas anderes, als diese Vorliebe öffentlich zur Schau zu stellen. Mit der Feststellung, aus einem christlichen Mund dürfe nicht der Name Jupiters und anderer Götter erklingen, nimmt Hieronymus die Kritik Gregors I. an dem Grammatik lehrenden Bischof Desiderius (s.o. S. 307f.) vorweg, differenziert aber zwischen der möglichen Außenwirkung der Bildungsbestrebungen der römischen Asketen und ihrer im Prinzip legitimen Bildungsbegeisterung. Hieronymus liefert hier en passant ein Motiv für seine eigene redundante, scheinbar inkonsequente Ablehnung der Schulautoren: Er selbst fühlt sich gefestigt genug, um mit ihnen unbefangen, ja konstruktiv umzugehen; dies gilt freilich nicht für alle seine Korrespondenten und Adressaten, so dass im Zweifelsfall mindestens auf der semantischen Oberfläche den Klassikern der Abschied zu geben ist. Jedoch wird deren Lektüre nicht rundheraus verboten wird – wie auch Paulus ja den Starken in Korinth nicht verbot, was sie selbst gefahrlos tun konnten –, denn obwohl man eine fremde Frau nicht begehren solle, dürfe man sie nach der Konversion als Ehefrau annehmen, „wenn wir einmal von der Liebe zu ihr verführt sind“. Anders als der Kampf zwischen David und Goliath bietet das Bild der gefangenen Frau also nicht nur die Legitimation der Benutzung paganer Bildungsgüter im notwendigen Kampf gegen die „Heiden“, sondern eine Rechtfertigung der Liebe zu dieser Bildung, damit aber letztlich eine Möglichkeit, das Zusammenleben mit den „Heiden“ quem sciret de idolothytis manducare? absit, ut de ore christiano sonet ‚iuppiter omnipotens‘ et ‚mehercule‘ et ‚mecastor‘ et cetera magis portenta quam numina. at nunc etiam sacerdotes dei omissis euangeliis et prophetis uidemus comoedias legere, amatoria bucolicorum uersuum uerba cantare, tenere uergilium et id, quod in pueris necessitatis est, crimen in se facere uoluntatis. cauendum igitur, ne captiuam habere uelimus uxorem, ne in idolio recumbamus; aut, si certe fuerimus eius amore decepti, mundemus eam et omni sordium horrore purgemus, ne scandalum patiatur frater, pro quo christus est mortuus, cum ex uoce christiani carmina in idolorum laudes conposita audierit personare.“ Dazu vgl. BROX 1981, 299f.; HAGENDAHL 1983, 90f.; JEFFREY 1996, 74–79; ROUSSEAU 1999, 173–175 mit Anm. 9; 180f.; CONRING 2001, 240; EIGLER 2003, 250. Hieronymus greift hier auf die nur fragmentarisch erhaltene Auslegung des Origenes zurück (frag. 216; GCS Origenes IX, 321,1–9 Rauer). Vgl. auch ep. 70,2,5 (702,6–14 H.): „legerat in deuteronomio domini uoce praeceptum, mulieris captiuae radendum caput, supercilia, omnes pilos et ungues corporis amputandos et sic eam habendam in coniugio. quid ergo mirum, si et ego sapientiam saecularem propter eloquii uenustatem et membrorum pulchritudinem de ancilla atque captiua israhelitin facere cupio, si, quidquid in ea mortuum est idolatriae, uoluptatis, erroris, libidinum, uel praecido uel rado et mixtus purissimo corpori uernaculos ex ea genero domino sabaoth?“

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

konstruktiv zu gestalten. Ging es Augustin oben um die Vereindeutigung der Grenzziehung zwischen Christen und „Heiden“, also darum, seiner Gemeinde einzuschärfen, dass es keine fließenden Übergänge geben dürfe, so insistiert zwar auch Hieronymus auf der Notwendigkeit der „Reinigung“ der Bildung, argumentiert jedoch für deren Rezipierbarkeit – nichts anderes dürfte Damasus (und mit ihm die wachsende christliche Gruppe unter den Gebildeten Roms) erwartet haben. Die Berufung auf Paulus hat dann den Sinn, den „Starken“ ihre Verantwortung darzulegen, sie aber darüber hinaus zum Verfolg ihrer literarischen Interessen zu ermächtigen; von hier aus erstaunt es auch nicht, dass selbst in Hieronymus’ Mönchsromanen Klassikerzitate begegnen: Die Leser würden diese goutieren, ohne sich davon auf Abwege führen zu lassen. Mit der paganen Bildung lässt sich also eine gedeihliche Ehe eingehen – nicht aus Mangel an Alternativen, sondern aus Liebe zu ihr.296 d) Kulturrezeption als „Bienenarbeit“: Die Areopagrede (Apg 17,22–31) wird von Hieronymus gegenüber dem Rhetor Magnus als Beispiel dafür angeführt, wie Christen die „Heiden“ mit deren eigenen Waffen schlagen sollen (S. 471). In seinem Kommentar zum Titusbrief wird die Stelle weitaus friedfertiger interpretiert. Der Anlass ist das Diktum des Kreters Epimenides, alle Kreter seien Lügner (Tit 1,12: Κρῆτες ἀεὶ ψεῦσται). In christlichen Kreisen war offenbar der Zeushymnus des Kallimachos bekannt, wonach die Kreter das Grab des Zeus zeigten; da der Gott aber als lebendig besungen werde, seien sie Lügner. Wenn Paulus Epimenides zitierte, musste er nicht auch dessen Begründung übernehmen und zugeben, dass Zeus lebe?297 Hieronymus verteidigt Paulus damit, „dass partielle Zustimmung nicht die Billigung des Ganzen in sich schließe“298: Der Apostel könne ein Zitat verwenden, ohne die mythologische Einkleidung des Fundortes zu akzeptieren. Unmittelbar davor wird mit dem „unbekannten Gott“ (Apg 17,23) der Zugriff auf pagane Autoren reflektiert: „Es verwundert nicht, wenn er bei passender Gelegenheit Verse heidnischer Dichter gebraucht, da er sogar über eine Altarinschrift, indem er einige Veränderungen an ihr vornahm, zu den Athenern sagte: ‚Denn als ich umherging und eure Heiligtümer betrachtete, fand ich auch einen Altar mit der Inschrift: Einem unbekannten Gott. Was ihr da verehrt, ohne es zu kennen, das verkündige ich euch‘… Das aber tat Paulus selten: wie sich ihm ein günstiger Anlass bot, nicht eine Gelegenheit zur Prahlerei, nach Art der Bienen, die von verschiedenen Blüten Honig bereiten und Wabenzellen zusammenfügen.“299 296 Zu diesem Bild vgl. auch Aug. c. Faust. XX 91 (697,23–698,8 P.) und Sidon. ep. IX 9,12 (III 151 L.), wobei der Frau ihr „weltliche“ Schmuck hier weitgehend belassen wird! 297 Hier. in Tit. 1,12sqq. (CChr.SL 78C, 31,693–695 Bucchi): „Imperite igitur Paulus, idololatriae destructor, dum aduersus peruersos doctores agit, deos quos impugnabat adseruit.“ 298 GNILKA 1984, 126. 299 Hier. in Tit. 1,12sqq. (30,660–666. 672–675 B.): „Nec mirum si pro opportunitate temporis Gentilium poetarum uersibus abutatur, cum etiam de inscriptione arae aliqua commutans ad Athenienses locutus sit: ‚Pertransiens enim‘, inquit, ‚et contemplans culturas uestras, inueni et aram in qua superscrip-

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Hier wird also nicht die „heidnische“ Bildung insgesamt gereinigt und rezipiert, sondern aus dem verfügbaren Bildungsschatz werden einzelne Elemente, die argumentativ nützlich sein könnten, herausgenommen. Damit betont Hieronymus zum einen das Moment der Distanz zum Gegenstand, zum anderen die kritische Selektion; es erstaunt daher nicht, dass Gnilka das Bild der „Bienenarbeit“ als Paradebeispiel christlicher Chrêsis ansieht.300 Dazu passt, dass Paulus „nicht zufällig oder beiläufig, sondern mit Bedacht und Umsicht“ pagane Zitate ausgewählt habe.301 Bildung erscheint dabei als feststehender Textbestand, der den „Heiden“ wie den Christen zur Verfügung steht, um bei Bedarf passende Versatzstücke zu entlehnen, ohne dass daraus eine Loyalität gegenüber dem Ganzen erwüchse. Die von Hieronymus kritisierte Haltung dürfte manchen gebildeten Christen freilich nicht weniger plausibel erschienen sein: Zitate wertneutral einzusetzen oder gar kritisch gegen ihren Ursprung zu wenden – und in diesem Sinne zu „konvertieren“ – widersprach offen dem Ziel der antiken Schulbildung, die Jugend in den die Generationen verbindenden Kosmos aus literarischer Bildung und sozialer Verortung einzuweisen. Das Honigsammeln der Bienen musste christlichen Theologen gerade in apologetischen Zusammenhängen als Interpretament der eigenen Kulturrezeption einleuchten; gebildeten, mit „Heiden“ in engem Austausch stehenden Christen dürfte dagegen mit einer weniger selektiven Strategie der Inanspruchnahme paganer Bildungsgüter besser gedient gewesen sein. e) Das Gold und Silber der Ägypter (Ex 3,21f.; 12,35f.): Eine solche Rezeptionsstrategie ist wiederum bei Augustin am besten fassbar, was zeigt, dass nicht ein Theologe je einer Haltung zur antiken Kultur zuzuordnen ist. Vielmehr ist deren Umgang mit den Inhalten der Schulbildung situativ unterschiedlich ausgeprägt, wie schon bei Hieronymus deutlich wurde. In De doctrina christiana II werden die paganen Wissenschaften nach ihrer Nützlichkeit (utilitas) klassifiziert; als wissenswert gewürdigt werden besonders die Historiographie302, die Mathematik und die Dialektik. Dann geht Augustin zu den Philosophen über: tum est: Ignoto Deo. Quod itaque ignorantes colitis, hoc ego annuntio uobis‘… Hoc autem Paulus faciebat raro et ut loci potius quam ostentationis opportunitas exigebat, in morem apium quae de diuersis floribus solent mella componere et fauorum cellulas coaptare“; Übers. GNILKA 1984, 126f. 300 Vgl. GNILKA 1984, 102–133; neben Hieronymus (und antiken paganen Autoren wie Ps.-Isokrates und Plutarch, Seneca und Macrobius) wird die christliche Rezeption anhand der folgenden Autoren beschrieben: Joh. Chrys. hom. de statuis 12,2 (PG 49, 129f.); Bas. adolesc. 4 (45,36–46,54 Boulenger); Greg. Naz. or. 43,13 (SC 384, 142,1–5 Bernardi); Isid. Pelus. ep. 2,3 (PG 78, 457C); Clem. Al. str. I 6,33,4–34,1 (GCS Clemens Alexandrinus II, 22,8–21 Stählin/Früchtel/Treu); Theod. affect. I 125f. (PG 83, 824C–825A). 301 Hier. in Tit. 1,12sqq. (32,729f. B.): „non fortuito et ut libet et transitorie, sed considerate et circumspecte.“ 302 Dazu auch Aug. civ. II 3 (36,4–11 D./K.); vgl. Hier. ep. 53,1 (CSEL 54, 443,16–444,1 H.) zu Livius: „lacteo eloquentiae fonte manans“; weitere Belege bei EIGLER 2003, 200f.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

„Wenn aber diejenigen, die Philosophen genannt werden, zufällig etwas Wahres und zu unserem Glauben Passendes gesagt haben, wie besonders die Platoniker, dann darf dies nicht nur nicht gefürchtet, sondern muß sogar von diesen wie von unrechten Besitzern für unseren Gebrauch eingefordert werden. Ebenso hatten nämlich die Ägypter nicht nur Götzenbilder und schwere Lasten, welche das Volk Israel verabscheute und floh, sondern auch Gefäße und Kostbarkeiten von Gold und Silber sowie Kleider, welche jenes Volk bei seinem Auszug aus Ägypten gleichsam für einen besseren Nutzen heimlich für sich beansprucht hat, nicht durch eigene Autorität, sondern nach dem Auftrag Gottes, während die Ägypter selbst ihnen in ihrer Unwissenheit dies überließen, was sie selbst nicht gut gebrauchten.“303

Vorausgesetzt ist zunächst, dass Philosophen Wahres aussagen können (und auch ausgesagt haben); sodann, dass dies auch für den christlichen Glauben relevant sein könnte. Die Christen (oder wenigstens einige unter ihnen) müssen daher die Philosophie kennen, um das für sich zu reklamieren, was sie – im Unterschied zu den „Heiden“ – in angemessener Weise zu gebrauchen wissen. Augustin verwendet das Bild der Kleider der Ägypter für menschliche Einrichtungen, auf die man in diesem Leben nicht gut verzichten könne, weshalb man sie zum christlichen Gebrauch „konvertieren“ dürfe. Ihnen eigne kein göttlicher Wahrheitsfunke wie dem Gold und Silber; solange man aber unter Menschen lebe, seien solche hominum instituta sinnvoll und legitim.304 Diese Möglichkeit des reflektierten Gebrauchs hätten die „Heiden“ (hier: die Ägypter) auch gehabt. Ihnen war nicht von vorneherein der Verlust ihrer Schätze vorherbestimmt; weil sie aber in Unwissenheit verharrten, durften die Israeliten sie wie unrechtmäßige Besitzer dessen berauben, wovon nur sie den wahren Wert kannten. Maßgeblich ist also die Fähigkeit zum Unterscheiden, die nach Augustin den Umgang mit artes liberales bestimmen soll: „So bestehen alle Wissenschaften der Heiden nicht nur aus vorgetäuschten und abergläubischen Erdichtungen und schweren Bürden von überflüssiger Mühe, die jeder einzelne von uns unter der Führung Christi bei seinem Auszug aus der Gemeinschaft der Heiden verwünschen und meiden muß, sondern sie enthalten auch die sogenannten freien Künste, die für den Nutzen der Wahrheit recht geeignet sind, und einige sehr nützliche Vorschriften zur Lebensführung. Selbst über die Verehrung des einzigen Gottes findet sich bei ihnen einiges Wahre. Dies muß ein Christ, während er sich geistig von deren elenden Gesellschaft trennt, von ihnen zum rechten Gebrauch der Verkündigung des Evangeliums wegtragen, gleichsam wie ihr Gold und Silber, das die Heiden nicht selbst 303 Aug. doct. christ. II 40,60 (73,1–74,11 M.): „Philosophi autem qui uocantur si qua forte uera et fidei nostrae accommodata dixerunt, maxime Platonici, non solum formidanda non sunt, sed ab eis etiam tamquam iniustis possessoribus in usum nostrum uindicanda. Sicut enim Aegyptii non tantum idola habebant et onera grauia, quae populus Israhel detestaretur et fugeret, sed etiam uasa atque ornamenta de auro et argento, et uestem, quae ille populus exiens de Aegypto sibi potius tamquam ad usum meliorem clanculo uindicauit, non auctoritate propria, sed praecepto dei ipsis Aegyptiis nescienter commodantibus ea, quibus non bene utebantur“; Übers. POLLMANN, 97; vgl. HAGENDAHL 1983, 92; CHIN 2005, 175–181. 304 Aug. doct. christ. II 40,60 (74,23–27 M.): „Vestem quoque illorum [sc. Aegyptiorum], id est, hominum quidem instituta, sed tamen accommodata humanae societati, qua in hac uita carere non possumus, accipere atque habere licuerit in usum conuertenda christianum“; vgl. GNILKA 1984, 90.

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eingerichtet haben, sondern sozusagen aus den Minen der alles durchdringenden Vorsehung ans Tageslicht gebracht und auf verquere und unrechte Weise mißbraucht haben, um Dämonen zu willfahren.“305

Die Bildungsgüter gehörten, sofern sie dem Glauben dienlich sind, niemals den „Heiden“, sondern immer schon den Christen als den wahren Anhängern Gottes. Deren usus iustus steht das abuti der „Heiden“ gegenüber. Die Christen müssen einen Auszug (exire) vornehmen, d.h. die Gemeinschaft mit den „Heiden“ aufgekündigen – wobei durch das Bild des Auszugs bzw. der spoliatio überhaupt erst die „Heiden“ unmissverständlich als von den Christen verschiedene Gruppe proklamiert werden!306 Übereinstimmend mit der Predigt zu David und Goliath wird also eine radikale Scheidung zwischen christlichen und paganen Lebenszusammenhängen propagiert, über deren Durchführung freilich nur spekuliert werden kann: Wer sollte die Bildung der „Heiden“ sichten und das den Christen Zukommende „wegtragen“, wenn nicht ein Absolvent der römischen Schulen oder gar ein dort (jetzt oder einst) wirkender Lehrer? De facto vollzieht sich die Aneignung der paganen Bildung durch das Christentum nach Augustin auch genau so: „Denn was haben unsere vielen guten Gläubigen anders gemacht? Sehen wir nicht, mit wieviel Gold, Silber und Kleidung vollgeladen Cyprian, der allerangenehmste Gelehrte und glückseligste Märtyrer, aus Ägypten ausgezogen ist? Mit wieviel Laktanz, mit wieviel Victorin, Optat und Hilarius, um von den noch Lebenden zu schweigen? Mit wieviel die ungezählten griechischen Kirchenlehrer? Dies hatte bereits zuvor der gläubigste Diener Gottes, Moses selbst, getan, von dem geschrieben steht, daß er mit der ganzen Weisheit der Ägypter gebildet war [Apg 7,22].“307

305 Aug. doct. christ. II 40,60 (74,11–23 M.): „sic doctrinae omnes gentilium non solum simulata et superstitiosa figmenta grauesque sarcinas superuacanei laboris habent, quae unusquisque nostrum duce Christo de societate gentilium exiens debet abominari atque uitare, sed etiam liberales disciplinas usui ueritatis aptiores et quaedam morum praecepta utilissima continent, deque ipso uno deo colendo nonnulla uera inueniuntur apud eos, quod eorum tamquam aurum et argentum, quod non ipsi instituerunt, sed de quibusdam quasi metallis diuinae prouidentiae, quae ubique infusa est, eruerunt et, quo peruerse atque iniuriose ad obsequia daemonum abutuntur, cum ab eorum misera societate sese animo separat, debet ab eis auferre christianus ad usum iustum praedicandi euangelii“; Übers. POLLMANN, 97f. 306 Vgl. dazu die treffende Analyse von C HIN 2005, 179f.: „The idea of spoliation allows Augustine to project an independent existence for Christianity, in a way that a more literal description of late ancient Christians as inhabitants, and products, of the Roman Empire might not… The production of Christianity as such in Augustine’s speech habits thus occurs through the metaphor of spoliation, inseparable from the simultaneous imagination, and appropriation, of ‚doctrinae apud gentes‘“; vgl. auch ihr Fazit (183): „The Egypt from which the Christian grammarian removes intellectual spoils, and the Israel to which the spoils are removed, are equally conceptual products of the act of spoliation, a late ancient speech habit in which De Doctrina Christiana participates.“ 307 Aug. doct. christ. II 40,61 (74,28–35 M.): „Nam quid aliud fecerunt multi boni fideles nostri? Nonne aspicimus quanto auro et argento et ueste suffarcinatus exierit de Aegypto Cyprianus doctor suauissimus et martyr beatissimus? quanto Lactantius? quanto Victorinus, Optatus, Hilarius, ut de uiuis ta-

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

Nicht zufällig sind drei der fünf genannten Theologen ehemalige Rhetoriklehrer, ein weiterer (Hilarius) für seine ausgefeilte Sprache berühmt; Optat war Augustin als wortgewaltiger Widersacher der Donatisten vertraut. Moses wiederum war das zeitgenössisches Paradigma des in griechischer und ägyptischer Weisheit und Wissenschaft gebildeten Menschen, wobei die ägyptische Weisheit bei Augustin durchaus positiv besetzt ist308, während sie bei Gnostikern wie Valentin und Kerinth als Quell ihrer Häresie angesehen wurde (s.o. S. 109). Vor allem aber ist Moses ein Beispiel für den geforderten Auszug unter Mitnahme der Bildungsgüter. Nach seinem Vorbild hätten immer schon Christen die Gemeinschaft mit den „Heiden“ aufgekündigt und nach kritischer Sichtung die dem Glauben dienlichen paganen Wissenschaften ins Christentum entführt, und zwar ohne dass die „Heiden“ dies gemerkt hätten: „Besonders in jenen Zeiten, als die abergläubische Gewohnheit der Heiden das Joch Christi zurückwies und die Christen verfolgte, würden die Heiden all diesen Männern die Disziplinen, welche die Christen für nützlich hielten, niemals verliehen haben, wenn sie vermutet hätten, daß diese Disziplinen zum Nutzen der Verehrung des einzigen Gottes verwendet würden, wodurch die nichtige Verehrung der Götzenbilder beseitigt würde. Aber sie haben Gold, Silber und ihre Kleidung dem aus Ägypten ausziehenden Volk gegeben, weil sie nicht wußten, auf welche Weise jenes, was sie hergaben, für den Gehorsam gegenüber Christus verwendet würde [vgl. 2 Kor 10,5]. Jenes Ereignis beim Auszug aus Ägypten ist nämlich ohne Zweifel als figürliche Rede zu verstehen, damit es dies symbolisch im voraus andeute.“309

Hier klingt noch einmal das Waffenmotiv an: Hätten die „Heiden“ gewusst, welcher machtvollen Instrumente sie sich begaben, wären sie wohl aufmerksamer gewesen, um nicht gegenüber den Christen ins Hintertreffen zu geraten, wie es in der Gegenwart der Fall ist. Zugleich wird hier noch einmal unceam? quanto innumerabiles Graeci? Quod prior ipse fidelissimus Dei famulus Moyses fecerat, de quo scriptum est quod ‚eruditus‘ fuerit ‚omni sapientia Aegyptiorum‘“; Übers. POLLMANN, 98. 308 Vgl. Aug. civ. XVIII 37 (633,34–37 D./K.); vgl. Cornelius MAYER , AL 2, 1102: „Als ein ‚a filia pharaonis adoptatus atque nutritus‘ wurde Moses zunächst ein ‚liberaliter educatus‘, darauf erst ein ‚eruditus omni sapientia Aegyptiorum‘“, wobei Augustin selbst anmerkt, dass dies so nicht in der Heiligen Schrift stehe; vgl. Bas. adolesc. 3 (44,11–15 Boulenger); Greg. Nyss. de vita Moysis I 18 (SC 1bis, 58,1–3 Daniélou) mit der Feststellung: παιδευθεὶς τὴνἔξωθενπαίδευσιν; s. GNILKA 1984, 76–79; RUBENSON 2001, 127. Nach Caes. serm. 99,1 (403 M.) zeige Ex 7,6–13 die Überlegenheit der christlichen über die ägyptische Weisheit: „et tantam sapientiam, quae omnem Aegyptiorum, id est, huius mundi sapientiam devoraret“; dazu FERREIRO 1992, 11; anders Ambr. hex. VI 2,8 (CSEL 32/1, 208,19–22 Schenkl): „Certe Moyses eruditus erat in omni sapientia Aegyptiorum, sed quia spiritum dei accepit, quasi minister dei inanem illam et usurpatoriam philosophiae doctrinam ueritatis rationi posthabuit“; vgl. ELLSPERMANN 1949, 117. 309 Aug. doct. christ. II 40,61 (74,35–75,44 M.): „Quibus omnibus uiris superstitiosa gentium consuetudo et maxime illis temporibus, cum Christi recutiens iugum Christianos persequebatur, disciplinas quas utiles habebat, numquam commodaret, si eas in usum colendi unius dei, quo uanus idolorum cultus exscinderetur, conuersum iri suspicarentur: sed dederunt aurum et argentum et uestem suam exeunti de Aegypto populo dei nescientes quemadmodum illa quae dabant, in Christi obsequium redderentur. Illud enim in exodo factum sine dubio figuratum est, ut hoc praesignaret“; Übers. POLLMANN, 98f.

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terstrichen, dass die disciplinae liberales der Gottesverehrung zugeordnet sind. So gewiss diese nicht von der Beherrschung der Schulbildung abhängig ist, so deutlich ist doch, dass für Augustin ein Christ (jedenfalls in verantwortlicher Position als Bischof und Lehrer) auf Bildung nicht einfach verzichten kann; es war ja gerade der fatale Fehler der Ägypter, nicht besser auf das zu achten, was ihnen anvertraut war! Die typologische Deutung des Exodusgeschehens impliziert daher „die Pflicht zur Inbesitznahme der heidnischen Weisheit“. 310 Das Verzweifeln über Methoden und Inhalte der Schulbildung, das Augustin in den Confessiones dokumentiert, ist die Kehrseite der Entschlossenheit, die pagane Bildung durch kritische Sichtung in den Dienst des Christentums zu stellen: „[He] was willing to believe that the husks of the swine in the literature of the past could be transformed into the gold of the Egyptians.“311 5.3.4. Pagane Bildung als Propädeutik des Glaubens Pagane Bildung wird in den beschriebenen Bildern teils polemisch, teils irenisch als Propädeutik christlicher Bildung rezipiert. Die Kenntnis der Rhetorik kann z.B. dazu befähigen, die christliche Rede von sachfremdem Ornat zu reinigen. 312 Nach Ennodius hat die pagane Bildung eine aufklärerische Funktion: Sie legt offen, was für den Christen gerade nicht erstrebenswert ist: „Heilig ist das Studium der Literatur, in der wir schon vor dem Wachsen an eigener Erfahrung gelernt haben, was Sünden sind.“313

Dies nicht wissen zu wollen, stünde einem Christen seltsam zu Gesicht. Obwohl die Beschäftigung mit Bildung kein eigenständiges Interesse verfolgt, ist sie doch unverzichtbar, jedenfalls für Christen aus Ennodius’ (Bildungs-) Schicht. Der Bischof steht damit in einer Reflexionstradition, die bis zu Clemens von Alexandrien hinabreicht: „Wie wir es aber für möglich erklären, daß man auch ohne Buchstabenkenntnis gläubig sein kann, so bekennen wir, daß man die im Glauben enthaltenen Lehren nicht verstehen kann, ohne zu lernen.“314

Nicht der Glaube, wohl aber sein denkerischer Nachvollzug hängt von den Bildungsvoraussetzungen des Glaubenden ab; und für die Theologen der alexandrinischen Tradition war es keine Frage, dass der Glaube verstanden sein wollte. Clemens versteht (im Anschluss an Philo) die Erzählung von Ab310

So zutreffend BROX 1981, 301. ROUSSEAU 1999, 186. 312 Ambr. ep. 32(48),3 (CSEL 82/1, 227,25–28 Zelzer) an Sabinus; s. S. 218f. Anm. 255. 313 Ennod. ep. V 10 (180,10f. V.): „Sancta sunt studia litterarum, in quibus ante incrementa peritiae vitia dediscuntur.“ 314 Clem. Al. str. I 6,35,2 (23,6–8 St./Fr./Tr.): ἀλλὰκαθάπερκαὶἄνευγραµµάτωνπιστὸν εἶναι δυνατόν φαµεν, οὕτως συνιέναι τὰ ἐν τῇ πίστει λεγόµενα οὐχ οἷόν τε µὴ µαθόντα ὁµολογοῦµεν; Übers. Michael DURST, in: POUDERON 2003, 892 Anm. 207. 311

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raham, Sarah und Hagar als Interpretament des Bildungserwerbs durch Christen: Wie Abraham erst zu Hagar habe gehen müssen, damit Sarah fruchtbar werden konnte, sollen auch die Christen sich der weltlichen Bildung zuwenden, um dadurch vorbereitet die wahre Weisheit zu erlernen; freilich wird mit Prv 5,20 („Sei nicht viel bei der Fremden“) sogleich eingeschärft, sich mit weltlicher Bildung nicht über Gebühr aufzuhalten.315 Analog dazu empfiehlt Origenes die ἐγκύκλια µαθήµατα als προπαιδεύµατα für das Christentum316, die die Grundlage des Bibelstudiums bildeten und daher für das Verständnis der Heilsbotschaft konstitutiv seien.317 Im vierten Jahrhundert wurde diese Tradition einer Indienstnahme paganer Bildung für christliche Schriftauslegung vor allem von Gregor von Nazianz aufgegriffen: „Ich glaube aber, darin stimmen alle Verständigen überein, daß Bildung das erste unserer Güter sei, nicht nur jene hocherhabene und uns eigene, die jede Anmut und jeden Schmuck in der Rede verschmäht und sich nur an das Heil und die Schönheiten der Wahrheit hält, sondern auch die heidnische, die die meisten Christen als schädlich und gefährlich und als von Gott wegführend verachten. Denn wir dürfen Himmel, Erde, Luft und alles, was dazu gehört, nicht deshalb verachten, weil einige eine verkehrte Anschauung von ihnen gehabt haben, indem sie die Werke Gottes als Gott verehrten. Wir gebrauchen vielmehr davon, was zum Leben und zur Freude dienlich, und vermeiden das, was gefährlich ist.“318

Der Missbrauch von Geschöpfen als Surrogat für den Schöpfer erledigt nicht die Möglichkeit, aus der geschaffenen Welt und damit auch aus den Bildungsgütern Hinweise auf Gott zu gewinnen; insofern stehen christliche und pagane Bildung nicht im Widerspruch. Augustins Rekonstruktionsversuche einer paganen Propädeutik der christlichen Bildung von De ordine bis De doctrina 315 Vgl. Clem. Al. str. I 5,28,9; I 5,30,4 (19,5–8; 19,24–20,5 St./Fr./Tr.) nach Philon, de congressu 14,71–80 (zu Gen 16,3); dazu SCHWENK 1992, 153f.; STUDER 1998, 102. 316 Orig. ep. ad Greg. 1 (FC 24, 214,10–12 Guyot/Klein): ποιητικῶς δὲ διὰ τουτ᾿ ἂν ηὐξάµην παραλαβεῖν σε καὶ φιλοσοφίας ῾Ελλήνων τὰ οἱονεὶ εἰς χριστιανισµὸν δυνάµενα γένεσθαιἐγκύκλιαµαθήµαταἢπροπαιδεύµατα. 317 Vgl. Eus. h.e. VI 18,4 (GCS Eusebius II/2, 556,23–27 Schwartz): πολλοὺςδὲκαὶτῶν ἰδιωτικωτέρωνἐνῆγενἐπὶτὰἐγκύκλιαγράµµατα,οὐµικρὰναὐτοῖςἔσεσθαιφάσκωνἐξἐκείνων ἐπιτηδειότητα εἰς τὴν τῶν θείων γραφῶν θεωρίαν τε καὶ παρασκευήν, ὅθεν µάλιστα καὶ ἑαυτῷ ἀναγκαίανἡγήσατοτὴνπερὶτὰκοσµικὰκαὶφιλόσοφαµαθήµαταἄσκησιν. Origenes berief sich dafür auf das Vorbild seines Lehrers Pantaenus (Eus. h.e. VI 19,12–14; 562,8–20 Sch.). Dies trug ihm allerdings die Kritik ein, er habe sich von weltlicher Bildung blenden lassen (Epiph. haer. LXIV 72,9; GCS Epiphanius II, 523,14–18 Holl/Dummer): οὕτωκαὶσύ,ὦ᾿Ωρίγενες, ἀπὸπροειρηµήνης῾Ελληνικῆςπαιδείαςτυφλωθεὶςτὸννοῦνἐξηµέσαςἰὸντοῖςπεισθεῖσίσοικαὶ γέγοναςαὐτοῖςεἰςβρῶµαδηλητηρίου,δι᾿ὧναὐτὸςἠδίκησαιτοὺςπλείους. 318 Greg. Naz. or. 43,11 (136,1–138,7 B.): Οἶµαι δὲ πᾶσιν ἀνωµολογῆσθαι τῶν νοῦν ἐχόντωνπαίδευσιντῶνπαρ᾿ἡµῖνἀγαθῶνεἶναιτὸπρῶτον.Οὐταύτηνµόνηντὴνεὐγενεστέραν καὶἡµετέραν,ἣπᾶντὸἐνλόγοιςκοµψὸνκαὶφιλότιµονἀτιµάζουσαµόνηςἔχεταιτῆςσωτηρίας καὶτοῦκάλλουςτῶννοουµένων,ἀλλὰκαὶτὴνἔξωθεν,ἣνοἱπολλοὶχριστιανῶνδιαπτύουσινὡς ἐπίβουλονκαὶσφαλερὰνκαὶΘεοῦπόρρωβάλλουσαν,κακῶςεἰδότες; Übers. WEISSENGRUBER 1966/67, 16; vgl. GNILKA 1984, 74f.; BREITENBACH 2003, 145f.

