Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG: Geltendes Recht. Kritik. Reform [1 ed.] 9783428551101, 9783428151103

Gemäß § 148 AktG können Aktionärsminderheiten, die ein Vorverfahren erfolgreich durchlaufen haben, ausgewählte Gesellsch

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Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG: Geltendes Recht. Kritik. Reform [1 ed.]
 9783428551101, 9783428151103

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Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Peter O. Mülbert, Uwe H. Schneider und Dirk A. Verse

Band 205

Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG Geltendes Recht. Kritik. Reform.

Von

Andreas Gaschler

Duncker & Humblot · Berlin

ANDREAS GASCHLER

Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG

Un t e r s u c h u n g e n ü b e r d a s Spar-, Giro- und Kreditwes en Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von

Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Prof. Dr. Dirk A. Verse

Band 205

Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG Geltendes Recht. Kritik. Reform.

Von

Andreas Gaschler

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

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© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7352 ISBN 978-3-428-15110-3 (Print) ISBN 978-3-428-55110-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-85110-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Geleitwort Das im Jahr 2005 durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Mo­ dernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) eingeführte Klagezulassungs­ verfahren nach § 148 AktG sieht eine aktienrechtliche actio pro socio vor: Aktionäre, die allein oder gemeinsam mindestens 1 % des Grundkapitals oder Aktien im Nominalwert von € 100.000 halten, können sich in dem Verfahren nach § 148 AktG unter bestimmten Voraussetzungen dazu er­ mächtigen lassen, Organhaftungsansprüche (und ausgewählte weitere An­ sprüche) im eigenen Namen für die Aktiengesellschaft geltend zu machen. Mit der Einführung dieses Instruments bezweckte der Gesetzgeber, die Anspruchsverfolgung durch eine Aktionärsminderheit im Vergleich zum früheren Recht (§ 147 Abs. 3 AktG a. F.) zu erleichtern und auf diese Weise die Präventionswirkung der Organhaftung zu stärken. Zugleich war der Gesetzgeber – nach den leidvollen Erfahrungen mit missbräuchlichen Be­ schlussanfechtungsklagen – aber auch sehr darauf bedacht, kein neues Einfallstor für missbräuchliche Aktionärsklagen zu schaffen. Heute, gut zehn Jahre später, hat sich gezeigt, dass der Gesetzgeber des UMAG die Gefahr des Klagemissbrauchs offenbar überbewertet und die Hürden der Anspruchsverfolgung für die Aktionärsminderheit immer noch zu hoch angesetzt hat. Bis heute ist das Klagezulassungs­verfahren in der Praxis kaum jemals zur Anwendung gekommen; es handelt sich, wie der Verfasser der vorliegenden Untersuchung pointiert feststellt, um „totes Recht“. Dass man aber auch über totes Recht eine vor Lebhaftigkeit gera­ dezu sprühende, innovative, inspirierende und meinungsfreudige Disserta­ tion schreiben kann, zeigt diese Schrift auf eindrucksvolle Weise. Die Untersuchung verfolgt – und erfüllt – ein doppeltes Anliegen: Zum einen gelingt es dem Verfasser, die geltende Regelung des Klagezulassungs­ verfahrens umfassend und in vielfältiger Weise über den bisherigen Diskus­ sionsstand hinausführend zu analysieren und ihre Schwächen (wie insbeson­ dere die Schwierigkeit der Informationsbeschaffung für die klagewilligen Aktionäre und das prohibitive Kostenrisiko) schonungslos offenzulegen. Zum anderen entwickelt die Arbeit mit umsichtiger, abgewogener Argumen­ tation eine ganze Reihe von bedenkenswerten Reformvorschlägen, die das Klagezulassungsverfahren zu Leben erwecken und de lege ferenda so ge­ stalten sollen, dass es seinen Zweck, die Anspruchsdurchsetzung zu effek­ tuieren, ohne missbräuchlichen Klagen Vorschub zu leisten, tatsächlich er­

6 Geleitwort

füllen kann. Unter anderem schlägt der Verfasser vor, wesentliche Zulas­ sungshürden (darunter das Antragsquorum) zu beseitigen, die Kostenrisiken für die verfolgungswillige Minderheit zu reduzieren, das Verfahren anstelle einer actio pro socio wieder auf die Bestellung eines besonderen Vertreters auszurichten und dessen Rechtsstellung in zentralen Punkten (insbesondere Informationszugang, Befugnis zum Abschluss von Vergleichen) gesetzlich zu regeln. Die Bedürfnisse der Praxis behält der Verfasser, der als Richter in der niedersächsischen Justiz tätig ist, dabei stets im Auge. Der Leser darf sich auf eine vorzügliche Studie freuen, die durch eine tiefgehende, rechtsdogmatisch präzise Analyse des geltenden Klagezulas­ sungsverfahrens und seiner Bezüge zum Recht der Sonderprüfung, zum materiellen Haftungsrecht und zum Prozessrecht ebenso besticht wie durch ihre fundierten Reformvorschläge. Kurz: eine hervorragende Dissertation, der hoffentlich ein großer Leserkreis beschieden sein wird! Mainz, im November 2016

Prof. Dr. Dirk A. Verse

Vorwort Das aktienrechtliche Klagezulassungsverfahren (§ 148 AktG) ist ohne jede praktische Bedeutung geblieben. Eine Reform ist erforderlich. Sie darf nicht aufgrund verfehlter Annahmen verweigert werden, die sich in der rechtspoli­ tischen Diskussion zunehmend verfestigt haben. Die Schwächen der gelten­ den Regelung aufzuzeigen und die Reformpfade auszuleuchten, ist das Anlie­ gen dieser Abhandlung. Ich habe sie zum Ende des Sommersemesters 2015 beim Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gu­ tenberg-Universität Mainz als Dissertation eingereicht, wo ich sie nach An­ nahme im Rigorosum vom 24.05.2016 verteidigte. Die vorliegende Druck­ fassung ist im Wesentlichen mit der eingereichten Fassung identisch. Es wurden noch Anregungen aus den Gutachten umgesetzt. Vereinzelt wurde der Text verbessert. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur befinden sich im Wesentlichen auf dem Stand vom Sommer 2015. Besonders einschlägige Erscheinungen habe ich noch nachträglich in diese Druckfassung eingearbei­ tet, an vorderster Stelle die Berliner Dissertation von Max L. Kanzow. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dirk A. Verse, M. Jur. (Oxford), bin ich zu unendlichem Dank verpflichtet. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl in Osnabrück durfte ich Elementares über das wissenschaftliche Arbeiten lernen, über stringente Gedankenführung und strenge Logik genauso wie über die Kraft und Ästhetik ganzheitlicher, aus einer gedanklichen Kernsubstanz entwickelter Lösungen. Er lehrte auch, dass es unverzichtbar ist, eigenen Ideen zu vertrauen und sie mutig umzu­ setzen. Immer war er diskussionsbereit über die vorliegende Arbeit, ohne sie in eine Richtung zu lenken. Auch was er ganz ungezwungen an Werten vermittelte, wurde prägend für mein Leben: Aufgeschlossenheit gegenüber den Einsichten anderer, Verzicht auf Selbstgerechtigkeit, echte Liberalität. Fast trivial mutet dagegen an zu erwähnen, dass es ihm eine Selbstverständ­ lichkeit war, akademische Vorhaben wie mein LL.M.-Studium äußerst groß­ zügig zu unterstützen. Herrn Professor Dr. Peter O. Mülbert danke ich für ein Zweitgutachten, das nicht nur sehr zügig erstellt wurde, sondern auch viele inspirierende Anmerkungen enthielt. Zuletzt danke ich meinen Eltern, die mein Studium und diese Arbeit vorbehaltlos unterstützt haben. Ihnen widme ich die Arbeit. Edemissen, im September 2016

Andreas Gaschler

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Fragestellung und Anliegen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Kapitel

Grundlagen des Verfolgungsrechts 

28

§ 2 Das Verfolgungsrecht im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 § 3 Rechtstatsächlicher Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 § 4 Das Verfolgungsrecht im System der Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . 31 I. Verwaltungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Zum Stellenwert des § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 § 5 Zweckbestimmung des § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Kompensationszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Präventive Steuerung des Organwalterhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Standpunkt des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Überzeugungskraft des Präventionsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Konkretisierung der Verhaltensmaßstäbe für Verwaltungsorgan­ mitglieder  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 IV. Förderung des Anlegervertrauens in den deutschen Finanzplatz . . . . . 49 V. Sonstige öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 VI. Relative Bedeutung der Sanktionswahrscheinlichkeit (certainty) und der Sanktionshöhe (severity) für die Verwirklichung der Haftungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Gründe für eine gemäßigte Höhe der Ersatzansprüche . . . . . . . 53 b) Argumente für eine häufige Durchsetzung der Innenhaftungs­ ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Vertrauensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 § 6 Regelungspolitisches Spannungsfeld des Verfolgungsrechts . . . . . . . . . . . . 67 I. Umgang mit Zweckkollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Erfolgsbedingungen des Antragsrechts und das Risiko des Rechtsmissbrauchs und nachteiliger Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Abstimmung mit der Verbandsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

10 Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel

Das Verfolgungsrecht de lege lata 

71

§ 7 Anwendungsbereich des § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Ersatzansprüche aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung  . 72 1. Unredlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Grobheit der Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Veranschaulichung anhand der Pflichtverletzungen des Vor­ stands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Pflichtverletzungen bei unternehmerischen Entscheidungen (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Pflichtverletzungen außerhalb unternehmerischer Entschei­ dungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) Veranschaulichung anhand der Pflichtverletzungen des Auf­ sichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 III. Konzernrechtliche Ansprüche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 § 8 Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Verfahrensrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Beteiligte des Klagezulassungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Partieller Untersuchungsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4. Schriftliches Verfahren oder mündliche Verhandlung? . . . . . . . . . . 94 5. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. Das Antragsquorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 III. Aktienerwerb vor Kenntnis oder Kennenmüssen von Pflicht­ verletzung oder Schaden (contemporanous ownership rule) . . . . . . . . 96 IV. Aufforderung der Gesellschaft zur Klage und Fristsetzung . . . . . . . . . 97 1. Aufforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Setzung einer angemessenen Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Verstreichen der Frist  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Entbehrlichkeit der Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 V. Vorliegen von Verdachtstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Verdacht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 VI. Keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls (§ 148 Abs. 1 Satz  2 Nr. 4 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Grundstruktur der Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Für Rechtsverfolgung zu gewichtende Aspekte  . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Wert der Klageforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Inhaltsverzeichnis11 b) Sekundäre Vorteile der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Öffentliche Klagezwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Gegen Rechtsverfolgung zu gewichtende Aspekte . . . . . . . . . . . . . 116 a) Kreis der Gegengründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Ausschluss persönlicher Interessen der Organmitglieder . . . 117 bb) Beschränkungen aus Zweck und Funktionsbedingungen des Zulassungsverfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 cc) Beschränkungen aus Wertung des § 145 Abs. 4 AktG? . . . . 119 b) Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit? . . . . . . . . . . 122 c) Einzelne entgegenstehende Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Primäre Kosten eines Klageverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Nachteile aus dem Bekanntwerden von Tatsachen im Klageverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 cc) Schädliches „Wachhalten“ des Pflichtverstoßes . . . . . . . . . . 127 dd) Behinderung der Vorstands- und Aufsichtsratsarbeit und notwendige Trennung vom Organmitglied . . . . . . . . . . . . . . 128 ee) Beeinträchtigung des Betriebsklimas und des Autoritäts­ gefüges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 ff) Schonung eines verdienten Organmitglieds . . . . . . . . . . . . . 130 gg) Mehrfache Antragstellung (sog. Me-too-Klagen) . . . . . . . . . 131 hh) Mangelnde Eignung des Antragstellers als Repräsentant der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Darlegungs- und Beweislast  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 5. Auswirkungen eines Schiedsverfahrens auf die Abwägung . . . . . . 133 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 § 9 Das Klageverfahren (§ 148 Abs. 4 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Nochmalige Fristsetzung   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Pflichten der Organmitglieder nach Klagezulassung . . . . . . . . . . . . . . 139 § 10 Klagezulassungs- und Klageverfahren übergreifende Fragestellungen . . . . 143 I. Die Informationsbeschaffung für das Klagezulassungs- und das Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Gesellschaftsrechtliche Instrumente der Beschaffung von Informationen und Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Berichterstattung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Auskunftsanspruch (§ 131 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Sonderprüfung (§§  142 ff.  AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Grundzüge des gerichtlichen Bestellungsverfahrens . . . . . . 148 (1) Subsidiaritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (2) Verdachtstatsachen und Amtsermittlungsgrundsatz . . . . 150 bb) Ergebnisse der Sonderprüfung und deren Verwendung im Klagezulassungs- und Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

12 Inhaltsverzeichnis (1) Inhalt des Sonderprüfungsberichts und Verwendung in den Verfahren gem. § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (2) Vernehmung des Sonderprüfers als Zeuge in Verfah­ ren gem. § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 cc) Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Gesellschaftsrechtlicher Anspruch auf Auskunft und Buchein­ sicht als Annex zu § 148 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 e) Geltendmachung von Auskunfts- und Rechnungslegungsan­ sprüchen der Gesellschaft gem. § 148 AktG? . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Pflicht der Gesellschaftsorgane zur Unterstützung des Klage­ verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Prozessuale Instrumente zur Schließung von Kenntnislücken und zur Beweisführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Anscheinsbeweise und tatsächliche Vermutungen . . . . . . . . . . . 164 b) Sekundäre Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 c) Urkundenvorlegung, §§ 421 ff., 142 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 d) Zeugenbeweis (§§ 373 ff. ZPO) und Parteivernehmung (§§  445 ff. ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Vernehmung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern im Zulassungs- und Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Problem des Ausforschungsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Verzicht und Vergleich in ihrer Bedeutung für die Verfahren gem. § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Voraussetzungen eines Verzichts und Vergleichs  . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Rechtmäßigkeitskontrolle der Verzichts- oder Vergleichs­ entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Exkurs: Probleme der Willensbildung bei § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4. Auswirkungen von Vergleichsverhandlungen und -abschlüssen so­ wie internen Untersuchungen auf die Verfahren gem. § 148 AktG . 193 III. Verhältnis von Gesellschafter- und Gesellschaftsklage  . . . . . . . . . . . . 194 IV. Gesellschaftsrechtliche Pflichten und Haftung antragstellender und prozessführender Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 V. Verfahrenskosten und materiellrechtliche Kostenerstattung . . . . . . . . . 199 1. Prozessuale Kostenentscheidung in Bezug auf das Klage­ zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Kostenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Berechnung der Kosten der Aktionäre im Unterliegensfall . . . . 200 aa) Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (1) Streitwertberechnung gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GKG i. V. m. § 3 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (2) Kosten der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Verfahrenskosten der Antragsgegner  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

Inhaltsverzeichnis13 cc) Kosten der beigetretenen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 dd) Kosten der Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 ee) Berechnungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 ff) Möglichkeiten der Minderung des Kostenrisikos . . . . . . . . 210 c) Umfang der Kostenerstattung im Obsiegensfall . . . . . . . . . . . . . 211 2. Prozessuale Kostenentscheidung in Bezug auf das Klageverfahren  212 3. Materiellrechtliche Kostenerstattungsansprüche der Aktionäre gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Anspruchsinhalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c) Erforderlichkeitsgrenze des materiellrechtlichen ­Kostenerstattungsanspruchs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Kapitel

Das Verfolgungsrecht de lege ferenda  

217

§ 11 Schlussfolgerungen aus dem rechtstatsächlichen B ­ efundund Reform­ alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 § 12 Die Reformansatzpunkte für ein effektives gerichtliches Durchsetzungs­ verfahren – zugleich Kritik des § 148 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Anwendungsbereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Restriktionen des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . 223 a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Lösungsoptionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Einbindung konzernrechtlicher Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Antragsquorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 a) Erschwerung der Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Gründe für Beibehaltung eines Antragsquorums . . . . . . . . . . . . 243 aa) Verhinderung von Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (1) Erpressung in Bezug auf das Zulassungsverfahren als Unterfall des institutionellen Rechtsmissbrauchs . . 243 (2) Erpressung im Klageverfahren als weiterer Unterfall des institutionellen Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . 251 (3) Sonstige Missbrauchsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (4) Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb) Vermeidung von Anträgen ohne Erfolgsaussicht . . . . . . . . . 256 c) Ausgewogenes Verhältnis der Haftungszwecke . . . . . . . . . . . . . 258 2. Lösungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Stufenmodell bei Erweiterung des Anwendungsbereichs?  . . . . . . . 263 III. Überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

14 Inhaltsverzeichnis 1. Kritische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Entmutigung der Aktionäre und Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . 265 b) Vernachlässigung öffentlicher Klagezwecke . . . . . . . . . . . . . . . . 266 c) Gefahr überschießender Einschränkung der Anspruchs­ verfolgung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 d) Abwägung mit Vorteilen der Schutzwirkung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Regelungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 IV. Adäquate Repräsentation der Gesellschaft: Aktionärsklage oder besonderer Vertreter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Kritik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Fehlende Informationsrechte der zugelassenen Aktionäre . . . . . 276 b) Keine Befugnis zu außergerichtlichen Verhandlungen . . . . . . . . 278 c) Strikte Subsidiarität der Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Lösungsansätze: Stärkung der Aktionärsbefugnisse oder ­Einführung eines Sondervertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Reformziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Abwägung der Reformalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 c) Regelungen zum Sondervertreter de lege ferenda . . . . . . . . . . . 286 aa) Anforderungen an die Person des Sondervertreters . . . . . . . 287 bb) Vorschlagsprärogative der Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . 288 cc) Auswechslung eines ungeeigneten Sondervertreters   . . . . . 289 dd) Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 ee) Verantwortlichkeit und Haftung des Sondervertreters . . . . . 292 V. Zugang zu prozessrelevanten Informationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Informationsgewinnung im Bestellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Umkehr der Beweislast entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG . 295 b) Geltung des Untersuchungsgrundsatzes nach dem FamFG . . . . 296 aa) Die Sachverhaltsaufklärung und Beweisführung im neuen FamFG-Vorverfahren: Vorteile und Grenzen . . . . . . . . . . . . 296 bb) Elemente des Beibringungsgrundsatzes im Bestellungs­ verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Zugang zu Informationen durch besonderen Vertreter . . . . . . . . . . 302 a) Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 aa) Allgemeiner Teil der Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . 303 (1) Erforderlicher funktionaler Bezug der Information zur Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (2) Problem der Auskunfts- und Vorlageverweigerungs­ rechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 bb) Kreis der zur Auskunft Verpflichteten  . . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Weitere Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 VI. Kostenrisiken und Anreize  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Kritik des geltenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Inhaltsverzeichnis15 2. Lösungsansätze für Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 a) Verbesserungen durch Übergang vom Zulassungs- zum ­Bestellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 b) Begrenzung der Kostenrisiken im Bestellungsverfahren . . . . . . 322 c) Positive Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 aa) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . 326 bb) Ertragsbasierter Ansatz (Quota-litis-Methode) . . . . . . . . . . . 329 cc) Abwägungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 dd) Konkreter aufwands- und risikobezogener Ausgleich . . . . . 333 (1) Aufwendungsersatz und Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (2) Risikovergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (3) Relative Begrenzung des Anspruchs  . . . . . . . . . . . . . . 344 (4) Zusätzliche Deckelung der Kostenrisiken im ­Bestellungsverfahren und Optionsmodell . . . . . . . . . . . 345 (5) Zulässigkeit nach deutschem und europäischem Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 (6) Anwendungsbeispiel und mögliche Variationen des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 3. Lösungsansätze für Rechtsanwälte und besondere Vertreter . . . . . . 351 a) Bestellung des Prozessvertreters der Aktionäre zum ­besonderen Vertreter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 b) Vergütung besonderer Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 § 13 Verwirklichung der Reformansatzpunktein einem institutionellen ­Vorverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 § 14 Verfolgungsrecht und materiellrechtlicher Anspruch  . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 I. Beschränkung des Haftungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Umsetzung einer Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 a) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 b) Regelungstechnische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 aa) Haftungsbegrenzungen in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 bb) Starre gesetzliche Haftungsobergrenzen (caps) . . . . . . . . . . 367 cc) Variable gesetzliche Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . 372 (1) Allgemeine schadensrechtliche Billigkeitsklausel . . . . . 372 (2) Aktienspezifische Billigkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . 372 dd) Eigener Ansatz: Rahmenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 (1) Der Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 (2) Die Ausfüllung des Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 (3) Vorkehr für marktuntypische Vergütungen . . . . . . . . . . 383 2. Abstimmung mit der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 II. Abstimmung mit § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 1. Dreijahresfrist  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. Widerspruchsquorum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

16 Inhaltsverzeichnis a) Angleichung des Widerspruchsquorums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 b) Reformalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 III. Abstimmung des § 148 AktG mit außergerichtlicher Anspruchs­ durchsetzung durch das zuständige Verwaltungsorgan . . . . . . . . . . . . . 393 § 15 Besondere Regeln für „kleine“ oder nichtbörsennotierte Aktiengesell­ schaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Auffassung / Ansicht a. a. O. am angeführten / angegebenen Ort ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch a. F. alte Fassung AG Aktiengesellschaft AG Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AG Amtsgericht AktG Aktiengesetz Am. Econ. Rev. American Economic Review Am. Psychol. American Psychologist AnwBl Anwaltsblatt Ariz. L. Rev. Arizona Law Review Art. Artikel ARUG Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009 Aufl. Auflage BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BAG Bundesarbeitsgericht BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLGZ Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen BBl Das Bundesblatt der Schweiz Bd. Band BeckRS Beck-Rechtsprechung BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BörsG Börsengesetz BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch der Niederlande) BW

18 Abkürzungsverzeichnis bzw. beziehungsweise Cal. L. Rev. California Law Review Can. Pub. Pol’y Canadian Public Policy CCZ Corporate Compliance Zeitschrift Chic. L. Rev. University of Chicago Law Review Colum. L. Rev. Columbia Law Review CORI Contracting & Organizations Research Institute D&O directors and officers DAV Deutscher Anwaltverein DB Der Betrieb DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex Del. Ch. Delaware Court of Chancery Del. J. Corp. L. The Delaware Journal of Corporate Law ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselben DPR Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DSW Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. Duke L. J. Duke Law Journal ECFR European Company and Financial Law Review ECGI The European Corporate Governance Institute Econ. Lett. Economic Letters etc. et cetera (und so weiter) EU Europäische Union e. V. eingetragener Verein f. und folgende(r) Seite / Paragraph FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung ff. und folgende Seiten / Paragraphen FGG Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit FGPrax Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Fn. Fußnote Fordham L. Rev. Fordham Law Review FS Festschrift gem. gemäß Geo. Wash. L. Rev. The George Washington Law Review

Abkürzungsverzeichnis19 GesKR

Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

ggf. gegebenenfalls GKG Gerichtskostengesetz GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haf­ tung

GmbHR GmbH-Rundschau GNotKG

Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Ge­ richte und Notare

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

HGB Handelsgesetzbuch h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

Hous. L. Rev.

Houston Law Review

Hum. Relat.

Human Relations

i. d. F.

in der Fassung

i. d. R.

in der Regel

i. H. v.

in Höhe von

IKB

IKB Deutsche Industriebank AG

InsO Insolvenzordnung Int. J. Confl. Manage. The International Journal of Conflict Management Iowa L. Rev.

Iowa Law Review

i. S. d.

im Sinne des / der

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

J. Crim.   L. & Criminology

Journal of Criminal Law & Criminology

J. Econ. Lit.

Journal of Economic Literature

J. Econ. Perspect.

The Journal of Economic Perspectives

J. Financ.

Journal of Finance

J. Financ. Econ.

Journal of Financial Economics

J. Legal Stud.

Journal of Legal Studies

J. Marketing Res.

Journal of Marketing Research

20 Abkürzungsverzeichnis J. Neurosci.   Psychol. Econ. J. of Law & Econ. J. Pers. Soc. Psychol. J. Pol. Econ. J. Risk Uncertainty JA JVEG

Journal of Neuroscience, Psychology, and Economics

The Journal of Law and Economics Journal of Personality and Social Psychology Journal of Political Economy Journal of Risk and Uncertainty Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmet­ scherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten JZ JuristenZeitung KapMuG Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten KfH Kammer für Handelssachen KgaA Kommanditgesellschaft auf Aktien KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbe­ reich vom 27.4.1998 KWG Gesetz über das Kreditwesen L. & Soc. Rev. Law and Society Review Law & Contemp. Law and Contemporary Problems  Probs. LG Landgericht li. Sp. linke Spalte Manag. Sci. Management Science MarkenG Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzei­ chen Md. L. Rev. Maryland Law Review Minn. L. Rev. Minnesota Law Review m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport No. number Nr. Nummer Nw. U. L. Rev. Northwestern University Law Review N.Y.U. L. Rev. New York University Law Review NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung

Abkürzungsverzeichnis21 OLG Oberlandesgericht OR

Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht)

Or. L. Rev.

Oregon Law Review

Osgoode Hall L. J.

Osgoode Hall Law Journal

o. V.

ohne Verfasser

PatG Patentgesetz Proc. Natl. Acad. Sci. Proceedings of the National Academy of Sciences of the   U.S.A. United States of America Psychol. Bull.

Psychological Bulletin

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts)

re. Sp.

rechte Spalte

Rev. Gen. Psycho.

Review of General Psychology

RG Reichsgericht RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn. Randnummer RVG

Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

s. siehe S. Satz S. Seite S. Cal. Interdis. L. J. Southern California Interdisciplinary Law Journal SchiedsVZ

Zeitschrift für Schiedsverfahren

schweizFusG

Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Ver­ mögensübertragung vom 3. Oktober 2003, Schweiz

SE

Europäische Gesellschaft (Societas Europaea)

SEC

Securities Exchange Commission

Soc. Forces

Social Forces

sog. sogenannt SpruchG Spruchverfahrensgesetz StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung S.Z.

Süddeutsche Zeitung

SZW / RSDA

Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanz­ marktrecht

Tul. L. Rev.

Tulane Law Review

U.C. Davis L. Rev.

UC Davis Law Review

U. Chi. L. Rev.

University of Chicago Law Review

22 Abkürzungsverzeichnis UCLA L. Rev. UCLA Law Review UMAG Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22.09.2005 UmwG Umwandlungsgesetz UNSW L. J. University of New South Wales Law Journal U. Pa. L. Rev. University of Pennsylvania Law Review UrhG Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte usw. und so weiter u. U. unter Umständen Va. L. Rev. Virginia Law Review Vand. J. Transnat’l L. Vanderbilt Journal of Transnational Law Var. Variante VersR Versicherungsrecht (Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haf­ tungs- und Schadensrecht) vgl. vergleiche Vol. Volume VorstAG Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. Juli 2009 VRiLG Vorsitzender Richter am Landgericht VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag VwGO Verwaltungsgerichtsordnung WiB Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) WM Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WpHG Gesetz über den Wertpapierhandel Yale L. J. The Yale Law Journal z. B. zum Beispiel ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZÖR Zeitschrift für öffentliches Recht ZPO Zivilprozessordnung ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht z. T. zum Teil ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozeß

§ 1  Einleitung I. Fragestellung und Anliegen der Untersuchung Verletzen die Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder ihre Pflichten ge­ genüber der Aktiengesellschaft, sind sie dieser zum Ersatz eines daraus entstandenen Schadens verpflichtet (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG; § 116 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die Ersatzansprüche stehen ausschließlich der Aktiengesellschaft zu, nicht hingegen den Anteilseignern.1 Diese sog. Innenhaftung bei Aktiengesellschaften ist derzeit wieder in aller Munde. Einerseits fokussierte sich das Interesse auf Finanzinstitute. Vorstandsmit­ glieder von Banken hatten im Vorfeld der globalen Banken- und Finanzkri­ se 2007 / 20082 angeleitet oder jedenfalls zugelassen, dass Mitarbeiter in hohem Umfang in Verbriefungen US-amerikanischer Hypothekenkredite (sog. Subprime-Kredite) investierten. Die Vorstandsmitglieder haben sich bei ihrer Risikoanalyse wesentlich auf die Einstufungen von Ratingagentu­ ren verlassen.3 Zum anderen sind Verletzungen von Antikorruptionsbestim­ mungen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Rechtsnormen etwa des Kar­ tellrechts in das Blickfeld geraten. Gesellschaften, denen solche Pflichtver­ stöße nachgewiesen werden, müssen hohe Bußgelder entrichten. Beispielhaft ist die sog. Schmiergeldaffäre der Siemens AG zu nennen: Mitarbeiter zahlten weltweit Schmiergelder, um für die Siemens AG lukrative Aufträge zu erlangen.4 Einschließlich der Kosten der Aufklärung und der Bußgelder ist der Siemens AG ein Schaden von 2,5 Milliarden Euro entstanden.5 1  So der bis heute unveränderte Ausgangspunkt des historischen Gesetzgebers des Aktiengesetzes (1884), Allgemeine Begründung zum Gesetz betreffend die KGaA und die AG von 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (1985), S. 469; Habersack, DStR 1998, 533. 2  Zur Finanzkrise Claussen, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 247; Rudolph, ZGR 2010, 1. 3  Zu diesem Sich-Verlassen auf Ratings insbesondere eine die IKB Deutsche In­ dustriebank AG betreffende Leitentscheidung des OLG Düsseldorf vom 09.12.2009 – 6 W 45/09, AG 2010, 126. 4  Ein Untersuchungsbericht der Kanzlei Hengeler Mueller stellte fest, der alte Vorstand habe die Praxis toleriert und „in manchen Fällen sogar bewusst verhin­ dert“, dass Mitarbeiter zur Rechenschaft gezogen wurden; so berichtet Ott, Was Siemens Pierer vorwirft, S.Z. vom 17.05.2010, www.sueddeutsche.de. 5  Köhn, Thomas Ganswindt kommt vor Gericht, F.A.Z. vom 28.12.2010, www. faz.net.

24

§ 1 Einleitung

Vorrangig ist das vertretungsbefugte Verwaltungsorgan berufen, Innenhaf­ tungsansprüche einzufordern und nötigenfalls einzuklagen. Vertretungsbe­ fugt ist der Vorstand (§ 78 Abs. 2 AktG), bei Ansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands der Aufsichtsrat (§ 112 Satz 1 AktG).6 Dieser Anspruchsdurchsetzung durch die Verwaltungsorgane werden al­ lerdings aufgrund struktureller Interessenkonflikte seit jeher Funktionsdefi­ zite attestiert; in den Worten Marcus Lutters geht sie „an der Realität des Lebens und seiner Hackordnungen schlicht vorbei“.7 Vorstandsmitglieder verklagen demnach ersatzpflichtige Aufsichtsratsmitglieder nicht, denen sie ihre Bestellung verdanken.8 Umgekehrt klagen auch die Mitglieder des Aufsichtsrats oft nicht gegen Vorstandsmitglieder. Denn ihnen fällt es schwer, Vorstandsmitglieder, denen sie kollegial verbunden sind, einer Pflichtverletzung zu bezichtigen.9 Sie befürchten zudem, dass im Verfahren gegen Vorstandsmitglieder eigene Versäumnisse bei der Überwachung des Vorstands aufgedeckt werden könnten.10 Bereits gem. Art. 223 ADHGB (1884) konnte daher die Hauptversamm­ lung die Anspruchsdurchsetzung durch Mehrheitsbeschluss erzwingen. Da­ neben stand auch einer Aktionärsminderheit mit 20 % des Grundkapitals das Verfolgungserzwingungsrecht zu. Der Gesetzgeber wollte damit der Gefahr entgegenwirken, dass Großaktionäre, die Sondervorteile auf Kosten der Gesellschaft erlangt haben, kolludierende Organmitglieder mit der Macht ihrer Stimmen vor einer Verfolgung bewahren.11 Das Minderheitsrecht zur 6  Auch das entspricht dem Ausgangspunkt des historischen Gesetzgebers des Aktiengesetzes (1884), Allgemeine Begründung zum Gesetz betreffend die KGaA und die AG von 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (1985), S. 470. 7  Lutter, JZ 2000, 837, 840; ähnlich G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 34, nach denen die Inanspruchnahme in praxi oft nicht funktioniere; Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 92, der die Verfolgung von Ansprüchen gegen amtierende Mitglieder der Organe für „pure Theorie“ hält. 8  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 34: „Bißsperre“; Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 92 hält eine solche Klage für „undenkbar“. 9  Zum Interessenkonflikt bei kollegialer Verbundenheit Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20, li. Sp.; auch Kanzow, Akti­ onärsklagen (2016), S. 42; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 239. 10  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20, li. Sp.; Baums, Gutachten F für den 63. Deutschen Juristentag (2000), F 241; G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 34; Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 92; Kanzow, Aktio­ närsklagen (2016), S. 42. 11  Zu den Gründen des historischen Gesetzgebers Allgemeine Begründung zum Gesetz betreffend die KGaA und die AG von 1884, abgedruckt bei Schubert/ Hommelhoff (1985), S. 469.



§ 1 Einleitung25

Anspruchsdurchsetzung wurde vielfach reformiert, zuletzt durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG).12 Mit diesem letzten Reformgesetz wurde es auf eine aktienrecht­ liche actio pro socio13 umgestellt (§ 148 AktG): Aktionäre, die über 1 % der Gesellschaftsanteile oder Anteile mit einem Nennwert von 100.000 Euro verfügen und ein Klagezulassungsverfahren erfolgreich durchlaufen, können als gesetzliche Prozessstandschafter ausgewählte Gesellschaftsansprüche im eigenen Namen einklagen.14 Die Minderheitsaktionäre sind aufgrund des geringen Mindestaktienbesitzes eine zwar fragwürdige,15 zugleich aber die letzte innerhalb der Gesellschaft stehende Kontrollinstanz.16 Mehrere Autoren haben zuletzt die Funktionsfähigkeit der zum 01.11.2005 in kraft getretenen Neuregelung des § 148 AktG in Frage gestellt.17 Anlass für die Kritik ist auch der empirische Befund, nach dem es nahezu keine Verfahren gem. § 148 AktG gegeben hat.18 Aus diesem Umstand schließen Autoren vermehrt auf Defizite der Neuregelung.19 Peltzer hat angesichts der zahlreichen Zulassungskautelen des § 148 Abs. 1 AktG Zweifel geäußert, „ob der Gesetzgeber ernsthaft die Installation eines Verfahrens gewollt hat, mit dem gute Corporate Governance und das Vertrauen des Kapitalmarktes gefördert werden sollte, oder ob hier nicht durch eine bewundernswert ef­ fektive Lobbyarbeit ein Potemkisches Dorf, die Attrappe einer effektiven Selbstreinigung, hingestellt wurde und das erst nach Jahren auffällt“.20 Rechtspolitische Forderungen zur Reform des § 148 AktG reichen vom Klage- oder Antragsrecht eines jeden Aktionärs21 über die Schaffung bisher 12  BGBl. I

2005, S. 2802, in Kraft seit 01.11.2005. Begriff Habersack, Mitgliedschaft, S. 11; zur Definition der actio pro socio auch Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 23, li. Sp. 14  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 23, li. Sp. 15  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 37. 16  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 38. 17  Mit unterschiedlichen Kritikschwerpunkten Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 92 ff.; Lutter, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763; Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953; Schmolke, ZGR 2011, 398; Semler, in: FS Goette (2011), S. 499; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 241 ff. 18  Dazu unten Kapitel 1, §  3 sowie die Untersuchung von Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 753, 754 f. 19  Exemplarisch Schmolke, ZGR 2011, 398, 402 f.; eingehend zu den Schlussfol­ gerungen aus den empirischen Fakten noch unten, Kapitel 3, § 11 I. 20  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 962. 21  Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 106, der ein unmittelbares Einzelklagerecht unter Verzicht auf ein Zulassungsverfahren bevor­ 13  Zum

26

§ 1 Einleitung

fehlender finanzieller Antrags- und Klageanreize für Aktionäre22 bis zur Wiedereinführung eines besonderen Vertreters mit umfassenden Befugnissen zur Sachverhaltsermittlung.23 Gleichsam out of the box empfiehlt Peltzer dem Gesetzgeber, sich vom gerichtlichen Zulassungsverfahren ab- und ei­ nem Zulassungsverfahren vor der Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) zuzuwenden.24 Noch weiter von der aktienrechtlichen Tradition entfernen sich Autoren, die gar eine externe Einrichtung zur Klage ermächtigen wol­ len, etwa die DPR25 oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)26. Die vorliegende Arbeit setzt sich nach eingehender Darstellung des § 148 AktG mit der Kritik und den Reformvorschlägen auseinander und entwickelt eigenständige Reformansätze. Dabei werden besondere Reform­ fragen der Organinnenhaftung und ihrer Durchsetzung, die sich nur bei re­ gulierten Unternehmen wie Kreditinstituten27 und öffentlichen Unterneh­ men28 stellen, weitgehend ausgeklammert.

II. Gang der Untersuchung Der erste Teil nimmt sich der Grundlagen des Verfolgungsrechts an: Auf einen Überblick über § 148 AktG folgt zunächst ein aktueller rechtstatsäch­ licher Befund. Um den Stellenwert des § 148 AktG beurteilen zu können, müssen sodann auch alternative Pfade der Anspruchsdurchsetzung ausge­ leuchtet werden. Es schließt sich eine Darstellung der regelungspolitischen Zwecke an, die der Gesetzgeber mit § 148 AktG verfolgt. Abschließend soll gezeigt werden, dass § 148 AktG als Antwort auf einige regelungspolitische Grundfragen zu begreifen ist. Auf diese Grundfragen muss jede weitere Reform des Verfolgungsrechts überzeugend antworten. Der zweite Teil stellt das geltende Recht des § 148 AktG in wesentlichen Einzelbezügen dar. Es sind die Regelungsbestandteile zu vertiefen, die als zugt; für ein Antragsrecht jedes Aktionärs in einem Zulassungsverfahren etwa Schmolke, ZGR 2011, 398, 425. 22  Schmolke, ZGR 2011, 398, 434 ff. 23  Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 510 f. 24  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 964 ff. 25  Lutter, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 769 f. 26  Hellwig, in: FS Maier-Reimer (2010), S. 201, 215. 27  Dazu eingehend U. H. Schneider, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentags (2015), N 47 ff.; vgl. auch die diesbezüglichen Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschlusspunkte 17. bis 19. 28  Dazu eingehend U. H. Schneider, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentags (2015), N 53 ff.; vgl. auch die diesbezüglichen Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschlusspunkte 20. bis 21.



§ 1 Einleitung27

„Sand im Getriebe“ verantwortlich für das weitgehende Ausbleiben von Zulassungsverfahren sein könnten: Der Anwendungsbereich, der auf schwer­ wiegende Pflichtverstöße beschränkt ist (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG); die Interessenabwägung (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG), nach der die Organmitglieder und die Gesellschaft der Klagezulassung überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls entgegenhalten können; der möglicherweise zu eingeschränkte Zugang der Aktionäre zu den Informationen der Gesell­ schaft, die sie für eine erfolgversprechende Prozessführung brauchen; und schließlich die Kostenrisiken der Aktionäre im Zulassungs- und Klagever­ fahren. Der dritte Teil bewertet § 148 AktG unter Ausschöpfung der in den bei­ den vorausgehenden Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse rechtspolitisch, um aus der Kritik Reformvorschläge zu entwickeln. Ausgangspunkt der Überle­ gungen sind die Verhältnisse der börsennotierten Aktiengesellschaft (zur Definition § 3 Abs. 2 AktG) in Streubesitz. Denn die Publikumsgesellschaft ist weiter Leitbild des Aktiengesetzes.29 Ob die Reformvorschläge auch für „private“, nichtbörsennotierte Gesellschaften die Weichen rechtspolitisch zutreffend stellen, wird in einem sich anschließenden Kapitel gesondert beleuchtet.

29  Bayer,

in: FS Hopt (2010), S. 373, 374.

1. Kapitel

Grundlagen des Verfolgungsrechts § 2  Das Verfolgungsrecht im Überblick § 148 AktG hat seinen Vorläufer im Klageerzwingungsrecht der Minder­ heit. Bereits Art. 223 Abs. 1 ADHGB (1884) regelte, dass das zuständige Verwaltungsorgan ausgewählte Gesellschaftsansprüche1 geltend machen musste, wenn eine Minderheit mit 20 % des Grundkapitals es verlangte. Das zuständige Gericht konnte von der Minderheit bezeichnete Personen als Bevollmächtigte für die Prozessführung bestellen (Art. 223 Abs. 2 Satz 2 ADHGB 1884). Letzte Reformschritte vor dem UMAG hatte der Gesetzgeber 1998 mit dem KonTraG2 gemacht: Zusätzlich zum Klageerzwingungsrecht, für das seit der Regelung des § 268 Abs. 1 HGB 1900 eine Beteiligung von 10 % am nominellen Grundkapital genügte (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG i. d. F. des KonTraG),3 konnten nun auch Aktionäre mit 5 % des Grundkapitals4 oder einem anteiligen Betrag von 500.000 Euro einen Antrag auf gerichtliche Bestellung eines besonderen Vertreters stellen (§ 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des KonTraG). In der Praxis erlangte keine der Regelungen nennenswerte Relevanz.5 Das Quorum von 10 % erwies sich genauso als kaum überwindbare Hürde6 wie das Quorum von 5 % oder eines rechnerischen Anteils von 500.000 Euro 1  Das waren die Ansprüche aus der Gründung, aus der Geschäftsführung gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie aus der Liquidation gegen die Liqui­ datoren und den Aufsichtsrat. 2  Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.04.1998, BGBl. I S. 786. 3  Näher dazu Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 10 f. 4  Zuvor hatte bereits die Regelung des § 122 AktG 1937 das Quorum einmal auf eine Beteiligung in Höhe von 5 % des Grundkapitals herabgesetzt; dazu Pansa, Ak­ tionärsklageverfahren (2008), S. 14 f. Das Aktiengesetz 1965 war aber wieder zum Quorum von 10 % zurückgekehrt; Pansa, a. a. O., S.  23 f. 5  Zuletzt zum § 147 Abs. 3 i. d. F. des KonTraG auch Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20, li. Sp. 6  G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 3.



§ 2  Das Verfolgungsrecht im Überblick29

nach dem KonTraG.7 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung verspricht hier keinen wissenschaftlichen Gewinn.8 Auf Vorarbeiten aus der Wissenschaft9 aufbauend, wurde das Minderheits­ recht mit § 148 AktG i. d. F. des UMAG erneut reformiert. § 148 AktG verab­ schiedet sich vom Klageerzwingungsverfahren und dem Einsatz eines beson­ deren Vertreters und ermöglicht Aktionären nunmehr, Gesellschaftsansprüche im eigenen Namen einzuklagen. Damit hat sich letztlich u. a. Großfeld durch­ gesetzt, der bereits in seiner Habilitationsschrift von 1968 auf die „Durch­ schlagskraft“ und den „emotionalen Schwung“ eines eigenen Klagerechts hinwies.10 Aktionäre, die über 1 % des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 Euro verfügen, können beantragen, die in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG aufgezählten Gesellschaftsansprüche als Prozessstandschafter geltend zu machen (§ 148 Abs. 1 Satz 1 AktG). Als Gegengewicht zu dem niedrigen Antragsquorum hat der Gesetzgeber besondere Zulassungskautelen geschaffen wie die vorherige Aufforderung der Gesellschaft, selbst Klage zu erheben (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG),11 die Darlegung von Verdachtstat­ sachen einer Unredlichkeit oder groben Pflichtverletzung (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) und die umfassende Abwägung der für und gegen die Klagezulassung streitenden Interessen (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG). Lässt das Gericht die Klage zu, sind die Antragsteller berechtigt, die Ansprüche binnen drei Monaten einzuklagen (§ 148 Abs. 4 Satz 1 AktG). Die Gesellschaft kann den Anspruch jederzeit durch ihr zuständiges Verwal­ tungsorgan einklagen (§ 148 Abs. 3 Satz 1 AktG)12 oder das Verfahren der 7  Winter, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2003, RWS-Forum 25 (2004), S. 457, 466 bezeichnet das Quorum als „sehr hoch“ und macht es für die Ineffektivität des § 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des KonTraG verantwortlich. 8  Eingehende Darstellung zuletzt bei Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S.  5 ff. 9  Zunächst entwarf Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 292 ff. den später mit § 148 AktG verwirklichten Ansatz bereits in seinen wesentlichen Zügen, einschließ­ lich der systembildenden Aufteilung in ein Vorverfahren und ein Klageverfahren; weiter entwickelte den Ansatz Ulmer, ZHR 163 (1999), 290; unter weitreichendem Anschluss daran Baums, Gutachten F für den 63. Deutschen Juristentag (2000), F 239 ff. 10  Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 292. 11  Für diese Subsidiarität bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 296 f.; zum geltenden Recht BT-Drucks. 15/5092, S. 21, re. Sp.; 22, li. Sp. Die Prozessfüh­ rung der Aktionäre trägt damit den Charakter eines Notgeschäftsführungsrechts; so bereits Winter, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2003, RWS-Forum 25 (2004), S. 457, 470; zur Dogmatik der actio pro socio im Allgemeinen Habersack, Mitgliedschaft, S. 12. 12  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22 re. Sp. und 23, li. Sp.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

Aktionäre übernehmen (§ 148 Abs. 3 Satz 2 AktG) und letzteren somit das Antrags- oder Klagerecht gleichsam „aus der Hand schlagen“. Unterliegen die Aktionäre im Zulassungsverfahren, tragen sie die Kosten dieses Verfahrens (§ 148 Abs. 6 Satz 1 AktG). Die Kostenrisiken sollen als Schutzwall gegen übermäßige Antragstellungen fungieren.13 Unterliegen die Aktionäre dagegen erst im Klageverfahren, werden ihnen die Kosten zwar prozessual nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO auferlegt, doch haben sie einen materiellrechtlichen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten gegen die Ge­ sellschaft (§ 148 Abs. 6 Satz 5 AktG).

§ 3  Rechtstatsächlicher Befund Was die Zahl der seit der Neuregelung bekannten Klagezulassungsverfah­ ren betrifft, ist der Befund ernüchternd. Bisher wurde keine rechtskräftige Klagezulassung gem. § 149 Abs. 1 AktG im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht.14 Unbekannt ist allerdings, wie viele Klagezulassungsver­ fahren Aktionäre eingeleitet haben, da nur bei Erfolg des Antrags eine Be­ kanntmachungspflicht besteht.15 Veröffentlichte Entscheidungen lassen auf ein ganz geringes Antragsvolu­ men schließen. Vor dem Landgericht München hat 2007 ein erfolgloses Klagezulassungsverfahren stattgefunden, in dem sich das Landgericht mit dem Vorwurf überhöhter Bezüge der Vorstandsmitglieder unter Verstoß ge­ gen § 87 Abs. 1  AktG befasste.16 Am Landgericht Berlin gab es ebenfalls 2007 einen Fall, der eine nichtbörsennotierte Gesellschaft betraf.17 Peltzer hat Vorsitzende der Kammern für Handelssachen bei Landgerichten in wirtschaftlichen Zentren nach Verfahren gem. § 148 AktG befragt. Die Antworten bestätigten den Eindruck, dass bisher kaum Klagezulassungsver­ fahren durchgeführt wurden.18 Bei den befragten Landgerichten Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart war danach kein Verfahren anhängig.19 § 148 AktG ist damit totes Recht.20 13  Zur Tragung der Prozesskosten als Mittel zur Missbrauchsprävention bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 302 f. 14  Stand: 01.05.2015. 15  Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1319. 16  LG München I vom 29.03.2007  – 5HK O 12931/06, AG 2007, 458. 17  Vor der KfH 102 unter VRiLG Prade; Angabe bei Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 955 Fn. 7. 18  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 955. 19  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 955 Fn. 7. 20  Wie hier etwa ausdrücklich Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 22; a. A. etwa Döring, Die Durchsetzung der



§ 4  Das Verfolgungsrecht im System der Anspruchsdurchsetzung 31

§ 4  Das Verfolgungsrecht im System der Anspruchsdurchsetzung Der Stellenwert des § 148 AktG für die Durchsetzung der Innenhaftungs­ ansprüche der Gesellschaft im Verhältnis zu alternativen Durchsetzungsme­ chanismen ist im Besonderen für die Reformdiskussion bedeutsam: Weitrei­ chende Reformmühen wären im Mindesten leichter zu legitimieren, wenn die Anspruchsdurchsetzung ohne § 148 AktG häufig versagte.

I. Verwaltungszuständigkeit Die Scheu der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder, die Mitglieder des jeweils anderen Verwaltungsorgans mit Haftungsklagen zu überziehen, ist wie eingangs dargestellt Legion. Ist dieses tradierte Narrativ des Aktien­ rechts, das gleichsam Existenzgrund des § 148 AktG ist, in Ansehung aktu­ eller Empirie, aber auch jüngster Gesetzesänderungen aufrechtzuerhalten?21 Die Anzeichen mehren sich, dass die Verwaltungsorgane Organhaftungs­ ansprüche konsequenter verfolgen.22 Leitfall ist die „Schmiergeldaffäre“ bei der Siemens AG: Von den ehemaligen Vorstandsmitgliedern einschließlich dem vormaligen Vorstandsvorsitzenden von Pierer wurden persönlich je 500.000 bis fünf Millionen Euro im Vergleichswege erlangt.23 Auch kam es gegen vergleichsunwillige Organmitglieder zu Ersatzklagen: Das Landge­ richt München I hat den früheren Finanzvorstand Neubürger zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 15 Millionen Euro verurteilt24 und dabei einen Verstoß gegen die Legalitätskontrollpflicht angenommen, nach der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 255, die weiter darauf vertraut, die antrags­ befugten Aktionärsgruppen würden in „gravierenden Fällen“ ihr Antragsrecht nut­ zen. 21  Eingehend zu dieser Frage jüngst Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 11 ff. 22  Für eine Zunahme der Anspruchsverfolgung etwa Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 11 ff. (Ergebnis auf S. E 20); Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 19; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757 geht davon aus, dass die Verfolgung „erheblich“ zugenommen habe und verweist auf „die Erfahrungen aus der vertraulich bleibenden Beratungspraxis“; Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 13 f.; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1320 f.; Schmolke, ZGR 2011, 398, 403 f. 23  Pregler, Selbstbehalt (2012), S. 180; zu von Pierer auch Köhn, Pierer zahlt fünf Millionen Euro, F.A.Z. vom 02.12.2009, www.faz.net. 24  Dazu Peitsmeier, Ex-Siemensmanager muss 15 Millionen zahlen, F.A.Z. vom 10.12.2013, www.faz.net.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

Vorstandsmitglieder das Unternehmen so zu organisieren und zu beaufsich­ tigen haben, „dass keine Gesetzesverstöße wie Schmiergeldzahlungen an Amtsträger eines ausländischen Staates oder an ausländische Privatpersonen erfolgen“.25 Ob die bekannt gewordenen Einzelfälle mehr als anekdotisch sind und von einer beständigen Neuorientierung zeugen, Innenhaftungsansprüche konsequent durchzusetzen, ist allerdings umstritten.26 Neben positiven Ein­ schätzungen, nach denen Organmitglieder die Haftungsansprüche mittler­ weile häufig einklagen oder außergerichtlich durchsetzen, halten sich auch weiterhin pessimistische Einschätzungen.27 Als Vertreter der „Pessimisten“ hat namentlich Lutter mit Blick auf die weltweite Banken- und Finanzkrise 2007 / 2008 beklagt, dass bei Aktienban­ ken wie der HypoRealEstate (HRE), der Industriekreditbank (IKB), der Westdeutschen Landesbank (WestLB) oder der Commerzbank trotz Milliar­ denschäden durch die Fehlinvestition in US-amerikanische Wertpariere Klagen gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ausgeblieben seien.28 Tatsächlich ist das Bild insofern etwas differenzierter, als es bei einigen der von Lutter genannten Banken zumindest Anträge auf gerichtliche Sonder­ prüferbestellungen gegeben hat, welche die Gerichte zu teils grundsätzlichen Ausführungen zu Haftungsfragen zum Anlass nahmen.29 Und die HRE hat am 24.10.2012 beim Münchner Landgericht eine Schadensersatzklage gegen ihren ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Funke und weitere Vorstandsmit­ glieder über 52 Millionen Euro erhoben, wobei es allerdings um die Verga­ 25  LG München I vom 10.12.2013  – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345; dazu Fleischer, NZG 2014, 321. 26  Eingehend zu den Indizien, die auf eine gesteigerte Durchsetzung von Organ­ haftungsansprüchen deuten: Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 11 ff. 27  Nach Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 92 besteht ein „ernüchternder Befund“, da „die Verfolgung von Schadensersatzansprü­ chen gegen amtierende Organwalter durch das hierzu an sich berufene Organ so gut wie nicht begegnet“; Lutter, in: FS Peltzer (2011), S. 763, 765; Wagner, Diskussi­ onsbeitrag, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2009 (2010), S. 85, nach welchem der Fall Siemens ein „Ausnahmefall“ ist; ders., ZHR 178 (2014), 227, 245 hält die Rede von einer „Klagewelle“ für „weit übertrieben“; vermittelnd Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 27 f., der meint, der Haftungsdruck habe sich „merklich erhöht“, zugleich aber annimmt, dass die Durchsetzung „typischerweise auf besonderen Kon­ stellationen“ (z. B. im Fall der Insolvenz der betreffenden Gesellschaft) beruhe. 28  Lutter, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 766. 29  So im Fall IKB, OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6 W 45/09, AG 2010, 126, in dem der Antrag erfolgreich war, sowie im Fall der Commerzbank, OLG Frankfurt vom 15.06.2011  – 21 W 18/11, AG 2011, 755, in dem der Antrag aller­ dings erfolglos blieb.



§ 4  Das Verfolgungsrecht im System der Anspruchsdurchsetzung 33

be eines einzelnen Kredits geht, nicht Vorwürfe systematischer Misswirt­ schaft.30 Die „Optimisten“ haben demgegenüber einige Indizien zur Hand, die in Richtung zunehmender Durchsetzung von Innenhaftungsansprüchen deuten. Sie können einerseits auf einen breiter werdenden Bestand veröffentlichter Gerichtsentscheidungen zur Organinnenhaftung verweisen.31 Zudem werden steigende Auszahlungen und Rückstellungen durch D&O-Versicherungen als Indiz für eine zunehmende Anspruchsverfolgung ins Feld geführt.32 In seinem Gutachten zum 70. Deutschen Juristentag hat Bachmann zudem u. a. die Studie „Managerhaftung und D&O-Versicherung“ der VOV-GmbH (2013) herangezogen. Diese liegt mittlerweile in neuerer Fassung vor und ergibt interessante Werte: Auf die Frage: „Wenn Sie einmal an die Unter­ nehmen denken, in denen Sie in den letzten fünf Jahren gearbeitet haben. Gab es da schon einmal Ansprüche gegen Sie oder andere Organmitglie­ der?“, antworteten 17 % der 200 befragten Geschäftsleiter mit „Ja“.33 Das ist eine beachtliche Zahl. Und auf die Frage: „Denken Sie, dass das Haf­ tungsrisiko für Ihre Tätigkeit im letzten Jahr gestiegen, gesunken oder gleichgeblieben ist?“, antworteten beträchtliche 38  % der befragten Ge­ schäftsleiter mit „gestiegen“, 57 % mit „gleichgeblieben“ und nur 5 % mit „gesunken“.34 Insgesamt ist das vorliegende Indizienpanorama allerdings nicht dicht genug, um eine umfassende empirische Untersuchung zu ersetzen.35 Wirk­ lich Licht ins Dunkel brächte nur, zu erfahren, wie viele Verdachtsfälle einer Pflichtverletzung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder es in einer re­ 30  Ott, Hypo Real Estate fordert Schadensersatz von Ex-Vorstandschef Funke, S.Z. vom 11.09.2013, www.sueddeutsche.de. 31  Eingehend Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 13 f., der Studien zu veröffentlichten Entscheidungen auswertet, die auf eine „deutliche Zunahme“ derr Inanspruchnahme deuten. Allerdings relativiert Bachmann sogleich in mehrfacher Hinsicht: „Häufigster Kläger in den Innenhaftungsfällen“ sei der Insolvenzverwalter – nicht also das regulär zuständige Verwaltungsorgan. Zudem sei eine „bis zum Endurteil getriebene Geltendmachung von Innenhaftungsansprü­ chen in der solventen Gesellschaft […] eher die Ausnahme“; für eine Häufung veröffentlichter Entscheidungen auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 244; umfassen­ de Nachweise bei Hopt, ZIP 2013, 1793, 1794 mit Fn. 14. 32  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 14. 33  VOV D&O-Studie 2014: Managerhaftung & D&O-Versicherung (2015), S. 41, abrufbar unter www.vovgmbh.de. 34  VOV D&O-Studie 2014: Managerhaftung & D&O-Versicherung (2015), S. 34, abrufbar unter www.vovgmbh.de. 35  Auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 20: „Die vorhandenen Daten liefern kein ganz widerspruchsfreies Bild. Sie sind auch noch weit von der Tiefe US-amerikanischer Studien entfernt.“

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

präsentativen Anzahl von Aktiengesellschaften in einem bestimmten Zeit­ raum gegeben hat und in wie vielen dieser Verdachtsfälle Innenhaftungsan­ sprüche verfolgt wurden. Nur dann ließe sich beantworten, ob Ansprüche „immer“, „häufig“, „selten“ usw. verfolgt werden, wenn ein hinreichender Verdacht einer Pflichtverletzung besteht.36 Die vorhandenen Indizien recht­ fertigen aber einen vorsichtigen Schluss, dass die Anspruchsdurchsetzung seit einigen Jahren häufiger als früher erfolgt.37 Abseits empirischer Argumente ist es unter den „Optimisten“ verbreitet, auf Änderungen rechtlicher Rahmenbedingungen zu verweisen, insbesonde­ re auf die ARAG / Garmenbeck-Entscheidung des BGH38 und die damit be­ gründeten realen Haftungsgefahren für die Aufsichtsräte.39 Hoffnungen eini­ ger „Optimisten“ auf eine zunehmende Bereitschaft zur Anspruchsverfol­ gung hat zudem geweckt, dass der Gesetzgeber die Verjährungsfristen für Ansprüche gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in börsennotierten Gesellschaften jüngst verlängert hat:40 § 93 Abs. 6 AktG bestimmt, dass diese Ansprüche erst nach zehn Jahren statt wie bisher nach fünf Jahren verjähren.41 Mit den Jahren steigt die Aussicht, dass der Aufsichtsrat zu großen Teilen neu besetzt wird und die Neumitglieder daher unbefangen über die Haftungsverfolgung befinden.42 Damit könnten die geschilderten strukturellen Interessenkonflikte entschärft werden. Ob sich diese Hoffnun­ gen erfüllen, bleibt abzuwarten. Die möglichen Segnungen der Verjährungs­ verlängerung trübt nicht zuletzt, dass eine Anspruchsdurchsetzung mit viel zeitlichem Abstand regelmäßig eine verschlechterte Beweislage bedeutet, die den Klageerfolg vereiteln kann.43 Insgesamt haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen damit zwar verbessert, doch garantieren sie eine An­ spruchsverfolgung in hinreichendem Umfang nicht. auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 245. Sinn eines vorsichtigen Optimismus auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 20. 38  BGH vom 21.04.1997  – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244. 39  Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1794 spricht von einem „Paukenschlag“; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1325; anders Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 92; ders., ZHR 177 (2013), 782, 786: Das Urteil habe „nicht wirklich etwas geändert“. 40  So die Einschätzung von Jahn, Ex-Manager geraten künftig häufiger in Haf­ tungsfalle, F.A.Z. vom 25.10.2011, www.faz.net: „Zusätzliche Haftungsrisiken“; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1325: „[P]raktisch ganz erheb­ liche Bedeutung“. 41  Dazu Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 370 ff. 42  Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 370, 371. 43  Dass die zeitnähere Aufklärung des Sachverhalts die erfolgversprechendere ist, unterstreicht in Bezug auf § 142 AktG Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 251. 36  Entsprechend 37  Im



§ 4  Das Verfolgungsrecht im System der Anspruchsdurchsetzung 35

Im Ergebnis deutet der empirische Befund auf einen gewissen Trend zu einer verstärkten Inanspruchnahme der Organwalter hin. Auch unter Be­ rücksichtigung der verbesserten aktienrechtlichen Rahmenbedingungen der Durchsetzung der Innenhaftung lässt sich indes nicht sicher annehmen, dass Verwaltungsorgane Innenhaftungsansprüche in ausreichendem Maße verfolgen, wenn dies im Gesellschaftsinteresse liegt oder jedenfalls ge­ samtwirtschaftlich erstrebenswert wäre. Aber selbst wenn man eine hinrei­ chende Anspruchsverfolgung annähme, wäre zweifelhaft, ob bei Funkti­ onsdefiziten des § 148 AktG auf eine Weiterentwicklung dieser Vorschrift verzichtet werden könnte. Denn erstens konzedieren auch die „Optimis­ ten“, dass strukturelle Interessenkonflikte der Organmitglieder im Grund­ satz fortbestehen.44 Es ist in einzelnen Fällen also nach wie vor möglich, dass eine Anspruchsdurchsetzung aufgrund dieser Konflikte scheitert.45 Schon damit ließen sich weitergehende Reformbemühungen im Bereich des § 148 AktG im Ansatz begründen.46 Zweitens ist nicht gewährleistet, dass der – unterstellte – „Verfolgungstrend“ anhält. Das hat wiederum zwei Gründe. Einmal könnte sich der vorgebrachte späte Erfolg der ARAG / Garmenbeck-Entscheidung als kurzes Intermezzo erweisen. Die verbreitete Lesart des Urteils betont zu einseitig, dass der Aufsichtsrat „grundsätzlich verpflichtet“ sei, Ansprüche zu verfolgen.47 Das vom BGH gewährte „Entscheidungsermessen“, kraft dessen der Aufsichtsrat „trotz Erfolgsaussicht […] aus übergeordneten Gründen des Unternehmenswoh­ les“ von der Anspruchsverfolgung absehen kann,48 wird in der Literatur teilweise nicht hinreichend herausgestellt und ist den Aufsichtsräten in der Praxis häufig nicht bewusst.49 Namentlich der frühere BGH-Richter Wulf Goette hat es zum ceterum censeo mehrerer Veröffentlichungen gemacht, das Urteil in seiner Einräumung eines „Entscheidungsermessens“ in Be­ zug auf entgegenstehende Gründe des Gesellschaftswohls ernst zu neh­

44  Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 14; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1320 (für Fälle einer Be­ teiligung des Aufsichtsrats an einer pflichtwidrigen unternehmerischen Entschei­ dung); a. a. O., S. 1326 (für Fälle eines besonderen Näheverhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat). 45  Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 14. 46  In der Tendenz auch Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deut­ schen Juristentages (2015), N 14. 47  So etwa Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 292. 48  BGH vom 21.04.1997  – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 256. 49  Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757 f., der annimmt, dieser Spielraum sei „im Einzelfall deutlich größer als bisweilen angenommen wird“; ähnlich Goette, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 377.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

men.50 Sollte diese Lesart des Urteils verstärkt in die Vorstands- und Auf­ sichtsratsetagen vordringen, könnten Organmitglieder ihr Haftungsrisiko bei Nichtverfolgung von Gesellschaftsansprüchen wieder als weniger ge­ wichtig einschätzen.51 Die ARAG / Garmenbeck-Entscheidung als mögliche treibende Kraft der Haftungsdurchsetzung schwächte sich dann ab. Zum anderen wird angenommen, dass gerade § 148 AktG als fleet in being52 Druck auf die regulären Verwaltungsorgane ausübt, Organhaftungsansprü­ che konsequent zu verfolgen.53 Der Aufsichtsratsvorsitzende Cromme hat im Präzedenzfall der Siemens AG diesen Druckmechanismus bestätigt, in­ dem er seine Klageerhebung gegen ehemalige Vorstandsmitglieder wie folgt begründete: „Uns bleibt gar keine andere Wahl, als […] Klage […] einzureichen. Sonst würden es Aktionäre an unserer Stelle tun“.54 Wenn es aber gerade auch dieser von § 148 AktG ausgehende Druck ist, wel­ cher die Verwaltungen zur Anspruchsverfolgung antreibt, muss der Ge­ setzgeber die Funktionsfähigkeit des § 148 AktG stets aufrechterhalten und bei Bedarf verbessern. Denn sollte der Eindruck Oberhand gewinnen, dass § 148 AktG totes Recht ist, könnte die behauptete Verfolgungswelle jäh wieder abebben. Insgesamt dürfte die Anspruchsverfolgung durch die Verwaltungsorgane auch künftig eine nur bedingt belastbare Säule der Haftungsdurchsetzung sein, die der Ergänzung durch weitere Säulen wie § 148 AktG bedarf.