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christiana stehen also in einer reichen innerchristlichen Reflexionstradition. In seiner Frühschrift Contra Academicos betont Augustin entsprechend, er wolle seine Freunde „zu dem Kreis der Wissenschaften zurückrufen, durch die die Gemüter verfeinert werden“. Hier ist die Philosophie (konkret: die gemeinschaftliche Lektüre des „Hortensius“) gemeint, die Licentius in seiner Begeisterung für die Poesie vernachlässigt habe. Ironisch versetzt Augustin, er fürchte, dass jene Bildung „uns als Labyrinth erscheint – und fast reut es mich, dich in deinem Eifer gebremst zu haben!“319 Trotz dieser demonstrativen Skepsis erfährt die ἐγκύκλιοςπαιδεία durch Augustin in den Schriften aus Cassiciacum, aber auch später eine differenzierte, im Grundzug freilich eindeutige Rezeption zu Gunsten des Christentums, wie der Vergleich mit dem „Gold und Silber der Ägypter“ zeigt (s.o.): Sie hat zur Reflexion des Glaubens Wesentliches beizutragen und muss daher von den Christen mit Beschlag belegt werden, während die Gemeinschaft mit den „Heiden“ im Grunde abgebrochen, jedenfalls aber möglichst beschränkt werden muss. Daran wird die Differenz zwischen dem Inhalt der „freien Künste“, den Institutionen ihrer Vermittlung und den Zusammenhängen ihrer Verwertung deutlich: Die „Heiden“ haben missbraucht, was gut und nützlich ist, und haben damit ihre Chance vertan, sich selbst anzueignen, was den Christen zugedacht war. Daher sind die artes liberales nicht nur Anknüpfungspunkt für die „Heidenmission“, sondern haben konstitutive Bedeutung für die christliche Verkündigung. Augustins These, dass der christliche Prediger die genera dicendi kennen und einsetzen müsse, kehrt hier in grundsätzlicher Form wieder. Augustin greift als Bischof in De doctrina christiana den Gedanken aus De ordine wieder auf, dass die Bildungsgüter der Schöpfung inhärent seien: „Die Wissenschaft des Definierens, Unterteilens und Einteilens [sc. die Dialektik] ist nicht an sich falsch, obwohl sie auch sehr häufig für falsche Dinge angewendet wird, und sie ist nicht von Menschen eingerichtet worden, sondern wurde der Grundstruktur der Dinge selbst entnommen.“320

Ebenso muss der Christ nicht die Musik, die doch „nützlich zum Verständnis der Heiligen Schrift“ und „zur Erfassung des geistigen Sinnes“ sei321, meiden,

319 Aug. c. Acad. III 4,7 (39,17f. Gr.): „sed dum ad istarum disciplinarum quibus excolentur animi, circulum reuocare uos cupio, metuo, ne nobis labyrinthus fiat, et prope me paenitet ab illo te impetu repressisse“; vgl. FUHRER 1997, 259; vgl. aaO. 123–125 zu c. Acad. II 3,8 über Romanianus (22,28f.: „ego eum reprimo, ut disciplinis necessariis prius excultus uigentior et firmior insurgat“) sowie aaO. 139 zu c. Acad. II 4,10 (23,5), wo das poeticae studium als „propädeutische ‚Schulung des Geistes‘“ beschrieben wird, und zwar für die Philosophie (dazu auch HADOT 1984, 278f.). 320 Aug. doct. christ. II 35,53 (69,1–4 M.): „scientia definiendi, diuidendi atque partiendi quamquam etiam rebus falsis plerumque adhibeatur, ipsa tamen falsa non est, neque ab hominibus instructa, sed in rerum ratione comperta“; Übers. nach POLLMANN, 91. 321 Aug. doct. christ. II 18,28 (53,2–6 M.): „nos tamen non propter superstitionem profanorum debemus musicam fugere, si quid inde utile ad intellegendas sanctas scripturas rapere potuimus, nec ad

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nur weil den Musen ein mythischer Ursprung zugeschrieben werde, zumal dies bereits Varro, „der in solchen Dingen unter den Heiden der Gelehrteste und Wissensdurstigste war“, widerlegt habe.322 Die „Entmythologisierung“ ist also bereits von „heidnischen“ Denkvoraussetzungen aus geboten; um wieviel mehr sollte sie dann der Christ mutig angehen und sich von den Ursprungslegende der Buchstaben, die von dem göttlichen Merkur erfunden worden seien, nicht davon abhalten lassen, sie zu lernen und bewusst einzusetzen.323 Die artes bewegen sich damit im Vorfeld der eigentlichen christlichen Tätigkeit, der Auslegung und Aneignung der Bibel, sie sind aber dafür nützlich, und insofern wäre es fahrlässig, auf diesen Nutzen ohne Not zu verzichten. Entscheidend ist allerdings, dass die Unterscheidung zwischen dem nutzbringend einzusetzenden Gehalt einer solchen ars und den in der Schule vermittelten Zielen ihrer Verwendung durchgehalten wird: „Die Disziplin der Erörterung [sc. die Dialektik] vermag am meisten bei der Durchdringung und Lösung von allen Arten von Fragen, die in der Heiligen Schrift auftauchen. Nur muß man sich hierbei vor der Streitlust und einer gewissen kindischen Prahlerei hüten, die den Gegner täuschen will.“324

Auf diese Weise erfahren die Schuldisziplinen eine kritische Würdigung als Propädeutik der Schriftauslegung. Allerdings werden sie durch den Inhalt der Heiligen Schrift, das Wort Gottes, auch in ihrer Geltung begrenzt: Eine rein grammatische Betrachtung von Joh 8,19b („si me sciretis forsitan et Patrem meum sciretis“) könnte ergeben, Christus zweifle an seiner Mission, den Menschen die Erkenntnis des Vaters zu ermöglichen. Das aber wäre ein schwerwiegendes, die grundfalsche Perspektive entlarvendes Missverständnis: „Ich meine, du hast schon begriffen, weshalb hier ‚forsitan‘ gesagt wird; so dass nicht einer, der Worte seziert und Silben untersucht und weiß, wie man Latein spricht, das Wort tadelt, das das göttliche Wort ausspricht, und sich durch diesen Tadel selbst nicht als redekundig, sondern als stumm erweist.“325

illorum theatricas nugas conuerti, si aliquid de citharis et de organis, quod ad spiritalia capienda ualeat, disputemus.“ 322 Aug. doct. christ. II 17,27 (52,3f. M.): „Refellit eos Varro, quo nescio utrum apud eos quisquam talium rerum doctior et curiosior esse possit.“ 323 Aug. doct. christ. II 18,28 (53,6–8 M.): „Neque enim et litteras discere non debuimus, quia earum deum dicunt esse Mercurium“; vgl. zu der Merkur-Legende bereits oben S. 78f. 324 Aug. doct. christ. II 31,48 (65,3–6 M.): „Sed disputationis disciplina ad omnia genera quaestionum, quae in litteris sanctis sunt, penetranda et dissoluenda, plurimum ualet; tantum ibi cauenda est libido rixandi et puerilis quaedam ostentatio decipiendi aduersarium“; Übers. POLLMANN, 87. Augustin stellt so „einen mehr äußeren Zusammenhang… zwischen dem damaligen Schulbetrieb und dem Gebrauch der Bibel her“ (STUDER 1996, 494). 325 Aug. in euang. Joh. 37,4 (333,1–5 W.): „Iam, quantum existimo, intellexistis quomodo sit positum ‚forsitan‘; ne quis uerborum appensor et syllabarum examinator, ueluti latine loqui sciens, reprehendat uerbum quod dixit Dei Verbum, et reprehendendo Dei Verbum, non eloquens, sed mutus remaneat.“

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Das Wort Gottes ist mehr, als sich der beschränkte Verstand des Grammatikers vorstellen kann. Wenn man den Bibelvers richtig versteht, ergibt sich ein Vorbehalt aufgrund der Sündhaftigkeit des Menschen, die ihm möglicherweise die Erkenntnis Gottes verstellt, nicht ein Zweifel Christi an seinen eigenen Worten. Die Kritik am verengten Horizont des Grammatikers ist gewiss ein antiker Topos, jedoch wird hier gezeigt, zu welchen spezifisch theologischen Fehlschlüssen die Beschränkung der analytischen Perspektive führen kann. Dagegen kann die Schulbildung äußerst erhellend sein, wenn man sie dem christlichen Gegenstand anpasst. Wie Augustins zweiter Brief an Januarius betont, kann die eloquentia sogar zum Attribut der „heilvollen Lehre“ werden, wenn sie nämlich zum Verständnis der Austeilung der Heilsmittel nicht nur biblische Aussagen (hier: über die Gestirne und den Himmel in Gen 1,14), sondern auch Sachverhalte „aus der niederen Kreatur“ anführt und damit den Affekt der Lernenden „vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, vom Körperlichen zum Geistigen, vom Zeitlichen zum Ewigen“ führt.326 Demnach greift die Rhetorik den Drang des Menschen nach Erkenntnis auf und lenkt ihn mit ihren Mitteln in die richtigen Bahnen. Die menschlichen und weltlichen doctrinae (bzw. disciplinae, scientiae oder eben artes) führen in diesem Sinne hin zur „doctrina pietatis“ oder, etwas anders nuanciert, zur „doctrina sana id est christiana“.327 Nach Pier Franco Beatrice ermöglicht der polyvalente Begriff doctrina damit „an original synthesis of Christianity and Antiquity“.328 Damit ergibt sich eine Perspektive auf die „heidnische“ Bildung, die dieser bei aller Kritik an den Institutionen ihrer Vermittlung doch eine konstruktive Rolle für die Konstitution christlicher Wirklichkeitserkenntnis beimessen kann. Augustin steht paradigmatisch für diese christliche Reflexionstradition, die explizit und – meistens – implizit die Theorie, aber auch die Praxis spätantiker christlicher Autoren über den Umgang mit pagenen Bildungsgütern prägt. Den gemeinsamen Wurzelgrund mit den „Heiden“, also das von allen antiken Gebildeten geteilte kulturelle Terrain zu verlassen, wird als regulative Idee, nicht aber als realisierbare Lebensform erkennbar: Sämtliche hermeneutischen Strategien führen zu einer mehr oder weniger weitgehenden Relativierung „heidnischer“ Bildung, verbleiben aber im Rahmen antiker literarischer Kommunikation. Der Disput zwischen Rufin und Hieronymus macht deutlich, dass ein radikaler Ausstieg aus dieser Bildungswelt nicht einmal gedanklich stringent durchzuführen war. Entscheidend ist vielmehr die Unterschei326 Aug. ep. 55,7,13 (CSEL 34/2, 184,16–185,3 G.) ad inquisitiones Januarii II: „Si quae autem figurae similitudinum non tantum de coelo et de sideribus, sed etiam de inferiori creatura ducuntur ad dispensationem sacramentorum, eloquentia quaedam est doctrinae salutaris, movendo affectui discentium accomodata, a visibilibus ad invisibilia, a corporalibus ad spiritualia, a temporalibus ad aeterna“; vgl. BLÜMER 1991, 176; KURSAWE 2000, 87f. 327 Die Begriffe nach Aug. conf. V 5,9 (61,22f. V.); doct. christ. IV 31,64 (167,7 M.). 328 B EATRICE 2006, 281.

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III. Christentum und Bildung in der Spätantike

dungsfähigkeit, die sich aus christlichen Quellen speist: die Kompetenz zu unterscheiden, in welcher Hinsicht die antike pagane Bildung für den christlichen Glauben nützlich und vielleicht sogar notwendig ist. Die Rede von einer „Chrêsis“ hat für diese grundsätzlichen Entwürfe ihr Recht – die vorigen Kapitel haben jedoch gezeigt, dass die meisten Christen die antike Kultur ohne komplizierte Begründungen „nutzten“.

Zusammenfassung und Ausblick Die pagane Schulbildung ist ein Thema, das das Christentum von den Anfängen bis in die Spätantike (und weit darüber hinaus) beschäftigt hat – zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen literarischen und sozialen Kontexten und mit unterschiedlichen Antworten auf die Frage, ob, wie und in welchem Maße man sich Bildung aneignen solle. Dass es auf diese Frage eine einzige konsensfähige Antwort hätte geben können, erscheint angesichts der in der vorliegenden Untersuchung herangezogenen Vielfalt von Autoren, Quellen und Diskursen von vorneherein als unwahrscheinlich. In den vergleichsweise wenigen Fällen, wo von einem Autor schriftliche Zeugnisse in größerer Zahl erhalten sind, zeigt sich vielmehr oft sogar eine differenzierte bis disparate Haltung zur paganen Bildung bei ein und derselben Person. Um einige prominente Beispiele anzuführen1: Hieronymus gibt wortreich seiner Schulbildung den Abschied und verteidigt deren Benutzung zugleich nach allen Regeln der Kunst; Augustin unternimmt in De doctrina christiana den Versuch einer planmäßigen Konversion der antiken Bildung, ohne die eigene tiefe Bindung daran abstreifen zu können; Paulinus von Nola hingegen füllt die ganz auf Stil und Form ausgerichtete antike Epistolographie mit einem spezifisch christlichen Inhalt, nämlich dem Austausch über exegetische Themen. Bereits bei Tertullian, dem ersten christlichen Autor lateinischer Sprache, zeigt sich ein Miteinander von Bildungsdemonstration und -ablehnung, das die Faszination der Christen für das antike Bildungsideal ebenso bezeugt wie am Übergang zum Frühmittelalter die Klage Gregors von Tours, diesem Ideal nicht mehr entsprechen zu können – während Cassiodor mit seiner Sammlung der geistlichen und weltlichen Bildung, Gregor I. mit der ostentativen Ablehnung der Schulbildung je auf ihre Weise das Ende der Koexistenz von Christentum und paganer Bildung in der Spätantike bezeugen. Im Folgenden sind die christliche Inanspruchnahme paganer Bildung und die Auseinandersetzung damit strukturiert nachzuzeichnen. Zu fragen ist 1. nach dem geschichtlichen Verlauf der Bildungsdiskussion und der Zuordnung einzelner Positionen zu bestimmten Phasen dieses Prozesses; 2. nach der sozialen Bedeutung von Bildung in unterschiedlichen gesellschaftlichen und kirchlichen Segmenten;

1 Um der Übersichtlichkeit willen wird im Folgenden auf Wiederholung der Quellennachweise verzichtet, ebenso auf erneute Nennung von Sekundärliteratur.

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3. nach der Bildungsdiskussion in literarischen Gattungen und Diskursen und nach hermeneutischen Verfahren zur Kritik und Aneignung von Bildung. Ein Ausblick soll Perspektiven der Weiterarbeit benennen und die Ausgangsfrage nach dem Überleben des Christentums in der Antike wieder aufgreifen.

1. Etappen der Reflexion über Bildung Die Rezeption und Auseinandersetzung mit Bildung ist ein cantus firmus des antiken Christentums. Zwar haben bestimmte Diskussionen zunächst in einer konkreten Situation ihren Platz; so wird z.B. der Lehrerberuf von der Traditio apostolica, aber nicht mehr von den spätantiken Kirchenordnungen problematisiert. Jedoch schließen spätere Zeiten bezüglich der Inanspruchnahme von Bildung in vielfacher Form an Früheres an; das gilt für die Herausbildung christlicher Formulare für Grabinschriften wie für die hagiographische Exordialtopik. Im Folgenden sind in diachronem Vorgehen vier Etappen der Bildungsrezeption und -diskussion im lateinischen Christentum nachzuzeichnen, die sodann durch thematische Längsschnitte profiliert werden sollen. 1.1. Apologetik zwischen Werbung und Abgrenzung Schulbildung wird im Westen des römischen Reiches erstmals um die Mitte des 2. Jahrhunderts in griechischen, gegen Ende des Jahrhunderts dann auch in lateinischen apologetischen Schriften explizit thematisiert. Die Bildungsdebatte stellt einen Ausschnitt der übergreifenden Problematik dar, wie sich die Kirche und die Christen in das soziale und kulturelle Gefüge des römischen Reiches einordnen sollen, das ihnen seit dem Trajan-Reskript latent feindlich gegenübersteht, in dem sie allerdings durchaus Spielräume zur Entfaltung genießen. Dadurch wird erst die Voraussetzung dafür geschaffen, sich intensiv mit „weltlicher“ Bildung befassen zu können, deren Erwerb ja zunächst nichts mit dem ewigen Heil, sondern mit gesellschaftlicher Verortung zu tun hat – so jedenfalls scheinen es viele Christen gesehen zu haben. Schule und Schulbildung werden nur selten explizit reflektiert, am eindrücklichsten bei Tertullian, der zugleich das Grundproblem luzide entfaltet: Weil der Schulunterricht auf der Beschäftigung mit klassischen literarischen Texte basiert, diese jedoch „heidnische“ Mythen transportieren, müsste die Schule für jeden Christen tabu sein, da die griechischen und römischen Götter nicht nur als Lernstoff, sondern auch durch das Begehen ihrer Festtage den Schulalltag zutiefst prägen. Christen dürften nach Tertullian gar nicht als Lehrer fungieren, da sie sich beständig von ihrem Stoff, der dem christlichen Glauben zutiefst widerspreche, distanzieren müssten; Schüler sollten dagegen durch die Katechese gegen die „heidnischen“ Vorstellungen gefeit sein oder

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selbst ohne religiöse Vorbildung deren Falschheit instinktiv erfassen. Damit konzediert Tertullian die Unvermeidbarkeit des Schulbesuchs für Heranwachsende, die für ihre berufliche und soziale Verortung – wie begrenzt auch immer – am Ideal des litteratus partizipieren wollen und müssen. Das Zeugnis Tertullians in De idololatria ist deshalb so einzigartig, weil es nicht – wie die rhetorisch stilisierte Polemik Tatians – auf die Auseinandersetzung mit konkreten Bildungsbedürfnissen verzichtet und sich auch nicht – wie die Kritik Hippolyts an philosophischer Bildung – allein auf die Auseinandersetzung mit Häretikern richtet. Vielmehr wird bei Tertullian expliziert, was bei anderen Bildungskritikern jener Zeit vorausgesetzt ist: Das Christentum kann auf Bildung nicht verzichten, weil es vor allen Abgrenzungen zunächst einmal Teil seiner Welt ist; und es kann zugleich auf die Auseinandersetzung mit Bildung und ihren Institutionen nicht verzichten, weil es an den Klassikern stets eine religiöse Dimension wahrnimmt, die nach römisch-hellenistischem Verständnis zwar nicht ausgeschlossen ist, aber weder im Blick auf die Schule noch überhaupt als exklusive Bindung (religio) verstanden wird. Damit wird eine Unterscheidung von Christen und „Heiden“ eingezogen, von denen sich das Christentum anhand religiöser Kriterien abgrenzt. Freilich existiert ein kohärentes „Heidentum“ im Singular zunächst nur in der Wahrnehmung der Christen (erst im 4. Jahrhundert versucht Julian, eine „heidnische“ Religion zu profilieren). Diese theologische Konstruktion reagiert auf fließende Übergänge im Alltag, wie die zahlreichen Versuche Tertullians belegen, die Einzigartigkeit des christlichen Glaubens und Lebens und deren Konsequenzen einzuschärfen. Andererseits versuchen apologetischen Schriften, den Gegensatz von Christen und „Heiden“ zu überbrücken: Justin und Minucius Felix (und auch Tertullians Apologeticum) nehmen je auf ihre Weise klassische Bildung in Anspruch, um die Gesellschaftsfähigkeit des Christentums sowie die Nichtwidersprüchlichkeit von christlicher Botschaft und vorchristlicher Philosophie aufzuweisen. Neben der Traditionslinie der scharfen Abgrenzung ergibt sich damit ein weiterer Strang der Werbung für das Christentum, auch durch den Verweis auf die Konversion von Gebildeten und auf die intellektuelle Integrationsfähigkeit der christlichen Theologie. Die Kenntnis der klassischen Literatur und Philosophie ist dabei vorausgesetzt, ohne dass die Modalitäten ihres Erwerbs reflektiert würden; ebenso wie die Kritik Tertullians richtet sich die Werbung an Gebildete, die auf ihren schon erreichten Bildungsstand angesprochen werden können. Bei Justin wie bei Minucius Felix wird ein innerchristlicher Diskurs über Sinn und Notwendigkeit des Bildungserwerbs geführt, der aber die externe Kritik an der vermeintlichen Kulturlosigkeit des Christentums aufgreift und auch ad extra argumentativ werben soll. Beide Apologeten betonen, dass ein gläubiger Christ durchaus gebildet sein kann, während ein gebildeter „Heide“ bestens präpariert ist, um den Schritt zum christlichen Glauben zu vollziehen;

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hier steht also die verbindende Dimension von Bildung im Vordergrund. Möglicherweise vor einem solchen Hintergrund empfanden Mitglieder der karthagischen Oberschicht es als höchst befremdlich, dass ihr Standesgenosse, der ehemalige Rhetor und nunmehrige Bischof Cyprian, mit der Konversion zum Christentum nicht nur die Absage an „heidnische“ Kultvollzüge, sondern auch an seine Profession als Rhetoriklehrer verband – ebenso wie anderthalb Jahrhunderte später sein Landsmann Augustin. Beide Traditionslinien der christlichen Apologetik finden noch einmal im Umfeld der „konstantinischen Wende“ ihre Vertreter: Arnobius nimmt eine polemische Abgrenzung gegenüber paganer Mythologie und Philosophie vor, weist aber darauf hin, dass sich zahlreiche Gebildete längst dem Christentum angeschlossen haben; Laktanz dagegen kritisiert seine Vorgänger, die zwar die Aufgabe erkannt, aber nicht konsequent ausgeführt hätten, den „Heiden“ mit den Mitteln ihrer eigenen Literatur Brücken zum Christentum zu bauen. Dabei wird der Topos der eigenen Unbedarftheit hinsichtlich glänzender Rede mit dem Grundsatz verbunden, das Wort Gottes bedürfe gar nicht der menschlichen Ausgestaltung, um überzeugen zu können; jedoch gelingt nach Laktanz Mission gerade dann, wenn sie ihren Inhalt in Formen zur Sprache bringen kann, die den Adressaten vertraut sind. Am Wendepunkt von einer Zeit latenter und aktueller Verfolgungen der Kirche zur Epoche der gebilligten und staatstragenden Religion wird also der Einsatz von Bildung zu apologetischen Zwecken von Laktanz und ebenso von Arnobius (via negationis) verteidigt, während die Frage nach dem Bildungserwerb in der Schule aufgeworfen, aber nicht gelöst ist. Dass ein Christ Lehrer sein könne, hatte Tertullian kategorisch bestritten, während die Traditio apostolica schon zu Konzessionen bereit war, wenn die berufliche und persönliche Existenz auf dem Spiel stehe; seit dem 4. Jahrhundert stellte sich diese Frage – und die nach dem Umgang mit der paganen Bildung insgesamt – angesichts wachsenden Zulaufs gerade aus bildungsnahen Schichten in neuer und verschärfter Form. 1.2. Orientierungsverunsicherung nach der „konstantinischen Wende“ Im Zeichen der Entwicklung zur „Reichskirche“ wird die Frage der Unterscheidung des Christentums vom „Heidentum“ in neuer Weise zum Problem, präziser gesagt: wieviel kulturelle Kontinuität das Christsein verträgt. Nach dem Ende der latenten Rechtsunsicherheit wird das Christentum auch für Mitglieder höherer sozialer Schichten attraktiv. In der Folge kehrt die Unterscheidung von „Heiden“ und Christen innerhalb des Christentums wieder: Muss z.B. Ausonius als „Namenschrist“ gelten, weil er christliche und pagane religiöse Motive in seinem literarischen Werk kunstvoll nebeneinander einsetzt? Können Adlige und Senatoren einerseits Kirchen stiften, andererseits den cursus honorum absolvieren und dies inschriftlich bezeugen lassen? Dürfen Bischöfe Bildung erwerben und im Vollzug ihres Amtes einsetzen?

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Bemerkenswerterweise werden solche Fragen erst ein halbes Jahrhundert nach der Hinwendung Konstantins zur christlichen Kirche gestellt, beeinflusst von zwei Faktoren: von dem Schuledikt Julians, das christliche Autoren zu der übereinstimmenden Replik provoziert, Christen dürfe das Lehren und Lernen in der antiken Schule nicht verboten werden, womit eine zuvor so nicht gekannte Zustimmung zu den Bildungsinstitutionen ausgesprochen wird; und vom Aufstieg der asketischen Bewegung innerhalb der Oberschicht des westlichen Reichsteils, was die Entwicklung und z.T. heftige Diskussion der dafür maßgeblichen Leitbilder erfordert. Besonders Hieronymus versucht in Briefen, Nekrologen, Traktaten und Heiligenviten die Schulbildung durch ihre Einbindung in ein Konzept geistlicher, besonders exegetischer Bildung rezipierbar zu machen; Augustin stellt dem in De doctrina christiana das Projekt einer Nutzbarmachung antiker Bildungsgüter für die christliche Schriftauslegung und Verkündigung zur Seite, während Ambrosius den antiken Brief als Medium der Kommunikation exegetischer Einsichten entdeckt. Die Autoren der Zeit von der Mitte des 4. bis zum ersten Viertel des 5. Jahrhunderts besitzen überwiegend eine zwiespältige, in der eigenen Bildungsbiographie begründete und daher allenfalls nachträglich zu harmonisierende Haltung zur „heidnischen“ Bildung. Die Faszination der grammatischen und rhetorischen Kompetenzen, deren „Nutzungsrecht“ in der Auseinandersetzung mit Julian vehement eingefordert wird, ist gebrochen durch den – seit der frühen Kaiserzeit geläufigen – Verdacht, bei der Schulbildung handele es sich um eine rückwärtsgewandte Formkultur, die christliche Autoren gerade daran hindere, den eigenen Gegenstand angemessen zur Sprache zu bringen. Das schließt Rezeptionsprozesse in unterschiedlicher Form keineswegs aus: Epigraphik und Hagiographie dokumentieren die kreative Anverwandlung klassischer Stilmuster, um individuelle Biographien einerseits für öffentliche Darstellung, andererseits als literarische Leitbilder aufzubereiten. Daneben wirken zahlreiche christliche Lehrer an öffentlichen Schulen, was belegt, dass die von den genannten Autoren geäußerte Skepsis bezüglich der Unterrichtsinhalte weithin nicht geteilt wird – oder präziser: dass eine religiös exklusivierende Deutung des „heidnischen“ Lernstoffes keineswegs Konsens ist. Man wird darin allerdings nicht eine von den Zeitgenossen unbemerkte Kontradiktion sehen dürfen (die dann dazu berechtigte, entweder Partizipation oder Kritik für illegitim zu halten), vielmehr zeigen sich hier parallel verlaufende Diskurse: Einerseits wird Bildung auch für Christen zu einem auszeichnenden Merkmal, das die Einbindung in die römische Gesellschaft bezeugt; andererseits versuchen Theologen, die sich auf demselben Bildungsniveau wie die Oberschicht bewegen, sozial hochgestellte Christen und Konvertiten von der Relativierung der „weltlichen“ Bildung durch die Prädominanz der christlichen Weltdeutung zu überzeugen, was wiederum durch Abgrenzung gegen Bildung (Sulpicius Severus’ Vita Martini) oder durch Integra-

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tion (Hieronymus’ Mönchsromane) erfolgen kann. Hieronymus’ disparate Haltung zur Frage der Schulbildung offenbart daher nicht eine persönliche Unausgegorenheit, sondern ist symptomatisch für die Orientierungsverunsicherung einer Generation christlicher Theologen, die sich nach ihren einschneidenden Konversionserfahrungen erst wieder der Legitimität ihrer eigenen Biographie versichern muss. Dieser Prozess lässt sich in nuce an Augustins lebenslangem Ringen mit der Bildungsfrage ablesen, das vom Projekt einer Enzyklopädie der artes liberales in Cassiciacum über die Selbstkritik in den Confessiones bis zur weit ausholenden Auseinandersetzung mit „heidnischer“ Bildung und Philosophie in De civitate Dei führt, ohne den postulierten Bruch mit der eigenen Bildungsbiographie jemals konsequent zu vollziehen. 1.3. Bildung als Merkmal christlicher Identität – das 5. Jahrhundert Zweifellos ist das westliche römische Reich auch im 5. Jahrhundert nicht völlig christianisiert; kirchliche Maßnahmen gegen das Fortdauern „heidnischer“ Praktiken sprechen ebenso dagegen wie die antipagane Gesetzgebung der Kaiser. Jedoch bekommt die Zugehörigkeit zum Christentum den Anstrich der Selbstverständlichkeit: Der rhetor urbis Romae Flavius Magnus erregt als Christ kein Aufsehen mehr, anders als sein Vorgänger Marius Victorinus ein halbes Jahrhundert zuvor. Besonders in Gallien kommen die Bischöfe vermehrt aus der munizipalen Oberschicht, teils sogar aus dem Reichsadel, also aus gesellschaftlichen Segmenten, für die Bildung unabdingbar zur Vorbereitung auf die administrative Karriere und zur sozialen Selbstverortung gehört.2 Das zeigt sich besonders in der Epistolographie und in der Hagiographie jener Zeit. Sidonius Apollinaris betont, dass seine Ansprachen als Bischof nicht denselben Stil verwenden wie die Briefe und Gedichte an gleichgesinnte Freunde, und zieht im Zweifelsfalls den gepflegten Klassizismus vor – „denn so sehr sich die Menschen von wilden Bestien unterscheiden, so weit überragen die Gebildeten die einfachen Menschen“. Hilarius von Arles wird von seinem Hagiographen dafür gelobt, dass er zwar auch für Durchschnittschristen predigen könne, bei Anwesenheit von Ästheten seinen Stil jedoch ganz auf diese ausrichte; Schulbildung bedarf also in diesem sozialen Umfeld (das durch das Mönchtum von Lérins entscheidend geprägt ist) nicht mehr der Rechtfertigung, sondern wird als dem Bischofsamt angemessen betrachtet oder sogar – wie die Vita des Germanus von Auxerre zeigt – als dessen unabdingbare Voraussetzung angesehen. Von diesem Leitbild des senatorischen Bischofs weichen allerdings die zeitgenössischen Kirchenordnungen ab, die sich nicht nur auf die zahlenmäßig wenigen Bischöfe aus der Oberschicht konzentrieren, sondern Kriterien für alle kirchlichen Amtsträger formulieren: 2 FEICHTINGER 1997, 188: „Jede Familie, die etwas auf sich hält, hat einen Priester oder eine Nonne, wenn es ihr Status erlaubt, einen Bischof oder eine Äbtissin in ihren Reihen.“

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Vorausgesetzt wird – neben der Fähigkeit des Lesens und Schreibens – geistliche Bildung, die dazu dienen soll, Häretikern wirksam entgegenzutreten und die Christianisierung des Volkes voranzutreiben, nicht aber – wie bei Sidonius und seinen Briefpartnern – durch die Bewahrung der römischen Bildungsgüter den Verlust an politischen Traditionen und Perspektiven abzumildern. Auch hier laufen also zwei Diskurse parallel: die Schätzung und Erhaltung der klassischen Bildung durch Christen aus der Oberschicht, die durch ihre Korrespondenz und eigenen literarischen Bemühungen den fehlenden staatlichen Rückhalt für das seit Jahrhunderten etablierte Bildungssystem zu kompensieren suchen; und das Bemühen um eine den Herausforderungen angemessene Qualifikation der Bischöfe, bei denen klassische Bildung hingenommen, nicht jedoch als Zugangsvoraussetzung formuliert wird. 1.4. Bildungspessimismus und Bewahrungsstreben – das 6. Jahrhundert Nach 500 wird zunehmend eine pessimistische Sicht christlicher Autoren in Bezug auf pagane Bildung erkennbar: Die literarischen Studien erscheinen als Erinnerung an eine gewiss große, aber ebenso gewiss vergangene Zeit. Der Niedergang der römischen Bildungsinstitutionen folgt mit einigen Jahrzehnten Verzögerung dem Ende der römischen Herrschaft in den Provinzen des Reiches; diesen zeitlich gestreckten Prozess sehen die Autoren des 6. Jahrhunderts als unvermeidlich an. Caesarius von Arles personifiziert den Umschwung: Der persönlichen Bildung nach steht er seinen Vorgängern Honoratus und Hilarius nahe, als Perspektive für die Kirche propagiert er aber den sermo rusticus, was seine Vita durch eine dramatische Konversionsszene – literarisch angelehnt an Hieronymus – untermalt. In der Hagiographie tritt die sprachlich einfache, an wunderhaften Begebenheiten und spektakulären Martyrien interessierte Darstellung in den Vordergrund (an Stelle der Biographien gelehrter und theologisch versierter Bischöfe wie bei Ambrosius und Augustin und noch bei Fulgentius von Ruspe). Zum Leitbild wird in Gregors I. Dialogi der heilige Benedikt: „scienter nescius et sapienter indoctus“. Antike Schulbildung erscheint nurmehr als ein Gut, dessen man sich wehmutsvoll erinnert, das aber in der Gegenwart niemand wirklich noch zu vermitteln versteht – das Gegenüber zu den Institutionen antiker Bildung, das seit der Zeit der Apologeten sowohl für die Liebe zur Bildung als auch für deren skeptische Einschätzung grundlegend gewesen war, hört auf zu existieren. Der Versuch Cassiodors, dieses Kulturwissen zu sammeln und zu tradieren, bestätigt letztlich nur das Empfinden einer unausweichlichen Dekadenz, die Papst Gregor I. wiederum für ganz angemessen hält, so dass er für sich selbst alle literarischen Fähigkeiten ableugnen und einen Bischofskollegen, der durch seinen Grammatikunterricht die klassischen Bildung bewahren will, zurechtweisen kann. Einem solchen einerseits verklärenden, andererseits triumphierenden Bild von einer abgeschlossenen klassischen Epoche,

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auf die nur noch der Rückblick möglich ist, widersprechen freilich Gregors eigene, durchaus nicht stillose Schriften ebenso wie die hagiographische Poesie eines Venantius Fortunatus und auch Inschriften, die (nicht nur) für Bischöfe rhetorische Fähigkeiten reklamieren. Gerade im Bereich der Askese wird jedoch der irreversible Umschlag erkennbar: Die Patroclus-Vita des Gregor von Tours verbindet Bildungserwerb und pädagogisches Handeln mit asketischem Leben und bezeugen damit zwar das bleibende Interesse an Elementarbildung, zugleich aber auch das Fehlen ihrer institutionellen Grundlage – bezeichnenderweise siedelt Patroclus sein Schulprojekt in der Nachbarschaft einer Kirche an. Presbyterial- und Bischofsschulen treten – am Lehrstoff gemessen – nur mit Einschränkungen an die Stelle der antiken Grammatik- und Rhetorikschulen; wo solche Kompetenzen tradiert werden, geschieht dies aus Eigeninitiative. Die Klosterregeln jener Zeit schärfen ein, dass Mönche und Nonnen das Lesen beherrschen oder eben erlernen müssen, aber zum Zweck der lectio divina, nicht um klassische Literatur zu studieren. Bildung in antikem Sinne der artes liberales wird damit zur Privatsache.

2. Gesellschaftliche Bedeutung von Bildung Bildung stellt die Voraussetzung dar, um in einer Stadt oder gar im Reich Karriere zu machen, d.h. einen durch Herkunft und Tradition angewiesenen Platz einzunehmen oder – in seltenen Fällen – eine höhere gesellschaftliche Stufe zu erklimmen. Diese soziale Dimension des Bildungserwerbs ist bereits bei Minucius Felix im Blick, der sich dagegen wehrt, dass die Christen als „Bodensatz der Gesellschaft“ diffamiert werden, weil sie in eklatantem Maße ungebildet seien; sie spielt bei Cyprian eine Rolle, wenn Mitglieder der karthagischen Oberschicht sich nicht mit der Hinrichtung ihres Standesgenossen, der als ehemaliger Rhetor ausgewiesen ist, abfinden wollen. Die soziale Dynamik entfaltet sich verstärkt seit dem 4. Jahrhundert, als es für weitere Kreise der römischen Gesellschaft attraktiv erscheint, Christ zu werden. Nicht nur für die Oberschicht impliziert dies die Frage nach einer möglichen Neukonfiguration angestammter Wertvorstellungen und sozialer Hierarchien; es provoziert auch die Frage, auf welchem Niveau sich die christliche Verkündigung bewegen soll und welche Rolle die soziale und bildungsmäßige Herkunft der Bischöfe dabei spielt. 2.1. Christen in der römischen Oberschicht Im Blick auf das Bildungssystem als Medium sozialer Ortsanweisung weicht das Christentum nicht von bestehenden gesellschaftlichen Stratifikationen ab: Christen, die der Oberschicht entstammen – z.B. Sextus Petronius Probus –, verbleiben in ihrem sozialen Kontext, absolvieren den cursus honorum und las-

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sen sich dafür Ehreninschriften und Grabdenkmäler errichten. In vorkonstantinischer Zeit sind solche Konversionen nur spärlich belegt; wenn die Nachrichten über Verfolgungen hochgestellter Christen unter Valerian und Diocletian zutreffen, würde sich das Fehlen von Quellen aus einer gut begründeten Zurückhaltung erklären, die Zugehörigkeit zum Christentum öffentlich zu bekunden. Im 4. Jahrhundert ist dann mit fließenden Übergängen zu rechnen: Für einen hochgestellten Römer sind Priesterämter nicht zuerst Ausweis religiöser Affiliation, sondern Dokumentation des Engagements für das Gemeinwesen; dies leistet die Zugehörigkeit zum Christentum nicht in gleicher Weise, so dass in öffentlich zugänglichen Inschriften nicht von vorneherein die Bekundung von Konversionen zu erwarten ist. Wo dies geschieht, findet sich häufig – ebenso in hagiographischen Texten – ein signifikantes Überbietungsverhältnis: Der Adel „in der Welt“ wird nicht negiert, jedoch durch den Adel „in Christus“ überboten. Christen bezeugen keine größere Mobilität durch Bildung, als auch sonst zu beobachten ist. Vielmehr bricht Augustin seine Karriere als Rhetor, die ihm einen exzeptionellen gesellschaftlichen Aufstieg verschafft hatte, mit der Konversion jäh ab. Mit der erfolgreichen Laufbahn des Ausonius vom Lehrer in Bordeaux bis zum Konsul hat seine Religionszugehörigkeit weder fördernd noch hindernd zu tun. Hieronymus besitzt zwar von seiner Bildung her die denkbar beste Ausgangsposition, um sich als geistlicher Mentor adliger römischer Asketen zu etablieren, muss aber um diese Anerkennung fast lebenslang kämpfen. Für römische Adlige, die herausragende Bildung bereits erworben haben, ist nicht fraglich, dass diese Bildung ein Element ihrer asketischen Existenz sein kann, wobei sich der Gegenstand der Lektüre durchaus auf biblische und geistliche Schriften verlagern kann, ohne dass dies die Voraussetzung tangiert hätte, dass kunstgerechter Umgang mit Literatur sinnvoll und notwendig ist. Vielmehr entstehen in kurzer Zeit Bibliotheken, die als Umschlagplatz christlicher Schriften dienen, damit aber strukturell ganz in eine Zeit des lebendigen Interesses an wohlformulierter Literatur passen. Unter diesen Voraussetzungen gewinnt ein Autor wie Hieronymus, der nach den Wünschen seiner Auftraggeber in rascher Folge exegetische Kommentare, Heiligenviten und asketische Traktate produziert, bemerkenswerte Popularität. Jedoch bleibt dabei der soziale Abstand gewahrt: Ein Senator Pammachius oder ein rhetor urbis Romae Magnus bleiben unerreichbare soziale Leitbilder für Hieronymus, denen gegenüber er ständig seine geistige Ebenbürtigkeit beteuert. Mit ihnen in Kontakt zu stehen und via Bildung anerkannt zu sein, stellt für Hieronymus wiederum die Basis seiner Auseinandersetzung mit christlichen Kritikern wie Vigilantius dar – nicht zuletzt daraus erklärt sich sein Widerstand gegen potenzielle Konkurrenten auf dem Markt für asketische Literatur. Ein Sulpicius Severus dagegen muss sein soziales Standing nicht erst auf literarischem Wege erlangen, sondern kann in der

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Praefatio zur Vita Martini topisch damit spielen. Paulinus von Nola wiederum bleibt trotz seiner Hinwendung zur Askese durch brieflichen Austausch in Kontakt mit seinen ehemaligen Standesgenossen – soweit diese seine Entscheidung akzeptieren; die Kritik des Ausonius stellt diesbezüglich wohl eher eine, wenn auch eindrückliche, Ausnahme dar. Gerade die Partizipation an epistolographischen Netzwerken lässt erkennen, wie sich Konvertiten aus der Oberschicht zunächst im gewohnten Fahrwasser bewegen, obgleich mit dem Austausch über biblische Texte ein neues inhaltliches Element hinzukommt. Die Korrespondenten des Sidonius Apollinaris, Ennodius von Pavia oder Avitus von Vienne bezeugen für das 5. Jahrhundert eine veränderte Situation: Christ oder gar Bischof zu werden ist nicht mehr ungewohnt und irritierend, sondern standesgemäß und geradezu selbstverständlich; sein Korrespondentennetz gewährleistet für Sidonius den Erhalt der kulturellen Kontinuität, um die sich gallische Senatoren, Christen wie Nichtchristen, in gleicher Weise sorgen. In ihren Bibliotheken stehen pagane und christliche „Klassiker“ nebeneinander. Die Pflege der Literatur und der Rede- und Dichtkunst geht – jedenfalls dem Anspruch nach – gleitend in christliche Hände über. Bildung stellt damit ein Element der Kontinuität in den politischen, kulturellen und geistigen Umbrüchen dieser Zeit dar – so sehr, dass sich Gregor von Tours noch im 6. Jahrhundert von möglichen gebildeten Lesern einschüchtern lässt, die seine Werke als stillos und fehlerhaft empfinden könnten. Das Ideal des litteratus als Identitätsmerkmal der Oberschicht prolongiert sich über das Ende des römischen Imperiums hinaus unter den Bewohnern der Nachfolgereiche, die sich noch als Römer verstehen – und bald auch unter „Barbaren“ und ihren Herrschern. 2.2. Kirchliche Amtsträger Die skizzierte soziale Dynamik im Zeichen der „Reichskirche“ hat Folgen für das Bild des kirchlichen Amtsträgers. In vorkonstantinischer Zeit zeichnen Bischöfe sich in den meisten Fällen weder durch noble Abkunft noch durch hohe Bildung aus; weder Hippolyt noch Novatian, beide literarisch hochqualifiziert, werden zum Bischof von Rom gewählt. Mit Tertullian, Minucius Felix, Justin und Tatian geben Autoren theologisch den Ton an, die kein kirchliches Amt bekleiden; erst mit Cyprian begegnet ein Angehöriger der lokalen Elite als Bischof und Theologe. Bis zu Arnobius und Laktanz dominieren aber nicht Bischöfe, sondern Rhetoren die apologetische Diskussion, in der Bildung eine entscheidende Rolle spielt. Umgekehrt ist bei den genannten Autoren immer fraglich, aufgrund welcher Legitimation sie sprechen und welche Rolle sie in ihrer Lokalkirche spielen. Bei Minucius Felix ist etwa der gesellschaftliche Ort (als geübter Rhetor, vielleicht Jurist) deutlicher zu erkennen als die Anbindung an eine christliche Gemeinde; in welchen Kreisen Justin in Rom Einfluss besitzt und woher sich seine Schüler rekrutieren, ist ebenso

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ungewiss. Bei Hippolyt ist nur sicher, dass er im entscheidenden Moment – bei der Bischofswahl – die maßgeblichen römischen Kreise nicht hinter sich hat. Von Arnobius schließlich heißt es, er habe seine Bücher Adversus nationes geschrieben, um vor der Aufnahme in die christliche Gemeinde seine Abkehr von der paganen Religion zu bekunden; was aber der Bischof, der ihm diese Aufgabe auferlegte, damit anfangen konnte, ist nicht überliefert. Erst mit dem Aufstieg zu einer gesellschaftlichen Größe ändert sich das Bild. Nicht alle, aber doch zahlreiche tonangebende christliche Theologen des 4. und 5. Jahrhunderts gelangen früher oder später ins Bischofsamt, Hilarius von Poitiers und Ambrosius ebenso wie Augustin und Paulinus von Nola. Sie bringen ihre umfassende Bildung in das Bischofsamt ein, so dass für die Generation des Honoratus und Hilarius von Arles wie für Sidonius Apollinaris und noch für Fulgentius von Ruspe dieses Amt als attraktives Betätigungsfeld für gebildete Mitglieder der römischen Oberschicht erscheinen kann. Zwar wird die literarische Produktion in klassischen (Epistolographie) oder christlich anverwandelten Genera (Hagiographie) nicht nur von Bischöfen dominiert; auch Presbyter wie Hieronymus und gebildete Laien wie Sulpicius Severus oder Constantius von Lyon spielen eine wichtige Rolle. Doch gehört in der Spätantike literarische Bildung de facto zum Erscheinungsbild und in Gallien auch zum Leitbild des Bischofs, wie die Arleser Bischofsviten zeigen: Honoratus und Hilarius setzen ihre Bildung erfolgreich für ihre episkopalen Aufgaben ein, im Widerspruch zur homiletischen Forderung nach einem einfachen Predigtstil. Erst mit Caesarius ändert sich das Bild – nicht weil er selbst zu rhetorischen Leistungen nicht in der Lage wäre, sondern weil nun die Christianisierung der „einfachen“ Christen gegenüber der Hommage an die wenigen klassisch gebildeten Gemeindeglieder im Vordergrund steht. Allerdings hat diese Entwicklung keinen Niederschlag in der zeitgenössischen Reflexion über das Bischofsamt gefunden: Weder die (auch im Westen bekannte) syrische Didascalia noch die Statuta ecclesiae antiqua setzen klassische Schulbildung für einen Bischof voraus. Augustin stellt dem jungen Julian von Eclanum gerade Possidius als Vorbild hin, der keine solche Bildung genossen habe (was, selbst wenn es zuträfe, diesen nicht daran hindert, seinen Lehrer in der Vita Augustini gerade aufgrund seiner Bildung als idealen Bischofskandidaten zu präsentieren). De doctrina christiana verlangt hingegen von Predigern und Lehrern fundierte Kenntnisse der rhetorischen genera, um das Wort Gottes sachadäquat und eingängig zugleich vorzutragen – im Gegensatz zur Forderung verschiedener Autoren, der Prediger dürfe alles sein, nur kein declamator, und habe sich an den simplices in der Gemeinde zu orientieren, während die eruditi nicht so tun sollten, als unterfordere sie ein sermo rusticus. Hinsichtlich der Erwartungen an einen Bischof stehen derartige Forderungen und die theoretischen Erwägungen bei Augustin und bei Hilarius von Poitiers, der für die Predigt, die von nichts Geringerem als von Gott zu sprechen habe, allein

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das genus grande als adäquat betrachtete, weitgehend unverbunden nebeneinander. Dies illustriert die erwähnte Orientierungsverunsicherung, die wiederum Indikator des komplexen Identifikations- und Transformationsprozesses ist, den die christliche Kirche vom 4. bis zum 6. Jahrhundert durchläuft. 2.3. Christen als Schüler und Lehrer Die Ambivalenz hinsichtlich der Rolle des Bischofs macht die Situation der Kirche nach der „konstantinischen“ Wende deutlich, als die Gemeinden sowohl einen großen quantitativen Zuwachs als auch eine tiefgreifende soziale Durchmischung erfahren. Ohne dass die Zeit der Verfolgungen – die gewiss dramatisch, aber doch zeitlich und räumlich begrenzt gewesen waren – eine Blütezeit des „wahren“, bedrängten, aber von „heidnischen“ Bräuchen unangefochtenen Christentums gewesen wäre3, erfährt doch unzweifelhaft die Sozialstruktur der Gemeinden im 4. Jahrhundert einen einschneidenden Wandel: Christsein ist „in“. Die innerkirchlichen Klagen über die „Namenschristen“ ersetzen die Diskussionen über lapsi und traditores, reagieren also darauf, dass nicht alle Christen ihre Konversion oder familiär bedingte Zugehörigkeit zum Christentum in theologisch begründeter Weise als exklusiv verstehen. Für den Bischof bringt dies die Herausforderung mit sich, sowohl den Gebildeten als auch dem einfachen Volk gerecht zu werden; er muss damit rechnen, in Analogie zum öffentlichen Redner vor Gericht oder sogar im Theater wahrgenommen (und entsprechend beklatscht) zu werden. Während Gregor von Tours mit der Klage über die Unzulänglichkeit seiner eigenen Bildung bezeugt, dass unter seiner Kanzel gebildete Christen sitzen, die noch nach Jahrzehnten „barbarischer“ Herrschaft in ihrem Bischof den rhetor urbis sehen, zeigen die Bemühungen des Caesarius von Arles (und schon diejenigen Augustins), wie sehr die Gemeinden den Gottesdienst als öffentliches spectaculum betrachten, dessen Kernstück – die Schriftauslegung – immer wieder neu eingeschärft werden muss. In spätantiken Predigten werden Christen mit großer Redundanz ermahnt, sich nicht mit vanae fabulae abzugeben, also mit dem Lernstoff der Grammatikschule; daraus erhellt die bleibende Anziehungskraft „heidnischer“ Stoffe. Auf diese Situation reagiert sowohl die Forderung eines sermo rusticus, der bei Caesarius und seinen Zeitgenossen gefordert und ansatzweise auch praktiziert wird, als auch die neue Blüte der hagiographischen Produktion im 6. Jahrhundert, wobei das Element des Wunderhaften sukzessive die Bildung als Bestandteil des heiligmäßigen Lebens verdrängt. In schriftlichen Quellen erscheint oft eine Zweiteilung der Gemeinden in Gebildete und simplices, neutraler: nicht klassisch Gebildete. Wer aber tatsäch3 So D ASSMANN 1996, 940: „Frühchristliche Gemeinden waren winzige Minderheiten und bildeten eine Kontrastgesellschaft inmitten der sie umgebenden Bevölkerung, isoliert und beargwöhnt und ohne die Möglichkeit kultureller Gestaltung“; für nachkonstantinische Zeit müsse man „volkskirchliche Aufweichungen und pastorale Zugeständnisse einräumen“.

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lich unter der Kanzel eines Bischofs sitzt (Christen oder „Heiden“) und mit welchem Bildungsstand der Prediger rechnet, ist nur im je konkreten Fall zu bestimmen. Der sermo rusticus ist kein reiner Topos, insofern in der Kirche tatsächlich Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildung und sozialen Ranges zusammentreffen und damit ein ganz anderes Auditorium formen, als es der römische Rhetor gewohnt war.4 Dass das Christentum bildungsnäher gewesen wäre als der Durchschnitt der Reichsbevölkerung, ist jedoch weder zu belegen noch plausibel zu unterstellen. Die Mönchsregeln des 6. Jahrhunderts schreiben übereinstimmend vor, dass Mönche und Nonnen das Lesen und Schreiben lernen sollen; diese Fähigkeiten sind eben auch im Christentum nicht selbstverständlich. Umgekehrt zeigt Augustins Klage in De disciplina christiana, dass auch christliche Eltern, die nicht der Oberschicht angehören, ihre Kinder die „heidnische“ Schule besuchen lassen, weil sie den sozialen Wert von Bildung kennen – und keine religiösen Bedenken hegen. Belegt ist eine nennenswerte Anzahl christlicher Lehrer (was eine größere Zahl ungenannter Personen vermuten lässt) ist, an deren Berufsausübung, soweit erkennbar, niemand Anstoß nimmt; der selbstkritische Rückblick Augustins auf seine Laufbahn als grammaticus und Rhetor sowie die hagiographische Opposition von weltlicher und geistlicher Bildung in der Vita Cypriani, Vita Antonii und Vita Martini sind diesbezüglich nicht verallgemeinerbar. Christen wirken als magistri in kleinen Orten, als grammatici und rhetores in Städten und sogar als rhetores urbis Romae – und unterscheiden sich, abgesehen von der Religionszugehörigkeit, kaum von ihren paganen Kollegen. Dass ein Christ in Schwierigkeiten gerät, weil er Lehrer ist, berichtet im Westen allein Prudentius in einem erst später kompilierten Märtyrerkatalog von Cassianus aus Imola; und der Aufschrei gegen Julians Schuledikt bezeugt, dass eine Lehrtätigkeit von Christen im Prinzip hingenommen, ja als selbstverständlich angesehen wird. Dem Christentum kann also weder besondere Bildungsnähe noch prinzipielle Bildungsferne attestiert werden; gerade hagiographische Texte sind genau daraufhin zu befragen, ob sie jegliche Schulbildung oder die Kenntnis der litterae im Sinne der Grammatik- und Rhetorikschule ablehnen. Der im Zusammenhang mit Julian geäußerte Bildungsanspruch des Christentums erledigt freilich nicht die Frage, ob man denn Bildung erwerben solle, selbst wenn man es ungehindert könnte; diese Frage scheint sich aber fast durchgehend nur auf höhere, d.h. grammatische und rhetorische Bildung zu beziehen. Zugespitzt: Über den Erwerb von und den Verzicht auf Bildung wird nur in Kreisen diskutiert, die diese Bildung in höchstem Maße besitzen. Die inschriftlichen, teils auch die literarischen Quellen bieten hingegen eine 4 Vgl. Av. CAMERON 1991, 185: „It was one of the greatest strengths of Christian discourse that it could in some sense reach all levels of society and all levels of education – that is, it could form horizontal as well as vertical links in society… Without that capacity, it is doubtful whether Christianization could ever have progressed as far as it did.“

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Fülle von Informationen über von Christen erworbene Bildung und ermöglichen dadurch einen erweiterten Blick auf die Lebenswirklichkeit der antiken Christen. Nichts deutet darauf hin, dass Christen gebildeter oder ungebildeter gewesen wären als Nichtchristen; ebenso wenig ist freilich zu erkennen, dass außerhalb monastischer Lebenszusammenhänge eine geistliche Bildung, die man immer wieder fordert, zu vermitteln versucht wird, zumal das Katechumenat durch die wachsende Zahl an Kindertaufen stark an Einfluss verliert. Was das Christentum also mit seiner sozialen Umwelt verbindet, ist die Partizipation (in den meisten Fällen freilich: Nicht-Partizipation) am vielfach gestuften Ideal des litteratus; was es von ihr unterscheidet, ist der intensive binnenchristliche Diskurs über Möglichkeit und Unmöglichkeit, pagane Literatur mitsamt ihren religiöser Implikationen zu rezipieren. Dabei ist die antike Schule als Bestandteil der Lebenswelt aber beständig vorausgesetzt; und die einzig plausible Erklärung dafür, dass das Christentum bis zum Ende der Antike offenbar nie versucht hat, diese durch eigene Schulinstitutionen zu ersetzen, ist, dass mit dem Verzicht auf pagane Schulbildung auch die Einbindung in das soziokulturelle Umfeld aufgegeben worden wäre. Das aber wird – abgesehen vom asketischen Diskurs innerhalb des Christentums – nicht gefordert; vielmehr erweisen gerade der Erwerb und Einsatz von Schulbildung das Christentum in präzisem Sinne als Teil seiner Welt.

3. Gattungen und Diskurse der Bildungsdiskussion 3.1. Rezeption und Transformation antiker Literaturgattungen Die christliche Rezeption literarischer Gattungen und Diskurse wurde in der Einzelanalyse anhand von Inschriften, Briefen und Heiligenviten vorgenommen. Dabei stellten sich zum einen unterschiedliche Grade der „Christianisierung“ heraus, zum anderen Differenzen in der Unterscheidung „paganer“ von „christlichen“ Literaturformen. Bezeugen hagiographische Texte eine so weitgehende Transformation antiker biographischer Vorbilder, dass man derzeit Hagiographie nicht als Gattung, sondern als einen komplexen, verschiedene literarische Formen einschließenden Diskurszusammenhang ansieht, so bleibt hingegen die Form des antiken Briefes weitgehend unverändert, wird allerdings inhaltlich neu gefüllt, indem der Brief zum Medium exegetischer Belehrung und Diskussion avanciert. Grabinschriften schließen sich „heidnischen“ Formularen an, verändern diese aber in christlichem Sinne durch explizite Glaubensformeln oder durch Kreuze und ähnliche Symbole. Dieser Rezeptions- und Transformationsprozess wird von den Zeitgenossen in unterschiedlicher Intensität diskutiert. Die hagiographische Exordialtopik thematisiert sowohl die Fähigkeit des Autors, einem Heiligen literarisch gerecht werden zu können (vermischt mit Stolz darauf, dass keiner der „Al-

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ten“ einen solchen Stoff zur Verfügung gehabt habe!), als auch eine Strukturierung durch loci communes, die meist kritisch beurteilt wird. Dass die Klage über die eigenen mediokren Fähigkeiten zumeist nicht dem sprachlich ausgefeilten Ergebnis entspricht, erstaunt nicht, hat dieser Topos doch eine lange vorchristliche Tradition; bemerkenswert ist, mit welcher Konstanz gerade die Autoren, die am Anfang klassische Themen wie Abkunft, Familie, Werdegang und Bildungsbiographie nicht zu behandeln ankündigen, dann genau diese „weltliche“ Dimension des Lebens des Heiligen mehr oder weniger ausführlich zur Sprache bringen. Dabei unterscheiden sich die für römische adlige Asketen geschriebenen „Mönchsromane“ des Hieronymus von den Arleser Bischofsviten im vertretenen Leitbild, aber nicht in der Einbeziehung der Bildungsdimension: Nicht nur sind diese Viten sämtlich rhetorisch durchkomponiert, auch die Protagonisten sind in einem Maße gebildet, dass sie Asketen aus der römischen Oberschicht bzw. der gallischen Aristokratie vergleichbar sind. Auch Bischofsviten (Ambrosius, Augustin, Fulgentius) nehmen auf den Bildungsgang des nachmaligen heiligen Bischofs Bezug und erweisen Bildung damit in je individueller Weise als selbstverständlichen locus der christlichen Hagiographie. Die erhaltenen hagiographischen Schriften aus dem 4. und 5. Jahrhundert bezeugen einen literarisch anspruchsvollen Diskurs, der im 6. Jahrhundert mehr und mehr von populären Darstellungen abgelöst wird. Aber noch für die Heiligenviten aus der Feder Gregors von Tours gilt wie für seine römischen und gallischen Vorgänger, dass Bildung mindestens als „Vorher“ des heiligmäßigen „Nachher“ präsent gehalten wird. Bei Inschriften sieht das Bild signifikant anders aus: Hier ist keine unmittelbare Diskussion über diese Literaturgattung bzw. über die Frage, ob und in welcher Form Christen sich ihrer bedienen dürften, zu erkennen. Vielmehr begegnen vereinzelt schon in vorkonstantinischer Zeit, vermehrt seit dem 4. Jahrhundert Stiftungs-, Grab- und auch Ehreninschriften, wobei in vielen Fällen nur durch die Provenienz (besonders anhand der Lokalisierung auf Friedhöfen) zu entscheiden ist, ob es sich um eine Inschrift von einem oder für einen Christen handelt. Bildung kann dabei in traditioneller Form als biographisches Element zur Sprache kommen, kann aber auch detailliert entfaltet und schließlich durch metrische Gestaltung der ganzen Inschrift unterstrichen werden – nicht nur für „normale“ Christen, sondern seit dem späten 4. Jahrhundert zunehmend auch für Bischöfe. Als hagiographisches Projekt in Rom sind die Epigramme des Damasus zu nennen, mit denen epigraphische Poesie in großem Stil in christlichem Kontext rezipiert wird; zahlreiche weitere Inschriften aus der Spätantike bezeugen diese Form und in bestimmten Fällen auch inhaltlich die besondere, der Nachwelt überliefernswerte Bildung des jeweiligen Bischofs. Die eloquentia wird dabei durch den Bezug auf die Verkündigungstätigkeit umgewertet. Während nach den zeitgenössischen Kirchenordnungen Rhetorik nicht als Qualifikation erwartet wird, spielt sie in

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der christlichen Epigraphik eine wichtige Rolle. Dies deutet auf unterschiedliche Adressatengruppen hin: Der Grabstein dient nicht zuerst der memoria des Bischofs im Kirchenvolk, sondern unter den Honoratioren der jeweiligen Stadt, und weist ihn als Standesgenossen aus, der seine Bildung in spezifischer Weise für seine Profession genutzt hat. Einen ähnlichen Transformationsprozess belegt die Wortverbindung von eloquium und pietas; beides zeichnet ebenso den Römer wie den (römischen) Christen aus – damit wird der oft gescholtenen Redekunst eine ethische und religiöse Komponente beigefügt. Die antike Briefkultur wird von Christen zunächst kaum modifiziert übernommen; zugleich ist hier die Unterscheidung zwischen „paganen“ und christlichen Gattungsmerkmalen am schwierigsten, so dass eher von der „klassischen“ Epistolographie zu sprechen wäre, deren Hauptvertreter Plinius sowohl Symmachus als auch Ambrosius und später Sidonius Apollinaris (schon durch die Neunzahl der Briefbücher, bei Ambrosius ergänzt durch ein weiteres Buch amtlicher Korrespondenz) nacheiferten. Die antike Brieftopik – die Forderung der brevitas, der Brief als Vergegenwärtigung der anderen Person, die amicitia als leitendes Motiv der Korrespondenz – findet sich in vollem Umfang bei christlichen Autoren, neben den Genannten besonders bei Paulinus von Nola, bereits bei Cyprian und Hieronymus und mit Abstrichen auch bei Augustin. In dessen Briefcorpus stehen klassische Freundschaftsbriefe neben amtlichen Schreiben und theologischen Traktaten in Briefform; dies gilt auch für Hieronymus, der aber mehr als Augustin topische Elemente in seine Briefe einstreut und z.B. wiederholt mit der brevitas kokettiert, die im konkreten Fall leider nicht einzuhalten gewesen sei. Ganz in der antiken Tradition steht dagegen Sidonius Apollinaris, dessen Korrespondenz erklärtermaßen dem eigenen Ruhm sowie dem der Briefpartner dient, die sich wechselseitig der Zugehörigkeit zur Schicht der letzten unter der Barbarenherrschaft verbliebenen Bildungsträger versichern; dass sich auch zeit- und kulturgeschichtliche Informationen aus seinen Briefen entnehmen lassen, ist für die Nachwelt erfreulich, war aber nicht Sidonius’ Intention. Das Proprium einer christlichen Epistolographie liegt daher nicht in der Form, sondern in der Füllung mit einem neuen Inhalt: der Schriftauslegung. Paulinus von Nola wechselt ganz unbefangen zwischen klassischen und biblischen Partien in seinen Briefen und kann in einem paränetischen Schreiben dem Literaten Jovius die Beschäftigung mit der Bibel anstatt mit den Klassikern ans Herz legen; viele seiner eigenen Briefe befassen sich tatsächlich mit Fragen der Schriftauslegung. Zwischen Augustin und Hieronymus entspinnt sich ein jahrzehntelanger Briefwechsel über exegetische Fragen, und Ambrosius’ Briefe gehen zum großen Teil auf Homilien zurück, die nach den Erfordernissen der Briefform überarbeitet und nach dem Stilprinzip der variatio zu Büchern zusammengestellt werden. Augustin, Hieronymus und Paulinus wissen um die Veröffentlichung einzelner ihrer Briefe und auch ganzer Brief-

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wechsel und billigen dies mindestens stillschweigend; Ambrosius legt mit seiner Briefsammlung sogar einen bewusst gestalteten Rechenschaftsbericht über seine Amtszeit als Bischof und sein exegetisches Schaffen vor. Seinen Freund und Bischofskollege Sabinus bittet er, dieser möge die überarbeiteten Schriftstücke daraufhin überprüfen, ob sie immer noch Spuren der forensischen Beredsamkeit an sich trügen, die für die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift unangemessen sei; das bedeutet aber keinen prinzipiellen Verzicht auf rhetorische Gestaltung oder auf Zitate klassischer Autoren. Die Epistolographie ist insgesamt das beste Beispiel für eine weithin ungebrochene Rezeption klassischer Literatur und damit antiker höherer Bildung durch das Christentum. Gemeinsam mit Epigraphik und Hagiographie, die diesen Rezeptionsprozess mit unterschiedlich tiefgreifenden formalen und inhaltlichen Modifikationen verbinden, ergibt sich das Bild einer engen Einbindung in die literarische Kommunikation innerhalb der römischen Gesellschaft. Gerade die Briefe dienen dazu, die Verbindung zu den nichtchristlichen Angehörigen der Oberschicht aufrecht zu erhalten, was offenbar auch funktioniert. Ebenso dokumentiert die Epigraphik öffentlich die Einbindung von Christen in die Gesellschaft mitsamt deren Karrieremöglichkeiten und Erwartungen, präsentiert aber mit Wendungen des Typs „nobilis in mundo, nobilior in Christo“ eine überbietende Deutung der Konversion und Zugehörigkeit zum Christentum: Der „weltliche Adel“ wird präsent gehalten, jedoch erschöpft sich das Streben nicht im Durchlaufen des cursus honorum, sondern im Erreichen des ewigen Lebens. Dies wird in den Viten von Bischöfen aus der Oberschicht zum Leitmotiv, deren Herkunft, Bildung und Karriere(chancen) nicht verschwiegen werden, denen jedoch das Wirken für die Kirche als eigentliche Erfüllung gegenübersteht. Allerdings zeigen hagiographische Texte wie die Vita Antonii, die Vita Martini oder die Vita Caesarii und die Mehrzahl der vitae patrum Gregors von Tours, dass Bildung auch kritisiert, verweigert oder (in vielen Fällen) schlicht übergangen werden kann; Gregor I. kanonisiert mit seiner Vita Benedicti diese Abkehr von „weltlichem“ Bildungsstreben. Dennoch ist festzuhalten, dass innerhalb des hagiographischen Diskurses über Recht und Grenzen von Schulbildung gestritten wird, die einen Platz im Leben des Heiligen beanspruchen kann – und so auch im Leben der Christen, denen dieser Heilige zum Leitbild werden soll. Damit kommt hier in nuce das innerchristliche Ringen über literarische Formen und Inhalte zum Ausdruck, das die lateinische christliche Antike von Tertullian bis Cassiodor prägte. 3.2. Zwischen Hinnahme und Kritik An Julians Rhetorenedikt wurde bereits die Spannung zwischen der Berufung auf das Recht zu lehren und zu lernen einerseits und der Bestreitung der Sinnhaftigkeit „weltlicher“ Bildung andererseits deutlich, wie sie speziell die Phase der „Orientierungsverunsicherung“ prägt. Bereits Tertullian hält den