II. Hauptversammlung Organhaftungsansprüche muss das zuständige Verwaltungsorgan verfol­ gen, wenn es die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit be­ schließt (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG). Durch den Fall HVB / Unicredit55 ist die 50  Goette, in: Liber Amicorum M. Winter (2011), S. 153, 159 ff.; ders., ZHR 176 (2012), 588, 608 ff.; ders., in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 377, 386 ff. (speziell zum unternehmerischen Ermessen auf S. 394). 51  Bereits Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 242 nahm aufgrund der Interessenabwägung nach den ARAG-Grundsätzen und deren regelmä­ ßig zu erwartendem Ausgang ein Funktionsdefizit für die Anspruchsverfolgung durch die Verwaltung an. 52  Goette, Diskussionsbeitrag, in: Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentages (2001), O 192, O 193. 53  Zu diesem Druckmechanismus Schmolke, ZGR 2011, 398, 403; Seibert, NZG 2007, 841, 842. 54  Wiedergegeben nach Hartmann/Hildebrand, Cromme erleichtert über Einigung mit Ex-Chefs, Die Welt vom 02.12.2009, www.welt.de. 55  Dazu ergangen sind die Entscheidungen LG München I vom 06.09.2007 – 5 HK O 12570/07, AG 2007, 756 und nachgehend OLG München vom 28.11.2007 –



§ 4  Das Verfolgungsrecht im System der Anspruchsdurchsetzung 37

Rechtsverfolgung gem. § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG unter Bestellung eines besonderen Vertreters zuletzt in den Mittelpunkt auch des wissenschaftli­ chen Interesses gerückt.56 Mehrheitsbeschlüsse zur Klageerzwingung waren und sind allerdings selten.57 Ursächlich dafür ist einmal, dass die Geltendmachung von Ansprüchen zur Tagesordnung angekündigt werden muss (§ 124 Abs. 1 AktG).58 Dafür müssen Aktionäre 5 % des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen. Das ist in der Publikumsaktiengesellschaft mit gehörigen Schwierigkeiten verbunden.59 Selbst wenn ein Tagesordnungs­ punkt „Entlastung“ besteht und die Ansprüche in den Entlastungszeitraum fallen, ist ein Antrag zur Verfolgung der Ansprüche nicht gem. § 124 Abs. 4 Satz 2, 2. Var. AktG bekanntmachungsfrei.60 Erlaubt die Tagesordnung einen Beschluss zu § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG, kann die Mehrheitsbildung daran scheitern, dass Mehrheits- oder Großakti­ onäre und institutionelle Stimmrechtsvertreter die Organmitglieder decken.61 Grund dafür kann sein, dass sie selbst das streitige Organwalterverhalten veranlasst haben, um sich persönliche Vorteile zu sichern.62 Möglicherweise 7 U 4498/07, AG  2008, 172; LG München I vom 04.10.2007  – 5  HK O 12615/0, AG 2008, 92 und nachfolgend OLG München vom 27.08.2008  – 7 U 5678/07, AG 2008, 864; LG München I vom 28.07.2008 – 5 HK O 12504/08, AG 2008, 794. 56  Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 5. 57  Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 30 misst der Durchsetzung gem. § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG nur eine geringe Wahrscheinlichkeit bei; Riegger, Unter­ nehmenskontrolle (2003), S. 181: „[I]n der Praxis äußerst selten“; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 240; auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 36, die mit Blick auf den Einfluss der Großaktionäre und den Transaktionsaufwand der Mehrheitsbildung durch Kleinaktionäre konstatieren, dass Beschlüsse nach § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG „oft nicht zustande kommen“. 58  Diese Schwierigkeiten betont auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaf­ tung durch Aktionäre (2014), S. 104; zum Ankündigungserfordernis J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 4. 59  Auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 104 (ohne Beschränkung auf Publikumsaktiengesellschaften). 60  J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 4; Liebscher, in: Henss­ ler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 147  AktG Rn. 6; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 37. 61  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 36; Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 36; Kalss, ZSR 124 II (2005), 643, 667. 62  Kalss, ZSR 124 II (2005), 643, 667; vgl. Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 18; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 44; näher auch Eckert/ Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 142 f.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

wollen sie auch anderweitige Geschäftsbeziehungen zu den Gesellschaften nicht in Gefahr bringen.63 Sofern es um Ansprüche gegen Groß- oder Mehr­ heitsaktionäre selbst geht, hilft es, dass deren Stimmrecht gem. § 136 AktG ausgeschlossen ist. Hier wird § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG zu einem Instrument des Minderheitenschutzes.64 Fernab von Interessenkonflikten ist nicht gewiss, dass die Mehrheit das Gesellschaftsinteresse hinsichtlich einer Anspruchsverfolgung richtig bewer­ tet. Die Interessenabwägung bei Beschlüssen gem. § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG ist komplex.65 Die Erfolgsaussichten einer Klage, die möglichen Kosten des Verfahrens sowie entgegenstehende Gründe des Gesellschafts­ wohls müssten ermittelt und abgewogen werden, um eine informierte Ent­ scheidung zu treffen.66 Für Aktionäre lohnt es sich oftmals nicht, Zeit und Aufwand dafür zu investieren.67 Es liegt für sie nicht fern, im Zweifel dem Beschlussvorschlag (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG) der Verwaltung zu folgen,68 der dann, wenn die Verwaltung die Anspruchsverfolgung von sich aus ab­ lehnt, auf Beschlussablehnung lauten wird. Sofern Aktionäre die Mühe umfassender Information auf sich nehmen, stehen sie alsdann vor der Auf­ gabe, eine Mehrheit für ihre Überzeugung zu gewinnen. Der Transaktions­ aufwand für diese Mehrheitsbildung ist groß und übersteigt dabei leicht das quotale Interesse an der Geltendmachung der Ansprüche.69 Ob es sich we­ 63  Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 182 (in Bezug auf Depotbanken); zu diesen Interessenkonflikten m. w. N. noch unten, Kapitel 3, § 12 II. 1. a). 64  Nietsch, ZGR 2011, 589, 602. 65  Vgl. zum US-amerikanischen Recht Fischel, 44 U. Chi. L. Rev. (1976), 168, 187: „The decision whether or not to sue is a complicated one for directors, even with their access to information and counsel. It is difficult to imagine how a share­ holder in a large, publicly held corporation could make an informed judgment on the wisdom of pursuing a claim arising from a complex corporate transaction, based on information compressed onto proxy materials.“; ausführlich Leavell, 35 Tul. L. Rev. (1961), 331, 352 ff.; zur rationalen Apathie der Aktionäre auch Ramsay, UNSW L. J. 1992, 149, 170. 66  Näher Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 85. 67  Genau wie hier Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 190; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 44; vgl. auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 240 f., der die Apathie der Aktionäre ausführlich darstellt und begründet. 68  Bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 295: Eine „Willensbildung un­ beeinflußt von den zur Verantwortung zu ziehenden“ sei „kaum zu erreichen“; all­ gemein zum Abstimmungsverhalten auf Hauptversammlungen Bachmann, AG 2011, 181, 191: „Nach wie vor ist es dabei geblieben, dass die Abstimmungsergebnisse praktisch immer im Sinne der Verwaltungsvorschläge ausfallen, und dass die Ver­ waltung keine wirklich neuen Informationen preisgibt.“; Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 190 verweist auf die Verführung der Hauptversamm­ lung durch „charismatische Vorstände“. 69  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 36.



§ 4  Das Verfolgungsrecht im System der Anspruchsdurchsetzung 39

gen dieser Schwierigkeiten empfiehlt, die Richtigkeitsgewähr der Mehr­ heitsentscheidung für das einzelgesellschaftliche Interesse grundsätzlich in Frage zu stellen, soll hier offen bleiben.70 Denn jedenfalls ist ein anderes Problem der Mehrheitsbildung anzuspre­ chen, das schwer wiegt: Die Interessenabwägung der Aktionäre bei § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG könnte kurzsichtig ausfallen und weitergehende Haf­ tungszwecke wie eine Stärkung der Präventionswirkung der Haftungsnor­ men ignorieren. Schlechtestenfalls bringt eine öffentliche Klage gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einen Wertverlust der Anteile.71 Die Mehrzahl der Anteilseigner mag sich eher von der Aversion gegen solche Kursverluste denn von dem Beitrag der Organhaftungsklage zur „gesell­ schaftsrechtlichen Hygiene“72 leiten lassen.73 Das gilt jedenfalls für (auf Hauptversammlungen oft überrepräsentierte) Großaktionäre, deren Invest­ ment sich auf eine oder wenige Aktiengesellschaften konzentriert, weniger für diversifizierte Anleger, die – im theoretischen ökonomischen Modell – an einer breit streuenden Präventionswirkung interessiert sein müssten.74 Insgesamt ist es aufgrund ihrer Unbeweglichkeit75 sowie der Probleme hinsichtlich der Willensbildung der Mehrheit wenig ratsam, der Hauptver­ sammlung die Anspruchsdurchsetzung ausschließlich zu überantworten.

III. Zum Stellenwert des § 148 AktG Insbesondere wenn man die Perspektive des einzelgesellschaftlichen Inte­ resses nicht für abschließend erachtet,76 ist die Rechtsverfolgungsentschei­ dung bei den Verwaltungsorganen und auch der Hauptversammlung wie dargestellt häufig nicht in besten Händen; dann aber wächst dem Minder­ heitsrecht gem. § 148 AktG eine potentiell wichtige Rolle im System der Durchsetzung der Innenhaftung zu. Dabei kommt der Vorschrift in nichtbör­ 70  Vgl. zur Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung der Hauptversamm­ lung G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 36; einge­ hend noch unten Kapitel 3, § 12 I. 1. a. 71  Dazu eingehend Kapitel 3, § 12 VI. 1. 72  Peltzer, in: Hommelhoff/Rowedder/Ulmer (2000), S. 49, 80. 73  Die Kursverluste bezeichnet auch Kalss, ECFR 2009, 324, 340 als einen der Faktoren, die Aktionäre abhalten können, Ansprüche zu verfolgen. 74  Zum letztgenannten Interesse etwa Schmolke, ZGR 2011, 398, 407; auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 54; gegen diversifizierte Anleger als Leitbild Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 202. 75  Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 509. 76  s. zu den Zwecken des § 148 AktG sogleich Kapitel 1, § 5.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

sennotierten Gesellschaften mit wenigen Aktionären sowie auch börsenno­ tierten Gesellschaften mit Groß- oder Mehrheitsaktionären, insbesondere bei Konzerngesellschaften, die Funktion zu, Mehrheitsmacht zu kontrollieren.77 In börsennotierten Gesellschaften in Streubesitz steht demgegenüber die Kontrolle des Managements durch die Aktionäre im Mittelpunkt.78

§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG Neben dem naheliegenden Zweck der Schadenskompensation werden § 148 AktG weitere Zwecke wie eine Prävention und eine Vertrauensbil­ dung in die Aktienmärkte zugeschrieben. Ob der Gesetzgeber solche weiter­ gehenden Zwecke mit § 148 AktG tatsächlich verfolgt, und wie überzeugend eine solche Verfolgung ist, steht im Mittelpunkt der folgenden Ausführun­ gen. Caveat: Wenn ein weitergehender Zweck wie etwa derjenige der Prä­ vention angenommen wird, bedeutet das noch nicht, dass dieser Zweck eigenständig für die Interessenabwägung bei der Klagezulassung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG zu berücksichtigen ist.79 Denn möglich ist, dass der Gesetzgeber einen solchen Zweck lediglich akzessorisch verfolgt, also nur soweit seine Verwirklichung mit dem Vermögensinteresse der einzelnen Gesellschaft gleichläuft.80

I. Kompensationszweck § 148 AktG dient der Durchsetzung der Gesellschaftsansprüche und damit dem Kompensationsinteresse der jeweiligen Gesellschaft.81

77  Vgl. allgemein zur Prädominanz dieses Konflikts Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 14; zur Kontrolle der Mehrheitsmacht auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 16; nach Kalss, ZSR 124 II (2005), 643, 667 ist dies die „Hauptzielrichtung der Minderheitsklage“. 78  Vgl. Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 14. 79  Für eine solche eigenständige Berücksichtigung etwa G. Bezzenberger/ T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 155 (für die Auslegung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG); eingehend dazu noch unten Kapitel 2, § 8 VI. 2. c). 80  Dazu unten Kapitel 2, § 8 VI. 2. c). 81  Für die materiellen Normen der Organinnenhaftung etwa Döring, Die Durch­ setzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 23; Thomas, Haftungsfreistel­ lung (2010), S. 147: „[U]nzweifelhaft“; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1323 f.; speziell für § 148 AktG etwa Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 15.



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG41

II. Präventive Steuerung des Organwalterhandelns Dass die Organinnenhaftung (u. a. gem. § 93 Abs. 2 AktG) auch präventiv wirken soll, wird weithin angenommen.82 § 148 AktG als Durchsetzungsme­ chanismus könnte diesen Präventionszweck teilen. 1. Standpunkt des Gesetzgebers Dass der Präventionszweck dem Standpunkt des Gesetzgebers entspricht, indiziert speziell die Selbstbehaltsregel des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG, wel­ che mit der Schadensausgleichsfunktion der Organhaftung nicht erklärt werden kann. Denn für den Schadensausgleich ist es unerheblich, ob das Vorstandsmitglied einen Teil des Schadensersatzes selbst aufbringen muss, wie § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG es sicherstellen soll, oder der D&O-Versiche­ rer den Schaden vollumfänglich begleicht. Im Gesetzgebungsverfahren wurde die Selbstbehaltsregelung auch ausdrücklich mit der Steuerungswir­ kung begründet.83 Mit gutem Grund nehmen einige Autoren an, dass die Präventionsfunk­ tion sogar die vorrangige Funktion der Organinnenhaftung bei Sorgfalts­ pflichtverstößen ist.84 Während bei Treuepflichtverletzungen („Griff in die Kasse“) der Schaden meist überschaubar und damit durch das Vorstandsmit­ glied kompensierbar ist, übersteigen die Schäden aus Sorgfaltspflichtverlet­ zungen das Leistungsvermögen der Organmitglieder leicht vielfach.85 Ex­ orbitante Haftungsrisiken ergeben sich z. B. bei mit Bußgeldern geahndeten Kartellrechtsverstößen. Wenn aber die Schadenskompensation oftmals nicht mehr als nur den Tropfen auf den heißen Stein darstellt, wird die Vermeidung von Schäden umso bedeutender.86

82  Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 170 ff.; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 93 Rn. 1; Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 23 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 2; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 11 Rn. 4; Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 8; Hopt, ZIP 2013, 1973, 1795; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 1. 83  Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum VorstAG, BTDrucks. 16/13433, S. 11, li. Sp. 84  So etwa Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 170 ff.; Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 23; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1324; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 253 ff. 85  Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 170; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 757. 86  Auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 170 ff.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

Konsequent ist sodann die Annahme, dass auch der auf Durchsetzung der materiellen Organinnenhaftung zielende § 148 AktG den Präventionszweck des materiellen Haftungsrechts teilt.87 2. Überzeugungskraft des Präventionsansatzes Kann die Haftungsdurchsetzung nach § 148 AktG die ihr zugedachte Präventionsfunktion auch erfüllen? Während einige Autoren die Haftung als effektives und wichtiges Element der präventiven Verhaltenssteuerung betrachten,88 bezweifeln andere die Abschreckung durch Haftungsrisiken.89 Die Steuerungswirkung lasse sich „kaum feststellen“ und bleibe „letztlich eine Glaubensfrage“.90 Wissenschaftliche Untersuchungen zur Verhaltenssteuerung durch das deutsche Organhaftungsrecht fehlen.91 Allerdings belegen Studien aus nichtunternehmensspezifischen Bereichen die verhaltenssteuernde Wirkung zivil­ rechtlicher Sanktionen. Besonders gründlich wurde etwa in Kanada und den USA erforscht, wie sich ein Ausschluss der Zivilklage für Schäden aus Autounfällen (sog. No-fault-Regulierungsansätze92) auf die Verkehrsunfall­ raten und besonders die Zahl tödlicher Unfälle auswirkt. Untersuchungen 87  Für einen präventiven Zweck gerade der Haftungsklage etwa Baums, Gutach­ ten F für den 63. Deutschen Juristentag (2000), F 20; G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 51 f.; 155; Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 92; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 50; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 17 ff. 88  Pammler, D&O-Versicherung (2006), S. 206 geht von einer dominierenden Rolle der Haftung bei der Verhaltenssteuerung aus; ähnlich Pregler, Selbstbehalt (2012), S. 168, der in der Haftung die „gravierendste Sanktion“ eines Organversa­ gens erblickt; auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 52; Thüsing, AG 2009, 517, 526; auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), bei E 75, der eine „pädagogische Wirkung“ der „Furcht vor effektiver und öffentlicher Inanspruchnahme“ anerkennt, zugleich aber die Schattenseiten dieser Furcht wie verstärkte Bürokratisierungstendenzen betont. 89  Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 199; Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 406: „Unter motivationspsychologischen Gesichtspunkten ist es eher unwahrscheinlich, dass sich Vorstandshandeln durch eine höhere oder geringere Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme ändert.“ 90  So Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 199. 91  Nach Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 171 fehlt es an „gesicherten Erkenntnissen“. 92  Eingehend zu den verschiedenen Erscheinungsformen und Inhalten der Nofault-Regeln McEwin, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia of Law and Economics (2000), S. 735, 737; kurz auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. (2013), S. 152.



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zur Provinz Quebec in Kanada haben einen signifikanten Anstieg der tödli­ chen Autounfälle nach Einführung eines Zivilklageausschlusses ergeben.93 Und eine Studie unter Rückgriff auf Zahlenmaterial aus verschiedenen U.S.Bundesstaaten der Jahre 1968–1994 hat ans Licht gebracht, dass die Anzahl tödlicher Unfälle nach Einführung von No-fault-Regelungen um 12,8 bis 13,8 % gestiegen ist.94 Diese Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Risiken zivilrechtlicher Haftung verhaltenssteuernd wirken.95 Dass auch Organmitglieder Haftungsgefahren bei ihren Entscheidungen einkalkulieren, legt der häufige und weiter zunehmende Abschluss der sog. D&O-Versicherungen nahe.96 Auch das aus der Praxis berichtete rege Inte­ resse an eigenen Versicherungen für den Selbstbehalt nach § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG97 bekräftigt, wie nachdrücklich Haftungsgefahren in den Über­ legungen von Organwaltern präsent sind. Die zunehmende Absicherung von Geschäftsführungsentscheidungen durch kostspielige Gutachten98 unter­ streicht diesen Befund. Das in der Praxis zu beobachtende Haftungsrisikobewusstsein überrascht nicht: Der für eine Abschreckungswirkung vorausgesetzte risikobewusste Personenkreis,99 der zum rationalen Kosten-Nutzen-Kalkül in Bezug auf Pflichtverstöße in der Lage ist, liegt mit den sorgfältig nach Talent, Ausbil­ dung und unternehmerischer Erfahrung ausgewählten Vorstands- und Auf­ sichtsratsmitgliedern idealtypisch vor.100 93  Devlin, 19 Can. Pub. Pol’y (1993), 298, 304; zu abweichenden Ergebnissen für No-fault-Regeln in Neuseeland aber Brown, 73 Cal. L. Rev. (1985), 976, insbe­ sondere S. 1002; Überblick über Studienergebnisse bei McEwin, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia of Law and Economics (2000), S. 735, 740. 94  Cummins/Phillips/Weiss, 44 J. of Law & Econ. (2001), 427, 455. 95  Für eine Verallgemeinerungsfähigkeit auch Pregler, Selbstbehalt (2012), S. 177. 96  Zutreffend Thomas, Haftungsfreistellung (2010), S. 155; zur Verbreitung der D&O-Versicherungen Sieg, in: Terbille/Höra, MAH Versicherungsrecht, 3. Aufl. (2013), § 17 Rn. 16. 97  Paschos, zitiert nach Jost, Aus der Haftung entlassen, Die Welt vom 04.06.2010, www.welt.de: „Ich habe noch keinen Vorstand getroffen, der den Selbst­ behalt nicht versichern will.“ 98  Dazu Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1325. 99  Aus der Perspektive der strafrechtlichen Sanktionenforschung Hassemer/Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. (2013), Vor § 1 Rn. 283. 100  Für directors US-amerikanischer Kapitalgesellschaften Fairfax, 42 Hous. L. Rev. (2006), 393, 433: „[Economic theory] works best when applied to individuals who can assess rationally the costs and benefits of their actions, many scholars presume that the theory has particular applicability to those who might engage in ‚white collar‘ crime, including directors who engage in planning, deliberation, and risk assessment.“

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

Haftungsrisiken sind mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur zur Verhal­ tenssteuerung geeignet, sondern auch erforderlich. Wenig überzeugend ist, wenn dem Präventionszweck der Organinnenhaftung aufgrund von außer­ rechtlichen Mechanismen sozialer Kontrolle lediglich noch eine untergeord­ nete Rolle zugewiesen wird.101 Besonders verbreitet ist die Annahme, dass Sanktionen diverser Märkte entscheidend zu einem sorgfältigen Organhan­ deln beitragen.102 Im Besonderen schreiben Autoren dem Anstellungsmarkt für Spitzenmanager die Funktion einer Disziplinierung zu.103 Die Aussicht, nach einer fahrlässigen Schädigung der Gesellschaft keine oder nur noch eine schlechter bezahlte Anschlussanstellung zu finden, soll Organmitglieder weitreichend motivieren, sorgfältig zu handeln.104 Ebenfalls ist selbstredend auch der Verlust der bisherigen Anstellung als solcher ein herber Ein­ schnitt.105 Daneben verweisen einige Autoren auf den Markt für Unterneh­ menskontrolle, der pflichtsäumigen Managern „mit dem groben Klotz einer feindlichen Übernahme“ drohe.106 Ferner sollen soziale Sanktionen wie die Ächtung pflichtvergessener Organmitglieder in ihrem sozialen Umfeld und Reputationseinbußen eine ausschlaggebende Rolle bei der Verhaltenssteue­ rung spielen.107 Die Annahme überzeugt, dass diese Marktmechanismen wie auch die Gefahren sozialer Ächtung das Verhalten von Unternehmensleitern in aller 101  Dahingehend aber Thomas, Haftungsfreistellung (2010), S. 162  f.; wie hier gegen eine ausreichende Wirkung marktbasierter Mechanismen Döring, Die Durch­ setzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 32 f. 102  Vgl. Fleischer, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 11 Rn. 9, der meint, dass „die marktgestützten Mechanismen der Managerkontrolle Hervorhe­ bung“ verdienten. 103  Grundlegend Fama, 88 J. Pol. Econ. (1980), 288; Easterbrook/Fischel, The economic structure of corporate law (1991), S. 95; für eine Wirksamkeit auch Thomas, Haftungsfreistellung (2010), S. 160 f. 104  Easterbrook/Fischel, The economic structure of corporate law (1991), S. 95: „Managers also face scrutiny in the labor markets. If sacked today, they may have trouble matching their income elsewhere.“; auch Thomas, Haftungsfreistellung (2010), S. 160, der auf das Interesse verweist, den eigenen Marktwert zu steigern oder jedenfalls zu halten. 105  Für eine disziplinierende Kraft der Abberufung etwa Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 26 f. m. w. N.; vgl. auch Rock, 44 UCLA L. Rev. (1997), 1009, 1104. 106  Etwa Fleischer, in: Handbuch des Vorstandsrechts (2006), § 11 Rn. 9. 107  Dafür Rock, 44 UCLA L. Rev. (1997), 1009, 1104: „The cost to the actor – the disdain in the eyes of one’s acquaintances, the loss of directorships, the harm to one’s reputation – may often be sufficiently great to deter behavior, even without anything more.“; Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 26 weist auf die Verhaltenssteuerung durch eine „moralische Verurteilung“ in der Öffentlichkeit hin.



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Regel wirksam steuern – im steten Zusammenspiel mit der moralischen Überzeugung, „das Richtige“ für die Gesellschaften tun zu wollen.108 Den­ noch wird die Haftung – auch für fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzungen – dadurch nicht entbehrlich, wie einige Überlegungen verdeutlichen sollen.109 Erstens können die beschriebenen nicht-juristischen Sanktionen teilweise wirkungslos bleiben. Die Lebenssachverhalte, die einem Gesellschaftsscha­ den zugrunde liegen, sind oft komplex und für Außenstehende schwer durchschaubar.110 Ohne das Zusammentragen wesentlicher Informationen in einem Haftungsprozess mit den dafür zur Verfügung stehenden gerichtlichen Aufklärungsmitteln kann ggf. gar nicht festgestellt werden, welche Ver­ säumnisse den Organmitgliedern zur Last fallen.111 Allen voran kann es bei Kollegialentscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats ungewiss sein, welche Organmitglieder die Fehlentscheidung als „Wortführer“ besonders beeinflusst haben, und welche Mitglieder sich skeptisch gezeigt haben oder gar mahnend und warnend aufgetreten sind.112 Sanktionen des Marktes so­ wie Mechanismen sozialer Ächtung greifen dann nur unzureichend, weil es an Wissen über die Schadensentstehung mangelt. Zweitens, den Einwand der Verhaltenssteuerung durch soziale Normen betreffend, können die sozi­ alen Normen den Wertungen des geltenden Rechts im Einzelfall zuwider­ laufen.113 So kann es gerade das geschäftliche wie private Umfeld sein, das eine ausgeprägte, nach dem Gesetz jedoch nicht tolerierte Risikokultur ge­ 108  Für ein hohes Gewicht der Steuerung des Organwalterverhaltens durch Moral als internalisierte Normen überzeugend etwa Stout, 96 Nw. U. L. Rev. (2002), 675, 683. 109  Grundlegend der Aufsatz von Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105 ff., zusam­ menfassend u. a. auf S. 145: „As shown here, markets, norms, and shareholder vot­ ing all fall short as mechanisms for accountability.“; im Ergebnis wie hier auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 32 f.; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 34. 110  Stout, 96 Nw. U. L. Rev. (2002), 675, 682: „[T]he uncertainty of the business world can make it hard for external observers to gauge whether a business fiasco reflects negligence or bad luck.“ 111  Zur Aufklärung durch Prozesse Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law (2004), S. 623. 112  Stout, 96 Nw. U. L. Rev. (2002), 675, 682: „Directors also are insulated from social pressures because they reach their decisions behind closed doors, and minutes of director meetings are not public documents. This makes it hard for an outsider to finger the party responsible for a bad decision: did the director in question propose the idea, approve it enthusiastically, or dissent? Similarly, outside the rare case in which a board decision attracts significant media attention, there seems little reason to expect that a director’s social circle would even know, much less care, about her performance in the boardroom.“ 113  Vgl. nur Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 139, die auf „undesirable norms“ und das Recht als notwendigen Korrekturmechanismus verweist.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

radezu einfordert.114 Eine solche Risikokultur wird für die Finanzkrise 2007 / 2008 und den dabei beobachteten moral hazard von Bankvorständen zu Lasten der Steuerzahler verantwortlich gemacht.115 Sie kann soweit ge­ hen, dass das bedachtvoll vorgehende, Risiken in objektiv vernünftigem Maße eindämmende Organmitglied als zu risikoscheu und damit ungeeignet qualifiziert wird. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG und die Durchsetzung der Haf­ tungsansprüche müssen dann zwingend als haftungsrechtlicher Gegenpol zu fehlleitenden sozialen Normen fungieren. Drittens gilt: „Viele soziale Nor­ men gedeihen erst im Schatten des Rechts“.116 So wie das Recht soziale Normen aufnimmt, können umgekehrt rechtliche Normen und ihre Durch­ setzung soziale Normen prägen.117 Im Besonderen drückte eine weithin unterlassene Rechtsdurchsetzung bei Organpflichtverletzungen aus, dass die Rechtsgemeinschaft solche Pflichtverletzungen als geringes Übel ansieht,118 und sie Schäden der Aktiengesellschaften eher unglücklichen Umständen als konkretem Organversagen zuschreibt. Damit aber wäre der Boden bereitet für soziale Normen, in denen individuelle Verantwortung von Unterneh­ mensleitern eine zu geringe Rolle spielte.

III. Konkretisierung der Verhaltensmaßstäbe für Verwaltungsorganmitglieder Die Konkretisierung der weitgehend unbestimmten Haftungsnormen durch die Rechtsprechung könnte als weiterer Zweck des § 148 AktG anzu­ erkennen sein.119 In den Begrifflichkeiten der anglo-amerikanischen Norm­ 114  Vgl. J. Koch, AG 2014, 513, 524, der in Bezug auf den Bankenbereich zu bedenken gibt, „dass die in der Vergangenheit zu beobachtende hohe Risikoneigung mancher Akteure nicht auf die Geschäftsleiter beschränkt war, sondern sich auch auf Seiten der Aktionäre spiegelte“. 115  Hellwig, NJW-Beilage 2010, 94, 96; Fleischer, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 87 Rn. 28 konstatiert mit Blick auf Vergütungsstrukturen im Bankenbereich, dass „auf Vorstandsebene nicht selten ein ungezügelter Risikoappetit herrschte“. 116  So Magen, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker genannt Döhmann, Recht und Verhalten (2007), S. 261, 329. 117  Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 130: „In reality, the law both reflects and shapes norms. Law, the vigor with which it is enforced, and the severity of sanctions for its violations all influence our understanding of what our moral obligations are.“ 118  Hierzu allgemein Feldman/Teichman, 84 N.Y.U. L. Rev. (2009), 980, 992 Fn. 56: „A situation in which there is no enforcement or harsh enforcement may in fact carry an expressive message.“; speziell für die Organhaftung Jones, 92 Iowa L. Rev. 105, 130 (2006): „A lax enforcement approach implies to directors, sharehol­ ders, and society generally that the fiduciary duties of officers and directors are less morally important than duties or obligations that are more vigorously enforced.“ 119  Dafür etwa G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 53; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 51, allerdings eher zurückhaltend



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG47

theorie legen rules eine Verhaltenserwartung durch eine exakte, unmittelbar subsumtionsfähige Beschreibung fest, während standards eine Verhaltenser­ wartung durch ausfüllungsbedürftige, wertungsoffene Begriffe umschrei­ ben.120 Bei den aktienrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflichten (§ 93 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG) handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um standards.121 Sowohl die Treuepflicht als auch die Sorgfaltspflicht sind in § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG und den wenigen pflichtkonkretisierenden Tatbeständen (z. B. § 91 Abs. 2 AktG) nur bruchstückhaft geregelt.122 Ein „vollständiges Anforderungsprofil“ ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.123 Vorteil von standards ist, dass sie Haftungsfälle unterschiedlichster Aus­ prägung erfassen, die der Gesetzgeber in einem raschem Wandel unterwor­ fenen Rechtsbereich wie der aktienrechtlichen Organhaftung nicht allesamt voraussehen und ex ante präzise regeln könnte.124 Oft ist es auch erst der praktische Fall mit seiner vielschichtigen Faktenlage, welcher die Informa­ tionen beisteuert, deren es bedarf, um die involvierten Interessen bei spezi­ fischen Haftungsproblemen ausgewogen zu bewerten.125 Die mangelnde Präzisierung hat allerdings auch Kosten.126 Was die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) ist, ist weitgehend offen. Lutter hat dies für die Haf­ tung von Bankmanagern im Kontext der Banken- und Finanzkrise mit Blick auf den als vorrangig bezeichneten Präventionszweck; vgl. bereits vor Einführung des § 148 AktG Ulmer ZHR 163 (1999), 290, 325. 120  Binder, Regulierungsinstrumente (2012), S. 175; aus dem reichhaltigen USamerikanischen Schrifttum grundlegend Schlag, 33 UCLA L. Rev. (1985), 379; grundlegend zur ökonomischen Analyse Kaplow, 42 Duke L. J. (1992), 557; aus rechtspsychologischer Perspektive Korobkin, 79 Or. L. Rev. (2000), 23. 121  Für die US-amerikanische duty of care und duty of loyality Dooley, 74 Law & Contemp. Probs. (2011), 45, 48: „The director’s fiduciary duties of care and loy­alty are classic examples of standards: They are open-ended and given content only by a court’s assessment of the facts of a specific case.“; für die Sorgfaltspflich­ ten im deutschen Aktienrecht auch Bechtold, Grenzen zwingenden Vertragsrecht (2010), S. 257 Fn. 1278. 122  Für die Treuepflicht Borsdorff, Interessenkonflikte (2010), S. 113. 123  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 11 (zur Sorgfalts­ pflicht). 124  Zu diesem Vorteil von standards etwa Hadfield 82 Cal. L. Rev. (1994) 541, 547; Kaplow, 42 Duke L. J. (1992), 557, 600, der feststellt, dass „rules may seem not only to be inferior to standards, but an entirely infeasible option“. 125  Kaplow, 42 Duke L. J. (1992), 557, 582. 126  Eine Präferenz für die Regelung einer Materie durch rules äußert daher etwa Raz, 81 Yale L. J. (1972), 823, 841 f.: „Since the law should strive to balance cer­ tainty and reliability against flexibility, it is, on the whole, wise legal policy to use rules as much as possible for regulating human behavior as they are more certain than principles and lend themselves more easily.“

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

problematisiert:127 „Was müssen die Vorstände von der rechtlichen Struktur amerikanischer Wertpapiere wissen, in die investiert werden soll? Können sich Vorstände auf gute ratings durch eine bekannte Agentur verlassen oder müssen sie eigene Recherchen anstellen? Dürfen Vorstände in beliebiger Höhe in ausländische Papiere investieren oder muss das Risiko eines auch unwahrscheinlichen Ausfalls bedacht werden?“ Der Treuepflicht werden gar „Entwicklungsdefizite“ zugeschrieben.128 Diese Rechtsunsicherheit bei standards ist ein eigenständiger Faktor der Verhaltenssteuerung.129 Sie kann sowohl zu einer untermäßigen (undercompliance) als auch einer übermäßigen (overcompliance) Rechtsbefolgung führen.130 Eine undercompliance meint, dass Organwalter den gesetzlichen Sorgfaltsmaßstab unterschätzen und z. B. eine zu geringe Aufsicht unterge­ bener Mitarbeiterebenen implementieren. Es liegt auf der Hand, dass der Rechtsunterworfene bei Unkenntnis vom genauen Inhalt der Rechtsvorschrift die Anforderungen verfehlen kann.131 Overcompliance132 bedeutet, dass das Organmitglied mangels Kenntnis konkreter Handlungserfordernisse die Sorgfalt überspannt und aus Furcht vor Haftung z. B. risikoträchtige Inves­ titionen unterlässt, die eigentlich im Gesellschaftsinteresse liegen.133 Um diesen sozial unerwünschten Verzerrungen entgegenzuwirken, ist eine Re­ gelkonkretisierung wichtig. Mit mehr Autorität als die Wissenschaft vermag es die Rechtsprechung, die offenen Organpflichten in Teilbereichen zu konkretisieren. Cum grano salis lässt sich mit den Worten Lutters sagen, Vorstände und Aufsichtsräte glaubten Professoren nichts, ehe nicht der BGH die Meinung dieser Profes­ 127  Lutter,

in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 767. in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 113. 129  Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. 887, 893 (1999): „As legal indeterminacy increa­ ses, so will disagreement, and so will the variance in individual behavior.“ 130  Grundlegend Calfee/Craswell, 70 Va. L. Rev. (1984), 965 ff.; für die Organ­ haftung Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887, 888 f.: „Some corporate fiduciaries may overestimate the legal constraints and forgo efficient transactions, while others may underestimate the very same constraints and carry out inefficient transactions.“; zur overcompliance auch Kaplow, 42 Duke L. J. (1992), 557, 605: „[W]hen individ­ uals are risk averse, their bearing of risk is socially undesirable. Because individ­uals tend to be less well informed concerning standards, they may bear more risk under standards, which would favor rules.“ 131  Fairfax, 42 Hous. L. Rev. (2006), 393, 434; Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887, 888 f.: „The absence of clear legal rules is costly. […] it leads to vari­ ance in assessments of the legal standard and thus to divergences of behavior from the social optimum.“ 132  Dazu allgemein Hadfield 82 Cal. L. Rev. (1994), 541, 544. 133  Statt vieler Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887, 889. 128  Fleischer,



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soren von der in concreto erforderlichen Sorgfalt bestätigt habe.134 Aus den standards der Sorgfalts- und Treuepflicht können Richter für Teilbereiche präzisere Handlungsvorgaben, also rules, entwickeln und damit der Rechts­ unsicherheit abhelfen.135 Diese Arbeitsteilung zwischen Gesetzgeber und Gerichten fruchtet nur, wenn den Gerichten eine hinreichende Anzahl von Fällen zugeführt wird. Unter dem Gesichtspunkt der Herausbildung konkre­ tisierter Haftungsstandards ist eine Anspruchsdurchsetzung nach § 148 AktG daher erstrebenswert.136

IV. Förderung des Anlegervertrauens in den deutschen Finanzplatz Der Gesetzgeber des UMAG versprach sich von der „Verbesserung des haftungsrechtlichen Verfahrens“ einen „Vertrauensgewinn zugunsten des deutschen Kapitalmarkts“, welcher „nicht quantifizierbare Verbesserungen der Eigenkapitalfinanzierung zur Folge haben“ werde.137 An anderer Stelle der Gesetzesbegründung ist die Rede vom „Vertrauen in die gute Führung und Kontrolle der deutschen Unternehmen und damit in den deutschen Fi­ nanzplatz“, welches der Gesetzgeber zu schützen gedenkt.138 Tatsächlich kann die traditionell mit dem Strafrecht verbundene Erhaltung des Vertrau­ ens in die Rechtsordnung grundsätzlich auch als Aufgabe des Zivilrechts aufgefasst werden.139 Speziell im Aktienrecht ist eine solche Vertrauensbil­ dung durch das Recht auch wichtig, da Anlegervertrauen eine wesentliche Voraussetzung für liquide Wertpapiermärkte darstellt.140 Ist dieses Vertrauen 134  Lutter, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 767; anders aber Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 77, der meint, juristische Kommentare lieferten „der Praxis genügend Haltestangen“. Bei schwierigen Rechts­ fragen ist die z. T. überbordende Kommentarliteratur aber nicht selten gespalten. Gerade dann kann und muss die Rechtsprechung auch die Funktion erfüllen, eine Schneise durch den Dschungel der divergierenden Auffassungen zu schlagen. 135  Eingehend zu dieser Transformation von standards zu rules durch Gerichte Kaplow, 42 Duke L. J. (1992), 557, 577 ff. 136  Vgl. für das US-amerikanische Gesellschaftsrecht Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887, 890: „[L]itigation can reduce legal uncertainty. As decided cases accu­ mulate, the interpretation and proper application of fiduciary standards become clearer, allowing directors and officers to estimate legal outcomes more accurately and thus to behave closer to the social optimum.“ 137  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 10, re. Sp./S. 11, li. Sp. 138  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, re. Sp. 139  Eingehend Schlobach, Das Präventionsprinzip im Recht des Schadensersatzes (2004), S.  308 ff. 140  Zur volkswirtschaftlichen Bedeutung vgl. Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 688 ff.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

aufgezehrt, suchen sich Kapitaleigner möglicherweise andere Anlageobjekte als Aktien.141 Zumindest schweren Sorgfaltspflichtverstößen der Verwal­ tungsorgane (vgl. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) ist auch ein vertrauens­ minderndes Potential zuzuschreiben.142 Weniger klar ist demgegenüber, ob Klage- oder Klageerzwingungsrechte der Aktionäre mit niedrigen Hürden per se Vertrauen schaffen143 und eine tatsächliche Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen verlorenes Vertrau­ en wieder herstellt.144 Empirisch gesicherte Erkenntnisse fehlen. Unklar ist etwa auch, ob nicht strafrechtliche oder mediale Ahndung bei schwerwiegen­ den Unternehmensskandalen genügt, um Vertrauen zurückzugewinnen.145 Ein Vorteil von Zivil- gegenüber Strafverfahren ist es, dass sie aufgrund der Nichtgeltung des Zweifelsgrundsatzes und der Anwendbarkeit einer Beweis­ lastumkehr zu Lasten der Vorstandsmitglieder (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG) eine effektivere Aufarbeitung eines Schadensfalles ermöglichen.146

V. Sonstige öffentliche Interessen Namentlich Ulmer wollte den teleologischen Bogen des Verfolgungsrechts noch weiter spannen und es zum Vehikel für die Durchsetzung öffentlicher Interessen bei Gesetzesverstößen wie illegalen Kartellabsprachen oder Ver­ 141  Nowicki, 33 Del. J. Corp. L. (2008), 695, 700 f.: „When investors lose confi­ dence in the management of the modem corporation, they stop investing in stocks and corporations, which tightens capital market liquidity and limits corporate expan­ sion.“ 142  Vgl. Nowicki, 33 Del. J. Corp. L. (2008), 695, 697: „With every major cor­ porate failing, investor confidence and the stability of the capital markets are under­ mined.“ 143  In diese Richtung Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 76 f., der aber meint, dieser Vorzug bleibe „spekulativ“. 144  Zur Bedeutung der rechtlichen Aufarbeitung von Schadensfällen für das öf­ fentliche Vertrauen Götz, AG 1997, 219, 220 f.: „Neben der allgemeinen Publizität ist auch noch die kapitalmarktspezifische Öffentlichkeit in Rücksicht zu ziehen. Diese registriert mit besonderer Aufmerksamkeit Fälle von Leitungs- und Aufsichts­ versagen. Der dadurch entstehende Verlust an Vertrauen in die den Unternehmens­ organen obliegende treuhandartige Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen wird dann noch wesentlich erhöht, wenn Verantwortlichkeiten kaschiert werden, die Kraft zur Selbstreinigung fehlt und das bestehende Rechtssystem Mängel aufweist, welche es erschweren, diesen Schwächen zu begegnen.“ Dieser Aspekt klingt auch an in der „Aufarbeitungsthese“ bei Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 76; auch Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 49. 145  Dahingehend Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 76. 146  Gegen eine Argumentation mit dem letztgenannten Aspekt aber deutlich Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 76.



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG51

stößen gegen das Sozialversicherungsrecht machen.147 Für eine solche Zwecksetzung findet sich in der Gesetzesbegründung zum UMAG zwar kein Anhaltspunkt. Allerdings könnten die Wertungen der sog. Legalitätspflicht auf § 148 AktG ausstrahlen und die von Ulmer eingeforderte Zweckerweite­ rung nahelegen. Um der Legalitätspflicht zu entsprechen, müssen die Organ­ mitglieder neben den aktiengesetzlichen Vorschriften und den Satzungsbe­ stimmungen im Rahmen einer „externen Pflichtenbindung“148 auch die Geund Verbote z. B. des Kartellrechts, des Arbeits- und Steuerrechts, des Straf­ rechts oder des Verwaltungsrechts beachten.149 Ein Verstoß gegen solche Vorschriften ist nach einhelliger Auffassung zugleich eine Verletzung der Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft gem. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG.150 Dass eine Schmiergeldzahlung oder ein Umweltrechtsverstoß der Gesell­ schaft wirtschaftlich nützt, hebt die gesellschaftsrechtliche Pflichtwidrigkeit nicht auf; einen „effizienten Gesetzesbruch“ erkennt das Aktiengesetz dem­ nach nicht an.151 Die ratio der Legalitätspflicht wird nämlich nicht allein darin erblickt, die Gesellschaft vor Schäden (z. B. in Form von Bußgeldern) zu bewahren, sondern auch darin, den betreffenden Rechtsnormen zusätz­ liches Gewicht zu verschaffen.152 Folgt man dem, ist es nur konsequent, § 148 AktG auch als prozessualen Arm der Legalitätspflicht zu begreifen, der deren Schutzzweck zu praktischer Geltung verhilft.

VI. Relative Bedeutung der Sanktionswahrscheinlichkeit (certainty) und der Sanktionshöhe (severity) für die Verwirklichung der Haftungszwecke Der Klärung bedarf, in welchem Maß die Verwirklichung der zuvor dar­ gestellten Haftungszwecke von der durch § 148 AktG maßgeblich mitbe­ einflussten Wahrscheinlichkeit der Anspruchsdurchsetzung (certainty) ei­ 147  Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 306; 308; 330; für die Durchsetzung des Kar­ tellrechts auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 77. 148  Begriff von Winnen, Innenhaftung (2009), S. 143. 149  Statt vieler Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 23. 150  Abeltshauser, Leitungshaftung (1998), S. 213; Fleischer, ZIP 2005, 141; ders., in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 24; Habersack, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 429 ff.; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 144. 151  Etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 36; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 162 f. 152  Habersack, FS U. H. Schneider (2011), S. 429, 435; Wiedemann, ZGR 2011, 183, 199: „Es schwingt bei der Internalisierung der Rechtstreue in das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Organ wohl auch der Gedanke mit, die Interessen der gesellschaftlichen Bezugsgruppen und der geltenden Wirtschaftsordnung müss­ ten durch eine Binnenhaftung zusätzlich gesichert werden […].“

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

nerseits und der Höhe der aufzuerlegenden Ersatzsumme (severity) ande­ rerseits abhängt. 1. Verhaltenssteuerung Aufgrund der scharfen Sanktion einer Haftung mit dem privaten Vermö­ gen für den gesamten Schaden (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG)153 könnte bereits eine geringe Durchsetzungswahrscheinlichkeit genügen, damit die Haftungs­ androhung Organmitglieder zur Sorgfalt anhält. Reformen des § 148 AktG könnten folglich zu vernachlässigen sein. Dazu soll der folgende rechtsöko­ nomische Hintergrund betrachtet werden: Die Pflichtverletzung eines Or­ ganmitglieds hat einen Preis P (  f, p), der eine Funktion der Sanktion f, hier also der Höhe der Schadensersatzleistung, und der Wahrscheinlichkeit p ist, mit welcher diese Sanktion durchgesetzt wird.154 Ein zur Prävention im Mindestmaß erforderlicher Preis P (  f, p) – beispielsweise von 20.000 Euro – kann im ökonomischen Modell durch ganz unterschiedliche Kombinationen erreicht werden,155 etwa mit einer Kombination von f = 20.000 Euro und einer Durchsetzungswahrscheinlichkeit p von 100 % (1.0), oder aber mit einem p von 10 % und einer Ersatzsumme f von 200.000 Euro. Der Preis P (  f, p) beträgt in beiden Fällen 20.000 Euro. In weiten Teilen der rechts­ ökonomischen Literatur findet sich Zuspruch für ein Haftungsmodell, das hohe Sanktionen mit geringen Durchsetzungswahrscheinlichkeiten verbin­ det. Rechtsdurchsetzung (enforcement) verursacht schließlich Kosten für die Allgemeinheit.156 Die Rechtsverfolgungskosten etwa für Gerichte sind nach diesem Ansatz geringer.157 Zudem müssten die Aktiengesellschaften weni­ ger öffentliche Organhaftungsverfahren dulden, die für die Einzelgesell­ 153  Wagner,

ZHR 178 (2014), 227, 233. in: Schulze, Compensation of Private Losses (2011), S. 179, 186 (all­ gemein zum Schadensrecht). 155  Zu dieser Austauschbarkeit etwa Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887, 896: „Classic deterrence theory treats the severity of sanctions and the frequency of enforcement as alternative policy tools for regulating behavior.“ 156  Polinsky/Shavell, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia of Law and Econo­ mics (2000), S. 307, 312, die feststellen, dass „society could save enforcement costs by simultaneously raising the fine and lowering the probability without affecting the level of deterrence“; auch Klöhn, in: Schulze, Compensation of Private Losses (2011), S. 179, 186; Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law (2004), S. 484 f. (für risikoneutrale Rechtsunterworfene). 157  In Bezug auf strafrechtliche Sanktionen Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1088 f.: „Because increasing severity (that is, lengthening jail terms or imposing monetary fines) is generally thought to be cheaper than increasing fre­ quency (that is, increasing the number of police, prosecutors, and judges), it is ge­ nerally assumed that increasing severity is the more efficient deterrence strategy.“ 154  Klöhn,



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG53

schaften aufgrund von Reputationseinbußen nicht selten keine positive Bi­ lanz aufweisen.158 Der Ansatz ist daher verlockend, auf einige wenige „Musterprozesse“ zu setzen, in denen drastische Ersatzsummen ausgeurteilt werden, um Organ­ mitglieder zur Sorgfalt anzuhalten. Ein Gegenmodell sieht eher maßvolle Ersatzleistungen unterhalb der Totalkompensation vor und verbindet es zur Herstellung ausreichender Präventionswirkungen mit einer relativ hohen Durchsetzungswahrscheinlichkeit p.159 Lässt sich etwas gegen das Modell „harsche Sanktion, seltene Durchset­ zung“ einwenden? a) Gründe für eine gemäßigte Höhe der Ersatzansprüche Von der einen Seite betrachtet, gibt es gewichtige Gründe, den Umfang des Schadensersatzes zu limitieren. Man könnte vorab einwerfen, der Wert für die Sanktionshöhe f stehe un­ veränderbar fest: Im allgemeinen Schadensrecht wie auch im Organhaftungs­ recht sei immer der gesamte Schaden auszugleichen, so dass sich eine opti­ male enforcement policy160 durch Variationen beider Größen f und p gar nicht festlegen lasse. Gerade für die Organinnenhaftung ist die Totalkompensation aber bereits de lege lata umstritten.161 Eine vollumfassende Ersetzung des Schadens ist aus Präventionsgründen jedenfalls nicht zwingend.162 Zu ver­ weisen ist auf die überzeugende Arbeit von Cooter und Porat, die nachwei­ sen, dass das Schadensersatzregime dem Schädiger im Mindestmaß lediglich dasjenige nehmen muss, was er an Schadensvermeidungsaufwand einspart.163 158  Vgl. G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 50: Haftungsklagen brächten der Einzelgesellschaft „allenfalls eine magere Aus­ beute […] und wahrscheinlich sogar überwiegend Verluste“; Mertens, in: Feddersen/ Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance (1996), S. 155, 159; bereits Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 296 f.; vgl. auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshan­ delns (2007), S. 201 (für Klagen bei leichteren Sorgfaltspflichtverletzungen); a. A. Weber, Die konzernrechtliche abgeleitete Aktionärsklage (2006), S. 268. 159  Für ein solches Modell etwa Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 251; grundlegend für das US-amerikanische Recht Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887 ff. 160  Begriff bei Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887, 897. 161  s. zur Frage einer Haftungsreduktion im geltenden Recht unten Kapitel 3, § 14 I. 1. 162  Wie hier Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 238. 163  Cooter/Porat, Coase-Sandor Working Paper Series in Law and Economics No. 688 (2014), S. 12: „To deter rational injurers from disobeying the legal standard, the injurer’s savings from untaken precaution must not exceed her expected liability. The tipping point occurs where her untaken precaution exactly equals her expected

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

Ein vereinfachendes Beispiel: Der Handelnde möge mit einer Vorsichtsmaß­ nahme, die ihn 1.000 Euro koste, einen Schaden von 20.000 Euro sicher ver­ meiden können. Hier muss nach dem Modell von Cooter und Porat der Scha­ densersatz bei einer Durchsetzungswahrscheinlichkeit von p = 100 % nur zumindest 1.000 Euro (oder z. B. bei p = 10 % mindestens 10.000 Euro) be­ tragen, damit dem Handelnden der Anreiz genommen wird, die Sicherheits­ maßnahme zu unterlassen. Gerade für die Organinnenhaftung sind diese Er­ kenntnisse von großer Bedeutung.164 Denn anders als „Alleineigentümer“ eines Unternehmens haben Organmitglieder ohnehin wenig Anreiz, Scha­ densvermeidungsaufwand zu unterlassen; dieser Aufwand trifft primär die Gesellschaft.165 Sie selbst spüren ihn nur, soweit er ihre Gewinnbeteiligung mindert. Das Beispiel fortentwickelnd, internalisiert das mit – hoch gegriffe­ nen – 10 % am Gewinn beteiligte Organmitglied 10 % des Aufwands zur Schadensvermeidung, also 100 Euro. Während der Alleineigentümer bei ­einer Entdeckungswahrscheinlichkeit von p = 100 % mit mindestens 1.000 Euro haften müsste, müsste das Organmitglied im Beispiel also lediglich mit ­ 100 Euro haften, um ihm den Anreiz zu nehmen, erforderliche Schadensver­ meidungsmaßnahmen zu unterlassen. Mit einem Wert f unterhalb der Total­ kompensation zu operieren, ohne die Steuerungswirkung im Hinblick auf Sorgfaltspflichtverstöße preiszugeben, ist somit gerade im Bereich der Orga­ ninnenhaftung möglich. Gegen hohe Ersatzsummen ist ins Feld zu führen, dass sie die sog. judicial nullification166 heraufbeschwören. Die These der judicial nullification besagt, dass Richter, die eine vollumfängliche Haftung als drakonisch wahr­ nehmen, geneigt sind, überhaupt von einer Verurteilung abzusehen.167 Für andere Rechtsbereiche als die Organhaftung legen auch empirische Erkennt­ nisse diesen Effekt nahe.168 Coffee und Schwartz begründen die spärlichen liability. This is the minimal level of liability that removes the incentive for injurers to take precaution below the legal standard.“ 164  Vgl. auch Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 238. 165  Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 238; vgl. auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 22. 166  Wortwahl von Coffee/Schwartz, 81 Colum. L. Rev. (1981), 261, 309. 167  Dazu Coffee/Schwartz, 81 Colum. L. Rev. (1981), 261, 309: „[A]n invisible barrier to adequate deterrence is always the possibility of judicial nullification of the law based on a sense that the potential penalties are disproportionate to the misbe­ havior involved.“; Coffee, 52 Geo. Wash. L. Rev. (1984), 789, 818 f.; Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 148 f.; im Kontext der kapitalmarktrechtlichen Gruppenklage (securities class action) Langevoort, 38 Ariz. L. Rev. (1996), 639, 664. 168  Zur zögerlichen Rechtsdurchsetzungspraxis nach einer Verschärfung der Sank­ tionen für Geschwindigkeitsübertretungen von Kraftfahrzeugführern im US-Bundes­



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG55

Verurteilungen von directors durch US-amerikanische Gerichte mit dieser Nullification-These.169 Entsprechend vermutet Fleischer, die Siemens AG könnte deswegen nur 15 Millionen und damit einen Bruchteil des Gesamt­ schadens gegen ihren ehemaligen Finanzvorstand Neubürger eingeklagt haben, weil sie die Erfolgschancen ihrer Klage aufbessern wollte.170 Bei § 148 AktG könnten Richter z. B. bereits die Anforderungen an den Nach­ weis des Verdachts (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) im Vorverfahren über­ spannen, wenn eine Verurteilung dem Beklagten das sprichwörtlich letzte Hemd nähme. Zweitens kann eine Beschränkung des Haftungsumfangs eine durch das Verwaltungsorgan betriebene Anspruchsverfolgung erleichtern. Es wird na­ mentlich den Aufsichtsratsmitgliedern leichter gemacht, überhaupt einen Pflichtverletzungsverdacht zu offenbaren und gegen Vorstandsmitglieder vorzugehen, wenn nicht deren Existenzvernichtung und ein langes, das Band zwischen Organmitglied und Gesellschaft zerschneidendes Prozessie­ ren „um Leben und Tod“ zu besorgen ist.171 Im Besonderen wird beiden Seiten auch ein Vergleich erleichtert. Zum Hintergrund ist folgendes Dilem­ ma zu bedenken, das Forstmoser für die Innenhaftungsdurchsetzung im Zuge der Bankenkrise bei der Schweizer Bank UBS AG auf den Punkt gebracht hat:172 Er führt aus, dass der Vergleich angesichts hoher Schäden „keine Perspektive“ sei. „Entweder würde die UBS AG auf der Abgeltung staat Connecticut Campbell/Ross, 3 L. & Soc. Rev. (1968), 33, 52: „The courts, and probably also the police, are apparently unwilling to invoke penalties that might seem severe and unfamiliar in context.“; zur Interpretation dieser Studie auch Geerken/Gove, 9 L. & Soc. Rev. (1975), 497, 502, die feststellen, dass „if enforcers feel the severity of the legally prescribed punishment is excessive they will often avoid enforcing the law […]. Thus, the use of ‚severe‘ sanctions to control ‚minor‘ crimes may possibly be counter-productive.“ 169  Coffee/Schwartz, 81 Colum. L. Rev. (1981), 261, 309. 170  Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1311. 171  Ganz ähnlich Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927: „Das Risiko der wirtschaft­ lichen Existenzvernichtung führt weiterhin dazu, dass vor allem bei geringem Ver­ schulden des ersatzpflichtigen Vorstandsmitglieds von Seiten des Aufsichtsrats ver­ sucht werden dürfte, die Durchsetzung erfolgversprechender Haftungsansprüche zu vermeiden – zum einen, weil die Haftung als unbillig empfunden wird, zum anderen, weil sich der Aufsichtsrat in solchen Fällen de facto zwischen der Anspruchsverfol­ gung und dem Festhalten an dem Vorstandsmitglied entscheiden muss. Das aller­ dings untergräbt die generalpräventive Wirkung der Vorstandshaftung und führt zu­ dem in ein normatives Dilemma.“; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 233 ff.; möglicherweise auch Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224, der ausführt, eine Haftungsbeschränkung könne „eine konsequentere und ehrlichere Durchsetzung […] erleichtern“. 172  Forstmoser, Gutachten, S. 26; zu diesem Punkt auch Peltzer, in: Hommelhoff/ Rowedder/Ulmer (2000), 49, 81.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

eines relevanten Teils ihres Schadens beharren, dann dürften sich die be­ klagten Personen mit allen Mitteln – auch denen der Verzögerung – zur Wehr setzen. Begnügte sich die UBS AG dagegen vergleichsweise mit eher symbolischen Zahlungen, dann würde dies in der Öffentlichkeit nicht verstanden.“173 Ein für die Organmitglieder tragbarer Haftungsumfang schafft neue „Spielregeln“ für den Vergleich: Organmitglieder können die Summen tatsächlich leisten, und die Gesellschaftsvertreter stehen nicht in dem unguten Licht, die Schädiger entgegen dem gesetzlich vorgesehenen Normalfall aus der Haftung zu entlassen.174 An dieser Stelle sei allerdings angemerkt, dass die Vergleichssummen andererseits auch nicht so niedrig ausfallen dürfen, dass sich Organmitglieder eilfertig bei jedem noch so va­ gen Verdacht einer Pflichtverletzung für einen Obolus „freikaufen“. Nicht zuletzt käme es dann kaum mehr zu Klagezulassungs- und Klageverfahren, mit der Folge, dass die erstrebenswerte Regelkonkretisierung nicht stattfän­ de.175 Die Vergleichssummen müssen also so schmerzhaft bleiben, dass Organmitglieder, die sich entschieden zu Unrecht belangt fühlen, einen Grund haben, nötigenfalls auch einen Prozess „auszufechten“. Drittens können hohe Ersatzsummen f, die für die Schuldner eine Exis­ tenzvernichtung bedeuten, zu einer übermäßigen Risikoscheu der Organmit­ glieder beitragen. Zum einen neigen Vorstandsmitglieder dazu, von chan­ cenreichen, aber zugleich risikoträchtigen Entscheidungen schon bei einem geringen Fehlschlagrisiko Abstand zu nehmen (conservatism), wenn ihnen 173  Vgl. auch die Einschätzung von Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 759, nach der die Vergleichsbereitschaft der Aufsichtsräte keineswegs vorausgesetzt werden darf. 174  Auch im Fall „Siemens“ haben Kritiker die nicht unbeträchtlichen Vergleichs­ summen, welche die ehemaligen Vorstände persönlich leisten mussten, als zu gering­ fügig gerügt. Negativ etwa die Bewertung durch durch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK); vgl. die Aussagen des stellvertretenden Vorsitzenden der SdK Petersen, zitiert nach Kroker, Geburtstagsgeschenk für den Ex-Chef, Wirtschafts­ woche vom 26.01.2010, www.wiwo.de: „Dass Sie hier mit einer Zahlung von nur fünf Millionen Euro rausgehen angesichts des Schadens, den Sie angerichtet haben, ist doch ein Geschenk.“ (gerichtet an den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Pierer). 175  Jede nennenswerte Erleichterung von Vergleichsabschlüssen – auch die hier im rechtspolitischen Teil i. E. empfohlene (s. unten Kapitel 3, § 14 I.) – steht not­ wendig in einem Spannungsverhältnis zu der Funktion, die Haftungsregeln durch Gerichtsentscheidungen zu konkretisieren; ebenfalls Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 51; grundlegend zur Kritik an der gesetzlichen Förderung des Vergleichs Fiss, 93 Yale L. J. (1984), 1073 ff.; zur Vernachlässigung autoritativer Gesetzesinter­ pretation dort S. 1085 f. Allerdings muss beachtet werden, dass in der Praxis nicht selten zumindest das Zulassungsverfahren durchgeführt werden würde, um eine ge­ richtliche Einschätzung der Rechtslage zu erhalten. Dieses Verfahren wird bereits nicht unerheblich zur Regelbildung beitragen. Im Übrigen verbleibt eine Kompromisshaftigkeit. Eine Verabsolutierung der Regelbildungsfunktion zu Lasten sinnvol­ ler Vergleichslösungen sollte rechtspolitisch nicht verfolgt werden.



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG57

eine existenzvernichtende Haftung droht, die auch effektiv durchgesetzt wird.176 Zum anderen verleiten hohe Haftungsrisiken auch zu Absicherungs­ strategien etwa durch Gutachten oder übermäßig enggestrickte ComplianceKontrollsysteme, deren Kosten außer Verhältnis zum drohenden Schaden stehen.177 Vorstandsmitglieder tendieren zu derartigem Überfluss, weil pri­ mär die Gesellschaft die Kosten der Schadensvermeidung trägt;178 sie selbst spüren Verschwendung nur insofern, als sich ihre ergebnisabhängige Vergü­ tung mindert – was das geringere Übel gegenüber existenzvernichtenden Ersatzansprüchen ist.179 Die Haftungsbegrenzung könnte zu einem stärkeren Gleichlauf von Organwalter- und Gesellschaftsinteresse führen, indem dem Organmitglied vermittelt wird, keine Schadensvermeidung um jeden Preis betreiben zu müssen.180 Alternative Pfade, die Vorstandsmitglieder vor einer existenzvernichten­ den Haftung zu bewahren, sind nicht ohne Fallstricke. Die Verträge einer D&O-Versicherung weisen sowohl Deckungslimits als auch Ausschlussklau­ seln für bestimmte Haftungsfälle auf und bieten keinen verlässlichen Schutz vor existenzvernichtender Haftung.181 Auch das unternehmerische Ermessen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wird Unternehmensleiter ob seines beschränk­ ten Anwendungsbereichs und der unklaren Anforderungen an die erforder­ liche Informationssorgfalt kaum ruhig schlafen lassen.182 Schließlich ließe 176  Zu dieser Neigung Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 22; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1311; Peltzer, in: Hommelhoff/Rowedder/ Ulmer (2000), S. 49, 81; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 236; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 257 ff. 177  Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1311; J. Koch, AG 2012, 429, 434. 178  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 22; J. Koch, AG 2012, 429, 434; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 238; Bayer/ Scholz, NZG 2014, 926, 927. 179  Zu weitgehend aber Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 22, der ausführt, die Organmitglieder könnten Haftungsvorsorge betreiben, „ohne dafür ‚bezahlen‘ zu müssen“; Hervorhebung nicht im Original. 180  Vgl. J. Koch, AG 2012, 429, 434. 181  Fleischer, ZIP 2014, 1305; J. Koch, AG 2012, 429, 432. Koch weist auf eine Kautelarpraxis hin, nach der gerade „für Schäden wegen oder infolge von Strafen, Geldbußen oder Entschädigungen mit Strafcharakter“ der Versicherungsschutz meist ausgeschlossen ist; Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juris­ tentages (2015), N 12; eingehend Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 208 ff. (zusammenfassend auf S. 223 f.: Kein hinreichender Schutz vor existenz­ vernichtender Haftung); eingehend Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 247 ff. 182  Wie hier J. Koch, AG 2012, 429, 430 f., unter Bezugnahme auf die tatbestand­ lichen Voraussetzungen; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 106 ver­ weist auf den beschränkten Anwendungsbereich; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 258 bezeichnet es als „offene Frage“, ob es gelingen kann, die Organwalter durch § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG vor übermäßigen Haftungsgefahren zu schützen.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

sich anstelle einer Umfangsbeschränkung auch erwägen, weiter an der Schraube der Haftungsmaßstabs zu drehen. Den Gesellschaften könnte er­ möglicht werden, in der Satzung die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit zu beschränken. Tatsächlich hat der 70. Deutsche Juristentag jüngst im An­ schluss an die Vorschläge Bachmanns beschlossen, die Innenhaftung de lege ferenda weitgehend satzungsdisponibel zu gestalten.183 Die Satzung soll „die Innenhaftung der Organmitglieder für einfache Fahrlässigkeit aus­ schließen können“.184 Indes ist nicht immer leicht vorhersehbar, unter wel­ chen Voraussetzungen Richter im Einzelfall grobe Fahrlässigkeit annehmen, weshalb es vorzuziehen ist, die Haftung dem Umfang nach zu begrenzen.185 Weiterhin könnte eine Haftungsbegrenzung auch vertragstheoretisch zu begründen sein.186 Ein vertragstheoretisches Argument für eine Haftungsbe­ grenzung ist auszumachen, wenn jemand fremdnützig tätig ist187 und – wie das Organmitglied – keine haftungsbeschränkte Rechtsform wählen und seine Haftung vertraglich auch nicht beschränken kann.188 Die Früchte der Tätigkeit stehen bei Fremdnützigkeit dem Geschäftsherrn zu, während die wirtschaftliche Teilhabe des fremdnützig Tätigen selbst beschränkt ist.189 Ein volles Haftungsrisiko des Tätigen steht dann leicht außer Verhältnis zu seiner eingeschränkten Beteiligung am Erwirtschafteten.190 Das BAG folgt ähnlichen Argumentationslinien, wenn es die beschränkte Haftung der Ar­ beitnehmer gegenüber den Arbeitgebern damit begründet, „daß der Verdienst 183  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 2.: „Es sollte im Grundsatz unter Wahrung berechtigter Infor­ mationsinteressen möglich sein, die aktienrechtliche Innenhaftung der Organmitglie­ der durch die Satzung zu begrenzen.“; angenommen 74:7:6. 184  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 3. a); angenommen 60:14:11. 185  Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1314. 186  Für eine Differenzierung zwischen Effizienzüberlegungen und gerechter Risi­ koverteilung bei der theoretischen Begründung der Haftungsbegrenzung auch J. Koch, AG 2014, 513, 516. 187  Eingehend zur Fremdnützigkeit als – einer – Voraussetzung für eine Haftungs­ begrenzung Frisch, Haftungserleichterung (1998), S. 177 ff. (zum GmbH-Geschäfts­ führer argumentierend); Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2010), § 619a Rn. 60: Haftungsbegrenzung müsse stets Anwendung finden, „wo jemand im fremden Inte­ resse tätig wird“. 188  Dieses ergänzende Kriterium betont zu Recht Sailer-Coceani, Referat, Ver­ handlungen des 70. Deutschen Juristentags (2015), N 16. 189  Eingehend zu fehlenden wirtschaftlichen Teilhabemöglichkeiten als Vorausset­ zung einer Haftungsbegrenzung Frisch, Haftungserleichterung (1998), S. 180 ff. 190  Vgl. zu diesem Begründungsansatz nur Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2010), § 619a Rn. 60, die auf eine „vertragstheoretische Konzeption“ verweisen, „die das Missverhältnis zwischen Haftungsrisiko und Gegenleistung des Arbeitgebers zum Anlass nimmt, die Haftungserleichterung auf diesen Gesichtspunkt zu stützen“.