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Bildungserwerb in der Schule ob der paganen Prägung des Lernstoffs für problematisch, die Bildungsvermittlung durch Christen aus dem gleichen Grund für unmöglich; zum Beweis für die Verderblichkeit „weltlicher“ Bildung wird auf die Häretiker verwiesen, die samt und sonders von den antiken Philosophen beeinflusst seien. Daher kann Tertullian nur widerstrebend hinnehmen, dass christliche Eltern ihre Kinder in der Schule lesen und schreiben lernen lassen, weil es keine Alternative gebe, diese für soziale Verortung und beruflichen Erfolg unerlässlichen Fähigkeiten zu erwerben. Sein eigenes Schrifttum quillt dagegen von rhetorischen Figuren und Anklängen an die Schulautoren über: Kein anderer lateinischer Theologe hat so offensiv seine Bildung für apologetische Zwecke verwertet, sei es zum Traditionsanschluss oder zur scharfen Kritik daran. Die Spannung zwischen beiden Polen kommt bei Tertullian nur lebensgeschichtlich, nicht systematisch zum Austrag. Weniger harsch im Tonfall, aber ebenso entschieden in der Sache votiert Cyprian, der erste lateinische Autor, über dessen Konversion und vorchristliches Leben Genaueres bekannt ist, gegen die Inanspruchnahme rhetorischer Bildung durch Christen, die im beruflichen Leben als notwendig erscheinen möge, tatsächlich aber durch Überredungskunst statt durch Sachgehalt erfolgreich ist („diserta, non fortia“). Positiver bewertet Minucius Felix die Rhetorik, deren geistreichen Einsatz man loben dürfe, ohne damit die Wahrheit des Inhalts an die Gefälligkeit der Form zu binden; damit – und mit der kreativen Rezeption antiker Philosophie – nähert er sich Justin an, der als erster Apologet in Rom im Habit des Philosophen lehrt und dem Christentum zum Anschluss an die höhere schulische und philosophische Bildung seiner Zeit zu verhelfen sucht. Sein Schüler Tatian und einige Jahrzehnte später Hippolyt wenden sich am gleichen Ort zwar mit heftigen Invektiven gegen die antike Philosophie – der erste als selbsternannter „Barbarenphilosoph“, der zweite als Streiter wider alle Häresien –, bezeugen mit ihren rhetorisch ausgefeilten Schriften aber nur, dass die antike literarische Kultur griechischer und lateinischer Sprache für das Christentum mindestens e negativo den Bezugspunkt darstellt, an dem man die eigene Position (in Aufnahme und Abgrenzung) ausrichtet. Zugleich wird bereits in dieser frühen Phase der Auseinandersetzung deutlich, dass es nur selten um „die“ Bildung an sich geht, sondern zumeist um deren Anwendung in einem konkreten Kontext – sei es, um gegen innerchristliche Häretiker zu polemisieren, sei es, um dem Christentum seinen Platz in der geistigen Landschaft des römischen Reiches zu verschaffen. Schulbildung wird zu einem der entscheidenden Felder, auf dem das frühe Christentum die Auseinandersetzung ad intra und ad extra um den anzustrebenden Platz in der griechisch-römischen Gesellschaft führt. Seit dem 4. Jahrhundert stellt sich diese Frage in neuer Form. Eine Kirche, die unter schwierigen Bedingungen missioniert hatte, steht nun dem Phänomen gegenüber, dass in vorher ungekannten Mengen Menschen Christen

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werden, so dass sich der Verdacht breitmacht, es sei manchen unter diesen gar nicht ernst damit (die sogenannten „Halbchristen“). Der Aufschwung der asketischen Bewegung im 4. Jahrhundert lässt sich als Indikator der Irritation durch diese Mitgliederzunahme verstehen. Bildung spielt durch die stark vermehrte Zugehörigkeit von Menschen aus bildungsnahen Schichten zur Kirche für diese in verschärfter Form eine Rolle. Die apologetischen Muster der vorkonstantinischen Zeit – die von Christen und „Heiden“ vorgebrachte Rhetorikkritik, der Verdacht, Häretiker seien aufgrund von zuviel oder falscher Bildung in die Irre gegangen – kehren vielerorts wieder, richten sich nun aber entweder gegen Irrlehrer in den eigenen Reihen oder gegen die vermeintlich missbräuchliche Inanspruchnahme klassischer Bildung zu falschen Zwecken, z.B. in der Predigt. Dass vermehrt Christen die Schulen besuchen oder besucht haben, provoziert zwar Mahnungen, sich nicht allein auf das dort Gelehrte zu verlassen. Der Schulbesuch an sich wird jedoch kaum je problematisiert, allenfalls wird man den Aufruf der syrischen Didascalia in diesem Sinne verstehen dürfen, die die biblische Literatur anstelle „heidnischer“ Schriften zur Lektüre vorschreibt. Die insgesamt wenigen Zeugnisse zum Lehrberuf lassen ebenso wenig vermuten, dass dieser ein beständiges Diskussionsthema sei; allein die Canones Hippolyti tragen dem Grammatiker auf, die Schüler über den „heidnischen“ Gehalt der Schultexte aufzuklären. Augustins Konversionsbericht in den Confessiones läuft zwar darauf hinaus, dass der Lehrberuf für einen Christen unmöglich sein müsse; diese „autohagiographische“ Schrift kann aber nicht als repräsentativ für das Christentum an der Wende zum 5. Jahrhundert angesehen werden. Hält man sich die christliche Literaturproduktion der Spätantike vor Augen, erscheint es zwingend, dass ein Teil der Christen in der Lage sein muss, mit literarischen Texten und rhetorisch komponierten Ansprachen umzugehen. Obwohl insgesamt natürlich nur wenige Christen hinreichende Kenntnisse besitzen, setzen theologische Traktate und Bibelkommentare zumindest im Klerus, in asketischen Kreisen und in der dem Christentum zugeneigten Oberschicht entsprechende Bildung voraus. Als Religion, die nicht nur auf einen Grundbestand an heiligen Schriften und auf eine beständig wachsende „Sekundärliteratur“ zurückgreift, sondern auch interne Kontroversen vor allem literarisch austrägt, ist das Christentum in lebensnotwendiger Weise auf Bildung angewiesen. Selbst wo – wie in bestimmten Bereichen der Hagiographie – das zu verkündigende Leitbild dezidiert Unbildung einschließt (wie Antonius und Martin), deuten die Hagiographen an, dass sie selbst natürlich mit dem Bildungkanon vertraut sind, den sie bei ihren Adressaten voraussetzen und der eine gemeinsame Basis auch mit den „Heiden“ darstellt, die neuen Wein in alten Schläuchen vorfinden können, wenn sie nur wollen. Die Bildungskritik richtet sich neben dem „heidnischen“ Gehalt der Schultexte vor allem auf die Herstellung von sozialer Distinktion, die traditionell in

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der Schule erfolgt. Problematisch ist – zugespitzt – nicht, im Unterricht Vergil grammatisch und Cicero rhetorisch zu explizieren, wohl aber, den Schülern zu suggerieren, dass sie ihren gesellschaftlichen Ort umso effizienter ausfüllen würden, je genauer sie die Texte der maiores gemäß den Vorgaben des Lehrers nachvollziehen und je näher sie ihr eigenes Reden an deren Vorbild orientieren. Kritisiert wird also die Traditionalität des Unterrichts, der Erfolg durch Kontinuität verheißt und, da die Inhalte und Themen der großen alten Zeit längst nicht mehr die der Jetztzeit sind, sich auf die Form konzentriert, gleich welcher Inhalt auszusprechen ist. Solche Formverliebtheit wird häufig auch Predigthörern vorgeworfen, die mit falschen Erwartungen an Thema (fabulae) und Prediger (declamator) in die Kirche gekommen seien; das impliziert, dass die Kirche in urbaner Nachbarschaft zu den Schauplätzen des öffentlichen Einsatzes rhetorischer Fertigkeiten, Gerichten und Theatern, existiert. Die Bildungskritik der spätantiken Theologen setzt die klassische Bildung nicht nur thematisch, sondern auch sachlich voraus: Sie gehört von Anfang an und seit der „konstantinischen Wende“ erst recht zur Lebenswelt des Christentums. Die Funktionalität ihrer Institutionen wird von Seiten der Christen nicht bestritten, während der Umgang mit den dort vermittelten Inhalten eine intensive und letztlich unabgeschlossene Diskussion provoziert. 3.3. Die Kirche als Schola christiana? Diese Diskussion bündelt sich wie in einem Brennglas in der Frage, welche sprachlichen und literarischen Kommunikationsformen der christlichen Verkündigung angemessen sind. Basil Studer hat – mit einem Wortfeld Augustins – die christliche Theologie der Spätantike als „Schola christiana“ bezeichnet: Predigt und Katechese seien dem Vorbild des Grammatikunterrichts gefolgt, der den Schülern „den Blick für die ursprüngliche Weisheit der Alten“ geöffnet und sie „zur Bewunderung und zur Nachahmung der Weisen der Urzeit“ angeleitet habe. Diesen Zweck habe mutatis mutandis auch die Lesung und Auslegung der Heiligen Schrift verfolgt, wobei es die christlichen Prediger niemals unterlassen hätten, „die Unmoral der heidnischen Dichtung blosszustellen“.5 In der Tat haben, wie gesehen, Theologen von Laktanz bis Caesarius von Arles sowohl den paganen Charakter des Lernstoffes in der Schule als auch die Konzentration der rhetorischen Ausbildung auf Form und Effekt – anstatt auf Inhalte – bemängelt; wo Rhetorik rezipiert wird, wie in De doctrina christiana, geschieht das unter dem Vorbehalt einer kritischen Sichtung und Auswahl der in christlichen Gebrauch zu überführenden Kunstfertigkeiten. Jedoch ist dies nur die eine Seite der Medaille. Diesem Bild einer „schola christiana“ widerspricht nicht nur faktisch der Einsatz grammatischer und rhetorischer Fertigkeiten durch Theologen, die sich wortreich dagegen ausspre5

Alle Zitate: STUDER 1998, 315.

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chen. Vor allem wird hier (und noch mehr in Gnilkas Modell einer „Chrêsis“) das kritische Moment des Rezeptionsprozesses überbetont, gestützt auf eine Auswahl von Gewährsleuten, die zwar in der Tat den christlichen Diskurs über Bildung im 4. und 5. Jahrhundert dominieren, damit aber nicht den einzig möglichen Umgang von spätantiken Christen mit Schulbildung repräsentieren. Vielmehr wird man mehrere scholae christianae unterscheiden müssen: – theologisch fundierte Bildungskritik (geübt durchweg von Autoren, die aufgrund ihres Schulbesuchs mit den Bildungsgütern vertraut sind, die sie für problematisch halten), die das Gegenüber zur antiken Schule voraussetzt und neben diese (nicht an ihre Stelle) das Ideal einer geistlichen, auf die Heilige Schrift gestützten Bildung setzt; – Bildungsbewusstsein als Ausweis soziokultureller Integration (besonders in der Hagiographie und Epistolographie des 4. und 5. Jahrhunderts), das den Bildungserwerb als selbstverständliche lebensgeschichtliche Phase betrachtet (so die römischen Korrespondenten des Hieronymus) oder im Zeichen des Abreißens der institutionellen Kontinuität von Bildung deren Bewahrung als Aufgabe auch für Bischöfe ansieht (so in Gallien); – schließlich der Einbezug basaler Bildungskompetenzen in die monastische Existenz, und zwar für alle Mönche und Nonnen, also gerade für die mit bildungsferner Herkunft (so bereits in der Pachomiusregel und durchweg in den westlichen Mönchsregeln).6 Im ersten Fall erfolgt tatsächlich eine reflektierte Rezeption der antiken Schulbildung, wobei die Konsistenz einzelner Autoren in ihrer kritischen Haltung durchaus schwankt: Lässt sich bei Augustin eine lebensgeschichtliche Entwicklungslinie rekonstruieren, so stehen bei Hieronymus Anknüpfung und Zurückweisung (sowohl in der Anwendung auf sich selbst als auch auf andere) dauerhaft nebeneinander. Der zweite Typ holt hingegen die antike Schule ins Christentum hinein und verbindet damit gesellschaftliche Standeskriterien mit deren Relativierung im Zeichen der Askese (so in Rom) bzw. mit der Transformation traditioneller Karrieremuster in die Ausübung eines Bischofsamtes (so in Gallien); ebenso wie im ersten Fall ist die Schulbildung vorausgesetzt, es fehlt jedoch das Moment kritischer Distanznahme. Das gilt schließlich auch für den dritten – monastischen – Rezeptionstyp, der als einziger spezifisch christliche Bildungsziele institutionalisiert: Die antike Schule wird hier gerade nicht vorausgesetzt, vielmehr gehen die Mönchsregeln davon aus, dass Christen erst dazu befähigt werden müssen, mit Literatur umzuge-

6 Dieses über Diskurskontexte definierte Raster scheint mir geeigneter, Übergangsphänomene zu erfassen, als es die Rede von „cultures chrétiennes, laïques, cléricales, monastiques“ vermag (INGLEBERT 2004, 339); Gleiches gilt für die nach einem theologischen Schema (Natur – Gnade) gruppierten „Typen“ von Haltungen zur Bildung bei WOLTERS 1990.

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hen, und zwar in Form eigenständiger Lektüre der Bibel, die damit zum konkreten Gegenstand christlicher Bildung avanciert. Das Ergebnis der Untersuchung ist also einigermaßen paradox: Dort, wo mit der Bibel „schulmäßig“ umgegangen wird – vor allem in der exegetischen Kommentarliteratur –, ist Schulbildung fast durchweg negativ konnotiert, ohne dass der Versuch gemacht würde, die für anspruchsvolle Exegese erforderlichen Kenntnisse im kirchlichen Raum selbst institutionell präsent zu halten. Wo hingegen Bildung in spezifischer Abzielung auf die Bibellektüre (und damit in genuin christlichem Kontext) vermittelt wird, sollen grammatische und rhetorische Kompetenzen dezidiert keine Rolle spielen (Cassiodors Vivarium ist diesbezüglich eine singuläre Erscheinung).7 Und dort, wo klassische Bildung unbefangen rezipiert und tradiert wird, geschieht dies außerhalb exegetischer und theologischer Diskurse. Dass diese drei Idealtypen wiederum vielfach differenziert werden können und müssen, hat die materiale Untersuchung zur Genüge gezeigt; hier ist jedoch vor allem festzuhalten, dass für die christliche lateinische Spätantike von scholae christianae im Plural zu sprechen ist. Solange die antiken römischen Bildungsinstitutionen bestehen, sind sie für das Christentum ein Gegenüber, das durch Abgrenzung, Aufnahme und Transformation in entscheidendem Maße zur Herausbildung und Reflexion christlicher Identität beiträgt.

4. Ausblick Abschließend seien Perspektiven benannt, die die zeitlichen und geographischen Grenzen der vorliegenden Untersuchung überschreiten und andeuten mögen, in welche Richtungen eine Weiterarbeit sinnvoll und lohnend erscheint. Das 6. Jahrhundert erlebte und beklagte den Niedergang der antiken Bildungsinstitutionen; klösterliche Bildungsstätten konnten und sollten nicht an deren Stelle treten, Grammatikunterricht an Bischofsschulen wie in Vienne zu Desiderius’ Zeit scheint die Ausnahme geblieben zu sein. Andererseits tauchen gerade in dieser Zeit erstmals in kanonischer Form die sieben artes liberales auf, die für das mittelalterliche Bildungswesen fundamentale Bedeutung erhalten und die hier behandelte antike Schulbildung, die mutatis mutandis als „Trivium“ weiterhin die Grundlage der Allgemeinbildung darstellte, mit den Fächer des späteren „Quadriviums“ tatsächlich eine „höhere“ Bildung beigesellen sollten.8 Dieser „Weg in Mittelalter“ (Friedrich Prinz) stellt einen sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden Prozess dar. Zweifellos steht 7 Nur unter diesem Vorbehalt wird man mit M ARROU 1977, 482 sagen können: „Selbst in den düstersten Zeiten ist das abendländische Kloster eine Bildungsstätte geblieben.“ 8 Vgl. zu den artes liberales in der Antike (einschließlich der „Fachwissenschaften“) INGLEBERT 2001; zum Übergang ins Frühmittelalter ENGLISCH 1994.

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am Anfang vielfach die kritische Auseinandersetzung mit antiker Bildung. Die vorliegende Untersuchung macht jedoch darüber hinaus deutlich, dass der „rote Faden“ dieses Prozesses sich nicht in „scharfer Ablehnung säkularer Bildung und herber mönchischer Kritik an der antiken Weltzivilisation und deren Literatur“9 erschöpft, sondern dass die Bildungskritik von einem breiten Strom der Bildungsrezeption begleitet ist – und zwar weder beiläufig noch unwillkürlich. Für den Übergang zum Frühmittelalter ist zu berücksichtigen, dass schon in der Spätantike zahlreiche Christen als Lehrer in den Schulen wirkten, ohne die Spannung zwischen zwei Denkwelten zu empfinden, die bei Augustin, Hieronymus und Paulinus von Nola (wie auch schon bei Tertullian) letztlich nur lebensgeschichtlich, nicht konzeptionell überbrückt wurde. Mit zwei Schlagworten (die ihrerseits erklärungsbedürftig wären!) ausgedrückt: Nicht erst die karolingische „Renaissance“, bereits die lateinische Spätantike hat einen „christlichen Humanismus“ gezeitigt – die kritische Auseinandersetzung prominenter Kirchenväter ist dabei weniger die Spitze des Eisbergs latenter Ablehnung als der intellektuelle Reflex auf die große Selbstverständlichkeit des Bildungserwerbs und ihrer Vermittlung durch Christen. Neben der diachronen Fortwirkung der antiken Bildung im Mittelalter wäre in synchroner Perspektive im Anschluss an die Untersuchungen zum Westen des römischen Reiches nach der Bedeutung von Bildung im griechischen Osten zu fragen. Bekanntlich lässt sich hier eine Linie von Clemens von Alexandrien und Origenes bis zu Basilius von Caesarea und Gregor von Nazianz ziehen, die sämtlich – wenn auch mit ganz unterschiedlichen Begründungen – die Kenntnis der paganen Bildung im Sinne einer Propädeutik für notwendig halten. Es wurde darauf hingewiesen, dass selbst ein leidenschaftlicher Bildungskritiker wie Johannes Chrysostomus keinesfalls die Schulen abschaffen will, und auch ein Mönchsbischof wie Theodoret von Cyrus erweist sich als der antiken παιδεία zutiefst verpflichtet.10 Ein Handbuch wie Basilius’ ad adolescentes, das einen regelrechten Plan für pagane Lektüre bereithält, sucht man im Westen vergebens.11 Dies spiegelt die Tatsache, dass Basilius und sein Bruder Gregor von Nyssa ganz selbstverständlich in Grammatik und Rhetorik unterwiesen, zugleich aber von ihrer Großmutter Makrina in die christliche Lehre eingeführt wurden12 – wenn diese tatsächlich eine Schülerin des Gregor Thaumaturgus war, ergibt sich eine regelrechte Sukzession von Trä-

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PRINZ 2000, 510. Vgl. PROSTMEIER 2005, 28: „Theodoret entwirft eine παιδεία im Raum der Kirche, wobei dieser Raum durch die παιδεία mitstrukturiert wird“; zu Johannes Chrysostomus (im Vergleich mit dem christlichen Universalgelehrten Origenes) vgl. TLOKA 2005. 11 So H AGENDAHL 1983, 84; vgl. zu dieser Schrift HELLEMAN 1990; KLEIN 1997; D ÖRING 2003; zur pädagogischen Reflexion der kappadokischen Theologen KLEIN 2003. 12 Vgl. BREITENBACH 2003, 127–134 zu Bas. ep. 204,6 (II 178,1–7 Courtonne). 10

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gern und Trägerinnen (!) paganer und christlicher Bildung über ein Jahrhundert hinweg. Dem entspricht die gerade von den Kappadokiern gepflegte, klassischen Mustern folgende christliche Briefkultur. Freilich ist damit noch nicht geklärt, wie repräsentativ diese Theologen und Bischöfe, die sich solcher literarischen Mittel und Gattungen bedienen konnten, für den östlichen Episkopat sind; eine dezidiert bildungskritische Position bezieht z.B. Epiphanius von Salamis. Auch die Frage nach Bildungsterminologie und -vorstellungen in der griechischen Hagiographie wäre zu stellen; lohnend wäre z.B. ein Vergleich zwischen der rhetorisch stilisierten Vita Honorati des Hilarius von Arles und, um nur ein Beispiel zu nennen, der anonymen Grabrede auf Johannes Chrysostomus.13 Mit dem heiligen Babylas ist auch hier – wie mit Cassianus aus Imola – ein Lehrer bezeugt, der das Martyrium erlitten habe, weil er seine Schüler christliche Hymnen und Psalmen statt der „hellenischen Bildung“ vermittelt habe.14 Darin drückt sich ebenso eine prinzipielle Skepsis gegenüber der antiken παιδεία aus wie in den restriktiven Bestimmungen der oben behandelten Kirchenordnungen. Neben der bildungsfreundlichen, ja -beflissenen Traditionslinie (und neben ganz der hellenistischen παιδεία verpflichteten Bischöfen wie Synesius von Cyrene) wäre also nach der Bedeutung von Bildung für Kleriker und, soweit rezeptionsästhetisch erkennbar, für die Gläubigen zu fragen. Ein wichtiger Unterschied zum Westen liegt natürlich darin, dass in Konstantinopel kein vergleichbarer Abbruch der institutionellen Kontinuität von Bildung zu verzeichnen ist, vielmehr erfuhr in der Kaiserstadt das Bildungswesen durch die Gründung der „Universität“ 425 sogar einen erheblichen Aufschwung; Justinian dekretierte schließlich in diametralem Gegensatz zu Julian, dass nun „Heiden“ nicht mehr Lehrer sein dürften.15 Freilich ist auch im frühen Byzanz ein Rückgang des Bildungsniveaus zu verzeichnen, so dass Photius im 9. und Michael Psellos im 11. Jahrhundert eine ähnlich exzeptionelle Position einnehmen wie für den Westen im 8. Jahrhundert Beda Venerabilis. Zuletzt ist auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Warum hat das Christentum in der Antike überlebt? Die vorliegenden Untersuchung beansprucht nicht, anhand der Bildungsthematik eine umfassende und erschöpfende Antwort darauf gegeben zu haben. Dass aber die Flexibilität im Umgang mit dem überkommenen, gesellschaftlich etablierten und für junge Christen aus bildungsnahen Schichten nicht zu umgehenden Schulsystem der Antike ein wesentlicher Faktor für diese Überlebensfähigkeit war, unterliegt keinem Zwei13 Oratio funebris in laudem sancti Iohannis Chrysostomi (Ps.-Martyrius Antiochenus, BHG 871, CPG 6517), hg. von Martin WALLRAFF (Quaderni della Rivista di Bizantinistica) Spoleto 2007. Zur griechischen Hagiographie vgl. Theofried BAUMEISTER, Heiligenverehrung I, in: RAC 14 (1988), 96–150, bes. 143–146. 14 BHG 2053; vgl. M ARKSCHIES 2002, 107. 15 Cod. Iust. I 5,18,4 (a. 527); dazu SCHLANGE -SCHÖNINGEN 1995, 154–157.

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fel. Die Pointe liegt darin, dass das Christentum im Umgang mit der antiken paganen Schulbildung weder Beliebigkeit noch Engstirnigkeit hat walten lassen, sondern verschiedene (aber keineswegs zahllose) Wege gefunden hat, Bildungsträgern ebenso wie Ungebildeten Raum in der Kirche zu lassen. Die Einzelanalysen machen deutlich: Einen impliziten oder gar expliziten „Masterplan“ hat es nicht gegeben und konnte es auch nicht geben, weil weder diachron (etwa durch einen Rekurs auf „normative“ Väter oder Synoden) noch synchron (durch kollegiale oder autoritative Mahnung und Weisung) die Möglichkeit bestand, Einheitlichkeit im Bildungsverständnis zu schaffen oder gar zu verordnen. Das Verhältnis von Christentum und Bildung präsentiert sich weder als distanzierte, „diakritische“ Chrêsis noch als ungesteuerte, symbiotische „Hellenisierung“ respektive „Romanisierung“, sondern als lebendiger Prozess der Aneignung und kritischen Reflexion. Die drei idealtypischen scholae christianae repräsentieren – um es knapp zu widerholen – die Kritik paganer Bildung durch christliche Träger dieser Bildung selbst, die Integration christlicher Normen und Werte in die antike Kultur und schließlich die Rezeption moderater literarischer Kompetenzen für christliche Bildungsinteressen. Religionssoziologisch gesehen erweist sich das Christentum damit in spezifischer Weise als Teil seiner Welt, insofern die Komplexität dieser Welt nicht durch die Beschränkung auf eine soziale oder ethnische Gruppe und ihre Werte reduziert, sondern in einer Pluralität möglicher Lebensformen (hier: Bildungsvorstellungen) innerhalb der christlichen Kirche präsent gehalten wurde. Die Einsicht in diese flexible, weil dynamische und dennoch nicht beliebige Konstitution von Identität stellt m.E. eine, allerdings entscheidende Antwort auf die Frage dar, warum das Christentum in der Antike überlebt hat. Es ist weder an der langen rechtlichen Unsicherheit zu Grunde gegangen noch am Übergang zur Staatsreligion und „Volkskirche“ – und das lag mindestens auch an seiner Fähigkeit, sich in ein konstruktives und kritisches Verhältnis zur Umwelt zu setzen Das hellenistisch-römische Bildungssystem, solange es existierte, markierte dabei einen Bereich ständiger Grenzüberschreitungen zwischen christlichen und „heidnischen“ Inhalten, Literaturgattungen und Sozialnormen, sei es durch kritische Reflexion oder durch selbstverständliche Inanspruchnahme von paganer Bildung. Nicht die Schule selbst war dabei der „Ort ausdauernder und wohltuender ‚Ineinandersetzung‘ der antiken Kulturüberlieferung und des Glaubens der Christen“, wie Jacques Fontaine formuliert16: Bildung erwarben antike Christen nicht, insofern sie Christen, sondern insofern sie antike Menschen mit einem bestimmten kulturellen Erbe waren. Die „Ineinandersetzung“ geschah als nachträgliche theologische Reflexionsleistung, sei es unter kritischen, sei es unter irenischen Prämissen – oder sie geschah en passant, wo die Unterscheidung von „christlich“ und „heidnisch“ 16

FONTAINE 1982, 17.

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gar nicht auf Bildung bezogen wurde. Das Christentum hat überlebt, weil es in der Lage war, beide Aspekte in seine Selbstbeschreibung zu integrieren – theologisch gesprochen: weil es das Wort vom Kreuz der Welt als Torheit Gottes verkündigt hat und dennoch nie vergessen hat, dass das Wort in dieser – keiner anderen – Welt Fleisch geworden ist.

Bibliographie Verzeichnis der Abkürzungen Die Abkürzungen folgen Siegfried M. SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin – New York 21994. Ergänzt wurden: AwK CLE CGL GP GrLat HABES HEBA HLL NHL RLM

Altertumswissenschaftliches Kolloquium Carmina Latina Epigraphica Corpus Glossariorum Latinorum Gallische Prosopographie Grammatici Latini Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Handbuch der lateinischen Literatur der Antike Neues Handbuch der Literaturwissenschaft Rhetores Latini Minores

Die Siglen für die antiken und patristischen Quellenschriften richten sich nach: – griechische pagane Autoren: Henry George LIDDELL/Robert SCOTT, A Greek-English Lexicon, revised and augmented throughout by Henry Stuart JONES with assistance of Roderick MCKENZIE, Oxford 91940 – griechische christliche Autoren: G.W.H. LAMPE, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961 – lateinische pagane und christliche Autoren: Thesaurus Lingua Latinae. Index librorum scriptorum inscriptionum ex quibus exempla afferuntur, Leipzig 51990

1. Prosopographische Hilfsmittel HEINZELMANN, Martin, Gallische Prosopographie 260–527, in: Francia 10 (1982), 531–718 MARTINDALE, John R., Prosopography of the Later Roman Empire: addenda et corrigenda to Volume I, in: Hist. 29 (1980), 474–497 MATHISEN, Ralph W., PLRE II: Suggested Addenda and Corrigenda, in: Hist. 31 (1982), 364–386 Prosopographie chrétienne du Bas-Empire, begründet von Henri-Irénée MARROU, Teil I: Prosopographie de l’Afrique chrétienne (303–533), hg. von André MANDOUZE, Paris 1982; Teil II: Prosopographie de l’Italie chrétienne (313–604), hg. von Charles PIÉTRI/ Luce PIÉTRI, 2 Bde., Rom 1999/2000 The Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. I: A.D. 260–395, hg. v. A.H.M. JONES, Cambridge 1971; Bd. II: A.D. 395–527, hg. von John R. MARTINDALE, Cambridge 1980 RÜPKE, Jörg/GLOCK, Anne, Fasti sacerdotum. Die Mitglieder der Priesterschaften und das sakrale Funktionspersonal römischer, griechischer, orientalischer und jüdisch-christlicher Kulte in der Stadt Rom vom 300 v.Chr. bis 499 n.Chr., Bd. II: Biographien (Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge 12/2), Stuttgart 2005

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Bibliographie

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Marcus Tullius Cicero, Brutus, hg. von Heinrich MALCOVATI (Scripta quae manserunt omnia 4), Leipzig 21970 –, Epistulae ad Atticum, hg. von David R. SHACKLETON BAILEY, 2 Bde., Stuttgart 1987 –, Epistulae ad familiares, hg. von David R. SHACKLETON BAILEY, Stuttgart 1988 –, Epistulae ad Quintum fratrem. Epistulae ad Marcum Brutum, hg. von David R. SHACKLETON BAILEY , Stuttgart 1988 –, De inventione. De l’invention, hg. von Guy ACHARD (CUFr), Paris 1994 –, De natura deorum, hg. v. Wilhelm AX (Scripta quae manserunt omnia 45), Stuttgart 1961 –, Orator, hg. von Rolf WESTMANN (Scripta quae manserunt omnia 5), Leipzig 1980 –, De oratore, hg. von Kazimierz F. KUMANIECKI (Scripta quae manserunt omnia 3), Leipzig 1969 (= 1995) –, Tusculanae disputationes, hg. von Max POHLENZ, Stuttgart 1918 Claudianus, Carmina, hg. von John Barrie HALL, Leipzig 1985 Claudianus Mamertus, Epistula posterior, hg. von August ENGELBRECHT (CSEL 11), Wien 1885, 203–206 Die Pseudoklementinen, Bd. II: Rekognitionen in Rufins Übersetzung, hg. von Bernhard REHM/Franz PASCHKE, neu hg. von Georg STRECKER (GCS 51), Berlin (1965) 21992 Clemens von Alexandrien, Stromata, Bd. 1: Buch I–VI, hg. von Otto S TÄHLIN/Ludwig FRÜCHTEL/Ursula TREU (GCS Clemens von Alexandrien II), Berlin 41985 Coelestin I., Epistulae, in: PL 50, 417–559 Commodian, Carmina, hg. von Bernhard DOMBART (CSEL 15), Wien 1887 Les Constitutions Apostoliques, hg. und übers. von Marcel METZGER, 3 Bde. (SC 320; 329; 336), Paris 1985–1987 Constantius von Lyon, Vie de saint Germain d’Auxerre, hg. von René BORIUS (SC 112), Paris 1965; Übers.: FRANK, Frühes Mönchtum im Abendland II, 59–97 Flavius Cresconius Corippus, Iohannidos. Liber primus, hg. und übers. von Maria Assunta VINCHESI (Koinonia IX), Neapel 1983 –, In laudem Iustini Augusti minoris. Éloge de l’Empereur Justin II, hg. und übers. von Serge ANTÈS (CUFr), Paris 1981 Cyprian von Karthago, Ad Donatum, hg. von Manlio SIMONETTI (CChr.SL 3A), Turnhout 1976, 3–13; übers. von Julius BAER (BKV 34), Kempten – München 1918, 39–55 –, Ad Demetrianum, hg. von Manlio S IMONETTI (CChr.SL 3A), Turnhout 1976, 35–51; übers. von Julius BAER (BKV 34), Kempten – München 1918, 204–227 –, Epistulae, hg. von Gerard F. DIERCKS, 2 Bde. (CChr.SL 3B/3C), Turnhout 1994/1996; übers. von Julius BAER (BKV 60), Kempten – München 1928 Damascius, Vitae Isidori reliquiae, hg. von Clemens ZINTZEN (Bibliotheca Graeca et Latina suppletoria 1), Hildesheim 1967 Damasi Epigrammata accedunt Pseudodamasiana aliaque ad Damasiana inlustranda idonea, hg. von Maximilian IHM (Anth. lat. suppl. I), Leipzig 1895 Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis, hg. von Ernst VON DOBSCHÜTZ (TU 38/4), Berlin 1912 Diokletians Preisedikt, hg. von Siegfried LAUFFER (Texte und Kommentare 5), Berlin 1971 Diomedes, Artis grammaticae libri III, in: GrLat I, 299–529 Dionysius Exiguus, Vita sancti Pachomii, hg. von H. VAN CRANENBURGH, La vie latine de saint Pachôme traduite du grec par Denys le Petit (SHG 46), Brüssel 1969, 77–233 Aelius Donatus, Ars grammatica, hg. von Louis HOLTZ, Donat et la tradition de l’enseignement grammatical. Étude sur l’Ars Donati et sa diffusion (IVe–IXe siècle) et édition critique, Paris 1981 –, Epistula ad Munatium, in: Vitae Vergilianae antiquae, aaO. 5

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Ennodius von Pavia, Opera, hg. von Friedrich VOGEL (MGH.AA VII), Berlin 1885 Epiphanius von Salamis, Panarium omnium haeresium, hg. von Karl HOLL/Hans LIETZMANN /Jürgen DUMMER (GCS Epiphanius I–III), Berlin 1915–1933 (Bd. II: 21980; Bd. III: 21985) Evagrius, Vita Antonii, in: PL 73, 125–170 Eucherius von Lyon, Il rifiuto del mondo. De contemptu mundi, hg. und übers. von Salvatore PRICOCO (BPat 16), Florenz – Bologna 1990 –, Instructionum libri duo, hg. v. Carleen MANDOLFO (CChr.SL 66), Turnhout 2004, 77–216 –, De laude eremi, hg. von Karl WOTKE (CSEL 31), Wien 1894, 175–194 Eugippius, Das Leben des heiligen Severin, hg. und übers. von Reinhard N OLL (SQAW 11), Berlin 1963 Eunapius, The Lives of the Sophists, hg. und übers. von Wilmer Cave WRIGHT (LCL 134), Cambridge MA 1921 (= 1989) –, Fragmenta, hg. von R.C. BLOCKLEY, Classicising Historians of the Later Roman Empire. Eunapius, Olympiodorus, Priscus and Malchus, Bd. II: Text, Translation and Historiographical Commentary (ARCA 10), Liverpool 1981, 6–127 Eusebius von Caesarea, Die Kirchengeschichte, hg. von Eduard SCHWARTZ. Die lateinische Übersetzung des Rufinus, hg. von Theodor MOMMSEN (GCS Eusebius II/1–3), Berlin 1903; 1908; 1909; Kirchengeschichte, übers. von Philipp HAEUSER, durchgesehen von Hans Armin GÄRTNER, hg. von Heinrich KRAFT, Darmstadt 31989 –, Über das Leben des Kaisers Konstantin, hg. von Friedhelm WINKELMANN (GCS Eusebius I/1), Berlin 21991 –, Über die Märtyrer in Palästina, hg. von Eduard SCHWARTZ (GCS Eusebius II/2), Berlin 1908, 907–950; übers. von Andreas BIGELMAIR (BKV 9), Kempten – München 1909, 273–313 Facundus von Hermiane, Pro defensione trium capitulorum, hg. von Jean-Marie CLÉMENT/ Roel VANDER PLAETSE (CChr.SL 90A), Turnhout 1974, 3–398 Faustus von Riez, Opera, hg. von August ENGELBRECHT (CSEL 21), Wien 1891 –, (Eusebius Gallicanus) Collectio homiliarum, hg. von Franz GLORIE (CChr.SL 101/101A), Turnhout 1970/71 Ferrandus diaconus, Vita Fulgentii, in: PL 65, 117–150 Ferreolus von Uzès, Regula monachorum, in: PL 66, 959–976 Firmicus Maternus, Mathesis, hg. und übers. von Pierre MONAT, 3 Bde., Paris 1992–1997 Gaudentius von Brixen, Tractatus, hg. von Ambrosius GLÜCK (CSEL 68), Wien 1936 Gelasius I., Lettre contre les Lupercales et dix-huit messes du Sacramentaire Léonien, hg. von G. POMARÈS (SC 65), Paris 1959 Aulus Gellius, Noctes atticae, hg. von Peter K. MARSHALL, 2 Bde. (OCT), Oxford 1968 Gennadius von Marseille, De viris illustribus, hg. von Ernest C. RICHARDSON (TU 14/1), Leipzig 1896 Gregor I., Dialogorum libri IV, hg. von Adalbert DE VOGÜÉ/Paul ANTIN, 3 Bde. (SC 251; 260; 265), Paris 1978–1980 –, Registrum Epistularum, hg. v. Paul EWALD/Ludwig M. HARTMANN, 2 Bde. (MGH.Epp. I/II), Berlin 1891/99 Gregor von Nazianz, Briefe, hg. von Paul GALLAY (GCS 51), Berlin 1969 –, Discours 4–5: Contre Julien, hg. von Jean BERNARDI (SC 309), Paris 1983; Discours 24– 26, hg. von Justin MOSSAY (SC 284), Paris 1981; Discours 42–43, hg. von Jean BERNARDI (SC 384), Paris 1992

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Gregor von Tours, Historiarum libri X, hg. von Bruno KRUSCH/Wilhelm LEVISON (MGH.SRM I/12), Hannover 21951 –, Liber in gloria confessorum, hg. von Bruno KRUSCH (MGH.SRM I/2), Hannover 1885, 744–820 –, Liber in gloria martyrum, in: aaO. 484–561 –, Liber vitae patrum, in: aaO. 661–744 –, Libri I–IV de virtutibus s. Martini episcopi, in: aaO. 584–661 Hermeneumata Pseudodosithena Leidensia, hg. v. Giuseppe FLAMMINI, München – Leipzig 2004 Hieronymus, Adversus Jovinianum libri II, in: PL 23, 211–338 –, Adversus Vigilantium, hg. von Jean-Louis FEIERTAG (CChr.SL 79C), Turnhout 2005 –, Altercatio Luciferiani et Orthodoxi, hg.v. Aline C ANELLIS (CChr.SL 79B), Turnhout 2000 –, Apologia contra Rufinum, hg. von Pierre L ARDET (CChr.SL 79), Turnhout 1982, 1–72 –, Die Chronik des Hieronymus, hg. von Rudolf HELM (GCS Eusebius VII/1), Leipzig 1913 –, Commentariorum in Amos prophetam libri III, in: Commentarii in prophetas minores, hg. von Marcus ADRIAEN, Bd. I (CChr.SL 76), Turnhout 1969, 211–348 –, Commentarii in Danielem prophetam, hg. von Franciscus GLORIE (CChr.SL 75A), Turnhout 1964 –, Commentarii in epistulas Pauli apostoli ad Titum et ad Philemonem, hg. von Federica BUCCHI (CChr.SL 78C), Turnhout 2003 –, Commentarii in Esaiam, hg. von Marcus ADRIAEN (CChr.SL 73/73A), Turnhout 1963 –, Commentariorum in epistulam Pauli ad Galatas libri tres, in: PL 26, 307–438 –, Commentariorum in epistulam Pauli ad Ephesios libri III, in: PL 26, 439–554 –, Commentariorum in Hiezechielem libri XIV, hg. von Franciscus GLORIE (CChr.SL 75), Turnhout 1964 –, Commentariorum in Matheum libri IV, hg. von Damien HURST/Marcus ADRIAEN (CChr.SL 77), Turnhout 1969 –, Commentariorum in Oseam prophetam libri III, in: Commentarii in prophetas minores, hg. von Marcus ADRIAEN, Bd. I (CChr.SL 76), Turnhout 1969, 1–158 –, Commentarius in Ecclesiasten, hg. von Marcus ADRIAEN (CChr.SL 72), Turnhout 1959, 247–361 –, Commentarius in Ionam prophetam. Kommentar zu dem Propheten Jona, übers. und hg. von Siegfried RISSE (FC 60), Turnhout 2003 –, Contra Iohannem Hierosolymitanum episcopum, hg. von Jean-Louis FEIERTAG (CChr.SL 79A), Turnhout 1999 –, Dialogus adversus Pelagianos, hg. v. Claudio MORESCHINI (CChr.SL 80), Turnhout 1990 –, Didymus von Alexandrien, De spiritu sancto. Über den Heiligen Geist, übers. und hg. von Hermann-Josef SIEBEN (FC 78), Turnhout 2004 –, Epistula ad Rufinum, hg. von Pierre L ARDET (CChr.SL 79), Turnhout 1982, 73–116 –, Epistulae, 3 Bde., hg. von Isidor HILBERG (CSEL 54–56), Wien – Leipzig 1910–1918 (21996); Bd. III/2, hg. von Margit KAMPTNER (CSEL 56/2), Wien 1996; Ausgewählte Briefe, übers. von Ludwig SCHADE, 2 Bde. (BKV 16/18), München 1936/37 –, Hebraicae quaestiones in libro Geneseos, hg. von Paul DE LAGARDE (CChr.SL 72), Turnhout 1959, 1–56 –, In Ieremiam libri VI, hg. von Siegfried REITER (CChr.SL 74), Turnhout 1960 –, Interpretatio homiliarum Origenis in Ezechielem, hg. von Wilhelm A. BAEHRENS (GCS Origenes VIII), Leipzig 1925, 318–454 –, De Mariae virginitate contra Helvidium liber unus, in: PL 23, 183–206; übers. von Ludwig SCHADE (BKV 15), Kempten – München 1914, 253–292

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–, Tractatus in Psalmos, hg. von Germain MORIN (CChr.SL 78), Turnhout 21958 –, De viris illustribus. Gli uomini illustri, übers. und hg. von Aldo C ERESA-GASTALDO (BPat 12), Florenz 1988 –, Vita s. Hilarionis abbatis, in: PL 23, 29–54; übers. von Manfred F UHRMANN , Christen in der Wüste. Drei Hieronymus-Legenden, Zürich – München 1983, 37–79 –, Vita s. Malchi, in: PL 23, 53–60; übers. von F UHRMANN , Christen in der Wüste, 23–35 –, Vita s. Pauli Thebaei, in: PL 23, 17–30; übers. v. F UHRMANN , Christen in der Wüste, 7–21 Hilarius von Arles, Sermo de vita s. Honorati, hg. von Samuel CAVALLIN, Vitae sanctorum Honorati et Hilarii (Skrifter utgivna av Vetenskaps-Societeten i Lund 40), Lund 1952, 49–78 Hilarius von Poitiers, Tractatus super Psalmos, hg. von Jean DOIGNON (CChr.SL 61), Turnhout 1997 Hippolyt, Kommentar zu Daniel, hg. von Georg Nathanael BONWETSCH, zweite, vollständig veränderte Auflage von Marcel RICHARD (GCS N.F. 7), Berlin 2000 –, Refutatio omnium haeresium, hg. von Miroslav MARCOVICH (PTS 25), Berlin – New York 1986; Widerlegung aller Häresien (Philosophumena), übers. v. Konrad Graf PREYSING (BKV 40), Kempten – München 1922 Honoratus von Marseille (?), Vita s. Hilarii Arelatensis, hg. von Samuel CAVALLIN, Vitae sanctorum Honorati et Hilarii (Skrifter utgivna av Vetenskaps-Societeten i Lund 40), Lund 1952, 79–109; hg. und übers. von Paul-André JACOB (SC 404), Paris 1995 Q. Horatius Flaccus, Opera, hg. von David R. S HACKLETON BAILEY, Stuttgart 1985; Horaz. Werke in einem Band, übers. von Manfred S IMON, Berlin – Weimar 1972 = 1990 Hydatius von Aquae Flaviae, Continuatio chronicorum Hieronymianorum, hg. von Alain TRANOY (SC 218/219), Paris 1975 Innozenz I., Epistulae, in: PL 20, 463–638 Irenäus von Lyon, Adversus haereses. Gegen die Häresien, hg. von Norbert BROX, 5 Bde. (FC 8/1–5), Freiburg u.a. 1993–2001 Isidor von Sevilla, Sententiarum libri III, in: PL 83, 537–738 Joannis Antiocheni Fragmenta ex Historia chronica, hg. von Umberto ROBERTO (TU 154), Berlin – New York 2005 Johannes Chrysostomus, Adversus oppugnatores vitae monasticae, in: PG 47, 319–386 –, Epistulae, in: PG 52, 529–791 –, Panegyricus in Juventinum et Maximinum, in: PG 50, 571–578 –, Sur le sacerdoce. Dialogue et homilie, hg. und übers. von Anne-Marie MALINGREY (SC 272), Paris 1980 Julianus, Epistulae, leges, poemata, fragmenta varia, hg. von Joseph BIDEZ/Franz CUMONT, Paris 1922; Julian, Briefe, übers. von Bertold K. WEIS, München 1973 –, Contra Galilaeos, hg. und übers. von Emanuela MASARACCHIA (Testi e commenti 9), Rom 1990; Kaiser Julians Bücher gegen die Christen, übers. v. Karl Johannes NEUMANN, Leipzig 1880 Julianus Pomerius, De vita contemplativa, in: PL 59, 415–520 Julius Victor, Ars rhetorica, in: Rhetores Latini Minores, hg. von Karl HALM, Leipzig 1863, 373–448 Justin der Märtyrer, Apologiae pro Christianis, hg. von Miroslav M ARCOVICH (PTS 38), Berlin – New York 1994; übers. von Gerhard RAUSCHEN, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten, Bd. I (BKV 12), Kempten – München 1913, 65–155 –, Dialogus cum Tryphone, hg. von Miroslav MARCOVICH (PTS 47), Berlin – New York 1997; übers. von Philipp HAEUSER (BKV 33), Kempten – München 1917

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Justinianus Augustus, Digesta, vol. I: dig. 1–29, hg. von Paul KRÜGER/Theodor MOMMSEN, Berlin 1868; vol. II: dig. 30–50, hg. von Theodor MOMMSEN, Berlin 1870 Juvenal, Satiren, hg. und übers. von Joachim ADAMIETZ, München – Zürich 1993 Laktanz, Divinarum institutionum libri VII, hg. von Samuel BRANDT (CSEL 19), Wien 1890; Libri I et II, hg. von Eberhard HECK/Antonie WLOSOK, München – Leipzig 2005 –, Epitome divinarum institutionum, hg. von Eberhard HECK/Antonie WLOSOK, Stuttgart – Leipzig 1994; Göttliche Unterweisung in Kurzform, übers. und hg. von Eberhard HECK/Gudrun SCHICKLER, München u.a. 2001 –, De opificio Dei, hg. von Samuel BRANDT (CSEL 27/1), Prag – Wien – Leipzig 1893, 3– 64; übers. von Aloys HARTL (BKV 36), Kempten – München 1919, 225–284 –, De mortibus persecutorum. Die Todesarten der Verfolger, hg. und übers. von Alfons STÄDELE (FC 43), Turnhout 2003 Leo I., Epistulae, in: PL 54, 551–1213 –, Tractatus septem et nonaginta, hg. von Antoine CHAVASSE, 2 Bde. (CChr.SL 138/138A), Turnhout 1973; übers. von Theodor STEEGER, 2 Bde. (BKV 54/55), München 1927 Libanius, Opera, hg. von Richard F OERSTER, Bd. I/1, Orationes I–V, Leipzig 1903; Bd. II: Orationes XII–XXV, Leipzig 1904; Bd. X: Epistulae 1–839, Leipzig 1921; Bd. XI: Epistulae 840–1544, Leipzig 1922; Kaiserreden, übers. von Georgios FATOUROS/Tilman KRISCHER/Werner P ORTMANN (BGL 58), Stuttgart 2002 Lucifer von Calaris, Moriendum esse pro dei filio, hg. von Wilhelm VON HARTEL (CSEL 14), Wien 1886, 284–318 Macrobius, Saturnalia. In somnium Scipionis, hg. von James WILLIS, 2 Bde., Leipzig 21970 Makarios/Symeon, Die 50 geistlichen Homilien des Makarios, hg. von Hermann DÖRRIES/ Erich KLOSTERMANN/Matthias KROEGER (PTS 4), Berlin 1964 Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii, hg. von James WILLIS, Leipzig 1983; Die Hochzeit der Philologia mit Merkur, übers. von Hans Günter ZEKL, Würzburg 2005 Maximus von Turin, Sermones, hg. v. Almut MUTZENBECHER (CChr.SL 23), Turnhout 1962 Maximus Victorinus, Liber de arte grammatica, in: GrLat VI, 187–205 Minucius Felix, Octavius, hg. von Bernhard KYTZLER, Leipzig 1982 (= 1992); übers. von DEMS., Darmstadt 1965 (= 1993) Novatian, De spectaculis, hg. von Gerard F. DIERCKS (CChr.SL 4), Turnhout 1972, 167–179 –, De trinitate, hg. von Gerard F. DIERCKS (CChr.SL 4), Turnhout 1972, 11–78 Origenes, Acht Bücher gegen Celsus, hg. von Paul KOETSCHAU, Bücher I–IV (GCS Origenes I), Leipzig 1913, 49–374; Bücher V–VIII (GCS Origenes II), Leipzig 1913, 1–293 –, Commentarii in epistulam ad Romanos. Römerbriefkommentar, hg. und übers. von Theresia HEITHER (FC 2/1–6), Freiburg u.a. 1990–1999 –, Epistula ad Gregorium, in: Gregor der Wundertäter, Oratio prosphonetica ac panegyrica in Origenem. Dankrede an Origenes, hg. und übers. von Peter GUYOT/Richard KLEIN (FC 24), Freiburg u.a. 1996, 214–221 –, Homélies sur les Nombres, hg. von Louis DOUTRELEAU, 3 Bde. (SC 415; 442; 461), Paris 1996/1999/2001 Orosius, Historiarum adversus paganos libri VII, hg. von Karl ZANGEMEISTER (CSEL 5), Wien 1882 Palladius von Helenopolis, The Lausiac History. The Greek Text Edited with Introduction and Notes by Cuthbert BUTLER (Texts and Studies 6/1.2), Cambridge 1898/1904

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Passion de Perpétue et de Félicité suive des Actes, hg. von Jacqueline AMAT (SC 417), Paris 1996 Paulinus von Mailand, Vita s. Ambrosii Mediolanensis, hg. und übers. von A.A.R. B ASTIAENSEN , in: Vite dei Santi III, 54–125 Paulinus von Nola, Carmina, hg. von Wilhelm VON HARTEL/Margit KAMPTNER (CSEL 30), Wien (1894) 21999 –, Epistulae. Briefe, übers. und hg. v. Matthias SKEB, 3 Bde. (FC 25/1–3), Freiburg u.a.1998 Paulinus von Pella, Eucharisticos, hg. von Wilhelm BRANDES, in: Poetae Christiani minores (CSEL 16/1), Wien 1888, 263–334 Paulinus von Périgueux, De vita s. Martini, hg. von Michael P ETSCHENIG, in: Poetae christiani minores (CSEL 16/1), Wien 1888, 1–190 Pelagius’s Expositiones of thirteen Epistles of St Paul, hg. von Alexander SOUTER (Texts and Studies 9), Bd. II: Text, Cambridge – London 1926 S. Petri Chrysologi Collectio sermonum, hg. von Alexander O LIVAR (CChr.SL 24), Turnhout 1975 Philostorgius, Kirchengeschichte, hg. von Joseph BIDEZ/Friedhelm WINKELMANN (GCS Philostorgius), Berlin 31981 Plinius minor, Epistularum libri novem. Epistularum ad Traianum liber. Panegyricus, hg. von Moritz SCHUSTER/Rudolf HANSLIK, Leipzig (1968) 31992 Pompeius, Commentum artis Donati, in: Grammatici Latini V, 95–312 Pontius diaconus, Vita Caecilii Cypriani, hg. von Wilhelm von HARTEL (CSEL 3/3), Wien 1871, XC–CX; übers. von Julius BAER (BKV 34), Kempten – München 1918, 1–32 Possidius von Calama, Vita s. Augustini, hg. und übers. von Wilhelm GEERLINGS (Augustinus. Opera – Werke, Sonderband), Paderborn u.a. 2005 –, Operum S. Augustini elenchus, hg. von André WILMART, in: Miscellanea Agostiniana, Bd. II: Studi Agostiniani, Rom 1931, 149–233 Priscian, Institutiones grammaticae, in: GrLat II; III, 1–384 –, De praeexercitamentis rhetoricis, in: Rhetores latini minores, 551–560 Prudentius, Carmina, hg. von Johannes BERGMAN (CSEL 61), Wien 1926 Quintilian, Institutio oratoria. Ausbildung des Redners, übers. und hg. von Helmut R AHN, 2 Bde., Darmstadt 31995 Regula Benedicti, hg. von Rudolf HANSLIK (CSEL 75), Wien 1977 Regula Pachomii, übers. von Heinrich BACHT, Das Vermächtnis des Ursprungs. Studien zum frühen Mönchtum, Bd. II: Pachomius – Der Mann und sein Werk (Studien zur Theologie des geistlichen Lebens 8), Würzburg 1983, 82–114 Regula monasterii Tarnatensis, in: PL 66, 972–986 Rufin von Aquileia, Apologia adversus Hieronymum, hg. von Manlio SIMONETTI (CChr.SL 20), Turnhout 1961, 27–123 –, Historia ecclesiastica, hg. von Theodor MOMMSEN (GCS Eusebius II/1–2), Berlin 1908 Ruricius von Limoges, Epistularum libri II, hg. von Roland D EMEULENAERE (CChr.SL 64), Turnhout 1985, 303–415 Salvian von Marseille, De gubernatione Dei libri VIII, hg. von Franz P AULY (CSEL 8), Wien 1883, 1–200 Scriptores Historiae Augustae, 2 Bde., hg. von Ernst HOHL, Leipzig 1927 (= 1971) L. Annaeus Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, hg. von L.D. REYNOLDS, 2 Bde. (OCT), Oxford 1965 (= 10.71991) –, De beneficiis. Des bienfaits, hg. und übers. von François P RÉCHAC, 2 Bde., Paris 31972

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Register 1. Biblische Schriften Genesis 1,14 24,63 25,27

Jesaja 485 220 256

Exodus 3,21f.; 12,35f. 7,6–13

438 310, 473–476 470f.

1. Könige 1,1–4

Psalmen (LXX) 33,2 39,5 68,6 79,11 85,15 118,3 118,70 118,103 139,15 143 144,4 150,1 Proverbien 4,5–9 5,20 25,12 25,25 31,10

208 482 209 200 467

7

Hosea 456

Amos 5,8

182 420 376 327 404 326 420 222 408 453 396 244

455 325

Daniel

2,10 464

432 319 432 338

Ezechiel

4,20.23 208

Hiob 29,12f.

23,25–28 25,36f. 29,8 48,10 16,13 33,32

1. Samuel 17,51

6, 95 6 468

Jeremia 477–481 480

Deuteronomium 18,13 21,10–13

29,14 40,3 66,8

90

Jona 3,6

90

Maleachi 3,1

6

Sapientia Salomonis 1,1 10,21

73 362

Matthäus 4,19 5,48 7,7 8,23–27 11,25 19,14 19,23

335, 337 438 259 299 6 69 468

550 Markus 1,1f. 1,16f.

Register

6 5

Lukas 15,1–32 15,16 16,10 24,32

265 484 280, 452 182 73 330

Apostelgeschichte 4,13 7,22 17,22–31 17,23 17,28 26,24

7, 337 479 8, 476 77, 476 415, 471 429

Römer 2,20 3,23f. 8,38f.

6 438 199

1. Korinther 1,18ff. 1,19 1,20 1,21 1,24 1,26 1,27 2,4 3,18–20 3,19 5,3 6,1–9 7,39 8,1 8,9

195 199 415

2. Korinther 72 471–473 345 209

Johannes 7,15 8,19 8,36 10,11 10,23 15,1–8

12,12 13,13 15,39f.

7, 66, 74, 95 95 5f., 67 363 215 6f. 74 219 95 74, 245 220 345 71 113, 245 431, 474

4,7 5,10 5,14 6,4–10 10,5 11,6 11,16–30

309 216 192 462 480 323, 429, 456 462

Galater 1,10 2,11–14

266 192, 421f.

Epheser 1,18 4,15 6,4

200 195 7, 310f.

Philipper 1,8

194

Kolosser 2,8 2,8f.

74 95

1. Timotheus 6,13f.

71

2. Timotheus 2,14 3,7

454 216

Titus 1,9 1,12 3,4

347 476 466

1. Petrus 4,11

338

Hebräer 6,8f.

400

551

2. Antike Quellen

2. Antike Quellen a) Pagane und christliche Autoren Acta Justini 3,3

100

Acta Philippi 8[3]

8

Agnellus von Ravenna Liber pontificalis 52 84

370 183

Agroecius Ars de orthographia 391 Ambrosiaster Commentarius in Ephesios 4,11f. 340 Commentarius in IIa epistula ad Corinthios 429f. 11,6 Ambrosius von Mailand De Abrahamo I4

36

De bono mortis 11

464

Epistulae 1(7) 23(36) 27(58) 28(50) 32(48) 33(49) 37(47) 41(86) 42(88) 48(66) 72(17)

196, 219 197, 199 148 220 186, 218, 481 197 197, 219f. 188 188 196f. 143, 153, 155–157, 366 73(18) 152, 155f. extr.coll. 10(57) 153f., 161–163

Exhortatio virginitatis 1,3 152 Explanatio super Psalmos XII 118,16,45 143

Expositio euangelii secundum Lucam 7,28 143, 419, 472 De fide ad Gratianum I6 415 II prol. 415 III 1 415 Hexameron VI 2

480

De Isaac vel anima 7,57 329 De obitu Valentiniani 19 154 De officiis I 19 I 22 I 36

302 221, 277 464

Ammianus Marcellinus Rerum gestarum libri XIV 6 160 XV 13 41 XVI 10 152 XXII 10 359 XXV 4 359 XXVII 9 179 XXX 9 154 Anonymus Vita Antonii 1 20 72 73 93 epilogus

256 257 256 255 257 254

(Ps.-) Anselm von Canterbury Carmen de contemptu mundi 5 Anthologia latina I/1, Nr. 3 I/1, Nr. 85 I/1, Nr. 289 I/1, Nr. 373f.

158, 162 52 30, 52 372

552 I/2, Nr. 487 I/2, Nr. 494c I/2, Nr. 670 I/2, Nr. 893 II/1, Nr. 47

Register 286 384 140 389 368

Apuleius Florida 7 18 20

76 51 28, 49, 59

Metamorphoseis IX 14

115

De deo Socratis 124

87

Aristophanes Ranae

105

Arnobius von Sicca Adversus nationes I 58f. I 59 II 5 II 6 III 6

402, 462 387 119, 387 402 425

Athanasius von Alexandrien Vita Antonii 1 20 72 73 81 93

256 257 256 255 264 257, 365

Augustin De anima et eius origine I 3; II 17 419 De beata vita 1 4

140, 407 407

De catechizandis rudibus V9 136, 143 VI 10 406 VIII 12 405f. IX 13 406 XIII 18 136 XXV 48 143

De civitate Dei I3 I 10 II 3 IV 8 V 26 VI 2 VIII 10 IX 4 X 14 XI 18 XIII 49 XVIII 37 XVIII 49 XVIII 52 XVIII 54 XXII 5 XXII 6

30 148 477 80 144 50 318, 451 50 451 383 337 480 7, 337 366 140 336 50, 343

Confessiones I 9,15 I 13,20 I 13,21 I 13,22 I 17,27 I 18,28f. II 3,5 III 3,6 III 4,7 III 5,9 III 6,11 IV 1,1 IV 2,2 IV 8,13 IV 13,20 IV 14,21 IV 16,29f. V 3,3 V 5,9 V 6,11 V 7,12f. V 8,14 V 12,22 V 13,23 VI 6,9 VI 7,11f. VI 9,14 VI 10,17 VI 11,18 VII 6,8

36 28, 36, 41, 343 403 375, 403f. 404 404f. 31 28, 51, 321 45, 375, 450 403, 450 450, 472 51, 375, 420 31, 375f., 420 378 376 376 49f., 447 51, 330 485 51, 330 330, 376 52 56 329, 377 377 30, 376 46 378 420 141

553

2. Antike Quellen VIII 2,4 VIII 5,10 VIII 6,13 IX 2,2–4 IX 3,5f. IX 4,7 IX 5,13 IX 7,15

142, 392, 420 362 375, 377 377, 420 377f. 190, 377 243, 377 243, 278

De consensu euangelistarum I 10 315 I 54 453 Contra Academicos II 2 376 II 3f. 483 III 4 411, 483 III 18 44, 343 Contra Adimantum 11 428 Contra Cresconium I1 I 13 I 16 II 2 II 15 III 55 III 73–75 IV 2 IV 31

342, 418 341 462 401 400 400 400 341 400

Contra Faustum XX 91 XXII 25

481 399

Contra Iulianum I 34 II 6 II 11 II 36 III 21

445 445 330, 445 445 441

Contra Iulianum opus imperfectum I 48 440 II 33 441 II 36 439, 445 II 150 439f. III 199 440 IV 75 440 IV 90 440f. IV 128 441 V 25 440 VI 20. 40. 81 441

Contra litteris Petiliani III 25 377 De cura pro mortuis gerenda 1,1 236 De dialectica 7

418

De disciplina Christi 11 315, 376 15 452 De doctrina christiana prol. 4 265 I 1,1 340 II 11,16 463 II 13,19f. 403, 463 II 14,21 403 II 17,27 384 II 18,28 49, 483f. II 25,40 450 II 31,48 484 II 35,53 42, 483 II 36,54 341 II 39,58 381, 450 II 40,60 478f. II 40,61 90, 335, 442, 479f. III 3,7 408 III 7,11 414 III 29,40 463 IV 1,1 340 IV 2,3 341 IV 3,4 343 IV 3,5 41, 398 IV 4,6 343f. IV 5,7f. 342, 348 IV 6,9 462 IV 6,10 342f. IV 7,12 463 IV 7,14 343 IV 9,23 409 IV 10,24 46, 408f. IV 10,25 340 IV 11,26 348 IV 12,27 343, 347 IV 13,29 340, 343 IV 14,31 335, 468 IV 15,32 344, 346 IV 16,33 343 IV 17,34 343, 346 IV 18,35 340, 344 IV 19,38 345

554

Register

IV 20,41 IV 22,51 IV 25,55 IV 26,56f. IV 27,59f. IV 28,61 IV 30,63 IV 31,64

334 345 346 346 347 348 340 485

Enchiridion 2,8

383

Tractatus in euangelium Iohannis 2,14 407 7,6 133 7,17 335 18,6 452 37,4 484 Enarrationes in psalmos 26,2 133 34,1 133 36,3 407 54,13 134, 469 62,7 133 98,1 453 103,3 40 126,3 346 138,20 408 141,8 323 143,1 453 144,7 396, 451 146,15 463 147,15 323 In epistula Iohannis ad Parthos 2,3 134f., 202 3,13 452 Epistulae ed. Goldbacher 9 190 13 190 16 201f. 17 202f. 21 137 25 192 26 190, 203, 405 27 151 28 242 38 197 40 423 55 485 58 237

80 81 82 91 96 97 98 101 104 119 120 132 135 137 138 145 149 150 153 155 162 167 172 179 187 200 203 222 228 230 235 242 257 258 259 261 267 268

197 192 192f., 242, 422f., 445 414 238 238 190 279f., 440, 452 67, 454 200 187 204 204 189, 205, 465 47, 238 198 197 149 236 194 223 242 243 51, 115 239 198 236 40 280 189 239 189 237 193f. 237, 376 375 199 198

Epistulae ed. Divjak 2* 60, 341, 421 20* 315 De fide et operibus 18,33 134 De Genesi contra Manichaeos 1 408 De haeresibus 84 86

233 63

555

2. Antike Quellen De magistro II 3 X 33f.

414 414

De moribus ecclesiasticis I 30,63 137 I 34,75 137 De musica II 1 VI 1

398 440f.

De ordine I 4,10 I 8,24 I 10,30 I 11,31 II 4,13–5,14 II 7,24 II 8,25 II 12,35 II 12,35–16,44 II 12,37 II 14,40

411 47 46, 395 140 49, 399, 418 36 405 398 48 31, 398 412

De peccatorum meritis et remissione III 6 445 Quaestiones euangeliorum II 33 472 De quantitate animae 14 452 33 49f. De rhetorica 2

417

Retractationes prol. I1 I2 I3 I5 I6 II 46 II 52

378 378 140 246 49, 378, 417 378 187 400

Sermones 32 37 43 52 87 96 105

453 407, 467f. 333, 335 453 330, 333 323 414

122 133 178 197 227 250 260 270 272A 292 299 312 339 356 Denis 23 Dolbeau 23 Guelf. 1 Lambot 21 Morin 1

453 331, 451f. 378 335 325 333 136 453 337 452 410 91, 466f. 323f., 344 118 343 341, 419 407 470 136

Soliloquia II 11 II 19

412 39

De utilitate credendi 4,10 411 5,13 15, 411f. Ps.-Augustin Sermones 281; 283

326

Aurelian von Arles Regula monachorum 32 315 Regula virginum 26

315

Ausonius Commemoratio professorum Burdigalensium 1 44 5 150 7 54 9 54 10 31, 373 17 53 21 31 Ephemeris 10f.; 82f.

145

Epistulae 2

145

556 17 18 19 21 22 24

Register 208 146 208 188 146, 188 144–147

Griphus de ternario numero 88 144

Regula virginum 18

315

Sermones 1 6 13 53; 54 86 99

321, 332 321 132 134f. 328 417, 480

Mosella 403f.

44

Callinicus

Parentalia 3,9f.

32

Vita Hypatii 29

Praefationes 1,2

201

Johannes Cassian

Liber Protrepticus 67–76 28, 31, 373 73–75 60 Versus paschales 18

145

Avitus von Vienne Carmina 6

224

Epistulae 53 57 86

340 218 230, 391

Basilius von Caesarea Ad adolescentes de legendis libris gentilium 3 480 4 477 Epistulae 150 154; 164; 165 197

200 192 200

Regula fusior tractata 14 315 Boethius Commentarius in Ciceronis topica 1 393 In Porphyrii isagogen commentarius I 1; V 24 393 Caesarius von Arles Ep. hortatoria ad virginum deo dedicatam 305

Conlationes V 21 XIV 12 XIV 13

257

286 286 396

De institutis coenobiorum praef. 290, 315 Cassiodor Expositio in psalmos praef. 464 23,10; 150,5f. 465 Historia ecclesiastica tripartita VI 37 367 VIII 1 258 Institutiones divinar. et saecular. litterarum I4 464 I 15 40 I 17f. 446 I 19 91, 446 I 20 278, 446 I 21 164, 447, 464 I 22 446f. I 23 251 I 30 380, 382 I 32 179 II praef. 382 II 1 41, 380, 382, 397 II 2f. 392 De orthographia

380–382

Variae praef. I 45 IV 6 IV 22f.