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG59

des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko steht“.191 Ein solches Missverhältnis lässt sich auch für Vorstandsmitglieder in Aktiengesellschaften in aller Regel nachweisen.192 Die Vorteile aus der Geschäftsführung fließen den Gesellschaften zu.193 Die Vergütung der Vor­ standsmitglieder bildet trotz ihrer meist beträchtlichen Höhe regelmäßig nicht die Haftungsrisiken ab.194 Tantiemenabreden mögen den Unterneh­ mensleiter zwar näher an den Eigentümer-Unternehmer heranrücken, insbe­ sondere wenn sie keine summenmäßige Obergrenze beinhalten.195 Auch dann fließen dem Vorstandsmitglied aber nicht sämtliche Vorteile aus einer erfolgreichen Geschäftsführungsmaßnahme zu, so dass es auch nicht gerecht ist, ihm sämtliche Schadensrisiken aufzubürden.196 Umstritten ist, ob allein die Fremdnützigkeit und damit das wirtschaft­ liche (quantitative) Missverhältnis von Gewinnbeteiligung und Haftungsrisi­ ken genügt, um eine Haftungsbegrenzung für Vorstandsmitglieder vertrags­ theoretisch zu legitimieren, oder ob es daneben auch noch auf eine Wei­ sungsabhängigkeit des Haftenden ankommt.197 Das BAG argumentiert im Arbeitsrecht, dass Arbeitnehmer den Betriebszweck gerade durch weisungs­ gebundene Tätigkeit verwirklichen und sie sich Schadensrisiken somit nicht entziehen können.198 Frisch spricht in diesem Zusammenhang verallgemei­ 191  BAG

vom 12.10.1989  – 8 AZR 276/88, NZA 1990, 97, 98. J. Koch, AG 2012, 429, 436 f.; ders., AG 2014, 513, 417; auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 256 ff.: „Asymmetrie von Erträgen und Verlusten“. 193  J. Koch, AG 2012, 429, 436; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 257. 194  Deutlich J. Koch AG 2014, 513, 517: „Aber selbst bei höheren Einkommens­ gruppen kann angesichts der Schadenshöhen, wie sie in der heutigen international vernetzten Wirtschaftswelt begegnen, kaum behauptet werden, die unbeschränkte Haftung sei durch das hohe Gehalt abgegolten.“; auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 248, der auf die Grenzen für die Vorstandsvergütung aus § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG hinweist und meint, eine haftungsrisikoadäquate Vergütung las­ se sich aufgrund dieser Begrenzungen gar nicht vereinbaren; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 259 f.; vgl. auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristen­ tag (2014), E 57: „Üppige Gehälter nützen nichts, wenn der Schaden sie um ein Vielfaches übersteigt […]“; für die Vergütung der directors in US-amerikanischen Kapitalgesellschaften Coffee, 52 Geo. Wash. L. Rev. (1984), 789, 823: „Few would argue that annual directors’ fees were computed on the assumption that directors agreed to be insurers for business losses.“ 195  Vgl. Frisch, Haftungserleichterung (1998), S. 183. 196  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 259. 197  Für eine Unerheblichkeit des Weisungskriteriums J. Koch, AG 2012, 429, 437; a. A. in Bezug auf eine Haftungsmilderung de lege lata etwa Gaul, AG 2015, 109, 113; vgl. auch Frisch, Haftungserleichterung (1998), S. 177. 198  BAG GS vom 27.09.1994 – GS 1/89 (A), BAGE 78, 56, 64 f.; zum Argument der Fremdbestimmung auch Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 31. 192  Grundlegend

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

nernd von einem „Unterworfensein unter eine fremde wirtschaftliche Herrschaftssphäre“.199 Drei Gründe sprechen dafür, es auf eine Weisungs­ bindung nicht entscheidend ankommen zu lassen. Erstens drückt sich Fremdbestimmtheit nicht nur in Weisungen aus; die Tätigkeit der Organmit­ glieder ist in anderer Hinsicht durchaus fremdbestimmt.200 Das macht die Überlegung deutlich, dass die Organmitglieder über den zu verwirklichenden Unternehmensgegenstand201 (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG) nicht disponieren können.202 Nicht mehr lukrative Geschäftsfelder, die zum Unternehmensge­ genstand zählen, können sie nur mit Zustimmung der Hauptversammlung aufgeben.203 Nur durch Dispositionen über den Unternehmensgegenstand können Unternehmensleiter aber unter Umständen sichern, dass das Unter­ nehmen wettbewerbsfähig bleibt.204 Mit einem im Wettbewerb nicht mehr profitablen Unternehmensgegenstand fortfahren zu müssen, dürfte ihnen nicht nur Gewinnmöglichkeiten abschneiden, sondern auch die Schadensnei­ gung ihrer Tätigkeit erhöhen. Dabei gilt es zu beachten, dass der Unterneh­ mensgegenstand bestimmte risikogeneigte Entscheidungen oftmals unaus­ weichlich macht.205 Zweitens geht die Leitungsverantwortung „an der Spitze“ mit besonderen Unübersichtlichkeiten einher, die Organmitglieder gesteigerten Risiken eines Organisations- und Überwachungsverschuldens aussetzen: Zu Recht verweist J. Koch auf den Schmiergeldskandal bei Sie­ mens und darauf, dass auch einem umsichtigen Geschäftsleiter bei der Compliance-basierten Steuerung und Überwachung von einer halben Mil­ lion Mitarbeitern fahrlässige Pflichtverstöße unterlaufen könnten.206 Drit­ tens: Die Leitungsfunktion in einer Aktiengesellschaft bedingt, dass Vor­ standsmitglieder vornehmlich und häufig Entscheidungen von erheblicher Tragweite treffen müssen. In diesen Entscheidungen konzentrieren sich be­ 199  Frisch,

Haftungserleichterung (1998), S. 198. der entsprechenden Argumentation Frisch, Haftungserleichterung (1998), S. 198 ff. (zur Geschäftsführung in der GmbH argumentierend). 201  Zum Begriff Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 23 Rn. 16. 202  Dieses Argument entwickelt für GmbH-Geschäftsführer Frisch, Haftungser­ leichterung (1998), S. 200; zum Ausschluss der Dispositionsbefugnis der Organmit­ glieder über den Unternehmensgegenstand Fleischer, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 21; zum Erfordernis eines satzungsändernden Hauptversammlungs­ beschlusses gem. § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG Ritter, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 8 Rn. 72. 203  Fleischer, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 21. Gleiches gilt, wenn das Unternehmen eine ganz andere Art von Erzeugnissen produzieren oder vertrei­ ben soll; Ritter, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 8 Rn. 72. 204  Frisch, Haftungserleichterung (1998), S. 199 f. 205  Frisch, Haftungserleichterung (1998), S. 199 f. verweist u. a. auf übergeordne­ te „Planungs- und Organisationsentscheidungen“, die das Schadensrisiko bestimmen. 206  Zutreffend J. Koch, AG 2014, 513, 516. 200  Zu



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG61

sondere Haftungsrisiken.207 Kurzum: Es bestehen nicht nur im Einzelfall quantitativ exorbitante Haftungsrisiken, sondern es liegt eine spezifische strukturelle Risikoexposition vor. Für Vorstandsmitglieder lässt sich damit in der Gesamtschau der drei genannten Aspekte von einem sog. Geschäftsleitungsrisiko in begrifflicher Abgrenzung zu dem durch Weisungsbindung geprägten Betriebsrisiko des Arbeitnehmers sprechen. Auch jenes Risiko rechtfertigt eine Haftungsbegrenzung.208 Für eine Haftungsbegrenzung de lege ferenda streiten damit gute Gründe. Der Umfang der persönlichen Haftung muss allerdings auch künftig eine hinreichende Prävention sicherstellen.209 Auf die Umsetzung der Begren­ zung ist noch einzugehen.210 b) Argumente für eine häufige Durchsetzung der Innenhaftungsansprüche Je deutlicher man den Umfang f der Innenhaftung begrenzt, desto wich­ tiger wird es, als „Gegengewicht“ eine hinreichend hohe Durchsetzungs­ wahrscheinlichkeit p zu gewährleisten, um einen ausreichend abschrecken­ den Preis P (  f, p) für die Pflichtverletzung anzusetzen. Für eine recht häufige Anspruchsdurchsetzung streitet weiterhin, dass Organmitglieder überhaupt wissen müssen, welches Verhalten in concreto von ihnen erwartet wird. Das Rechtssystem muss dazu beitragen, ihr Ver­ halten in die richtige Richtung zu lenken. Dafür sind die offenen Tatbestän­ de der Sorgfalts- und Treuepflicht durch Gerichtsverfahren fortlaufend zu konkretisieren und an neue Entwicklungen anzupassen.211 Das lässt sich bevorzugt in einem Haftungssystem mit relativ häufiger gerichtlicher An­ spruchsdurchsetzung erreichen.212 207  Zutreffend Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927: „Besonders betont werden muss […], dass exorbitant hohe Haftungsansprüche ein für die AG rechtsformtypisches Phänomen darstellen. Denn auf Vorstandsebene sind regelmäßig nur noch Aufgaben von erheblicher Tragweite für das Unternehmen angesiedelt, was mit ei­ nem entsprechenden Schadenspotenzial bei Pflichtverletzungen einhergeht.“; auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 248, der von einem „für die Rechtsform der AG typische[n] Phänomen eines weit überdurchschnittlichen Risikos exorbitant hoher und damit existenzvernichtender Haftungsansprüche“ ausgeht. 208  Ganz ähnlich etwa Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 927. 209  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 278. 210  Unten Kapitel 3, § 14 I. 211  Zur Funktion der Regelkonkretisierung eingehend oben Kapitel 1, § 5 III. 212  Grundlegend dazu der Aufsatz von Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887 ff., die Kernthese zusammenfassend etwa auf S. 890: „Legal indeterminacy […] is an

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

Gegen geringe Durchsetzungswahrscheinlichkeiten p lässt sich zudem Folgendes anführen: Die Wahrscheinlichkeit von seltenen, daher in der Erin­ nerung oft verblassten Ereignissen wird möglicherweise systematisch unter­ schätzt.213 Werden Organhaftungsansprüche nur sehr selten durchgesetzt, könnten Organmitglieder das Risiko einer Inanspruchnahme unterbewerten. Das entkräftet die Verhaltenssteuerung. Möglicherweise ist mit dieser Bedeu­ tung der aktuellen Präsenz von Haftungsgefahren auch Folgendes erklärbar: Studien zu Geldstrafen haben für die angenommene Sanktionswahrschein­ lichkeit (p) zumindest eine gewisse verhaltenssteuernde Wirkung konsistent belegt,214 für die Schwere der Sanktion  (  f  ) aber weit weniger deutliche Er­ gebnisse erbracht.215 In der kriminologischen Forschung konnte sogar ein kritisches Level (tipping point) für p nachgewiesen werden, bei dessen Un­ terschreitung Sanktionsgefahren systematisch unterbewertet werden.216 In­ wieweit sich diese kriminologischen Forschungsergebnisse auf die zivilrecht­ liche Organhaftung übertragen lassen, muss hier offen bleiben. Abweichend halten es einige Autoren für möglich, dass die gedankliche Verfügbarkeit von Sanktionen sich besser mit „schockierenden“ Strafen und sie begleitender additional source of liability risk, which constitutes an independent reason to reduce sanctions and increase the rate of enforcement.“ 213  Jolls, Harvard Law and Economics Discussion Paper No. 494 (2004), S. 12. 214  Zahlreiche kriminologische Studien und Metastudien auswertend jüngst Paternoster, 100 100 J. Crim. L. & Criminology, (2010), 765, 818: „The safest conclu­ sion from the literature thus far would be that the perception of certain legal and extralegal sanctions does seem to act as a modest deterrent factor […]“; bereits Geerken/Gove, 9 L. & Soc. Rev. (1975), 497, 502; Hollinger/Clark, 62 Soc. Forces (1983), 398, 399: „[O]f the three major variables in the deterrence process – per­ ceived certainty, severity, and celerity of punishment – the consensus of empirical research is that perceived certainty of punishment is the most effective in shaping behavior.“ 215  Zu der beschränkten Wirkung der Sanktionshöhe Geerken/Gove, 9 L. & Soc. Rev. (1975), 497, 501: „Thus, although we can be fairly certain that severity of punishment at least occasionally plays an important deterrence role, we cannot be at all certain that it consistently does.“; Paternoster, 100 J. Crim. L. & Criminology (2010), 765, 818. 216  Tittle und Rowe haben untersucht, welche die Auswirkung die sog. arrest clearance rate – der Anteil der Straftaten, bei denen die Polizei zu der Überzeugung gelangt ist, die schuldige Person ergriffen haben, was letztlich ein Indikator für die Sanktionsverhängung ist – auf die Kriminalitätsraten in den Verwaltungsbezirken (counties) des US-Bundesstaats Florida hat; Tittle/Rowe, 52 Soc. Forces (1974), 455. Das Studienergebnis war, dass die Wahrscheinlichkeit der Sanktionierung die Geset­ zestreue der Bürger anhebt, doch trat dieser Effekt erst ab einem kritischen Level (tipping point) einer Aufklärungsrate von 30 % ein, a. a. O. 459: „Thus certainty of arrest appears to be linked to the amount of crime in a negative direction when the level of certainty reaches 30 percent, but not at all when certainty is below 30 percent.“; zu diesem tipping point auch Pogarsky, in: Krohn/Hall/Lizotte, Handbook on Crime and Deviance (2009), S. 241, 253.



§ 5  Zweckbestimmung des § 148 AktG63

Medienberichte als einer gesteigerten Durchsetzungsfrequenz fördern lässt.217 Allerdings räumen auch diese Autoren ein, dass sich diese Voraussetzungen nicht immer erfüllen lassen und es dann vorteilhafter ist, die Frequenz zu erhöhen.218 Gerade für die fremdnützige Organtätigkeit gibt es wie darge­ stellt gute Gründe, nicht auf eine schockierende, existenzvernichtende Haf­ tung in wenigen Fällen zu setzen. Entscheidet man sich für einen maßvollen Haftungsumfang, entfällt aber künftig die Möglichkeit, mit Existenzvernich­ tung (oder der Drohung mit einer solchen) zu „schockieren“. Dann aber wird es umso bedeutender, Haftungsgefahren durch eine gesteigerte Durchset­ zungsfrequenz bei den Organmitgliedern gedanklich präsent zu halten. Zudem deuten verhaltensökonomische Erkenntnisse darauf hin, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit, gesetzeswidrige unternehmerische Entscheidungen vor Gerichten verantworten zu müssen, einen eigenständigen, wertvollen Beitrag zur Verhaltenssteuerung leisten kann. Namentlich könnte die Aus­ sicht, Entscheidungen vor einem Gericht plausibilisieren zu müssen, Organ­ mitglieder anhalten, ihre Entscheidungsverfahren zu verbessern.219 Studien haben gezeigt, dass eine bestimmte institutionalisierte Verantwortlichkeit (accountability220) eine Reihe sog. Heuristiken und kognitiver Verzerrungen (biases) bei Entscheidungen unter Unsicherheit221 abmildern oder gar aus­ schalten kann.222 Aus der Vielzahl dieser vom Rationalitätsmodell abweichenden kogniti­ ven Phänomene223 sollen zwei herausgegriffen werden: Vorstandsmitglie­ 217  McAdams/Ulen, in: Garoupa, Criminal Law and Economics, 403, 418 f. „If punishments are so severe that some sentences become shocking and publicized, increasing severity could be the more efficient deterrence strategy.“; Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1089. 218  Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1089: „Otherwise, increasing the frequency of punishment is likely to be more efficient, under the assumption that if a criminal knows or knows of someone who has been imprisoned for a particular crime, this information is likely to be available and to cause him to overestimate the likelihood that he will be arrested and convicted if he commits the same crime.“ 219  Grundlegend für den Bereich der Organhaftung Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 139 ff.; wohl auch Redeke, ZIP 2011, 59, 63. 220  Lerner/Tetlock, 125 Psych. Bull. (1999), 255: „[A]ccountability refers to the implicit or explicit expectations that one may be called on to justify one’s beliefs, feelings, and actions to others […].“; instruktiv zu dem Grundbegriff und den Be­ dingungen der accountability Bovens, in: Oxford Handbook of Public Management (2005), S.  182 ff. 221  Grundlegend zu Heuristiken und biases bei Entscheidungen unter Unsicher­ heit Tversky/Kahneman, 185 Science (1974), 1124; zum Unternehmensrecht Fleischer, in: FS Immenga (2004), S. 575 ff. 222  Ein umfassender Überblick über einzelne Studien bei Lerner/Tetlock, 125 Psych. Bull. (1999), 255, 260 ff. 223  Überblicksartig Fleischer, in: FS Immenga (2004), S. 575, 576 ff.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

dern wird einerseits nachgesagt, ihre Einsichts- und Problemlösungsfähig­ keiten zu überschätzen (overconfidence bias).224 Malmendier und Tate konnten z. B. nachweisen, dass Unternehmensleiter ihre Fähigkeiten, mit durch Mergers & Acquisitions hinzugewonnenen Unternehmen zusätzliche Gewinne zu generieren, überschätzen, was zur Folge hat, dass sie bei ver­ fügbaren gesellschaftlichen Rücklagen Preise über dem tatsächlichen Wert der Unternehmen zahlen.225 Bedeutsam für Vorstände und Aufsichtsräte ist zweitens das sog. Gruppendenken (groupthink).226 In sozial hochkohäsiven Gruppen, wie sie Vorstände und mit Abstrichen auch Aufsichtsräte nachge­ rade idealtypisch verkörpern,227 wird ein besonderes „Streben nach Einmü­ tigkeit“ beobachtet.228 Die Einmütigkeit erlangt größere Bedeutung als die „realistische Einschätzung von Handlungsalternativen“.229 Äußerungsformen sind die „Illusion der Unverwundbarkeit“,230 ein übertriebener Optimismus sowie ein besonderer Hang zum Risiko.231 Verbreitet sei die „Geringschät­ zung von Warnungen bzw. unpassenden Informationen“ sowie ein „Unifor­ mitätsdruck auf (potentiell) deviante Gruppenmitglieder“ anzutreffen.232 Erwartete accountability führt dazu, dass Individuen ihre Entscheidungs­ vorbereitung und -findung einer selbstkritischen Betrachtung unterziehen: Sie bemühen sich um einen Entscheidungsprozess, der vor dem prozesskri­ tischen Auge des kontrollierenden Dritten auf Akzeptanz stoßen wird.233 224  Redeke, ZIP 2011, 59, 62; vgl. auch Fleischer, in: FS Immenga (2004), S. 575, 577. 225  Malmendier/Tate, 89 J. Financ. Econ. (2008), 20, 21: „Our results suggest that a significant subset of CEOs is overconfident about their future cash flows and engages in mergers that do not warrant the paid premium.“ 226  Grundei/von Werder, AG 2005, 825, 829; eingehend aus der US-amerikani­ schen Litaratur etwa Howard, 20 S. Cal. Interdis. L. J. (2011), 425 ff.; unter dem Stichwort der conformity behandelt Teilaspekte dieses psychologischen Phänomens Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 139 ff. 227  Für das board of directors im US-amerikanischen Kapitalgesellschaftsrecht Howard, 20 S. Cal. Interdis. L.J. (2011), 425, 427 f.; Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 141. 228  Grundei/von Werder, AG 2005, 825, 829; auch Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 141. 229  Grundei/von Werder, AG 2005, 825, 829. 230  Grundei/von Werder, AG 2005, 825, 829; Howard, 20 S. Cal. Interdis. L.J. (2011), 425, 431. 231  Grundei/von Werder, AG 2005, 825, 829; vgl. zur Missachtung von Warnzei­ chen auch Howard, 20 S. Cal. Interdis. L.J. (2011), 425, 431 f. 232  Grundei/von Werder, AG 2005, 825, 829; vgl. auch Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 141, die eine „culture that emphasizes shared goals and values and dis­ courages open dissent“ annimmt; Howard, 20 S. Cal. Interdis. L.J. (2011), 425, 432 f. 233  Larrick, in: Koehler/Harvey, Blackwell Handbook of Judgment and Decision Making (2004), S. 316, 322: „The principal mechanism by which accountability



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Nachweislich kommt es zur Nutzung anstrengender und systematischer Prozeduren der Ergebnisfindung sowie zu einer gesteigerten Bereitschaft, sich von als sinnlos erkannten Handlungspfaden zu lösen.234 Es werden auch die Nachteile der overconfidence abgemildert.235 Wahrscheinlich ist auch, dass die Mechanismen des Gruppendenkens durchbrochen werden können:236 So wurde nachgewiesen, dass die unangebrachte Überschätzung der Effektivität von Gruppen sowie das übermäßige Einstimmigkeitsstreben in Gruppen gemindert werden.237 Accountability baut Verzerrungen allerdings nur unter bestimmten Bedin­ gungen ab. Es muss die Erwartung bestehen, an den Entscheidungsprozessen, weniger an den -ergebnissen, gemessen zu werden.238 Eine Kontrolle der Ergebnisse verstärkt demgegenüber z. B. den Eskalationseffekt239 sowie das Gruppendenken.240 Daneben muss gerade eine individuelle Verantwort­ improves decision making is pre-emptive self-criticism. In preparation for justifying their decisions to others, decision makers anticipate the flaws in their own argu­ ments, thereby improving their decision processes and outcomes.“; speziell zur Or­ ganhaftung Jones, 92 Iowa L. Rev. (2006), 105, 139  ff.; insbesondere S. 141: „Know­ing that they will have to account to the board for their decisions compels executives to examine the costs and benefits of their proposals and develop a cohe­ rent rationale for a proposed course of action. If directors knew they might be re­ quired to account to courts for their decisions or oversight failures, they should be similarly motivated to act with more independence and objectivity.“ 234  Lerner/Tetlock, 125 Psych. Bull. (1999), 255, 263: „[U]se of effortful, syste­ matic judgment strategies“. 235  Überblick zu entsprechenden Studien bei Lerner/Tetlock, 125 Psych. Bull. (1999), 255, 260. 236  Jones, 92 Iowa L. Rev. 105, 141 (2006): „A legal regime can counteract the tendency toward conformity by providing an accountability mechanism that empha­ sizes accuracy as an objective.“ 237  Dazu wegweisend die Studie von Kroon/‘t Hart/van Kreveld, 2 The Internati­ onal Journal of Conflict Management (1991), 91 ff., die feststellen, dass „accounta­ bility reduced some groupthink tendencies“. Insbesondere konnte nachgewiesen werden, dass das Streben nach Konformität (a. a. O., S. 109) sowie die übermäßige Risikoneigung (a.  a.  O., S. 110) gemildert werden konnten; Lerner/Tetlock, 125 Psych. Bull. (1999), 255, 263, die unter Bezug auf einzelne Studien von einer Re­ duktion von „mindless overestimates of effectiveness“ sowie „mindless concurrence seeking tendencies in group decisions“ berichten. 238  Lerner/Tetlock, 125 Psych. Bull. (1999), 255, 259. 239  Lerner/Tetlock, 125 Psych. Bull. (1999), 255, 258: „[O]utcome accountability produced greater commitment to a prior course of action than did process account­ ability […].“ Der Eskalationseffekt bezeichnet ein Verhalten von Individuen, bei negativem Ausgang einer Entscheidung, die sie zu verantworten haben, am verfehl­ ten Kurs festzuhalten und weitere Ressourcen für diesen aufzuwenden, anstatt um­ zukehren; dies und Näheres bei Staw/Fox, 30 Hum. Relat. (1977) 431, 432. 240  Bainbridge, 55 Vand. L. Rev, (2002), 1, 49. Dass Bainbridge einer den Ent­ scheidungsprozess in den Blick nehmenden gerichtlichen Kontrolle nicht gleichsam

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

lichkeit bestehen.241 Dass unabhängige Gerichte die Bedingungen der in der psychologischen Forschung gewonnen Kriterien verhaltenssteuernder accountability erfüllen,242 liegt jedenfalls nahe, soweit wie z. B. bei der Prü­ fung unternehmerischer Entscheidungen gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG die Voraussetzung „Prozess- statt Ergebniskontrolle“ erfüllt ist;243 denn die Gerichte prüfen hier vornehmlich die Vorbereitung der Entscheidung und nur sehr eingeschränkt die Entscheidung als solche.244 Die günstigen Wirkungen eines erwarteten gerichtlichen Plausibilisie­ rungszwangs auf die unternehmerischen Entscheidungsverfahren entfalten sich voraussichtlich besonders dann, wenn die Organmitglieder damit rech­ nen müssen, dass Innenhaftungsansprüche mit hoher Wahrscheinlichkeit gerichtlich durchgesetzt werden. Auch diesbezüglich ist § 148 AktG mithin bedeutsam. c) Ergebnis Argumente der optimierten Verhaltenssteuerung lassen sich somit für ein Haftungsmodell „geringe Sanktion f, hohe Durchsetzungswahrscheinlichkeit p“ ins Feld führen. 2. Vertrauensbildung Für den Vertrauensbildungszweck der Organhaftung wurde die besondere Bedeutung der Wahrscheinlichkeit der Sanktionierung (p) in Abgrenzung zur Ersatzhöhe (  f  ) bereits angedeutet: Die Öffentlichkeit wird kein Vertrau­ en gewinnen, wenn hin und wieder drastische Ersatzsummen ausgeurteilt werden, in einer Vielzahl der Verdachtsfälle aber jede gerichtliche oder außergerichtliche Anspruchsdurchsetzung ausbleibt und Organwalter trotz schwerster Pflichtverstöße sprichwörtlich „davonkommen“. negative Folgen wie einer Inhaltskontrolle zuschreibt, ergibt sich aus seinen Ausfüh­ rungen auf S. 52. 241  Dazu die Studie von Kroon/‘t Hart/van Kreveld, 2 The International Journal of Conflict Management (1991), 91, 110: „All of the effects mentioned were strong­ est when subjects anticipated they had to justify their decisions individually.“ 242  Jones, 92 Iowa L. Rev. 105, 146 Fn. 233 (2006); im Ergebnis wohl auch Redeke, ZIP 2011, 59, 63. 243  Insoweit auch Bainbridge, Vand. L. Rev, (2002), 1, 54, der für eine Leitent­ scheidung zur Sorgfaltspflicht und der Business Judgment Rule im US-amerikani­ schen Kapitalgesellschaftsrecht, Van Gorkom, mit ihrem Fokus auf eine Kontrolle des Entscheidungsprozess attestiert, dass das Gericht „arguably created a set of in­ centives consistent with the teaching of the literature on group decisionmaking“. 244  Dazu eingehend Kapitel 2, § 7 II. 2. b) aa).



§ 6  Regelungspolitisches Spannungsfeld des Verfolgungsrechts 67

3. Ergebnis Zusammengefasst gibt es gewichtige Argumente, ein Haftungsmodell „gemäßigte Sanktion f, erhöhte Durchsetzungswahrscheinlichkeit p“ zu rea­ lisieren.245 Das Gesetz verzichtet auf die „Keule“ der schockierenden, exis­ tenzvernichtenden Haftung und erhält das Haftungsrisikobewusstsein der Organmitglieder stattdessen durch eine erhöhte Durchsetzungsfrequenz. Damit wird zugleich dafür gesorgt, dass die Normkonkretisierung voran­ schreitet.246 § 148 AktG ist einem solchen Modell eine tragende Säule. Frei von Nachteilen ist das hier gewählte Haftungsmodell allerdings nicht. Denn es verursacht unbestreitbar erhebliche Kosten: Die öffentlich­ keitsfinanzierten Gerichte werden sich häufiger mit der Organinnenhaftung befassen müssen. Und die Gesellschaften müssen verstärkt Zulassungs- und Klageverfahren hinnehmen, die mit nicht geringen sekundären Kosten ver­ bunden sind.247 In der Abwägung verdient der Ansatz aus den genannten Gründen dennoch den Vorzug.

§ 6  Regelungspolitisches Spannungsfeld des Verfolgungsrechts Nahezu sämtliche Inhalte des § 148 AktG lassen sich als gesetzliche Ant­ wort auf drei regelungspolitische Grundfragen begreifen.

I. Umgang mit Zweckkollisionen Die soeben dargestellten Zwecke des § 148 AktG stehen nicht selten in einem Konfliktverhältnis zueinander: Die Verfolgung des Kompensations­ zwecks mag sich für die Gesellschaft oftmals nicht rechnen; denn die Nach­ teile einer Klage wie Reputationsbeeinträchtigungen können finanzielle Vorteile, also die durchsetzbare Ersatzsumme multipliziert mit der Wahr­ scheinlichkeit des Klageerfolgs, sowie die sonstigen Vorteile für die Einzel­ gesellschaft wie die bei dieser eintretenden künftigen Präventionswirkungen überwiegen.248 Auch in einer solchen Situation lassen sich die auf das Ak­ 245  Wagner,

887 ff.

246  Kamar,

ZHR 178 (2014), 227, 251; Kamar, 66 U. Chi. L. Rev. (1999),

66 U. Chi. L. Rev. (1999), 887 ff., insbesondere S. 890. diesen Kosten eingehend noch Kapitel 2, § 8 VI. 248  Vgl. zu einer negativen Klagebilanz die Einschätzungen von G. Bezzenberger/ T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 50; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance (1996), S. 155, 159; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 296 f.; vgl. auch Arnold, Die 247  Zu

68

1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

tienwesen im Ganzen bezogenen Zwecke der Abschreckung, der Regelkon­ kretisierung sowie der Vertrauensbildung meist verwirklichen.249 Für das Aktienwesen können daher Verfahren vorteilhaft sein, die der einzelnen Gesellschaft überwiegend schaden.250 Diese Divergenz macht Regeln dazu erforderlich, welchem Zweck im Kollisionsfall der Vorrang gebührt. Bei der Kollisionsregelbildung muss beachtet werden, dass auch die Interessen der einzelnen Gesellschaft kollidieren: Ex ante wird ihr eine robuste, wenige Ausnahmen zulassende Regel der Haftungsdurchsetzung vorzugswürdig er­ scheinen, um langfristig von der damit beförderten Vertrauensbildung in das Aktienwesen und ggf. gestärkten Präventionswirkungen zu profitieren. Im konkreten Haftungsfall kehren sich diese Präferenzen um, insbesondere weil überwiegende Reputationsnachteile eines Verfahrens befürchtet werden. Das Gesellschaftsinteresse ist daher zeitlich inkonsistent.251 Für das geltende Recht ist eine Zweckkollisionsregel in § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG ent­ halten, der eine Interessenabwägung im Zulassungsverfahren vorsieht. Wie die Zweckkollisionen de lege lata aufzulösen sind, ist bei diesem Tatbe­ standsmerkmal zu vertiefen.252

II. Erfolgsbedingungen des Antragsrechts und das Risiko des Rechtsmissbrauchs und nachteiliger Verfahren Das wesentliche Spannungsverhältnis des § 148 AktG besteht darin, dass Idealbedingungen für die antragstellenden Aktionäre zugleich einen Nährbo­ den für nicht zweckdienliche und vielleicht gar missbräuchliche Anträge schaffen könnten.253 Die in dieser Hinsicht ambivalenten Idealbedingungen sind im Besonderen ein niedriges oder ganz fehlendes Antragsquorum254 sowie ein geringes Kostenrisiko der Aktionäre.255 Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 201 (für Klagen bei leichteren Sorgfalts­ pflichtverletzungen); a. A. Weber, Die konzernrechtliche abgeleitete Aktionärsklage (2006), S. 268. 249  Vgl. G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn.  51 ff. 250  Diese Divergenz konstatiert auch Kalss, ECFR 2009, 324, 333. 251  Zutreffend Kalss, ECFR 2009, 324, 333 f.; allgemein zu diesem Problem auch Seelmann/Demko, Rechtsphilosophie, 6. Aufl. (2014), § 11 Rn. 15 ff. 252  Dazu eingehend Kapitel 2, § 8 VI. 253  Zu diesem Grundkonflikt Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 204 f.; von Hein, Rezeption (2008), S. 822; auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 55 ff. 254  Grundlegend bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 293 f.; vgl. Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 204. 255  Grundlegend zur Bedeutung begrenzter Kostenbelastung für den Erfolg der Aktionärsklage Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 301  ff.; G. Bezzenberger/



§ 6  Regelungspolitisches Spannungsfeld des Verfolgungsrechts 69

Paradigmatischer Fall eines Rechtsmissbrauchs ist derjenige, dass der Aktionär das Klagezulassungs- oder das Klageverfahren allein zu dem Zweck betreibt, sich sein Recht von der Gesellschaft oder dem Antragsgeg­ ner abkaufen zu lassen.256 Neben die Missbrauchsgefahr tritt diejenige, dass sich zwar bona fide gestellte, jedoch überhastete und mit wenig Substanz unterfütterte Anträge häufen könnten: Geringe Zugangshürden und Kostenrisiken werden einige Aktionäre als Einladung begreifen, Erfolgschancen einer Haftungsklage auszutesten, indem sie bereits auf vage Verdachtsmomente mit einem Ver­ fahren gem. § 148 AktG reagieren.257 Die Hürden zum Antrags- und Klagerecht nicht zu hoch zu setzen, ande­ rerseits auch Missbrauch und Übermaß zu vermeiden, mag als „Quadratur des Kreises“258 erscheinen.

III. Abstimmung mit der Verbandsverfassung Das Minderheitsrecht muss erstens mit der Anspruchsverfolgung durch Vorstand und Aufsichtsrat abgestimmt werden.259 De lege lata regeln § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 sowie Abs. 3 AktG eine strikte Nachrangigkeit des Ak­ tionärsklageverfahrens: Es ist in jeder Lage des Verfahrens „Vorrecht“ der Gesellschaft, die konsequenterweise zunächst zur Klage aufzufordern ist,260 die Ansprüche zu verfolgen. Zweitens muss das Verfolgungsrecht der Minderheit mit der Willensbil­ dung der Aktionärsmehrheit koordiniert werden.261 Es ist zu entscheiden, ob die Mehrheit gegen den Willen der antragsbefugten Minderheit auf die T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 56; und zur Kehrseite, der Senkung der Kostenbelastung als Risiko für die Zunahme nachteilhafter Verfahren, s. nur Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 204. 256  Zu diesem und weiteren Missbrauchsfällen Arnold, Die Steuerung des Vor­ standshandelns (2007), S. 196 f.; zum Rechtsmissbrauch noch eingehend unten, Ka­ pitel 3, § 12 II. 1. b) aa). 257  Vgl. Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 23, re. Sp.: Recht solle nicht „Anreize zu ‚kostenlosem‘ Austesten der Erfolgsaussichten“ geben; aus der Literatur statt vieler Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 249 f., der auf die Gefahr unbegründeter, auch mut­ williger Klagen verweist. 258  Vgl. den Aufsatztitel von K. Schmidt, NZG 2005, 796. 259  Vgl. zu diesem Abstimmungserfordernis bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S.  296 ff. 260  Dafür bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 296. 261  Zu dieser Grundfrage bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 294 f.

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1. Kap.: Grundlagen des Verfolgungsrechts

Gesellschaftsansprüche verzichten und Zulassungs- wie Klageverfahren so­ mit den Boden entziehen kann. De lege lata trifft § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG die maßgeblichen Regelungen zu diesem Komplex. Auch bedarf der Nor­ mierung, ob das Ruhen der Verfahren gem. § 148 AktG anzuordnen ist, bis die Hauptversammlung über einen Verzicht oder Vergleich entschieden hat.262

262  Zur Abstimmung mit der Verzichts- und Vergleichskompetenz der Hauptver­ sammlung bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 300 f.

2. Kapitel

Das Verfolgungsrecht de lege lata § 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG Nach § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG können Aktionäre die in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bezeichneten Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend machen. Im Folgenden werden schwerpunktmäßig Ersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats dargestellt, wohingegen die ebenfalls verfolgbaren Ansprüche aus der Gründung (gegen die nach den §§ 46 bis 48, 53 AktG verpflichteten Personen) sowie aus § 117 AktG ausgeklammert werden.

I. Ersatzansprüche aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats Nach §§ 148 Abs. 1 Satz 1, 147 Abs. 1 Satz 1 AktG können die Aktionä­ re Ersatzansprüche aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats verfolgen. Der Begriff der „Geschäftsfüh­ rung“ in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG ist weit zu verstehen und umfasst neben rechtsgeschäftlichen auch sämtliche tatsächlichen Tätigkeiten des Organmit­ glieds für die Gesellschaft.1 Auch Ansprüche aus der Verletzung von Überwachungspflichten werden erfasst.2 „Ersatzansprüche“ sind in direkter Anwendung der Vorschrift nur Scha­ densersatzansprüche, zumal § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG ausdrücklich auch einen Schaden der Gesellschaft voraussetzt. Analog sind jedoch auch Herausgabe- und Ausgleichsansprüche zu erfassen.3 Die Aktionäre können 1  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 90; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014) § 77 Rn. 2. 2  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 91: Gesamter Aufgabenkreis des Aufsichtsrats erfasst. Die Verwendung des Begriffs der Geschäftsführung ist in Bezug auf die Aufsichtsratstä­ tigkeit letztlich sprachlich ungenau; so zutreffend G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, a. a. O. 3  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 92 (für analoge Anwendung); Holzborn/Jänig, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014),

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

daher bei Verletzungen des Wettbewerbsverbots auch den Anspruch auf Vorteilsherausgabe aus § 88 Abs. 2 AktG geltend machen.4 Weiter erfasst die Vorschrift Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) oder auf Herausgabe aus Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auf­ trag.5 Auf Unterlassungsansprüche ist § 148 Abs. 1 AktG demgegenüber nicht (auch nicht entsprechend) anwendbar.6 Maßgeblich dafür ist, dass Unterlassungsklagen wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen für lange Zeit blockieren können, weshalb keine Vergleichbarkeit zu Ersatzansprüchen besteht.7

II. Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung Der „Filter“ des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG könnte den Kreis der Ersatzansprüche, die verfolgbar sind, deutlich verkleinern. Diese Vorschrift setzt nämlich voraus, dass Verdachtstatsachen für eine Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung vorliegen. Über die weni­ ger schwerwiegenden Ansprüche soll ausschließlich die Mehrheit der Akti­ § 147 Rn. 3 mit § 148 Rn. 1 (nach teleologischer Auslegung); J. Koch, in: Hüf­ fer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 2 mit § 148 Rn. 1 und 4 (für erweiternde Aus­ legung), § 147 Rn. 2; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 12 mit § 148 Rn. 42 (direkte Anwendung); Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 123; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 129 (unter den Be­ griff der „Ersatzanprüche“ schon dem Wortlaut nach subsumierbar); a. A. Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 66  f.; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 19 (Erfassung erscheine fraglich). 4  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 92; G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 12; ebenso Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 41 f.; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 2 mit § 148 Rn. 1 und 4. 5  Dafür etwa G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 92; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 2 mit § 148 Rn. 1 und 4; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 12. 6  So Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 42; Pansa, Aktionärsklage­ verfahren (2008), S. 123 ff.; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 133; Spindler, NZG 2005, 865, 867; im Grundsatz auch G. Bezzenberger/ T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 98 ff., die jedoch differen­ zieren und Unterlassungsansprüche bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot mit einbeziehen wollen (dagegen ausdrücklich etwa Rieckers/Vetter, a. a. O.); gegen die Einbeziehung bereits Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 340; a. A. J. Koch, in: Hüf­ fer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 2 mit § 148 Rn. 1 und 4; Kuhlmann/Ahnis, Konzern- und Umwandlungsrecht, 3. Aufl. (2010), Rn. 305. 7  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 99: „[G]rößeres Störpotenzial als Schadensersatzklagen“; ähnlich Humrich, Der beson­ dere Vertreter (2013), S. 42.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG73

onäre entscheiden.8 Stellt sich allerdings erst im Klageverfahren der Aktio­ näre heraus, dass die Organmitglieder entgegen der Annahme im Vorverfah­ ren allenfalls einfache Pflichtverstöße begangen haben, wird die bereits zugelassene Klage nicht unzulässig.9 1. Unredlichkeit Die Regierungsbegründung stellt auf „ins Kriminelle reichende Treu­ pflichtverstöße“ ab.10 Rechtsprechung und Literatur fordern verbreitet ein sittlich bemakeltes Verhalten.11 Beide Ansätze verweisen nur auf weitge­ hend unbestimmte Begriffe weiter: Wann „reicht“ ein Verhalten ins „Krimi­ nelle“? Wann ist es sittlich anstößig? Dem Bedürfnis nach einer rechtssiche­ ren Definition tragen beide Ansätze nicht zu.12 Nicht überzeugend ist ferner, ohne weitere Differenzierung pauschal auf „die organschaftlichen Treupflichten“ zu verweisen.13 Denn die Treuepflicht wird z. T. sehr weit gefasst, wie die Definition zeigt, nach der das Organ­ mitglied seine Arbeitskraft und Fähigkeiten ohne Vorbehalt in den Dienst der Gesellschaft stellen muss.14 Dieser konturlosen Definition folgend, wird z. B. die Pflicht angenommen, bei geschäftlichen Problemen vorzeitig aus dem Urlaub zurückzukehren.15 Aber ein Verstoß gegen eine Pflicht 8  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp. 9  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, re. Sp. 10  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp.; Bedenken an dieser Beschränkung hat LG München I vom 29.03.2007 – 5 HK O 12931/06, AG 2007, 458, 459. 11  OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6 W 45/09, AG 2010, 126, 127; OLG Köln vom 22.02.2010 – 18 W 1/10, AG 2010, 414: „[S]ittlich anstößiges Verhalten“ (beide zu § 142 Abs. 2  AktG); Herrler, in: Grigoleit, AktG (2013), § 142 Rn. 22; Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 76; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 298; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 359. 12  In Bezug auf den sittlichen Mangel auch Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 84. 13  So aber Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 84: „[J]ede Treupflichtverletzung als Unredlichkeit“; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 31; für Be­ schränkung auf „schwere“ Treuepflichtverstöße LG München I vom 29.03.2007 – 5 HK O 12931/06, AG 2007, 458, 459; wie hier Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 300 f.; ähnlich im Ergebnis Döring, Die Durchsetzung der Organ­ haftung durch Aktionäre (2014), S. 167, die (nur) „Treupflichtverletzungen im Vor­ feld der Untreue“ erfassen möchte. 14  Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 96; ähnlich Winnen, Innenhaftung (2009), S. 250. 15  Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 96.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

dieser Art hat nicht per se einen gesteigerten Unrechtsgehalt, wie ihn der Unredlichkeitsbegriff voraussetzt.16 Ein Moment der Unredlichkeit ist jedenfalls in der vorsätzlichen Selbstoder Drittbereicherung zu erblicken.17 Erfasst sind damit die „klassischen“ Verstöße im Kernbereich der Treuepflicht wie das Einverleiben persönlicher Vorteile18 etwa durch Ausnutzung von Geschäftschancen.19 Die Selbst- oder Drittbereicherung ist aber keine conditio sine qua non der Unredlichkeit; sie ist vielmehr ein Unterfall. Nahe liegt nämlich, sämt­ liche vorsätzlichen rechtswidrigen Verletzungen des Gesellschaftsinteresses als Unredlichkeit aufzufassen:20 Wer die Gesellschaft vorsätzlich benach­ teiligt, versagt ihr jene Mindesttreue, die in jedem Fall gewahrt werden muss. Danach sind etwa auch bewusst unternehmensschädigende Äußerun­ gen in der Öffentlichkeit erfasst.21 Es genügt bedingter Vorsatz und somit, 16  Wie hier nun Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 301; vgl. zum Erfordernis eines besonderen Schweregrades auch Holzborn/Jänig, in: Bür­ gers/Körber,  AktG, 3. Aufl. (2014), § 142 Rn. 15, die zutreffend annehmen, dass beiden Alternativen des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG – der Unredlichkeit und der groben Verletzung – das Erfordernis einer schweren Pflichtverletzung zugrunde liegt. 17  Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 31, der „Verstöße gegen Wettbewerbsverbote und das Erstreben persönlicher Vorteile“ erfassen möchte; auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 304. 18  Für das deutsche Aktienrecht etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 125; Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 118. Die­ se Selbstbereicherung ist auch das klassische Beispiel der Verletzung der duty of loyality im US-amerikanischen Recht; vgl. In re Walt Disney Co., 907 A.2d 693, 751 (Del. Ch.2005): „The classic example that implicates the duty of loyalty is when a fiduciary either appears on both sides of a transaction or receives a personal be­ nefit not shared by all shareholders.“; auch Gold, 43 U.C. Davis L. Rev. (2009), 457, 459: „The standard features of [the] loyalty requirement are […] straightfor­ ward: it is typically implicated when directors engage in self-dealing, or when they take personal benefits if those benefits are not shared with all the shareholders.“; Hill/McDonnell, 76 Fordham L. Rev. (2007), 1769, 1795: „Classic duty of loyalty cases paradigmatically involve a conveyance of money or assets between the direc­ tor or officer and the corporation.“ 19  Dazu statt vieler Fleischer, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 125; näher Rn.  136 ff. 20  So für den entsprechenden Begriff bei § 142 Abs. 2 AktG Bordt, Sonderprü­ fung (1961), S. 99; ablehnend LG München I vom 29.03.2007 – 5  HK  O 12931/06, AG 2007, 458, 459, das auch „schwere Treuepflichtverletzungen, die insb. nicht vorsätzlich erfolgen“, erfassen will; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 305 vertreten, dass eine vorsätzliche Pflichtverletzung noch keine Unred­ lichkeit begründe. An diesem Punkt darf man aber nicht stehen bleiben, sondern muss hinzufügen, dass der Vorsatz das entscheidende Kriterium ist, wenn er sich auch auf die Schädigung oder Benachteiligung der Gesellschaft erstreckt. 21  Im Ergebnis auch Winnen, Innenhaftung (2009), S. 358.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG75

dass das Organmitglied einen Gesellschaftsschaden billigend in Kauf nimmt. 2. Grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung An die Seite der Unredlichkeit hat der Gesetzgeber die Variante der gro­ ben Verletzung des Gesetzes oder der Satzung gestellt, § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG. Schwerpunktmäßig soll diese Variante Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht (duty of care) erfassen.22 a) Grobheit der Verletzung Auffassungen wie die von Siems, nach der lediglich bagatellartige Rechtsverletzungen die Hürde des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG nicht überwinden sollen,23 haben sich nicht durchgesetzt. Zu Recht: Nach der Gesetzesbegründung sollen Verstöße mit einer „besonderen Schwere“ erfasst werden.24 In der Rechtsprechung und der Literatur hat die Auffassung Oberhand gewonnen, für die Feststellung der Grobheit seien die Umstände des Ein­ zelfalls abzuwägen, wobei die Schwere der objektiven Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens und die Höhe des entstandenen Schadens die maß­ geblichen Kriterien bilden.25 Noch weitergehend soll es neben den genann­ ten drei Kriterien gar auf alle sonstigen Umstände des Einzelfalles ankom­ men.26 Die herrschende Auffassung setzt damit auf ein bewegliches System 22  G.

Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 79. ZVglRWiss 104 (2005), 376, 386. 24  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp.; entsprechend gegen diese Rechtsauffassung auch Kanzow, Aktio­ närsklagen (2016), S. 88; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn.  294 f. 25  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), §  148 Rn. 134 ff. (die allerdings die Schadenshöhe nur als Indiz für den Schweregrad der Pflichtverletzung behandeln); Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 88 f.; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 142 Rn. 70; Spindler, NZG 2010, 281, 282. 26  Aus der Rechtsprechung (alle zu § 142 Abs. 2 AktG): OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6  W 45/09, AG 2010, 126, 127, wo angenommen wird, dass „die Pflichtverletzung zu einer groben auch dadurch qualifiziert werden [kann], dass das Verschulden oder der mit der Pflichtverletzung verursachte Schaden besonders ekla­ tant ausfällt“ oder „dies die Umstände des Einzelfalles nahe legen und eine Nicht­ verfolgung unerträglich erscheinen würde“; auch OLG Köln vom 22.02.2010 – 18 W 1/10, AG 2010, 414, 415: Der Verstoß sei grob „wenn dies die Umstände des Einzelfalles nahe legen und eine Nichtverfolgung unerträglich erscheinen würde“; Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 169  f.; 23  Siems,

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

quantitativer und qualitativer Beurteilungskriterien im Sinne Wilburgs:27 Das ausgeprägte Vorhandensein eines Elements, aber auch das Zusammen­ wirken mehrerer Elemente in weniger starker Ausprägung, sollen somit die Grobheit ergeben.28 Dieser herrschenden Auffassung ist hinsichtlich einiger ihrer Abwägungs­ elemente kritisch zu begegnen. Überzeugend ist es zunächst, auf den Grad des Verschuldens (subjektive Pflichtwidrigkeit) abzustellen. Das Verschulden wird anhand des Maßstabs der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bestimmt:29 Das Organmitglied muss für die Fähigkeiten und Kenntnisse einstehen, die das Amt erfordert.30 Zeigt sich, dass das Organmitglied es in besonders drastischer Weise versäumt hat, diese Fähigkeiten und Kenntnisse einzusetzen, beeinträchtigt genau dies das Vertrauen der Anleger in die Aktienmärkte, welches der Gesetzgeber durch § 148 AktG bewahren will.31 Zudem ist in Fällen grober Fahrlässigkeit die Prävention besonders dring­ lich.32 Nicht überzeugend ist demgegenüber, die Grobheit (auch) aus dem Maß der objektiven Pflichtwidrigkeit gewinnen zu wollen.33 Der Wortlaut legt das prima vista zwar nahe, ist aber bei genauerer Betrachtung nicht zwin­ gend: Eine „grobe Verletzung des Gesetzes“ kann auch als sprachlich ver­ Herrler, in: Grigoleit, AktG (2013), § 142 Rn. 22; Holzborn/Jänig, in: Bürgers/Kör­ ber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 142 Rn. 15; auch Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 142 Rn. 129; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 310: „Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls“. 27  Grundlegend Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerli­ chen Recht (1950). 28  Armbrüster, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2012), § 138 Rn. 29 (zur Anwendung des beweglichen Systems bei § 138 BGB). 29  So etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 205. 30  So etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 205. 31  Zu dem Zweck der Vertrauensbildung vgl. Gesetzesbegründung zum Regie­ rungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li.Sp/re. Sp. 32  Vgl. zum Zusammenhang zwischen zur Schwere der Pflichtverletzung, die dieser wohl als schweres Verschulden begreift, und dem Präventionsinteresse bereits Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 332 mit 339; vgl. auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804, nach dem die Haftung aus Gründen der Verhaltenssteuerung gerade bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit unabdingbar bleiben soll. 33  Dafür aber OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6 W 45/09, AG 2010, 126, 127, wenn dort formuliert wird, der Handelnde müsse nicht nur unbedeutend, son­ dern erheblich von seiner Pflicht zum sorgfältigen Handeln abweichen; auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 134 f.; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 311 und 319; Winnen, In­ nenhaftung (2009), S. 362: „Qualität der Pflichtverletzung“.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG77

kürzte Form für „grob fahrlässige Verletzung des Gesetzes“ aufzufassen sein. Dass ein Pflichtverstoß zwar objektiv, nicht aber zugleich auch im Sinne des Verschuldens grob ist, ist zwar selten. Möglich ist eine solche Lage aber bei Rechtsirrtümern.34 Rechtsirrtümer werden nach zutreffender Auffassung bei der Schuldfrage verortet.35 Überzeugend wird das damit begründet, dass die vom Organmitglied verfehlte „gesetzliche Vorgabe grundsätzlich besteht“.36 Ein Rechtsirrtum kann dazu führen, dass das Ver­ schulden ganz entfällt.37 Möglich muss es aber auch sein, dass der Irrtum zwar nicht ganz zu entschuldigen ist, aber eine objektiv schwerwiegende Pflichtverletzung auf der Verschuldensebene in ein milderes Licht taucht. Man denke an ein Organmitglied, das nicht weiß, ob die Überschuldung der Gesellschaft schon eingetreten ist. Um sich nicht gem. §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gegenüber der Gesellschaft ersatzpflichtig zu machen, lässt es die Rechtslage durch einen Steuerberater prüfen,38 bevor es eine Zahlung ausführt. Verkennt der Experte die Überschuldung (etwa aufgrund fehlerhafter Kalkulationen bei der Fortführungsprognose), ist die Zahlung einer großen Summe ggf. eine objektiv besonders schwere Verlet­ zung des Auszahlungsverbots gem. § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG. Nun mag dem Organmitglied aber individuell nur ein leichter Fehler bei jener Plausibili­ tätskontrolle unterlaufen sein, welcher es als Laie den professionellen Rechtsrat oder das Prüfungsergebnis eines Steuerberaters unterziehen muss.39 Folglich ist ihm auch nur einfaches Verschulden anzulasten.40

34  J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 43 f.; eng zur Entschuld­ barkeit Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 177: „Nur wenn eine Situation sofortiges Handeln verlangt, kann eine Unkenntnis der Rechtslage ent­ schuldbar sein.“; eingehend zum Thema Strohn, CCZ 2013, 177 ff. 35  Deutlich Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11, li. Sp.: „Für illegales Verhalten gibt es keinen ‚sicheren Hafen‘ im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung, es kann hier im Einzelfall aber am Verschulden fehlen.“; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 19; Strohn, CCZ 2013, 177 f. 36  J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 19. 37  Eine Entschuldigung setzt dabei voraus, dass der „Vorstand sich um Ermitt­ lung zutr. Rechtslage bemüht und auf dieser Grundlage vertretbaren Rechtsstand­ punkt sorgfältig gebildet hat“; so J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 44. 38  Zur Pflicht, sachkundigen Rat einzuholen, etwa J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 44 f. 39  Zu dieser Pflicht BGH vom 14.05.2007  – II ZR 48/06, NJW 2007, 2118, 2120. 40  Möglich ist selbstredend auch, dass bei einem objektiven Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht überhaupt kein Verschulden des Organmitglieds vorliegt; dazu BGH vom 14.05.2007  – II ZR 48/06, NJW 2007, 2118, 2120.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

Der Präventionszweck spricht in solchen Fällen dagegen, das Verfol­ gungsrecht zu eröffnen. Denn das Organmitglied hat nicht in einer beson­ ders vorwerfbaren Weise agiert. Im Beispiel: Vertiefte Insolvenzrechtskennt­ nisse oder Fähigkeiten der bilanziellen Prüfung der Insolvenzreife zählen nun einmal nicht zum unentbehrlichen Anforderungsprofil eines guten Un­ ternehmensleiters. Auch der Vertrauensbildungszweck des § 148 AktG er­ zwingt keine andere Auslegung. Für das außenstehende anlegende Publikum mögen die Umstände eines Rechtsirrtums zwar oft schwer nachvollziehbar sein. Im Beispiel dürften die durch die Presse skandalisierten Zahlungen trotz Insolvenzreife wahrgenommen werden, weniger der Hintergrund, dass das Organmitglied einem Rechtsirrtum unterlag. Nicht zuletzt muss das Gericht im Zulassungsverfahren aber Feststellungen zu dem Rechtsirrtum treffen. Mit subjektiv entlastenden Feststellungen relativiert sich der ver­ trauenserschütternde Eindruck. Ebenfalls nicht überzeugend sind Versuche, die Grobheit unabhängig vom Maß des Verschuldens aus der Bedeutung der verletzten Rechtsnorm im Aktienrechtsgefüge herzuleiten.41 Als Beispiel werden die Pflichten nach § 93 Abs. 3 AktG42 oder § 91 Abs. 2 AktG zur Einführung eines Risikoma­ nagementsystems43 genannt. Auf eine abstrakte Normbedeutung abzustellen, verfängt nicht. Auch in den hochwichtigen Pflichtbereichen sind weniger schwerwiegende Verstöße denkbar; ein objektiv nicht schwerwiegender und auf Verschuldensebene nur einfach-fahrlässiger Fehler bei der Einrichtung eines Risikomanagementsystems ist z. B. zwanglos vorstellbar. Oft wird zwar auch das Verschulden ausgeprägt sein, wenn das Organmitglied Nor­ men von überragender Bedeutung im Aktienrechtsgefüge verletzt. Denn je bedeutender die Norm für das Wohl der Aktiengesellschaft ist, desto sorg­ fältiger muss das gewissenhafte Organmitglied die Normbefolgung sichern. Diesem Umstand lässt sich aber gerade Rechnung tragen, wenn man (nur) auf das Maß des – regelmäßig proportional zum Normgewicht ausgepräg­ ten – Verschuldens abstellt. Abzulehnen ist schon nach dem Gesetzeswortlaut die herrschende An­ sicht, ein hoher Schaden könne eine Pflichtverletzung zu einer groben 41  Dafür aber Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 311 ff.; vgl. auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 134. 42  Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 313; vgl. auch Bezzenberger/Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 134; bereits für eine zwin­ gende Erfassung dieser Ansprüche durch das Minderheitsrecht Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 332, der diese allerdings ausdrücklich in seinem Formulierungsvor­ schlag erfasst und daher von den einschränkenden Wirkungen des Merkmal „grob“ ausgenommen hat (vgl. a. a. O., S. 341). 43  Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 313.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG79

qualifizieren.44 Der Wortlaut gibt dafür schlechterdings nichts her. Die ratio des Vertrauensschutzes spricht zwar auf den ersten Blick für diese Auffas­ sung: Je ausladender der Schaden, desto tiefer der vertrauenserschütternde Eindruck. Aber wieder gilt: Wenn in der Entscheidung des Landgerichts zu dem Antrag nach § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG „schwarz auf weiß“ steht, dass das Organmitglied dem Verdacht nach nicht grob-fahrlässig handelte und somit ersichtlich wird, dass das Schadensausmaß zu Teilen auch Unglück war, verliert der hohe Schaden seine vertrauensbeeinträchtigende Wirkung; vorausgesetzt, die Wirtschaftspresse ordnet die Entscheidung allgemeinver­ ständlich ein. Das Schadensausmaß hat allerdings eine Indizwirkung für den Grad der Pflichtverletzung45 und des Verschuldens: Handlungssituationen, aus denen heraus ein sehr großer Gesellschaftsschaden entstehen kann, er­ fordern regelmäßig auch eine hierzu proportional erhöhte Sorgfalt.46 Schließlich sind auch die weiteren Umstände des Einzelfalles nicht geeig­ net, eine grobe Pflichtverletzung zu begründen. Die Rechtsprechung offen­ bart schon nicht, welche Umstände dies sein sollen – es sind kaum weitere sachgerechte Umstände denkbar.47 § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG für jegliches dem Richter in den Sinn kommende Abwägungskriterium zu öffnen, schürte unnötig Rechtsunsicherheit. Mit dem Erfordernis eines qualifizierten Verschuldensgrades ist ein Kri­ terium aufgefunden, das den Zwecken des Organhaftungsrechts entspricht; schlüssigerweise ist „grob“ mithin als Erfordernis grober Fahrlässigkeit zu interpretieren.48 Pflichtverstöße, die Organmitglieder nur einfach-fahrlässig 44  Dafür deutlich OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6 W 45/09, AG 2010, 126, 127; Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 169, nach der ein „exorbitant ausfallender Schaden“ trotz nur einfachen Verschuldens die Grobheit begründen soll. 45  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 137; auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 322. 46  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 137; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 322. 47  A. A. aber Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 169, nach der z. B. ein erheblicher Verlust des Ansehens die Grobheit mitbegründen können soll. 48  Für eine Maßgeblichkeit nur des Verschuldens auch Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1780, die allerdings unzutreffend meinen, grobe Pflichtverstöße würden sich regelmäßig nur im Bereich von Treuepflichtverletzungen ergeben; zuneigend wohl auch Thümmel, DB 2004, 471, 473: „Soweit hiermit der notwendige Verschul­ densgrad bei dem in Anspruch genommenen Organ angesprochen sein soll, würde sich das Minderheitenrecht auf Fälle groben Verschuldens beschränken.“; in der Reformdiskussion vor dem UMAG bereits Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 332; Winter, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2003, RWS-Forum 25 (2004), S. 457, 470; auch der entsprechende Begriff in § 147 Abs. 3 i. d. F. des KonTraG

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

begehen, erfasst Var. 2 somit nicht. Die herrschende Gesamtbetrachtungs­ lehre sollte aufgegeben werden. b) Veranschaulichung anhand der Pflichtverletzungen des Vorstands In welchem Umfang die Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässig­ keit eine Verfolgung von Haftungsansprüchen abschneidet, wird nur plas­ tisch, wenn man die Verhaltensanforderungen der materiellen Haftungs­ grundlagen den erhöhten Erfordernissen des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG gegenüberstellt. aa) Pflichtverletzungen bei unternehmerischen Entscheidungen (§ 93 Abs. 1 Satz  2 AktG) Im Bereich unternehmerischer Entscheidungen sind die Unternehmenslei­ ter bereits materiellrechtlich privilegiert: Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist dem Organmitglied keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, wenn es ohne In­ teressenkonflikt eine informierte Entscheidung trifft, die nicht völlig unverantwortlich ist.49 Zusätzliche Beschränkungen durch das Merkmal „grob“ in § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG könnten hier marginal sein. Nach der Regierungsbegründung sind unternehmerische Entscheidungen „infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt“.50 Entscheidend ist neben dem Prognose- der da­ wurde als grobe Fahrlässigkeit ausgelegt; so etwa Ulmer, a. a. O., S. 339; a. A. und gegen die alleinige Maßgeblichkeit der „subjektiven Komponente“ aber ausdrücklich Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 37; auch Mock, in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 75, der meint, es könne „nicht allein auf einen Verschuldensmaßstab ankommen, da ansonsten die in der Praxis häufig auf­ tretenden Schadensfälle im Bereich der einfachen Fahrlässigkeit ausgenommen wä­ ren“; so auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 168; ähnlich Winnen, Innenhaftung (2009), S. 362; vgl. auch Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 23, nach der gro­ be Fahrlässigkeit nicht für § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG ausreicht. 49  Vgl. zur dogmatisch-konstruktiven Seite des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zutref­ fend Fleischer, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 65 mit Fn. 278: „Tatbe­ standsausschlussgrund“; anders in der dogmatischen Begründung etwa J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 14: „[U]nwiderlegbare Rechtsvermutung“, dass keine Pflichtverletzung vorliegt; für eine „gesetzliche Konkretisierung der dem Vorstand abverlangten objektiven Pflichten“ Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 39. 50  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11, li. Sp.; eingehend zu dem Begriff Winnen, Innenhaftung (2009), S. 106 ff.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG81

mit verbundene Risikocharakter.51 Typische Anwendungsfälle sind Entschei­ dungen, in neue Technologien zu investieren.52 Das Vorstandsmitglied musste vernünftigerweise annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Nach diesem objektiven Pflichtenmaß­ stab53 werden die Gerichte dazu angehalten, sich bei der Kontrolle des Entscheidungsinhalts auf evidente Unvertretbarkeit zu beschränken.54 Das Gericht darf nach den Worten der Gesetzesbegründung nur prüfen, ob das mit der Entscheidung verbundene Risiko „in völlig unverantwortlicher Wei­ se falsch beurteilt worden ist […]“.55 Beschrieben ist damit ein objektiver Pflichtenmaßstab, der in seinem Maß zumindest grober Fahrlässigkeit entspricht,56 nach anderer Ansicht sogar einige Pegelstriche darüber anzu­ siedeln ist.57 Hat das Organmitglied in diesem Sinne „unverantwortlich“ gehandelt, ist folglich auch der Verdacht einer groben Fahrlässigkeit gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG gegeben.58 Um in den Genuss dieser Beschränkung der Inhaltskontrolle ihrer unter­ nehmerischen Entscheidung zu kommen, müssen die beteiligten Organmit­ glieder unbeeinflusst von Interessenkonflikten59 und ohne unmittelbaren Eigennutz handeln.60 Relevanten Interessenkonflikten unterliegt, wer etwa 51  Bürgers/Israel,

in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014) § 93 Rn. 11. in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 68. 53  Ausdrücklich Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BTDrucks. 15/5092, S. 11, re. Sp. 54  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp.; aus der Rechtsprechung etwa OLG Frankfurt vom 15.06.2011 – 21 W 18/11, AG 2011, 755, 757, wo für die Überschreitung des unternehmerischen Ermes­ sens in Bezug auf einen vereinbarten Kaufpreis vorausgesetzt wird, dass dieser „schlechterdings unvertretbar“ ist; aus der Literatur s. Redeke, ZIP 2011, 59, 60: „Un­ verantwortlichkeit der Entscheidung“; vgl. auch Winnen, Innenhaftung (2009), S. 241 f. 55  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp. 56  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 46. 57  So Hopt/Roth, in: GK AktG, 4. Aufl. (2006), § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F., Rn. 58; anders nunmehr dies., in: GK AktG, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 124: Unverantwort­ lichkeit liege oberhalb der leichten Fahrlässigkeit, nicht aber sei zwingend grobe Fahrlässigkeit zu fordern. 58  Ein Rechtsirrtum, welcher dazu führen könnte, dass trotz objektiv schwerwie­ genden Pflichtverstoßes kein grobes Verschulden vorliegt, ist bei Verstößen gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht ausgeschlossen; vgl. nur J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 43. 59  Zum Begriff des Interessenkonflikts Kumpan, Interessenkonflikte, in: Base­ dow/Hopt/Zimmermann, Handbuch Bd. 1, (2009), S. 884. 60  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11, re. Sp.; auch Winnen, Innenhaftung (2009), S. 252: § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG scheidet u. a. aus, wenn „eigene Interessen […] tangiert sind“. 52  Fleischer,