227 447 57 133

557

2. Antike Quellen VIII 13 IX 21 X7

29 39, 53, 60, 397 300

Lucullus 80

118

De natura deorum I 12 87 I 22 86 I 42 203

35

De officiis II 5 III 10

449 411

Orator 5 15 21 23 29 57 79

439 322 343, 345, 395 46, 409 343, 345 339 236

De oratore I6 I8 I 16 I 21 I 32 I 42 I 54 II 27 III 13 III 14 III 15 III 20

48, 405 222 48 439 343 42 93 444 43 420 48 43

De re publica I 18 III 22

59 425

Cassius Dio LXVII 14 M. Porcius Cato Ad M. filium frg. 14

Chromatius von Aquileia Tractatus 16

336

Cicero Pro Archia poeta oratio 24 251 Brutus 11 21 49 56

260 58 343 58

Pro M. Caelio oratio 54 47 In Q. Caecilium oratio de divinatione 11 435 Cato maior VIII 26

209

Epistulae ad Atticum XII 53 186 Epistulae ad familiares II 4 186 VII 1 220 IX 21 186 Epistulae ad Quintum fratrem II 10 220 De inventione I1 I2 I5 II 19 II 40 II 41

60, 342 196 222 92 71 72

Laelius de amicitia 6,20 193

439

Pro T. Annio Milone oratio 53 410

Tusculanae disputationes I4 405 I 12 196 In Verrem V 45

233

Claudian Epithalamium de nuptiis Honorii 229–237 47 Panegyricus dictus Manlio Theodoro 140

558

Register

Claudianus Mamertus De statu animae praef.

225

Epistulae 2

225, 230, 391

Protrepticus IV 68,1

87

Stromata I 5,28–30 I 6,33f. I 6,35

482 477 481

Ps.-Clemens von Rom Epistula ad Corinthios 21,8 7f. 56,2–4 7 56,16 7 59,3 8 62,3 8 333 334 333 316 333f. 334

Coelestin von Rom Epistulae 11; 16

294, 299, 302 295, 299f. 298

Flavius Cresconius Corippus

Clemens von Alexandrien

Recognitiones I7 I 25 I 63 II 5 VIII 5 X 42

23 24 epilogus

199

Commodian Carmen apologeticum 583–604 125f. 607 91 613–616 126 Constantius von Lyon Vita Germani Antissiodorensis ep. ad Censur. 297 ep. ad Patient. 297 praef. 297f. 1 152, 300f., 337 12–18 298 14 299 19 300 22 150

Iohannidos praef.; 286–292 383 In laudem Iustini Augusti minoris II 11–29 383 IV 292–311 383 Cyprian von Karthago Ad Demetrianum 1 95 3 96 Ad Donatum 2 4 8 14

93, 209 96 84 92

Epistulae 8 27; 38 55 60 80

94 127 94 95 117

De bono patientiae 2 95 3 96 Ad Quirinum testimoniorum libri III 69 95 Damascius Vita Isidori frg. 111

41

Damasus von Rom Epigrammata 12 20

170 180

Didache 11,1f.; 15,1f.

7

Didymus von Alexandrien Comm. in Eccles. 257 Epistula ad Diognetum 6,1

137

559

2. Antike Quellen Diomedes Ars grammatica

30, 41f., 59

Instructionum libri praef. 285

403

De laude eremi 3 42

Donatus Ars grammatica

Ep. ad Munatium 436 Ennius Annalium frg.

170, 196

295 246, 285

Eugippius Vita Severini ep. ad Paschas. 250f.

Ennodius von Pavia

Eunapius

Carmina I3

213

Fragmenta historica ed. Blockley frg. 26 362

Dictiones 8 21

183 44

Vitae sophistarum VII 3 365 X8 362

Epistulae I 15 I 16 II 6 V9 V 10 VI 23 VIII 1 IX 9

339 442 312 57 481 57 214 312

Opuscula 2,49 6,17

241 46, 442

Vita Antonii 2f.

249

Vita Epifani 3 17 85

249 302 229

Epiphanius von Salamis Panarion seu adversus LXXX haereses 31,2,3 109 46,1,8 100 64,72,9 482 Eucherius von Lyon De contemptu mundi praef. 285 366–373 286 378–385 286 387–393 148, 286, 443f. 393–399 388, 443 408f. 286

Euseb von Caesarea Historia ecclesiastica II 2 69 III 18 118 IV 16 104 IV 18 98 V 13 100 VI 18f. 482 VII 10 117 VII 16f. 119 VIII 2 119 VIII 14 119 X7 151 X9 129 De martyribus Palaestinae 3 119 De vita Constantini II 44 141 IV 54 136 Evagrius von Antiochien Vita Antonii praef. 1 15 43 45f. 61

255 256 257 256 255 257

Facundus von Hermiane Pro defensione trium capitulorum IV 2 358, 445

560

Register

Faustus von Riez Epistulae 9

469

Ferrandus Diaconus Vita Fulgentii 1 11 12 14 26 27 29

41, 283 283 283 283f. 282 283 284

Ferreolus von Uzès Regula 11

315

Firmicus Maternus Mathesis IV praef. 1

241

Florus Vergilius orator an poetae 3,5 60 Gaudentius von Brescia Sermones 4; 8

143

Gelasius I. von Rom Contra Lupercalia 3 133 Epistulae 9

318

Aulus Gellius Noctes atticae XIII 31 XIII 17 XVI 8 XVIII 1

46 47 49 83

Gennadius von Marseille De viris illustribus 17 19 33 46 49

241 242 233 368, 440 164

68 70 80 84 86 99 100

320 285, 287, 294 367 229 227 374f. 291, 337

Gerontius Vita Melaniae iunioris 50. 53. 55 204 Gregor von Nazianz Carmen de vita sua 2,1,11 365 Epistulae 4 67 125

197 192 198

Orationes 4 5 21 24 43

357, 361, 363f. 364f. 258 90 365, 477, 482

Gregor von Nyssa De vita Moysis I 18

480

Gregor I. von Rom Dialogorum libri II prol. III 37

271 275

Registrum epistularum II 31 151, 319 IV 23 135 IV 26 151, 319 V 38 135 V 53a 308 VIII 4. 19 135 IX 205 135 XI 34 307f., 416 XI 36 336 XIII 14 308 Gregor von Tours Historia Francorum praef. 226, 327 I praef. 226, 410

561

2. Antike Quellen II 21 II 22 II 31 IV 12 IV 36 X 31

151 226 305 309 178 310, 401

Liber in gloria confessorum prol. 275, 401 74 305 108 148 Liber in gloria martyrum prol. 276 91 229 Libri de virtutibus Martini I praef. 274 I5 279, 329 II 1 275 Liber vitae patrum 2 6 7 9 14 17

274 183 284 272f. 272 258

Hermeneumata Pseudositheana – ed. Dionisotti – Einsidlensia – Leidensia – Stephani

30, 35, 37 30, 43 30 38, 43

Hieronymus Altercatio Luciferiani et Orthodoxi 1 241 11 319 Commentarius in Amos prophetam III praef. 458 Chronica omnimodae historiae praef. 461, 463 a. 88 56 a. 96 118 a. 258 90 a. 317 442 a. 336 47 a. 356 260 a. 362 352 a. 363 362 a. 377 240

Commentarius in Danielem prophetam prol. 234 Didymi de Spiritu sancto interpretatio prol. 210, 444, 456 Commentarius in Ecclesiasten 9,17 323 Commentarius in epistula Pauli ad Ephesios II 4,5f. 17ff. 311 III 5,20. 33 311 III 6,4 311 Epistulae 1 3 5 7 8 9 10 12 17 21 22 23 29 33 34 35 36 37 39 40 44 45 48 49 50 52 53 54 56 57 58

233 197, 240f. 194, 198 189 196, 198 192 259f. 333 207 210, 212, 310, 473– 475 187, 211f., 260, 315, 431, 461 149f., 158 186, 196, 210, 214, 222, 456, 460 210 339, 443 189, 222 186, 189, 213 305, 339 158 233 197 234 213 214, 234 32, 213 208f., 214, 218, 322, 332, 457 189, 194, 222, 457, 477 195, 222 243 6, 32, 234, 252, 255, 336, 456 164, 221f., 260, 339, 387, 442f.

562 61 66 70

71 72 76 77 78 82 84 85 105 107 108 112 115 116 117 119 120 121 125 127 128 129 130 132 133 134 147

Register 206 142, 149, 213, 234, 266 81, 90f., 339, 386, 416, 431, 442f., 448, 471, 475 197 197 192, 198 233 222 189 64, 214, 442 44, 212 209, 218 36, 261, 396 149, 189, 260 422f., 445 192 192, 242 460 241 150 222 206, 241f. 210 36 191, 234, 239 214, 236 242 189, 419 243 214

Commentarius in Ezechielem prophetam IV 16,13 455 X 33,23 324 XI 36,1–15 242 XIII 42 praef. 393 Commentarius in epistula Pauli ad Galatas praef. 393, 458 II praef. 460 II 11f. 421 III praef. 214, 325, 409, 431, 457f. Homiliae Origenis in Ezechielem praef. 434 Homiliae Origenis in ep. ad Romanos prol. 444

Contra Iohannem 2 3 8

Hierosolymitanum eps. 435 438 150, 158

Commentarius in Ieremiam prophetam V 34 319 Commentarius in Ionam prophetam 3 90, 468 Adversus Iovinianum II 6 373 Commentarius in Isaiam prophetam prol. 234 III 6,9f. 463 VIII prol. 459 X prol. 234 XVI praef. 209 XVI 58,6f. 242 XVII prol. 234 Tractatus in Marci euangelium 1,1–12 6 Commentarius in Matthaei euangelium 4,19 7, 335, 337 8,19 67 Commentarius in Oseam prophetam II prol. 444 II 10,1 109 III prol. 438 Adversus Pelagianos 1,14f. 438f. 1,27 213 3,17 439 3,19 238 Tractatus in librum Psalmorum I7 323 I 78 336, 430 I 81 122 I 86 327 I 118 326 I 143 316 II 82 430 Quaestiones hebraicae in Genesim praef. 44, 213, 363f., 435 Adversus Rufinum I1 I2 I 15 I 16

434 445 433 436

563

2. Antike Quellen I 17 I 30 I 31 II 10 II 14 II 19 II 22 II 27 III 6 III 11 III 14 III 21 III 32

407, 437 58, 240, 261, 386, 396, 432f., 437, 448 432 410 445 443 252 63 435f. 436 445 435 432

Adversus Vigilantium 4 206 De virginitate Mariae contra Helvidium 1. 2. 16 233 22 241 Commentarius in epistula Pauli ad Titum 1,12sqq. 246, 476f. De viris illustribus praef. 53 58 67 68 79 80 88 101 106 111 114 122 125 132

239, 358, 459 63f. 81 90 248 387 187, 373, 386, 460 264 393 239 141 252 150 233 239

Vita Hilarionis 1 2 3 22 24

251 263 264 265 264

Vita Malchi 1

262f., 313

Vita Pauli prol. 1

259 252

4 5 7 9

261 261 259 259

Vulgata Iob prol. Pent. prol.

206, 437 240

Commentarius in Zachariam prophetam III praef. 409 Hilarius von Arles Vita Honorati 1 2 3 4 9 10 12 13 22 26 28 37

286 288 288 253, 285 286, 288 288 246, 288 288 289 289 288 290

Hilarius von Poitiers Commentarii in Matthaeum 5,1 63 Tractatus super Psalmos 13,1 338f. Hippolyt Commentarius in Danielem prophetam I7 111 I 18 111 III 10 7 IV 18 119 IV 19 112 IV 20 112 Refutatio omnium haeresium I prooem. 109 IV 45 111 V 8. 23 110f. VI 29. 37 109 VI 42 108 VII 13. 19 110 VIII 18 124 IX 6. 7. 11. 12 124 X5 112

564

Register

Hirt des Hermas Similitudines IV 1,1f.

97

Homer Ilias I 247–249 I 599 IX 312f. XVIII 485

209 105 110 65

Odyssee VIII 326 XII 44–178 XII 73–92 XII 166–200

105 110 415 211

II 26 II 27 III 4 III 15 III 25 IV 33

113 113 108 109 112 110

Isidor von Pelusium Epistulae 2

477

Isidor von Sevilla Originum sive Etymologiarum libri II 2 293

Horaz

Sententiarum libri III 13 309, 325 III 56 241

De arte poetica epistula 131 364

De viris illustribus 25 375

Carmina III 3,7f.

311

Johannes von Antiochien

Epistulae I2 I3 II 1

261, 396, 432 444 27, 226

Oden I 22

178

Hydatius Chronicon a. 424 a. 443

149 176

Fragmenta ex historia chronica frg. 280 Rob. 161, 389 Johannes Chrysostomus Adversus oppugnatores vitae monasticae 3 41, 397 Epistulae 178 232

192 192

Homiliae in acta Apostolorum 3 323

Ignatius von Antiochien

Homiliae in Johannem 3. 11 321

Epistula ad Magnesios 8,1 7

Homiliae de statuis 12 477

Innocenz I. von Rom

De sacerdotio IV 5

Epistulae 2 12 14 20

151 151 195 197

Irenäus von Lyon Adversus haereses I praef. 113 I 28 100 II 14 110, 112

318

Julianus imperator Contra Galilaeos ed. Masaracchia frg. 55. 57 357 frg. 58 358 Epistulae 61c 90

8, 354–356 358

Julian von Eclanum Ad Florum

439f.

565

2. Antike Quellen Julianus Pomerius De vita contemplativa I 23. 24 322f. Julius Victor Ars rhetorica

187, 197

Justinus Martyr Apologiae I1 I2 I4 I5 I7 I 12 I 20 I 23 I 44 I 54 I 60. II 2 II 10

101 101 101 101 101 101 101 102 102 103 103 101, 115 97

VI 4 VI 8 VI 18 VI 21 VI 24

414 425 241, 425 461 411

Divinarum institutionum epitome 3 413 11 413 25 413 28f. 449 Epistolarum libri ad Probum frg. 1 460 De mortibus persecutorum 1 129 13 119 22 359 De opificio Dei 1 20

425 44, 425–427

Leo I. von Rom

Dialogus cum Tryphone 2 102 3 102 8 102 35 108 55 102 58 102

Epistulae 119 164

321 455

Tractatus 29; 37; 62 85

332 455

Juvenal

Epistulae 406 1203 Orationes II 43f. XIII 1 XVIII 157f. XVIII 160

Saturae VII X

44, 53, 56 241

Laktanz Divinae institutiones I1 424, 426 I 5. 13. 19 411 II 4 411 II 11 425 III 1 423, 462 III 13 405, 425f., 449 III 25 28, 388 V1 82, 91, 424, 427f. V2 336, 386, 427 V4 91 V8 425 VI 1 425 VI 3 454

Libanius 30 257 360 361 354 360

Lib. pontificalis 151, 179 Lucifer von Calaris Moriendum esse pro dei filio 11 428 Lukian von Samosata Vitarum auctio 11

99

De morte Peregrini 13 99

566

Register

Lucrez De rerum natura libri I 936–938 419 VI 1074–1077 396, 432 Macrobius Saturnalia I1 I2 I5 I 11 I 17 I 17–23 III 14

160 150 410 140, 160 140, 160, 286 154 39, 174

Martial Epigrammata V 84

370

Martianus Capella III 230 IX 899 IX 998 IX 999

41 29 47 241

Ps.-Martyrius von Antiochien Oratio funebris in laudem Ioh. Chrysostomi 510 Maximus von Turin Sermones 26 61c 107

136 143 134

Maximus Victorinus De ratione metrorum p. 188,7f. 42

411 87f. 87f. 122 118 84 89 82

Novatian De spectaculis 2,3f. 5,2 6,2

84 84 84

De trinitate 29,17

84

Optat von Mileve Contra Parmenianum Donatistam II 17 363 Origenes Contra Celsum I 27 I 62 III 44 III 55 VI 14. 23 VIII 47 VIII 75

358 336, 358 358 358 358 7, 337 137

Epistula ad Gregorium Thaumaturgum 1 482 Homiliae in Numeros 27,13 36 Commentarii in Romanos 9,2 327 Orosius

Minucius Felix Octavius 5 6 8 9 12 13 14 15 16

19 20 23 31 36 37 38 39

82f. 83 84 84 84f. 86 85f. 85 86, 88f.

Historia adversus paganos I 18 30 IV 13 379 VII 10 379 VII 30 361 VII 35 144, 164 VII 42 238 Ovid Epistulae

188

Tristia

174

567

2. Antike Quellen Pacuvius Tragoediarum fragmenta frg. XIV 177 46, 442 Palladius von Hellenopolis Historia lausiaca 46 62

241 234, 237

Palladius von Rathiaria Contra Ambrosium 56 415 Panegyrici latini III (X) 4 IX (IV) 8 IX (IV) 10 IX (IV) 14

359 60 45 54

Passio Marculi 2; 12

248f.

Passio Perpetuae et Felicitatis 2 13

47, 115, 248 115

Paulinus von Mailand Vita Ambrosii 1 2. 3. 4 5 15 19 21 26 27 55

267, 276f. 277 148, 278, 300 151, 278 280 148 156, 163 162 279

Paulinus von Nola Carmina 10 11 20 21 22

146–148 145f. 217 151 212, 217, 389

Epistulae 1 2 3 4

215, 222 200, 216 240, 243 192, 195, 200

5 6 7 8 11 12 13 16 19 20 21 22 23 26 27 28 32 33 37 38 39 40 41 44 45 51

146, 199, 241 191, 195, 200, 210 207, 243 32, 203f., 208 193f., 200, 270 216 191, 195, 199f., 237 211, 214–217, 471 200 198–200 191 207f. 199f. 146 198 164, 191, 388, 444 243 199 191, 200 211 191 194, 444 223 199 200 194, 285

Ps.-Paulinus von Nola Carmen 32

158, 237

Paulinus von Pella Eucharisticos

32, 41

Paulinus von Périgueux Vita Martini III 416f.; IV 12 270 Pelagius Expositio in Ephesios 6,4 311 Petrus Chrysologus Sermones 43

326

Philon von Alexandrien De Cherubim I3

47

De congressu 14

482

568

Register

Philostorgius

Possidius

Historia ecclesiastica XI 2 161

Vita Augustini praef. 1 2 5 18 22–27 24 30 Priscian

Phocas Ars de nomine et verbo 380f. Vita Vergilii

380

Platon

282 31, 50, 281 281 281, 337, 375 280 282 173 280

Nomoi II 654a

47

Phaidon 89d3–89e3

Carmen de laude Anastasii imperatoris 382

86

Symposion 177d4 198c–199b

434 86

Timaios 28c3–5

Institutiones grammaticae VI 51 382 X 23 380 XVIII 56 382 XVIII 232 197

87

Plautus Aulularia Curculio

Praeexercitamina 7

92

207

Prosper Tiro von Aquitanien

222

Epit. chronicorum 298

Plinius maior Naturalis historia XIII 11 196 Plinius minor Epistularum libri X I 10 58 I 11 186 X 96 118 X 97 130 Pompeius Commentum artis Donati 28, 380 Pontius Diaconus Vita et passio Cypriani 1 248 2 92, 252, 466 6 253 10 92 14 92, 117 Porphyrius Contra Christianos 6, 122

Liber contra collatorem 13,5 241 Prudentius Contra Symmachum I 506–590 163 I 552f. 141 I 558–650 148 II 816–819 222f. Hamartigeniae 401

241

Liber peristephanon 9,13–16 370 13,1–20 91 Praefatio operum 7–9

32

Quintilian Institutio oratoria I praef. 9 I1 I2 I4 I6 I8

35, 47 36, 38, 396 33 33, 36, 41f. 39f. 42, 58

569

2. Antike Quellen I9 I 10 I 12 II 1 II 2 II 5 II 7 II 17 III 1 III 3 III 5 III 7 V 10 VII 6–9 VIII prooem. VIII 3 IX 4 XI 1 XI 3 XII 1 XII 2 XII 9 XII 10 XII 12

42 47 442 398 33 40, 59 46 344 419 321 343 92, 277 252 71 342f. 429 236 96, 339 343 35, 421 60, 83 241 266, 343, 345 35

Quodvultdeus Sermo 1

315

Regula Basilii 7,5f.

271 271 315 271

Regula Pachomii 139f.

270f.

Regula quattuor patrum 4,17

245

Regula monasterii Tarnatensis 9

373 434 206, 374 374

Historia ecclesiastica VII 32 314 X 15 258 X 33 352, 366 XI 9 365 XI 15f. 278 XI 33 163f. Origenis libri de principiis praef. 434 Ruricius von Limoges Epistulae I3 I4 I 17 II 10 II 18; 38

230 210 374 374 210

Sallust De bello Iugurthino 2 96 De coniuratione Catilinae 1 268, 311 3 205, 251 8 251 Historiarum fragmenta ed. Maurenbrecher frg. IV 54 241

Regula Benedicti 48,15 48,23 58,19f.

II 11 II 16 II 33 II 46

315

Rufin von Aquileia Apologia adversus Hieronymum I 11 237 I 26–28 444 II 7 432 II 9–11 241

Salvian von Marseille Epistulae 1; 8

285

De gubernatione Dei 3,10 138 7,68 29 8,2f. 133 Scriptores Historiae Augustae Antoninus Pius 11,3

55

Marcus Aurelius philosophus 2,2–4 29 Sedulius Epistulae 1

416, 469

570

Register

Seneca philosophus De beneficiis 4,6 5,13

76 58

Epistulae morales ad Lucilium 16 93 40 93f. 45 213 75 96 88 41, 405 95 39 106 58, 405 De ira II 10

69

Seneca rhetor Controversiae I praef.

35

Sergius Expl. in Donatum 41 Sidonius Apollinaris Carmina 2 8 9 14 22 23 24 Epistulae I1 I6 I9 II 2 II 3 II 9 II 10 III 1 III 8 III 12 IV 1 IV 2 IV 3 IV 7 IV 11 IV 14 IV 17

44 228 44, 176, 225, 227f. 228 49 32 227, 237, 372 188, 213, 226, 229 57 207 372 227 458 225, 229 227 225 149 227f. 227, 229 229, 388, 443 118 230, 336 229 59, 221, 223, 228

IV 19 IV 21 IV 22 V2 V7 V8 V9 V 10 V 17 VII 2 VII 5 VII 9 VII 14 VIII 2 VIII 3 VIII 4 VIII 6 VIII 11 VIII 16 IX 3 IX 7 IX 9 IX 11 IX 12 IX 13 IX 15 IX 16

185, 227 59 221, 229f. 42, 49, 225 225 229 227 44, 228, 230, 390f. 213 210 391 313, 391, 410 196, 228 60, 215, 230, 373, 410 229 208 225 211, 230, 390 211, 225f. 211 228 211, 476 390 312 229, 390 213, 227, 230 229

Siricius von Rom Capitula 16

318

Epistulae 5

151

Socrates Scholasticus Historia ecclesiastica III 12 364 III 16 363 III 23 365 V8 301 V 25 161, 164, 389 Solon Fragmenta ed. West frg. 18 105 Sozomenos Historia ecclesiastica I8 141 V 11 278

571

2. Antike Quellen V 18 VI 23 VI 30 VII 8 VII 22 VII 24 IX 9

363, 367 179 258 301 161, 164 164 142

Sueton Caesar 1

277 277

De grammaticis 4 23

58 53

Divus Vespasianus 18 56 Vita Vergilii 22

409

Sulpicius Severus Chronicorum libri II praef. 2 58 II 46 150, 316 II 47 150 Dialogorum libri II I7 242 I8 242, 445 I 17 259 I 23 269 I 27 269, 339, 456 II 2 145 II 14 242 Epistulae 2 Vita S. Martini praef. 1 2 12–15 13 15 19 25 26 27

248 249f. 267f., 291 268, 287 132 135 135 290 58, 148, 151, 250, 268, 337 251, 291 269

Symmachus Epistulae I 14 I 20 I 51 II 12 II 35 II 48 III 61 V 35 V 71 VII 9 VII 21 VII 129 VIII 69 IX 84; 114

146 61, 200 159 186 185 186 161 53 198 186, 197 197 192 187 197

Relationes III XXI

152–154, 159 158

Tacitus Agricola

359

dial. de oratoribus 44 Tatian Oratio ad Graecos 1 105f. 8 105 12 104, 107 14 108 18 104 19 107 22 106 25 104, 106 26 106, 111 27 104 29 107 31 105 32 107 35 104f. 42 104 Terenz Adelphoe

207

Andria

194, 249, 251, 364, 450

Eunuchus

207, 364, 444

Heautontimorumenos 197

572

Register

Tertullian Adversus nationes I7 II 1. 7 II 9 II 13 II 17

De cultu feminarum II 9 114 76 75 77 76 76

Adversus Marcionem V 19 74 Adversus Praxean 3 76 11; 13 72 Adversus Valentinianos 2 76 4 109 5 80, 123 8 45, 64, 367 Apologeticum 2. 4. 6 7 11 14 16 17 18 19 21 25 37 42 46 47

70 75 71 74 77 76 69 78, 80 74 76f. 78 78 73, 87, 94 78

De anima 1 2 3 20 23 46

75 75f. 5, 336 76 74 77

De baptismo 18

69

De carne Christi 5

6, 66

De corona 2 7. 8 13

66 79 65f.

De idololatria 9 10 12 14 15

67 36, 65–68 68 69 79

De monogamia 11

71

De pallio 1 2 3 4 6

77f. 78 64 74 28, 51, 74

De praescriptione haereticorum 6 73 7 66, 73f. 14 66, 71, 75 25 71f. 30 108 38 110 39 110 41 76 43 73 De pudicitia 9

72

De resurrectione mortuorum 2 76 5 72, 76 30 94 Ad Scapulam 3 4 5

118 117 118

Scorpiace 1

76

De spectaculis 5 9 15 17 29

79 77 79 74 80

De testimonio animae 1 66, 75f. 5,4 76

573

2. Antike Quellen Theodoret von Cyrus Affectionum Graecorum curatio I 125 477 IX 69 333 Historia ecclesiastica III 8 364 IV 9 151 IV 18 374 V8 301 V 24 164 Turpilius Comoediarum fragmenta ed. Ribbeck frg. 1 196 Uranius Epistula de obitu Paulini 9 151 Varro Grammaticae libri frg. 92 398 frg. 107 14 frg. 236 42 Venantius Fortunatus Vita Albini 4

276

Vita Hilarii Pictaviensis XIV 51 305 Vita Martini praef. II

270, 274 270

Vergil Aeneis I 20–22 I 38 I 212 I 249 I 279 I 539–541 I 715 I 743 II 650 II 659 III 17 III 319f. III 415

77 404 399 371 77 207 399 88 259 414 168 203 77

III 424–432 III 439 IV 174 IV 369f. VI 55 VI 83 VI 129f. VI 377 VI 429 VI 540–543 VI 566–569 VI 663 VI 672 VI 719–751 VI 721–724 VI 724–729 VI 730. 743 VI 878 VII 44 VII 325f. VII 417 VII 772f. VIII 660f. X 152. 163 X 875

415 207 76 170 170 369 76 170 169 414 411 411 259 170 311 88, 411 415 178 212 207 208 411 460 169 411

Bucolica IX 51–54

208

Eclogae II 65 III 104–107 IV 13f. VI 66 IX 51

202 411 205 146 218

Georgica I 125–128 II 84 II 538 III 53 III 113 III 513f. IV 110f. IV 221–223

76 208 411 208 77 400 411 88, 311

Verus von Orange Vita Eutropii

298

Vigilius von Thapsus Contra Eutychetem I 15 429

574

Register

Marius Victorinus Explanationes in rhetoricam Ciceronis 1,1 394 Scripta ad grammaticam pertinentia 41 Vita Caesarii Arelatensis I2 I3 I9 I 10 I 19 II 1

303 304 304, 374 285 326 303

Vita Caprasii 1–3

245f.

15 23

295, 388 388

Vita Lupi Trecensis 1 2 4

285, 296, 390 296 298f.

Vita Nicetii prima 17

178

Vita Pachomii

262

Vitruv De architectura I 1,12 VI praef. 4

47 49

Vita Consortiae 285

Zeno von Verona

Vita vel passio Desiderii

Tractatus libri II I2 I 25 I 35 I 38 II 1

2

308

Vita Eugendi 4

272

Vita Hilarii Arelatensis 1 2 4 6 7 14

291 291f., 296 292 293 292 286, 293–295, 337

414f. 143 144 143 143, 331

Zosimus Nea historia IV 36 IV 54 IV 59 V 41 V 46

157 161, 389 163 142 140

b) Rechtsquellen Breviarium Hipponense can. 1 318 Canones Hippolyti can. 69f.

350

Codex Iustinianus I 5,12 I 5,18 I 11,10 X 53,2 X 53,6 X 53,7 XI 18[19]

382 381f., 510 382 55 51 352, 367 57

Codex Theodosianus VI 21,1 XII 1,112 XII 1,157 XIII 3,5 XIII 3,6 XIII 3,11 XIII 3,16. 18 XIII 4,1 XIV 1,1 XIV 9,1 XVI 1,2 XVI 2,2 XVI 5,42

386 130 135 352 361 53, 56 55 50 60 52 135 151 135, 143

575

2. Antike Quellen XVI 5,52 XVI 5,54 XVI 5,63 XVI 7,5 XVI 9,3 XVI 10,5 XVI 10,12 XVI 10,16 XVI 10,19 XVI 10,20 XVI 10,21 XVI 10,22 XVI 10,24

135, 138 138 135 143 57 365 162 135 135 152 140, 143 131 131

Concilium Arelatense a. 452 can. 23

134

Decretum Gelasianum V 7,2

64, 388

Decretum Gratiani I 86,5

308

Didascalia III 2–18 IX 20–23

316f. 317

Digesta Iustiniani 1,9,8 27,1,6 50,5,2 50,13,1

115 55f. 53 51, 53

Concilium Carthaginense a. 411

Diocletiani edictum de pretium rerum venalium

I 133

VII 66. 70f.

317

Concilium Ephesinum a. 431 317 Concilium Illiberitanum a. 306 can. 2; 4 can. 41 can. 55f.

130 134 130

Concilium Nicaenum II a. 787 can. 2

318

Concilium Romanum a. 465 can. 3 315 Concilium Serdicense a. 342/43 can. 10; 14

314

29, 384

Novellae Iustiniani 6,1,6 123,1

314 314

Novellae Theodosii II III 6f.

140

Sententiae LXXXVII episcoporum 8

96

Statuta ecclesiae antiqua prol. can. 5 can. 45 can. 100

314 316 314 320

Constitutiones Apostolorum

Traditio apostolica

I 5. 6 II 1 VIII 32

15 16

317 317 350

121 68, 134

c) Inschriften Inschriften werden, um Doppelungen zu vermeiden, nach den im Text genannten Teilsammlungen (ILCV, ICUR, ILS) aufgeführt, ansonsten nach CIL. Corpus Inscriptionum Latinarum II 2892 VI 1779

56 140, 160

VI 9566 VI 10009 VI 32957

67 368 167

576 VIII 2409 VIII 1726 IX 292 XII 1524 XIII 1393 XIV 482 XIV 875

Register 60 237 168 239 60 36 166

Die Inschriften Julians ed. Conti Nr. 26 353 Nr. 167 354 Inscriptiones Christianae Urbis Romae (Nova Series) II 461 II 4102 II 4219a II 5129 VII 18338 VIII 23413 IX 25966

384 141 278 368 168 371 169

Inscriptiones Latinae Christianae Veteres 56 63 64 87 102 103 104 105 126 149 207 210 223 243 246 298 388 389A/B 614 705A 710 711 717 718

119 143, 148 175 178f. 385 173f. 392 176 130 184 175 168 168 176 174 172 130 130 120 120 120 168 370 368

719 720 721–724 725 726 727 728 729 733–735 738 739 740 742 746 754f. 885 953–961 967 992 1024 1046 1062b 1090 1073 1117 1307 1590 1595 2206 2345 3332 3393 3433 3482 3707 3778 4341

370 120 368 372 371 169 175f. 176, 371 367 167 170 168 169 173 369 176f. 180 181 177 182 182f. 296 182 178 178 173, 176 177 182 368 369 121 369 171 236 368 172 171

Inscriptiones Latinae Selectae 1262 1265 1347 2946 2948 2950 3132 7761

166 166 368 158 158f., 239 175 133 50

3. Antike Personen

577

3. Antike Personen Aberkios 121 Accius 76 Acholius von Thessalonike 231 Adelphius, rhetor 390 Aeonius von Arles 285 Äsop 444, 456 Aëtius 175 Agnellus von Ravenna 183 Agroecius von Sens 228, 391 Albinus 83 Alcimus Alethius 230, 389 Alexander (Concordia) 168 Alexander (Rom) 168 Alexander (Toulouse) 241 Alexander Severus, Ks. 122 Algasia 235 Faltonius Probus Alypius 231 Alypius von Thagaste 46, 151, 240, 243 Ambrosiaster 429 Ambrosius von Mailand 2, 16, 21, 23, 105, 131, 143, 148, 151, 153–157, 161f., 187f., 196, 218–222, 224, 226, 231f., 243f., 254, 258, 267, 277–279, 286, 301, 324, 328f., 331, 365, 377, 415f., 419, 441, 443–446, 472f., 491, 493, 497, 501–503 Ampelius 121 Anastasius, grammaticus 373 Anastasius I., Ks. 381 Andrea, orator 384 Andreas von Formia 182 Anicet von Rom 108 Anonymus (Vita Antonii) 254–256 Antimio, nutritor et papas 369 Antoninus Pius 54f., 101 Antonius 255–266, 269, 271, 505 Flavius Claudius Antonius 231 Anysius von Thessalonike 231 Apollinaris, PPO Galliarum 149 Apollinaris von Laodicea (Vater) 363, 392 Apollinaris von Laodicea (Sohn) 363, 367, 392, 431, 436 Apollonius 174 Apphianus 119 Apringius 238, 240

Minucius Apronianus 130 Apuleius von Madaura 28, 30f., 50, 59, 67, 83, 263, 440 Arbogast, magister militum 161, 389 Arbogastes, comes Trevirorum 228 Aristarchos 437 Aristophanes 105 Aristoteles 319, 396, 438, 440, 458 Arnobius von Sicca 23, 119f., 125, 127, 144, 387f., 401f., 459, 490, 496f. Asella 235, 252 Asper 436 Astius Mustellus 130 Astius Vindicianus 130 Astyrius 119 Athalarich 59 Athanasius von Alexandrien 232, 254, 256, 258, 262, 264, 267, 276, 290 Athenagoras von Athen 9 Nonius Atticus Maximus 148, 188, 231 Augustin 10, 12–16, 19, 21, 25f., 28, 31–33, 36, 41, 43f., 46, 48–50, 52, 63, 87, 90f., 126, 132–134, 136f., 140, 143, 145, 151, 182, 187, 189f., 192f., 195, 197–199, 201–206, 210, 223f., 232, 237–239, 242–244, 246, 254, 267, 276, 279–282, 284, 290, 315, 318, 321, 323–325, 328–337, 340–349, 366, 375–379, 383f., 388, 392–395, 398–401, 403–415, 417– 423, 428, 430, 439–443, 445–448, 450–456, 458, 461–463, 465–468, 470–473, 476–485, 487, 490–493, 495, 497–499, 501f., 505–507, 509 Aurelian von Arles 315 Aurelius, lector 127 Decimus Magnus Ausonius 28, 30, 40, 54, 61, 139, 143–148, 150, 188, 201, 208, 217, 230, 373, 375, 490, 495f. Auxiliaris 295, 299 Avienus 410 Avitus von Vienne 183, 188, 218, 224, 337, 339, 391, 496

578 Babylas 510 Basilides 110 Basilius von Caesarea 26, 180, 286, 290, 317, 364f., 367, 443, 509 Anicius Auchenius Bassus 140, 166 Iunius Bassus 139 Beda Venerabilis 510 Benedikt von Nursia 271, 493 Blaesianus Biturix, grammaticus 60 Blesilla 235 Anicius Manlius Severinus Boethius 214, 447 Boetius 172 Bonifatius, grammaticus 371f. Bonifatius I. von Rom 190 Bonifatius III. von Rom 177 Bonosus 240f. Appius Claudius Caecus 241 C. Julius Caesar 223 Caesarius von Arles 26, 132, 135f., 285, 302–305, 315, 321f., 325–328, 330, 332f., 374, 416f., 493, 497f., 506 Caiumas von Phainus 317 Calbulus, grammaticus 372 Claudius Callistus 172 Flavius Caper, grammaticus 391 Caprasius 244–246 Caracalla, Ks. 55 Johannes Cassian 285, 289, 396 Cassianus, magister litterarum 370, 393, 499, 510 Cassiodor 23, 26, 38f., 41, 50, 91, 179, 367, 380–383, 388, 397, 446– 448, 464f., 487, 493, 503, 508 Castorius 171 Cato 35, 76, 209, 214, 266, 348 Celsus 6, 358, 459 Censorinus, grammaticus 380 Censurius von Auxerre 297 Chromatius von Aquileia 220, 336 Cicero 4, 23, 30, 35, 38f., 41, 43–50, 57, 59, 71f., 81–83, 87, 93, 125f., 186, 193f., 203, 212–215, 218–221, 223, 241, 260, 290, 338, 340, 342– 345, 348, 392, 409, 411, 420f., 423, 425, 428, 431–433, 435f., 438f., 442, 448–450, 457, 459f., 463f., 506 Citherius, rhetor 384

Register Clamosus, magister puerorum 369f. Classicianus 238 Claudian 40, 140, 143f., 270 Clemens von Alexandrien 26, 87, 96, 290, 481, 509 (Ps.-) Clemens von Rom 286, 333f. Commodian 125f. Commodus, Ks. 121f. Concordius von Arles 178 Consentius (bei Augustin) 200 Consentius (bei Sidonius Apoll.) 32 Constantius (Ligurien) 174 Constantius von Lyon 211, 226, 229, 294, 297–302, 497 Flavius Cresconius Corippus, grammaticus 383 Coritus, magister 369 Cornelius von Rom 124 Crescens von Cirta 96 Cresconius, grammaticus 341f., 399– 401, 410, 462 Crispina 119 Crispinianus, grammaticus 371 Cyprian von Karthago 23, 25, 81, 84, 87, 89–96, 115–117, 120, 125, 127, 209, 248, 252f., 276, 286, 290, 335, 388, 441f., 446, 459, 466–470, 479, 490, 494, 496, 502, 504 Dalmatius (Vater und Sohn) 169f. Damascius 41 Damasus I. von Rom 138, 156, 158, 160, 179–181, 188f., 210, 222, 234, 239, 254, 310, 319, 434, 473, 476, 501 C. Postumus Dardanus 139, 191, 234, 238 Decius, Ks. 117, 261 Delphinus von Bordeaux 231, 243 Demetrias 149, 235f. Demetrius von Alexandrien 124 Demosthenes 4, 23, 40, 214, 355, 373, 457, 460 Desiderius (Rom) 240 Desiderius von Vienne 183, 307f., 319, 374, 416, 475, 508 Deuterius, grammaticus 371 Dexter 139, 239 Didymus von Alexandrien 7, 23, 210, 241, 436, 444

3. Antike Personen Diocletian, Ks. 29, 31, 37, 53, 56, 119, 138, 373, 384, 386, 495 Diodor von Tarsus 358 Diomedes, grammaticus 59, 380, 382 Silvius Dorotheus Diomedes 175 Dionysius von Alexandrien 117 Dionysius Thrax 48 Dioscorus 239 Domitian, Ks. 118, 359 Domitius, grammaticus 372 Domnio 206, 240 Donatus, proconsul 238 Aelius Donatus, grammaticus 43f., 54, 309, 379–381, 392, 436 Donatus von Karthago 467f. Dracontius 383, 389 Edesius, rhetor 295, 388 Eleutherus von Rom 108f. Elias von Hadrianopel 317 Endelechius, rhetor 143, 388f. Ennius 76, 170 Ennodius von Pavia 16, 182f., 188, 244, 249, 297, 302, 311f., 442, 481, 496 Epikur 448 Epimenides 476 Epiphanius von Pavia 249, 302 Epiphanius von Salamis 25, 251f., 263, 510 Euanthius 145 Eucherius von Lyon 225, 228, 236, 246, 285f., 289f., 295f., 391, 442f. Euchrotia 150 Eugendus 272 Eugenius, rhetor 25, 144, 154, 158, 161–164, 389 Eugippius 250f., 297 Eumenius, rhetor 45, 54, 60 Eunapius 362 Eurich 229, 390 Euripides 4 Euseb von Caesarea 26, 119, 129, 240, 431, 443 Eustochium 187, 212, 235, 431, 439, 457 Evagrius von Antiochien 232, 250, 254–258, 290 Evagrius Ponticus 290 Exsuperius von Tours 409

579

Fabiola 199, 236 Facundus von Hermiane 358, 445f. Faustinus, magister 368 Anicius Faustus 141 Faustus von Mileve 50, 329f., 376, 399 Faustus von Riez 210, 285, 469, 476 Felicitas 248 Felix, magister puerorum 370 Felix von Rom 94 Ferrandus 282f. Firminus 140 Firmus 341 Flavia Domitilla 118 Nicomachius Flavianus 162 Virius Nicomachius Flavianus 157f., 162–164, 185, 232, 239 Flavius, grammaticus 373 Flavius Kollouthos 57 Flora 236 Florianus 442 Floridus 178f. Flavius Fortunatus, magister ludi 370 Fronto, rhetor 84, 229, 241 Fulgentius von Ruspe 41, 282–284, 493, 497, 501 Gabinianus 459 Galerius, Ks. 130, 359 Gallio 459 Gallus 269, 339 Gaudentius von Brescia 143 Gelasius I. von Rom 21, 133, 319 Aulus Gellius 46f., 50, 83 Valurius Geminius, rhetor 385 Generidus 143 Gennadius von Marseille 294, 337, 374 Germanus von Auxerre 150, 152, 226, 294, 296–302, 337, 492 Gerontia 171 Aurelius Gerontius, magister (?) 368 Geruchia 235 Gordian, Ks. 55 Gorgonus, magister primus 120 Gratian, Ks. 53f., 56, 131, 138–140, 152, 157, 162f., 373 Gregor von Nazianz 26, 258, 286, 301, 351, 357, 361, 363–365, 367, 441, 443, 482, 509

580 Gregor von Nyssa 26, 254, 290, 509 Gregor I. von Rom 21, 26, 135, 172, 183, 271, 275, 307–309, 315, 319, 374, 383, 416, 421, 475, 487, 493, 503 Gregor Thaumaturgus 87, 286, 509 Gregor von Tours 23, 26, 135, 226, 246, 270, 272–276, 279, 305, 309, 326, 329, 401, 410, 417, 487, 494, 496, 498, 501, 503 Hedybia 150, 235 Heliodor 208 Helpidius 150 Helvidius 233 Heraclius 175 Heraklides Ponticus 49 Herillos 449 Herodot 76, 355 Hesiod 355 Hesperius 230 Hierius 376 Hieronymus 10, 14, 16, 23, 26, 58, 63f., 90, 109, 149f., 158, 164, 180, 187–189, 191f., 194–198, 201, 206, 208–210, 212f., 221f., 224, 232– 244, 248–252, 254, 258–267, 270f., 273, 276, 284, 290, 304, 310f., 319, 322–328, 335f., 339, 352, 362–364, 373f., 379, 383, 386, 392, 394, 396, 409f., 416, 421f., 430–439, 442– 445, 447f., 455–461, 468, 471, 473– 477, 485, 487, 491–493, 495, 497, 501f., 507, 509 Hilarion 251f., 263–265 Hilarius von Arles 246, 253, 284f., 286–296, 298, 302, 306, 337f., 388, 492f., 497, 510 Hilarius von Poitiers 44, 63, 286, 305, 332, 338f., 346, 441–444, 446, 459, 479f., 497 Hilarus von Rom 315 Maecilius Hilas, nutritor 369 Hippokrates 40 Hippolyt 25, 98, 108–115, 123, 350, 489, 496f., 504 Homer 4, 40, 76, 105, 110, 213, 230, 251, 282, 291, 355, 437

Register Honoratus von Arles 243, 245, 253, 284, 287–293, 296, 306, 337, 493, 497 Honoratus von Marseille 291, 302 Horaz 144, 261, 311, 431f., 436, 458 Hydatius 149, 175 Hyginus, grammaticus 372 Hyginus von Rom 108 Aurelius Ianuarius, magister (?) 368 Flavius Ianuarius 142 Innocenz (Vercelli) 258 Innocenz I. von Rom 142, 194, 254 Irenäus (bei Ambrosius) 231 Irenäus von Lyon 25, 108–110, 112f. Italica 236 Isidor von Sevilla 50, 308f., 325, 380, 383 Isidorus iunior 383f. Isokrates 355 Ps.-Isokrates 477 Iucundus, grammaticus 54 M. Virrius Flavius Iugurtha 60 Jacobus de Voragine 370 Johannes, grammaticus 213, 230, 372, 410 Johannes Chrysostomus 321, 324, 362, 397, 442f., 509f. Johannes von Jerusalem 434f., 438 Johannes von Tarragona 182 Jovian, Ks. 361 Jovianus, nutritor et papas 369 Jovinian 240 Jovius 211f., 214–217, 471, 502 Julian, Ks. 9, 22, 25, 55, 152, 336, 351–367, 381, 387, 392f., 395, 430, 459, 470, 489, 491, 497, 499, 503 Julian von Eclanum 190, 236, 368, 439–441 Julian von Toledo 383 Juliana 236 Anicius Julianus 141 Julianus Pomerius 304, 312, 322f., 337, 374f. Julius Africanus 122 Julius Honorius 130 Justin, Gnostiker 111

3. Antike Personen Justin, Märtyrer 9, 14, 19, 25, 97–104, 106, 108, 112, 115, 123, 217, 489, 496, 504 Justin II., Ks. 383 Justinian, Ks. 27, 131, 135, 314, 381 Justus von Lyon 231 Juvencus 40, 389, 416 Juventinus 362 Kallimachos 476 Kallist von Rom 98, 114, 124 Kerinth 480 Konstantin I., Ks. 51, 129f., 138, 157, 264, 386, 442, 491 Konstantius I., Ks. 54 Konstantius II., Ks. 140, 152, 264, 354, 379, 392, 428 Kyrill von Alexandrien 351 Laeta 36, 261, 396, 433 Laktanz 10, 23, 26, 49, 28, 81, 89, 91f., 96, 125, 129, 141, 187, 331, 336, 359, 373, 386–388, 405, 411, 413, 423–428, 430, 442f., 448f., 453, 459–463, 479, 490, 496, 506 Lampridius 211, 390 Largus 238 Lartidianus 407 Latronianus 150 Laurentius 455 Leo, rhetor 228 Leo I. von Rom 141, 319, 321, 332, 454f. Leon, Ks. 454 Leontius, grammaticus 54 Libanius 57, 185, 351, 354, 360f. Liberalis 119 Liberius von Rom 179, 181 Licentius 32, 203f., 207, 237, 239, 405, 483 Licinius, Ks. 129 Livius, poeta 295 Longinianus 239 Lucan 40, 436 Lucifer von Calaris 26, 428 Lucius Verus, Ks. 101 Lukrez 76, 424, 430, 436 Lupus von Périgueux 230, 390 Lupus von Troyes 228, 285, 296, 298f., 390 Luxurius 30

581

Lysias 355 Macarius 237 Macrobius 22, 143, 154, 160, 174, 477 Flavius Magnus, rhetor 173f., 177, 240, 385f., 389, 416, 431, 448, 476, 492, 495 Maiorian, Ks. 390 Makrina 509 Claudianus Mamertinus 351, 359f. Claudianus Mamertus 225, 229f., 337, 391, 443 Marc Aurel, Ks. 101 Marcella 196f., 222, 234, 240, 456, 460 Marcellinus, tribunus 238, 240 Aelius Marcellinus, scholasticus 367 Ammianus Marcellinus 160, 351, 359 Marcellus, grammaticus 53 Marcianus 193, 201 Marcion 99, 108, 110, 112 Marculus 248 L. Turpilius Victorinus Marianus 173 Flavius Avitus Marinianus 141 Marracinus 206f. Martial 370 Martianus Capella 48f., 309, 388, 401 Martin von Tours 132, 134f., 151, 248, 250, 266–271, 273, 279, 284, 287, 290, 337, 390, 505 Martius, abbas 272 Firmicus Maternus 387 Maximinus 362 Maximus (Madaura) 201–204 Maximus von Turin 136, 143 Melania d.Ä. 149, 242 Melania d.J. 204, 234 Melioris, calculator 37 Melleus, magister ludi 368 Memor 279, 452 Menander 4, 282 Flavius Merobaudes 176f., 384 Arusianus Messius, grammaticus 40 Methodius von Olympus 87, 431 Minervius 241 Minucius Felix 25, 81–89, 91f., 96f., 100, 115, 120, 122f., 217, 286, 388, 411, 442, 459, 489, 494, 496, 504 Musaeus, scholasticus 367 Musonianus 41

582 Nebridius 190, 223, 235, 239, 377f. Nectarius 414 Nektarius von Konstantinopel 301 Nepotian 208 Nestor 209 Nicetius von Lyon 178 Nikomachos von Gerasa 49 Ninos 78 Novatian 84, 94f., 97f., 123f., 189, 496 Oceanus 233, 238, 240 Anicius Hermogenianus Olybrius 236 Olympius 238 Onasus 233 Onesimus, scriba collegi magni 120 Optat von Mileve 479f. Memmius Vitrasius Orfitus 160 Origenes 19, 23, 26, 124, 210, 321, 327, 336, 431, 434–436, 443f., 482, 509 Orontianus 231 Orosius 30, 164, 361, 443 Ovid 144 Pachomius 245, 270 Pacianus von Barcelona 139, 239 Q. Remmius Palaemon, rhetor 53, 380 Palladius von Rathiaria 415 Pammachius 142, 149, 191, 195, 213, 233–235, 237, 240, 266, 456, 495 Panpinus, magister 369 Pantaenus 482 Parmenianus von Karthago 363 Paschasius 251 Aemilius Florus Paternus 231 Patiens von Lyon 297 Patroclus 272f., 494 Paula 36, 149, 189, 235, 261, 396, 433, 457 Anicius Paulinus 141 Sextus Anicius Paulinus 141 Paulinus von Mailand 267, 276, 278– 282, 330 Paulinus von Nola 10, 32, 40, 123, 142, 145–148, 150, 164, 188–192, 194f., 197, 199–201, 206–217, 221, 223f., 232, 236f., 242–244, 254, 266, 269, 286, 290, 339, 388, 443f., 457, 471, 487, 496f., 502, 509

Register Paulinus von Pella 32, 41 Paulinus von Périgueux 230, 269f., 274, 389f., 392 Paulinus von Zura 317 Paulus (Concordia) 258, 260 Paulus von Theben 259–262 Pelagius 190, 235, 298, 311 Perpetua 115, 247f. Perpetuus von Tours 269, 313, 410 Persius 40, 241, 436 Petilianus von Cirta 151, 399 Petrus Chrysologus 326 Philocalus, magister ludi litterarii 368 Philon von Alexandrien 87, 481 Philon von Larissa 49 Phocas, grammaticus 379–382 Phoebadius von Agen 231 Phosphorus, rhetor 45, 116 Photin von Sirmium 358 Photius von Konstantinopel 510 Pindar 213, 463 Placidia 168 Placidus, grammaticus 379 Platon 74, 76, 83, 112, 214, 319, 438, 458 Plautus 76, 144, 207, 222, 436 Plinius d.Ä. 76 Plinius d.J. 16, 58, 188, 223f., 241, 502 Plutarch 247, 477 Polemon 457 Gabinius Barbarus Pompeianus 142 Pompeius, grammaticus 28, 43, 379f. Numa Pompilius 74 Pontius 92, 248, 252f., 276, 282, 466 Publilius Optatianus Porfyrius 142 Porphyrius 6, 49, 154, 358, 459 Possidius von Calama 50, 239, 279– 283, 375, 441, 497 Postumianus 150 Vettius Agorius Praetextatus 140, 149, 154, 157f., 160, 176, 179, 232, 410 Praetorianus, notarius 120 Priscilianus 173 Priscillian 150, 232, 316 Priscian, grammaticus 44, 380–382 Anicia Faltonia Proba 236 Faltonia Betitia Proba 40, 389 L. Memmius Probus 56

3. Antike Personen Anicius Petronius Probus 175 Sextus Petronius Probus 142, 148, 166, 175, 236, 278, 494 M. Valerius Probus, grammaticus 380 Petilius Processius 176, 182 Proculus (Dichter) 213, 230 Proculus (Montanist) 123 Prohaeresius, rhetor 362 Numerius Proiectus 162 M. Aurelius Prosenes 121f., 130 Prosper Tiro von Aquitanien 298 Protogenes (Edessa) 374 Prudentius 32, 40, 57, 139, 141, 144, 163, 222, 254, 370, 389, 393, 458, 499 Michael Psellos 510 Ptolemaios 115 Pyrrhon von Elis 83 Quintilian 33, 35f., 38f., 41–44, 46, 48, 53, 56, 58, 71, 170, 241, 252, 266, 339, 344f., 348, 385, 396, 443, 457, 459 Remigius von Reims 228, 305 Reticius von Autun 305, 339 Rhodon 99 Richomer 161, 389 Romanianus 203, 207, 237, 239 Fl. Pisidius Romulus 148, 196, 231f. Rozon, medicus 120 Rufin von Aquileia 23, 58, 164, 191, 237, 241f., 258, 327, 333, 366, 373, 410, 431–437, 443–445, 448, 485 Rufina 235 Septimius Rufus, magister symmae 368 Ruricius von Limoges 188, 228, 230, 374, 469 Rusticus (Cassiciacum) 407 Rusticus (Marseille) 240, 242 Sabinus 218f., 481, 503 Sallust 4, 40, 45, 205, 215, 241, 251, 268, 311, 436, 442 Salvian von Marseille 132f., 285, 320 Salvina 235 Sapaudus, rhetor 230, 391 Scapula 117 L. Petronius Secundus 167 Sedulius 389, 416, 469

583

Seneca 12, 58, 76, 93f., 290, 405, 411, 477 Servius, grammaticus 40, 380, 410 Severin von Noricum 250 Acilius Severus 141 Septimius Severus, Ks. 55, 117 Sextus Empiricus 83 Sidonius Apollinaris 16, 32, 42, 49, 59f., 149, 151, 188, 195, 210f., 213, 221, 224–230, 237, 244, 276, 293– 295, 297, 312f., 337, 373, 388–391, 410, 442f., 458, 492f., 496f., 502 Simon Magus 316 Simplicius 170 Siricius von Rom 21, 188, 234 Sokrates 86, 93, 101, 268 Solon 105 Statius 40 Studius 232 Sueton 58, 79, 239, 247f., 252, 277, 380 Sulpicius Severus 58, 194, 198–200, 206f., 215, 242, 249–251, 254, 266– 269, 273, 276f., 284, 287, 290, 388, 392, 445, 491, 495, 497 Q. Aurelius Symmachus 2, 61, 146, 148, 152–160, 163, 176, 185f., 188, 192, 197, 201, 224, 231f., 366, 376, 502 Synesius von Cyrene 144, 510 Tacitus 76, 229, 359 Tatian 14, 25, 98–102, 104–108, 112, 123, 489, 496, 504 Titius Aurelius Telesphorus 67 Terenz 4, 40, 125f., 144, 194, 197, 207, 215, 250, 258, 364, 372, 436 Tertullian 5, 9f., 14, 23, 25f., 28, 36, 63–81, 88, 91, 94, 96, 100, 105, 109f., 114–117, 119f., 123–125, 189, 217, 336, 350f., 367, 439, 459, 487–490, 496, 503f., 509 Theoctistus, grammaticus 380, 382 Theodora 235 Theodoret von Cyrus 509 Fl. Mallius Theodorus 139 Theodosius (Ravenna) 370 Theodosius I., Ks. 130, 132, 135, 138, 143, 161–164, 179, 231f., 385, 388f. Theodosius II., Ks. 140

584

Register

Theokrit 40 Theophilus von Alexandrien 231 Thukydides 40, 355 Timotheus Aelurus 454 Trajan, Ks. 70, 129, 224, 488 Turpilius 196 Tyconius 383 M. Damatius Urbanus 50 Valens, Ks. 361 Valentin 108–110, 124, 480 Valentinian I., Ks. 138, 361 Valentinian II., Ks. 131, 138, 140, 152–154, 156, 161f., 231, 281, 366 Valerian, Ks. 117, 261, 495 Valerius von Hippo 280f., 337, 375 Varro 5, 42, 48–50, 77, 79, 196, 214, 398, 411, 458, 460f., 484 Venantius Fortunatus 270, 274, 276, 305, 389, 494 Verecundus, grammaticus 53, 377f. Vergil 4, 15, 30, 38, 40, 76f., 125f., 144, 146, 170f., 173, 201, 203, 205,

207f., 213, 215, 218, 230, 241, 258f., 261, 290, 310f., 380, 383, 389, 400, 409, 411, 414f., 431f., 436, 442, 460, 506 Vespasian, Ks. 56 Victor, grammaticus 120 Vincentius Victor 419 C. Marius Victorinus 142, 362, 366, 379, 392f., 436, 444, 458, 479, 492 Marius Claudius Victorius, rhetor 392 Victricius von Rouen 243 Vigilantius 206, 495 Vigilius von Thapsus 429 Vincenz von Lérins 285, 290 Volcatius 436, 448 Rufius Antonius Agrypius Volusianus 136, 189, 204f., 237f., 465 Xenophon 40, 214, 290 Zeno von Verona 143, 331f., 414f. Zephyrin von Rom 124 Zosimus 142, 157, 161, 163f., 389

4. Moderne Autoren Adkin, Neil 236, 315, 322, 439 Agusta-Boularot, Sandrine 67, 368, 371 Aigrain, René 246, 248, 253 Aland, Barbara 82f., 88, 358 Allard, Paul 352, 362 Altendorf. Hans-Dietrich 137 Amherdt, David 146 Amsler, Mark 398, 409 Andresen, Carl 3 Auerbach, Erich 321 Baldwin, Barry 115 Bambeck, Manfred 5 Bammel, Caroline 84 Bardy, Gustave 98, 100, 288 Barnes, Timothy D. 141 Barnish, S.J.B. 249 Bartelink, Gerard J.M. 254, 265 Barton, Monika 143, 389 Bastiaensen, A.A.R. 260, 262 Baumeister, Theofried 510 Baumgart, Susanne 284, 296, 301, 320

Baus, Karl 143 Bayer, Clemens M. 65 Beatrice, Pier Franco 450, 485 Beavis, Mary Ann 10, 29, 350, 366 von Bendemann, Reinhard 7 Berger, Klaus 10 Bernhart, Joseph 2 Berschin, Walter 41, 92, 246, 248, 252–254, 258, 260, 262, 266–268, 271, 277, 280, 282, 284, 287, 293, 296, 302f., 306 Betz, Hans-Dieter 26 Beumann, Helmut 251, 327, 408 Bialas, Sebastian 384 Bidez, Joseph 351–353 Bloch, Herbert 156, 159, 162 Blomenkamp, Paul 17, 29 Blümer, Wilhelm 2, 332, 340f., 343, 348, 418f., 423, 426, 441, 455, 461, 467f., 485 Bonner, Stanley F. 29 Booth, Alan D. 29f., 34 Borius, René 296f., 300

4. Moderne Autoren Bormann, Diana 28, 35, 51, 98 Bouffartigue, Jean 351 Bouton-Touboulic, Anne-Isabelle 418 Brakke, David 256f. Brandt, Hartwin 246, 249–251, 283, 299 Braun, René 64 Breitenbach, Alfred 362, 364f., 457, 482, 509 Brennecke, Hanns Christof 8, 130 Bringmann, Klaus 351f., 365 Broszio, Gabriele 122 Brown, Peter 3, 17, 132, 134, 150, 186 Browning, Robert 29, 43, 45, 59 Brox, Norbert 11f., 112f., 215, 475, 481 Brucker, Ralph 7, 184 Bruggisser, Philippe 187, 192 Brunert, Maria-Elisabeth 246, 250, 253, 256f., 259, 262f., 284, 287f., 296–298 Buchheit, Vinzenz 85–87, 92–96, 411, 413, 425 Bürsgens, Wolfgang 380 Butterweck, Christel 63 Cameron, Alan 43, 139, 144–146, 157–160, 166 Cameron, Averil 3, 9, 13, 17f., 21, 31, 39, 45, 126, 131, 144, 186, 210, 262, 264, 333, 499 von Campenhausen, Hans 6 Caspari, Carl Paul 214 de Certeau, Michel 247 Chadwick, Henry 13, 102, 104, 228 Chastagnol, André 237 Chin, Catherine M. 478f. Christensen, Torben 157, 159, 353 Christes, Johannes 5, 29, 36, 46f. Clarke, G.W. 90 Clarke, Martin L. 39, 43 Cochrane, Charles N. 81, 353 Collins, Richard 276 Colpe, Carsten 361 Conring, Barbara 184, 186f., 189, 192, 195f., 206, 201, 212f., 222, 240, 475 Conti, Stefano 353 Conybeare, Catherine 145, 147, 186, 188, 191, 194f., 197, 210, 217, 223

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Coşkun, Altay 158 Courcelle, Pierre 23 Cribiore, Raffaella 32–38, 45, 52f., 57, 61 Daly, C.B. 64, 77 Dassmann, Ernst 151, 276, 278, 280, 330, 498 Daut, Winfried 143–145, 161 Delaplace, Christine 465 Delehaye, Hippolyte 253 Demandt, Alexander 23, 43, 131, 137f., 359 Diesner, Hans-Joachim 309 Dionisotti, A.C. 30, 35, 37, 40 Divjak, Johannes 184, 223f., 238f. Dodaro, Robert 376, 395, 399, 410 Döpp, Siegmar 23, 125, 182, 416 Döring, Klaus 509 Dörmann, Johannes 15 Dörrie, Heinrich 13 Doignon, Jean 375, 378, 428 Dorival, Gilles 108 Downey, Glanville 14 Drobner, Hubertus R. 340 Dümler, Bärbel 326, 331 Durst, Michael 428 Eck, Werner 114, 117–119, 121f., 151, 238 Eckert, Günter 70, 81 Edwards, Mark 114, 133, 155, 159, 425 Eigler, Ulrich 45, 148, 164, 237, 308, 313, 328, 387, 458, 465, 475, 477 Ellspermann, Gerard L. 13, 20, 64, 79–81, 85, 87, 90f., 95f., 101, 214, 221, 338, 365, 386f., 402, 413, 425, 432, 473, 480 Elm, Eva 246, 248, 253, 267, 269, 276f., 279f., 282–284, 287, 296, 302f., 306 Elze, Martin 105, 108 Englisch, Brigitte 50, 508 Enßlin, Wilhelm 352f. Erdt, Werner 15, 211f., 214–217 Espinosa, Urbano 56 Evenepoel, Willy 152 Fauth, Wolfgang 64, 81, 104

586 Feichtinger, Barbara 149f., 234f., 240, 260, 262, 265, 492 Feldtkeller, Andreas 131 Ferreiro, Alberto 321, 480 Fiedrowicz, Michael 352f., 355, 366 Fontaine, Jacques 3f., 16, 24, 89, 96, 130, 146, 148, 183, 254, 309, 338f., 511 Frank, Karl Suso 340, 342 Fredouille, Jean-Claude 6, 64, 69–73, 78, 80f. Frend, William H.C. 132, 145 Freund, Stefan 77, 88, 105 Fuchs, Harald 14, 17, 50 Führer, Julian 135, 276 Fürst, Alfons 81f., 86f., 89, 234f., 238–240, 242, 386, 422f., 460 Fuhrer, Therese 343, 378, 417f., 483 Fuhrmann, Manfred 15, 23, 27, 29, 40, 43, 45f., 50, 57, 112, 259f., 262, 265, 379 Gärtner, Hans-Armin 147 Gärtner, Michael 21 Gärtner, Thomas 24 Galsterer, Hartmut 165 Gamble, Harry Y. 127, 270, 337 Gavrilov, A. 37 Geerlings, Wilhelm 13, 98, 280, 363, 378, 440 Geffcken, Johannes 1f., 161 Gelzer, Thomas 364 Gemeinhardt, Peter 22 Gessel, Wilhelm 296f., 299f. Giebel, Marion 351, 354 Gigon, Olof 13, 20 Girardet, Klaus M. 129 Gnilka, Christian 2, 15f., 20, 79f., 92, 96, 216, 465, 469, 476–478, 480, 482 Goodrich, Richard J. 396 Gordon, Richard 47 Grant, Robert M. 113 Green, R.P.H. 145 Gruber, Joachim 146 Grundmann, Herbert 30, 57f. Grunewald, Thomas 158 Gülzow, Henneke 94, 115, 122, 131 Guyon, Jean 180