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

über Rechtsgeschäfte mit Unternehmen entscheidet, an denen er selbst in nennenswertem Umfang beteiligt ist, oder über die Aufnahme von Ge­ schäftsbeziehungen zu Angehörigen.61 Trifft ein dergestalt konfliktbelastetes Organmitglied eine gesellschaftsschädigende Entscheidung, steht damit aber nicht ohne weiteres seine Haftung fest.62 Das Gericht prüft die Entschei­ dungsvorbereitung sowie die inhaltliche „Richtigkeit“ der unternehmerischen Entscheidung nun aber anhand eines strengen Sorgfaltsmaßstabs (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG).63 Aus diesem Wechsel des gerichtlichen Kontrollmaß­ stabs erhellt, dass es zu weitreichenden Divergenzen zwischen materiellem Organhaftungsrecht und der Verfolgbarkeit nach § 148 AktG kommen kann, wenn ein Interessenkonflikt vorliegt. Der Einfachheit halber werden hier nicht Kollegialentscheidungen,64 sondern nur unternehmerische Entscheidungen betrachtet, die das Organmit­ glied in seinem Ressort allein trifft. Wenn das Organmitglied weiß und billigt, dass es Sonderinteressen zum Nachteil der Gesellschaft verfolgt, liegt bereits eine vorsätzliche Schädigung und damit eine Unredlichkeit (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 1. Var. AktG) vor. Zum anderen kann eine Situation bestehen, in der konfliktbegründende Tatsachen zwar objektiv bestehen, dem Organmitglied jedoch unbekannt sind. In diesem Fall bleibt es nach zutreffender Auffassung beim unterneh­ merischen Ermessen.65 Und für die Frage des Verschuldensmaßes lässt sich aus den Konflikttatsachen nichts herleiten, da sie das Organmitglied in keiner Weise beeinflusst haben. 61  Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 25 und 28; zum Inte­ ressenkonflikt bei nahestehenden Personen auch Winnen, Innenhaftung (2009), S. 252; für ein weites Verständnis des Begriffs des Interessenkonflikts Paefgen, AG 2014, 554, 562. 62  Vgl. Heinz, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010) § 22 Rn. 62; Scholderer, NZG 2012, 168, 175; Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 64 sowie 66; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 253. 63  Zutreffend Heinz, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010) § 22 Rn. 62: „Im Ergebnis soll damit eine strengere gerichtliche Prüfung der Frage erreicht werden, ob die Entscheidung sorgfältig vorbereitet und inhaltlich vertretbar war.“; ferner Scholderer, NZG 2012, 168, 175; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 253; zum Wechsel des gerichtlichen Kontrollmaßstabs bei Interessenkonflikten im USamerikanischen Kapitalgesellschaftsrecht Velasco, 82 Wash. U. L. Q. (2004), 821, 835. 64  Näher dazu Lutter, in: FS Canaris (2007) 245, 248. 65  Wie hier tendenziell J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 25, der befürwortet, eine „subj. Perspektive einfließen zu lassen“; deutlicher ders., ZGR 2014, 697, 704: „Dem Vorstandsmitglied kann in dieser Situation weder ein persön­ licher Vorwurf gemacht werden noch ist die Richtigkeitsgewähr der Entscheidung beeinträchtigt […].“; a. A. Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 63.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG83

Schließlich kann das Organmitglied die konfliktbegründenden Umstände zwar kennen, aber redlich annehmen, den Konflikt „im Griff“ zu haben und das Gesellschaftsinteresse unbefangen wahrnehmen zu können. Dieses „Ausblenden“ des Konflikts kann gelingen.66 Es kann aber auch misslingen:67 Zu denken ist an einen Liefervertrag mit dem Unternehmen eines Verwandten, den das Organmitglied zu Marktbedingungen abschließen will, wobei es jedoch Härte in den Verhandlungen vermissen lässt und ein nicht optimales Verhandlungsergebnis erzielt. In einem solchen Fall fragt sich, ob der Interessenkonflikt die zum Scha­ den führende Pflichtverletzung – im Beispiel den „suboptimalen“ Vertrags­ schluss – zu einer grob fahrlässigen gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG „hochzustufen“ vermag.68 Die Überschätzung der eigenen Kräf­ te, gegenläufige Eigen- oder Drittinteressen „ausblenden“ zu können, könn­ te besonders vorwerfbar sein. Daher könnte selbst bei nur geringfügigen Nachteilen für die Gesellschaft, bei deren Eintreten aufgrund anderer Ursa­ chen wie z. B. Unachtsamkeit bei den Vertragsverhandlungen man lediglich zu einfacher Fahrlässigkeit käme, eine grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sein. Keinesfalls darf insofern einem Automatismus das Wort geredet werden, von einem gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG relevanten und zudem entschei­ dungsbeeinflussenden Interessenkonflikt immer auf grobe Fahrlässigkeit zu schließen. Denn zum einen können die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG erfassten Interessenkonflikte unterschiedlich schwer wiegen. Damit aber divergiert auch das Maß der Vorwerfbarkeit an das Organmitglied, seine Unfähigkeit, das Gesellschaftsinteresse unbefangen wahrnehmen zu können, verkannt oder unterschätzt zu haben. Zudem unterscheiden sich die denkbaren Fälle 66  Diesen Fall ansprechend auch Krieger/Sailer-Coceani, in: K.  Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 19, die aber unzutreffend meinen, dass das weite unternehmerische Ermessen bestehen bleibe. Streng genommen ist zwar bei einem nicht entscheidungsbestimmend werdenden Interessenkonflikt die Richtigkeitsge­ währ wie auch bei fehlender Umstandskenntnis nicht beeinträchtigt. Die Richtig­ keitsgewähr ist aber besonders gefährdet. Das sollte genügen, um gerichtlicherseits „genauer hinzuschauen“ und das weite Ermessen entfallen zu lassen, zumal der Anreiz für das Organmitglied groß ist, die fehlende Ursächlichkeit des Interessens­ konflikts für seine Entscheidung vorzuschieben. 67  Vgl. zum Problem der Überschätzung (overconfidence) der eigenen Fähigkei­ ten, vorhandener Interessenkonflikte Herr zu werden, Kumpan, Interessenkonflikte, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handbuch, Bd. 1 (2009), S. 886. 68  Das setzt zunächst zwingend voraus, dass der Interessenkonflikt ursächlich für die getroffene Entscheidung wurde; ein vorhandener, aber ausgeblendeter Interessen­ konflikt – mag er auch das Entfallen des weiten unternehmerischen Ermessens und somit den Wechsel des gerichtlichen Kontrollmaßstabs rechtfertigen (dazu soeben Fn. 66) – vermag die Pflichtverletzung als solche nicht zu „verschlimmern“.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

darin, in welchem Maß das Organmitglied mehr das Gesellschafts- oder aber das Eigen- oder Drittinteresse wahrgenommen hat. Im genannten Bei­ spiel der Vertragsverhandlung mag das Vorstandsmitglied seinen Interessen­ konflikt ganz überwiegend tatsächlich „im Griff“ gehabt und nur bei einem untergeordneten Verhandlungspunkt den Lockungen zur Milde mit dem ihm persönlich nahestehenden Verhandlungspartner un- oder unterbewusst nach­ gegeben haben. Es bedarf folglich einer Einzelfallentscheidung anhand der Kriterien „Vorwerfbarkeit der Selbstüberschätzung“ und „Maß der Hintan­ stellung der Gesellschaftsinteressen“, die sich an der allgemeinen Definition der groben Fahrlässigkeit ausrichtet. Bedingung für die Anwendung der Business Judgment Rule ist weiter, dass sich das Organmitglied über Chancen und Risiken der Entscheidung qualitativ und dem Umfang nach angemessen informiert.69 Verlangt wird nur eine nach den Umständen der zu treffenden Entscheidung angemessene Information, nicht die Beschaffung aller erreichbaren Informationen.70 Wie die Einschränkung „vernünftigerweise annehmen durfte“ klarstellt, darf das Gericht zudem seine Vorstellungen der Angemessenheit nicht schlicht an die Stelle der Abwägungen des Organs setzen.71 Vor dem Hintergrund dieser Gesetzeslage überzeugt nicht, wenn der BGH verlangt, dass das Organmit­ glied „in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informa­ tionsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpft“72 und damit auf jeden gerichtskontrollfreien Beurteilungsspielraum verzichtet.73 Nach einer Ansicht dürfen die Gerichte lediglich prüfen, ob die Organmitglieder „jenes 69  Statt vieler Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber,  AktG, 3. Aufl. (2014) § 93 Rn. 13. 70  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12, li. Sp.; Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 48, der „beim Umfang der Informationseinholung“ einen dem „konkreten Einzelfall angepassten Spielraum“ annimmt; eingehend Winnen, Innenhaftung (2009), S. 200 f. 71  s. wiederum Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12, li. Sp.: „Es wird dem Vorstand […] ein erheblicher Spielraum ein­ geräumt, den Informationsbedarf abzuwägen und sich selbst eine Annahme dazu zu bilden.“; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 21: „Entscheidungs­ spielraum“. 72  BGH vom 14.07.2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361, 3363; ebenfalls OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6  W 45/09, AG 2010, 126, 128. 73  Kritisch Fleischer, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 71a; zu späterer Relativierung dieser Entscheidung in der Rechtsprechung Bachmann, Gut­ achten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 46 mit Fn. 159 unter Hinweis auf die Entscheidung BGH vom 22.02.2011 − II ZR 146/09, NZG 2011, 549, in welcher die zitierte Formulierung nicht mehr vorzufinden ist; in der Entscheidung BGH vom 18.06.2013  – II ZR 86/11, ZIP 2013, 1712, 1715 (zur Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft) findet sich die Formulierung demgegenüber wieder.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG85

Quantum an Information“ herangezogen haben, welches „benötigt wird, um noch von einer sachlichen Entscheidung sprechen zu können“.74 Neben vermittelnden Auffassungen75 wird vertreten, dass ein strenger Kontrollmaß­ stab der omnis culpa gilt.76 In § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG-E des Referentenentwurfs zum UMAG stand zunächst „ohne grobe Fahrlässigkeit“ anstelle der Gesetz gewordenen Wen­ dung „vernünftigerweise“.77 Die Formulierung wurde nur gewechselt, um eine „Vermengung von Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab“ zu verhindern.78 Dies impliziert, dass der Gesetzgeber nicht vom Maß der Grobheit Abstand nehmen wollte. Er wollte dieses vielmehr statt auf das Verschulden auf die objektive Pflichtverletzung beziehen. Ziel war also, einen dem Maß der groben Fahrlässigkeit entsprechenden objektiven Pflichtenmaßstab für die entscheidungsvorbereitende Informationsbeschaffung einzuführen.79 Das bestätigt die Gesetzesbegründung nochmals, wenn es heißt: „Welche Inten­ sität der Informationsbeschaffung im Sinne der Norm ‚angemessen‘ ist, ist […] von ihm [dem Vorstandsmitglied] ohne groben Pflichtenverstoß zu entscheiden.“80 Damit aber stimmen der objektive Pflichtenmaßstab des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für die Informationsgewinnung und der subjektive des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG im Maß „grob“ überein. Nimmt man eine objektiv grobe Informationspflichtwidrigkeit i. S. v. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG an, die ursächlich für eine gesellschaftsschädigende Entscheidung geworden 74  Hopt/Roth, in: GK AktG, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 103; ähnlich bereits dies., in: GK AktG, 4. Aufl. (2006), § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F. Rn. 45. 75  Wohl OLG Frankfurt vom 15.06.2011  – 21 W 18/11, AG 2011, 755, welches von einem Ermessensspielraum ausgeht, welcher erst überschritten ist, wenn der Vorstand „in unvertretbarer Weise von der Einholung weiterer zur Verfügung stehen­ der Informationen abgesehen“ hat; nicht ganz eindeutig J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 21, der einer gegenüber der Inhaltskontrolle der Entschei­ dung „engmaschigeren gerichtl. Plausibilitätskontrolle“ das Wort redet; Redeke, ZIP 2011, 59, 62 will den Maßstab der „Nachvollziehbarkeit bzw. der Vertretbarkeit“ anwenden; für den Maßstab der groben Fahrlässigkeit Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 46. 76  Paefgen, AG 2014, 554, 562; von Falkenhausen, NZG 2012, 644, 649. 77  Referentenentwurf UMAG Januar 2004, S. 1. 78  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11, re. Sp. 79  Im Ergebnis für eine Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 46: „Praktisch haften Vor­ standsmitglieder im Rahmen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG damit nur für grobe Fahr­ lässigkeit.“ 80  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12, li. Sp.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

ist,81 ist damit folglich – ein entschuldigender Rechtsirrtum über die Infor­ mationspflichten erscheint nicht denkbar82 – auch der Anwendungsbereich gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. AktG eröffnet. Wenn zum Beispiel der Vorstand wie im „IKB“-Fall des OLG Düsseldorf83 bestandsgefährdende Investitionen in Wertpapiere und strukturierte Portfolien mit Konzentration auf US-amerikanische Konsumentenkreditforderungen vorantreibt und sich dem Verdacht nach nur auf externe Ratings amerikanischer Rating-Agentu­ ren verlässt, die für ihre Beratungsdienste von den Emittenten bezahlt wurden,84 liegt mit der darin ggf. zu sehenden groben Verletzung der In­ formationspflichten im Rahmen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zugleich gro­ bes Verschulden gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. AktG vor. Im Ergebnis besteht damit eine weitreichende Kongruenz zwischen Hand­ lungen, die sich unter Berücksichtigung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG als Pflichtverletzungen darstellen, und solchen, die grob fahrlässig i. S. v. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG sind. Divergenzen sind in den Fällen eines Interessenkonflikts möglich. bb) Pflichtverletzungen außerhalb unternehmerischer Entscheidungen Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG prüfen die Gerichte, ob die Organwalter die „Sorgfalt eines ordentlichen und ge­ wissenhaften Geschäftsleiters“ angewendet haben (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG). Fernab der Privilegien des unternehmerischen Ermessens könnte § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG den Kreis der verfolgbaren Ansprüche merklich verkleinern. Allerdings ist für besondere Ausprägungen der allgemeinen Sorgfalts­ pflicht des Vorstands wie z. B. die praktisch bedeutsamen Pflichten der Organisation85 und Überwachung weithin ungeklärt, inwieweit sie dem si­ 81  Trägt das Organmitglied hingegen substantiiert vor und führt – bei Bestreiten der Gegenseite – den Beweis, es hätte bei einer hinreichenden Informationsgrund­ lage dieselbe Entscheidung getroffen, kann es für die Feststellung der Grades des Verschuldens bei der unternehmerischen Entscheidung nicht auf die (vorgelagerte) Vernachlässigung der Informationspflicht ankommen. In dieser Situation beantwor­ tet sich die Frage nach der Grobheit allein nach der getroffenen Entscheidung als solcher. 82  Vgl. nur J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 43: Bei „reinen Sorgfaltsverstößen“ bedinge ein objektiver Pflichtverstoß zugleich das Verschulden. 83  OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6 W 45/09, AG 2010, 126. 84  OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6 W 45/09, AG 2010, 126, 128. 85  Zum Begriff und Inhalt Fleischer, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 56.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG87

cheren Hafen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG unterfallen.86 Selbst wenn man hier keine „unternehmerischen Entscheidungen“ i.  S.  d. §  93 Abs.  1 Satz 2 AktG anerkennt, könnte ein Ermessen zuzugestehen sein, wenn man in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eine „bloße Teilkodifikation unternehmerischer Entscheidungsspielräume“ erblickt.87 Bei allgemeinen Gesetzes- und Satzungsverstößen bleiben die Privile­ gien des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG außer Betracht,88 doch kann im Einzel­ fall ein Ermessen für die Frage bestehen, wie eine Pflicht (etwa gem. §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 2 AktG) zu erfüllen ist.89 Je weiter man das Ermessen fasst, desto geringer dürften die Diskrepanzen zwischen mate­ riellrechtlichem Pflichtverletzungstatbestand und Verfolgbarkeit nach § 148 AktG ausfallen. An dieser Stelle bedarf noch der Klärung, wonach sich die grobe Fahr­ lässigkeit gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG bei Legalitätspflicht­ verstößen90 im Falle solcher Rechtsnormen bemisst, die nicht oder nicht allein das Gesellschaftsinteresse, sondern – zumindest auch – öffentliche Interessen schützen.91 Aus der ratio der Legalitätspflicht könnte folgen, dass es auf das Schutzgut der verletzten Rechtsnorm z. B. des Kartell- oder Um­ weltrechts ankommt. Nicht erforderlich wäre demgegenüber, dass sich der Pflichtverstoß auch mit Blick auf die Vermögensinteressen der Gesellschaft als grob fahrlässig qualifizieren ließe. Dazu folgendes Beispiel: Durch „Schmiergeldzahlungen“92 kann der Vorstand der Gesellschaft Aufträge si­ 86  Fleischer, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 69; auch MeierGreve, BB 2009, 2555, 2557: „[W]eithin ungeklärte Frage“. 87  So statt vieler J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11.  Aufl. (2014), § 93 Rn. 10 m. w. N.; nach Hopt/Roth, in: GK AktG, 5. Aufl. (2015), § 93 Rn. 118 gilt auch bei Kontrollentscheidungen ein umfassendes unternehmerisches Ermessen; a.  a.  O., Rn. 187 (für Compliance-Systeme); vertiefend Winnen, Innenhaftung (2009), S. 194 f. Die Leitentscheidung zu den Überwachungspflichten des board of directors gegen­ über untergeordneten Mitarbeiterebenen im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, In re Caremark International Inc. Derivative Litigation, 698 A.2d 959 (Del.Ch.1996), geht von einem erheblichen Beurteilungsspielraum der Mitglieder des board of directors aus. Für einen Pflichtverstoß wird ein „sustained or systematic failure of the board to exercise oversight“ verlangt (S. 971). 88  Deutlich Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11, li. Sp. 89  Dafür etwa Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E  44 f.; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 10, je m. w. N. 90  Zur Legalitätspflicht bereits Kapitel 1, § 5 V. 91  Vgl. zu dieser Frage im Zuge des Reformdiskussion bereits Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 332. 92  Zur grundsätzlichen Qualifizierung als Pflichtverstoß i. S. d. § 93 Abs. 1 AktG „ungeachtet etwaiger wirtschaftlicher Vorteile“ J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 41.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

chern. Der Gewinn aus den Aufträgen (z. B. 100 Millionen Euro) kann den nach der Entdeckungswahrscheinlichkeit zu gewichtenden Bußgeldschaden (z. B. 25 % multipliziert mit 410 Millionen Euro = 102,5 Millionen Euro) zwar nicht vollständig, aber annähernd aufwiegen. Die Pflichtverletzung wäre bei Maßgeblichkeit des Gesellschaftsinteresses eine überschaubare Fehlkalkulation, die auf Pflichtverletzungs- und Verschuldensebene nicht als „grob“ zu qualifizieren wäre. Stellte man demgegenüber auf das Schutzgut des verletzten Antikorruptionsgesetzes ab, wäre der Verstoß, sofern nicht schon Vorsatz vorliegt, zumindest grob fahrlässig. Denn das Organmitglied durfte eine derart bedeutsame Rechtsvorschrift nicht ohne schwerwiegenden Pflichtverstoß verkennen. Für eine Maßgeblichkeit des jeweils geschützten öffentlichen Interes­ ses93 spricht die ratio der Legalitätspflicht, diesem Interesse einen gesell­ schaftsrechtlichen Schutzraum zu schaffen, der öffentlichrechtliche Sankti­ onen ergänzt.94 Angesichts dieses Begründungskontexts der Legalitäts­ pflicht könnte auch die Intensität des Legalitätspflichtverstoßes und damit die Verfolgbarkeit gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG anhand der Beein­ trächtigung des geschützten Rechtsguts zu bewerten sein.95 Auch der Zweck des § 148 AktG, das Vertrauen in das Aktienwesen zu schützen, spricht dafür, auf das jeweilige Schutzgut abzustellen; gerade Verstöße ge­ gen öffentliche Interessen können dieses Vertrauen nämlich erschüttern.96 Einen Fingerzeig, allein auf das Gesellschaftsinteresse abzustellen, gibt demgegenüber § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG, indem er zwingend einen Schaden der Gesellschaft voraussetzt. Ein Legalitätspflichtverstoß – mag er auch noch so schwerwiegend sein – kann also nicht verfolgt werden, wenn er nicht zu einem Schaden der Gesellschaft geführt, mithin deren wirtschaftliche Interessen verletzt hat. Denkt man diese Ausgangslage zu Ende, erscheint es konsequenter, auch für den Begriff „grob“ allein eben dieses wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft zum Maßstab zu wählen. Dafür streitet auch der Begriff der „Unredlichkeit“: Käme es auf das je­ weilige öffentliche Interesse an, müsste man vorsätzliche Legalitätspflicht­ 93  Dafür möglicherweise G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 138, die die Gröblichkeit des Regelverstoßes auch mit Blick auf die „Ak­ tienwirtschaft als gesamtgesellschaftliche Einrichtung“ begründen wollen. 94  Dazu bereits oben Kapitel 1, § 5 V. 95  Daneben bleibt es natürlich dabei, dass sich die Grobheit auch damit begrün­ den lässt, dass aufgrund des Gesetzesverstoßes die Vermögensinteressen der Gesell­ schaft besonders vorwerfbar vernachlässigt wurden. Im Beispiel wäre das bei einem zu erwartenden Bußgeld der Fall, das den möglichen Nutzen aus den rechtswidrig erlangten Aufträgen vielfach übersteigt. 96  Vgl. dahingehend möglicherweise G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 138.



§ 7  Anwendungsbereich des § 148 AktG89

verstöße konsequenterweise auch als Unredlichkeit gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 1. Var. AktG qualifizieren. Dem Wortsinngehalt der Unred­ lichkeit als Erwartungsverletzung bei gesteigerter Vertrauensstellung, die eine Verletzung gerade der Interessen des Geschäftsherrn (der Gesell­ schaft) durch den „unredlichen“ Geschäftsführer (Organmitglied) voraus­ setzt, würde das nicht gerecht. Nicht zuletzt hat Ulmer in seinen wegwei­ senden Vorarbeiten Verletzungen von Verhaltensvorschriften, die öffentli­ chen Interessen dienen, noch ausdrücklich von den Einschränkungen durch das Merkmal einer groben Pflichtverletzung ausnehmen wollen.97 Dem ist der Gesetzgeber aber nicht gefolgt. Der Zweck, mit § 148 AktG auch öf­ fentliche Interessen zu schützen,98 wird mit dieser einzelgesellschaftsbezo­ genen Auslegung zudem nicht gänzlich in Frage gestellt: Oftmals werden mit Verletzungen öffentlicher Interessen auch diejenigen der Gesellschaft in gleichem Maße beeinträchtigt, im Besonderen weil die Bußgelder so bemessen sind, dass sie unter „Einpreisung“ der Entdeckungswahrschein­ lichkeit keinen Raum für einen effizienten Rechtsbruch lassen; ein bloß reflexiver gesellschaftsrechtlicher Schutz der öffentlichen Interessen ist da­ mit nicht wirkungslos. Tendenziell wird man sagen können, dass die Kautele des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG außerhalb des sicheren Hafens des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu merklicheren Anwendungsbeschränkungen führt, wobei die Diskussion über die Reichweite des „sicheren Hafens“ sowie sonstige Ermessensspiel­ räume weiter im Fluss ist. c) Veranschaulichung anhand der Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats Ein unternehmerisches Ermessen gem. § 116 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG hat das Aufsichtsratsmitglied in dem Umfang, „wie das Gesetz auch ihm unternehmerische Aufgaben überträgt“.99 Unternehmerisch ent­ scheidet der Aufsichtsrat, wenn er die Mitglieder des Vorstands bestellt oder abberuft.100 Ebenfalls unternehmerisch ist seine Entscheidung, ob er Ge­ schäftsführungsmaßnahmen zustimmt, wenn er sich diese Zustimmung gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 vorbehalten hat.101 97  Ulmer,

ZHR 163 (1999), 290, 332 mit 341. Kapitel 1, § 5 V. 99  BGH vom 21.04.1997  – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 254; eingehend zu unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats Habersack, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 116 Rn. 41. 100  BGH vom 21.04.1997  – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 254 f. 101  BGH vom 21.04.1997  – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255. 98  s. oben

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

Kein unternehmerisches Ermessen erkennt der BGH bei der nachträg­ lichen Überwachungstätigkeit an.102 Darunter versteht er die Pflicht, „den Vorstand zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und Schäden von der Gesellschaft abzuwenden“.103 Erlangt der Aufsichtsrat also Kenntnis von einem gesetzeswidrigen Vorstandsverhalten, muss er dagegen zwingend einschreiten.104 Bei Fragen der präventiven Überwachung, also der Häufig­ keit der Informationsbeschaffung oder der Tiefe einer Prüfung eines Vor­ standsberichts, wird man aber ein gewisses Ermessen annehmen müssen; Henssler weist zu Recht auf eine „risikoorientierte Prüfungsintensität“ hin.105 Insgesamt dürfte § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG die Verfolgung der Ansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder substantiell beschränken, da nur in überschaubarem Maße Kontrollmaßstäbe eingreifen, die den Gerich­ ten Zurückhaltung bei der Prüfung des Aufsichtsratshandelns auferlegen.

III. Konzernrechtliche Ansprüche Die Einbeziehung der Ansprüche aus §§ 310, 318 AktG gegen die Mit­ glieder der Verwaltungsorgane der abhängigen Gesellschaft ist bereits auf der Grundlage der Wortlautauslegung möglich, da es sich um „Ersatzan­ sprüche […] aus der Geschäftsführung gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats“ i. S. v. § 148 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG handelt.106 Im Übrigen, für die Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen und dessen Vertreter, wird eine analoge, teilweise auch eine unmittelbare An­ wendung des § 148 AktG überwiegend bejaht.107 Zutreffend ist die Auffas­ 102  BGH vom 21.04.1997  – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255; zustimmend Habersack, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 116 Rn. 42; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 446. 103  BGH vom 21.04.1997  – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255. 104  Von einer „Pflicht zum Einschreiten“ gehen Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2012), § 116 Rn. 16 aus. 105  Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 116 Rn. 8; vgl. auch Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 446, die eine Befugnis des Aufsichts­ rats betonen, Schwerpunkte für Überwachungsinitiativen zu setzen. 106  Müller, Konzern 2006, 725, 728; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3.  Aufl. (2015), § 148 Rn. 141; a. A. Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 49 ff., der für eine einheitliche Entscheidung bzgl. der Anwendbarkeit der §§ 147 f. AktG auf konzernrechtliche Ansprüche plädiert und diese insgesamt vom Anwendungsbereich ausnehmen möchte. 107  Altmeppen, in: MüKo, 3. Aufl. (2010), § 317 Rn. 65 (für Analogie); für unmit­ telbare Anwendung Habersack, in: Emmerich/Habersack, 7. Aufl. (2013), § 317



§ 8  Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1 AktG 91

sung, die eine Analogie befürwortet. Ein Bedürfnis, § 148 AktG auch auf die Konzernansprüche anzuwenden, ergibt sich aufgrund des für die Aktio­ näre gegenüber der konzernrechtlichen Einzelklage (vgl. § 309 Abs. 4 AktG) vorteilhaften Kostenerstattungsanspruchs gem. § 148 Abs. 6 Satz 5 AktG.108

§ 8  Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1 AktG Das Gesetz macht die Prozessführungsbefugnis der Minderheitsaktionäre von einer Reihe teils anspruchsvoller Zulassungskautelen abhängig. Es for­ dert einen Mindestanteilsbesitz der Antragsteller (§ 148 Abs. 1 Satz 1 AktG), die ihre Anteile zudem vor Kenntnis oder Kennenmüssen der Pflichtverlet­ zung und des Schadens erworben haben müssen (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AktG). Anträge mit keiner oder nur geringer Erfolgsaussicht passieren die Zulassungsschranke des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG nicht, da diese den Nachweis von Verdachtstatsachen verlangt. Zudem darf die Prozessfüh­ rung der Aktionäre auch nicht dem Gesellschaftswohl zuwiderlaufen (vgl. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG). Diese Voraussetzungen prüft das Gericht in einem eigenständigen Klagezulassungsverfahren. Der Gesetzgeber inten­ diert, die Organwalter mit diesem Vorverfahren davor schützen, in eine langdauernde gerichtliche Auseinandersetzung verwickelt zu werden, ohne dass die Erfolgsaussichten feststehen.109 Der Beschleunigung des Zulas­ sungsverfahrens dient § 148 Abs. 2 Satz 5 AktG: Er lässt nur zu, die (Nicht-) Zulassungsentscheidung mit der sofortigen Beschwerde anzufechten.

Rn. 27 mit dem Argument, die Ansprüche aus § 317 AktG seien „spezielle Ausprä­ gungen des in § 147 ausdrücklich genannten Anspruchs aus § 117“; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 3 mit § 148 Rn. 1 und 4 sowie § 309 Rn. 21 (wohl ebenfalls für unmittelbare Anwendung); Müller, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 317 Rn. 19 (für teleologische Extension); ders., Konzern 2006, 725, 728; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 143 ff.; § 148 Rn. 155; gegen eine Anwendbarkeit noch Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 147 Rn. 2a mit § 148 Rn. 1 und 4 sowie § 309 Rn. 21; nunmehr mit eingehender Begrün­ dung Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 49 ff. 108  Altmeppen, in: MüKo, 3. Aufl. (2010), § 317 Rn. 63 und Rn. 68; Habersack, in: Emmerich/Habersack, 7. Aufl. (2013), § 317 Rn. 27; vgl. auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 154 mit Rn. 155. 109  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20, re. Sp., wonach „aussichtslose oder zu missbräuchlichen Zwecken betriebene Klagen von vornherein ausgeschaltet werden“ sollen; vgl. auch Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 259; Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 214 und 216 f.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

I. Verfahrensrechtliche Regelungen Das Klagezulassungsverfahren ist anders als das Klageerzwingungsver­ fahren des § 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des KonTraG nicht dem FGG (nun­ mehr: FamFG), sondern der ZPO unterstellt.110 Über den Klagezulassungs­ antrag entscheidet das Landgericht am Sitz der Gesellschaft (§ 148 Abs. 2 Satz 1 AktG).111 Ist eine Kammer für Handelssachen gebildet, entscheidet diese (§ 148 Abs. 2 Satz 2 AktG). 1. Antragstellung Die Antragsschrift muss die Parteien bezeichnen (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und den Gegenstand und den Grund des Zulassungsantrags enthalten.112 Die Aktionäre müssen angeben, für welche Gesellschaftsansprüche sie die Kla­ gezulassung beantragen. Dazu müssen sie die Ansprüche so umschreiben, wie es auch bei einer Klage auf Leistung nach Maßgabe des § 253 ZPO erforderlich wäre.113 Bereits die Antragstellung der Aktionäre hemmt die Verjährung der ge­ genständlichen Ansprüche (§ 148 Abs. 2 Satz 3 AktG). 2. Beteiligte des Klagezulassungsverfahrens Parteien des Klagezulassungsverfahrens sind die antragstellenden Aktio­ näre und die Personen, gegen welche die Aktionäre klagen möchten.114 110  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20, re. Sp. 111  Es handelt sich um eine ausschließliche Zuständigkeit; so Winnen, Innenhaf­ tung (2009), S. 386 f. 112  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 179. 113  Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 42; wohl auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 179 mit Fn. 452. 114  Das ergibt sich aus dem Normtext zwar nicht unmittelbar. Da nach § 148 Abs. 2 Satz 7 AktG die Gesellschaft „beizuladen“ ist, § 148 Abs. 2 Satz 4 AktG indes einen „Klagegegner“ kennt, kann es sich bei diesem nur um den späteren Gegner des Klageverfahrens, also den Anspruchsgegner, handeln; so Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 39; für eine Antragsgegnerstellung der Anspruchsgegner einhellig die Literatur; vgl. nur Happ, in: FS Westermann (2008), S. 971, 978; Herrler, in: Grigoleit, AktG (2013), § 148 Rn. 12; Hirschmann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 148 Rn. 18; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 148 Rn. 11.



§ 8  Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1 AktG 93

Unter bestimmten Umständen kann auch der Versicherer, mit dem die Gesellschaft für die Organmitglieder einen D&O-Versicherungsvertrag115 geschlossen hat, zur Partei des Zulassungsverfahrens gemacht werden. Nach zutreffender Auffassung scheidet ein Direktanspruch gegen den Versicherer zwar aus.116 Das versicherte Organmitglied kann seinen Freistellungsan­ spruch gegen den Versicherer jedoch an die geschädigte Gesellschaft abtre­ ten.117 Die Folge ist, dass die Gesellschaft den Versicherer verklagen kann.118 § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG ist in diesem Fall, um eine erfolgverspre­ chende Rechtsverfolgung zu ermöglichen, analog auf den Freistellungsan­ spruch gegen den D&O-Versicherer anzuwenden.119 Die Gesellschaft ist im Klagezulassungs- und im Klageverfahren beizula­ den, § 148 Abs. 2 Satz 7 AktG. Das Gericht lädt bei, indem es die Gesell­ schaft über das Verfahren informiert.120 Die Gesellschaft kann als Neben­ intervenientin beitreten (§§ 64 ff. ZPO).121 Am Beitritt ist die Gesellschaft 115  Die D&O-Versicherung ist eine Haftpflichtversicherung (§§ 100  ff. VVG); Sieg, in: Terbille/Höra, MAH Versicherungsrecht, 3. Aufl. (2013), § 17 Rn. 1 und 3. Die Gesellschaft schließt sie als Versicherungsnehmerin für die jeweiligen Organmit­ glieder als versicherte Personen ab; Sieg, a. a. O., Rn.  2. 116  Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unterneh­ mensorganen, (2010), Kapitel 4 Rn. 59; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 231, nach dem es „nach wie vor keinen originären Direktanspruch der Gesellschaft“ gibt; Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 39. 117  Gemäß § 108 Abs. 2 VVG n. F. kann diese Abtretung formularmäßig nicht mehr abbedungen werden; dazu auch Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 40. Ziel ist es, eine Abtretung von Innenhaftungsansprüchen an die Gesellschaft zu ermöglichen; so Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen (2010), Kapitel 4 Rn. 65. Zu beachten ist aber, dass § 108 Abs. 2 VVG gem. § 210 VVG für sog. Großrisiken keine Anwendung findet; dazu Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensor­ ganen (2010), Kapitel 4 Rn. 68; Böttcher, NZG 2008, 645, 646. Die Einstufung als Großrisiko richtet sich nach Eigenschaften der Versicherungsnehmer; so Böttcher, a. a. O. Bei Versicherungsverträgen mit großen, börsennotierten Gesellschaften mit entsprechend hohen Bilanzsummen, Nettoumsatzerlösen und/oder Arbeitnehmerzah­ len kann daher die Abtretung ggf. wirksam in den Versicherungs-AGB ausgeschlos­ sen werden. 118  Böttcher, NZG 2008, 645, 646; Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 40. 119  Vgl. Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 40 f. (für analoge Anwen­ dung des § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG); Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 153 (wohl für direkte Anwendung des § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG). 120  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 184. 121  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 184; eingehend Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 61 ff.; zur Gegenansicht (Analogie zu §§ 65  f. VwGO) Winnen, Innenhaftung (2009), S. 398.

2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

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interessiert, um der Klagezulassung entgegenstehende Gründe des Gesell­ schaftswohls (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG) vorbringen zu können.122 Die Kenntnis vom Verfahren verschafft ihr auch die Möglichkeit, von ihrem Recht auf jederzeitige Klageerhebung gem. § 148 Abs. 3 Satz 1 AktG Ge­ brauch zu machen.123 3. Partieller Untersuchungsgrundsatz? Für die Verdachtstatsachen (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG)124 sowie die entgegenstehenden Gründe des Gesellschaftswohls (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG)125 befürworten einige Autoren, dass das Gericht die Tatsachen von Amts wegen aufklärt. Die (herrschende) Gegenauffassung möchte mit Verweis auf die Anwendung der ZPO den Beibringungsgrundsatz anwen­ den.126 Das verdient Zustimmung: Der Gesetzgeber hat einer Amtsermitt­ lung in der Regierungsbegründung ausdrücklich eine Absage erteilt.127 4. Schriftliches Verfahren oder mündliche Verhandlung? Das Gericht entscheidet über die Klagezulassung gem. § 148 Abs. 2 Satz 1 AktG durch Beschluss. Es kann nach allgemeinen Grundsätzen in einem schriftlichen Verfahren entscheiden (§ 128 Abs. 4 ZPO). In seinem pflichtgemäßen Ermessen steht, eine mündliche Verhandlung vorzuziehen.128 122  Hirschmann,

in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 148 Rn. 19. in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 93. 124  Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 148 Rn. 8, der vertritt, es sei „Aufgabe des Gerichts, Tatsachenaufklärung soweit zu betreiben, wie das im summarischen Ver­ fahren möglich und sinnvoll ist“; Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 79 (Tatsachenaufklärung sei „von Amts wegen zu betreiben“); Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 146; K. Schmidt, NZG 2005, 796, 800, der meint, „das Gericht hat auch den tatsächlichen Voraussetzungen – selbstverständ­ lich unter Mithilfe der förderungspflichtigen Beteiligten – von Amts wegen nach­ zugehen“. 125  Hüffer, AktG, 10. Aufl. (2012), § 148 Rn. 9, der annimmt, das Gericht habe die „Existenz solcher Gründe von Amts wegen zu prüfen“; Mock, in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 89; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 45: „Von der Gesellschaft nicht vorgebrachte Umstände sind von Amts wegen zu ermitteln und zu berücksichtigen.“ 126  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 149; Herrler, in: Grigoleit, AktG (2013), § 148 Rn. 3; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 148 Rn. 8. 127  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 18, re. Sp. 128  Wagner, in: MüKo ZPO, 4. Aufl. (2013), § 128 Rn. 19. 123  Mock,



§ 8  Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1 AktG 95

Maßgeblich ist, ob im Einzelfall der Vorteil der Mündlichkeit, die Aufklä­ rung und Erledigung der Sache zu fördern und zu beschleunigen, durch­ greift.129 Regelmäßig ist der im Klagezulassungsverfahren zu klärende Sachverhalt von solcher Komplexität, dass von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen ist, so dass das Gericht eine mündliche Verhandlung anordnen muss.130 5. Rechtsbehelfe Gem. § 148 Abs. 2 Satz 5 AktG ist gegen die Entscheidung des Gerichts im Klagezulassungsverfahren die sofortige Beschwerde (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) statthaft. Beschwerdeberechtigt ist neben den Parteien auch die Ge­ sellschaft, wenn sie dem Verfahren beigetreten ist.131 Die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen (§ 148 Abs. 2 Satz 6 AktG).

II. Das Antragsquorum Antragsbefugt sind Aktionäre, deren Anteile zusammen 1 % oder einen anteiligen Betrag von 100.000 Euro des Grundkapitals erreichen. Je nach Börsenkurs sind oftmals weit über 100.000 Euro liegende Anlagevolumina erforderlich; der Gesetzgeber geht von durchschnittlichen Volumina von einer bis zwei Millionen Euro aus.132 Mit dem Schwellenwert verfolgt der Gesetzgeber das regelungspolitische „Leitmotiv“, rechtsmissbräuchliche Klagen zu verhindern. Die Annahme ist, dass unterhalb des Schwellenwertes „die Motivation der Klage nicht ernst­ haft aus der wirtschaftlichen Beteiligung an der Gesellschaft hergeleitet werden kann“.133

129  Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. (2015), § 128 Rn. 25; Wagner, in: MüKo ZPO, 4. Aufl. (2013), § 128 Rn. 19. 130  Ebenso Winnen, Innenhaftung (2009), S. 388; a. A. möglicherweise Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 64 und 96. 131  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 204. 132  Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 20. Mai 2009, BT-Drucks. 16/13098; G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 81 gehen davon aus, es sei im Durchschnitt das Zehnfache des Nominalwertes der Aktien erforderlich; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 3: Das Fünfzehn- bis Zwanzigfache. 133  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20, re. Sp.

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Schließen sich mehrere Aktionäre als Antragsteller zusammen, um das Quorum aufzubringen,134 bilden sie eine notwendige Streitgenossenschaft gem. § 62 Abs. 1, 2. Var. ZPO, da ihnen die Antragsbefugnis nur gemeinsam zusteht.135 Als Streitgenosse steht jeder Aktionär in einem eigenen Prozess­ rechtsverhältnis zum Antragsgegner und kann eigenständig Prozesshandlun­ gen vornehmen.136 Im Verhältnis der sich absprechenden Aktionäre zuein­ ander entsteht regelmäßig eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts.137 Gesellschaftszweck der Innengesellschaft ist neben der Antragstellung auch der erfolgreiche Abschluss des Klagezulassungsverfahrens und des Klage­ verfahrens.138 Diese Gesellschaft ist – zumal nicht außenrechtsfähig – nicht als solche Partei des Zulassungsverfahrens.139

III. Aktienerwerb vor Kenntnis oder Kennenmüssen von Pflichtverletzung oder Schaden (contemporanous ownership rule) Nur Aktien, welche die Aktionäre vor dem Zeitpunkt erworben haben, in dem sie von den behaupteten Pflichtverstößen oder dem behaupteten Scha­ den auf Grund einer Veröffentlichung Kenntnis erlangen mussten, dürfen bei der Berechnung des Antragsquorums mitberücksichtigt werden (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AktG). Die Regelung dient der Missbrauchspräven­ 134  Zur Zulässigkeit eines solchen Zusammenschlusses Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 21, re. Sp.; Winnen, Innenhaf­ tung (2009), S. 325. 135  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 167; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 384 f.; nach anderer Auffassung ist § 62 Abs. 1, 1. Var. ZPO einschlägig; so Happ, in: FS Westermann (2008), S. 971, 976 f. Richtigerweise liegt ein Fall des § 62 Abs. 1, 2. Var. ZPO vor. Bei § 62 Abs. 1, 2. Var. ZPO handelt es sich um diejenigen Fälle, in denen mehrere Personen schon gemeinsam klagen oder verklagt werden müssen, wenn die Klage Aussicht auf Er­ folg haben soll; so Schultes, in: MüKo ZPO, 4. Aufl. (2013), § 62 Rn. 24. Dies ist nicht nur bei einer gemeinschaftlichen materiellrechtlichen Verfügungsbefugnis der Fall, sondern auch bei einer materiellrechtlich geregelten gemeinschaftlichen Pro­ zessführungsbefugnis; so Schultes, a. a. O. 136  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 167; allgemein zu Streitgenossen Schultes, in: MüKo ZPO, 4. Aufl. (2013), § 61 Rn. 4; Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. (2015), § 61 Rn. 6. 137  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 168; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 381; zu den Möglichkeiten der Bildung einer Außengesellschaft G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 169. 138  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 168. 139  Winnen, Innenhaftung (2009), S. 381 f.



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tion.140 Bereits das Kennenmüssen des Schadens schadet den Aktionären, da sie nicht darauf spekulieren sollen, dass „man da, wo ein Schaden ist, auch ein Fehlverhalten finden werde“.141

IV. Aufforderung der Gesellschaft zur Klage und Fristsetzung Die Aktionäre müssen nachweisen, die Gesellschaft unter Setzung einer angemessenen Frist vergeblich aufgefordert zu haben, selbst Klage zu erhe­ ben (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG). Die Aufforderung sichert die Subsi­ diarität der Aktionärsklage gegenüber einer Klage der Gesellschaft.142 Auch gibt sie dem Verwaltungsorgan Gelegenheit, die antragswilligen Aktionäre zu überzeugen, dass die Klage dem Gesellschaftswohl abträglich ist. Ferner kann die Verwaltung versuchen, den Aktionären die Vorteile eines Vergleichs zu vermitteln, dessen Aushandlung mit dem Schuldner sie zusichert. 1. Aufforderung Die Aufforderung, eine geschäftsähnliche Handlung,143 ist nicht an eine Form gebunden und kann daher auch mündlich z. B. auf einer Hauptver­ sammlung erklärt werden.144 Nach dem Wortlaut des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG müssen die Aktionäre die Aufforderung an die Gesellschaft als solche richten, nicht etwa an das zuständige Organ oder dessen Mitglie­ der.145 Es sind die allgemeinen Regeln des Zugangs von Willenserklärungen (§ 130 BGB) anzuwenden.146 140  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 21, re. Sp.; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 148 Rn. 5; bereits Baums, Gutachten F für den 63. Deutschen Juristentag (2000), F 260; Ulmer ZHR 163 (1999) 290, 331. 141  Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum UMAG, BTDrucks. 15/5693, S. 17, re. Sp. 142  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 21, re. Sp., 22, li. Sp. 143  Bezzenberger/Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 121; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 148 Rn. 6; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 252. 144  Lochner, in: Heidel, 4. Aufl. (2014), § 148 Rn. 10; für Formfreiheit ferner Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 67. 145  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 121; Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S.  140; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 271; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 24; a. A. Herrler, in: Grigoleit, AktG (2013), § 148 Rn. 6; Winnen, Innen­ haftung (2009), S. 346: Jeweils zuständiges Gesellschaftsorgan als Adressat.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

2. Setzung einer angemessenen Frist Ihre Aufforderung müssen die Aktionäre mit einer angemessenen Frist verbinden. Zur Länge der Frist heißt es in der Regierungsbegründung apo­ diktisch: „Eine Frist von zwei Monaten muss als angemessen gelten.“147 Das ist für die Auslegung des Angemessenheitsbegriffs von entscheidender Bedeutung:148 Die vorliegende Arbeit folgt in Fragen der Gesetzesauslegung der sog. subjektiv-historischen Methode. Ziel der Auslegung ist es, die Re­ gelungszwecke des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zu ermitteln und umzusetzen.149 Dabei kommt den Gesetzesmaterialien eine herausra­ gende Bedeutung zu.150 Denkbar ist im Einzelfall eine Frist von weniger als zwei Monaten. Wenn der Sachverhalt z. B. bereits durch eine Sonderprüfung weitestgehend auf­ geklärt ist, kann die Frist auch kürzer sein.151 Auch bei drohender Verjäh­ rung kann sich die Frist verkürzen.152 146  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 121; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 252; Schröer, ZIP 2005, 2081, 2084. 147  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp. 148  Im Ergebnis auch Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 138 f., der eine Fristverlängerung über zwei Monate hinaus nur in eng begrenzen Ausnahmefällen zu­ lassen will; ebenso Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 263; zu­ rückhaltender Winnen, Innenhaftung (2009), S. 351: „[A]llenfalls als Anhaltspunkt“. 149  Statt vieler Reimer, Juristische Methodenlehre (2016), Rn. 251; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. (2015), Rn. 717 ff.; 806 ff. (zur Kritik an der sog. objektiven Theorie); Rüthers, JZ 2006, 53 ff. (insbesondere S. 57 ff.); ders., JZ 2008, 446  ff. (besonders S. 448  f.); nunmehr jedenfalls tendenziell auch BVerfG vom 25.01.2011 – 1 BvR 918/10, NJW 2011, 842, 845: „Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen.“ (zu den Bedingungen der Rechtsfortbildung); dahingehend bereits auch BVerfG vom 15.01.2009  – 2 BvR 2044/07, NJW 2009, 1469, 1477 (abweichende Meinung des Richters Voßkuhle, der Richterin Osterloh und des Richters Di Fabio); vgl. zu die­ sem Methodendiskurs des BVerfG eingehend wiederum Rüthers, NJW 2011, 1856 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. (2015), Rn. 799 f. 150  Jüngst zu einer entscheidungs- und demokratietheoretischen Rechtfertigung der Heranziehung der Gesetzesmaterialien für die Auslegung Wischmeyer, JZ 2015, 957 ff.; vgl. zur Bedeutung der Entstehungsgeschichte auch Rüthers, JZ 2006, 53, 57 ff. 151  Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 263; für eine Orien­ tierung am Umfang der vorhandenen Informationen auch Winnen, Innenhaftung (2009), S. 352. 152  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 124; Lochner, in: Heidel, 4. Aufl. (2014), § 148 Rn. 11; Rieckers/Vetter, in:



§ 8  Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1 AktG 99

Ist der Aufklärungsstand hinsichtlich des betreffenden Lebenssachverhalts noch gering und möchte der Aufsichtsrat z. B. gem. § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG Bücher und Schriften der Gesellschaft prüfen oder prüfen lassen (§ 111 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AktG), so fragt sich, ob dann eine Frist von mehr als zwei Monaten gerechtfertigt ist.153 Die Regierungsbegründung legt für einen solchen Fall gerade keine Fristverlängerung nahe. Vielmehr soll es dabei sein Bewenden haben, dass die Gesellschaft das Verfahren der Aktionäre zunächst hinnimmt und später klagt, wenn sie den Sachverhalt beurteilen kann.154 Die Absicht des Gesetzgebers ist deutlich: Verzögerungstaktiken des zuständigen Verwaltungsorgans soll vorgebeugt werden.155 Erst recht müssen sich die Aktionäre daher nicht auf eine Sonderprüfung verweisen lassen, die läuft oder ansteht.156 Nicht ausdrücklich in der Regierungsbegründung behandelt wird demge­ genüber der Fall, dass die Gesellschaftsvertreter zu der Zeit, zu der Akti­ onäre die Gesellschaft zur Klage auffordern, noch einen Vergleich aushan­ deln, oder aber solche Vergleichsverhandlungen bevorstehen. Binnen zwei Monaten wird es oftmals nicht möglich sein, Verhandlungen mit Schuld­ nern und D&O-Versicherern abzuschließen, insbesondere wenn eine Prü­ fung des Sachverhalts vorausgeht. Ein parallel betriebenes Zulassungsoder Klageverfahren könnte die Verhandlungen empfindlich stören. Gegen eine Verlängerung der Frist streitet letztlich, dass der Gesetzgeber Verzö­ gerungen vorbauen wollte. Wenn die Aktionäre eine interne Sachverhalts­ aufklärung nicht sollen abwarten müssen, muss gleiches für Vergleichsver­ handlungen gelten, die sich solchen Aufklärungen in der zeitlichen Abfol­ ge erst anschließen. KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn, 263; Spindler, in: K.  Schmidt/Lutter,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 22. 153  Befürwortend G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 124 (wenn „Informationsbeschaffung ungewöhnlich schwierig ist“); Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 70; Pansa, Aktionärsklageverfah­ ren (2008), S. 138 f. (wenn Fall sachlich und rechtlich besondere Komplexität auf­ weist); Winnen, Innenhaftung (2009), S. 352. 154  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp.: „Sieht die Gesellschaft sich nicht in der Lage binnen dieser Frist (zwei Monate) zu entscheiden, ob sie Klage erheben soll, so kann sie abwarten und zu einem späteren Zeitpunkt Klage erheben.“ 155  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp. 156  So aber Happ, in: FS Westermann (2008), S. 971, 983; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 352 (der sogar davon ausgeht, dass eine Sonderprüfung abgewartet wer­ den müsse, die noch gar nicht begonnen habe); wie hier demgegenüber Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 79; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 70; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 263.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

Eine Verlängerung der Frist über zwei Monate hinaus ist daher nur bei außergewöhnlichen Umständen denkbar, z. B. bei Krankheit von Aufsichts­ ratsmitgliedern, die es ihnen vorübergehend unmöglich macht, die Ver­ dachtsmomente zu prüfen. Bei internen Untersuchungen und Vergleichsverhandlungen fragt sich al­ lerdings noch, ob das Gericht ein Ruhen des Zulassungs- und auch des Klageverfahrens anordnen kann.157 Zusammenfassend sollte daher nach den Wertungen der Gesetzesbegrün­ dung Fristverkürzungen offen, Fristverlängerungen über die zwei Monate hinaus äußerst zurückhaltend158 begegnet werden. 3. Verstreichen der Frist Damit der Antrag begründet ist, muss die Frist verstrichen sein, ohne dass die Gesellschaft Klage erhoben hat. Eine Absichtserklärung, eine Klage zu erheben, genügt diesbezüglich nicht.159 Denn die Gesellschaft soll nicht versucht sein, „Zeit zu gewinnen, die Sache zu verschleppen oder die Ver­ jährung zu erreichen“.160 Ebenfalls nicht genügend ist, dass die Gesellschaft nach Aufforderung der Aktionäre mit dem Schuldner und der D&O-Versi­ cherung in Vergleichsverhandlungen eintritt. 4. Entbehrlichkeit der Fristsetzung Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Aufforderung nach den „all­ gemeinen Regeln“ entbehrlich sein, z. B. bei eindeutiger Erklärung der Gesellschaft, nicht Klage erheben zu wollen (vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).161 Zu den „allgemeinen Regeln“ zählen ebenfalls §§ 281 Abs. 2, 2. Var., 286 Abs. 2 Nr. 4  BGB.162 Nach deren Grundgedanken kann auf das gesell­ 157  Dazu

eingehend Kapitel 2, § 10 II. 4. hier etwa Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 78 (zwei Monate auch unter Berücksichtigung der Informationsbeschaffung angemessen); Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 263 m. w. N. 159  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp. 160  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp. 161  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp. 162  Holzborn/Jänig, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014), § 148 Rn. 5; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 282; Spindler, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 22; a. A. Pansa, Aktionärsklageverfahren 158  Wie



§ 8  Das Klagezulassungsverfahren gem. § 148 Abs. 1 AktG 101

schaftsinterne Vorverfahren auch dann verzichtet werden, wenn dies auf­ grund einer Interessenabwägung geboten ist.163

V. Vorliegen von Verdachtstatsachen § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG bindet die Klagezulassung an den Nach­ weis von Tatsachen, die den Verdacht eines Schadens und einer Unredlich­ keit oder groben Pflichtverletzung begründen. 1. Verdacht Der „Verdacht“ muss sich auf die Pflichtverletzung, den Schaden der Gesellschaft und die dazwischen bestehende Ursächlichkeit beziehen.164 Er muss sich aus „Tatsachen“ ergeben,165 die zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO).166 Der Begriff des Verdachts ist gesetzlich nicht näher bestimmt. In Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend vorgeschlagen, den Maßstab des hinreichenden Tatverdachts aus dem Strafprozessrecht zu entlehnen:167 Die Wahrscheinlichkeit (p) von Pflichtverletzung und Schaden muss danach eine überwiegende (p > 0.5) sein.168 Nach anderer Auffassung genügt für den „Verdacht“ bereits die Plausibilität einer Pflichtverletzung.169 Auch Baums legte in seinen Vorar­ (2008), S. 141, der aber verkennt, dass die Regierungsbegründung § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB nur als Beispiel für die allgemeinen Regeln nennt. 163  Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 282. 164  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 142. 165  Es handelt sich um einen Neoplasmus; so Kühne, Strafprozessrecht, 8. Aufl. (2010), Rn. 336: „Ohne Tatsachen […] kein Verdacht“. 166  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 145. 167  OLG München vom 25.03.2010  – 31 Wx 144/09, AG 2010, 598, 599; OLG Köln vom 22.02.2010  – 18 W 1/10, AG 2010, 414, 415; OLG Düsseldorf vom 9.12.2009  – I-6 W 45/09, AG 2010, 126, 127 (jeweils zu § 142 Abs. 2  AktG); G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 146; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 93 ff.; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 38. 168  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 146; Holzborn/Jänig, in: Bürgers/Körber,  AktG, 3. Aufl. (2014), § 148 Rn. 8; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 95. 169  Lochner, in: Heidel, 4. Aufl. (2014), § 148 Rn. 12 (plausible Begründung ge­ nüge); der „Plausibilität“ dürfte der strafprozessuale Anfangsverdacht nahe stehen, für welchen eine „Möglichkeit genügt, dass nach kriminalistischer Erfahrung eine verfolgbare Straftat“ vorliegt; Diemer, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl. (2013), § 152 Rn. 7.

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2. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege lata

beiten eine hinreichende Aussicht auf Erfolg entsprechend § 114 ZPO zu Grunde,170 worunter er die Plausibilität der Anspruchsverfolgung verstand.171 Tatsächlich genügt bei § 114 ZPO bereits, dass der Rechtsstandpunkt des Antragstellers vertretbar ist und „in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht“,172 mithin ein p  0 und < 10 Millionen Euro (stark vereinfachend, u. a. weil die möglichen Reputationsnachteile ignoriert werden, die den Preiskorridor nach oben ziehen könnten). Nimmt das Vorstandsmitglied nun aber an, dass mit insgesamt 100 Antragstellern zu rechnen ist, ist der vorgenannte Preiskorridor durch 100 zu dividieren. Der Abkaufpreis, den der Antragsteller für die Aufgabe seines Antragsrechts erwarten kann, ergibt sich folglich aus einem schmalen Preiskorridor zwischen > 0 und < 0,1 Millionen Euro. 164  Vgl. Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 146.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren249

Schädiger nur mit den wenigen Großaktionären einigen165 – Kleinaktionäre können schließlich keine Verfahren anstrengen, von der unpraktikablen Möglichkeit des Zusammenschlusses mit vielen weiteren Aktionären einmal abgesehen. Haar und Grechenig attestieren daher gerade substantiellen Be­ teiligungsschwellen ein Missbrauchspotential.166 Im Ergebnis öffnet die Absenkung des Quorums daher nicht schlechter­ dings die Tore für Erpressungen. Das Recht muss jedoch sicherstellen, dass wirklich mit einer Mehrzahl weiterer Antragsteller zu rechnen ist. Denn nur unter dieser Bedingung sinkt der Preis für einen Antragsabkauf und damit das Erpressungspotential. Der Gesetzgeber muss das Antragsrecht gem. § 148 AktG daher zugleich auch in anderen Bezügen – etwa im Hinblick auf das Kostenrisiko – hinreichend aktionärsfreundlich ausgestalten. Nen­ nenswertes Erpressungspotential haben unter dieser Bedingung nur Aktionä­ re, die über exklusives Wissen über die Pflichtverletzung verfügen, das sie vor ihren Mitaktionären verbergen können. Dann nämlich können die Er­ pressten berechtigte Hoffnungen hegen, dass nach der Auszahlung des An­ tragstellers kein weiterer Aktionär mit einem Antrag „nachziehen“ wird. Dieser Fall dürfte selten sein. Erfolgschancen wittern könnten Erpresser zudem, wenn sie den Abkauf kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist anbieten. Nach Verfahrensbeendigung wären weitere Anträge, die binnen ganz kurzer Frist gestellt werden müssten, nicht mehr wahrscheinlich. Schließlich könnten Erpresser Erfolgsaussichten gerade wähnen, wenn sie Anträge mit eher geringer Erfolgswahrscheinlichkeit stellen, die wegen der existenzbedrohenden Folgen einer Verurteilung für die Organmitglieder dennoch einen Vergleichsdruck schaffen.167 Die Risiken eines Organhaf­ tungsverfahrens sind asymmetrisch verteilt: Bei Unterliegen tragen die An­ tragsteller die Prozesskosten, den Antragsgegnern aber droht im Unterlie­ gensfall die Auslöschung ihrer bürgerlichen Existenz. Zudem werden Or­ ganmitglieder es immer als persönlichen Makel ansehen, wenn ihnen in einem Antragsverfahren angelastet wird, die Geschicke der Gesellschaft schlecht gelenkt zu haben. In den Fällen unbegründeter Anträge sind weite­ re Anträge vielleicht unwahrscheinlicher: Redliche Aktionäre könnten die Erfolgsaussichten, weitere unredliche die Erpressungschancen als zu gering ansehen, um sich für eine Antragstellung zu begeistern. Erwarteten die Par­ teien einen solchen Ausfall weiterer Anträge, könnte der soeben beschriebe­ ne Marktmechanismus gerade bei unbegründeten Anträgen versagen. Sehr 165  Haar/Grechenig,

AG 2013, 653, 657. Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 657 ff.; Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 146; auch Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 250. 167  Zu diesem Vergleichsdruck bereits oben Fn.146. 166  Eingehend

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

wahrscheinlich ist dies aber nicht. Denn ein Organmitglied, das erpresst wird, wird im Zweifel unterstellen, dass weitere Erpresser ebenfalls ihre – wenn auch nur kleine – Chance wittern und mit Erpressungen trotz geringer Erfolgsaussichten „nachziehen“ werden. Davon abgesehen ist auch das ökonomische Erpressungspotential, das unbegründete Anträge bergen, insge­ samt überschaubar. Ganz offensichtlich unbegründete Anträge dürften schon kein ökonomisch relevantes Drohpotential haben.168 Für die zwar nicht in dieser Weise offensichtlich aussichtslosen, aber doch mit geringer Erfolgs­ aussicht ausgestatteten Anträge gilt, dass hier insbesondere wegen der Ver­ lustaversion der Organmitglieder zwar dem Grunde nach ein Drohpotential besteht; diese Anträge werden das Zulassungsverfahren aber regelmäßig nicht überleben, von richterlichen Fehlentscheidungen abgesehen. Zudem ist zu erwarten, dass solche Anträge beschleunigt erledigt werden, weil erfah­ rene Richter klar zu Tage tretende „Schwachstellen“ in der Antragsbegrün­ dung rasch erkennen werden.169 Richter werden im Vorverfahren auch frühzeitig rechtliche Hinweise (§ 139 ZPO) erteilen und auf mangelnde Erfolgsaussichten aufmerksam machen, was den Vergleichsdruck mindert. Zudem sollte der Vergleichsdruck, den die existenzbedrohenden Haftungsri­ siken für Organmitglieder auch bei relativ geringen Erfolgsaussichten einer Klage produzieren, an seiner Entstehungsquelle angegangen werden, indem der Haftungsumfang sinnvoll begrenzt wird.170 Werden diese Prämissen in künftiger Gesetzgebung und Rechtsprechung beachtet, dürfte das Organmit­ glied, das überzeugt ist, rechtmäßig gehandelt zu haben, gute Argumente dafür finden, den Ausgang eines Vorverfahrens abzuwarten, wenn es sich entschieden zu Unrecht belangt fühlt. In der Gesamtschau ist das Erpressungspotential in Bezug auf das Zulas­ sungsverfahren in rechtspolitischer Perspektive zu vernachlässigen und sollte einer Absenkung oder Abschaffung des Antragsquorums nicht weiter entgegengehalten werden. 168  Entsprechendes wird besonders in der rechtsökonomischen Literatur betont, vgl. etwa Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 146, die spieltheoretisch argumentieren, „dass Klagen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Abweisung führen, idR nicht zu einer Erpressung geeignet sind.“ Denn „[d]ie Drohung, sich selbst zu schaden“, sei „generell kein glaubwürdiges Druckmittel“; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 51 (für „Klagen, die mit hoher Wahrscheinlich­ keit abgewiesen würden“); grundlegend auch Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law (2004), S. 419 ff.; zutreffenderweise ist allerdings die Verlustaver­ sion der Organmitglieder zu beachten (s. oben bei Fn. 146), was bedeutet, dass das Drohpotential nur bei ganz offensichtlich aussichtslosen Klagen auszuschließen ist. 169  Vgl. zu dem Vorteil gestraffter Verfahren Eckert/Grechenig/Stremitzer, Öko­ nomische Analyse (2005), S. 95, 147: „Auch ein straffes und daher rasches Verfah­ ren vorzusehen, senkt die Möglichkeit zu erpresserischen Prozessen.“ 170  Zur Reduzierung des Haftungsrisikos noch unten, Kapitel 3, § 14 I.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren251

(2) E  rpressung im Klageverfahren als weiterer Unterfall des institutionellen Rechtsmissbrauchs Anreize zur missbräuchlichen Antragstellung und Klage könnten „Berufs­ kläger“ des Weiteren aus der Aussicht gewinnen, den beklagten Organmit­ gliedern oder der ebenfalls an einer Verfahrensbeendigung interessierten Gesellschaft171 eine vergleichsweise Verfahrensbeendigung im Klageverfahren anzubieten.172 Ein Prozessvergleich nach Klagezulassung beendet nicht nur das Klageverfahren; er bindet auch die Gesellschaft und die übrigen Aktionäre (§ 148 Abs. 5 Satz 2 AktG).173 Die Erpresser hätten insofern, die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung (vgl. §  93 Abs.  4 Satz 3 AktG) vorausgesetzt, einen „Schlussstrich“ unter die Organhaftung anzubieten, anders als im Zulassungsverfahren. Die Organwalter würden neben der an die Gesellschaft zu leistenden Vergleichssumme einen Bonus an die Kläger dafür zahlen, das reputationsschädigende Verfahren zu be­ enden.174 Mehr noch könnten die Kläger anbieten, eine nach den Erfolgs­ aussichten zu niedrige Vergleichssumme zu vereinbaren und sich die Diffe­ renz zwischen wirklichem Erwartungswert der Klage und der Vergleichs­ summe mit dem Organmitglied zu teilen.175 Bei genauer Betrachtung indes sind die Erfolgsaussichten und somit Wahrscheinlichkeiten auch für eine Erpressung nach Klagezulassung ge­ 171  Etwa Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 211 f., der betont, dass eine Klage sowohl für die Gesellschaften als auch die Organmitglieder einen Lästigkeits­ wert schafft; auch Schröer, ZIP 2005, 2081, 2083 bezieht das Erpressungspotential deutlich sowohl auf die Zulassungs- als auch die Klageverfahren und sowohl die Gesellschaften als auch die Organmitglieder; entsprechend Döring, Die Durchset­ zung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 46 ff.; wohl auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 199 f.; vgl. auch auch Bachmann, Gut­ achten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 78; Vetter, in: FS Hoffmann-Be­ cking (2013), S. 1317, 1327 (in Bezug auf das Klageverfahren argumentierend, je­ doch nicht näher zwischen einer Erpressung der Gesellschaft und des zu belangenden Organmitglieds differenzierend). 172  Vgl. nur Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 199 f.; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1327. 173  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn.  244 f.; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 80. 174  Auf einen „Lästigkeitswert“ gerade der „Klage“ abstellend auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 78; auch Riegger, Unterneh­ menskontrolle (2003), S. 211, betont, dass die Aktionäre einen Anreiz haben, sich gerade den Lästigkeitswert abkaufen zu lassen. 175  Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 200; möglicherweise dahingehend auch Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1327, der von der Beendigung des Klageverfahrens durch einen „für sie [die Aktionäre] günstigen Vergleich“ spricht; eingehend zu einem vereinfachten rechtsökonomischen Modell der Kollusion Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 658.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

ring.176 Bleibt es bei einem eigenen Klagerecht der Aktionäre und der Subsidiarität dieser Klage gem. § 148 Abs. 3 AktG, kann die Gesellschaft das Klageverfahren jederzeit an sich ziehen und damit den „räuberischen Aktionär“ seiner Chance auf das Abkaufgeschäft im Klageverfahren berau­ ben; und die eigene Klage der Gesellschaft ist äußerst wahrscheinlich. Welcher „Räuber“ stellt aber einen Zulassungsantrag, wenn er ohnehin nicht ins Klageverfahren vordringen wird? Aber auch wenn der Gesetzgeber mit Semler zur Institution eines besonderen Vertreters zurückkehrt,177 den die Gesellschaft nicht aus der Klägerrolle verdrängen kann, ist das Miss­ brauchspotential gering. Die „räuberischen Aktionäre“ müssten diese Person bestechen, damit sie das Verfahren bei Zuwendung von Sondervorteilen beendet. Das Risiko einer Korrumpierbarkeit eines besonderen Vertreters lässt sich zwar nicht ausschalten. Es minimiert sich aber,178 wenn das Ge­ richt die Person des besonderen Vertreters nach strengen Eignungskriterien auswählt. Zudem besteht ein Haftungsrisiko entsprechend § 93 Abs. 2 AktG,179 wenn besondere Vertreter kollusiv einen unterwertigen Vergleich vereinbaren.180 Endlich muss auch die Hauptversammlung dem Vergleich des besonderen Vertreters gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG zustimmen.181 Das ist bei einem deutlich unterwertigen Vergleich nicht gesichert. Insgesamt sind die Aussichten, aus dem Klageverfahren Erpressungspotential zu schöpfen, somit trüb. (3) Sonstige Missbrauchsfälle Neben der Erpressung als Unterfall sind weitere Fälle des institutionellen Rechtsmissbrauchs zu betrachten. Dabei gilt es zunächst, die Missbrauchs­ 176  A. A. Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 271; wie hier demgegenüber Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1327. 177  Eingehend unten Kapitel 3, § 12 IV. 178  Dafür, dass ein Kollusionsrisiko „kaum bestehen“ werde, Humrich, Der be­ sondere Vertreter (2013), S. 159. 179  Zur entsprechenden Anwendung des § 93 Abs. 2 AktG auf den besonderen Vertreter Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 96 ff.; Kling, ZGR 2009, 190, 225 f. (Gesamtanalogie zu Organhaftungstatbeständen); Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 96. 180  Ausdrücklich für Haftung bei unangemessen weitgehendem Vergleich auch Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 104. 181  Zur Anwendbarkeit des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf Vergleichs- und Ver­ zichtserklärungen des besonderen Vertreters Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 87; Spindler, in: K.  Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 26 (entsprechende Anwendbarkeit); teilweise für eine teleologische Reduktion Kling, ZGR 2009, 190, 207 f. (für den Fall der Beendigung des Zivilprozesses u. a. durch Verzicht, wenn evident ist, dass der Anspruch nicht besteht).



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren253

definition weiter zu schärfen, um das Missbrauchspotential rechtspolitisch zutreffend bewerten zu können. Entgegen der herrschenden Literaturansicht und der Rechtsprechung für die Anfechtungsklage182 sollte der sog. individuelle Rechtsmissbrauch, bei dem sich der Missbrauchsvorwurf aus dem (Vor-)Verhalten und den Moti­ ven des Rechtsinhabers anstatt einer Verfehlung des objektiven Instituts­ zwecks ergibt,183 unbeachtlich bleiben.184 Zwar nehmen die Aktionäre eigene Antrags- und Klagerechte wahr,185 so dass es dogmatisch ein zweifelsfrei begründbarer Weg wäre, formal an diese mitgliedschaftliche Rechtszuwei­ sung an die Aktionäre anzuknüpfen und die Rechtsausübung den Grenzen des individuellen Missbrauchs zu unterwerfen. Bedeutender ist aber, dass die Aktionäre fremde Ansprüche verfolgen, nämlich solche der Gesellschaft; sie sind daher auch Funktionsträger, die einen Kontrollzweck erfüllen.186 Der letztgenannte Aspekt hat ein so erhebliches Gewicht, dass es nach der Zweckrichtung des § 148 AktG vorzugswürdig erscheint, die Grenzen des individuellen Rechtsmissbrauchs auszusetzen.187 Denkt man demzufolge 182  BGH vom 22.05.1989  – II ZR 206/88, BGHZ 107, 296, 310 f. (Kochs Ad­ ler); deutlich Hüffer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2011), § 245 Rn. 56: „[D]ie der Ausübung subjektiver Rechte gezogenen Grenzen werden nicht dadurch unbeacht­ lich, dass sich das Gesetz von ihrer Wahrnehmung die Verwirklichung weitergehen­ der Ziele verspricht.“; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 245 Rn. 24; zu § 142 Abs. 2 Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 142 Rn. 104. 183  Zur Abgrenzung vgl. aus der Rechtsprechung etwa zutreffend OLG Koblenz vom 11.12.2008  – 6 U 1353/07, NZI 2009, 258: „Der Unterschied zum sog. indivi­ duellen Rechtsmissbrauch liegt darin, dass sich beim institutionellen Missbrauch der Vorwurf bereits aus Sinn und Zweck des Rechtsinstituts, beim individuellen Rechts­ missbrauch dagegen erst aus einem Verhalten des Gläubigers ergibt […].“ (nicht abgedruckt in der NZI; vgl. Rn. 39, juris); ferner Roth/Schubert, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2012), § 242 Rn. 205: Für individuellen Rechtsmissbrauch sei maßgebend, dass „das Unwerturteil aus der speziellen Rechtsbeziehung bzw. dem individuellen Verhalten einer Partei“ folge. 184  Wie hier allgemein für Aktionärsrechte, die der Verwaltungskontrolle dienen, Becker, Verwaltungskontrolle (1997), S. 702 ff. 185  s. bereits den Text zu Fn. 353 und die dort genannte Quelle. 186  Vgl. auch Becker, Verwaltungskontrolle (1997), S. 702 (das „institutionelle Element“ verschiedener Gesellschafterrechte einschließlich der abgeleiteten Aktio­ närsklage betonend); für den eng verwandten § 142 Abs. 2 AktG, dabei den Kon­ trollzweck betonend, Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 318; eine funktionale Betrach­ tung des Verfolgungsrechts vornehmend auch Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 20. 187  Ganz ähnlich Becker, Verwaltungskontrolle (1997), S. 702 ff., der letztlich ein Überwiegen der „institutionellen Wirkkomponente des Rechtsbehelfs“ annimmt (für verschiedene Gesellschafterrechte, u. a. die abgeleitete Aktionärsklage); Radu, ZIP 1992, 303, 304 ff. (für die Anfechtungsklage); gegen ein solches Überlagern für die Anfechtungsklage Hüffer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2011), § 245 Rn. 56; Korte,

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

vom funktionellen Standpunkt des § 148 AktG, könnte individueller Rechts­ missbrauch allenfalls deswegen beachtlich sein, weil das Zulassen sach­ fremder Motive zugleich das Ansehen und die öffentliche Akzeptanz des Instituts des § 148 AktG und damit auch dessen Funktionsfähigkeit in der Rechtspraxis beschädigen könnte. Diese Hypothese ist aber doch zu vage, um darauf mit der Anwendbarkeit des individuellen Rechtsmissbrauchs in seiner ganzen Bandbreite zu reagieren; schließlich überwiegt der möglicher­ weise erzielbare Vorteil für die Integrität des Minderheitsrechts nicht den Nachteil, dass es ggf. zu einem völligen Funktionsausfall der Anspruchsver­ folgung käme, wenn man fragwürdig motivierten Aktionären die Anspruchs­ verfolgung eilfertig aus der Hand schlüge.188 Aktionäre dürfen nach dem hier gewählten funktionellen Standpunkt nicht nur egoistischen Belangen nachgehen, soweit sie ihre Agenda mit ei­ nem Erfolg im Klagezulassungs- und Klageverfahren verknüpfen;189 sie sollten gar aus verwerflicher Gesinnung handeln dürfen, wenn nur die Zwe­ cke des § 148 AktG erreicht werden.190 Beispielhaft sei der Fall genannt, dass der Antragsteller ein Vorstandsmitglied auf der Grundlage eines verlo­ renen Ersatzprozesses aus der Gesellschaft drängen möchte, um selbst in dessen Führungsposition einzurücken.191 Nicht zuletzt darf sich der antrag­ stellende Aktionär auch zu seinem Vorverhalten in Widerspruch setzen, etwa in dem Fall, in dem er dem schadensverursachenden Organwalterhandeln zunächst in einem Gespräch mit dem Vorstand zugestimmt hat.192 Anfechtungsbefugnis (2003), S. 55; zu § 142 Abs. 2 Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 142 Rn. 104. 188  Ähnlich mit Blick auf die Anfechtungsklage offensichtlich die Abwägung bei Becker, Verwaltungskontrolle (1997), S. 703, der betont, dass der Missbrauchsvor­ wurf möglichst nicht zur „Perpetuierung des [rechtswidrigen] Beschlusses“ führen dürfen. 189  Für die Sonderprüfung tendenziell wie hier Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 318; a. A. in der Tendenz Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Ak­ tionäre (2014), S. 44 f. mit Fn. 146; offenlassend für § 142 Abs. 2 AktG OLG Mün­ chen vom 25.03.2010 – 31 Wx 144/09, AG 2010, 598, 600 (die Frage allerdings bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung verortend). 190  Wie hier Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 270 (für den Fall der Klage aus Rachegründen); zutreffend bereits Becker, Verwaltungskontrolle (1997), S. 702 ff., der allerdings (zu weitgehend) auch die Fälle, die hier als institutioneller Missbrauch verstanden werden, nicht mit dem Bannstrahl des Missbrauchsvorwurfs treffen möchte (s. näher oben Fn. 136); a. A. etwa Döring, Die Durchsetzung der Organhaf­ tung durch Aktionäre (2014), S. 44 f. 191  Vgl. J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 245 Rn. 27: Missbrauch aufgrund des Ziels, „einen Sitz im Vorstand zu erlangen“. 192  A.  A. für die Anfechtungsklage im Grundsatz Hüffer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2011), § 245 Rn. 60.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren255

Wendet man sich von der Beachtlichkeit des individuellen Rechtsmiss­ brauchs ab, verbleibt die Betrachtung weiterer Fälle institutionellen Rechts­ missbrauchs. Man könnte erwägen, Fälle evident aussichtsloser Anträge oder Klagen mit dem Begriff des Rechtsmissbrauchs zu erfassen.193 Das überzeugte indes nicht.194 Denn mangelnde Erfolgsaussichten werden be­ reits in § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG thematisiert, indem die Klagezulas­ sung den Verdacht einer Pflichtverletzung voraussetzt. Ungeachtet dieser gesetzessystematischen Einordnung bleibt es natürlich bedenklich und der Sache nach missbräuchlich, wenn z. B. ein als Aktionär beteiligtes Konkur­ renzunternehmen wissentlich Anträge ohne Erfolgsaussicht stellt, um die betroffenen Organwalter der Zielgesellschaft von ihren eigentlichen Aufga­ ben abzulenken oder sie aus ihrem Amt herauszubefördern.195 Entsprechend könnten politische Aktivisten vorgehen. Insofern könnte das Quorum hier tatsächlich wichtige Beschränkungen herbeiführen. Letztendlich ist ein An­ tragsquorum aber nicht der richtige Ansatzpunkt. Um etwa die beschriebe­ nen missbräuchlichen „Ablenkungsmanöver“ durch finanzstarke Konkur­ renzunternehmen nachhaltig zu erschweren, müsste das Antragsquorum hoch angesetzt werden, naheliegend sogar oberhalb des geltenden Quorums gem. § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG. Schließlich würden Konkurrenten auch höhere Summen in Anteile investieren, wenn sie sich handfeste Vorteile von Störmanövern versprächen. In der Abwägung von Kosten und Nutzen eines solchen Quorums wäre dieser Schritt unverhältnismäßig. Denn schon der Umstand, dass es unter dem geltenden Recht des § 148 AktG wie auch der konzernrechtlichen Einzelklage nicht auf breiter Front zu Störfeuern von Konkurrenten gekommen ist, deutet darauf hin, dass Aktionärsklagen nicht Mittel der Wahl zur Wettbewerberbeeinträchtigung sind. Und weniger fi­ nanzstarke Störer wie politische Aktivisten dürften schon die Kostenrisiken davon abhalten, die Gesellschaften mit aussichtslosen Anträgen zu „ärgern“. (4) Gesamtbetrachtung Zusammengefasst lassen sich aus den unterschiedlich gearteten Konstel­ lationen des Rechtsmissbrauchs keine hinreichenden Gründe gegen eine Abschmelzung des Antragsquorums herleiten. Empirisch stützt sich diese die Anfechtungsklage etwa Radu, ZIP 1992, 303, 307. auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 45, die einen Rechtsmissbrauch aufgrund evidenter Aussichtslosigkeit als „zweifelhaft“ betrachtet; für die Anfechtungsklage zutreffend Hüffer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2011), § 245 Rn. 61; Korte, Anfechtungsbefugnis (2003), S. 32. 195  Zum Ziel der Entledigung auch Linnerz, NZG 2004, 307, 311; vgl. zur Stör­ aktion auch Korte, Anfechtungsbefugnis (2003), S. 60 mit Fn. 140 m. w. N. 193  Für

194  Insoweit

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Einschätzung darauf, dass die Konzerneinzelklage bisher nicht in nennens­ wertem Umfang missbräuchlich genutzt wurde.196 Was die Erpressungsfälle im Besonderen anbetrifft, ist im Gegenteil zu erwarten, dass sich das Ge­ schäft „räuberischer Aktionäre“ gerade eindämmen lässt, indem das An­ tragsquorum herabgesetzt oder aufgehoben wird. Für § 148 AktG erweisen sich die notorischen „räuberischen Aktionäre“ und andere Aktionäre, die ihr Recht missbrauchen, somit zu Unrecht als Hauptdarsteller in der Reform­ diskussion. Sie sollten von dieser Bühne verwiesen werden.197 bb) Vermeidung von Anträgen ohne Erfolgsaussicht Nunmehr ist der Blick noch auf Anträge zu richten, die Aktionäre guten Glaubens stellen, also ohne Erpressungs- oder sonstige Missbrauchsabsicht, die jedoch mangels Erfolgsaussicht objektiv dem Gesellschaftsinteresse widersprechen. Sogar bei offensichtlicher Unbegründetheit sind Anträge wie dargestellt nicht rechtsmissbräuchlich.198 Einmal können Aktionäre schlicht zu wenig in die Prüfung der Erfolgsaussichten investieren und dann bei vagen Kenntnissen des Sachverhalts die Erfolgschancen austesten. Insbe­ sondere eine professionelle, von spezialisierten Anwälten begleitete Kläger­ szene mag ein solches Austesten verlockend finden und in der Folge zu häufig Anträge stellen.199 Zum anderen mögen einzelne Aktionäre auch Neigungen ausleben, sich überkritisch-querulatorisch mit „ihrer“ Unterneh­ mensleitung auseinanderzusetzen.200 Das Antragsquorum hat vor diesem 196  Zu letztgenanntem Umstand etwa Habersack, Gutachten E zum 69. Deut­ schen Juristentag (2012), E 93 f.; Spindler, AG 2013, 889, 901: „Der vom Gesetz­ geber befürchtete Missbrauch, der zu den entsprechenden Kostenregelungen führte, wird heute zu Recht nicht mehr als derart gewichtig eingestuft, zumal die im Kon­ zernrecht bestehenden Einzelklagebefugnisse offenbar nicht zu derartigen Auswüch­ sen wie im Beschlussmängelrecht geführt hätten.“ 197  Neben anderen Kahnert, AG 2013, 663, 666, der den Rechtsmissbrauch durch anderweitige Maßnahmen unterbinden will; vgl. auch Vetter, in: FS HoffmannBecking (2013), S. 1317, 1327, der das Missbrauchsrisiko als „deutlich überbewer­ tet“ betrachtet. 198  s. oben Kapitel 3, § 12 II. 1. b) aa) (3) mit den in Fn. 194 Genannten; vgl. auch Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 133 f., der Klagen notorisch Unzu­ friedener von solchen „räuberischer Aktionäre“ abgrenzt. 199  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 90 befürch­ tet, dass es ohne ein Antragsquorum (bei weiteren Erleichterungen des Antrags­ rechts) aufgrund einer „massiven Inanspruchnahme von Organen“ zu „unvermeidli­ chen Kollateralschäden“ komme. 200  Vgl. G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 41, die davon ausgehen, klagende Kleingesellschafter würden „mitunter von beleidigtem Gerechtigkeitsempfinden geleitet“; Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 134.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren257

Hintergrund eine mehrfache Funktion: Es verbürgt die Seriosität der Anträ­ ge, indem es Querulanten und notorisch Unzufriedenen, die meist unter den Kleinaktionären vermutet werden und auch ein maßvolles Quorum nicht erreichen, den Zugang zum Antragsrecht versperrt – vorbehaltlich des Zu­ sammenschlusses mit weiteren Aktionären.201 Weiterhin erschwert es auch Mitgliedern einer professionalisierten Klägerszene, flächendeckend ausrei­ chende Anteile an den börsennotierten Aktiengesellschaften zu erwerben.202 Und es bewirkt ganz allgemein, dass die Interessen der Antragsteller und der Gesellschaft gleichlaufen:203 Ist ein Aktionär nicht nur marginal, son­ dern in einem „unternehmerischen“ Umfang beteiligt, hat er ein Eigeninte­ resse, der Gesellschaft nicht mit Anträgen ohne Erfolgsaussicht Nachteile zu bereiten; er wird tendenziell eingehender prüfen, welche Verfahren Aussicht auf Erfolg haben und der Gesellschaft nützen.204 Diese Internalisierungs­ strategie dürfte dem Grunde nach wirken.205 Indes ist das Quorum als Schutzwall gegen aussichtslose Anträge nicht erforderlich. Denn ein Einzelantragsrecht allein lässt die Gefahr aussichts­ loser Anträge nicht anwachsen.206 Diese Gefahr verwirklichte sich erst im Verbund mit der Senkung weiterer Klagehürden, namentlich mit radikal geminderten Prozesskostenrisiken.207 Das zeigt wiederum die Konzernein­ zelklage: Wegen der hohen Kostenrisiken kam es nie zu einer Klageflut.208 201  Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 134; von einer „Seriösitätsschwel­ le“ geht auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 143 aus; rechtspolitisch für ein Quorum bei der Anfechtungsklage Schatz, Der Missbrauch der Anfechtungsbefugnis (2012), S. 327. 202  Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 144; zu der entsprechenden ratio in Bezug auf das Quorum gem. § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG etwa Verse, NZG 2009, 1127, 1129. 203  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 39; auch Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 206; Kanzow, Aktio­ närsklagen (2016), S. 72; Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 224. 204  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 39; auch Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 206; Riegger, Unterneh­ menskontrolle (2003), S. 224; vgl. auch Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 72. 205  Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 72 und 249; Schmolke, ZGR 2011, 398, 425; kritisch aber derselbe, a. a. O., S. 424, der dem Gesetz Inkonsequenz vorwirft, da es zugleich zulässt, „dass eine größere Gruppe von Anlegeraktionären, die sich zu einem den Anforderungen des § 148 Abs.1 Satz 1 AktG genügenden Quorum zusammenfindet“; hierdurch werde aber noch kein „unternehmerisches Interesse“ ausgebildet; so bereits Siems, ZVglRWiss 104 (2005), 376, 385. 206  Auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 90. 207  Zutreffend Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 90. 208  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 90, bezeich­ net die Einzelklage wegen ihrer Kostenrisiken als „wirkungslos“; ähnlich die Ein­

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Selbst beleidigtes Gerechtigkeitsempfinden ist offenbar selten stark genug, um Aktionäre für Kostenrisiken blind zu machen. Kostenrisiken allein sind somit ein hinreichend stabiler Schutzwall, um leichtfertige Anträge abzu­ wehren.209 Einer Ergänzung durch ein zwischen Aktionärsgruppen diskrimi­ nierendes Quorum bedarf es nicht. Begreift man Kostenrisiken und Quorum mithin als alternative Strategien, um die Weichen in Richtung aussichtsrei­ cher Anträge zu stellen, fällt es leicht, die Steuerung durch Kostenrisiken zu bevorzugen. Denn prohibitive Kostenrisiken lassen sich im Zweifel ausgleichen, durch positive Anreize zur Abgeltung des Prozesskostenrisikos. Demgegenüber sind Quoren eine ungleich starrer wirkende Zugangshürde: Aktionären unterhalb der Mindestbeteiligung bleibt nur der steinige Weg, sich mit ggf. vielen weiteren Aktionären zusammenzutun.210 Rekapitulierend ist aus der Gefahr aussichtsarmer, lästiger Anträge kein Argument dafür herzuleiten, ein Quorum in der Höhe beizubehalten, wie es § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG vorsieht. Die Gefahr kann der Gesetzgeber bereits dadurch bannen, dass er Antragsteller mit Verfahrenskostenrisiken belegt. c) Ausgewogenes Verhältnis der Haftungszwecke Das Antragsquorum steht schließlich in einem Spannungsverhältnis zu dem weiteren Regelungsziel, ein ausgewogenes Verhältnis bei der Verwirk­ lichung der divergierenden Haftungszwecke herzustellen. Wie gezeigt, verfolgt der Gesetzgeber jedenfalls bei groben Pflichtverlet­ zungen über die Einzelgesellschaft hinausweisende Haftungszwecke, na­ mentlich diejenigen der Abschreckung und der Vertrauensbildung in das Aktienwesen im Ganzen.211 Das Verfahren gem. § 148 AktG, dessen Durch­ führung oft nicht im Interesse der Einzelgesellschaft liegt, lässt sich über­ schätzung von Habersack, in: Emmerich/Habersack, 7. Aufl. (2013), § 317 Rn. 27: „[K]eine große praktische Bedeutung“; s. bereits oben Fn. 86. 209  A. A. tendenziell Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 134 (Steuerungs­ wirkung des Kostenrisikos allein sei „fraglich“); wie hier, grundsätzlich zum Zivil­ prozess, Stürner, Aufklärungspflicht (1976), S. 262, der ausführt: „[D]as Kostenrisi­ ko eignet sich zur Verhinderung mutwilliger Prozessführung […].“ (vgl. noch unten bei und mit Fn. 387). 210  Die letzte Aussage wäre dann zu relativieren, wenn die Gesellschaft die „Ko­ ordinationskosten“, die erfolgreich klagenden Aktionären für ihren Zusammenschluss entstehen, ausgleichen müsste; dafür de lege ferenda Riegger, Unternehmenskontrol­ le (2003), S. 236. Allerdings fehlt es oftmals schon an Foren für die Herstellung von Kontakten. Selbst Tageszeitungsanzeigen garantieren nicht, dass sich Aktionäre in ausreichender Zahl zusammenfinden. 211  Eingehend Kapitel 1, § 5.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren259

haupt nur rechtfertigen, wenn diese Zwecke eingeschlossen werden.212 § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG zielt nun aber darauf, in erster Linie unternehme­ risch ausgerichteten Aktionären das Antragsrecht einzuräumen.213 Diese Aktionäre werden mehr als diversifizierte Anleger ausschließlich das Wohl der Einzelgesellschaft im Blick haben, an der sie beteiligt sind.214 Diversi­ fizierte Anleger profitieren demgegenüber von einer „Streuung des Abschre­ ckungseffekts über eine Vielzahl von Portfoliogesellschaften“.215 Diese Anleger dürfte es daher im theoretischen Modell des rationalen, nutzenmeh­ renden Akteurs weitaus weniger abschrecken, wenn es in einer einzelnen Gesellschaft, deren Ansprüche geltend zu machen sind, zu Kursverlusten 212  Vgl. G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 54: Rechtfertigung gelinge „am ehesten auf der Ebene der Aktienwirtschaft als Ganzem“; auch a. a. O., Rn. 51: Bild der rechtspolitischen Bewertung „ändert sich und hellt sich auf“, wenn die weitergehenden Zwecke des Aktienwesens mitbeachtet werden. 213  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 21, li. Sp.; vgl. zum mit der Beteiligungshöhe steigenden Interessengleichlauf zwischen Einzelgesellschaft und Aktionär bereits oben Kapitel 3, § 12 I. 1. a) sowie II. 1. b) bb). 214  Zur langfristigen Orientierung der „unternehmerischen“ Aktionäre am Gesell­ schaftswohl Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 21, li. Sp. 215  So zutreffend Schmolke, ZGR 2011, 398, 407; auch G. Bezzenberger/ T.  Bez­zenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 54; gegen diversifizierte Anleger als Leitbild Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 202. Es ist zu beachten, dass der diversifizierte Anleger, der am ehesten von einer Stär­ kung der Generalprävention zu Lasten einzelner Gesellschaften profitieren könnte, nicht (alleiniges) Leitbild des Aktiengesetzes ist. Das Gesetz beruht im Kern weiter auf dem verbandsmitgliedschaftlichen Grundsatz, den Aktionär als Mitglied der ein­ zelnen Gesellschaft zu behandeln. Allerdings hat nicht zuletzt der Gesetzgeber des UMAG diesen Ausgangspunkt ergänzt, wenn in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird: „Der langfristig unternehmerisch beteiligte Aktionär wird in der modernen Aktiengesellschaft zunehmend durch Anlegeraktionäre ergänzt oder von ihnen ab­ gelöst, die ihre Beteiligung zum Zwecke der Kapitalanlage erwerben, unter Rendi­ tegesichtspunkten halten und aufgrund ihrer geringen Beteiligungsquote keine unter­ nehmerischen Ziele in der Gesellschaft verfolgen wollen und auch objektiv nicht verfolgen können. Dieser Trend ist erwünscht.“ (Gesetzesbegründung zum Regie­ rungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 21, li. Sp.). Angesichts dieser rechts­ politischen Ausrichtung jüngerer Reformgesetzgebung wäre es möglich, aktienrecht­ liche Regelungen auch für spezifische Interessen diversifizierter Anleger-Aktionäre zu öffnen, in steter Abwägung mit den Interessen „klassischer“ unternehmerischlangfristig orientierter Verbandsmitglieder. Gleichwohl werden die vorliegenden Reformvorschläge nicht mit den spezifischen Interessen diversifizierter Anleger be­ gründet, sondern mit einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsanalyse, die sich zu­ dem vor den Interessen der jeweils von Klageverfahren betroffenen Gesellschaften rechtfertigen lassen muss; s. dazu oben Kapitel 3, § 12 I. 1. a) sowie noch unten Kapitel 3, § 12 III. 1. d).

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

kommt. Bevorzugt das Gesetz hingegen Antragsteller, die nur das Wohl der Einzelgesellschaft im Blick haben, werden die weitergehenden, „öffent­ lichen“ Zwecke des § 148 AktG vernachlässigt. Umgekehrt droht aber bei einer Streichung der Quorumshürde, dass zu viele Anträge gestellt werden, bei denen das einzelgesellschaftliche Interes­ se an einer Vermeidung eines konkreten Verfahrens216 überhaupt keine hinreichende Beachtung findet.217 Wie festgestellt, kann die Interessenabwä­ gung gem. § 148 Abs. 1 Satz Nr. 4 AktG zwar gesellschaftsschädigende Klageverfahren verhindern, nicht hingegen in gleichem Maße überwiegend nachteilhafte Vorverfahren.218 Mit dem Quorum lässt sich diese Steuerungs­ lücke etwas schließen, indem zumindest eine gewisse Ausrichtung des Ak­ tionärs- auf das Gesellschaftsinteresse auch schon in Bezug auf das Vorver­ fahren erreicht wird. Es wird offenbar: Der „Großkonflikt“ zwischen der einzelgesellschaftlichen Interessenlage und der des Aktienwesens als „ge­ samtgesellschaftlicher Einrichtung“219 spiegelt sich bereits bei der Suche nach dem richtigen Antragsquorum. In der Abwägung ist eine Quorumsabschaffung oder -absenkung die rich­ tige Antwort auf den geschilderten Interessenwiderstreit: § 148 AktG be­ schränkt sich nach dem hier gewählten Reformansatz weiter auf zumindest grob fahrlässige, potentiell vertrauenserschütternde Pflichtverstöße.220 Dann liegt es nahe, auch diejenigen Aktionäre als Antragsteller zuzulassen, die nicht allein vom finanziellen Wohlergehen einer oder einiger weniger Ein­ zelgesellschaften abhängig sind. Das aber sind diversifizierte Anleger, akti­ vistische Aktionäre und die Aktionärsvereinigungen, deren Antragstellungen das Quorum geltenden Rechts über Gebühr erschwert. Hinsichtlich der weniger schwerwiegenden, einfach-fahrlässigen Pflichtverstöße sind öffent­ liche Klagezwecke demgegenüber weniger dringlich zu verfolgen.221 Sie bleiben daher weiterhin von § 148 AktG ausgenommen.

216  Vgl. zu den divergierenden Interessen auch der Einzelgesellschaft i. S. e. zeit­ lichen Inkonsistenz vor und nach einem Haftungsfall oben Kapitel 1, § 6 I. 217  s. zur Bedeutung des Beteiligungsumfangs für die Motivation zur Prüfung des Gesellschaftsinteresses bereits oben Kapitel 3, § 12 I. 1. a) sowie II. 1. b) bb). 218  Dazu oben Kapitel 3, § 12 I. 1. a). 219  Begrifflich und konzeptionell anknüpfend an G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 138. 220  s. oben Kapitel 3, § 12 I. 221  Dazu oben Kapitel 3, § 12 I. 1. a).



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren261

2. Lösungsoptionen Der Gesetzgeber sollte sich nach den soeben getroffenen Feststellungen von einem Antragsquorum bei § 148 AktG verabschieden. Im Mindesten aber sollte er das Antragsquorum signifikant senken. Denn überzeugende Alternativen sind nicht aufzeigbar. Allenfalls könnte folgender Ansatz erwogen werden, um Klagen ohne Erfolgsaussicht einzudämmen, wenn man nicht allein auf Kostenrisiken als Steuerungselement setzen wollte: Auf ein Quorum wird nur verzichtet, wenn bei Beginn des Vorverfahrens objektive Verdachtsanzeichen bestehen. In diese Richtung gehen Vorschläge von Bachmann: Für den Regelfall soll es beim jetzigen Quorum (§ 148 Abs. 1 Satz 1 AktG) und den Kautelen des Zulassungsverfahrens bleiben. Bei Anhaltspunkten für Pflichtverstöße in einem Sonderprüfungsbericht soll demgegenüber ein unterhalb des aktu­ ellen angesiedeltes Quorum genügen.222 Möglich wären neben dem Prü­ fungsbericht andere objektive Anhaltspunkte, z.  B. die vorausgegangene Verurteilung des Organwalters in einem Strafverfahren, ein ungewöhnlich hoher Verlust von Gesellschaftsvermögen223 oder ein drastischer Kursver­ fall.224 Es wäre aber eine kaum zu bewältigende Herkulesaufgabe, diese Anknüpfungskriterien für die Praxis handhabbar und rechtssicher zu gestal­ ten: Was ist ein drastischer Kursverfall? Wann ist ein Schaden außerge­ wöhnlich? Am ehesten mag noch ein Verdachtstatsachen beinhaltender Prü­ fungsbericht taugen, um die Tore zum Zulassungsverfahren für jeden Ak­ tionär zu öffnen. Kleinaktionäre sollen nun aber gerade dort in die Bresche springen, wo weder die Verwaltungsorgane noch die Hauptversammlung für eine Anspruchsdurchsetzung aktiv werden. Dann aber wird i. d. R. auch kein Prüfungsbericht vorliegen. Weder wird die Hauptversammlung einen Prüfer bestellt (§ 142 Abs. 1 AktG) noch eine Minderheit ein gerichtliches Prüferbestellungsverfahren (§ 142 Abs. 2 AktG) betrieben haben; einer Senkung der Zugangshürden für das Verfahren gem. § 142 Abs. 2 AktG verschließt sich Bachmann nämlich ausdrücklich.225 Ein überzeugender Kompromiss lässt sich so nicht herstellen. Vor dem Hintergrund der thematisierten Regelungsziele sprechen daher überwiegende Gründe dafür, von einem Quorum in Gänze Abstand zu neh­ 222  Bachmann,

Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 90 f. Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 104, für das Verfahren nach § 142 Abs. 2 AktG. 224  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 104, für das Verfahren nach § 142 Abs. 2 AktG. 225  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 103. 223  Bachmann,

262

3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

men und das Antragsrecht jedem Aktionär anzuvertrauen.226 Jedem Quorum haftet nämlich notwendig etwas Willkürliches an;227 es ist keineswegs gesi­ chert, dass der Gesetzgeber mit einem abgesenkten Quorum nicht wieder danebengriffe und eine schwer überwindbare Hürde errichtete. Sofern das Einzelantragsrecht rechtspolitisch nicht durchsetzbar sein soll­ te, wäre jedenfalls ein deutlich gemindertes Quorum unverzichtbar, um § 148 AktG aus der Totenstarre zu holen.228 Nahe läge dann ein Quorum eines Aktienbesitzes im Börsenwert229 von 100.000 Euro oder alternativ der Besitz von 1 % der Aktien.230 Auf den Börsen- statt den Nennwert abzustel­ len, wäre geboten, da es auf den wirtschaftlichen Wert der Beteiligung an­ kommen müsste.231 Dieses Quorum lag dem UMAG-Regierungsentwurf zu 226  Dafür etwa Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 660 f.; Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 94 f. (unmittelbares Aktionärsklagerecht unter Verzicht auf ein Zulassungsverfahren); Lutter, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 767 f. (der allerdings einen dahingehenden rechtspolitischen Verstoß für aus­ sichtslos hält); Schmolke, ZGR 2011, 398, 424 f.; dagegen aber etwa Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschluss­ punkt 12. a): „Im Hinblick auf die Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sollte die Möglichkeit von Aktionären zur Verfolgung von Organhaftungsansprüchen verbessert werden durch a) einen Ver­ zicht auf das Quorum des § 148 Abs. 1 S. 1 AktG“; abgelehnt 6:54:14; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 249 ff. (auch gegen jede Absenkung). 227  Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 294; Baums, Gutachten zum 63. Deut­ schen Juristentag (2000), F 258; Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 225. 228  Alternativ zur Abschaffung eine Herabsetzung des Quorums erwägen Haar/ Grechenig, AG 2013, 653, 661; Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juris­ tentag (2014), E 90 hält eine weitere Absenkung für „erwägenswert“, wenn andere Klagehürden, womit er die Trias „Kostenrisiko, Informationsproblem, fehlender materieller Anreiz“ meint, „mehr oder weniger erhalten“ bleiben; eine Absenkung für „vertretbar“ halten auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 102. 229  Darunter ist der durchschnittliche Börsenkurs der Aktien während der letzten drei Monate vor Antragstellung zu verstehen; so der Text des UMAG-Regierungs­ entwurfs, Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 6, li. Sp. 230  Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S.  134; vor Einführung des § 148 AktG bereits etwa Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 258; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 331; abweichend wollen Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 661 das durch das ARUG eingeführte Bagatellquorum des § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG (anteiliger Betrag von 1.000 Euro) übernehmen; abweichend auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 226: Anteiliger Betrag von 10.000 Euro; Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S.  294: Anteiliger Betrag von 5.000 bis 10.000 DM. 231  Wie hier Bork, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, RWSForum 10 (1998), S. 53, 64; kritisch zum Abstellen auf den Börsenwert wegen der Abhängigkeit des Minderheitenschutzes von der Kursentwicklung aber Döring, Die



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren263

Grunde und konnte damals auf einen breiten Konsens in Wissenschaft und Praxis gestützt werden.232 Die Einzelklagebefugnis allein dürfte allerdings die Antragshäufigkeit voraussichtlich nicht steigern; insofern bedarf es weitergehender Reform­ schritte.233 Von der anderen Seite betrachtet: Hinsichtlich eines Restrisikos, dass es doch zu einer ausufernden Klageaktivität kommen sollte, könnte auch wieder ein – maßvolles – Quorum eingeführt werden. Dieser Reform­ schritt wäre rasch und ohne größeren Regelungsaufwand zu vollziehen. 3. Stufenmodell bei Erweiterung des Anwendungsbereichs? Reizvoll erscheint, die hier zunächst abgelehnte Erweiterung des § 148 AktG auf Ersatzansprüche aufgrund einfach-fahrlässiger Pflichtver­ letzungen234 für Aktionäre vorzusehen, die ein näher zu bestimmendes Quorum erreichen. Eine rechtspolitisch überzeugende Differenzierung wird damit greifbar: Jeder Aktionär könnte die grob fahrlässigen und vor­ ­ sätzlichen Pflichtverstöße verfolgen, die öffentliche Haftungszwecke stark tangieren. Die legitimerweise primär am Einzelgesellschaftsinteresse im konkreten Haftungsfall zu orientierende Verfolgung einfach-fahrlässiger Pflichtverstöße bliebe demgegenüber Aktionären mit einer wirtschaftlich erheblichen Beteiligung vorbehalten. Denn ihre Beteiligung hält solche Aktionäre zumindest im Ansatz an, das Gesellschaftsinteresse aus Eigen­ nutzerwägungen im Blick zu behalten.235 Um dieses privilegierte Antrags­ recht nicht leerlaufen zu lassen, müsste ein nicht allzu prohibitiv wirken­ des Quorum gewählt werden. Weitere Differenzierungen wären möglich: So könnte eine umfassende Abwägung der einzelgesellschaftlichen Interes­ sen an einer Klage auf die Verdachtsfälle einfacher Fahrlässigkeit be­ schränkt werden. Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 139; ebenso Linnerz, NZG 2004, 307, 309. 232  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 42, re. Sp.: „Die jetzt im Regierungsentwurf erheblich abgesenkten Schwellenwer­ te sind bei der Gesetzesvorbereitung umfassend mit den beteiligten Verbänden und Unternehmen diskutiert worden.“; kritisch aber etwa Linnerz, NZG 2004, 307, 309, der dieses Quorum für ungeeignet hält, Rechtsmissbrauch Einhalt zu gebieten. 233  Ebenso Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 90: „[K]ein hinreichendes Mittel, um die Klagefrequenz zu erhöhen“; Schmolke, ZGR 2011, 398, 425; Spindler, AG 2013, 889, 901: „Ohne flankierende Maßnahmen im Bereich der Informationserlangung sowie Überwindung des collective-action-Prob­ lems […] dürfte daher auch dieser […] Vorschlag wenig ändern.“ 234  Dazu oben Kapitel 3, § 12 I. 235  Vgl. dazu bereits oben Kapitel 3, § 12 I. 1. a) sowie II. 1. b) bb).

3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

264

Dieses erweiterte Antragsrecht bei Erfüllung eines Quorums ist ernsthaft zu erwägen. Wenn hier dennoch von einem entsprechenden Reformvorstoß abgesehen wird, dann einerseits deswegen, weil eine Einbeziehung auch einfach-fahrlässiger Pflichtverstöße in den Anwendungsbereich des § 148 AktG wie oben dargestellt derzeit rechtspolitisch nicht zwingend erscheint.236 Andererseits gestaltete sich die Suche nach dem „richtigen“ Quorum auch hier als äußerst schwierig: Je höher es angesetzt würde, desto mehr wäre das erweiterte Antragsrecht Symbolpolitik mit geringer Aussicht auf prakti­ sche Bedeutung.

III. Überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG ist Gegenstand weitreichender Kritik.237 Semler kritisiert diese Zulassungskautele als „Blankoscheck, der jede Inan­ spruchnahme verhindern kann“.238 Einige Autoren haben die Regelung aber auch als rechtspolitisch zutreffend gewürdigt,239 und auch der Juristentag 2014 hat sich mehrheitlich zu der Regelung bekannt.240

236  s. Kapitel

3, § 12 I. in: Heidel, 4. Aufl. (2014), § 148 Rn. 17: Die Einschränkung sei „sehr problematisch“; Lutter, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 765: „Todes­ stoß“; Meilike/Heidel, DB 2004, 1479, 1482; Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 146 ff.: „[A]ktionärsfeindliche Tendenz“ (S. 149); Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 957: „Hindernis“ für die Aktionäre; Schmolke, ZGR 2011, 398, 430 macht sich bereits de lege lata für einen „Ausnahmecharakter“ des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG stark und plädiert dafür, dieser müsse sich künftig „im Gesetzes­ wortlaut stärker niederschlagen“; Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 508; kritisch wohl auch Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 93, der allgemein von „fast prohibitiv wirkenden Voraussetzungen“ spricht und einen Ver­ zicht auf ein Klagezulassungsverfahren – und damit offenbar auch § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG – empfiehlt (dazu a. a. O., E 94 ff.); wie Habersack wohl Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 267 ff. (Verzicht auf Zulassungsverfahren). 238  Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 508. 239  Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 267 ff.; Linnerz, NZG 2004, 307, 310, der von einem wichtigen Korrektiv ausgeht; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 105; Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 23; Schröer, in MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 17; auch Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1333, der § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG allerdings – unzutreffend – einen engen Anwendungsbereich un­ terstellt. 240  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 12. d): „Beseitigung des in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG ge­ regelten Ablehnungsgrundes“; abgelehnt 3:64:7. 237  Lochner,



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren265

1. Kritische Betrachtung Da § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG eine umfassende Interessenabwägung vorsieht, ist er Einfallstor für kaum überschaubare Argumente der Verwal­ tung, das Gesellschaftswohl gebiete, ein Klageverfahren zu vermeiden.241 Unter der Prämisse, dass Klageverfahren der einzelnen Gesellschaft tatsäch­ lich häufig mehr Nach- als Vorteile einbringen,242 hat § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG das Potential, zum „Nadelöhr“ des Zulassungsverfahrens zu werden, durch das zahlreiche Anträge nicht dringen,243 wenn nicht – mit einer hier abgelehnten Auffassung – öffentliche Haftungszwecke als Gegen­ gewicht zu den Gründen des Gesellschaftswohls in die Abwägung einge­ hen.244 Dieses erwartbar nicht seltene Scheitern von Anträgen an der Inte­ ressenabwägung geht absehbar mit unterschiedlichen Nachteilen einher. a) Entmutigung der Aktionäre und Rechtsanwälte Es entmutigt sowohl Aktionäre als auch ihre Rechtsanwälte, wenn Anträ­ ge gem. § 148 AktG erwartbar oft scheitern, weil Gründe des Gesellschafts­ wohls der Klagezulassung entgegenstehen.245 Das angestrebte Klageverfah­ ren bleibt ihnen verwehrt. Zudem müssen die Aktionäre die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen (§ 148 Abs. 6 Satz 1 AktG). Ob Gegengründe überwiegen, werden Aktionäre auch meist nicht sicher voraussagen können. Gerade diese Unsicherheiten dürften demotivieren, zumal Rechtsunsicher­ heiten bereits mit Begriffen der Pflichtverletzung und der Merkmale des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG einhergehen.246

241  s. oben

Kapitel 2, § 8 VI. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 50; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance (1996), S. 155, 159; bereits Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 296 f.; vgl. auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 201 (für Klagen bei leichteren Sorgfaltspflichtverletzun­ gen); a. A. Weber, Die konzernrechtliche abgeleitete Aktionärsklage (2006), S. 268. 243  Kritisch zur umfassenden Interessenabwägung nach der ARAG/GarmenbeckRechtsprechung bereits Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 296: „Wie ein solcher Abwä­ gungsprozeß im Regelfall ausgeht, wenn er sich auf die genannten Faktoren konzen­ triert [gemeint ist die Beschränkung auf Gründe des Gesellschaftswohls wie Repu­ tationsschäden] […], ist unschwer absehbar […].“ 244  s. oben Kapitel 2, § 8 VI. 2. c). 245  Für eine Anreize vernichtende Wirkung in Bezug auf die Aktionäre auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 790 f.; Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 758: „Welcher Aktionär wird nicht bei der Aussicht entmutigt werden, dass seine Mühe von Anfang an vergebens sein kann.“ 242  G.

266

3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

b) Vernachlässigung öffentlicher Klagezwecke Was das Regelungsziel der Herstellung eines ausgeglichenen Verhältnis­ ses bei der Verfolgung der Haftungszwecke betrifft, ist festzustellen, dass sich die Gesetzesbegründung zwar mit prägnanten Sätzen zu weitergehen­ den, auf das Aktienwesen bezogenen Zwecken wie demjenigen der Vertrau­ ensbildung in die Aktienmärkte bekannt hat.247 Die Verankerung dieser Zwecksetzung in der normativen Substanz des § 148 AktG blieb jedoch aus. Das wurde bereits zu dem einseitig auf unternehmerisch orientierte Aktio­ näre gemünzten Antragsquorum festgestellt. Und mehr noch unterstreicht § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG diese Tendenz, richtet sich die Interessen­ abwägung doch allein am konkreten Gesellschaftsinteresse nach Eintritt des Haftungsfalls aus, nicht zumindest auch an den öffentlichen Haftungszwe­ cken.248 Dieser Rechtszustand widerspricht eklatant den wissenschaftlichen Vorarbeiten: Die Ausrichtung der Zulassungsentscheidung auch am auf das Aktienwesen in Gänze gerichteten Präventionszweck hatte Ulmer für eine wesentliche Voraussetzung dafür gehalten, die Aktionärsklage rechtspoli­ tisch zu rechtfertigen.249 Ulmer nahm nämlich an, dass eine nur am Wohl der Einzelgesellschaft orientierte Interessenabwägung „meist“ zu dem Er­ gebnis überwiegender entgegenstehender Gründe führe.250 Diese einzelgesellschaftliche Ausrichtung der Interessenabwägung ist für einfache Pflichtverletzungen noch hinnehmbar, begegnet aber Bedenken für grob fahrlässige und vorsätzliche Pflichtverstöße, die eine Aufarbeitung aus Gründen der Integrität des Aktienwesens dringend erfordern. Dem Rechts­ vertrauen aktueller oder potentieller Anleger ist es nämlich abträglich, wenn sich pflichtsäumige Organmitglieder häufig aufgrund überwiegender Gründe des Gesellschaftswohls einer Haftung entziehen können; dieses Entziehen 246  Lutter, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 765: „Mit beiden Tatbestands­ elementen [§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AktG] steht die Aktionärs-Minderheit also vollkommen in Gottes Hand.“ 247  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp./re. Sp. 248  s. oben Kapitel 2, § 8 VI. 2. c). 249  Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 296  f., 320 und 325; ähnlich Bezzenberger/ Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 54, die meinen, die Aktionärsklage lasse sich mit Vorteilen für das Aktienwesen „am ehesten“ legitimieren. 250  Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 296 f.; für ein solches Ergebnis bei einer auf die Einzelgesellschaft beschränkten Betrachtung auch G. Bezzenberger/T. Bezzen­ berger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 50; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/ Schneider, Corporate Governance (1996), S. 155, 159; vgl. auch Arnold, Die Steue­ rung des Vorstandshandelns (2007), S. 201 (für Klagen bei leichteren Sorgfalts­ pflichtverletzungen); a. A. Weber, Die konzernrechtliche abgeleitete Aktionärsklage (2006), S. 268.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren267

ist einer jener Mängel im Rechtssystem, von denen Götz zu Recht befürch­ tet, sie könnten die kapitalmarktspezifische Öffentlichkeit abschrecken.251 Der Eindruck, dass die Organhaftung nur auf dem Papier steht, könnte in der öffentlichen Wahrnehmung selbst dann Oberhand gewinnen, wenn eine Klagezulassung statistisch weit häufiger wäre als ihr Scheitern an der Hür­ de des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG. Denn Individuen prägen sich nega­ tive Informationen und Ereignisse wie hier eine als skandalös empfundene Antragsabweisung trotz des Verdachts schwerer Pflichtverletzungen ungleich stärker ein.252 Zudem sind Gegengründe gerade bei schwersten, vertrau­ enserschütternden Pflichtverletzungen ausgeprägt, allen voran, weil eine fortdauernde Publizität in diesen Fällen schädlich für das Ansehen der Ge­ sellschaft sein kann.253 Damit trägt § 148 AktG den Widerspruch in sich, dass er bei vertrauenserschütternden Pflichtverletzungen eingreifen soll,254 es aber diese Pflichtverletzungen sind, bei denen die Nichtzulassung auf­ grund von Gegengründen gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG besonders wahrscheinlich ist. Dass es zudem noch die Gerichte sind, die mit ihrer Nichtzulassungsentscheidung die Anspruchsverfolgung verhindern und sich damit im Auge der Öffentlichkeit auf die Seite der Pflichtverletzer stellen, verstärkt Vertrauensverluste. Verstören muss es Aktionäre, wenn ein Gericht die Klagezulassung ablehnt, um die Gesellschaft vor Klagen geschädigter Anleger zu schützen.255 Ob § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG auch dem Präventionszweck des Haf­ tungsrechts zuwiderläuft,256 bedarf einer differenzierenden Betrachtung. Organmitglieder können nicht sicher vorhersehen, zu welchem Ergebnis die 251  Götz, AG 1997, 219, 220 f. (der allgemein von solchen Mängeln des Rechts­ systems spricht, ohne Bezug zu § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG); einschränkend aber Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 77, der die An­ nahme als „spekulativ“ bezeichnet, dass die zusätzliche Erleichterung der Anspruchs­ durchsetzung die Unternehmensfinanzierung über den Kapitalmarkt befördert. 252  Zu dieser sog. negativity bias als universell festzustellender Erscheinung Baumeister/Bratslavsky/Finkenauer/Vohs, 5 Rev. Gen. Psycho. (2001), 323 ff.; mit einer bisherige Studienergebnisse zusammenfassenden Einführung Ito/Larsen/Smith/ Cacioppo, 75 J. Pers. Soc. Psychol. (1998), 887 ff.; aus entwicklungspsychologischer Perspektive Vaish/Grossmann/Woodward, 134 Psychol. Bull. (2008), 383 ff. 253  Überzeugend Götz, NJW 1997, 3275, 3277: „Da die Publizitätswirkung mit dem Ausmaß des durch das Vorstandsmitglied angerichteten Schadens und der Schwere seines Verschuldens steigt, hätte dies sonst das widersinnige Ergebnis, daß nur die Verfolgung der kleinen ‚Missetaten‘ dem Gesellschaftsinteresse nicht entge­ genstünde.“ 254  BT-Drucks. 15/5092, S. 22, li. Sp./re. Sp. 255  Vgl. zu möglichen Klagen Dritter gegen die Gesellschaft als entgegenstehen­ dem Grund oben Kapitel 2, § 8 VI. 3. c) bb). 256  Dahingehend zu verstehen ist wohl Lochner, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. (2014), § 148 Rn. 17.

268

3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Richter bei ihrer Interessenabwägung im Einzelfall gelangen werden. Und diese Unsicherheit über den Ausgang des Vorverfahrens mag schon eine weitreichende Verhaltenssteuerung bewirken. Der Befund bleibt daher un­ eindeutig, was jene Präventionswirkungen betrifft, die von den Regeln der Haftungsdurchsetzung als solchen ausgehen. Sicher ist hingegen, dass die Präventionswirkungen, die sich aufgrund konkreter Verurteilungen ergeben („Signalwirkung“ für andere Organmitglieder), geschwächt werden, weil § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG bedingt, dass es zu weniger Klageverfahren kommt. Entsprechend wird auch die Regelkonkretisierung beeinträchtigt. Damit streiten der Vertrauensbildungszweck und – mit etwas weniger Gewicht – der Präventionszweck für Reformen des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG. c) Gefahr überschießender Einschränkung der Anspruchsverfolgung Auch wer es für richtig hält, die Interessenabwägung nur am Wohl der Einzelgesellschaft nach Eintritt des Haftungsfalles auszurichten und öffent­ liche Klagezwecke zu ignorieren, dürfte Zweifel an der Funktionalität einer umfassend angelegten Interessenabwägung hegen. Denn auch wenn entge­ genstehende Gründe des Gesellschaftswohls objektiv gar nicht überwiegen, könnten Anträge „überschießend“ scheitern: Von den Vertretern der Gesell­ schaft zu sekundären Nachteilen der Klage mit „beredten Zungen“257 Vor­ gebrachtes ist schwer zu widerlegen.258 Speziell schwere Pflichtverletzun­ gen sind nahezu immer geeignet, das Ansehen der Gesellschaft in der Öf­ fentlichkeit herabzusetzen.259 Das Gericht muss an künftige Nachteile wie die des „Wachhaltens“ negativer Eindrücke mehr glauben, als dass es sie feststellen könnte. Diesen kritischen Ansatz formulierte bereits der Bundes­ rat im UMAG-Gesetzgebungsverfahren zum ähnlich gelagerten Problem bei § 145 Abs. 4 AktG.260 Hier wird deutlich, dass die von Semler angemahnte Gefahr eines „Blankoschecks“ nicht von der Hand zu weisen ist.