Register Haarhoff, T.J. 32, 44, 57, 113, 213, 218, 355 Hadot, Ilsetraut 28, 46, 48, 51, 56f., 418, 447, 483 von Haehling, Raban 138, 142, 204 Hagendahl, Harald 5, 14f., 24, 48, 69, 76, 81, 93, 96, 189, 193, 209, 212, 214, 218, 221, 230, 233f., 236, 240f., 247, 249, 251, 259, 262, 305, 311, 319, 322, 328, 333, 411, 419, 421, 438f., 444, 448, 460, 464, 475, 478, 509 Hallof, Klaus 165 Hamm, Ulrich 112, 149 Hanig, Roman 111 Hardy, Bruce Carmon 352f., 363 von Harnack, Adolf 1, 110 Harries, Jill D. 228 Harris, William V. 29f., 34, 36, 38, 58, 116, 131, 317 Harrison, Carol 340, 343, 346, 348 Harvey, Paul B. 252, 260 Heck, Eberhard 81, 89, 91, 125f., 386, 411, 413, 419, 424f., 427 Heid, Stefan 98 Heinzberger, Ferdinand 153, 161, 163 Heinzelmann, Martin 149, 152, 167, 175, 178, 183, 227, 247, 252f., 267, 270, 272, 279, 284f., 287f., 292, 296, 298, 301, 306, 314, 337 Helleman, Wendy F. 509 Herzog, Reinhart 23f., 29, 43, 143 Hirschfeld, Otto 138 Hoffmann, Andreas 90 Hofmann, Heinz 248, 278, 292, 383 Hofmann, Johannes 333 Horn, Hans-Jürgen 201 Hose, Martin 258, 361 Hoster, Dieter 247f., 259, 261, 263f., 278 Hovdhaugen, Even 39 Hübner, Sabine 317f. Hübner, Wolfgang 378 Hunt, David 133, 151 Illmer, Detlef 271, 308, 323, 396 Inglebert, Hervé 351, 507f. Irmscher, Johannes 45, 47, 57, 144, 146, 373 Irvine, Martin 39f., 42

4. Moderne Autoren Jaeger, Werner 8, 14 Jakobi, Rainer 24, 364, 387 Jeffrey, David Lyle 475 Jenal, Georg 259, 261, 263, 271 Jentsch, Werner 7 Jerg, Ernst 138, 151 Johnson, William A. 37 Jones, A.H.M. 137f., 151 Jones, F. Stanley 333 Judge, Edwin A. 3 Julia, Dominique 11 Kahlos, Maijastina 130, 140f., 158– 160 Kajanto, Iiro 98, 121 Kany, Roland 17 Kartschoke, Dieter 24 Kasper, Clemens 183, 245, 284–287, 289, 291, 302, 315, 392 Kaster, Robert A. 17, 29–34, 39–41, 43f., 52–55, 57f., 60, 120, 161, 304, 368, 370, 376, 378–381, 383, 395, 410 Kaufmann, Carl Maria 172f., 180 Kaufmann, Frank-Michael 118, 184, 211, 224, 226f., 231, 275 Kech, Herbert 251, 259, 262, 264f. Kelley, Nicole 333 Kennedy, George A. 43, 57, 80f., 324 Kinzig, Wolfram 78 Kirsch, Wolfgang 24, 27, 45, 55, 57, 59, 147, 269f. Klein, Richard 17, 52, 70, 74, 107, 145, 152, 159, 162, 352–355, 360, 365f., 509 Koch, Guntram 121 Köhler, Helga 207 Kötting, Bernhard 131 Koller, Hermann 47 Kouri, E.I. 64, 70, 80 Krause, Jens-Uwe 138, 151, 319 Krause, Wilhelm 13, 77, 81–84, 86, 90 Kreider, Alan 4, 132–137 Krestan, Ludmilla 383 Krumeich, Christa 17, 31, 34, 51 Kühneweg, Uwe 183, 218 Küppers, Jochem 188, 207, 226f., 464 Kuhlmann, Peter 309 Kunst, Christiane 33, 35, 52

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Kurmann, Alois 357, 361, 363f. Kursawe, Barbara 343f., 346f., 485 Kytzler, Bernhard 81 Labhardt, André 64, 81 Lafferty, Maura K. 138, 180f. Laistner, Max L.W. 12, 25, 258, 428 Lampe, Peter 8, 44, 97–100, 104, 108–110, 115f., 118, 121f., 124 Lane Fox, Robin 4, 132 Lausberg, Heinrich 43, 252, 260, 293, 321, 395 Leclercq, Henri 17 Leo, Friedrich 247 Lepelley, Claude 120, 136 Leppin, Hartmut 146, 152, 157, 318, 324 Liebermann, Wolf-Lüder 145 Liebeschuetz, Wolfgang 57 Lindemann, Andreas 7f., 17 Löhr, Winrich A. 184 Lössl, Josef 13, 239, 280, 441f. Lorenz, Rudolf 173, 270 Lotter, Friedrich 246f., 249 Loyen, André 211, 230 Luck, Georg 247, 253 Luhmann, Niklas 54 Luhtala, Anneli 398, 403, 412 Maas, Michael 382 MacCormack, Sabine G. 410f., 413f. MacMullen, Ramsay 4f., 132–135 Madec, Goulven 5, 392 Malingrey, Anne-Marie 324 Markschies, Christoph 1, 19, 99, 108, 144, 151, 158f., 162, 318, 350, 358, 388, 415, 510 Markus, Robert A. 20, 22, 132f., 136f., 145 Marrou, Henri-Irénée 11f., 25, 28, 30, 35–37, 40f., 43–45, 47–51, 56, 350, 359, 363, 375, 398, 508 Martin, Jochen 132–135, 137, 151, 246 Martin, Josef 43, 293, 321 Martindale, John R. 142 Mathisen, Ralph W. 137, 285, 367 Matthews, John F. 134, 139, 141f., 145, 148, 160, 164 May, Gerhard 99

588 Mayer, Cornelius 452, 480 McKechnie, Paul 47, 53, 115 Meier, Mischa 175 Meredith, Anthony 357, 359, 367 Mette, Hans Joachim 49 Metzger, Marcel 313 Mohrmann, Christine 94, 97, 324 Montanari, Franco 437 Montgomery, Hugo 90, 248 Moreau, Madeleine 400 Moreschini, Claudio 144 Morgan, Teresa 29, 31, 35–40, 45, 51 Morgenstern, Frank 184, 187, 190, 193, 237 Mratschek, Sigrid 47, 148–151, 164, 184, 191f., 206, 217f., 224, 237, 243 Mühlenberg, Ekkehard 344 Müller, Peter 5, 7 Mutschler, Bernhard 113 Näf, Beat 133, 140, 143, 146, 148– 151, 166 von der Nahmer, Dieter 246–248, 250f., 253, 267, 271, 273, 278f., 305 van der Nat, Pieter G. 85–87, 89, 341 Nellen, Dieter 45, 139, 141, 242 Nesselrath, Heinz-Günther 351, 359, 364f., 367 Neymeyr, Ulrich 7, 21, 98–100 Nietzsche, Friedrich 2 Niquet, Heike 41, 166, 174–176, 386 Noethlichs, Karl-Leo 143, 314, 318 Norden, Eduard 323, 327f., 331, 339, 387 Norelli, Enrico 106 Oberhelman, Steven M. 219, 328, 330 O’Donnell, James J. 14 Opelt, Ilona 81, 362 Osborn, Eric 113 Overbeck, Franz 5 Pack, Edgar 17f., 352–354, 361, 363 Paul, Eugen 29 Pausch, Dennis 247 Petersen, William L. 98 Petersmann, Hubert 35 Piepenbrink, Karen 4, 19f., 24, 132, 134, 470 Piétri, Charles 137, 179f.

Register Pilhofer, Peter 103, 358 Pollmann, Karla 340–343, 345, 347f., 375 Pouderon, Bernard 98–100, 102f., 105 Prestel, Peter 340, 343–347, 349 Price, Simon 64, 77, 83 Pricoco, Salvatore 17 Prinz, Friedrich 2, 245, 269, 284–287, 290, 297, 508f. Prostmeier, Ferdinand R. 355, 509 Puzicha, Michaela 265, 271 Rapp, Claudia 320 Rappe, Sara 8, 75, 348, 403 Rebenich, Stefan 41, 149f., 184, 210, 232–235, 239–242, 259f., 262f., 265 Rechenauer, Georg 35, 46, 48 Reichert, Eckhard 17, 130f. Reutter, Ursula 179f. Rhee, Helen 107 Riché, Pierre 17, 31, 49, 285f., 294, 297, 308, 318 Riess, Werner 368, 371, 384 Rösger, Alfons 33 Rötzer, Hans Gerd 86 Röwekamp, Georg 8, 429 Rosen, Klaus 351f. Rousseau, Philip 255f., 265, 450f., 471f., 475, 481 Rubenson, Samuel 254, 256f., 260, 262, 264f., 480 Ruhbach, Gerhard 8, 12 Rupp, Horst F. 17, 48 Sachot, Maurice 321 Sänger, Dieter 7 Salamito, Jean-Marie 132, 136f. Sallmann, Klaus 48, 84 Salzman, Michele R. 47, 131, 135– 141, 143, 148–150, 152, 161f. Satterthwaite, Philip E. 321, 411, 462 Schäublin, Christoph 21, 42, 222, 320, 324, 340, 345, 347–349, 436 Scheibelreiter, Georg 188, 224, 271, 305, 308f., 312, 320, 328, 396 Scherließ, Carsten 253, 284–290 Schickler, Gudrun 82 Schindel, Ulrich 54, 368, 383f. Schlange-Schöningen, Heinrich 57, 366, 382f., 510

4. Moderne Autoren Schleyer, Dietrich 73 Schlieben, Reinhard 465 Schmeller, Thomas 7 Schmid, Ulrich 110 Schmid, Wolfgang 388 Schmidt, Manfred G. 148, 165, 278 Schmidt, Peter Lebrecht 92, 248, 392 Schneider, Johannes 184 Schöllgen, Georg 29, 64f., 69, 76, 82, 85, 97–100, 115f., 118, 121f., 317f. Scholl, Robert 14, 21 Scholten, Clemens 98f. Schrage, Wolfgang 6 Schröder, Andreas 314 Schubert, Christoph 87, 89 Schulz-Flügel, Eva 63, 65 Schwarte, Karl-Heinz 266, 386 Schwarzkopf, Matthias 65, 68, 74, 80 Schwenk, Bernhard 8, 10, 14, 311, 482 Schwind, Johannes 389 Seeck, Otto 367 Seeliger, Hans Reinhard 24, 94, 317, 437 Shanzer, Danuta 49, 225, 403 Sider, Robert D. 70–72, 80f. Sivan, Hagith 31, 145, 355 Skeb, Matthias 145, 200, 229, 241, 388 Smith, Rowland 353 Speigl, Jakob 71 Speyer, Wolfgang 246 Städele, Alfons 359 Steimer, Bruno 313, 316, 350 Steiner, Heinrich 16, 64, 67, 69–71, 76, 80 Steinmetz, Peter 12, 55, 60, 69 Stockmeier, Peter 7f., 14, 47, 257, 353, 357 Straub, Johannes 161, 164 von Stuckrad, Kocku 22 Studer, Basil 159, 324, 346, 396, 412, 452f., 482, 484, 506 Stuiber, Alfred 94 Suchla, Beate Regina 98 Surmann, Beate 92, 383 Swain, Simon 360, 362 Sykutris, Ioannes 184f. Szidat, Joachim 161–163

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Testard, Maurice 14 Thraede, Klaus 184, 187–189, 192, 195–200, 209, 220–222 Thrams, Peter 158f., 352f., 367 Thümmel, Hans Georg 321, 323 Timpe, Dieter 115f. Tloka, Jutta 509 Tornau, Christian 201, 203–206, 239, 376f., 386, 405, 409, 421, 423, 448, 456f. Tränkle, Hermann 63, 65, 69, 74, 76 Trillitzsch, Winfried 76, 94f. Trombley, Frank R. 131 Trout, Dennis E. 184, 237 Uhl, Anne 39 Uthemann, Karl-Heinz 91, 93f., 330, 339f., 345, 397 van Uytfanghe, Marc 247, 278f., 292 Vegge, Tor 6, 27, 35, 47 Verwilghen, Albert 344, 347, 452 Vetten, Claus Peter 98 Vielberg, Meinolf 8f., 11, 250, 254, 267f., 270, 274, 291, 333f. Vössing, Konrad 27, 29–33, 35–38, 41, 43–46, 49–52, 54–61, 65, 80, 116, 120, 173, 201, 311, 315, 367, 375, 386 Wallraff, Martin 154, 510 Waszink, J.H. 71 Weber, Dorothea 440 Weikmann, Hans Martin 179 Weingarten, Susan 259–261, 263 Weissengruber, Franz 271, 286, 308f., 315, 342, 400 Whittaker, Molly 105, 108 Wiemer, Hans-Ulrich 354, 360, 362 Wifstrand, Albert 44 Wilken, Robert L. 351 Windau, Bettina 81, 228, 381, 391f., 400 Winkelmann, Friedhelm 15, 163 Winkler, Klaus 383 Wintjes, Jorit 354, 360 Wirbelauer, Eckhard 121 Wirth, Gerhard 33, 44, 55f. Wischmeyer, Wolfgang 92, 114–116, 118, 120–122, 127, 317

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Register

Witke, Charles 147 Witschel, Christian 27, 59 Wlosok, Antonie 92, 95, 187, 386– 388, 460 Wolf, Peter 30 Wolters, Albert M. 507 Wyrwa, Dietmar 8, 99f., 112 Wytzes, Jelle 2, 131, 152, 157, 161, 163

Young, Frances 21, 98f. Zanetti, Ugo 265 Zelzer, Klaus 15, 185f., 220, 224, 226 Zelzer, Michaela 184–188, 196, 217f., 220f., 223f., 226f., 231, 355 Ziegenaus, Anton 392 Zgusta, Ladislav 41

5. Begriffe, Orte, Sachen Alexandrien 109, 124, 263, 437 – christliche Schule 99, 115, 481 Alphabetisierung 4, 127 amicitia 17, 185, 192–195, 200, 213, 220, 227, 377f., 502 Analphabeten 7, 58, 116, 256 – Bischöfe als Analphabeten 317 Antiochien 321, 324, 360, 421 Apologeten, Apologetik 3, 6, 9f., 25, 63–113, 217, 363, 386–388, 425, 443, 461, 488–490, 496, 504f. Architektur 49 Arianismus, Arianer 181, 231, 278, 280, 392, 415, 443 Arithmetik (u. Mathematik) 48f., 102, 225, 246, 309f., 401, 450, 477 Arles 142, 284f., 287f., 294, 299, 304, 315, 328, 374, 388, 497, 501 artes liberales 29, 36, 46–51, 84, 232, 281, 286, 315, 362, 378, 388, 395, 450, 452, 465, 478, 483, 492, 494, 508 – s. auch liberalis (Wortfeld) Astrologie 49, 67, 73, 140, 309f., 387f., 401 Astronomie 48, 102, 465 Athen 8, 28, 41, 47, 50, 77, 104, 316, 355, 358, 362, 364f., 476 – Athen und Jerusalem 73, 431 Autun 45, 54 Barbarismen 39, 218, 225, 250, 398f., 402–404, 407f. Berytos, Juristenschule 119 Bethlehem 235, 263, 373f. Bildung

– geistliche 6, 8, 10, 279f., 285, 306, 318, 331, 363–365, 396, 441, 448– 486, 491, 499f., 507 – Institutionen 12, 19, 21, 23, 25f., 27–61, 64–69, 104, 123, 256, 352, 359f., 366f., 394, 397, 421, 483, 485, 489, 491, 493, 506, 508 – Kritik 4–6, 8–10, 13–15, 17, 22, 25, 44, 58, 73, 75, 87f., 92, 96, 123, 125–127, 160, 311, 320, 346, 339, 351, 354, , 360, 363, 376, 387f., 385, 396–399, 411–417, 419, 428, 443, 451, 458, 473, 485, 488f., 491, 503–507, 509, 511 – Rezeption 2, 9, 15, 17, 24–26, 67, 77f., 81f., 96, 112, 165, 179, 181, 220, 279, 340f., 343, 347, 383, 429, 448, 451,476f., 483, 488, 491, 500– 504, 507, 509–511 – Transformation 1, 9, 18, 220, 502 Bilingualität 23, 37, 40f., 63f., 169f., 262, 265, 272, 283 Bischof(samt) 12, 17f., 21, 94, 109, 114f., 123f., 130, 132, 134, 150– 152, 177f., 179–184, 190, 219, 224, 231, 239, 242–244, 269, 276–306, 307–320, 321, 329, 337, 375, 391, 401, 441, 446, 454, 465, 490, 492– 494, 496–498, 501–503, 507, 510 – als Lehrer 7, 91, 123f., 307f., 410, 454, 481 Bordeaux 230f., 235, 243 – Schulen 30f., 54, 139, 355, 390, 495 Briefe 7f., 16, 23f., 141, 149, 151, 183, 184–244, 247, 258, 264, 289, 307, 312f., 372f., 377, 390f., 436, 438, 456, 491f., 496, 500, 502f., 510

5. Begriffe, Orte, Sachen Cassiciacum 53, 190, 204, 375, 377f., 398, 401, 407, 411, 483, 492 Chrêsis 2, 15f., 20, 477, 486, 507, 511 Christentum und antike Kultur 1–4, 8, 13, 15f. – Assimilation 4, 15, 19f. – Auseinandersetzung 3f., 6, 16, 25, 105, 125, 144, 159, 162, 246, 251, 340, 368, 394, 487–489, 492, 504f., 509 – Ineinandersetzung 4, 511 – Inkulturation 26, 99, 127 Christianisierung – der antiken Bildung 19, 180, 500 – der Brieftopik 194, 199f., 244 – der römischen Oberschicht 132, 137–152, 165 – des römischen Reiches 164, 493, 497 Desäkularisierung 20 Dialektik 28, 48f., 73f., 77, 201, 206, 213, 225, 228–230, 246, 292, 309f., 316f., 333, 336, 375, 392f., 400f., 418, 432f., 441, 444, 447, 449f., 455, 464f., 477, 483f. Dichter, Dichtung (u. Poesie, Poeten) 5, 14, 23f., 28, 30, 37, 40–42, 49, 55, 58, 65, 75f., 77f., 80, 82, 87, 91, 101, 103, 106, 108, 112, 125f., 144, 147, 168, 172, 175f., 180, 183, 188, 196, 202–204, 207f., 214f., 226, 229, 237, 244, 270, 285f., 309f., 312f., 316, 321, 337, 354, 371f., 375, 388–390, 392, 397–399, 400f., 403f., 406, 411–417, 427, 430, 432, 440, 450, 463, 469, 472–474, 476, 483, 494, 496, 501, 506 Donatismus 132, 135, 140, 202, 248, 280, 363, 399f., 468, 480 Donatistengesetze 135, 138, 143 ἐγκύκλιος παιδεία 28, 36, 46–51, 99, 258, 482f. Elementarbildung 7, 19, 29, 31f., 68, 256f., 272f., 285, 494 – s. auch Schulunterricht Elementarschule 20, 27f., 31, 34, 38f., 65f., 269

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eloquentia 18, 39, 86f., 94, 143, 176f., 181f., 212, 225, 320f., 331, 343, 430, 455, 457, 468, 471, 485, 501 – canina eloquentia 241, 425 Epigraphik 16, 25, 149, 165–184, 371, 491, 502f. – s. auch Inschriften Epistolographie 16, 21, 25, 184–244, 311, 391, 487, 492, 496f., 502f., 507 – s. auch Briefe eruditio 36, 47, 57, 67, 125, 168, 183, 203, 208, 213, 237f., 242, 273, 286, 299, 304, 319, 323, 329, 333f., 393, 396, 405, 440, 445, 448 – geistliche eruditio 449, 451f., 458 – s. auch liberalis eruditio Erziehung – s. Bildung, Schule Exegese 11, 16, 21, 24, 71, 187f., 202, 219–222, 228, 231, 234, 236, 241, 243f., 258, 269, 327f., 330, 392, 436, 438, 444–446, 456, 461, 487, 491, 500, 502f., 508 – pagane Dichterexegese 15, 110 Fischer 5, 7, 9–11, 249f., 274, 303, 320–337, 358, 454, 458 Fischersprache (sermo piscatorius) 5, 10, 126, 320, 427, 454 Frömmigkeit 1, 19, 63, 144, 177f., 214, 257, 262, 290, 294, 297, 314, 362, 364, 465 Geometrie 28f., 49f., 51, 225, 229f., 246, 309f., 387f., 401 Gesetzgebung, antipagane 22, 130, 132, 135, 143, 158, 232, 379, 492 Gnosis 75, 98, 108–112, 123f., 480 – gnostische Schulen 98, 108 Grammatik 27f., 30f., 34, 39, 41f., 44, 48, 50f., 58, 100, 116, 169, 258, 281, 303f., 307–309, 317, 336, 342, 359, 372, 374, 382–384, 388, 397– 401, 403f., 412, 416f., 433, 437, 463, 475, 509 – s. auch Schulunterricht Grammatikschule 20, 28f., 33, 50, 64, 102, 110, 256, 258, 269, 283, 311, 317, 342, 374, 381, 383f., 402, 406, 494, 498f.

592 Häresie, Häretiker 72–74, 76, 80, 98, 108–110, 112, 124, 130, 135, 144, 206, 293, 298f., 316, 318, 376, 381f., 416, 429, 435f., 441, 446, 455f., 489, 493, 504 – und Bildung 73f., 108–110, 123, 316, 439, 480, 504f. Hagiographie 18, 25, 129, 244–306, 337, 388–390, 488, 491–495, 497– 501, 503, 505, 507, 510 – und Biographie 24, 246–253, 262, 267f., 276, 278f., 282, 284, 287, 292, 296, 301f., 306, 420f., 491, 493, 500f. „Heiden“ (Begriff) 21–24, 122, 131, 134, 143, 153f., 157, 364, 382, 389, 393, 470f., 475f., 489f. Hellenisierung 1, 4, 8, 10, 511 Hippo Regius 133, 136, 151, 198, 239, 280, 315, 325, 330 Historiker, Historiographie 14, 30, 40, 43, 45, 245, 268, 276, 367, 373, 379, 389, 477 Humanismus – antiker 11f., 41 – christlicher 101, 367, 509 Imperium Romanum 1f., 4, 22–24, 27, 33, 36, 51, 54, 59, 98, 108, 131, 184, 487 Inschriften – Ehreninschriften 166, 495 – Grabinschriften 23f., 35, 98, 121, 141f., 165–184, 200, 234, 247, 307, 368–372, 384–386, 488, 494f., 500f. – Stiftungsinschriften 165f., 369f. Juden, Judentum 3, 6, 17, 102f., 118 Karthago 9, 25, 28, 30f., 33, 40, 52, 59, 64, 69–71, 90, 115–117, 165, 204, 239, 281, 286, 317, 363, 367, 375f., 383, 404 Katechese, Katechumenen 21, 36, 68, 99f., 121f., 130, 134, 137, 238, 248, 327, 331, 340, 350, 359, 405–408, 488, 500, 506 Kirchenordnungen 24, 313–318, 488, 492, 510

Register Kirchenväter (Begriff) 2, 11, 15f., 20, 306, 509 Konstantinopel 137, 144, 204, 232, 235, 301, 324, 381–383, 487 – Universität 56f., 350, 382, 510 Konversion 3f., 90, 104, 107, 115, 127, 132–136, 141–143, 193, 498 – von Bildung 20, 470–481, 487 – von Gebildeten 84, 117f., 123, 136, 139, 142, 145, 149, 162, 215, 241, 286, 362, 375, 377f., 392f., 465– 470, 489–491, 493, 495f., 503–505 Kulturosmose 12 Lehrer (magistri) 5, 22, 24, 30–33, 52– 55, 61, 65, 167, 172, 230, 257, 329, 367–394, 411f., 453, 461, 464 – Christen als Lehrer 5, 9, 18f., 24f., 65–69, 100, 115, 119, 123f., 134, 350f., 355, 359, 362f., 367–394, 395, 488, 490f., 509f. – Christus als Lehrer 101, 335, 346, 421, 452f., 455, 467 – Elementarlehrer (litteratores, magistri ludi) 28–34, 36–38, 52f., 65, 67, 283, 315, 366, 368–371, 384, 454 – Grammatiker (grammatici) 4, 27–34, 38, 39–43, 44, 46, 51, 53–55, 57, 59, 67, 110, 119f., 127, 170, 202– 204, 206, 230, 300, 307f., 311, 350, 355, 362, 368, 370, 371–384, 397– 402, 405–407, 410–412, 437, 440, 449f., 472, 499, 505 – Hauslehrer (nutritores, paedagogi) 27, 34, 97f., 369 – der Heilige Geist als Lehrer 84, 333 – kirchliche Lehrer (Prediger) 90, 97, 99f., 234, 236, 248, 322, 343, 345– 347, 348, 408f., 412, 454, 463, 479, 481, 497, 498–500 – Rhetoren (rhetores, oratores) 4, 23, 28, 30, 34, 43–46, 48, 51, 53–55, 59f., 64, 90, 119f., 125f., 150, 173–175, 182, 186, 201f., 204, 206, 208, 238, 252, 263, 266, 274, 281, 287f., 293, 303f., 311, 314, 322f., 332–335, 339, 341, 346, 355f., 362, 366, 372, 374, 384–393, 405, 409, 413, 419, 421, 423f., 430, 435, 437, 439, 446, 457, 459, 463, 467, 480, 496, 499

5. Begriffe, Orte, Sachen Lehrverbot – für Christen 9, 25, 352–356, 360, 430, 491, 503 – für „Heiden“ 367, 381f., 510 Leitbilder 10, 18, 24, 129, 145, 165, 177, 226, 242, 244, 246, 294, 296, 320, 326, 334, 337, 431, 452, 491– 493, 495, 497, 501, 503, 505 Lérins 228, 245, 284f., 287f., 290, 292, 296, 302, 304, 390, 492 liberalis (Wortfeld) – liberales disciplinae 19, 47f., 50, 59, 246, 278, 281, 330, 336f., 417, 479, 481 – liberales doctrinae 51, 160, 375, 405, 420 – liberalis eruditio/liberaliter eruditus 34, 46, 51, 280, 334, 400, 452 – liberaliter institutus 32, 47, 115, 140f., 247f. – liberales litterae 50, 251, 279f., 314, 331, 366, 382, 408, 440, 452 – liberalia studia 51, 53, 57, 59, 241, 271, 300, 312, 334, 361 Literaturgeschichte 13f., 20f., 23, 254 litteratus (Ideal) 32, 34, 40, 53, 57–61, 84, 97, 116, 139, 213, 226, 241, 275f., 293, 305, 314, 318f., 331, 390, 400, 461, 463, 489, 496, 500 Liturgiesprache 25, 181 Madaura 28, 31, 201, 375 Märtyrer 1, 3, 90, 94, 119, 180f., 244, 247f., 258, 276, 362, 370f., 455, 467, 479 Mailand 140, 152f., 162, 180f., 231, 239, 243, 278f., 281, 324, 330, 375– 377, 420, 465 Manichäismus 15, 50, 165, 329f., 395, 399, 408, 412f., 428, 450f., 471, 473 Mission, Missionare 2, 14f., 131f., 134f., 137, 142, 216f., 267, 269, 298, 306, 327, 333, 336f., 350, 358, 410, 470, 483, 490, 504 – Gebildetenmission 89, 215, 461 Mönchtum 3, 136, 142, 228, 240f., 243f., 249, 254–276, 278, 284f., 287, 289–291, 315, 365, 388, 396, 465, 492, 494, 499, 507, 509 Montanismus 63–65, 70, 76, 123

593

Musik 28f., 47–49, 102, 208, 217, 225, 229f., 246, 358, 387f., 397, 405, 417, 465, 483 Mythen, Mythologie 9f., 36, 46, 65, 68, 74f., 88, 103, 111f., 125, 202f., 256, 308, 310, 325, 365, 389, 407, 411, 415, 430, 451, 476, 484, 488, 490 Oberschicht 13, 34, 46, 60f., 90, 131f., 134f., 137f., 140–142, 152, 158, 160, 175, 181, 183, 204, 236, 239f., 261, 263, 281, 284, 297, 318, 368, 433, 459, 490–494, 496f., 499, 501, 503, 505 παιδεία 7–9, 14, 47, 99f., 104–108, 123, 139, 161, 186, 215, 252, 257, 318, 337, 354f., 509f. – christliche παιδεία 104, 106, 108, 113, 348 – παιδεία ἐν Χριστῷ/κυρίου 7f., 311f. – παιδεία/µαθήµατα τῶν ῾Ελλήνων 104, 109, 119, 364, 482 Philosophen 5, 8f., 19, 55, 70, 72, 75– 78, 85, 87–89, 95f., 99, 101, 103– 105, 107–109, 111f., 153, 204, 206, 211, 214–216, 256, 262, 274f., 319f., 335f., 364, 387, 413f., 419, 422f., 427, 430, 437f., 440f., 448, 454, 459, 474, 477f., 504 – Philosophenschule 50, 73f., 83, 85, 99–101, 103f., 201 Philosophie 6, 9, 19, 28f., 48f., 73–75, 81–83, 88f., 93, 95f., 99–102, 104, 108f., 112, 115, 119f., 123f., 201, 211, 216, 225, 245, 258, 267, 286, 316f., 336, 353, 358f., 387f., 419, 439, 451, 471f., 478, 483, 489f., 492, 540 – barbarische 101, 104, 106, 123, 504 Poesie, Poeten s. Dichter, Dichtung Predigt, Prediger 10, 18, 21, 24, 90, 93, 132f., 135f., 165, 177, 182f., 211, 218, 220, 239, 247, 249, 269, 275, 279, 289, 293–295, 298, 301, 303, 305, 307, 320–337, 337–349, 376, 395, 407f., 410, 414f., 417f., 446, 451–455, 463, 468, 483, 492, 497–499, 505f.

594 Propädeutik 48f., 99, 105, 387, 397, 451, 481–486, 509 Religionsgeschichte 20, 22, 246 Rhetorik 6, 10, 17f., 20, 27, 30–34, 43–46, 48–51, 69–73, 85–88, 93f., 96, 100, 106, 116, 186, 214, 216, 219, 233, 250, 260, 280f., 293, 300, 303, 305–307, 309, 313, 317, 320, 322–326, 332, 335–337, 337–349, 354, 358, 361, 385f., 395, 401, 417– 421, 424, 427f., 431, 433, 443, 446, 450, 458, 462, 464, 480, 485, 501, 504, 506 – s. auch Schulunterricht Rhetorikschule 28, 31, 33, 45, 50, 64, 103, 261, 269, 311, 317, 342, 406, 456, 490, 499 Rom 23, 25, 29, 43, 55–57, 63f., 68, 81, 97–100, 108, 117, 120–122, 125, 137f., 140–142, 152, 157f., 161, 163f., 166–170, 172–182, 188, 190, 202, 204, 206, 209f., 222, 232, 234f., 240f., 269, 271, 277, 281, 300, 362, 367–372, 375f., 381, 388f., 392, 421f., 458, 476, 496, 501, 504, 507 Romanisierung 4, 10, 511 romanitas 22, 59, 114, 160, 181, 219 rusticitas 5f., 59, 210, 223, 274f., 291, 303, 322, 336, 457 Schulbildung 4f., 7, 9f., 19, 21f., 25, 27–29, 46, 49, 51f., 58, 61, 64, 73, 88, 105, 114f., 120, 125f., 137, 165, 206, 211, 244, 251, 279, 305f., 307, 317, 331, 334, 342, 350, 355, 386f., 390, 393, 396f., 400, 406, 418, 426, 431–433, 438, 440, 444, 446, 448, 451, 466, 469, 473, 477, 481, 485, 487f., 491–493, 497, 499f., 503f., 507f., 511 – s. auch Elementarbildung – s. auch Grammatik – s. auch Rhetorik Schule – als Institution 19, 22, 25f., 29, 58, 61, 72, 99, 352, 394 – Bischofsschule 12, 308, 494, 508 – christliche 11, 320, 361, 500

Register – Klosterschule 12, 272, 285, 315, 374 – schola christiana 77, 91, 101, 467, 136, 452f., 506–508 – s. auch Elementarschule – s. auch Grammatikschule – s. auch Rhetorikschule Schulunterricht – Elementarunterricht 7, 12, 19, 33f., 36–38, 52f., 64, 68, 256, 271, 366, 370, 454 – Grammatikunterricht 12, 20, 30–33, 38, 39–43, 87, 103, 125, 201, 370, 376, 380, 397–417, 437, 451, 493, 506, 508 – Rhetorikunterricht 12, 32, 39, 43– 46, 56, 64, 87, 125, 177, 201, 296, 385, 395, 417–448 simplicitas 5f., 73f., 76, 80, 93f., 178f., 181, 211, 262, 275, 304, 319, 325, 327, 336, 358, 395, 430, 435, 456– 459, 468 Soloezismen 225, 250, 298, 398f., 402–404 Sophisten 5, 28, 69, 78, 80, 87, 105f., 219, 228, 269, 316, 333, 355, 358, 362, 365, 402 – Zweite Sophistik 18, 69, 81, 346 Sozialgeschichte 13, 20, 97, 114–123, 137, 142 Stenographie 168, 354, 360, 370, 374 vir bonus, dicendi peritus 18, 35, 60, 167, 289, 341, 348, 353, 446 Vivarium 179, 392, 464f., 508 Volkskirchlichkeit 4, 145f., 498, 511 Victoria-Altar 2, 25, 105, 131, 152– 160, 163, 219, 366 Weisheit – göttlich 5f., 88f., 95, 106–108, 126, 208f., 211, 214f., 255, 257, 286, 316, 319, 357, 402, 413, 421, 424, 427, 441, 449f., 454f., 463, 469, 482 – weltlich 5f., 30, 32, 75–78, 95f., 104, 126, 211, 214–216, 262, 274, 304, 309, 336, 363, 399, 402, 454, 464, 469, 471, 473f., 479–481, 506 – und Beredsamkeit 160, 340–342, 346, 360, 381, 387, 463f.