257  Lutter,

in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 765. in: FS U. H. Schneider (2011), S. 763, 765; Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 958. 259  Vgl. nur Götz, NJW 1997, 3275, 3277. 260  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 37, li. Sp.: „Faktisch werden die Gerichte kaum einmal in der Lage sein, sachge­ recht zu entscheiden, ob überwiegende Belange der Gesellschaft der Sonderprüfung entgegenstehen. Im Zweifel wird jeder Vorstand in der Lage sein, solche Belange plausibel zu behaupten. Überprüfungsmöglichkeiten des Gerichts sind auch im Rah­ men des § 12 FGG nicht ersichtlich.“ 258  Lutter,



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren269

d) Abwägung mit Vorteilen der Schutzwirkung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG Nach den bisher getroffenen Feststellungen verbinden sich wesentliche Vorteile damit, die am Wohl der Einzelgesellschaft ausgerichtete umfassen­ de Interessenabwägung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG künftig einzu­ schränken. Für die antragstellenden Aktionäre lässt sich auf diesem Wege das Risiko begrenzen, mit Zulassungsanträgen zu scheitern. Und die Gerich­ te werden von einer überkomplexen Abwägungsentscheidung entlastet, die sich einer rational nachvollziehbaren Begründung entzieht. Nicht zuletzt wird die Vertrauensbildungs- und Präventionsfunktion des § 148 AktG stär­ ker betont. Diese Vorteile müssen nun mit den Vorzügen des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG abgewogen werden. Zunächst bringt die Abwägungskautele keine zusätzlichen Vorteile im Kampf gegen den Rechtsmissbrauch. Zwar wird bei Rechtsmissbrauch zu­ gleich ein überwiegendes Interesse des Gesellschaftswohls der Klagezulas­ sung entgegenstehen.261 Doch ist eine Abweisung des Zulassungsantrags dann ohnehin aufgrund des § 242 BGB möglich. Die Abwägung schützt die einzelne Gesellschaft aber vor belastenden Folgen eines für sie überwiegend nachteilhaften Klageverfahrens. Es fragt sich daher, ob es Gesellschaften zuzumuten ist, im Interesse einer nicht leicht fassbaren Stärkung der „Integrität des Aktienwesens“ Klageverfahren zu dulden, die ihnen im konkreten Einzelfall mehr Nach- als Vorteile brin­ gen.262 Um diese Bürde gegenüber der jeweils betroffenen Gesellschaft zu rechtfertigen, müssten – als Minimalbedingung – die durch die Streichung bzw. Einschränkung der Abwägungskautele zusätzlich möglich werdenden Verfahren und Steuerungswirkungen in der Summe wohlfahrtsökonomisch eine positive Bilanz aufweisen:263 Es müsste ein Wohlstandsgewinn übrig bleiben, wenn man von den Vorteilen der Kompensation, der Prävention, der Regelkonkretisierung und der Vertrauensbildung264 die Nachteile ab­ zieht, die einzelne Gesellschaften durch die Verfahren erleiden.265 Diese 261  Eingehend zum Rechtsmissbrauchsproblem und seiner geringen Bedeutung s. oben Kapitel 3, § 12 II. 1. b) aa). 262  Diese Frage aufwerfend auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 202; G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 51. 263  Grundlegend zur Wohlfahrtsanalyse Towfigh, in: Towfigh/Petersen, Ökono­ mische Methoden im Recht (2010), S. 31 ff. 264  s. zu den Zwecken der Aktionärsklage oben Kapitel 1, § 5. 265  Das entspricht einer wohlfahrtsökonomischen Analyse unter Zulassung eines interpersonellen Nutzenvergleichs (Kaldor-Hicks-Effizienz); vgl. dazu etwa Towfigh,

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Berechnung allerdings lässt sich ohne empirische Erkenntnisse, die überdies schwerlich erlangbar sind, nicht durchführen. Diese Erkenntnislücke vorausgeschickt, sprechen allerdings gewichtige Gründe dafür, dass die wohlfahrtsökonomische Bilanz einer Streichung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG für grob fahrlässige und vorsätzliche Organ­ pflichtverletzungen positiv ausfallen wird.266 Die Prävention hat bei grob fahr­ lässigen Pflichtverletzungen einen besonders hohen Stellenwert, nicht zuletzt, weil solche oft mit hohen Schäden einhergehen;267 schwerwiegende Pflichtver­ letzungen zu vermeiden, verspricht also einen stattlichen Wohlfahrtsgewinn. Auch die mit einer Streichung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG verstärkt ermöglichte Herstellung und Erhaltung des öffentlichen Vertrauens in die Ak­ tienmärkte ist volkswirtschaftlich von hohem Rang, insbesondere vor dem Hintergrund einer „sozialdemokratisch“ konnotierten Zielsetzung der „Verbrei­ tung der Aktie als Anlageinstrument in weiten Bevölkerungsschichten“.268 Auf der anderen Seite der Bilanz dürften die Gesellschaften durch Kla­ geverfahren zwar gewichtigen, häufig auch überwiegenden, jedoch selten existenzgefährdenden Risiken ausgesetzt sein. Der praktisch wichtigste Nachteil besteht darin, dass der Öffentlichkeit ein Pflichtverstoß in wacher Erinnerung bleibt, solange über den Ersatzanspruch ein Prozess läuft und die Medien darüber berichten.269 Die Gesellschaften können allerdings Medienstrategien entwickeln, die darauf abzielen, die im Klageverfahren gegenständliche Pflichtverletzung „abzuspalten“ und ein positives Unterneh­ mensimage unter neuer Führung aufzubauen. Schließlich dürfte sich die mediale Aufmerksamkeit für die Organhaftungsprozesse nach einer Anlauf­ zeit auch etwas in der Masse verlieren, wenn solche Verfahren mehr zur Regel werden.270 Zudem liegt es näher, den Reputationsnachteilen aus lan­ in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht (2010), S. 33 f.; eine gesamt­ wirtschaftliche Bilanz zugrundelegend auch Bezzenberger/Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 43; zur Rechtfertigung dieses Richtigkeitskriteriums s. oben bei Fn. 71. 266  Vgl. allgemein für eine positive Gesamtbilanz auch Bezzenberger/Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 51 ff.; a. A. Arnold, Die Steuerung des Vor­ standshandelns (2007), S. 202, der darauf abstellt, dass Präventionswirkungen kei­ nesfalls gesichert seien; zudem treffe das eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung allenfalls rechtfertigende Leitkonzept des diversifizierten Anlegers nicht zu. 267  Vgl. nur Bezzenberger/Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 137; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 322; s. bereits oben Kapitel 2, § 7 II. 2. a). 268  Dieses Ziel hebt hervor Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 21, li. Sp. 269  Dazu oben Kapitel 2, § 8 VI. 3. c) cc). 270  Deutlich positiv insofern der Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“ vom 14.08.2001, BT-Drucks. 14/7515, S. 51, re. Sp., Rn. 71.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren271

gen Prozessen dadurch zu begegnen, Vergleichslösungen zwischen Gesell­ schaft und Organmitglied zu fördern. Dazu könnte im Besonderen die Dreijahresfrist abzuschaffen sein, vor deren Ablauf § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG Vergleiche verbietet.271 Was ferner Geheimhaltungsinteressen der Gesell­ schaft betrifft,272 ist zweierlei zu beachten: Einmal werden die Tatsachen im Regelfall überschaubar sein, die das Klageverfahren zusätzlich, nach Erörterung des Sachverhalts im Vorverfahren, noch offenzulegen droht.273 Zum anderen beschädigt es das Ansehen der Justiz, wenn die Gerichte Ver­ fahren trotz des Verdachts schwerwiegender Pflichtverstöße verhindern, um Gesellschaftsgeheimnisse zu schützen. Das gilt im Besonderen für die Fälle, in denen die Nichtzulassungsentscheidung die Gesellschaft vor der Inan­ spruchnahme durch Dritte, insbesondere Anleger, bewahren soll. Vor dem Hintergrund der gravierenden, aber nicht existenzgefährdenden Nachteilsfolgen ist das Sonderopfer gesamtwirtschaftlich voraussichtlich sinnvoll und auch für die einzelnen Gesellschaften hinnehmbar.274 Letzte­ res wird dadurch bestärkt, dass das „Sonderopfer“ auch der einzelnen Ge­ sellschaft nützt, weil sie generell – also fernab des einzelnen überwiegend nachteilhaften Haftungsverfahrens – an den positiven Wirkungen eines ge­ stärkten Durchsetzungsmechanismus partizipiert.275 2. Regelungsalternativen Nach dem Vorgesagten drängt sich auf, die Gegengründe zu streichen oder wesentlich einzuschränken. Bedenkt man aber, dass dies ein – wenn auch zu rechtfertigendes – Sonderopfer für die einzelnen Gesellschaften bedeutet, sind vorab alternative Reformwege auszuleuchten. Kein Kompromiss bestünde darin, es bei der umfassenden Interessenab­ wägung zu belassen, der Gesellschaft aber die Kosten aufzuerlegen,276 271  Dazu

unten Kapitel 3, § 14 II. 1. oben Kapitel 2, § 8 VI. 3. c) bb). 273  Dazu bereits oben Kapitel 2, § 8 VI. 3. c) bb). 274  A. A. in Bezug auf die Begründung der Rechtfertigung wohl G. Bezzenberger/ T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 51, die das Sonderopfer bereits mit der Überlegung rechtfertigen, dass eine Bezahlung der – gesamtwirtschaftlich erstre­ benswerten – Regelbildung durch die jeweils Betroffenen „allen Prozessen“ imma­ nent und dagegen „kein Kraut gewachsen“ sei. 275  Vgl. zu den divergierenden Interessen der in ihren Präferenzen zeitlich inkonsistenten Einzelgesellschaft oben Kapitel 1, § 6 I.; zur Bedeutung der Deckung der Gemeinwohlinteressen mit den langfristig-generellen Interessen auch des Einzelnen für die Rechtfertigung einer gemeinwohlorientieren Regel s. oben bei Fn. 71. 276  Sollte die Gesellschaft de lege ferenda Antragsgegner im Vorverfahren wer­ den (dazu unten Kapitel 3, § 12 IV. 2. b.), weil dieses wieder auf die Bestellung 272  s. dazu

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

wenn der Antrag ausschließlich an überwiegenden Gründen scheitert.277 Damit würde zwar den antragshemmenden Wirkungen aufgrund der Rechts­ unsicherheit der Aktionäre abgeholfen. Das Problem, dass sich einige Haf­ tungszwecke nur unzureichend verwirklichen lassen, wenn die Klagezulas­ sung – wie anzunehmen – häufig an der Interessenabwägung scheitert, be­ stünde aber unverändert fort. Alternativ zu einer Zurückdrängung der Interessenabwägung könnte der Gesetzgeber die auf das Aktienwesen bezogenen Verfahrensvorteile einer Abschreckung, Regelkonkretisierung und Vertrauensstiftung in die Abwä­ gung einbeziehen. Diese Lösung wird teilweise schon zu § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG vertreten278 und entsprach dem Entwurf Ulmers.279 Cof­ fee hat ähnliche Ansätze für das US-amerikanische Recht abgeleiteter Ak­ tionärsklagen vorgeschlagen.280 Damit läge auf der Seite der für die Rechts­ verfolgung streitenden Gründe mehr in der Waagschale, so dass eine Kla­ gezulassung aussichtsreicher wäre, und die entmutigende Wirkung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG entschärft würde. Wesentlicher Vorteil des Ansatzes ist, dass den Gesellschaften ein Sonderopfer nur abverlangt wür­ de, wenn im konkreten Einzelfall die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Verfahrensführung die Nachteile überwiegen. So könnte etwa auch der abnehmende Grenznutzen281 weiterer Gerichtsentscheidungen zu einer be­ stimmten organhaftungsrechtlichen Frage mit Blick auf das Gut der Regel­ konkretisierung berücksichtigt werden. Coffee räumt indes zutreffend ein, dass die Präventionswirkung, also die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Kla­ ge Pflichtverletzungen in der Zukunft verhindert, kaum gemessen werden kann.282 Auch der konkrete Nutzen, den die jeweilige Klage für die Kol­ lektivgüter der Regelkonkretisierung und Vertrauensbildung in die Aktien­ märkte bringt, ist nicht so bestimmbar, dass die Richter ihn in nachvoll­ eines besonderen Vertreters ausgerichtet wird, wäre sie prozessual Kostenschuldne­ rin. Sollte es dabei bleiben, dass die Organmitglieder Antragsgegner sind, wäre ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch der Antragsteller gegen die Gesell­ schaft zu schaffen. 277  Dafür aber Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 232 f. 278  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4.  Aufl. (2008), § 148 Rn. 155; dazu bereits oben Kapitel 2, § 8 VI. 2. c). 279  Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 330. 280  Dazu Coffee, 52 Geo. Wash. L. Rev. (1984), 789, 808. 281  Vgl. zum Begriff Nicklisch/Towfigh, in: Ökonomische Methoden im Recht (2010), S.  39 f. 282  Coffee, 52 Geo. Wash. L. Rev. (1984), 789, 808: „Nor can one begin to esti­ mate the marginal deterrent benefit, if any, of each additional successful derivative action.“; aus der deutschen Literatur Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 202; Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 24.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren273

ziehbarer Weise gegen die Nachteile für die Einzelgesellschaft abwägen könnten. In rechtsstaatlich zweifelhafter Weise eröffnete sich ein Feld für richterliches Gutdünken. Auch die erweiterte Abwägungslösung muss daher verworfen werden. Um die hier entwickelte Kritik an § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG umzu­ setzen, sollte der Gesetzgeber die Berücksichtigungsfähigkeit der Gegen­ gründe daher tatsächlich beschränken. Die Kritik entzündet sich vorrangig am Abwägungsgewicht der schwer greifbaren sekundären Kosten wie mög­ licher Reputationsnachteile einer Klage. Diese Kosten sollte der Gesetzgeber aus dem Abwägungsprogramm streichen. Das dürfte in der Tendenz dem Vorschlag von Peltzer entsprechen, der anrät, eine „sehr restriktive Tatbe­ standsmäßigkeit für die überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls einzuführen, so dass jeder Versuch, Dinge unter den Teppich zu kehren, scheitert“. Er führt aus, „das unvermeidliche Aufsehen, das ein Haftungs­ prozess gegen ein Organmitglied erregt“, dürfe „grundsätzlich keine Be­ rücksichtigung finden“.283 Letztlich nimmt das Gesetz mit diesem Kompro­ miss eine vom Einzelfall abstrahierende Interessenabwägung vor: Bei schweren Pflichtverletzungen wird unwiderleglich vermutet, dass die Wohl­ standsgewinne aus der Förderung des Präventions- und Vertrauensbildungs­ anliegens die gegenläufigen sekundären Nachteile für die Einzelgesellschaf­ ten überwiegen. Die Gerichte werden mit dieser klaren Linie von der praktisch kaum durchführbaren Abwägung der sekundären Nachteile entbür­ det. Das entspricht im Übrigen der Rechtslage, die der Gesetzgeber bereits mit § 147 Abs. 3 AktG in der Fassung des KonTraG gewählt hatte.284 Soll sich das Gesetz aber von einer Interessenabwägung überhaupt verabschieden,285 oder sollen jedenfalls die primären Kosten der Anspruchs­ durchsetzung weiterhin abwägungsfähig gegen den erwarteten Ertrag einer Anspruchsdurchsetzung sein? Zu den primären Kosten zählen die Kosten des Klageverfahrens im Unterliegensfall. Sofern das künftige Recht die 283  Peltzer,

in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 958. der Gesetzesbegründung führte der Gesetzgeber die typischen sekundären Kosten auf („Ansehensverlust“; „Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Organe“; „Auswirkung auf Geschäftsbeziehungen zu Dritten“) und meinte, dass aus diesen Gründen die Mehrheit legitimerweise von der Anspruchsverfolgung absehen dürfe. Für die Pflichtverletzungen i. S. v. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG hat er diese Le­ gitimität gerade nicht anerkannt und daher ein Klageerzwingungsverfahren ohne Interessenabwägung geregelt; vgl. Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 21, li. Sp. 285  Dafür Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 95, der das Klagezulassungsverfahren ganz aufgeben möchte; Lochner, in: Heidel, 4. Aufl. (2014), § 148 Rn. 17; Meilike/Heidel, DB 2004, 1479, 1482; weitgehend auch Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 150, der nur noch den Einwand gegen sog. Me-too-Klagen gelten lassen möchte. 284  In

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Bestellung besonderer Vertreter zulässt,286 rechnen auch dessen Kosten da­ zu. Die Kosten eines besonderen Vertreters verbleiben nach einer Auffas­ sung sogar im Obsiegensfall bei der Gesellschaft und können nicht auf den Beklagten abgewälzt werden.287 Zu berücksichtigen sind ferner Personalkos­ ten, die der Gesellschaft entstehen, weil ihre Angestellten die Aktionäre oder den besonderen Vertreter bei der Informationsgewinnung für das Kla­ geverfahren unterstützen müssen.288 Für die fortbestehende Abwägungsfähigkeit primärer Rechtsverfolgungs­ kosten lässt sich ins Feld führen, dass die Richter diese für gewöhnlich besser abschätzen können als etwa Reputationsnachteile. Es verbleibt aller­ dings das Problem, dass sich im Vorverfahren die Wahrscheinlichkeit des Klageerfolgs nicht exakt bestimmen lässt. Somit wäre die Wahrscheinlich­ keitsgewichtung der Rechtsverfolgungskosten nur näherungsweise möglich. Zudem drohte bei Fortbestand der Abwägungsfähigkeit primärer Verfol­ gungskosten ausgerechnet in Untreuefällen, in denen also ein Organmitglied sprichwörtlich „silberne Löffel“ gestohlen hat, ein Scheitern der Zulassung: Die Schadenssummen sind oft überschaubar,289 so dass eine Klage rasch unwirtschaftlich wird. Gerade in diesen Fällen besteht aber ein ausgeprägtes Interesse, dem Präventionsanliegen und der Vertrauensbildung in die Ak­ tienmärkte zu genügen und Organwalter tatsächlich zu belangen. Daher sollten auch die primären Kosten einer Klage einer Zulassung derselben nicht mehr entgegengehalten werden können. Vielmehr wird man sich für den Schutz der Gesellschaften vor unwirtschaftlichen Klagen damit beruhigen müssen, dass keine Klage zugelassen wird, deren Erfolg nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Die Praxis zu § 142 Abs. 2 AktG zeigt, dass die Gerichte die Maßstäbe an den Verdacht hoch anlegen und zudem eine umfassende Rechtsprüfung vornehmen.290 286  Dazu

Kapitel 3, § 12 IV. in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 725 halten die Kos­ ten eines besonderen Vertreters für nicht erstattungsfähig. Sie argumentieren, dass es nicht dem Anspruchsgegner angelastet werden könne, dass die Mitglieder der regu­ lären Verwaltungsorgane den Anspruch nicht verfolgen; a.  A. Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 77. 288  Für eine solche Berücksichtigung von Prozessvorbereitungsarbeiten bei der Abwägungsentscheidung des Verwaltungsrates der Schweizer Bank UBS Forstmoser, Gutachten, S. 26: „Die Ausarbeitung von Rechtsschriften in Verantwortlichkeits­ verfahren kann nicht einfach an externe Anwälte delegiert werden. Es bedarf viel­ mehr erfahrungsgemäss der intensiven gesellschaftsinternen Mitarbeit, und zwar von qualifizierten Mitarbeitenden und allenfalls von Organpersonen.“ 289  Statt vieler nur Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 170. 290  Vgl. nochmals die Entscheidung im Fall der IKB, OLG Düsseldorf vom 09.12.2009  – 6 W 45/09, AG 2010, 126. 287  Rieckers/Vetter,



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren275

Nahe liegt aber die Schaffung einer Generalklausel, aufgrund derer die Ge­ sellschaften einwenden können, dass ihnen das Kostenrisiko einer Klage auf­ grund ihrer konkreten Vermögensverhältnisse unzumutbar sei. Dieser Ein­ wand hat Ausnahmecharakter. Zu denken ist an kleine Gesellschaften mit einem geringen Gesellschaftsvermögen, das betriebswirtschaftlich zwingend für bestimmte Investitionen reserviert ist, die das Überleben der Gesellschaft sichern. Bei geringem Gesellschaftsvermögen kann eine Klage vernichtende Konsequenzen haben.291 Die Rechtsfolge sollte dann aber nicht in einer Nichtzulassung der Klage bestehen. Vielmehr sollte die Klage im neuen Recht unter der Bedingung zugelassen werden, dass die Antragsteller selbst die Kosten des Klageverfahrens bzw. bei einer Bestellung eines besonderen Vertreters auch dessen Kosten tragen. Diese Bereitschaft zur Kostentragung wird bei Aktionären kleiner, nichtbörsennotierter Gesellschaften auch beste­ hen, wenn Ersatzansprüche mit hoher Wahrscheinlichkeit begründet sind.292 Möglich muss auch sein, dem Gesellschafter die Übernahme eines Teils der Kosten aufzuerlegen, so dass das Risiko für die Gesellschaft tragbar ist.

IV. Adäquate Repräsentation der Gesellschaft: Aktionärsklage oder besonderer Vertreter? Damit das Gericht ihre Klage zulässt, müssen die Aktionäre keine beson­ deren persönlichen Anforderungen wie eine hinreichende Sachkunde erfül­ len. Diesen leichten Zugang zum Klagerecht gewährt ihnen das geltende Recht aber nur um den Preis einer schwachen Rechtsstellung: Zur Klage zu­ gelassen, verfügen die Aktionäre weder über Informationsrechte noch eine Vertretungsbefugnis, die ihnen außergerichtliche Vergleichsabschlüsse er­ möglichte. Auch tritt ihr Klagerecht jederzeit zurück, wenn die Gesellschaft klagt oder die Aktionärsklage übernimmt (§ 148 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AktG). Ob die Aktionäre mit dieser schwachen Rechtsstellung Ersatzansprüche opti­ mal durchsetzen können, muss bezweifelt werden. Diese Zweifel führen zu der rechtspolitischen Frage, ob das Gesetz das Klagerecht nicht wieder293 in die Hände eines mit organschaftlichen Informations- und Vertretungsbefug­ nissen ausgestatteten besonderen Vertreters legen sollte, dessen Zuständigkeit zudem gegenüber derjenigen der Verwaltungsorgane (abweichend von § 148 291  Diese Konsequenzen anmahnend Kalss, ECFR 2009, 324, 346; vgl. für die GmbH auch Verse, in: FS U. H. Schneider, 1325, 1341 f.: „Ferner wiegt die Belas­ tung mit den Kosten für kleine Gesellschaften typischerweise schwerer als für große Aktiengesellschaften, wie sie dem Leitbild des AktG entsprechen.“ 292  Zur Motivationslage in der „kleinen“ Aktiengesellschaft noch unten Kapi­ tel 3, § 15. 293  Die Vorgängerregelung zu § 148 AktG, § 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des Kon­ TraG, war ebenfalls auf eine Vertreterbestellung ausgerichtet.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Abs. 3 AktG) nicht zurücktritt. Alternativ könnte der Gesetzgeber jedoch auch die Aktionärsbefugnisse nach Klagezulassung stärken. 1. Kritik Die Repräsentation der Gesellschaft durch Aktionäre könnte im Hinblick auf mehrere der Regelungsziele des § 148 AktG nachteilhaft sein. Insbeson­ dere könnten die Einschränkungen der Aktionärsbefugnisse mitursächlich dafür sein, dass Aktionäre bisher wenig Motivation verspürten, von dem Minderheitsrecht Gebrauch zu machen. a) Fehlende Informationsrechte der zugelassenen Aktionäre Nach der Klagezulassung verfügen die Aktionäre über keine gesellschafts­ rechtlichen Auskunfts- und Dokumentenvorlageansprüche.294 Die aus­ schließlich über den Prüfungsbericht (§ 145 Abs. 6 Satz 1 AktG) vermittel­ ten Ergebnisse einer Sonderprüfung eignen sich aber nicht, um dem dyna­ mischen, sich im Prozessverlauf rasch wandelnden Informationsbedarf im Klageverfahren gerecht zu werden. Die Sonderprüfung, als abschließendes Instrument zur Informationsbeschaffung für den Haftungsprozess konzipiert, ist ein praxisfremder Ansatz.295 Doch ist die Sonderprüfung nicht nur wenig geeignet, die ihr zugedach­ te Aufgabe der Informationsgewinnung für das Klageverfahren zu erfüllen; sie über § 142 Abs. 2 AktG zu erreichen, ist auch ein äußerst steiniger Weg, der die Geduld und Beharrungskräfte der Aktionärsminderheiten herausund wahrscheinlich überfordern dürfte:296 Die Aktionäre müssen zunächst die Hauptversammlung mit einem Antrag auf Prüferbestellung befassen.297 294  Dazu eingehend Kapitel 2, § 10 I. 1. d); a.  A. als hier etwa Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 171 ff., der die Sonderprüfung für ein ausreichendes Mittel zur Vorbereitung eines Ersatzprozesses hält. 295  s. oben Kapitel 2, § 10 I. 1. d). 296  Wie hier kritisch Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 958 f.: Die antragstellenden Aktionäre müssten vor dem Zulassungsverfahren mit der Sonder­ prüferbestellung „ein weiteres zeitraubendes und umständliches Verfahren einleiten, das die gleichen schwierig zu erfüllenden Voraussetzungen hat, wie der Antrag im Zulassungsverfahren selbst.“; kritisch auch Kahnert, AG 2013, 663, 665: „Die er­ hebliche Dauer des Verfahrens wird für Aktionäre nicht selten einen abschreckenden Effekt haben.“; kritisch auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 102 f., indem er für § 142 Abs. 2 AktG Erleichterungen wie einen Verzicht auf die vorherige Befassung der Hauptversammlung vorschlägt. 297  Kritisch diesbezüglich auch Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 965.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren277

Bis zu nahezu einem Jahr müssen sie auf die Hauptversammlung warten, wenn die letzte Jahreshauptversammlung gerade stattgefunden hat.298 Nach Befassung der Hauptversammlung muss das Gericht im Bestellungsverfah­ ren gem. § 142 Abs. 2 AktG den „Verdacht“ einer Pflichtverletzung feststel­ len. Es folgt die Prüfung der Ansprüche durch den Sonderprüfer, der die Aktionäre indes nicht sofort mit den je gewonnenen Informationen versor­ gen darf, ist er doch umfassend zur Verschwiegenheit verpflichtet.299 Für die Aktionäre liegt es daher fern, das Zulassungsverfahren parallel zur noch andauernden Sonderprüfung anzustrengen. Vielmehr müssen sie zuwarten, bis die Prüfung abgeschlossen ist und sie den Prüfungsbericht (§ 145 Abs. 6 Satz 1 AktG) einsehen und die Informationen daraus im Zulassungsverfah­ ren verwenden können. Am Ziel sind sie mit Abschluss der Sonderprüfung nicht: Die Verknüpfung zwischen Sonderprüfung und Klagezulassungsver­ fahren ist nämlich unzureichend.300 Im Klagezulassungsverfahren prüfen die Landgerichte erneut und ohne Bindung an die Ergebnisse des Prüferbe­ stellungsverfahrens (§ 142 Abs. 2 AktG) und des Prüfungsberichts den „Verdacht“ (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG).301 Die Antragsgegner können gegen Feststellungen des Sonderprüfers, die den Verdacht einer Pflichtver­ letzung erhärten, mit neuen Argumenten zu Felde ziehen. Gegen die Aus­ künfte von Mitarbeitern, die dem Sonderprüfer Belastendes offenbart ha­ ben, können sie z. B. Zeugen aufbieten, die Gegenteiliges aussagen. Erst wenn die Aktionäre im Zulassungsverfahren obsiegen, schließt sich das Klagverfahren an. Einer nicht zuletzt aus Gründen der Prävention gebote­ nen zeitlich gestrafften Anspruchsdurchsetzung302 spricht dieser Rechtszu­ stand Hohn. Der gesetzliche Ausgangspunkt, dem Verfahren nach § 148 AktG im Re­ gelfall eine Sonderprüfung vorzuschalten, erweist sich somit als überden­ kenswert. Vorzuziehen ist es, zum gesetzlichen Normalfall ein einziges 298  Peltzer,

in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 965. auch Nietsch, ZGR 2011, 589, 617 (in Bezug auf die Verschwiegen­ heit des Sonderprüfers gegenüber dem besonderen Vertreter). 300  Kritisch auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E  92 f.; Nietsch, ZGR 2011, 589, 617, der anmahnt, es fehle „an einem Regelungs­ mechanismus, der die Sonderprüfung mit der Geltendmachung von Ansprüchen verknüpfen würde“. 301  Kritisch auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 92 f., indem er vorschlägt, das Gericht im Zulassungsverfahren an die Feststellun­ gen des Sonderprüfungsberichts zu binden bzw. die den Verdacht erhärtende Sonder­ prüfung automatisch zur Klagezulassung führen zu lassen (a. a. O., E 104); der letztere Vorschlag bleibt allerdings vage, da der „Automatismus“ der Bindung nicht konkretisiert wird. 302  Vgl. nur Nietsch, ZGR 2011, 589, 618. 299  Kritisch

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Vorverfahren zu machen.303 In diesem stellen die Richter die Verdachtstat­ sachen fest, und aus ihm gehen mit Informationsrechten ausgestattete beson­ dere Vertreter oder Aktionäre hervor. Diese Informationsrechte müssen er­ möglichen, den weitergehenden Informationsbedarf im Klageverfahren sowie in außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen zu befriedigen. b) Keine Befugnis zu außergerichtlichen Verhandlungen Die Schwäche der Rechtsstellung der Aktionäre zeigt sich weiter darin, dass sie lediglich als gesetzliche Prozessstandschafter klagen können. Nicht jedoch können sie – als Vertreter der Gesellschaft – außergerichtlich mit dem möglichen Schuldner verhandeln und sich mit Wirkung für die Gesell­ schaft vergleichen. Im Regelfall einer Unsicherheit in rechtlicher oder tat­ sächlicher Hinsicht ist der außergerichtliche Vergleich oftmals aber die wirtschaftlich sinnvollere Alternative zur Klage.304 Deswegen ist der beson­ dere Vertreter305 auch für außergerichtliche Verhandlungen vertretungsbe­ rechtigt.306 Auch kann er Vergleiche für die Gesellschaft abschließen.307 Den Minderheitsaktionären hat der Gesetzgeber eine solche Vertretungs­ macht nicht einräumen wollen. Das Ergebnis ist ein praxisfremder Fokus auf eine klagweise Durchsetzung, die in diametralem Gegensatz zu einer 303  Auch Semler, in: FS Goette (2011), 500, 510 f., der sich für ein Vorverfahren zur Bestellung eines besonderen Vertreters ausspricht, der sodann in einem gericht­ lich begleiteten Verfahren die Ansprüche durchsetzt; in Richtung einer Zusammen­ führung der beiden Vorverfahren die Vorschläge von Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 92 f. zur Bindung der Gerichte an den Prüfungs­ bericht des Sonderprüfers im Zulassungsverfahren; für eine Entbehrlichkeit der vorgeschalteten Sonderprüfung aufgrund einer de lege ferenda empfohlenen Sach­ verhaltsermittlung durch die DPR Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 964 ff. 304  Entsprechend die Einschätzung von Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 535: Vergleichsweise Erledigung sei „häufig sinnvoll“. 305  Die gerichtliche Bestellung sieht das geltende Recht gem. §  147 Abs. 2 Satz 2 AktG nur noch für den besonderen Fall eines vorherigen Anspruchsverfol­ gungsbeschlusses der Hauptversammlung (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG) vor; zum Er­ fordernis des Hauptversammlungsbeschlusses J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 11. Antragsbefugt sind Aktionäre, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Euro erreichen. Es muss zweckmäßig sein, einen Sondervertreter zu bestellen; zu den Kriterien der Zweckmäßigkeit Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn.  388 ff. 306  Eingehend zur Vertretungsmacht Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S.  113 f. 307  Näher Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 96 ff.; Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 103 f.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren279

Wirklichkeit steht, in der „95 % aller D&O-Fälle außergerichtlich erledigt werden“.308 Gerade nach einem erfolgreichen Zulassungsverfahren wird die Vergleichsbereitschaft bei Organwaltern und D&O-Versicherern erheblich zugenommen haben, so dass es wenig sinnvoll ist, die Aktionäre ausschließ­ lich auf eine Klage zu verweisen. c) Strikte Subsidiarität der Aktionärsklage Ungemein schwächt es die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre schließlich, dass die Aktionärsklage gegenüber einer Klage der Gesellschaft zeitlich unbegrenzt subsidiär ist (§ 148 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AktG).309 Es können damit jene Organwalter die Aktionäre aus der Klägerrolle verdrän­ gen, die sich einer Klage nach der Aufforderung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG versperrt haben und auch während des Zulassungsverfahrens noch in scharfer Opposition zu einer Geltendmachung der Ansprüche stan­ den.310 Zwar können sich die Aktionäre an dem Klageverfahren der Gesell­ schaft als Nebenintervenienten beteiligen (§ 148 Abs. 3 Satz 3 AktG). Das aber gleicht die Nachteile allenfalls unzureichend aus, die eine Prozessfüh­ rung durch Organmitglieder befürchten lässt, die in innerer Opposition zu einer Klage stehen.311 So können die Aktionäre z. B. eine dem Gesell­ bei Hopt, ZIP 2013, 1793, 1794. bereits eingehend Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1782 f.; auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 97 f.; Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 959; Zieglmeier, ZGR 2007, 144, 156: „Der Vorstand könnte die Klageerhebung nach § 148 Abs. 3 AktG rechtsmissbräuchlich dazu einsetzen, um ein für ihn unliebsames Verfahren zu beenden.“; gegen ein Sub­ stitutionsrecht der Gesellschaft dann, wenn die Aktionäre das Klageverfahren ein­ wandfrei führen Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 158; a. A. und für die Berechtigung der Regelung des § 148 Abs. 3 AktG hingegen Kanzow, Aktionärskla­ gen (2016), S. 275, u. a. mit dem Argument, dass demotivierende Wirkungen auf die Aktionäre bereits durch die Kostentragungspflicht der Gesellschaft gemildert wür­ den; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1334, der auf den besseren Zugang der Organwalter zu prozesswesentlichen Informationen abstellt; auch Kahnert, AG 2013, 663, 669, der sich u. a. mit der „Pflichtenbindung der Organe nach §§ 93, 116 AktG“ beruhigt. 310  Auch Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1783; diese Kritik klingt an auch bei Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 959: „Braucht die Gesellschaft wirklich noch ein Substitutionsrecht, wenn sie von sich aus nichts unternommen hat und die Antragsteller und späteren Kläger ganz leicht in einem viel früheren Stadi­ um am Weitermachen hätte hindern können?“; vgl. auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 98; kritisch auch Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 276 (im Ergebnis aber gegen eine Reform). 311  A. A. Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 35 f., der eine ausreichen­ de Rechtsstellung der Aktionäre annimmt, „um eine effektive Verfolgung“ zu ge­ 308  Letzteres 309  Kritisch

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

schaftsinteresse zuwiderlaufende Verfahrensbeendigung durch die Gesell­ schaftsvertreter nicht verhindern.312 Nicht zuletzt entmutigt es potentielle Antragsteller, wenn sie damit rech­ nen müssen, dass die Gesellschaft aller Voraussicht nach in das Klagever­ fahren eintreten wird.313 Auch die Anwälte wird die Aussicht frustrieren, fast nie ins Klageverfahren vorzudringen.314 Eine am vollen Forderungs­ wert bemessene Anwaltsvergütung sowie die Ehre und das Prestige eines Klageerfolgs bleiben ihnen nämlich verwehrt.315 2. Lösungsansätze: Stärkung der Aktionärsbefugnisse oder Einführung eines Sondervertreters Die Rechtsstellung des Repräsentanten der Gesellschaft in den hier einer Kritik unterzogenen drei Regelungsbereichen ist zu stärken. Dazu könnten die Rechte der Aktionäre nach Klagezulassung ausgeweitet werden, oder es könnte ein besonderer Vertreter zum Einsatz kommen. a) Reformziele Nach den Ergebnissen der Kritik müssen erstens die Repräsentanten im Klageverfahren, seien es Aktionäre oder besondere Vertreter, Rechte auf Auskunft und Dokumenteneinsicht erhalten. Damit lässt sich erreichen, die umständliche Mehrstufigkeit der Anspruchsrealisierung durch eine vorge­ schaltete Sonderprüfung (§ 142 Abs. 2 AktG) und ein nachfolgendes Klage­ zulassungs- und Klageverfahren (§ 148 AktG) aufzuheben.316 Das Gericht währleisten; wie hier Paschos/Neumann, DB 2005, 1779, 1984, die ebenfalls Schwä­ chen der Rechtsstellung der „Beigeladenen“ betonen. 312  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 97; Paschos/ Neumann, DB 2005, 1779, 1784 (in Bezug auf eine Beendigung durch Vergleich); Weber, Die konzernrechtliche abgeleitete Aktionärsklage (2006), S. 241 (der vom Standpunkt ausgeht, auf die „Beigeladenen“ sei § 66 VwGO analog anzuwenden). Die Klagerücknahme durch die Gesellschaft ist nach § 148 Abs. 6 Satz 4 AktG aller­ dings in ihrer Wirksamkeit an die Zustimmung der Hauptversammlung gebunden. 313  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 97 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 790 f.; Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 959; anders letztlich Kahnert, AG 2013, 663, 669, der meint, „ein schutzwürdiges Inter­ esse der Aktionäre, einen persönlichen Klageerfolg zu erzielen“ sei „nicht anzuer­ kennen“. 314  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011) 953, 959. 315  So Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011) 953, 959, der auf jüngere Anwäl­ te verweist, die eine Reputation als Anlegerschützer erlangen wollen. 316  Für eine Einstufigkeit und ein Durchsetzungsverfahren mit einem besonderen Vertreter auch Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 510 ff.; für eine Entbehrlichkeit



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren281

sollte einen „Verdacht“ nurmehr in einem Verfahren prüfen, dem Zulas­ sungsverfahren; daran muss sich eine Anspruchsdurchsetzung anschließen, die das Gesetz durch zureichenden Zugriff der prozessführenden Personen auf den Informationsbestand der Gesellschaft abstützt.317 Der Erkenntnisse aus einem Sonderprüfungsbericht bedarf es dann folglich für die Anspruchs­ durchsetzung nicht mehr. Nicht verfangen kann der mögliche Einwand ge­ gen solche prozessbezogenen Informationsrechte, schon im Vorverfahren werde wegen des besonderen Interesses der Organmitglieder, eine Vorverur­ teilung abzuwenden, eine dem Klageverfahren angenäherte Prüfungstiefe erreicht,318 so dass es nach Abschluss des Vorverfahrens keiner weiteren Informationsbefugnisse bedürfe. Das mag häufig der erwartbaren Praxis entsprechen, doch ist auch denkbar, dass Richter bestimmte tatsächliche Erwägungen erst im Klageverfahren anstellen, weil sie sich für den Ver­ dacht mit Darlegungen begnügt haben, die erheblich hinter denen zurück­ bleiben, deren es für die volle Überzeugung von der Pflichtverletzung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) im Klageverfahren bedarf.319 Je nach Handha­ bung des Verdachtsbegriffs in der richterlichen Praxis und den Prozessstra­ tegien der Beteiligten kann im Einzelfall durchaus noch bisher unerfüllter Informationsbedarf für das Klageverfahren verbleiben. Überzeugende Alternativen sind nicht verfügbar. Man könnte allenfalls erwägen, den Zugang zur Sonderprüfung zu erleichtern. Bachmann hat in dieser Richtung vorgeschlagen, das in § 142 Abs. 2 AktG normierte Erfor­ dernis abzuschaffen, zunächst einen die Prüferbestellung ablehnenden Hauptversammlungsbeschluss herbeiführen zu müssen.320 Verbesserungen der vorgeschalteten Sonderprüfung aufgrund einer de lege ferenda empfohlenen Sachverhaltsermittlung durch die DPR Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 964 ff.; für eine gewisse Milderung der Unannehmlichkeiten der Zweistufig­ keit und eine Bindung der Gerichte an die Feststellungen des Sonderprüfers Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 92 f. 317  Wie hier letztlich Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 510 ff. 318  Vgl. diesbezüglich DAV, Handelsrechtsausschuss, Stellungnahme, NZG 2004, 555, 561 (mit der Annahme, im Vorverfahren werde der Streit „in derselben Breite und im Zweifel auch mit derselben Härte wie in einem Klageverfahren geführt“); auch Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 148 Rn. 40; vgl. auch Riegger, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, RWS-Forum 10 (1998), S. 69, 72 (zu möglichen weitreichenden Beweiserhebungen, in Bezug auf ein Klageerzwin­ gungsverfahren). 319  Vgl. für die unterschiedlichen tatsächlichen Voraussetzungen in Vor- und Klageverfahren Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 338. 320  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 103 f.; be­ reits Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 248 ff. Des Weiteren schlägt Bachmann vor, das Gericht im Zulassungsverfahren an die Feststellungen des Sonderprüfungsbe­ richts zu binden (a. a. O., E 93) bzw. die den Verdacht erhärtende Sonderprüfung automatisch zur Klagezulassung führen zu lassen (a. a. O., E 104).

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

des Zugangs der Klägerseite zur Sonderprüfung stellten indes nicht den notwendigen Informationszugang während des Klageverfahrens her. Daher ist ein eigener Informationszugang der Gesellschaftsvertreter ohne gleich­ wertige Alternative.321 Zweitens müssen die Repräsentanten der Gesellschaft künftig Vertre­ tungsmacht haben, um außergerichtliche Vergleiche zu schließen; nur dann wird § 148 AktG zu einem den praktischen Anforderungen genügenden Ins­ trument der Anspruchsdurchsetzung. Und drittens muss sich das Gesetz von der weitreichenden Subsidiarität gem. § 148 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG verabschieden.322 Über lange Zeit renitente Organmitglieder dürfen die Rechtsdurchsetzung nach Abschluss des Vorverfahrens nicht mehr an sich ziehen. Der Juristentag 2014 hat sich demgegenüber dagegen ausgesprochen, für die Aktionärsklage von dem Subsidiaritätsdogma abzurücken.323 b) Abwägung der Reformalternativen Mit Nachdruck drängt sich der besondere Vertreter als Regelungsoption auf, um das Reformprogramm umzusetzen.324 Denn bereits das geltende 321  Auch Bachmann, Gutachten E zum 70.  Deutschen Juristentag (2014), E 105 f., schlägt die Wiederbelebung des besonderen Vertreters vor und sieht seine Vorschläge zur Verbesserung der Sonderprüfung daher im Ergebnis nicht als aus­ schließliche Lösung des Informationszugangsproblems. 322  Für eine Beseitigung des Selbsteintrittsrechts auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 98; Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011) 953, 963 f. 323  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 12. f): „Beseitigung des Selbsteintrittsrechts der Gesellschaft“; abgelehnt 20:41:16. 324  Die Abschaffung der gerichtlichen Bestellung eines besonderen Vertreters durch das UMAG ist in der Literatur kritisiert worden; auf die Informationsrechte des Sondervertreters abstellend DAV, Handelsrechtsausschuss, Stellungnahme, NZG 2004, 555, 561; Meilike/Heidel, DB 2004, 1379, 1381; Mock, in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 22; Seibt, WM 2004, 2137, 2142; Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 510 ff.; vgl. bereits Puszkajler, Diskussionsbeitrag, Ver­ handlungen des 63. Deutschen Juristentags (2001), O 183, O 184; Riegger, Unter­ nehmenskontrolle (2003), S. 228; für die Beibehaltung des Sondervertreters aus an­ deren Gründen Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 347 ff.; Linnerz, NZG 2004, 307, 311; 313 (mit dem Argument, dass der Sondervertreter „durchaus geeignet ist, zur Versachlichung der Atmosphäre und der Effektivität des Verfahrens beizutragen“); Winter, in: Henze/Hoffmann-Becking, Gesellschaftsrecht 2003, RWS-Forum 25 (2004), S. 457, 472 f., der mit der „Neutralität“ des besonderen Vertreters argumen­ tiert, wohingegen die Aktionäre „im Zweifel schon längst über den konkreten Streit hinaus in scharfer Opposition zur Verwaltung“ stünden. Für das Modellgesetz des



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren283

Recht gibt dem besonderen Vertreter in wesentlichen Bezügen die oben herausgearbeiteten Rechte, die eine gelingende Anspruchsdurchsetzung er­ fordert: Informationsrechte des Vertreters, mögen diese auch beschränkt sein, hat die Rechtsprechung als Annexkompetenz entwickelt.325 Der be­ sondere Vertreter als außerordentliches Organ der Gesellschaft326 tritt für den Zweck der Rechtsverfolgung an die Stelle des regulär zuständigen Verwaltungsorgans;327 das Verwaltungsorgan kann ihn aus seiner Funktion nicht verdrängen. Und schließlich ist der besondere Vertreter auch für au­ ßergerichtliche Vergleichsverhandlungen vertretungsberechtigt.328 Denkbar ist alternativ, die Aktionäre in ihrer Rechtsstellung aufzuwerten und näher an diejenige besonderer Vertreter heranzuführen. Zunächst ist zu vergleichen, welche Qualität der Anspruchsdurchsetzung sich durch den Einsatz von besonderen Vertretern einerseits und Aktionären mit erweiterten Befugnissen andererseits erreichen lässt. Zum besonderen Vertreter bestellt das Gericht eine sachkundige, also juristisch versierte Per­ son, während es die Aktionärsklage in Laienhände legt, wenn nicht der Antragsteller zufällig juristisch ausgebildet ist. Ein juristisch qualifizierter besonderer Vertreter führt Vergleichsverhandlungen und ein Klageverfahren professioneller als ein Laie. Zwar ist zu erwarten, dass sich an der Aktio­ närsklage (und im neuen Recht ebenso etwaigen Vergleichsgesprächen) maßgeblich Rechtsanwälte beteiligen; im Regelfall dürften die Aktionäre die Verhandlungs- wie auch die Prozessführung ihren Anwälten überlas­ sen.329 Im Ausnahmefall kann dies aber anders sein; ein Wille zur unmittel­ baren Beteiligung an den Verhandlungen und den Verfahren mag gerade bei solchen Kleinaktionären bestehen, die aus querulatorischer Neigung handeln. Und Anwälte sind den Weisungen auch unvernünftig handelnder Mandanten unterworfen (§ 665 i. V. m. § 675 BGB), auch wenn den Mandanten Nach­ European Model Company Act (EMCA) hat Kalss die Vorzüge eines besonderen Vertreters mit Zugang zu gesellschaftsinternen Informationsquellen betont; Kalss, ECFR 2009, 324, 342; zum Modellgesetz vgl. Baums/Andersen, ECGI – Law Work­ ing Paper No. 97/2008. 325  s. bereits oben Kapitel 2, § 10 I. 1. d). 326  RG vom 04.11.1913  – II 297/13, RGZ 83, 248, 249 f.; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 305; gegen Organqualität Wirth, in: FS Hüffer (2010), S. 1129, 1143 ff. 327  Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 91: „Verdrängung der Vertretungsorgane der Gesellschaft“; Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S.  228 f.; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 305. 328  Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 84; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 44. 329  Vgl. für die entsprechenden Erfahrungen mit der abgeleiteten Aktionärsklage in den USA G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 60: Aktionäre seien „meistens nur Strohpersonen“; Coffee, 86 Colum. L. Rev. (1986), 669, 676 ff.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

teile entstehen.330 Dies erscheint misslich, im Besonderen mit Blick auf das Ziel, Klageverfahren möglichst nur dann und solange zu betreiben, wie Aussicht auf einen Prozesserfolg besteht. Zumal Aktionäre, die sich in den Konflikt mit der Verwaltung „verbissen“ haben, könnten trotz zweifelhafter Prozessaussichten einen Vergleichsschluss ablehnen und im Sinne eines „alles oder nichts“ zu lange an einem Klageverfahren festhalten. Der Gesetzgeber könnte nun die Zulassung der Aktionärsklage daran binden, dass die Aktionäre – ähnlich dem besonderen Vertreter – einen Eignungstest bestehen, der u. a. das Sachkundekriterium umfasst.331 Sinnvoll wäre dieser Reformschritt jedoch nicht: Besonders am Sachkundekriterium würden viele Aktionäre scheitern. Zugespitzt ist auch die Frage zu stellen, was gelten sollte, falls sich überhaupt nur ein Aktionär zur Klage bereit fände, der aber unterqualifiziert wäre: Wäre es dann richtig, die Anspruchs­ durchsetzung überhaupt scheitern zu lassen?332 Zur größeren Sorgfalt bei einer Prozessführung durch besondere Vertreter dürfte schließlich beitragen, dass diese – bereits im geltenden Recht – nach überwiegender Auffassung für jede Fahrlässigkeit haften.333 Demgegenüber haften die Aktionäre für eine unzureichende Prozessführung nach geltendem Recht nur bei grober Fahrlässigkeit.334 Freilich könnte festgeschrieben werden, dass Aktionäre für jede Fahrlässigkeit einzustehen haben. Ihre Bereitschaft, ein derartig erhöh­ tes Haftungsrisiko einzugehen, wäre indes nicht gesichert. Rechtsanwälte, als besondere Vertreter bestellt, können Haftungsrisiken gemeinhin besser versichern als Aktionäre. Ein weiterer Vergleichspunkt betrifft die Gesellschaftsinteressen beim Zugriff auf Informationen. Aus Gründen der Vertraulichkeitssicherung stieße es auf Bedenken, Aktionären nach Klagezulassung einen umfassenden Zu­ 330  BGH

vom 20.03.1984  – VI ZR 154/82, NJW 1985, 42, 43. auch Schmolke, ZGR 2011, 398, 426 f., der die Gerichte ermächtigen möchte, aus mehreren Antragstellern den geeignetsten Kläger als lead plaintiff aus­ zuwählen; das sei derjenige mit dem größten Interesse an der Anspruchsdurchset­ zung. Darüber hinaus erwägt Schmolke, a. a. O., S. 427, auch die Einführung von „Auswahlkriterien […], die missbräuchlichen Klagen entgegenwirken“; vgl. zur Gewährleistung einer adäquaten Interessenwahrnehmung als übergeordnetem Leit­ prinzip der Musterklägerauswahl gem. § 8 Abs. 2 KapMuG Lange, in: Vorwerk/ Wolf, KapMuG (2007), § 8 Rn. 20 und 23. 332  In eine ähnliche Richtung weist die Kritik von Kahnert, AG 2013, 663, 671 an dem von Schmolke, ZGR 2011, 398, 426 vorgeschlagenen Verfahren einer Aus­ wahl eines idealen Leitklägers (lead plaintiff) aus mehreren Antragstellern: Es blei­ be „unklar, wie es dem Gericht möglich sein soll, den idealen Kläger zu identifizie­ ren, wenn nur ein Kläger das Zulassungsverfahren anstrengt“. 333  Dazu unten Kapitel 3, § 12 IV. 2. ee). 334  s. oben Kapitel 2, § 10 IV. 331  Vgl.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren285

griff auf Unterlagen der Gesellschaft zu gewähren.335 Es handelt sich näm­ lich um Laien mit geringer Sensibilität für Vertraulichkeit. Zudem drohte bei Einsicht in brisante Gesellschaftsdokumente auch Missbrauch: Aktionä­ re könnten sich entschließen, Dokumente mit wertvollen Geschäftsgeheim­ nissen zu verkaufen, etwa an ein Konkurrenzunternehmen. Die Sicherung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wäre dabei besonders schwierig, wenn der Gesetzgeber es bei einem Antragsquorum beließe; zahlreiche Streitgenossen, die sich zur Antragstellung verbunden haben, könnten dann Einsicht in Unternehmensdokumente beanspruchen. Die Weitergabe von Unternehmensgeheimnissen wäre einem bestimmten Aktionär kaum nachzu­ weisen. Das Haftungsrisiko für einen Bruch der Vertraulichkeitspflicht mi­ nimierte sich entsprechend. Damit zeichnet sich eine Präferenz ab: Das Zulassungsverfahren ist künf­ tig (wieder) auf die Bestellung besonderer Vertreter auszurichten.336 Den Aktionären das eigene Klagerecht zu nehmen, könnte allerdings ihrer Motivation abträglich sein.337 Charme hat daher auf den ersten Blick der Beschluss des 70. Deutschen Juristentages 2014, den besonderen Vertreter als zusätzliche Option einzuführen und es auch bei der Aktionärsklage zu belassen:338 Die Aktionäre, die unbedingt selbst klagen wollen, könnten dies tun, dann allerdings ohne besondere Informationsrechte und bei fortgelten­ dem Nachrang ihrer Klage gegenüber einer solchen der Gesellschaft, vgl. § 148 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AktG. Doch wäre es nicht sachgerecht, Aktio­ näre, die das Klageverfahren ohne Informationsrechte selbst in die Hand nehmen wollten, frei gewähren zu lassen. Aktionäre könnten die Dichte und Güte ihrer Informationen schlechterdings überschätzen. Die im Übermut angestrengte Aktionärsklage versperrte dann die vielversprechendere Durch­ setzung durch einen Sondervertreter, zum Nachteil von Gesellschaft und Aktionären. Daher ist eine klare Entscheidung für einen besonderen Vertre­ ter zu bevorzugen. Etwaige Motivationsdefizite auf Seiten der Aktionäre bei 335  Auch DAV, Handelsrechtsausschuss, Stellungnahme, NZG 2004, 555, 561, der ausführt, dass „ein solcher Informationsanspruch nur einem vom Gericht bestell­ ten besonderen Vertreter eingeräumt werden sollte“. 336  Dafür etwa auch Semler, in: FS Goette (2011), 500, 510 ff. 337  Ulmer, Diskussionsbeitrag, Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentags (2001), O 180, O 182; ders., ZHR 163 (1999) 290, 334 ff.; zu diesem rechtspoliti­ schen Aspekt auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 227. 338  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 13.: „Der besondere Vertreter sollte als optionales Instrument der klagewilligen Aktionärsminderheit wieder eingeführt werden.“: Angenommen 44:8:30; bereits Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 105 f.; dafür auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 100.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

„Mediatisierung“339 der Anspruchsdurchsetzung durch einen besonderen Vertreter340 sollte der Gesetzgeber mildern, indem er den Antragstellern Einfluss auf die Auswahl des besonderen Vertreters sichert341 und ihnen Mittel zur Überwachung wie etwa ein gerichtliches Abberufungsverfahren an die Hand gibt.342 Nicht zuletzt ist zu beachten, dass die Aktionäre in der Publikumsgesellschaft die Prozessführung im Regelfall ohnehin ganz ihrem Rechtsanwalt überlassen dürften.343 Im Ergebnis ist zu empfehlen, das jetzige Klagezulassungs- durch ein Vorverfahren zu ersetzen, das auf die Bestellung eines besonderen Vertreters gerichtet ist. Beteiligte dieses Bestellungsverfahrens sollten einerseits die antragstellenden Aktionäre, andererseits die Gesellschaft sein.344 c) Regelungen zum Sondervertreter de lege ferenda Damit sich die hier benannten Vorzüge besonderer Vertreter voll entfal­ ten, muss im Rahmen einer Neuregelung einerseits die gerichtliche Auswahl der Person des Vertreters, andererseits die Kontrolle des Vertreters durch die Aktionäre auf klare gesetzliche Grundlagen gestellt werden. Dabei bietet sich an, einen Seitenblick auf die Regelung des § 45c KWG zum Sonder­ beauftragten bei Kreditinstituten zu werfen und diese zum Modell der Neu­ regelung zu nehmen, sofern sie für das allgemeine Aktienrecht passende Vorgaben trifft.345 Der Sonderbeauftragte hat zwar im Schwerpunkt eine weitergehende, die Verwaltungsorgane ersetzende Funktion als der besonde­ von Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 335. eine zu geringe Attraktivität eines auf einen Sondervertreter gerichteten Minderheitsrechts statt vieler nur Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 244; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 334 ff.; ablehnend auch Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 253; für einen besonderen „emotionalen Schwung“ des eigenen Klagerechts der Aktionäre bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 292. 341  Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 229; Winter, in: Henze/HoffmannBecking, Gesellschaftsrecht 2003, RWS-Forum 25 (2004), S. 457, 473. 342  Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 229. 343  Auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 93, der meint, der Aktionär sei an der Anspruchsdurchsetzung interessiert, weniger dar­ an, „selbst alle Mühen eines langen und zähen Prozesses durchzustehen.“ Die Rede vom „emotionalen Schwung“ des eigenen Klagerechts, wie sie Großfeld, Aktienge­ sellschaft (1968), S. 292 wählt, hält er daher für eine Übertreibung. Das überzeugt durchaus. 344  Entsprechendes galt bereits für die Regelung des § 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des KonTraG; vgl. G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 75. 345  Vgl. allgemein Leyens/Schmidt, AG 2013, 533 ff., die „[a]usgewählte Einflüs­ se, Impulse und Brüche“ der Sonderregeln der Corporate Governance von Banken und Versicherungen auf das Aktienrecht untersuchen. 339  Formulierung 340  Für



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren287

re Vertreter (vgl. § 45c Abs. 1 Satz 1 KWG).346 Er kann gem. § 45c Abs. 2 Nr. 10 KWG aber ähnlich dem besonderen Vertreter auch „lediglich“ mit der Prüfung, wenn auch nicht der Durchsetzung, von Ersatzansprüchen be­ auftragt werden. Er steht dem Sonderprüfer und besonderen Vertreter somit durchaus funktional nahe.347 aa) Anforderungen an die Person des Sondervertreters Eine Verdrängung der Mitglieder des regulären Vertretungsorgans durch einen besonderen Vertreter ist nur interessengerecht, wenn die Person des Vertreters eine professionelle, nicht durch Interessenkonflikte getrübte An­ spruchsdurchsetzung gewährleistet. Das bisher vornehmlich in der Kom­ mentarliteratur zu § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG entwickelte Anforderungsprofil ist zu unscharf, um diese Qualifikation zu sichern.348 Die auch in ver­ gleichbaren Rechtsbereichen übliche Trias Sachkunde, Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit – vorbildlich ist die Regelung in § 45c Abs. 1 Satz 2 KWG349 – sollte im neuen Recht auch für die Vertreterauswahl ausnahmelos gelten und gesetzlich verankert werden. Einerseits muss das Gesetz folglich eine hinreichende Sachkunde fordern, wie es § 45c Abs. 1 Satz 2 KWG für den Sonderbeauftragten bei Kreditin­ stituten verlangt. Dort wird eine speziell für den Geschäftsbereich bestehen­ de fachliche Eignung vorausgesetzt.350 Da es für die Aufgabe des Sonder­ vertreters entscheidend auf juristische Kenntnisse ankommt, sollten die Gerichte nur natürliche Personen bestellen können, welche die Befähigung zum Richteramt haben.351 Die Person muss auch über hinreichende Erfah­ rung in der Prozessführung in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten 346  Eine entsprechende Möglichkeit, Vorstände abzuberufen und an ihrer Stelle Sonderbeauftragte einzusetzen, kennt das deutsche Aktienrecht nicht; so, mit rechts­ vergleichenden Hinweisen, Bachmann, ZIP 2013, 1946, 1950. 347  Im Hinblick auf den Sonderprüfer auch Schwennicke, in: Schwennicke/Auer­ bach, KWG, 2. Aufl. (2013), § 45c Rn. 36. 348  Vgl. die allgemeingehaltenen Profilumschreibungen bei Mock, in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 72, nach dem eine „geeignete Person“ als Vertreter zu bestellen ist; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 400; ebenso Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 70: „[G]eeig­ nete Person“; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 22: Person müsse über „die erforderliche fachliche Qualifikation verfügen“. 349  Zur Auslegung dieser Merkmale Schwennicke, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, 2. Aufl. (2013), § 45c Rn. 6 ff. 350  Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl. (2012), § 45c Rn. 8. 351  Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 510; zum geltenden Recht auch Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 43: „Ist eine gerichtliche Geltendma­

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

verfügen. Zudem sollte entsprechend § 45c Abs. 1 Satz 2 KWG und § 143 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. §§ 319 Abs. 2 und 3, 319a Abs. 1, 319b HGB geregelt werden, dass eine Bestellung ausgeschlossen ist, wenn die Person nicht von der Gesellschaft unabhängig ist.352 In Anlehnung an § 45c Abs. 1 Satz 2 KWG sollte schließlich die Zuverlässigkeit der auszuwählenden Per­ son erforderlich sein. An der Zuverlässigkeit kann es z. B. mangeln, wenn der Rechtsanwalt sich in der Vergangenheit an rechtsmissbräuchlichen An­ trägen und Klagen beteiligt hat.353 Mittels dieses Merkmals lässt sich also zudem auch der – wie gezeigt eher unwahrscheinlichen – rechtsmissbräuch­ lichen Nutzung des Antragsrechts weiter vorbeugen. bb) Vorschlagsprärogative der Antragsteller Die Aktionäre sind naturgemäß daran interessiert, dass das Gericht eine Person ihres Vertrauens zum Vertreter bestellt. De lege lata ist für § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG ungeklärt, ob die Gerichte im Regelfall die von den Antragstellern benannte Person einzusetzen haben.354 Um diese Rechtsun­ chung der Ansprüche vorgesehen, empfiehlt es sich meistens, einen Rechtsanwalt als besonderen Vertreter zu bestellen.“ 352  Für das Verständnis der Unabhängigkeit sollte die weite Definition in Ziff. 5.4.2 S. 2 DCGK i. d. F. vom 24.06.2014 als Vorbild dienen, wonach ein Auf­ sichtsratsmitglied insbesondere dann nicht als unabhängig anzusehen ist, wenn es in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Un­ ternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessen­ konflikt begründen kann. Zutreffend stellt J. Koch, ZGR 2014, 697, 726 fest: „Kris­ tallisationspunkt dieser Negativdefinition ist […] der Interessenkonflikt, der nur in einer sehr begrenzten Weise eingeschränkt wird, indem ihm ein bestimmter perso­ naler Bezugspunkt gegeben wird: Es muss sich um persönliche oder geschäftliche Beziehungen zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen handeln.“ 353  Vgl. die weit ausgreifende Definition des Zuverlässigkeitsbegriffs nach dem KWG bei Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl. (2012), § 33 Rn. 35: „Unzuverlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Betreffende nach dem Ge­ samtbild seines Verhaltens und seiner Persönlichkeit nicht die Gewähr dafür bietet, dass er seine Tätigkeit ordnungsgemäß ausüben wird.“ 354  Dafür, im Regelfall die von den Aktionären benannte Person zu bestellen, spricht sich aus die Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf KonTraG, BTDrucks. 13/9712, S. 21, re. Sp.: „Als besonderer Vertreter wird vom Gericht in der Regel der von der Minderheit als Vertreter ihres Vertrauens Benannte einzusetzen sein, wenn nicht ganz besondere Umstände gegen seine Qualifikation sprechen oder eine grob unsachgemäße Anspruchsverfolgung besorgen lassen.“ (zu § 147 Abs. 3 i. d. F. KonTraG); KG vom 16.12.2011  – 25 W 92/11, FGPrax 2012, 76, 77; aus der Literatur Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 73; Rieckers/ Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 401; Schröer, in: MüKo AktG,



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren289

sicherheit355 künftig zu vermeiden, sollte das Gesetz für § 148 AktG re­ geln, dass das Gericht eine von den Aktionären benannte Person bestellen muss, sofern diese die Bestellungsvoraussetzungen erfüllt.356 Damit drängt sich allerdings die Gefahr auf, dass die auf Vorschlag ausgewählte Vertre­ terperson eher dem Interesse des sie benennenden Minderheitsaktionärs als dem der Gesellschaft dienen könnte.357 So könnte der Vertreter Informati­ onen aus der Anspruchsprüfung den Aktionären – schlimmstenfalls Kon­ kurrenten der Zielgesellschaft – zuspielen, oder er könnte sich zum Hand­ langer von kollusiven Vergleichen machen, an denen Aktionäre, Anspruchs­ gegner und besonderer Vertreter zu Lasten der Gesellschaft gleichermaßen verdienen. Diese Gefahren lassen sich aber eindämmen. Erstens sollte es selbstverständlich sein, dass der besondere Vertreter auch von den Minder­ heitsaktionären unabhängig im Sinne der o. g. weiten Definition der Unab­ hängigkeit sein muss. Zweitens greift der Reputationsmechanismus, wenn nur sachkundige, erfahrene Juristen ausgewählt werden: Sie haben ihren guten Ruf zu verlieren. Und drittens bestehen Haftungsrisiken für den un­ getreuen Vertreter. cc) Auswechslung eines ungeeigneten Sondervertreters Weil es de lege lata umstritten ist, ob das Gericht einen ungeeigneten Sondervertreter abberufen kann,358 sollte das Gesetz nunmehr klarstellen, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 70 (jeweils zu § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG); vgl. auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 227; a. A. jedenfalls in der Tendenz AG Nür­ tingen vom 14.10.1993 – I 1160/93, AG 1995, 287 f., das keine entsprechende Regel, dem Aktionärsvorschlag zu folgen, erwähnt und stärker betont, dass das Gericht „nicht an einen Vorschlag der Minderheit gebunden“ sei; zudem wird hier eine be­ sondere Neutralität des Vertreters eingefordert (gegen die Entscheidung etwa aus­ drücklich Schröer, a. a. O.); dieser Entscheidung folgt Hirschmann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 147 Rn. 13. 355  Diese betont auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 227; Forderung einer gesetzlichen Regelung a. a. O., S. 229. 356  Zu weitgehend de lege ferenda aber Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 229: Das Gericht soll von einem Bestellungsvorschlag nur abweichen können, „wenn ganz besondere Umstände gegen die Qualifikation des Vorgeschlagenen spre­ chen oder eine grob unsachgemäße Anspruchsverfolgung besorgen lassen“. Dement­ gegen muss auch eine „nur“ einfach unsachgemäße Anspruchsverfolgung vermieden werden. 357  Diesen Aspekt hervorhebend AG Nürtingen vom 14.10.1993  – I 1160/93, AG 1995, 287 f., wenn es die Bestellung des vom Antragsteller vorgeschlagenen Rechts­ anwalts zum besonderen Vertreter u. a. mit dem Argument ablehnt, es handele sich um einen „Vertrauten des Aktionärs“. 358  Für die Möglichkeit einer gerichtlichen Abberufung G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 62; Holzborn/Jänig, in: Bürgers/Körber, AktG,

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

dass Aktionäre die gerichtliche Abberufung eines besonderen Vertreters betreiben können.359 Die Abberufung ist an einen wichtigen Grund zu bin­ den.360 Ein solcher muss bereits dann anerkannt werden, wenn sich nach­ träglich herausstellt, dass die Person die erforderliche Sachkunde oder die Zuverlässigkeit nicht besitzt oder nicht unabhängig (vgl. §§ 319 Abs. 2 und 3, 319a Abs. 1, 319b HGB) ist. Ebenso sollte eine schwerwiegende Pflicht­ verletzung ein wichtiger Grund sein (vgl. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG).361 Die Abberufung sollte stets der Aktionär beantragen können, der die Bestellung erreicht hat. Daneben muss auch eine qualifizierte Minderheit sonstiger Aktionäre, die das Quorum des § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG erreicht, das Abberufungsverfahren betreiben können, nicht aber der Vorstand oder Auf­ sichtsrat.362 dd) Berichtspflichten Um den Aktionären zu ermöglichen, die Tätigkeit des Sondervertreters zu kontrollieren, sind Berichtspflichten des Vertreters unentbehrlich. Bereits im geltenden Recht wird teilweise angenommen, der Vertreter sei der Haupt­ versammlung auskunftspflichtig, wenn diese es verlangt.363 Dafür aber 3. Aufl. (2014), § 147 Rn. 14a; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 82; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 473 ff.; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 73; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 40; dagegen Dauner-Lieb/Winnen, in: FS Kanzleiter (2010), 119, 128 f. 359  Für eine gesetzliche Regelung auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 229. 360  Zum geltenden Recht Schröer, in: MüKo AktG, 3.  Aufl. (2013), § 147 Rn. 73; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 40; de lege ferenda auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 229: Abberufung, wenn Vertreter Aufgabe nicht pflichtgemäß wahrnimmt; de lege lata differenzierend Nietsch, ZGR 2011 589, 627 f., der auf einen wichtigen Grund verzichten will, wenn diejenige Aktionärsminderheit den Antrag auf Abberufung stellt, auf deren Antrag das Gericht den Vertreter bestellt hat; dem folgend Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 474. 361  Näher zum Begriff der groben Pflichtverletzung in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG als Abberufungsgrund für Vorstandsmitglieder Fleischer, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 84 Rn. 104, der diesen Verstoß als „Verletzung grundlegender Gesetzes- oder Organpflichten“ definiert. 362  Gegen ein Antragsrecht der Verwaltungsorgane für das geltende Recht auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3.  Aufl. (2015), §  147 Rn.  477; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 73; a. A. G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 62 (für Antragsberechtigung auch der Gesellschaft, vertre­ ten durch das Vertretungsorgan). 363  Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 151 f.; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 10; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren291

muss die Tätigkeit des besonderen Vertreters als Thema auf der Tagesord­ nung stehen.364 Damit hätten die Aktionäre, welche die gerichtliche Bestel­ lung des Vertreters betrieben haben, aufgrund des hohen Quorums des § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG regelmäßig keine Möglichkeit, die Berichtspflichten durch Ergänzung der Tagesordnung zu „aktivieren“. De lege ferenda ist diese Situation äußerst unbefriedigend. Die Aktionä­ re, die im hier entwickelten neuen Recht ohne Bindung an jedes Quorum eine Vertreterbestellung sollen bewirken können, müssen über die Tätigkeit des Sondervertreters unabhängig vom Erreichen des Quorums des § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG informiert werden. Es ist zu diesem Zweck erstens ratsam, den besonderen Vertreter künftig zu verpflichten, schriftlich an die Hauptversammlung über die Tätigkeit im jeweils abgelaufenen Geschäfts­ jahr zu berichten.365 Pate für diesen Ansatz stehen die schriftlichen Be­ richtspflichten des Aufsichtsrats bei Prüfungen im abgelaufenen Geschäfts­ jahr, § 171 Abs. 2 AktG.366 Zweitens muss der Vertreter einen schriftlichen Bericht zum Abschluss seiner Tätigkeit erstellen, in dem er über Erkennt­ nisse zu den Gesellschaftsansprüchen sowie über seine Prozessrisikoerwä­ gungen berichtet. Dabei sollten die Inhaltsbestimmungen für den Sonder­ prüfungsbericht gem. § 145 Abs. 6 AktG gelten, namentlich der Grundsatz der Wahrheit und Vollständigkeit.367 Jedem Aktionär sollte auf Verlangen eine Abschrift des Berichts zu erteilen sein.368 Damit kann das Wissen, das der Vertreter gewonnen hat, „konserviert“ und für weitere Maßnahmen, et­ wa die Abberufung einzelner Organmitglieder, zugänglich gemacht werden. Drittens sollte der Vertreter nach Maßgabe des § 149 AktG in den Gesell­ schaftsblättern bekannt machen müssen, wenn er das Klageverfahren been­ det oder sich außergerichtlich verglichen oder überhaupt von der An­ spruchsverfolgung Abstand genommen hat. Abzulehnen ist dagegen der Vorschlag, der Vertreter solle regelmäßig Tätigkeitsberichte in den Gesell­ Rn.  563 ff.; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 56; Spindler, in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 36; a. A.  Mock, in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 99; ders., AG 2008, 839, 844. 364  Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 565; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 56; Spindler, in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 36: „In diesem Rahmen (und nur insoweit) eines entspre­ chenden Tagesordnungspunktes ist der besondere Vertreter verpflichtet, auf Fragen nach § 131 AktG zu antworten […].“ 365  Zutreffend Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 511. 366  Der Bericht muss aus überwiegenden Gründen des Gesellschaftswohls ein­ schränkbar sein, wenn z. B. die vorzeitige Aufdeckung von Verhandlungsergebnissen einen Vergleich vereiteln könnte. 367  Zu diesem Grundsatz für die Sonderprüfung Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 43. 368  Vgl. § 145 Abs. 6 Satz 4 AktG für den Bericht des Sonderprüfers.

3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

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schaftsblättern veröffentlichen müssen.369 Der damit verbundene Aufwand wäre unverhältnismäßig. ee) Verantwortlichkeit und Haftung des Sondervertreters Um ein gesellschaftsdienliches Vorgehen des besonderen Vertreters zu sichern, sollte die Haftung bei Verletzung von Sorgfalts-, Verschwiegen­ heits- und Treuepflichten unter Rekurs auf §§ 93 Abs. 1, 116 AktG für jede Fahrlässigkeit festgeschrieben werden.370 Der Literaturauffassung, die für das geltende Recht eine Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit annimmt,371 ist damit eine Absage zu erteilen. Die Haftung für jede Fahr­ lässigkeit entspricht dem treuhänderischen Charakter der Aufgabe des Son­ dervertreters. Auch § 45c Abs. 7 Satz 1 KWG sieht für den Sonderbeauf­ tragten bei Kreditinstituten die Haftung für jede Fahrlässigkeit vor. Um andererseits die Aufgabenwahrnehmung als Vertreter nicht mit prohibitiven Haftungsrisiken zu belasten und qualifiziertes Personal nicht abzuschrecken, sollten die Haftungsbegrenzungen der §§ 144 AktG, 323 HGB, die auch für besondere Vertreter angemessen sind, übernommen werden.372 Wiederum ist auch auf § 45c KWG als Vorbild zu verweisen, der in Abs. 7 Sätze 2 und 3 für den Sonderbeauftragten bei Kreditinstituten ebenfalls eine Haftungs­ begrenzung regelt. Die Ansprüche gegen besondere Vertreter sind künftig zudem ausdrück­ lich in den Anwendungsbereich der §§ 147 f. AktG einzubeziehen, damit sie effektiv durchsetzbar sind und der besondere Vertreter spürbaren Haftungs­ risiken ausgesetzt ist.373 Straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Sondertatbestände des Aktien­ rechts (§§ 399 ff. AktG) finden nach zutreffender Auffassung bisher auf den Sondervertreter keine Anwendung.374 Das ist rechtspolitisch nicht sachge­ recht. Wenn der besondere Vertreter ähnlich einem Sonderprüfer Zugriff auf de lege ferenda Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 230. Haftung im geltenden Recht eingehend Humrich, Der besondere Vertre­ ter (2013), S. 150 f., der die Sorgfalts-, Verschwiegenheits- und Treuepflichten der Organmitglieder gem. §§ 93 Abs. 1, 116 AktG analog auf den Sondervertreter an­ wenden möchte; auch G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 55; Nietsch, ZGR 2011, 589, 621: Haftung für einfache Fahrlässigkeit de lege lata. 371  So ohne nähere Begründung Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 511. 372  De lege lata werden die Grenzen nicht übertragen; so auch Nietsch, ZGR 2011, 589, 621: Unbeschränkte Haftung. 373  Für eine analoge Anwendung bereits de lege lata Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 115; dagegen Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 39. 374  Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 97; für § 404 AktG auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 587. 369  Dafür 370  Zur



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Gesellschaftsinformationen hat, muss jedenfalls § 404 AktG gelten, der die Verletzung von Geheimhaltungspflichten sanktioniert und damit das zivil­ rechtlich geschützte Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft strafrechtlich flankiert.375 Besondere Vertreter müssen daher künftig in den verantwortli­ chen Personenkreis nach § 404 AktG einbezogen werden.376

V. Zugang zu prozessrelevanten Informationen Neue Überlegungen erfordert der Reformvorschlag einerseits für das Be­ stellungsverfahren: Soll eine Sonderprüfung dem Vorverfahren nicht mehr im Regelfall vorausgehen, könnte sich die Darlegungs- und Beweislasthürde des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG – der „Verdacht“, verstanden als über­ wiegende Wahrscheinlichkeit eines Schadens und einer Pflichtverlet­ zung377 – als zu hoch erweisen. Des Weiteren ist zu klären, welche Informationsrechte der besondere Vertreter haben muss, um eine effektive Anspruchsdurchsetzung nach Ab­ schluss des Vorverfahrens betreiben zu können. 1. Informationsgewinnung im Bestellungsverfahren Das Gericht nach § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG von einer überwiegen­ den Wahrscheinlichkeit einer Pflichtverletzung zu überzeugen, ist ohne vo­ rangehende Sonderprüfung378 eine „Herkulesaufgabe“ für außenstehende Aktionäre.379 Wenn etwa eine unternehmerische Entscheidung Verfahrensge­ 375  Zu dieser Funktion des § 404 AktG Schaal, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2011), § 404 Rn. 2. 376  Mock, AG 2008, 839, 849. 377  Vgl. dazu oben Kapitel 2, § 8 V. 1. 378  Zur regelmäßigen Erforderlichkeit einer Sonderprüfung, um der Darlegungsund Beweislast gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG zu genügen G. Bezzenberger/ T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 150; Mock, in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 29. 379  Kritisch auch Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 959: „Die Antrag­ steller werden ihrer diesbezüglichen Darlegungslast im Allgemeinen ohne eine Son­ derprüfung kaum nachkommen können.“; kritisch bereits Bork, in: Hommelhoff/ Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, RWS-Forum 10 (1998), S. 53, 62 (zum „dringen­ den Verdacht“ entsprechend § 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des KonTraG), der darauf verweist, dass für die Aktionäre mit dem „Verdacht“ höhere Anforderungen gelten als für die Aktiengesellschaft. Denn die Gesellschaft könne sich bei einer Klage gegen das Verwaltungsorganmitglied auf die Beweislastumkehr gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG stützen; a. A. aber etwa Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 231, der den einfachen – im Gegensatz zum dringenden – Verdacht für eine ausgewoge­ ne Zugangshürde hält.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

genstand ist, müssen sie schon im Vorverfahren Verdachtstatsachen zu einem fehlerhaften Entscheidungsprozess darlegen, besonders zur unzureichenden Informationsgrundlage (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dazu mangelt es ihnen jedoch an Einblick in die gesellschaftsinternen Entscheidungsverfah­ ren.380 Es muss auch bedacht werden, dass die Richter die Pflichtverletzung gerade bei Abschluss des Vorverfahrens noch für überwiegend wahrschein­ lich halten müssen.381 Mögen die Aktionäre auch zu Beginn des Vorverfah­ rens mit rudimentären Informationen aus Zeitungsberichten und anderen ihnen zugänglichen Quellen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit darlegen können, kann sich das Blatt im weiteren Verfahrensverlauf leicht wenden, wenn die Organmitglieder und die Gesellschaft unter exklusivem Zugriff auf die Gesellschaftsunterlagen einseitig entlastende Umstände in das Ver­ fahren einführen. Die Folge kann sein, dass die Wahrscheinlichkeit damit wieder unter das erforderliche Maß absinkt. Mit dieser Darlegungs- und Beweislastverteilung wird die ratio der Be­ weislastumkehr des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG gerade für die Aktionäre außer Kraft gesetzt.382 § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG beruht auf der Prämisse, dass sich die gegen ein Organmitglied prozessierende Gesellschaft in einem Be­ weisnotstand befindet: Es sei sachwidrig, der Gesellschaft die Darlegungsund Beweislast für die Pflichtwidrigkeit des Organhandelns aufzubürden, da diese mangels erforderlicher Materialien „oft nicht in der Lage sein wird, die zur Begründung der Pflichtwidrigkeit nötigen Tatsachen zu beweisen“.383 Die Aktionäre mittels der Verdachtshürde beweisrechtlich schlechter zu stellen als die Gesellschaft, überzeugt nicht.384 Dem Ziel, Anteilseigner zu Anträgen zu motivieren, ist dieser Rechtszustand abträglich. Ob es zwingende Gründe des Gesellschaftswohls gibt, die Hürde des „Ver­ dachts“ mit der geltenden Darlegungs- und Beweislastverteilung beizubehal­ ten, bedarf kritischer Würdigung. Einmal könnte die Hürde unabdingbar sein, um übermäßigen Antragstellungen ohne Erfolgsaussicht vorzubeugen.385 Sie 380  Dazu oben Kapitel 2, § 10 I. (Einleitung) sowie I. 3. b) (mit konkretem Beispiel). 381  Trölitzsch/Gunßer, AG 2008, 833, 836 (zu § 142 Abs. 2 AktG). 382  Kritisch wie hier bereits Bork, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, RWS-Forum 10 (1998), S. 53, 62 (zum „dringenden Verdacht“ entsprechend § 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des KonTraG). 383  Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 180. 384  Kritisch wie hier bereits Bork, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, RWS-Forum 10 (1998), S. 53, 62 (zum „dringenden Verdacht“ entsprechend § 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des KonTraG). 385  Vgl. Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 176 (die anders als hier einen Verzicht auf die Beweislast mit einer steigenden Missbrauchsgefahr in Verbindung bringt, darunter aber auch Fälle fasst, in denen



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abzuschmelzen, könnte Aktionäre demgegenüber einladen, sich mit dünner Tatsachenkenntnis in Zulassungsverfahren zu stürzen.386 Indes ist auch an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass solcher Übermut im Regelfall bereits durch nennenswerte Prozesskostenrisiken ausgebremst werden kann.387 Zum anderen mag es noch rechtsmissbräuchlich ausgerichteten Klägern in die Karten spielen, von einer Darlegungslast für die Verdachtstatsachen befreit zu sein.388 Organwalter in zeitraubende Verfahren zu verstricken, wird von Darlegungslasten freigestellten Antragstellern naturgemäß ungleich leichter fallen.389 Wie gezeigt, ist das Missbrauchsrisiko aber insgesamt als gering einzustufen.390 Daher darf es nicht als hinreichender Grund gelten, um sich einer Senkung der Darlegungshürde zu versperren. Zwei Reformvarianten drängen sich auf. Einerseits könnte eine Umkehr der Beweis- und damit Darlegungslast bereits im Vorverfahren Abhilfe schaffen. Alternativ ist zu erwägen, das Vorverfahren dem aktionärsfreund­ lichen Untersuchungsgrundsatz zu unterstellen. a) Umkehr der Beweislast entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG Bork hat vorgeschlagen, die Beweislast (und damit auch die Darlegungs­ last) für die Verdachtstatsachen bereits im Bestellungsverfahren entspre­ chend § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG umzukehren.391 In der Folge müsste die Gesellschaft die Tätigkeit des bestellten Sondervertreters finanzieren, ob­ wohl Verdachtstatsachen für eine Pflichtverletzung und einen Schaden nicht bewiesen werden konnten. Diese Belastung der Gesellschaft überzeugt nicht.392 Allgemein gilt, dass die größere Sachnähe einer Verfahrenspartei – Aktionäre das Verfahren „auf gut Glück“ anstrengen); zu § 142 Abs. 2 AktG vgl. ferner Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 287; allgemein zur Klageabwehrfunktion der Substantiierungslast Stürner, Aufklärungspflicht (1976), S. 112 ff. 386  Dahingehend Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 176, die von „auf gut Glück“ angestrengten Klageverfahren ausgeht (hier ist nicht ganz klar, ob und wie Döring diese Fälle zu den ebenfalls dort thematisier­ ten rechtsmissbräuchlichen Verfahren abgrenzt). 387  Vgl. grundsätzlich zum Zivilprozess auch Stürner, Aufklärungspflicht (1976), S. 262, der ausführt: „[D]as Kostenrisiko eignet sich zur Verhinderung mutwilliger Prozessführung […].“; zur Steuerungswirkung des Kostenrisikos bei der Diskussion der Quorumshürde s. bereits oben Kapitel 3, § 12 II. 1. b) bb). 388  Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 176. 389  Allgemein Stürner, Aufklärungspflicht (1976), S. 113 f. 390  Dazu oben Kapitel 3, § 12 II. 1. b) aa). 391  Bork, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, RWS-Forum 10 (1998), S. 53, 62. 392  Im Ergebnis gegen eine Übertragung des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG auf das Vorverfahren auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

hier der Gesellschaft im Vergleich zu den Minderheitsaktionären – kein hinreichender Grund ist, die Beweislast umzukehren.393 b) Geltung des Untersuchungsgrundsatzes nach dem FamFG Stattdessen sollte der Gesetzgeber die Informationsasymmetrie ausglei­ chen, indem er für das Bestellungsverfahren den Untersuchungsgrundsatz einführt.394 Dies ist zu erreichen, indem er das Bestellungsverfahren dem FamFG und damit auch dem Untersuchungsgrundsatz des § 26 FamFG unterstellt. Ob der anzustrebende Ausgleich der Informationsasymmetrie im neuen Recht allein aufgrund der Anwendbarkeit der §§ 26 f. in der Praxis funktionieren würde, bedarf allerdings näherer Erörterung. aa) Die Sachverhaltsaufklärung und Beweisführung im neuen FamFG-Vorverfahren: Vorteile und Grenzen Das Gericht muss gem. § 26 FamFG von Amts wegen alle entscheidungs­ relevanten Tatsachen ermitteln und die Beweismittel beschaffen.395 Die Akti­ onäre haben in der Folge im neuen Bestellungsverfahren lediglich Tatsachen darzulegen, die dem Gericht „Ermittlungsansätze“ geben.396 Das entspricht dem, was außenstehende Aktionäre aufgrund von Zeitungsberichten und an­ deren ihnen zugänglichen Informationsquellen zu leisten imstande sind. Eine Schlüsselfunktion für die Informationsgewinnung im neuen FamFGVerfahren wird § 27 FamFG zukommen: Er verpflichtet die Gesellschaft als Partei des Bestellungsverfahrens zur Mitwirkung, wobei sie auch Tatsachen­ angaben machen und Beweismittel benennen muss.397 (2014), S. 176, mit dem Argument, dass Aktionäre sonst in der Erwartung, dem Organmitglied werde es misslingen, sich zu exkulpieren, Vorverfahren ins Blaue anstrengen. 393  Allgemein Stürner, Aufklärungspflicht (1976), S. 5. 394  Dafür schon G. Bezzenberger, zitiert bei Kramer, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, RWS-Forum 10, (1998), S. 75, 77; vgl. ders., in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 75, die Bedeutung der Mitwirkung der Gesellschaft bei der Sachverhaltsaufklärung für das Verfahren der Bestellung eines besonderen Ver­ treters gem. § 147 Abs. 3 AktG i. d. F. des KonTraG betonend; vgl. zum Ausgleich von Informationsnachteilen durch den Untersuchungsgrundsatz im Spruchverfahren Emmerich, in: FS Tilmann (2003), S. 925, 932; Puszkajler, KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), Vorbem. §§ 7 – 11, Rn. 23. 395  Ulrici, in: MüKo FamFG, 2. Aufl. (2013), § 26 Rn. 6; vgl. auch Stürner, Aufklärungspflicht (1976), S. 128. 396  Vgl. zu diesem Verständnis des § 26 FamFG oben Kapitel 2, § 10 I. 1. c) aa) (2). 397  Ulrici, in: MüKo FamFG, 2. Aufl. (2013), § 27 Rn. 4.



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Einschränkend ist allerdings zu konstatieren, dass das Gericht die Mitwir­ kung der Gesellschaft gem. § 27 FamFG ohne besondere Regelung etwa im AktG nicht mit Zwangsmitteln durchsetzen könnte.398 Möglich sind prozessuale Sanktionen gegen eine Partei, die nicht mitwirkt.399 Ob prozes­ suale Sanktionen genügenden Druck zur Mitwirkung erzeugen, muss als unsicher gelten.400 Wie bereits festgestellt, ist der Schluss von einer unter­ lassenen Mitwirkung des die Gesellschaft vertretenden Organmitglieds auf das Bestehen einer Tatsache, die den Haftungstatbestand bzw. im Vorverfah­ ren den Verdachtsgrund ausfüllt, nicht immer möglich.401 Gegenüber dem geltenden Recht wird die prozessuale Aufklärung zwar etwas erleichtert, wenn das Gesetz de lege ferenda von der Interessenabwä­ gung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG Abstand nimmt, wie hier vorge­ schlagen wird.402 Die Streichung der Abwägungskautele enthält dann die Wertung, dass das Aufklärungsinteresse bei grob fahrlässigen und vorsätzli­ chen Pflichtverstößen Vorrang vor Geheimhaltungsinteressen der Gesell­ schaft haben soll.403 Dieser Wertungswandel wird sich auch und gerade im Rahmen der Erfüllung der Mitwirkungspflicht der Gesellschaft gem. § 27 FamFG durch die Mitglieder des diese vertretenden Verwaltungsorgans 398  Vgl. allgemein Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf, FGG-Reform­ gesetz, BT-Drucks. 16/6308, S. 186, re. Sp.; Gomille, in: Haußleiter, FamFG (2011), § 27 Rn. 2; Ulrici, in: MüKo FamFG, 2. Aufl. (2013), § 27 Rn. 7. 399  Für eine freie Beweiswürdigung einer Aussageverweigerung Beteiligter BayOblG vom 13.10.1978  – BReg. 1 Z 111/78, BayOblGZ 1978, 319, 324; MeyerHolz, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. (2014), § 33 Rn. 18, nach dem „eine unterblie­ bene Einlassung als Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht (§ 27) bei der Entschei­ dung frei zu würdigen ist“; Prütting, in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. (2013), § 27 Rn. 10 (mit dem Amtsermittlungsgrundsatz vereinbar); Wasmann/Rosskopf, ZIP 2003, 1776, 1777; möglicherweise auch Gomille, in: Haußleiter, FamFG (2011), § 27 Rn. 2, der allgemein auf die Möglichkeit verweist, dass „verfahrensrechtliche Nachteile“ eintreten; kritisch zur Beweiswürdigungslösung und für eine Fiktion als Folge einer Verletzung prozessualer Aufklärungspflichten Stürner, Aufklärungs­ pflicht (1976), S. 242 ff. und speziell für die Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz S. 252 ff.; dagegen wohl Bumiller, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Aufl. (2015), § 27 Rn. 3: „Ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten hat wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes keine prozessualen Folgen.“ 400  Wie hier für die Durchsetzung von Mitwirkungspflichten der Gesellschaft gem. § 7 SpruchG J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 7 SpruchG Rn. 10. 401  Stürner, Aufklärungspflicht (1976), S. 242; und bereits oben § 10 I. 3. d) aa). 402  s. oben Kapitel 3, § 12 III. 2. 403  Es erfolgt damit eine Rückkehr zu der Prämisse, die der BGH in seiner Entscheidung aus 1982 – vor Einführung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG – zu § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG aufgestellt hatte: Der Vorstand werde sich „in aller Regel nicht darauf berufen dürfen, eine Offenlegung der für ein richtiges Urteil über seine Amtsführung maßgebenden Tatsachen könnte für die Gesellschaft nachteilig sein“; BGH vom 29.11.1982  – II ZR 88/81, BGHZ 86, 1, 19.

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auswirken: Von der Zumutbarkeit einer Mitwirkung404 ist im Fall der Strei­ chung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG nämlich grundsätzlich auszuge­ hen, auch wenn überwiegende Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft bestehen. Aber auch bei einer Beweiserhebung,405 namentlich bei Fragen der Zumutbarkeit der Vorlage von Gesellschaftsunterlagen (§ 142 Abs. 1 ZPO),406 des Zeugnisverweigerungsrechts bei Zeugenvernehmungen (§§ 373 ff. ZPO) sowie der Zumutbarkeit bei Parteivernehmungen (§§ 445 ff. ZPO), wirkt sich der Paradigmenwechsel aus. Zu beachten ist jedoch folgende Einschränkung: Die vorgeschlagene Streichung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG besagt im systematischen Kontext mit dem Merkmal des „Verdachts“ gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG nur, dass überwiegende Gründe einer Anspruchsdurchsetzung dann nicht entgegengehalten werden können, wenn Pflichtverletzung und Schaden überwiegend wahrscheinlich sind. Im Vorverfahren steht aber noch nicht fest, ob sich ein „Verdacht“ ergeben wird. Diese Ungewissheit öffnet nun auch bei Umsetzung der vorgeschlagenen Rechtsänderung einen Spalt für Einwände, der Mitwirkung an Sachaufklärung und Beweiserbringung stünden überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls entgegen. Denn an­ dernfalls wäre eine gesellschaftsschädigende Mitwirkungs- und insbesonde­ re Aufdeckungspflicht auch dort gegeben, wo eine Pflichtverletzung im Ergebnis ganz fernliegt. Das wäre ersichtlich unverhältnismäßig. Die Streichung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG de lege ferenda un­ terstellt, kann das am Verfahren als Vertreter der Gesellschaft oder als Zeuge beteiligte Organmitglied folglich die Frage, ob das Verfolgungs- das Geheimhaltungsinteresse überwiegt, differenziert beantworten: Ist es nach seinen Erkenntnissen gewiss oder jedenfalls überwiegend wahrscheinlich, dass eine grob fahrlässige Pflichtverletzung vorliegt, muss es nach der neu­ en gesetzlichen Wertung nach Streichung des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG zwingend an der Sachaufklärung mitwirken, auch wenn die wirtschaftlichen Nachteile eines Bekanntwerdens von Tatsachen für die Gesellschaft über­ wiegen.407 Hat es nach Ausschöpfung zumutbarer Erkenntnismöglichkeiten 404  Verpflichtet sind Beteiligte zur Mitwirkung nur im Rahmen des Zumutbaren; Ulrici, in: MüKo FamFG, 2. Aufl. (2013), § 27 Rn. 4; das macht es grundsätzlich möglich, Geheimhaltungsinteressen einzuwenden. 405  Gem. §§ 29, 30 FamFG kann das Gericht den Freibeweis erheben oder eine förmliche Beweisaufnahme durchführen. Letzterenfalls gelten die Vorschriften der ZPO entsprechend; Ulrici, in: MüKo FamFG, 2. Aufl. (2013), § 29 Rn. 3. 406  Zur Anwendbarkeit im FamFG-Verfahren Sternal, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. (2014), § 30 Rn. 109. 407  Naheliegenderweise sind die Mitglieder des zuständigen Verwaltungsorgans unter den genannten Voraussetzungen verpflichtet, den Anspruch im Namen der Gesellschaft selbst zu verfolgen. Solange ein entsprechender Beschluss nicht gefasst



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lediglich Anhaltspunkte, aber keine Gewissheit, muss für seine Abwägungs­ entscheidung im Rahmen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG408 ein „Je-destoAnsatz“ gelten: Je wahrscheinlicher der zumindest grob fahrlässige Pflicht­ verstoß ist, desto eher wird es Informationen im Vorverfahren offen legen müssen. Unter Umständen kann bereits ein Anfangsverdacht genügen, um diesen Vorrang des Aufklärungsinteresses zu „aktivieren“.409 Bei weitrei­ chenden Nachteilen einer Aufdeckung von Tatsachen für die Gesellschaft kann dies aber anders liegen.410 Das Gericht muss sich unter neuem Recht für seine prozessualen Abwägungsentscheidungen wie bei der Anordnung der Urkundenvorlegung (§ 142 Abs. 1 ZPO) ebenfalls besagter „Je-destoFormel“ bedienen. Kontroversen über den Geheimnisschutz im Vorverfahren werden folglich weiterhin nicht ganz zu vermeiden sein. Sinnvoll ist vor diesem Hintergrund eine über §§ 27 FamFG, 142 ZPO hinausgehende Pflicht der Gesellschaften, dem Gericht der Sachverhaltsauf­ klärung dienliche Dokumente wie Vorstands- und Aufsichtsratsprotokolle sowie auch Verträge, betriebswirtschaftliche Gutachten u. a. schon zu einem frühen Verfahrensstadium411 vorzulegen, wenn das Gericht es verlangt. Anleihen für diesen Ansatz sind bei § 7 Abs. 7 SpruchG412 zu nehmen. Diese Norm geht weiter als § 142 Abs. 1 ZPO: Das Gericht kann die Vor­ lage der Unterlagen anordnen, ohne dass eine Partei auf sie Bezug genom­ men haben muss.413 Zudem wird für das Spruchverfahren als ausreichend erachtet, dass die herausverlangten Unterlagen typischerweise zur Bewer­ ist und daher die Aktionäre die Anspruchsverfolgung betreiben, bestehen die hier beschriebenen Mitwirkungspflichten. 408  s. bereits oben § 10 I. 3. d) aa). 409  Mit dem Problem, wie sich der bloße Verdacht zum Vorrang eines Aufklä­ rungsinteresses verhält, musste sich auch der BGH in einer Entscheidung zu § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG befassen. Das Gericht entschied: „Wenn […] objektiv begründete Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung vorliegen, der Vorstand dies weiß oder erkennen muß und nicht schon ein wirksames Eingreifen des Auf­ sichtsrats zu erwarten ist, wird sich der Vorstand in aller Regel nicht darauf berufen dürfen, eine Offenlegung der für ein richtiges Urteil über seine Amtsführung maß­ gebenden Tatsachen könnte für die Gesellschaft nachteilig sein.“; BGH vom 29.11.1982  – II ZR 88/81, BGHZ 86, 1, 19. 410  Die Organmitglieder sind dann aufgrund ihrer Pflichten gegenüber der Ge­ sellschaft gehalten, je nach prozessualer Situation die Mitwirkung bei der Sachver­ haltsaufklärung (§ 27 FamFG) zu verweigern, sich als Zeugen auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu berufen oder eine Parteivernehmung zu verweigern (§ 446 ZPO). 411  Die Bedeutung der Frühzeitigkeit für das Spruchverfahren betont Puszkajler, KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), Vorbem. § 7 Rn. 51. 412  Die Verpflichtung kann gem. § 7 Abs. 8 SpruchG durch ein gem. § 35 FamFG festzusetzendes Zwangsgeld oder durch Zwangshaft durchgesetzt werden; dazu J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 7 SpruchG Rn. 10. 413  Puszkajler, in: KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), § 7 Rn. 54.

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tung erstellt werden.414 Entsprechend niedrige Hürden der Dokumentenvor­ lage sollten auch für das Vorverfahren neuen Rechts gelten, damit sich die Kammer frühzeitig ein objektives Bild von dem möglichen Pflichtverstoß machen kann. Nach dem Vorbild des § 7 Abs. 7 Satz 2 SpruchG sollten die Gerichte den Antragstellern aber bestimmte Gesellschaftsunterlagen vorenthalten können, wenn ein überwiegendes Geheimnisschutzinteresse der Gesellschaft besteht. Der gerichtlichen Entscheidung Tatsachen zugrunde zu legen, zu denen sich die Aktionäre als Antragsteller nicht äußern konnten, ist allerdings nicht mit ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) vereinbar.415 Ein Kompromiss zwischen rechtlichem Gehör der Aktionäre und dem Geheim­ nisschutzinteresse der Gesellschaft ist indes dahingehend möglich, dass das Gericht den Aktionären durch eine zusammenfassende, gleichsam „geheim­ nisschonende“ Darstellung eine Stellungnahme ermöglicht.416 bb) Elemente des Beibringungsgrundsatzes im Bestellungsverfahren Der Untersuchungsgrundsatz (§ 26 FamFG) hilft den Aktionären im vor­ liegend entwickelten neuen Bestellungsverfahren. Seine Schattenseite ist, dass er zugleich den Gesellschaften schaden könnte. Er könnte dazu beitra­ gen, die Bestellungsverfahren in die Länge zu ziehen. Nahe liegt, das Ver­ zögerungspotential durch Verfahrensvorschriften einzuhegen. Dazu bietet sich an, ausgewählte Vorschriften des SpruchG für das Bestellungsverfahren zu übernehmen.417 Abweichend von der bloßen Soll-Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 FamFG sollten die Aktionäre ihren Bestellungsantrag begründen müssen (vgl. § 4 Abs. 2 SpruchG). Es ist dabei nicht zu verlangen, dass die Antragsteller bereits in ihrer Antragsschrift Tatsachen darlegen, aus denen sich ein Ver­ dacht i. S. d. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG ergibt. Als Mindestinhalt sollten sie in ihrer Antragsschrift aber Tatsachen darlegen müssen, die dem Gericht 414  Meilicke/Heidel,

DB 2003, 2267, 2271. dieser grundrechtlichen Problematik statt vieler Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, 7. Aufl. (2013), § 7 SpruchG Rn. 14. 416  Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 7. Aufl. (2013), § 7 SpruchG Rn. 14; dem folgend Puszkajler, in: KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), § 7 Rn. 76; Kubis, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2010), § 7 SpruchG Rn. 22; a.  A. Winter, in: Simon, SpruchG (2007), § 7 Rn. 93, der dem Gericht nur erlauben möchte, seiner Entschei­ dung die Informationen zugrunde zu legen, die den Antragstellern günstig sind. 417  Für eine Reform des Verfahrens nach § 142 Abs. 2 AktG auch Jänig, Son­ derprüfung (2005), S. 304. 415  Zu



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konkrete Ansätze für die Ermittlung des Verdachts eines Schadens und einer Pflichtverletzung geben. Mit diesen Anforderungen gilt es zu verhindern, dass Aktionäre mit wenigen Sätzen und ohne jede substantielle Erläuterung ein Bestellungsverfahren in die Wege leiten können.418 Um eine Konzentration auf einen mündlichen Termin zu erreichen, sollte das Gericht das Bestellungsverfahren entsprechend § 7 SpruchG vorbereiten können.419 Namentlich sollte es die Parteien jederzeit zur Ergänzung oder Erläuterung ihres schriftlichen Vorbringens auffordern und insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen können (vgl. § 7 Abs. 5 SpruchG).420 Für die mündliche Verhandlung sollte das AktG bei § 8 Abs. 3 SpruchG Anleihen nehmen und ebenfalls § 138 ZPO für anwendbar erklären. Damit nähert sich das Bestellungsverfahren einem Streitverfahren nach der ZPO an.421 Im Besonderen hat die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge, dass das Gericht Tatsachen, die nicht bestritten werden, nicht von Amts wegen ermitteln und darüber auch nicht Beweis erheben muss.422 Schließlich ist sinnvoll, eine allgemeine Verfahrensförderungspflicht im neuen § 148 AktG zu normieren, um das Verfahren zu beschleunigen.423 In 418  Zur entsprechenden ratio des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG, nach dem die Antragsbegründung konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kom­ pensation beinhalten muss, s. nur Mennicke, in: Lutter, UmwG, 5. Aufl. (2014), § 4 Rn. 1. 419  Für des Prüferbestellungsverfahren des § 142 Abs. 2 AktG de lege ferenda wohl auch Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 304, der sich für die Übernahme der Konzentration auf den ersten mündlichen Termin ausspricht. 420  Zwar soll eine Fristsetzung zur Stellungnahme bereits nach der allgemeinen Regel zur Verfahrensleitung, § 28 Abs. 1 Satz 1 FamFG, möglich sein; so Sternal, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. (2014), § 28 Rn. 4; Ulrici, in: MüKo FamFG, 2. Aufl. (2013), § 28 Rn. 16. Dennoch empfiehlt sich eine ausdrückliche Regelung der Frist­ setzungsbefugnis im AktG, um einen zweifelsfreien Anknüpfungspunkt für die eben­ falls zu regelnden prozessualen Sanktionen bei nicht fristgerechter Erklärung zu schaffen. Eine Fristversäumnis im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat näm­ lich keine nachteiligen Konsequenzen für den Säumigen; so Ulrici, a. a. O. 421  Für das SpruchG Drescher, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 8 SpruchG Rn. 2. 422  Für das SpruchG Drescher, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 8 SpruchG Rn. 3; Puszkajler, in: KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), § 8 Rn. 43 und 46. Für die besondere Bedeutung der Anwendbarkeit des § 138 Abs. 3 ZPO für das Spruchverfahren vgl. Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf zum Spruchver­ fahrensneuordnungsgesetz, BT-Drucks. 15/371, S. 15, re. Sp. 423  Für eine Reform des Prüferbestellungsverfahrens gem. § 142 Abs. 2 AktG wohl auch Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 304; vgl. zum Zweck der Verfahrensbe­ schleunigung für das Spruchverfahren Mennicke, in: Lutter, UmwG, 5. Aufl. (2014), § 9 Rn. 1; Puszkajler, in: KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), § 9 Rn. 1.

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Anlehnung an § 9 Abs. 1 SpruchG,424 der sich seinerseits an § 282 ZPO orientiert,425 hat dann jeder Beteiligte in der mündlichen Verhandlung und bei deren schriftlicher Vorbereitung seine Anträge sowie sein weiteres Vor­ bringen so zeitig vorzubringen, wie es nach der Verfahrenslage einer sorg­ fältigen Verfahrensführung entspricht. Eine Schlüsselrolle kommt folgender Maßnahme zu: Nicht rechtzeitiges Vorbringen sollten die Gerichte im Bestellungsverfahren neuen Rechts ent­ sprechend § 10 Abs. 2 SpruchG, der wiederum in § 296 ZPO sein Vorbild hat,426 zurückweisen können.427 Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG ist insoweit entsprechend § 10 Abs. 3 SpruchG nicht anzuwenden. Haben die Aktionäre z. B. Einblick in Vorstandsprotokolle erhalten und können daher substantiiert zu Tatsachen vortragen, welche die Pflichtverlet­ zung betreffen, müssen sie das frühzeitig tun. Wie die Regierungsbegrün­ dung zum SpruchG deutlich herausstellt, rechtfertigt diese Annäherung an den Beibringungsgrundsatz jedoch nicht, von Amtsermittlungen abzusehen, wenn ein Beteiligter eine Tatsache aus nachvollziehbaren Gründen nicht vortragen kann.428 Für solche Tatsachen, von denen die Aktionäre keine Kenntnis haben können, bleibt es daher bei der Amtsermittlung. 2. Zugang zu Informationen durch besonderen Vertreter Die bisher ausschließlich richterrechtlich entwickelten Informationsrechte des besonderen Vertreters sind Quell weitreichender Rechtsunsicherheit. Künftig ist eine Regelung dieser bedeutsamen Rechte im Gesetz zweck­ mäßig. 424  Für die Einordnung des § 9 Abs. 1 SpruchG als allgemeine Verfahrensförde­ rungspflicht Mennicke, in: Lutter, UmwG, 5. Aufl. (2014), § 9 Rn. 1 f. 425  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf zum Spruchverfahrensneuord­ nungsgesetz BT-Drucks. 15/371, S. 16, li. Sp.; Puszkajler, in: KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), § 9 Rn. 1. 426  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf zum Spruchverfahrensneuord­ nungsgesetz BT-Drucks. 15/371, S. 16, li. Sp.; Drescher, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 10 SpruchG Rn. 2; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 7. Aufl. (2013), § 10 SpruchG Rn. 1. 427  Entsprechend für eine Reform des Prüferbestellungsverfahrens gem. § 142 Abs. 2 AktG wohl auch Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 304. 428  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf zum Spruchverfahrensneuord­ nungsgesetz BT-Drucks. 15/371, S. 16, li. Sp.: „Diese Regelung berechtigt das Ge­ richt allerdings nicht, Ermittlungen zu Tatsachen zu unterlassen, die ein Beteiligter aus objektiven Gründen nicht vortragen kann.“; Mennicke, in: Lutter, UmwG, 5. Aufl. (2014), § 10 Rn. 8; vgl. auch Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 7. Aufl. (2013), § 10 SpruchG Rn. 13, der § 10 Abs. 1 und 2 SpruchG restriktiv auslegen möchte, um den Anwendungsbereich des § 26 FamFG vor zu tiefen Einschnitten zu verschonen.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren303

a) Informationsrechte Der besondere Vertreter sollte sowohl Auskunfts- als auch Einsichtsrech­ te erhalten. aa) Allgemeiner Teil der Informationsrechte Zunächst sind Grundsätze darzustellen, die gemeinsam für Auskunftsund Einsichtsrechte gelten. (1) E  rforderlicher funktionaler Bezug der Information zur Anspruchsdurchsetzung Eine Begrenzung der Rechte des besonderen Vertreters ergibt sich aus seiner Funktion, Ersatzansprüche durchzusetzen.429 Dieser funktionale Be­ zug darf aber nicht dazu verleiten, die Informationsrechte von vornherein eng zu fassen: Die Sachverhaltsaufklärung und Beweismittelgewinnung durch den besonderen Vertreter verspricht nur Erfolg, wenn die Anforderun­ gen an die Förderlichkeit der jeweils begehrten Information für die An­ spruchsdurchsetzung nicht überspannt werden. Andererseits muss aber auch eine uferlose „Ausforschung“ der Gesellschaft durch den besonderen Vertre­ ter vermieden werden. Das Meinungsbild in Literatur und Rechtsprechung zum geltenden Recht ist zersplittert, was eine gesetzliche Regelung erstrebenswert macht. Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur verlangt einen eindeutigen unmittelba­ ren Bezug der begehrten Informationen zu dem Sachverhalt, der den durch­ zusetzenden Ansprüchen zugrunde liegt.430 Andere fordern eine Unverzicht­ barkeit431 oder objektive Erforderlichkeit432 der Information für die An­ 429  De lege lata eingehend Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 599 ff. und 623; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 45. 430  OLG München vom 28.11.2007  – 7 U 4498/07, AG 2008, 172, 175: Unter­ lagen, die „eindeutig einen unmittelbaren Bezug zu den im Hauptversammlungsbe­ schluss genannten Sachverhaltskomplexen aufweisen“; Dauner-Lieb/Winnen, in: FS Kanzleiter (2010), S. 119, 137; Fabritius, in: GS Gruson (2009), S. 133, 147; Winnen, Innenhaftung (2009), S. 312: Informationen müssten mit Ansprüchen „unmittel­ bar in Zusammenhang stehen“. 431  Wirth, in: FS Hüffer (2010), S. 1129, 1143: Lediglich seien dem Vertreter „die Beweismittel an die Hand zu geben, die für eine Prozessführung unerlässlich sind“; ebenfalls Hüffer, ZHR 174 (2010), 642, 680: Auskünfte, die für eine „sach­ dienliche Rechtsverfolgung unverzichtbar sind“. 432  Klar Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 50: Für „objektiv und vernünftig betrachtet nicht erforderlich[e]“ Maßnahmen zur prozessbezogenen

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

spruchsdurchsetzung. Die andere Seite des Meinungsspektrums versagt Aus­ kunfts- und Einsichtsrechte nur, wenn der Vertreter Informationen verlangt, die offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Anspruchsverfolgung stehen.433 Das Landgericht München I setzt vermittelnd die Notwendigkeit zur Durchsetzung der Ansprüche voraus, gesteht dem besonderen Vertreter jedoch einen weiten Ermessensspielraum für die Beurteilung dieser Notwen­ digkeit zu, der nur auf Missbrauch gerichtlich kontrollierbar ist.434 Folgte das Gesetz künftig der derzeit wohl herrschenden Auffassung und verlangte die Erforderlichkeit oder gar Unverzichtbarkeit der Information, engte es den Informationszugriff des Vertreters zu sehr ein.435 Im Besonderen verschlösse es dem Vertreter diejenigen Informationsquellen, deren Ausschöp­ fung für die Anspruchsdurchsetzung, speziell die Beweisführung, lediglich förderlich (im Sinne von hilfreich) wäre.436 Der Vertreter muss demgegenüber z. B. auch mehrere Beweismittel für eine Tatsache zusammentragen dürfen; daher wäre es nicht hinnehmbar, wenn ihm der Vorstand etwa den Zugriff auf eine beweiserhebliche Urkunde der Gesellschaft mit dem Argument verwei­ gern könnte, der Vertreter halte schon ein anderes Mittel (z. B. ein anderes Dokument) für den Beweis der betreffenden Tatsache in den Händen.437 Das vom OLG München ausformulierte Erfordernis eines unmittelbaren Bezugs ist in anderer Hinsicht problematisch. Manche Informationsquellen lassen sich erst entdecken, wenn zuvor andere ausgeschöpft wurden. Ein mittelbarer Bezug zum Haftungssachverhalt sollte daher de lege ferenda genügen, wenn der Vertreter zunächst entferntere Informationen benötigt, um sich die unmittelbar prozessrelevanten Informationen zu erschließen.438 Aufklärung soll die Verwaltung die Unterstützung verweigern können; für ein objek­ tives Verständnis wohl auch Hirschmann, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 147 Rn. 10; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 9. 433  G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 57. 434  LG München I vom 06.09.2007  – 5HK O 12570/07, AG 2007, 756, 757; dem folgend Spindler, in: K. Schmidt/Lutter,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 33: „Ermessensspielraum […], der vom Gericht nur auf Rechtsmissbrauch hin überprüft werden kann“; für ein „gewisses Ermessen“ auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 626. 435  Kritisch auch Nietsch, ZGR 2011, 589, 612; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 626. 436  Vgl. auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 626, die vertreten, der Sondervertreter müsse ein gewisses Ermessen haben, um den Prozess zweckmäßig vorbereiten zu können. 437  Vgl. nochmals zum Ermessen des Vertreters bei der Beurteilung der Zweck­ mäßigkeit der Verfahrensvorbereitung Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 626. 438  Für das Einsichtsrecht des Sonderprüfers Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 12: „Der Sonderprüfer kann […] auch Unterlagen einse­



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren305

Nicht angemessen ist schließlich ein objektives Verständnis der Förder­ lichkeit von Informationen. Erstens lassen die Formulierungen offen, ob ein Ex-post- oder Ex-ante-Maßstab anzulegen ist. Ob eine Quelle objektiv för­ derlich für die Prozessführung ist, kann nur bewerten, wer den Inhalt der Urkunde oder der begehrten Auskunft bereits kennt. Richtigerweise sollte es daher im neuen Recht auf eine Ex-ante-Beurteilung eines durchschnittlichen besonderen Vertreters ankommen: Würde dieser sich Aufklärung von dem Informationsmittel versprechen, muss es sich der besondere Vertreter er­ schließen dürfen. Zweitens lässt das objektiv gefasste Kriterium eine Beur­ teilungsprärogative des Vertreters vermissen.439 Ohne eine solche leistete das Gesetz Streit zwischen dem besonderen Vertreter und der Verwaltung über die Reichweite der Informationsrechte Vorschub. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zum Vorbild nehmend, sollte in der Konsequenz des Vorstehenden normiert werden, dass Informationen zu erteilen sind, wenn der besondere Vertreter „vernünftigerweise annehmen darf“, dass die­ se für eine Durchsetzung der Ansprüche förderlich sind.440 (2) Problem der Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte Rechtspolitisch brisant ist, ob Organmitglieder Auskünfte gegenüber dem besonderen Vertreter verweigern können sollten, die sie der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen. Unredlichkeiten oder grobe Pflichtverstöße ste­ hen stets in der Nähe zum Untreuestraftatbestand (§ 266 StGB).441 Gegen­ über dem Sonderprüfer sollen die Organmitglieder nach einem Teil der Li­ teratur ein Auskunftsverweigerungsrecht haben.442 Nach einer Gegenauffas­ sung besteht demgegenüber eine Auskunftspflicht, doch sollen die Auskünf­ te im Strafverfahren unverwertbar sein.443 hen, die den Prüfungsgegenstand nur mittelbar betreffen, da sich dadurch die zu prüfenden Vorgänge oftmals erst in ihrer Gesamtheit darstellen.“; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 9, der meint, „eine vorherige Sondie­ rung des Umfelds zur Aufhellung der prüfungsgegenständlichen Vorgänge wird häu­ fig unerlässlich sein“. 439  Für ein Ermessen auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 626. 440  Nicht zum Vorbild zu nehmen ist daher die Formulierung des §  145 Abs. 2 AktG, die auf ein objektives Verständnis der Notwendigkeit deutet und erst durch die Lehre umständlich dahingehend konkretisiert werden muss, dass ein Be­ urteilungsspielraum besteht; für einen solchen Spielraum etwa G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 145 Rn. 19. 441  Vgl. Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 14. 442  G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 145 Rn. 20; Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 17; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 145 Rn. 17.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Dass das geltende Recht diese bedeutende Frage weder für Sonderprüfer noch besondere Vertreter löst, ist ein beklagenswerter Rechtszustand. Für den besonderen Vertreter sollte im künftigen Recht eine gesetzliche Rege­ lung getroffen werden. Dabei sollte der Gesetzgeber ein Auskunftsverwei­ gerungsrecht der Organmitglieder ablehnen. Das allgemeine Persönlichkeits­ recht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG) der Organmitglieder verlangt dann allerdings, den zivilrechtlichen Auskunftszwang mit einem strafprozessualen Verwertungsverbot zu verbinden.444 Den reich vorhandenen Vorbildern etwa der §§ 19 Abs. 8 MarkenG, 140b Abs. 8 PatG oder 101 Abs. 8 UrhG fol­ gend, sollte ein solches Verwertungsverbot in das AktG aufgenommen werden.445 bb) Kreis der zur Auskunft Verpflichteten Von Bedeutung und im geltenden Recht wiederum weitgehend umstritten ist schließlich, gegen wen sich die Auskunftsrechte des besonderen Vertre­ ters richten. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur räumen dem Vertreter ein Auskunftsrecht lediglich gegenüber der Gesellschaft ein.446 Der besondere Vertreter muss sich für die Erfüllung dieses Anspruchs an den Vorstand als Gesamtorgan halten.447 Das Meinungsbild in der Literatur ist im Übrigen bunt, was eine gesetz­ liche Lösung sinnvoll macht: Es werden einzelne Mitglieder des Vorstands,448 der Aufsichtsrat als Organ bzw. auch seine einzelnen Mitglie­ 443  Holzborn/Jänig, in: Bürgers/Körber,  AktG, 3. Aufl. (2014), § 145 Rn. 6; Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 363 f.; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2014), § 145 Rn. 66 f.; Spindler, in: K.  Schmidt/Lutter, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 14. 444  BVerfG vom 13.01.1981  – 1 BvR 116/77, NJW 1981, 1431, 1433; Beckhaus, Informationsdefizite (2010), S. 373; vgl. auch Böse, Wirtschaftsaufsicht (2005), S. 546, der eine unbedingte Auskunftspflicht mit Verwertungsverbot als eine „alter­ native […] Lösungsmöglichkeit“ zum Auskunftsverweigerungsrecht apostrophiert. 445  Zu einem allgemeinen Formulierungsvorschlag für das Zivilprozessrecht Beckhaus, Informationsdefizite (2010), S. 401. 446  Schon RG vom 04.11.1913  – II 297/13, RGZ 83, 248, 250 f.; OLG München vom 28.11.2007  – 7  U  4498/07, AG 2008, 172, 176; aus der Literatur etwa Fabritius, in: GS Gruson (2009), S. 133, 147; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 9; Wirth, in: FS Hüffer (2010), S. 1129, 1151. 447  OLG München vom 28.11.2007  – 7 U 4498/07, AG 2008, 172, 176, wonach die Gesellschaft die Auskunftspflichten „über ihren Vorstand“ erfüllen muss; aus der Literatur Fabritius, in: GS Gruson (2009), S. 133, 147; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 9. 448  Deutlich G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 57; auch Hüffer, ZHR 174 (2010), 642, 680; für eine Auskunftspflicht der Organmitglieder



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren307

der449 und weitergehend sogar die Angestellten der Gesellschaft450 oder gar alle sonst der Gesellschaft zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichte­ ten Personen451 für auskunftspflichtig gehalten. Für Mitarbeiterauskünfte vertreten einige Autoren, dass der Vertreter das Auskunftsbegehren an den Vorstand zu richten habe, der die Mitarbeiter dann zur Auskunftserteilung gegenüber dem Vertreter anweisen müsse.452 Nicht immer wird deutlich, ob die Personen bzw. Organe als solche Auskunftsschuldner sind oder sie le­ diglich die Auskunftspflichten der Gesellschaft erfüllen.453 auch Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 93; Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 104; einschränkend Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 645: Nur wenn „besondere Gründe dies erfordern“; unter Bezug­ nahme auf den „Vorstand“ als solchen, ohne ausdrücklich deutlich zu machen, ob das Organ oder seine Mitglieder persönlich verpflichtet sind Dauner-Lieb/Winnen, in: FS Kanzleiter (2010), S. 119, 139; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 50; Spindler, in: K.  Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 29. 449  Ausdrücklich für Pflicht der Mitglieder G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 57; Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 93; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 104: „Auskunfts- und Prüfungsrecht gegenüber allen Mitgliedern […] des Aufsichtsrats“; einschränkend Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 645: Nur wenn „besondere Gründe dies erfordern“; unter Bezugnahme auf den „Aufsichtsrat“ als solchen, ohne ausdrücklich deutlich zu machen, ob das Organ oder (auch) seine Mitglieder persönlich verpflich­ tet sind Dauner-Lieb/Winnen, in: FS Kanzleiter (2010), S. 119, 139; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 50; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 29. 450  Dafür G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 57; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 104; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 50; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 29; einschränkend Dauner-Lieb/Winnen, in: FS Kanzleiter (2010), S. 119, 140, die den besonderen Vertreter primär auf den Vorstand und den Aufsichtsrat verweisen und den Durchgriff auf Mitarbeiter nur im „absoluten Ausnahmefall“ gestatten wollen; gegen eine Mitarbeiterauskunftspflicht noch Winnen, Innenhaftung (2009), S. 312. 451  So weit geht G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 147 Rn. 57; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 50; Spindler, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 29 (die beiden Letztgenannten bezogen auf Abschlussprüfer). 452  Kling, ZGR 2009, 190, 218; J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 147 Rn. 9: „Namentl. Befragung von Mitarbeitern darf nicht eigenständig erfolgen, son­ dern nur über Vermittlung des Vorstands […].“; vgl. für die Auskunft gegenüber dem Sonderprüfer nur J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 145 Rn. 3; Liebscher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 145 AktG Rn. 3. 453  Vgl. etwa die Ausführungen bei Spindler, in: K. Schmidt/Lutter,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 29, der u. a. auch Arbeitnehmer und Abschlussprüfer für (unmittelbar) auskunftspflichtig hält, für die klageweise Durchsetzung der Aus­ kunftsrechte dann aber in Fn. 169 auf RG vom 04.11.1913  – II 297/13, RGZ 83, 248, 252 verweist, wo gerade nur die Gesellschaft zur Auskunftsverpflichteten und Klagegegnerin erkoren wird.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Die Rechtsprechung zu den Rechten des nach § 147 Abs. 2 Satz 1 oder 2 AktG bestellten besonderen Vertreters, nach der die Gesellschaft auskunftspflichtig ist und ausschließlich der Vorstand als Gesamtorgan diese Pflicht erfüllt, überzeugt rechtspolitisch nicht. Das Interesse der Gesellschaft an wirkungsmächtiger Durchsetzung ihrer Haftungsansprüche spricht dafür, weitere Wissensträger aus dem Umfeld der Gesellschaft zur Auskunft zu verpflichten.454 Nach dem Vorbild des § 145 Abs. 2 Akt sollten daher je­ denfalls die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats auskunftspflich­ tig sein, und zwar, insofern abweichend von § 145 Abs. 2 AktG,455 ein­ schließlich ehemaliger Organmitglieder, ohne deren Auskünfte der besonde­ re Vertreter zeitlich weit zurückliegende Schadensfälle oft nicht aufklären kann.456 Die Auskunftspflicht der einzelnen Organmitglieder ist dann wichtig, wenn der besondere Vertreter gerichtsverwertbare Zeugenaussagen einzelner Organmitglieder bereits im Vorfeld prüfen will.457 Auch Ab­ schlussprüfer458 und Sonderprüfer459 sollten einer Auskunftspflicht unterlie­ gen. Alldiese Personen sollten persönlich verpflichtet sein. Um einer Nicht­ erfüllung der Pflichten vorzubeugen, ist das Zwangsgeldverfahren gem. §§ 407 Abs. 1 AktG, 388–391 FamFG auf die Informationspflichten gegen­ über besonderen Vertretern zu erstrecken.460 Eine Neuregelung des Zwangs­ 454  Entsprechende Überlegungen für eine Reform der Auskunftsrechte des Son­ derprüfers Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 365 ff. 455  Eine Auskunftspflicht ausgeschiedener Organmitglieder gegenüber dem Son­ derprüfer ablehnend G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 145 Rn. 18, der jedoch auf nachwirkende Treuepflichten der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft verweist; der Vorstand sei verpflichtet, „diese Auskünfte für den Son­ derprüfer herbeizuführen“; ebenfalls auf nachwirkende Treuepflichten verweisend, die Frage der Nutzbarmachung dieser der Gesellschaft geschuldeten Informationen für den Sonderprüfer aber offenlassend J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 145 Rn. 3; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 15; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 11; differenzierend Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 145 Rn. 14, der aufgrund nachwirkender Treue­ pflicht eine (scheinbar direkt gegenüber dem Prüfer bestehende) Auskunftspflicht annimmt, „wenn die Kenntnisse des früheren Organmitglieds für die Beurteilung der zu prüfenden Vorgänge unerlässlich sind“. 456  Zur Auskunftspflicht ausgeschiedener Organmitglieder gegenüber der BaFin, die Vorgänge bei Kreditinstituten prüft (§ 44 Abs. 1 KWG), Schmitz, in: Luz/Neus/ Schaber/Schneider/Weber, KWG, 2. Aufl. (2011), § 44 KWG Rn. 27. 457  Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 645. 458  Für Auskunft gegenüber dem Sonderprüfer de lege ferenda Jänig, Sonderprü­ fung (2005), S. 367 f. 459  Vgl. zum Problem mangelnder Ausschöpfbarkeit der Erkenntnisse des Son­ derprüfers durch den besonderen Vertreter Nietsch, ZGR 2011, 589, 618. 460  Dieses Verfahren sieht das Gesetz vor, um die Pflichterfüllung des Vorstands gegenüber Aufsichtsrat und Sonderprüfern etwa gem. §§ 90, 111 Abs. 2 und 145 AktG zu erzwingen. Die Obergrenze des Zwangsgelds von derzeit 5.000 Euro (§ 407



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geldverfahrens muss über den Vorstand hinaus sämtliche auskunftspflichti­ gen Personen miteinbeziehen.461 Oftmals werden gerade Mitarbeiter, allen voran leitende Angestellte mit enger Berührung zur Vorstandsebene, über wertvolles Wissen zur Entstehung der Gesellschaftsschäden verfügen.462 Als „moderne“, sich dieser Einsicht öffnende Regelung kann erneut auf § 45c Abs. 1 Satz 3 KWG für den Son­ derbeauftragten bei Kreditinstituten verwiesen werden. Dazu hat der Gesetz­ geber betont, dass kein sachlicher Grund ersichtlich sei, Mitarbeiter nicht für Auskünfte heranzuziehen.463 Allenfalls könnten Mitarbeiterauskünfte das Lo­ yalitätsgefüge und das Vertrauensverhältnis zwischen dem Vorstand und den darunter liegenden Mitarbeiterebenen erschüttern.464 Zu beherzigen ist je­ doch, dass dem Gesellschaftsinteresse noch weniger gedient wäre, wenn der besondere Vertreter eine große Anzahl von Mitarbeitern als Zeugen für das Klageverfahren benennen müsste, in der Hoffnung, mit den Zeugenaussagen einiger Mitarbeiter den Beweis für haftungsbegründende Tatsachen führen zu können. Es ist sinnvoller, wenn der besondere Vertreter intern ermitteln kann, welche Mitarbeiter über prozessrelevantes Wissen verfügen und Tatsachen bezeugen können. Daher sollte der Gesetzgeber eine unmittelbare Auskunfts­ pflicht gegenüber dem Vertreter normieren. Diese Pflicht sollte nur gelten, soweit die Information aus vertretbarer Ex-ante-Sicht des besonderen Vertre­ ters von Mitgliedern der Verwaltungsorgane oder sonstigen vorrangig aus­ kunftspflichtigen Personengruppen nicht erlangt werden können.465 I 2 AktG) ist allerdings nicht mehr zeitgemäß angesichts der Einkommen der Vor­ standsmitglieder im Millionenbereich. Es muss erhöht werden, um Wirkkraft zu entfalten; so Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 376. Für eine analoge Anwendung des § 407 AktG auf den Sondervertreter bereits de lege lata nunmehr Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 700. 461  Für die Auskunft gegenüber dem Sonderprüfer de lege ferenda auch Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 376. Es entspricht z. B. auch dem Bankaufsichtsrecht, dass Verstöße gegen die Pflicht zur Auskunftserteilung (vgl. § 44 Abs. 1 KWG) einheit­ lich gegen sämtliche verpflichtete Personen – dort allerdings als Ordnungswidrigkei­ ten – sanktioniert werden (vgl. § 56 Abs. 3 Nr. 9 KWG). 462  Vgl. nur Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 366, der auf das erhebliche „Insi­ derwissen“ von Angestellten verweist. 463  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur weiteren Fort­ entwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BT-Drucks. 14/8017, S. 127, li. Sp.; ebenfalls Schwennicke, in: Schwennicke/Auer­ bach, KWG, 2. Aufl. (2013), § 44 Rn. 5. 464  Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 369; vgl. zu Berichten von Mitarbeitern an den Aufsichtsrat gem. § 90 AktG auch Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 90 Rn. 39, wonach sich der Aufsichtsrat vorrangig an den Vorstand halten muss, um „die Autorität des Vorstandes nicht zu untergraben“. 465  Für eine Subsidiarität von Mitarbeiterauskünften de lege lata Dauner-Lieb/ Winnen, in: FS Kanzleiter (2010), S. 119, 140 (zu § 147 AktG); zu einem entspre­

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

b) Weitere Rechte Für den durch Hauptversammlungsbeschluss oder nach § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG bestellten besonderen Vertreter ist umstritten, ob er ein Haus­ recht hat, die Grundstücke und Gebäude der Gesellschaft frei zu betreten.466 Ihm dieses Recht zu verwehren, überzeugt nicht. Es ist unabdingbar für zügige und effiziente Ermittlungen. Auch dem Sonderbeauftragten für Kre­ ditinstitute gewährt § 45c Abs. 1 Satz 3 KWG ausdrücklich das Recht, Geschäftsräume des Instituts zu betreten. Entsprechendes muss für den be­ sonderen Vertreter im AktG normiert werden. Zudem sollte ausdrücklich467 eine Pflicht des Vorstands geregelt werden, die Dokumenteneinsicht und sonstige Aufklärungshandlungen des besonde­ ren Vertreters aktiv zu unterstützen, wie es die Lehre in Bezug auf Son­ derprüfer468 und teilweise auch besondere Vertreter469 vertritt. Vorbild einer Regelung sollte § 45c Abs. 1 Satz 4 KWG sein. Der Vorstand muss na­ mentlich Büroräume und Hilfskräfte zur Verfügung stellen470 und z. B. die erforderlichen Geräte bereithalten, um elektronische Daten einsehbar zu machen.471

chenden Subsidiaritätsgrundsatz für die (ausnahmsweise bestehende) Berichtspflicht der Mitarbeiter gegenüber dem Aufsichtsrat gem. § 90 AktG Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014) § 90 Rn. 15. 466  Dafür de lege lata Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 94; Verhoeven, ZIP 2008, 245, 248; dagegen OLG München vom 28.11.2007  – 7 U 4498/07, AG 2008, 172, 176; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 634; Schröer, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2013), § 147 Rn. 50; Spindler, in: K.  Schmidt/Lutter,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 33: Kein „Zutrittsrecht zu den Geschäftsräumen“. 467  Zur bereits de lege lata ohne gesetzliche Grundlage angenommenen Förder­ pflicht des Vorstands Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 649. 468  G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 145 Rn. 9; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014) § 145 Rn. 4; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 13; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 145 Rn. 8. 469  Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 649. 470  Für den Sonderprüfer G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 145 Rn. 9; für den besonderen Vertreter Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 649 (in Bezug auf Räumlichkeiten). 471  Für den Sonderprüfer G. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (1999), § 145 Rn. 9; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. (2014) § 145 Rn. 4; für den besonderen Vertreter Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 649.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren311

VI. Kostenrisiken und Anreize Mit einer überzeugenden Regelung des Anreizproblems steht und fällt der Erfolg jeder Reformbemühung.472 1. Kritik des geltenden Rechts Um die Anreizsituation der Aktionäre im geltenden Klagezulassungs- und Klageverfahren darzustellen, soll sie mit derjenigen bei einer Zivilklage des Anspruchsinhabers verglichen werden. Die Darstellung vereinfacht insofern, als sie von risikoneutralen Klägern ausgeht und Verlustaversionen ausklam­ mert.473 Üblicherweise wird eine Zivilklage erhoben, wenn der Erwartungswert der Klage (Ek) für den Kläger positiv ist.474 Dieser Erwartungswert berech­ net sich wie folgt:475 Auszugehen ist von der vom Kläger angenommenen476 Wahrscheinlichkeit eines Klageerfolgs (pk), die mit dem realisierbaren477 Teil der Forderung (F) multipliziert wird. Davon sind einmal die entspre­ chend der Unterliegenswahrscheinlichkeit (1 – pk) gewichteten Verfahren­ skosten (Kk) abzuziehen, die der Kläger im Unterliegensfall gem. §§ 91 ff. ZPO tragen muss. Ferner sind diejenigen Kosten zu subtrahieren, die nicht gem. §§ 91 ff. ZPO auf den unterliegenden Klagegegner umgelegt werden können (Nk) und daher in jedem Fall beim Antragsteller verbleiben.478 Da­ runter fallen nicht-erstattungsfähige Vorbereitungskosten etwa der Informationsbeschaffung,479 die private Mühewaltung,480 ferner Opportuni­ 472  Wie hier etwa Schmolke, ZGR 2011, 398, 434: „Wem rechtspolitisch an einer praktisch wirksamen Aktionärsklage gelegen ist, der muss […] vor allem die posi­ tiven Anreize für ein Tätigwerden der Aktionäre verbessern […].“ 473  Verlustaversion bezeichnet das Phänomen, dass Personen Verluste höher ge­ wichten als Zuwächse in demselben Umfang; Englerth, in: Engel/Englerth/Lüde­ mann/Spiecker genannt Döhmann, Recht und Verhalten (2007), S. 60, 85; vgl. ein­ gehend unten Kapitel 3, § 12 VI. 2. c) dd) (2). 474  Eingehend Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, 2. Aufl. (2004), S. 349, 352 ff.; ders., AG 2000, 396, 398; auch Schmolke, ZGR 2011, 398, 404 ff. 475  Zu den nachfolgenden Berechnungen Adams, AG 2000, 396, 399. 476  Um das Verhalten des Klägers vorherzusagen, ist zutreffenderweise auf des­ sen subjektiv angenommene Obsiegenswahrscheinlichkeit abzustellen; so Adams, Ökonomische Theorie des Rechts, 2. Aufl. (2004), S. 349, 352. 477  Maßgeblich kommt es für die Realisierbarkeit auf das Schuldnervermögen und die Deckungssummen etwaiger D&O-Versicherungen an. 478  Speziell für die Aktionärsklage Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 143. 479  Adams, AG 2000, 396, 405; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 242; dazu auch Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 143.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

tätskosten481 sowie der emotionale Stress eines Verfahrens.482 Diese Kosten werden gerade bei Aktionärsklagen als hoch angesehen.483 Es ergibt sich die Berechnungsformel:484 Ek = pk · F – (1 – pk) · Kk – Nk485

Diese Berechnungsformel erfährt bei § 148 AktG spezifische Änderun­ gen.486 Zum Ersten müssen im geltenden Recht die Kosten für das Zulas­ sungs- und das Klageverfahren auf der Kostenseite der Formel erscheinen. Vereinfachend werden im Folgenden aber zunächst allein die Kosten des Zulassungsverfahrens berücksichtigt. Diese werden in den Erwägungen der Aktionäre den Schwerpunkt bilden; auf die verbleibenden Kostenrisiken des Klageverfahrens ist aber noch zurückzukommen. Zum Zweiten sind die Aktionäre, anders als die Forderungsinhaber bei der allgemeinen Zivilklage, ökonomisch betrachtet nicht Alleineigentümer der Ersatzforderung. Am Prozessertrag haben sie nur ihrem Gesellschaftsanteil (α) entsprechend teil.487 Bereits hier sei vorweggenommen, dass auch diese verbreitete Dar­ stellung des Aktionärsinteresses als Anteil (α) an der im Erfolgsfall reali­ sierbaren Forderung (F) noch höchst ungenau ist. Denn der Schuldner leistet den Ersatz ausschließlich an die Gesellschaft, und die Aktionäre profitieren davon wenn überhaupt mittelbar über steigende Aktienkurse488 480  Adams, AG 2000, 396, 405; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 242: „Zeitauf­ wand“; allgemein Wehling, Finanzierung von Zivilverfahren (2009), S. 48 f. 481  Vgl. zu deren Relevanz nur Kahnert, AG 2013, 663, 664 f.: „Nicht nur die Prozesskosten, sondern auch die Opportunitätskosten, können sich […] als prohibitiv erweisen.“ 482  Adams, AG 2000, 396, 405: „So wird nach §  91 ZPO z. B. keine Entschädi­ gung für Ärger, Aufregung oder Angst gewährt.“ 483  Zu Recht Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 143. 484  Adams, AG 2000, 396, 399, 405. 485  Berechnungsbeispiel: Angenommen, der Kläger klagt eine Forderung von 500.000 Euro ein, die Prozesskosten im Unterliegensfall betragen 100.000 Euro, die nicht-erstattungsfähigen Vorbereitungskosten 10.000 Euro. Die Obsiegenswahrschein­ lichkeit liegt bei 50 %. Der Erwartungswert errechnet sich wie folgt: Ek = 0,5 · 500.000 Euro – (1 – 0,5) · 100.000 Euro – 10.000 Euro = 190.000 Euro. Diese Klage hätte ei­ nen deutlich positiven Erwartungswert und würde von einem rationalen Kläger erho­ ben werden. 486  Vgl. auch Schmolke, ZGR 2011, 398, 406; grundsätzlich auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 270. 487  Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S.  95, 143; Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 210; Schmolke, ZGR 2011, 398, 406. 488  Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 186.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren313

sowie Dividenden,489 wobei sich ein Gewinn der Gesellschaft nicht eins zu eins in Dividenden und Kurssteigerungen umsetzt.490 Darauf ist sogleich zurückzukommen. Zunächst wird hier – grob vereinfachend – mit der anteilsbezogenen Größe α bezogen auf die Forderungssumme kalkuliert. Dem als Minuspos­ ten gegenübergestellt werden die Prozesskosten des Zulassungsverfahrens (Kklz), in welchem die Aktionäre mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (pklz) obsiegen, sowie die nicht erstattungsfähigen Kosten (Nklz). Ideelle Motivationen der Aktionäre werden wegen ihrer anzunehmenden eher gerin­ gen Bedeutung nicht in die Berechnungsformel einbezogen.491 Demnach ist die Formel zum persönlichen Erwartungswert (E) der An­ tragsteller wie folgt zu fassen:492

E = α · pk · F – (1 – pklz) · Kklz – Nklz

Es wird deutlich sichtbar: Je geringer der Gesellschaftsanteil ist, desto weniger lohnt es sich für einen Aktionär, die Kostenrisiken und die Mühe­ waltung für ein Zulassungsverfahren auf sich zu nehmen.493 Unter Zugrundelegung dieser Formel ist die Annahme, das beschränkte Kostenrisiko des Vorverfahrens gem. § 148 Abs. 6 Satz 1 AktG sei für Ak­ tionäre im Hinblick auf ihr Eigeninteresse hinnehmbar,494 in Zweifel zu ziehen.495 Peltzer ist insofern zuzustimmen, wenn er feststellt: „Auch einen 489  Allgemein von einer nur mittelbaren Teilhabe über den Anteil ausgehend auch Weber, Die konzernrechtliche abgeleitete Aktionärsklage (2006), S. 268. 490  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 243. 491  Zu diesen Motiven und ihrem anzunehmenden geringen Gewicht noch unten Kapitel 3, § 12 VI. 2. b). 492  Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 143 (bezo­ gen auf die Kosten eines Klageverfahrens der Aktionäre). 493  Ebenfalls Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 249 f.; Schmolke, ZGR 2011, 398, 406. 494  So deutlich Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 240; auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 247: Hindernis der Prozesskostenrisiken werde durch die Kostenregeln des § 148 Abs. 6 AktG „weitgehend beseitigt“; Kahnert, AG 2013, 663, 664; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 280 (Kosten des Vorverfahrens seien verhältnismä­ ßig) sowie S. 286; auch Mock, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 23. 495  Vgl. zum Kosten-Nutzen-Verhältnis auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 791: Kostenregelung des § 148 Abs. 6 Satz 1 AktG nehme „dem Aktionär jeglichen Anreiz zur Verfolgung von Ansprüchen“; Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 957; Schmolke, ZGR 2011, 398, 406, der das negative Urteil zum KostenNutzen-Verhältnis offenbar nur auf „Splitteraktionäre“ bezieht; auch a. a. O., S. 408:

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

‚nur‘ vierstelligen Betrag zu verlieren oder ggf. für ihn in Vorlage zu treten, ist für viele Menschen ein Problem.“496 Realistisch sind zudem eher fünf­ stellige Beträge. Für die überwiegende Anzahl der Aktionäre börsennotierter Gesellschaften wird die Kosten-Nutzen-Rechnung schon allein unter Be­ rücksichtigung dieser Kostenrisiken des Vorverfahrens negativ ausfallen. Ein vereinfachendes, nicht erstattungsfähige Kosten (Nklz) ausblendendes Rechenbeispiel mag das veranschaulichen: Angenommen, den Antragsteller treffen Kosten i. H. v. 25.000 Euro, wenn er im Zulassungsverfahren unter­ liegt.497 Die im Klageverfahren realisierbare Forderung beträgt 25 Millio­ nen Euro, wobei die vom Antragsteller angenommenen Erfolgsaussichten im Klagezulassungs- und Klageverfahren 50 % betragen. Der Antragsteller ist mit 0,1 % am Grundkapital beteiligt; das ist eine gewichtige Beteiligung, der bei börsennotierten Gesellschaften oftmals ein Anlagevolumen in Milli­ onenhöhe entspricht. Er erwartet auch einen seinem Gesellschaftsanteil entsprechenden Nutzen daraus, dass die Forderung zur Gesellschaftskasse beigetrieben wird. Nach der Berechnungsformel ergibt sich der folgende persönliche Erwartungswert (E) für den Antragsteller:

E = 0,001 · 0,5 · 25 Millionen Euro – (1 – 0,5) · 25.000 Euro = 0 Euro

Selbst für diesen umfangreich beteiligten Aktionär hätte das Zulassungs­ verfahren keinen positiven Erwartungswert.498 Zwar verbessert sich der Erwartungswert mit zunehmender Größe des auf Antragstellerseite vorhan­ denen Gesellschaftsanteils, auch dann, wenn sich viele Aktionäre zusam­ menschließen, um sich die Verfahrenskosten zu teilen.499 Wie gezeigt, ist ein solcher Zusammenschluss vieler aber mit Koordinationskosten verbun­ den, die ihn unwahrscheinlich machen.500 „So ist ungeachtet des Kostenrisikos fraglich, ob das wirtschaftliche Eigeninteresse der Aktionärsminderheit allein ausreicht, damit diese zur Tat schreitet.“; deutlich im Ergebnis Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 243: Aktionärsklage als „Verlustgeschäft“; vgl. auch Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 188, der meint, die Aktionäre hätten neben dem Ersatz ihrer Prozesskosten allenfalls „eine meist unwesentliche Wertsteigerung ihrer Anteile zu erwarten“. 496  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 957. 497  Vgl. zu einem Beispiel der Berechnung der Kosten im Bestellungsverfahren Kapitel 2, § 10 V. 1. b) ee). 498  Nicht überzeugend daher Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S.  286, wenn dieser kein Anreizproblem sieht, da dem nur anteiligen Gewinn des Antragstellers „auch nur ein relativ geringes Kostenrisiko“ gegenüberstehe; zweifelhaft auch Schmolke, ZGR 2011, 398, 406, wenn dieser das Anreizproblem – offenbar nur – bei „Splitteraktionären“ sieht. 499  Bereits Großfeld, Aktiengesellschaft (1968), S. 309. 500  s. oben Kapitel 3, § 12 II. 1. a).



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren315

Nimmt man nun auf der Kostenseite der Berechnungsformel noch die Kosten des Klageverfahrens hinzu, verdüstert sich der motivationale Hori­ zont weiter. Diese Hinzunahme ist aber gerechtfertigt, werden die Aktionä­ re doch bei Antragstellung nicht gänzlich ausblenden, welche Kosten für eine Durchsetzung im Klageverfahren auf sie zukommen werden.501 Zu­ nächst werden sie erwägen, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie selbst wer­ den klagen müssen oder aber die Gesellschaft klagen wird (vgl. § 148 Abs. 3 AktG). Bei eigener Klage tragen sie ein gewisses Prozesskostenrisi­ ko deswegen, weil die Gesellschaft später zahlungsunfähig sein könnte, so dass sie mit ihrem materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (§ 148 Abs. 6 Satz 5 AktG) im Unterliegensfall ausfallen.502 Ferner besteht ein Risiko, dass die Gerichte bestimmte Kosten z. B. für einzelne Beweisauf­ nahmen als nicht erforderlich erachten und daher von der Erstattungsfähig­ keit ausnehmen.503 Klagt demgegenüber die Gesellschaft selbst (vgl. § 148 Abs. 3 AktG), entstehen den Aktionären, so sie dem Verfahren als Nebenin­ tervenienten beitreten, im Fall des Unterliegens der Gesellschaft nichterstat­ tungsfähige Verfahrenskosten. Allein für Aktionäre, die sicher davon ausge­ hen, dass die Gesellschaft selbst klagen wird und sie selbst diesem Klage­ verfahren nicht beitreten werden,504 spielen Kosten des Klageverfahrens

501  Vgl. für die Relevanz dieser Kosten auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 235 (auf die Vorschusspflicht und das da­ mit verbundene Insolvenzrisiko abhebend); entsprechend auch Kahnert, AG 2013, 663, 664; möglicherweise auch Schmolke, ZGR 2011, 398, 406, wenn dieser die „Gesamtkosten des Rechtsstreits“ berücksichtigt wissen möchte; implicite auch Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 26, wenn diese fordert, die Gesellschaft de lege ferenda unmittelbar zur Kosten­ schuldnerin für das Klageverfahren zu machen, um eine Vorleistungspflicht der Gesellschafter zu vermeiden; a.  A. tendenziell Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 281, wenn dieser konstatiert, die Aktionäre könnten das Klageverfahren „weitge­ hend frei von Kostenrisiken“ betreiben. 502  Auch Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 235; Kahnert, AG 2013, 663, 664; zu positiv die Einschätzung von Kanzow, Ak­ tionärsklagen (2016), S. 241, wenn dieser meint, die Klagezulassung würde die Aktionäre „weitgehend von Kostenrisiken […] befreien“. 503  Zur Erforderlichkeitsgrenze des materiellrechtlichen Kostenerstattungsan­ spruch oben Kapitel 2, § 10 V. 3. c); kritisch auch Kahnert, AG 2013, 663, 664, der allgemein von einem „Regressrisiko“ der Aktionäre ausgeht. 504  Dass Aktionäre planen, dem Klageverfahren der Gesellschaft nach Beiladung (§ 148 Abs. 3 Satz 3 AktG) nicht beizutreten, liegt nicht ganz fern: Die Stellung als Nebenintervenient erlaubt den Aktionären zwar eine Kontrolle der Prozessführung der Gesellschaft; doch werden manche Aktionäre darauf vertrauen, dass schon das Auge der Öffentlichkeit, angeleitet durch die Wirtschaftspresse, die Prozessführung der Gesellschaft hinreichend überwacht. In diesen Fällen ergeben sich aus dem Kla­ geverfahren keine weiteren Kostenrisiken für die antragstellenden Minderheiten.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

keine Rolle. Von diesem Fall abgesehen, aggravieren die zu erwartenden Kosten des Klageverfahrens das Anreizproblem. Weiter ist die oben entwickelte Berechnungsformel aber auch deswegen zu optimistisch, weil sie sekundäre Kosten einer Anspruchsdurchsetzung wie Reputationseinbußen, die sich bei langem öffentlichen Prozessieren einstellen, außen vor lässt. Langfristig („unternehmerisch“) ausgerichtete Aktionäre werden diese Kosten aber berücksichtigen, weil sie das Gesell­ schaftsvermögen mindern. Und kursorientierte Anlegeraktionäre börsenno­ tierter Gesellschaften werden bedenken, dass die sekundären Nachteile letztlich ihre Abdrücke im Aktienkurs hinterlassen werden,505 wenn man informationseffiziente Kapitalmärkte unterstellt.506 Im Aktienkurs werden sich also sowohl die Klageerträge als auch sämtliche Kosten der Anspruchs­ durchsetzung widerspiegeln. Die Allgemeine Begründung zum Aktiengesetz von 1884 ging sogar ausdrücklich von negativer Beeinflussung der Aktien­ kurse durch Organhaftungsklagen aus.507 Die Darstellung des Aktionärsin­ teresses als Anteil (α) an der im Erfolgsfall realisierbaren Forderung (F) ist somit für auf die Kursentwicklung fokussierte Anlegeraktionäre per se nicht treffend und für „unternehmerische“ Aktionäre nur unter der Bedingung, dass die sekundären Kosten als „Minus-Posten“ Eingang in die Berech­ nungsformel finden.508 Je höher die sekundären Kosten, desto mehr von dem an sich positiv zu bewertenden Klageertrag wird aufgezehrt. Es wird vermutet, dass Aktio­ närsklageverfahren in der Gesamtbilanz von Kosten und Nutzen oftmals keinen Vorteil für die betroffenen Gesellschaften einbringen.509 505  In Bezug auf börsennotierte Gesellschaften zu dieser Beeinflussung der Ak­ tionäre durch „Kursverlustängste“ auch Kalss, ECFR 2009, 324, 340 f.; Eckert/ Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 144. 506  Grundlegend zur Effizienzmarkthypothese Fama, in: 25 J. Financ. (1970), 383; zur Kritik aus Perspektive der behavioral finance etwa Shiller, 17 J. Econ. Perspect. (2003), 83. 507  Abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (1985), S. 470; vgl. auch das bei LG Essen vom 25.04.2012  – 41 O 45/10, ZIP 2012, 2061 herangezogene Sachverstän­ digengutachten (wiedergegeben nur bei juris, Rn. 41), nach dem bei einer Klage „eher negative Auswirkungen auf den Börsenkurs zu erwarten“ seien; auch Spindler, AG 2013, 889, 900; für eine negative Kursbeeinflussung implicite auch Kallmeyer, AG 1997, 107, 109: „Die Aktionäre haben […] ein berechtigtes Interesse daran, daß nicht durch einen öffentlichen Schadensersatzprozeß der Börsenkurs und damit der shareholder value erheblich negativ beeinflußt wird.“ 508  Vgl. auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 243: Der Vermögenszuwachs der Gesellschaft werde „sich nicht exakt in entsprechend höheren Kursen oder Dividen­ den niederschlagen“. 509  So etwa die klare Einschätzung von G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 50; Mertens, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Cor­



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Empirische Studien aus den USA und Japan zu börsennotierten Gesell­ schaften stützen diese Hypothese des Aufzehrens der primären Klageerträ­ ge, was die Reaktion der Börsen auf Aktionärsklagen anbelangt: Die Märkte bewerten diese Klagen zumindest nicht signifikant positiv, nahe­ liegenderweise aufgrund befürchteter sekundärer Nachteile. Eine jüngere Studie aus den USA, die über 190 abgeleitete Aktionärsklagen (derivative suits) auswertet, kommt zu dem Ergebnis, dass es zur Zeit der Klageer­ hebung zu statistisch signifikanten Kursverlusten von durchschnittlich 1,8 % binnen zwei Tagen – dem Tag der Erhebung der abgeleiteten Akti­ onärsklage und dem Vortag – kommt.510 Besonders signifikant fielen die Kursverluste bei Verletzungen der Treuepflicht (duty of loyality) aus, mit durchschnittlich 4  % im Zwei-Tages-Zeitraum.511 Demgegenüber waren die Kursveränderungen im Falle einer Verletzung der Sorgfaltspflicht (duty of care) insignifikant.512 Puchniak und Nakahigashi haben für 86 abge­ leitete Aktionärsklagen in Japan im Zeitraum von 1993 bis 2006 unter­ sucht, wie sich die Aktienkurse nach Klageerhebung und Verfahrensbeen­ digung veränderten. Statistisch signifikante Kurseinflüsse konnten die Au­ toren zur Zeit der Klageerhebung nicht feststellen. Die durchschnittlichen Kursveränderungen am Tag vor der Klageerhebung (–0,048 %), am Tag der Klage (+0,258 %) sowie am Tag nach der Klage (+0,020 %) waren statistisch unauffällig.513 Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte für Japan be­ reits West.514 Auch eine für die Gesellschaft günstige Verfahrensbeendigung, also ein Urteil oder ein Vergleich, dürfte diese Ergebnisse nicht umkehren. West konnte auch für Vergleichsabschlüsse signifikant positive Auswirkungen porate Governance (1996), S. 155, 159 (unter deutlichem Hinweis gerade auf die sekundären Kosten); bereits Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 296 f.; vgl. auch Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns (2007), S. 201 (für Klagen bei leichteren Sorg­ faltspflichtverletzungen); a. A. Weber, Die konzernrechtliche abgeleitete Aktio­ närsklage (2006), S. 268, der annimmt, jede erfolgreiche Klage bringe der Gesell­ schaft einen Saldonutzen. 510  Ferris/Lawless/Makhija, CORI Working Paper No. 2001/03, S. 22. 511  Ferris/Lawless/Makhija, CORI Working Paper No. 2001/03, S. 22 f. 512  Ferris/Lawless/Makhija, CORI Working Paper No. 2001/03, S. 23. 513  s. die Tabelle bei Puchniak/Nakahigashi, 45 Vand. J. Transnat’l L. (2012), 1, 73. 514  West, 30 J. Legal Stud. (2001), 351. West hat 51 Klagen untersucht, die zwischen 1993 und 1999 rechtshängig wurden und ausnahmelos an der Tokyo Stock Exchange notierte Aktiengesellschaften betrafen. Dabei hat er die Kursentwicklun­ gen an fünf Tagen (jeweils der Tag vor Klageerhebung, der Tag der Klageerhebung, der Tag nach Klageerhebung sowie der Tag und Folgetag des Prozesses im Klage­ verfahren) untersucht. An allen außer einem der Tage waren die Kursentwicklungen negativ; a. a. O., S.  359.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

auf den Aktienkurs nicht feststellen.515 Puchniak und Nakahigashi haben zwar statistisch signifikante, leicht positive Kursveränderungen bei ver­ gleichsweiser Verfahrensbeendigung erkannt.516 Allerdings waren diese Zu­ wächse insgesamt gering517 – und wären wohl zu marginal, um für Anle­ ger die Kostenrisiken aufzuwiegen.518 In den Kursgewinnen bei Vergleichs­ abschlüssen dürfte sich zudem vor allem die Erleichterung vieler Anleger spiegeln, dass das Verfahren und mit ihm die negative Öffentlichkeitswir­ kung ein Ende hat.519 Mit großer Wahrscheinlichkeit hat der Aktienkurs dann in einem Zeitraum vor der Verfahrensbeendigung sukzessive die Nachteile in sich aufgenommen, die sich daraus ergeben, dass Anleger die Fortdauer des reputationsbeeinträchtigen Prozesses als gesellschaftsschädi­ gend betrachtet haben. Und eine Kurssteigerung bei erfolgreichem Verfah­ rensabschluss wird diese vorausgegangenen nachteiligen Wirkungen auf den Kurs nicht in ein insgesamt positives Saldo wenden, wenn Anleger dem Zulassungs- und dem Klageverfahren in der Summe der Vor- und Nachteile mehrheitlich keinen positiven Wert für die Gesellschaft zu­ messen. Die mit diesen Studien verbundenen Erkenntnisse für die Bilanz der Kla­ gen – genauer: die diesbezüglichen Annahmen der Mehrzahl der Anleger – dürften sich auf nichtbörsennotierte Gesellschaften übertragen lassen, da auch hier sekundäre Kosten einer Klage häufig ins Gewicht fallen werden. Die Autoren der US-Studie520 sowie Puchniak und Nakahigashi für ihre Studie zu Japan521 vermuten denn auch, dass Anleger den Verfahren gerade aufgrund hoher Opportunitätskosten keinen positiven Nutzen für die Gesell­ 515  West, 30 J. Legal Stud. (2001), 351 hat ein Sample mit 9 Klagen, die durch Vergleich beendet wurden, herangezogen. Der Aktienkurs stieg im Durchschnitt an zwei Tagen – dem Tag des Vergleichsschlusses und dem Folgetag – um insgesamt 1,16 % (S. 363), was West als statistisch insignifikant bewertet (S. 364). 516  Die Autoren haben 17 durch Vergleich beendete Verfahren im Zeitraum zwi­ schen 1993 und 2009 berücksichtigt; s. die Tabelle bei Puchniak/Nakahigashi, 45 Vand. J. Transnat’l L. (2012), 1, 74. Auf den Tag vor dem Vergleichsschluss (–0,312 %) folgten am Tag des Vergleichs (+1.062 %) sowie am darauffolgenden Tag (+1,516 %) statistisch signifikante positive Kursentwicklungen. 517  Die Aktien stiegen über einen Zwei-Tages-Zeitraum im Schnitt um 2,6 % in ihrem Wert, Puchniak/Nakahigashi, 45 Vand. J. Transnat’l L. (2012), 1, 42. 518  Vgl. auch die Einschätzung von Puchniak/Nakahigashi, 45 Vand. J. Transnat’l L. (2012), 1, 42. 519  Puchniak/Nakahigashi, 45 Vand. J. Transnat’l L. (2012), 1, 42: „When a de­ rivative action is terminated, it saves the company’s management from protracted litigation and avoids the potential negative publicity of a trial.“ 520  Ferris/Lawless/Makhija, CORI Working Paper No. 2001/03, S. 14: „The ma­ jor cost to the firm is the opportunity cost of the management’s time.“ 521  Puchniak/Nakahigashi, 45 Vand. J. Transnat’l L. (2012), 1, 42.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren319

schaften zuweisen. Diese Kosten wie überhaupt sekundäre Nachteile fallen aber in nichtbörsennotierten Gesellschaften ebenfalls an. Nehmen Aktionäre an, dass ein Verfahren nach § 148 AktG der Gesell­ schaft in der Summe keine finanziellen Vorteile beschert, müssen nach ih­ rem Dafürhalten auch auf die Anspruchsdurchsetzung zurückführbare Divi­ denden denklogisch ausfallen. Nur am Rande sei bemerkt, dass selbst bei einem Nettogewinn aus einer Klage kein Automatismus besteht, etwaige Klagegewinne als Dividenden auszuschütten.522 In der Gesamtschau, die primäre Kosten, also Prozesskosten, sowohl des Vorverfahrens als auch der Klage einschließlich nicht erstattungsfähiger Kosten sowie auch sekundäre Kosten berücksichtigt, werden Aktionäre in vielen Fällen keinen positiven Erwartungswert (E) mit Anträgen und Klagen gem. § 148 AktG verbinden.523 Für die Rechtsanwälte sind die Anreize im geltenden Recht ebenfalls ganz nachteilhaft gestaltet. Im Zulassungsverfahren sind die Sätze der Ver­ fahrens- und Terminsgebühr gemindert. Der Streitwert ist im Regelfall auf 500.000 Euro gedeckelt.524 Eine einfache Rechtsanwaltsgebühr beträgt bei diesem Streitwert gem. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG 3.213,00 Euro. Die­ se Summe ist für die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3325 Anlage 1 RVG mit einem Satz von 0,75 anzusetzen. Der anwaltliche Aufwand für die Vorbe­ reitung und Durchführung des Zulassungsverfahrens ist aber unter Um­ ständen kaum geringer als für ein Klageverfahren525 und wird mit diesen Regeln nicht leistungsgerecht im Sinne der Markterwartungen abgegol­ 522  Zunächst steht die Kompetenz für die Gewinnverwendung der Hauptver­ sammlung lediglich für eine Hälfte des Jahresergebnisses zu; für die andere Hälfte ist die Verwaltung zuständig (§ 58 Abs. 2 Satz 1 AktG). Nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG kann die Satzung die Verwaltung außerdem ermächtigen, weitere Gewinnrücklagen zu bilden; alldies bei J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 58 Rn. 2. Letz­ teres wird in der Praxis auch häufig genutzt; so etwa Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 58 Rn. 3. Zudem kann die Verwaltung Bilan­ zierungsspielräume ausnutzen, um sog. stille Reserven zu bilden; so J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 58 Rn. 2. Die Verwaltungsorgane setzen unter Nutzung dieser Möglichkeiten oftmals eine Priorität auf Rücklagenstärkung und Selbstfinanzierung; Westermann, in: Bürgers/Körber,  AktG, 3. Aufl. (2014), § 58 Rn. 3. 523  Ähnlich wie hier, und ebenfalls eine Gesamtschau vornehmend, allerdings mit Blick auf die Kostentragung bei einer Aktionärsklage ohne Kostenerleichterun­ gen im Rahmen eines Vorverfahrens Eckert/Grechenig/Stremitzer, Ökonomische Analyse (2005), S. 95, 144 f.; vgl. bereits die oben in Fn. 495 Genannten. 524  Dazu oben Kapitel 2, § 10 V. 1. b) aa). 525  Vgl. Riegger, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, RWS-Forum 10 (1998), S. 69, 72 (zu möglichen Beweiserhebungen); s. bereits oben Fn. 316 und Fn.  318 m. w. N.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

ten.526 Dass es zum lukrativeren Klageverfahren527 der Aktionäre kommt, ist meist nicht zu erwarten. Für junge Anwälte, die sich einen Namen als Anlegerschützer machen wollen, fehlt es zudem am Anreiz eines Prestige­ gewinns, den nur ein Erfolg im Klageverfahren bringt.528 2. Lösungsansätze für Aktionäre De lege ferenda muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die antragstellen­ den Aktionäre vorteilhafter gestaltet werden.529 a) Verbesserungen durch Übergang vom Zulassungs- zum Bestellungsverfahren Entscheidet sich der Gesetzgeber für ein Bestellungsverfahren, entfallen für die antragstellenden Aktionäre die Kostenrisiken eines Klageverfahrens.530 Klagen wird nämlich allein noch der besondere Vertreter, auf Kosten der Gesellschaft. Dieser Kostenvorteil dürfte die Anreizlage für Aktionäre 526  Auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 625, die je­ denfalls für Verfahren mit gesteigerten Komplexität von einer unzureichenden Ver­ gütung ausgehen; vgl. auch Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 141, der meint, die Zulassungsverfahren dürften für die Anwälte „nur von mäßigem finanziellen Inter­ esse sein“. 527  Hinsichtlich der Berechnung der Anwaltsgebühren gilt im Klageverfahren die Obergrenze für den Gegenstandswert gem. § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG (30 Millionen Euro). 528  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 959. 529  Es ist tatsächlich bei den Kostenrisiken der Aktionäre anzusetzen. Überlegun­ gen, deren Rechtsanwälte zu den Trägern der Kostenrisiken im Vorverfahren zu machen, indem diese z. B. am Klageerfolg quota litis beteiligt werden und dafür im Gegenzug die Kostenrisiken übernehmen, scheiden aus: Dem steht de lege lata § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO entgegen. Der Rechtsanwalt soll nicht weitreichend die Prozessrisiken seiner Mandanten übernehmen, weil er so jegliche Distanz zur Ent­ scheidung – mithin seine Unabhängigkeit – verlieren könnte (dazu Kilian, NJW 2010, 1845, 1846, mit insgesamt kritischer Einschätzung dieses Zwecks). Das Ver­ bot des § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO allein für den Bereich des § 148 AktG aufzuhe­ ben, überzeugt nicht, da im anwaltlichen Berufsrecht einheitliche Wertmaßstäbe zu erhalten sind. 530  Ein ähnliches Ergebnis ohne Übergang zu einem Vertreterbestellungsverfah­ ren möchte Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 236 erreichen, indem die Gesellschaft den Aktionären für die Kosten des Klage­ verfahrens Sicherheit leisten oder diese Kosten vorschießen soll; vgl. de lege ferenda auch Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentags (2015), N 26 (Gesellschaft als unmittelbare Trägerin der Kosten des Klageverfah­ rens).



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren321

aber noch nicht durchschlagend attraktiver gestalten.531 Denn wie gezeigt sind bereits die Kosten des Vorverfahrens für sich genommen prohibitiv. Für die Kosten des Vorverfahrens532 verspricht der Übergang in die frei­ willige Gerichtsbarkeit immerhin eine maßvolle Absenkung, weil in einem künftigen Bestellungsverfahren auf Antragsgegnerseite nur die Gesellschaft als einziger Antragsgegner steht. Damit entfällt für die Aktionäre die Ge­ fahr, die Anwaltskosten gleich zahlreicher Organmitglieder auf Antragsgeg­ nerseite tragen zu müssen. Anlass, die Kostenrisiken nunmehr für gering zu erachten, gibt das mitnichten. Ohne weitere Reformmaßnahmen verbliebe es schließlich dabei, dass die Aktionäre dem Risiko kaum eingrenzbarer Kos­ ten aufgrund von Beweisaufnahmen im Vorverfahren, insbesondere für die Einholung von Sachverständigengutachten, ausgesetzt wären.533 In der Summe gewährleistet der Übergang zum Bestellungsverfahren keine hinreichende Entlastung der Aktionäre. Daher ist nach weitergehenden Reformoptionen Ausschau zu halten. 531  A. A. Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 240, die eine Eliminierung des Ausfallrisikos der Aktionäre hinsichtlich der Kos­ ten des Klageverfahrens für rechtspolitisch ausreichend erachtet. 532  Sofern keine besonderen Regeln für den Geschäftswert des neuen Bestel­ lungsverfahrens getroffen werden, ist von dem Regelgeschäftswert, den § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG bei 60.000 Euro ansetzt, auszugehen; nach § 67 Abs. 3 GNotKG kann davon aber abgewichen werden, was in der Praxis auch zu erwarten wäre und bereits bei § 142 Abs. 2 i. V. m. § 146 AktG so gehandhabt wird; letzteres bei Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2014), § 146 Rn. 24. Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 30.08.2010  – 31 Wx 24/10, AG 2010, 840 einen Ge­ schäftswert von einer Million Euro festgesetzt (Geschäftswert nur wiedergegeben bei juris, Tenor, III.). Die Kosten wären nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach Billigkeit zu verteilen; das Unterliegensprinzip, welches § 148 Abs. 6 Satz 1 AktG vorsieht, gilt indes auch im Rahmen von § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG als die Regel, jedenfalls in echten Streitverfahren wie dem Bestellungsverfahren, weshalb sich insofern ge­ genüber dem geltenden Recht wenig ändern wird; für den Fall des § 142 Abs. 2 AktG Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2014), § 146 Rn. 19; allgemein Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. (2014), § 81 Rn. 46; a. A. in der Tendenz Haußleiter, in: Haußleiter, FamFG (2011), § 81 Rn. 6: „Das Obsiegen oder Unterliegen mit ei­ nem Antrag muss aber nicht zwingend Maßstab für die Auferlegung der Kosten sein.“; differenzierend OLG Düsseldorf vom 28.03.2011  – I-3 Wx 13/11, FGPrax 2011, 207, wonach allein das Unterliegen dann die Erstattungspflicht rechtfertigt, wenn keine besonderen Umstände eine abweichende Entscheidung nahelegen. 533  Nach § 22 GNotKG (vgl. zum Anwendungsbereich § 1 Abs. 2 Nr. 1 GNot­ KG) ist der Antragsteller Kostenschuldner für die Gerichtskosten, wenn diese nicht gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG dem Antragsgegner – hier also der Gesellschaft – auferlegt werden. Und nach Nr. 31005 der Anlage Nr. 1 zum GNotKG umfassen die Gerichtsauslagen auch die nach dem JVEG zu zahlenden Beträge, und zwar in voller Höhe. Darunter wiederum fallen auch Sachverständigenauslagen; vgl. Sommerfeldt, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG (2014), Nr. 31000–31016 Kos­ tenverzeichnis, Rn. 131.

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b) Begrenzung der Kostenrisiken im Bestellungsverfahren Zu erwägen sind zunächst weitergehende Maßnahmen, um die Kostenri­ siken des Bestellungsverfahrens zu begrenzen. Ob dieser Reformpfad zu betreten ist, ist umstritten.534 Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, weitere Begrenzungsmühen seien von vornherein vergebens:535 Sogar die Aussicht, überhaupt keine Kosten tragen zu müssen, ist immer noch kein (positiver) Klageanreiz.536 Und die möglichen Vorteile, die sich die Antrag­ steller über Kursgewinne und Dividenden versprechen, dürften wie darge­ stellt zu vernachlässigen sein, wenn Aktionäre nicht häufig sogar überwie­ gende Verluste erwarten. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass Aktionäre neben finanziellen auch ideelle Ziele mit Verfahren nach § 148 AktG verfolgen:537 Umweltak­ tivisten klagen Innenhaftungsansprüche ein, wenn der Gesellschaft Bußgel­ der wegen Umweltrechtsverstößen auferlegt wurden; (selbsternannte) Akti­ onärsschützer führen musterhafte Prozesse gegen renitente Verwaltungen. Die Milderung oder Ausschaltung von Kostenrisiken könnte nun bewirken, dass sich derartiger Idealismus entfaltete. Man sollte sich daher Kostensen­ kungen nicht schlechthin verschließen. Zu beherzigen ist indes, dass Idea­ lismus selten so weit reichen dürfte, dass Aktionäre bereit wären, das Risi­ ko unwägbarer, empfindlicher Verfahrenskosten zu tragen.538 Die ausgeblie­ bene Nutzung der konzernrechtlichen Einzelklage muss jede Euphorie über uneigennützige, idealistische Antragsteller dämpfen. Auch wenn man ideelle Motive unterstellt, sie aber in ihrer Ausprägung angemessen relativiert, ist das Kostenrisiko jedenfalls weitreichend abzumildern. 534  Für Kostenbegrenzungen bei einer empfohlenen Aktionärsklage ohne Vorver­ fahren de lege ferenda spricht sich Habersack aus; Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 96; als Reformmaßnahme schlägt er „eine dem § 247 Abs. 2 AktG entsprechende Möglichkeit der Streitwertspaltung“ vor; für Kos­ tenbegrenzung auch Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 961, der u. a. vor­ schlägt, „durch eine Kombination von kostensenkenden Maßnahmen das Kostenrisi­ ko für das Zulassungsverfahren zu vermindern“; gegen Kostenbegrenzungen Be­ schlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschlusspunkt 12. g): „eine Senkung des Kostenrisikos der klagenden Aktionäre“; abgelehnt 25:39:13; gegen Kostenbegrenzungen und im Besonderen eine Streitwert­ spaltung auch Kahnert, AG 2013, 663, 664. 535  Letztlich Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 242. 536  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 242; auch Kahnert, AG 2013, 663, 664, der auf die Opportunitätskosten für eine Prozessführung verweist. 537  Eingehend zu ideellen Motiven bei abgeleiteten Aktionärsklagen Puchniak/ Nakahigashi, 45 Vand. J. Transnat’l L. (2012), 1, 11 ff. 538  Gegen ein hinreichendes Gewicht des Altruismus als Motiv für die Antrag­ stellung mit Recht Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 188.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren323

Mehrere Wege der Kostenentlastung sind denkbar. Einmal ließen sich die von den Aktionären bei Unterliegen zu tragenden gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten deckeln. Diese Maßnahme wä­ re naheliegenderweise auf börsennotierte Gesellschaften zu beschränken.539 Gerichts- und gegnerische Anwaltskosten könnten jeweils auf einen über­ schaubaren, für die Aktionäre noch tragbaren absoluten Betrag (z.  B. 2.500 Euro) begrenzt werden. Die jeweiligen Kosten im Übrigen müsste unabhängig vom Ausgang des Vorverfahrens die Gesellschaft tragen. Will man unnötigem „Austesten“ nicht Vorschub leisten, dürfte sich ergänzend empfehlen, dass die Deckelung entfällt, wenn die Gründe des §  81 Abs. 2 FamFG einschlägig sind.540 Weitergehend könnten die unterliegenden Aktionäre von allen oder eini­ gen Kostenpositionen im Regelfall ganz entlastet werden. Eine Anleihe könnte bei der Kostenregelung für das Spruchverfahren, § 15 SpruchG, genommen werden: Die Gerichtskosten schuldet der Antragsgegner, § 23 Nr. 14 GNotKG.541 Nach § 15 Abs. 1 SpruchG sind diese Kosten den An­ tragstellern nur aufzuerlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht, was indes nur bei Missbrauch sowie offensichtlicher Unzulässigkeit oder Unbegrün­ detheit des Antrags angenommen wird.542 Kosten des Antragsgegners müs­ sen die antragstellenden Aktionäre unter keinen Umständen tragen.543 Und außergerichtliche Kosten der Antragsteller können gem. § 15 Abs. 2 SpruchG nach Billigkeit dem Antragsgegner auferlegt werden.544 Rechtsvergleichend ist weiter auf Art. 105 Abs. 3 Satz 2 schweizFusG hinzuweisen. Die Norm betrifft das Verfahren, in welchem die Gerichte bei Fusionen die Angemes­ 539  s. zur besonderen Motivationslage bei der nichtbörsennotierten Aktiengesell­ schaft unten Kapitel 3, § 15. 540  Wenn etwa der Antrag von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Aktionär dies erkennen musste (vgl. § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG), würde das Ge­ richt letzterem demnach die Gesamtkosten zuweisen. 541  Dazu J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 15 SpruchG Rn. 4. 542  OLG Hamburg vom 11.09.2003  – 11 W 30/03, AG 2003, 694, 695: „Von der Ausnahmeregelung ist daher vor allem dann Gebrauch zu machen, wenn der Antrag offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist […].“; Emmerich, in: Emmerich/Ha­ bersack, 7. Aufl. (2013), § 15 SpruchG Rn. 12; Kubis, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2010), § 15 SpruchG Rn. 16; Rosskopf, in: KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), § 15 Rn. 42 f. 543  BGH vom 13.12.2011  – II ZB 12/11, AG 2012, 173, 174 f. 544  Nach einer Ansicht ist dabei „allein die Belastung der Antragsgegner mit den außergerichtlichen Kosten der Antragsteller“ der Billigkeit entsprechend; so Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 7. Aufl. (2013), § 15 SpruchG Rn. 21; bereits ders., in: FS Tilmann (2003), S. 925, 935; a. A. etwa J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 15 SpruchG Rn. 6: „[V]orzunehmende Billigkeitsentscheidung ist erfolgs­ orientiert“; Rosskopf, in: KK AktG, SpruchG, 3. Aufl. (2013), § 15 Rn. 53.

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senheit von Ausgleichszahlungen an die Anteilseigner prüfen. Die überneh­ menden Rechtsträger haben im Grundsatz sowohl die Gerichtskosten als auch die Verfahrenskosten beider Parteien zu tragen.545 Lediglich „wenn die Klage offensichtlich unbegründet ist und wenn der Kläger sich dessen hätte bewusst sein müssen“,546 kann ihn das Gericht mit den Kosten belasten (vgl. Art. 105 Abs. 3 Satz 2 schweizFusG). Kostenentlastungsansätze würden aber nicht nur sinnvolle Anträge för­ dern: Die Entbürdung von Kostenrisiken riefe absehbar auch Querulanten auf den Plan und lüde zum Austesten der Erfolgsaussichten ein.547 Das gilt besonders für den Ansatz nach Vorbild des Art. 105 Abs. 3 Satz 2 schweiz­ FusG, die Aktionäre im Regelfall ganz von Kosten freizuhalten. Natürlich ließe sich dieses Risiko eindämmen, und zwar je stärker desto mehr Kostenrisiken bestehen blieben, z. B. indem die Kosten lediglich ge­ deckelt würden. Dabei fragt sich aber, welche Kosten unter Berücksichti­ gung im Regelfall allenfalls geringer finanzieller und ideeller Motivationen der Aktionäre gerade noch zumutbar wären. Die Aufgabe lässt sich nicht überzeugend lösen: Schon (niedrige) vierstellige Summen wirkten in der Publikumsaktiengesellschaft prohibitiv; noch geringere Kostenrisiken hiel­ ten auf der anderen Seite einige Aktionäre nicht mehr hinreichend von aussichtslosen Anträgen ab. Vertretbar wäre eine radikale Drosselung der Kostenrisiken nur, wenn man es bei einem signifikanten Antragsquorum als ergänzendem Regulie­ rungselement beließe. Nur solche Aktionäre dürften antragsberechtigt sein, denen Anträge ohne Erfolgsaussicht, die letztlich Ressourcen der Gesell­ schaft vergeuden, „weh tun“. Ein Mindestaktienbesitz mit Nennwert von 545  Christ, GesKR 2010, 75, 77: „Gerichtskosten sowie Parteikosten beider Par­ teien“. 546  Gesetzesmaterialien, Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Fu­ sion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung vom 13. Juni 2000, BBl 2000, 4337, 4488; aus der Rechtsprechung Obergericht des Kantons Schaffhausen, Nr. 40/2007/43 vom 23.  Januar 2009, E. 2.a; aus der Literatur Maurer/von der Crone, SZW/RSDA 2010, 77, 78; vgl. auch Christ, GesKR 2010, 75, 77. 547  Auch Adams, AG 2000, 396, 398, der meint, dass durch eine Entlastung von Kostenrisiken „in besonderem Umfang gerade Prozesse mit geringen Erfolgsaussich­ ten wirtschaftlich vorteilhafter gemacht“ würden; Kahnert, AG 2013, 663, 664; Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 23 verbindet mit weiteren Kostenentlastungen rechtsmissbräuchliche Zulassungsan­ träge; vgl. auch Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1336, der meint, „ein gewisses Kostenrisiko im Falle des Unterliegens ist für eine kritische Selbst­ kontrolle auf Seiten der Antragsteller unabdingbar“; a. A. in der Tendenz Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 957: „Das Missbrauchspotential erscheint gering, so dass man relativ gefahrlos das Kostenrisiko noch mehr der Gesellschaft aufbür­ den könnte.“



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100.000 Euro oder gar mehr läge nahe, wirkte aber wiederum prohibitiv. Es streiten folglich gute Gründe dafür, auf ein Quorum zu verzichten und statt­ dessen auf nennenswerte Kostenrisiken als Steuerungselement gegen lästige Anträge zu setzen.548 c) Positive Anreize Misstraut man danach der Tauglichkeit kostenbeschränkender Reform­ schritte, sind positive Stimuli für antragstellende Aktionäre zu prüfen.549 Grob gesprochen sollte der Gesetzgeber einen Ausgleich für die Aufwen­ dungen und Prozessrisiken der Aktionäre im Bestellungsverfahren und bei dessen Vorbereitung, und vielleicht auch die Mühewaltung, schaffen.550 Der Vergütungsanreiz sollte so ausgestaltet werden, dass er Aktionäre auch dann zu Bestellungsverfahren motiviert, wenn sie sich von einer er­ folgreichen Klage keinen Zugewinn über Dividenden und Kurssteigerungen und auch keine ideelle Erwartungserfüllung versprechen.551 Theoretisch stringent wäre es zwar, derartige Vorteile von einem positiven Anreiz in Abzug zu bringen, um eine übermäßige Anreizsetzung zu vermeiden. Ge­ gen einen Abzug spricht aber, dass der Richter es nicht zu prüfen ver­ möchte, ob und in welchem Umfang sich gerade der Antragsteller zur Zeit seiner Antragstellung wirtschaftliche oder ideelle Vorzüge einer erfolgrei­ chen Anspruchsdurchsetzung versprochen hat. Die im Einzelfall mögliche Überincentivierung, die sich bei Außerachtlassung der vom Antragsteller 548  Dazu

oben Kapitel 3, § 12 II. 1. b) bb). erheblichen Unterschieden im Detail die Vorschläge von Wenger, AG Sonderheft August 1997, 57, 59; Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 234; Fischer, Konzern 2005, 67, 74; Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 218 (für die Reform des österreichischen Aktienrechts); Weber, Die konzernrechtliche abge­ leitete Aktionärsklage (2006), S. 267  ff.; Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S.  188 ff.; Schmolke, ZGR 2011, 398, 434 ff.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 270 ff.; vgl. auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 100 (erwägend, im Ergebnis aber ablehnend); Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 25 („Fangprämie“ sollte erwogen werden). 550  Aus der Literatur mit erheblichen Unterschieden bzgl. der Frage, was genau ausgeglichen werden soll, etwa Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 218 (die offenbar ausschließlich einen Ausgleich für die Mühewaltung – nicht auch für die Aufwendungen – der Aktionäre anstrebt); Bachmann, Gutachten E zum 70. Deut­ schen Juristentag (2014), E 101, der einer „(pauschalierten) Aufwandsentschädi­ gung“ als Ausgleich für „Kosten, Mühen und Risiken einer Klageerhebung“ (a. a. O., E 99) zuneigt, diese aber letztlich nicht empfiehlt, da „keine gravierenden Enforcement-Lücken“ bestünden; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 270 ff.: Ziel der Vergütung sei die „Kompensation des Prozessrisikos“. 551  So offenbar auch der Ausgangspunkt bei Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 270. 549  Mit

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

angenommenen eigenen Vorteile ergibt, ist im Ergebnis hinzunehmen, um das Modell praktikabel zu gestalten. Denn es wird eher die Ausnahme darstellen, dass Antragsteller mit einer Klage einen (deutlich) positiven Saldo in Bezug auf ihr Eigenvermögen verbinden. Das zeigen die bereits dargestellten Studien.552 Mit den Ergebnissen der japanischen Studie von Puchniak und Nakahiga­ shi ist es vertretbar, auf der anderen Seite auch keinen Vergütungszuschlag zum Ausgleich erwarteter Kursverluste der Aktionäre zu gewähren. Die US-Studie kam insofern zwar abweichend zu signifikanten Kursverlusten, besonders bei Treuepflichtverstößen.553 Ob sich eher diese oder die japani­ schen Erfahrungen auf Deutschland übertragen lassen, müsste sich zeigen. Jedenfalls wird man auch ohne einen Ausgleich für Kursverluste noch ge­ nügend antragsbereite Aktionäre finden: Es gibt in den Publikumsaktienge­ sellschaften regelmäßig ausreichend geringbeteiligte Aktionäre, die etwaige Kursverluste nur in „homöopathischer Dosis“ spüren würden; zudem können sich die Aktionärsvereinigungen engagieren. Für die Umsetzung sind verschiedene Anreizmodelle möglich. Einmal könnten die Aktionäre einen prozentualen Anteil an der erfolgreich durch­ gesetzten Anspruchssumme erhalten (Quota-litis-Ausgleich). Dieser wäre möglichst so zu bemessen, dass er für den Regelfall ein Äquivalent für den Aktionärsaufwand darstellt. Auf der anderen Seite könnte sich die Vergü­ tung einzelfallbezogen an dem konkreten Aufwand der Aktionäre für die Vorbereitung des Bestellungsverfahrens sowie den Prozesskostenrisiken ausrichten. aa) Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse Beträchtliche Teile der Literatur sind derlei Ansätzen bisher mit Skepsis begegnet.554 Auch der 70. Deutsche Juristentag 2014 hat „eine Beteiligung der betreibenden Aktionäre am Schadensersatz (‚Fangprämie‘) oder eine 552  s. oben

Kapitel 3, § 12 VI. 1. Kapitel 3, § 12 VI. 1. 554  Ablehnend etwa Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F  255 f.; Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 101 für den Fall, dass sich der Gesetzgeber zugleich dafür entscheidet, „zentrale Hürden der Klagezulassung [gemeint ist v. a. das Quorum] abzubauen“; Döring, Die Durchset­ zung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 252 ff.; Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 96; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S.  284 ff.; Paefgen, AG 2014, 554, 579; Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 964; Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 23; offen Spindler, AG 2013, 889, 902: „Ob damit indes nicht der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird, ist offen.“ 553  s. oben



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren327

attraktive Kostenerstattung“ abgelehnt.555 In seinem Gutachten zu diesem Juristentag hatte es Bachmann noch als „schlüssig“ bezeichnet, es einerseits bei Kostenrisiken zu belassen, die Aktionäre aber für ihre Mühewaltung und ihr Kostenwagnis zu belohnen.556 Die Bedenken lassen sich zunächst zerstreuen, was die Befürchtung zu­ nehmender rechtsmissbräuchlicher Anträge betrifft.557 Denn nur bei mindes­ tens teilweise erfolgreicher Anspruchsdurchsetzung sollen die Aktionäre in den Genuss der Vergütung kommen. Eine solche erfolgsabhängige Vergü­ tung setzt mithin keinen Stimulus für jene Kläger, die den Erfolg der Klage nicht beabsichtigen.558 Nicht gefördert werden somit „räuberische Aktionä­ re“, die sich das Antrags- bzw. Klagerecht gegen Sondervorteile abkaufen lassen und das Verfahren nicht beenden wollen. Eine gewisse das Miss­ brauchsrisiko erhöhende Wirkung könnte man allenfalls annehmen, weil die Erfolgsvergütung einen Anreiz geben könnte, „zweigleisig zu fahren“: Ent­ weder die Antragsgegner kaufen das Antragsrecht ab, oder aber die „Räu­ ber“ betreiben die Anspruchsdurchsetzung ernstlich, um wenigstens in den Genuss der erfolgsabhängigen Vergütung zu gelangen. Da aber die Erfolgs­ aussichten eines Abkaufs bei § 148 AktG insgesamt gering sind,559 droht auch in Ansehung dieser „Zweigleisigkeit“ kein Rechtsmissbrauchsrisiko, das nicht mehr hinnehmbar wäre. Aktionäre könnten jedoch aufgrund der Prämie oder Vergütung vermehrt Verfahren mit geringer Erfolgsaussicht anstrengen.560 Dagegen ist einge­ wandt worden, die Aktionäre entschieden in jedem Schadensfall nach den 555  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 12. h): Abgelehnt mit 0:71:6. 556  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 99 f. (im Ergebnis aber ablehnend). 557  Solche Bedenken äußerten zuletzt Kahnert, AG 2013, 663, 670; Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 286: „[M]anifeste Missbrauchsgefahren“; Paefgen, AG 2014, 554, 570: „Missbrauchspotential“; Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 23; vgl. auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 100, der das Missbrauchsrisiko als gering an­ sieht, aber nur, wenn weitere Hürden wie u. a. die Notwendigkeit einer Sonderprü­ fung oder das Quorum bestehen bleiben. 558  Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 189; Weber, Die konzernrecht­liche abgeleitete Aktionärsklage (2006), S. 268. 559  s. oben Kapitel 3, § 12 II. 1. b) aa). 560  Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 256, der eine Häufung auch unbegründeter Klagen befürchtet; ebenso Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 253; wohl auch Habersack, Gutachten E zum 69. Deutschen Juristentag (2012), E 96, der ausdrücklich allerdings nur von einer „Klageindustrie“ spricht, ohne die Häufung unbegründeter Klagen explizit zu erwähnen; Kahnert, AG 2013, 663, 670.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

jeweiligen Erfolgsaussichten.561 Letztere Argumentation blendet jedoch aus, dass Aktionäre selten einmal sicher vorhersagen können, wie die Landgerich­ te in den rechtlich wie tatsächlich vielschichtigen Organhaftungsverfahren entscheiden werden.562 Die Fälle überwiegen, die durch rechtliche und tat­ sächliche Unsicherheiten geprägt sind.563 Anträge in einem Bestellungsver­ fahren sind daher Investitionen mit Chancen und Risiken. Und je üppiger die Erfolgsbeteiligung der Antragsteller ausfällt, desto lohnenswerter wird es, trotz erheblicher Unterliegensrisiken einen Bestellungsantrag zu stellen.564 Die Folge ist, dass auch Verfahren mit geringen Erfolgsaussichten lukrativ werden.565 Das gilt im Speziellen für mehrfache Antragsteller (repeat players), die Verluste mit den Gewinnen aus erfolgreichen Verfahren quersubven­ tionieren.566 Eine Quersubventionierung per se ist nun aber nichts für die Gesellschaften Gefährliches. Nachteile drohen erst bei übermäßigen Anrei­ zen, die Anträge schon bei geringen Obsiegensaussichten zu einer lohnens­ werten Prozessinvestition machen. Dosis facit venenum. Es geht rechtspoli­ tisch somit darum, gerade angemessene Anreize zu setzen.567 Die Erkenntnis, dass es ein gesundes Maß gibt, fehlt bei Bachmann, wenn er die Möglichkeit der Quersubventionierung ohne weitere Differenzierung mit einer „Kultur des Verklagens“ und damit offenbar einem Klageübermaß gleichsetzt.568 Schließlich ist noch eingewendet worden, Aktionäre würden nur noch aus finanziellem Eigeninteresse entscheiden, nicht mehr aus dem Gesellschafts­ interesse heraus.569 Das ist tendenziell richtig. Doch ergibt der Appell an 561  Wenger, Diskussionsbeitrag, Verhandlungen des 63. Deutschen Juristentags (2001), O 209. 562  Nunmehr auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 101; vgl. auch Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 187 (unter Verweis auf § 148 Abs. 1 Satz  2 Nr. 4 AktG). 563  Vgl. auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 101 („Gewissheit“ bzgl. des Obsiegens sei „nie zu erlangen“); ferner auch Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 187. 564  Wie hier Kahnert, AG 2013, 663, 670. 565  Vgl. zu diesem Nachteil des Einsatzes von „profit-driven private enforcers“ Rose, 158 U. Pa. L. Rev. (2010), 2173, 2220. 566  Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag (2000), F 255 f.; dem fol­ gend Döring, Die Durchsetzung der Organhaftung durch Aktionäre (2014), S. 253; auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 101. 567  Das Erfordernis der Angemessenheit betont auch Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 219; zu pessimistisch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 108, die annehmen, ein solcher Versuch sei von Vornherein zum Scheitern verurteilt; jede Thematisierung der Frage nach einem richtigen Maß lässt etwa Kahnert, AG 2013, 663, 670 vermissen. 568  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 101. 569  Kahnert, AG 2013, 663, 670 warnt vor „Glücksrittern“; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 108.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren329

den Eigennutz keinen Einwand, solange auf andere Weise sichergestellt wird, dass das Gesellschaftsinteresse hinreichende Beachtung findet. Nach hier bevorzugtem Ansatz wird das Gesellschaftsinteresse dadurch gewahrt, dass Aktionäre eine Anspruchsdurchsetzung nicht bei jeder Pflichtverlet­ zung, sondern allein bei schwerwiegenden Verstößen erzwingen können. Das sind wie dargestellt jene Verstöße, an deren Verfolgung besondere öf­ fentliche, auf ein „hygienisches“ Aktienwesen bezogene Interessen bestehen. Prinzipielle Einwände gegen positive Stimuli sind demzufolge nicht zu erheben. bb) Ertragsbasierter Ansatz (Quota-litis-Methode) Autoren, die Reformvorschläge entwickelt haben, verfolgen überwiegend den Ansatz einer „Fangprämie“.570 Dahinter verbirgt sich schlicht, die An­ tragsteller prozentual am Klageertrag zu beteiligen (Quota-litis-Methode). Die Regelungsvorschläge beziehen sich teilweise auf Aktionärsklagever­ fahren,571 teilweise aber auch auf Verfahren zur Bestellung besonderer Vertreter.572 In der Reformdebatte hat Wenger für eine Aktionärsklage vorgeschlagen, die Aktionäre bis zu einem Viertel am Klageertrag zu beteiligen.573 Zur Vermeidung ungebührlicher Bereicherung erwägt er, die Prämie in einstelli­ ger Millionenhöhe zu kappen. Riegger hat den bislang präzisesten Vorschlag erarbeitet.574 Diesem Vor­ schlag liegt ein Verfahren der Bestellung eines besonderen Vertreters zu­ grunde. Die Minderheit, welche die Bestellung des Sondervertreters veran­ lasst hat, soll 5 % der erfolgreich eingeklagten Ersatzsumme als Prämie erhalten. Im Gegenzug soll sie auch 5 % der Kosten des Klageverfahrens tragen, wenn der besondere Vertreter unterliegt.575 Riegger stützt sich auf die Überlegung, dass die Aktionäre gleichmäßig an Chancen und Risiken beteiligt sind und insofern dem Alleininhaber der Forderung gleichstehen: Diesem kommt ebenfalls in gleichem Umfang der Klageertrag zu Gute, wie er im Unterliegensfall an den Kosten beteiligt ist – nämlich zu jeweils 100 %. Auch die Kosten des Bestellungsverfahrens sollen die Minderheits­ Begriff Fleischer, ZGR 2011, 155, 179. die Vorschläge von Wenger, AG Sonderheft August 1997, 57, 59; Fischer, Konzern 2005, 67, 74; Schmolke, ZGR 2011, 398, 434 ff. 572  So der Vorschlag bei Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 234. 573  Wenger, AG Sonderheft August 1997, 57, 59. 574  Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 234. 575  Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 235. 570  Zum 571  So

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

aktionäre im Unterliegensfall selbst tragen.576 Zudem sollen die Aktionäre auch verlangen können, dass die Gesellschaft ihnen erforderliche Vorberei­ tungskosten (z. B. im Fall der entgeltlichen Beauftragung eines Sachverstän­ digen) ersetzt.577 Eine Erfolgsprämie als Form einer geschäftsbesorgungsrechtlichen Vergü­ tung für einen Aufwand ist dem deutschen Recht längst nicht mehr fremd: Als Unterfall der nach §§ 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO, 4a RVG in Grenzen zulässigen anwaltlichen Erfolgshonorare werden auch Quota-litis-Vereinba­ rungen zwischen Rechtsanwalt und Mandant anerkannt.578 Vorteil der Einführung einer „Fangprämie“ wäre, dass sie die Vergütung leicht berechenbar machte.579 Die Aktionäre hätten Planungssicherheit. Zudem sicherte eine Fangprämie einen Interessengleichlauf: Aufgrund der Prämie wären die antragstellenden Aktionäre genauso wie die Gesellschaf­ ten an einer möglichst hohen Kompensation interessiert.580 Auf die Bestel­ lung eines besonderen Vertreters gemünzt, hätten die Aktionäre also keinen Anreiz, den ihnen bekannten und vielleicht verbundenen Vertreter zu einem schnellen Vergleich weit unter dem Erwartungswert der Forderung zu drän­ gen. Dass sich der Vorschlag auch mit einem Bestellungsverfahren vertrüge, zeigte bereits Riegger: Die Aktionäre erhielten die Prämie dann nicht für ihre Bemühungen im Klageverfahren, sondern für die Vorbereitung und Durchführung des Bestellungsverfahrens. Die vorgeschlagenen Beteiligungsquoten ließen allerdings sehr geringe Obsiegenswahrscheinlichkeiten genügen, um eine Klage oder einen Antrag wirtschaftlich zu machen.581 Der gegenüber dem Vorschlag Wengers mode­ rat anmutende Ansatz Rieggers einer Beteiligung von 5 % leitete z. B. fünf Millionen Euro in die Taschen der Aktionäre, wenn die Gesellschaft eine Summe von 100 Millionen von Organmitgliedern und D&O-Versicherern erlangte. Die Aktionäre mit ebenfalls 5 % an den Kosten des Klageverfah­ rens zu beteiligen, stellte kein angemessenes Gegengewicht zu diesen üppi­ gen Gewinnaussichten dar, zumal die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten im deutschen Recht degressiv ausgestaltet sind. 576  Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 235. Das soll nicht gelten, wenn das Gericht die Sondervertreterbestellung aus Gründen des Gesellschaftswohls ab­ lehnt. 577  Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 235 f. 578  Schons, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl. (2013), § 4a Rn. 10. 579  Zum Vorteil der Einfachheit bei der Berechnung für die Anwaltsvergütung Lapointe, 59 Fordham L. Rev. (1991) 843, 864; note, 48 Law & Contemp. Probs. (1985), 229, 254. 580  Darauf stellt Schmolke, ZGR 2011, 398, 435 ab. 581  Kritisch zum Vorschlag von Wenger auch Adams, AG 2000, 396, 407.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren331

Derart hohe Beteiligungen stellen zunächst ein Gerechtigkeitsproblem dar: Die Prämie überstiege oft um ein Vielfaches den Betrag, der erforder­ lich ist, um den Aufwand der Aktionäre und ihre Prozessrisiken im Bestel­ lungsverfahren angemessen zu vergüten.582 Als Zufallsgewinne (windfall profits) gebrandmarkte „Fangprämien“ könnten zudem das Ansehen des § 148 AktG herabsetzen583 und auch von den Richtern abgelehnt werden. Die Richter könnten auf die „Geschmack­ losigkeit“ eines Zufallsgewinns gar mit einer Verkleinerung des Kreises der Pflichten der Unternehmensleitung reagieren.584 Wahrscheinlich käme es nach dem Leitsatz abducet praedam, qui occurit prior zu einem Wettlauf der Antragsteller. Denn den Prämienanspruch hätte nur der Aktionär, der zuerst mit seinem Bestellungsantrag durchdrin­ gen würde. Ein Aktionär, der demgegenüber die Erfolgsaussichten zunächst sorgfältig prüfte, verlöre die Aussicht auf die Prämie. Jeder nicht bloß marginale Schaden wäre daher Anlass genug für einige Aktionäre, einen Antrag zu stellen. Die Nachteile für die Gesellschaften liegen auf der Hand. Der Einwand gegen eine prozentuale Beteiligung richtet sich aber nicht allein gegen die bisher vorgeschlagenen Größenordnungen, sondern ist auch prinzipieller Natur.585 Mit einer Prämie, die sich nicht am konkreten Auf­ wand und Prozessrisiko der Aktionäre orientiert, könnte der Gesetzgeber nur danebengreifen:586 Setzte er die Prämie wie Wenger und Riegger zu hoch an, schaffte er unverdiente Zufallsgewinne. Setzte er sie niedrig an, liefe er 582  Zu diesem Gerechtigkeitsproblem für die Anwaltsvergütung bei den USamerikanischen derivative suits Macey/Miller, 58 U. Chi. L. Rev. (1991), 1, 22 ff.; note, 48 Law & Contemp. Probs. (1985), 229, 252. 583  Zu einer vergleichbaren Argumentation für die Anwaltsvergütung bei der class action nach Rule 23 der Federal Rules of Civil Procedure City of die Entschei­ dung Detroit v. Grinnell Corp., 495 F.2d 448, 469 (2d Cir. 1974): „For the sake of their own integrity, the integrity of the legal profession and the integrity of Rule 23, it is important that courts should avoid awarding ‚windfall fees‘ and that they should avoid every appearance of having done so.“; The American Law Institute (ALI), Principles of Corporate Governance (Stand: April 2011), § 7.17, comment c: „Fi­ nally, such a formula may produce windfall profits […], which may evoke public criticism and erode respect for the law.“ 584  Zu diesem rechtssoziologischen Problem Coffee, 42 Md. L. Rev. (1983), 215, 228, der für die kapitalmarktrechtliche class action eine Tendenz der Gerichte an­ nimmt, „to narrow and limit substantive statutory rights, seemingly because of their distaste for the process by which the rights are enforced“; auch Schmolke, ZGR 2011, 398, 437; grundlegend Lemos, 95 Minn. L. Rev. (2011), 782, 823 ff. 585  Auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271. 586  Auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271 mit der Kritik, dass die Vergütung quota litis nicht das Prozessrisiko der Kläger reflektiere.

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Gefahr, die aufwands- und prozessrisikodeckende Entschädigung in be­ stimmten Fällen zu unterschreiten; die Folge wären ausbleibende Anträge. cc) Abwägungsmodell Weber schlägt für die konzernrechtliche Aktionärsklage eine Prämie vor, deren Höhe er in das Ermessen des Gerichts stellen möchte.587 Das Gericht soll sich u. a. am tatsächlichen Klageerfolg für die Tochtergesellschaft sowie den Bemühungen des Klägers orientieren. Schmolke möchte den Gerichten ebenfalls eine Ermessensentscheidung ermöglichen, die sich jedoch „im Rahmen einer gesetzlich festgelegten Spanne“ halten soll.588 Die Kriterien für die Ausfüllung dieses Rahmens durch das Gericht legt er nicht offen.589 Auch beziffert er die Ober- und Untergrenze seines Rahmens nicht. Er möchte eine Regelung „[g]anz ähn­ lich“ der durch das US-amerikanische Finanzmarktreformgesetz DoddFrank-Act590 neu eingefügten Sec. 21F Securities Exchange Act 1934. Die Vorschrift belohnt whistleblower, die Informationen an die US-amerikanische Börsenaufsichtsbehörde, die Securities Exchange Commission (SEC), wei­ tergeben, wenn damit Verstöße gegen Wertpapiergesetze aufgedeckt werden: Die Lieferanten der Information erhalten eine Prämie von 10 bis 30 % des jeweils gegen den Emittenten verhängten Bußgelds, Sec. 21F (b) (1) (A) und (B).591 Ob Schmolke für die Aktionärsklage nur diesen Ansatz eines Rahmens oder auch die konkreten Ober- und Untergrenzen übernehmen will, ist offen. Ein gerichtliches Ermessen ist allerdings nur dort von Vorteil, wo sich die Entscheidung an einer Vielzahl im Einzelfall abzuwägender Zumessungskri­ terien orientiert. Das Musterbeispiel ist die Strafzumessung: Nach § 46 Abs. 2 StGB sind etwa die Beweggründe und die Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, der bei der Tat aufgewendete Wille so­ wie das Vorleben des Täters zu berücksichtigen. Hier wäre jede Vorgabe, wie der Strafrahmen auszufüllen ist, fehl am Platze, weil ein starres Korsett der Einzelfallgerechtigkeit abträglich wäre. Die Lage bei der Aktionärsver­ gütung ist eine andere: Wirklich überzeugend ist nur das Bemessungskrite­ rium des Investitionsrisikos und der Mühewaltung der antragstellenden 587  Weber,

Die konzernrechtliche abgeleitete Aktionärsklage (2006), S. 268 f. ZGR 2011, 398, 434 ff. 589  Schmolke, ZGR 2011, 398, 436 deutet allerdings an, dass die Gerichte den Aufwand des Aktionärs in ihrer Abwägung berücksichtigen sollen. 590  Dodd-Frank Wall Street Reform And Consumer Protection Act, Public Law 111-203, vom 21.07.2010, 124 Stat. 1376. 591  Dazu Schmolke, ZGR 2011, 398, 435, Fn. 192. 588  Schmolke,



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Aktionäre. Diese Faktoren lassen sich, wie noch zu zeigen sein wird, zu­ mindest näherungsweise gut bestimmen. Andere Kriterien erscheinen dem­ gegenüber sachfremd: Entsprechend dem Vorschlag Webers die Höhe der erfolgreich eingeklagten Summe zu berücksichtigen, führte leicht zu frag­ würdigen Zufallsgewinnen der Aktionäre. Auch das Rahmenmodell Schmol­ kes überzeugt nicht. Zwar könnten sich die Gerichte innerhalb des Rahmens um die Festlegung einer möglichst aufwandsgerechten Vergütung bemü­ hen.592 Wenn die Vergütung aber ohnehin nach dem Aufwand bemessen werden kann und soll, bedarf es keines solchen Rahmens. dd) Konkreter aufwands- und risikobezogener Ausgleich Vorzug verdient, den Ausgleich konkret zu berechnen, und zwar anhand des tatsächlichen Vorbereitungsaufwands der Antragsteller und ihrer Pro­ zesskostenrisiken im Bestellungsverfahren.593 Rechtsdogmatisch liegt es nahe, den Anspruch in der Nähe zu den Aufwendungsersatzansprüchen von Gesellschaftern bei Wahrnehmung von Gesellschaftsinteressen (§§ 713, 670 BGB, 110 Abs. 1 HGB) zu verorten.594 Allerdings ist der hier empfohlene Aufwendungsersatzanspruch atypisch: Er wird nicht schlechterdings für die Aufwendungen und die Mühewaltung der Aktionäre im Vorverfahren ge­ währt, sondern nur im Erfolgsfall, wenn also der Gesellschaftsanspruch zumindest teilweise gerichtlich oder außergerichtlich durchgesetzt wird.595 592  Das Kriterium der Aufwandsgerechtigkeit klingt auch an bei Schmolke, ZGR 2011, 398, 436. 593  Für die Berechnung der Vergütung als Vielfaches der Prozesskosten und da­ mit auch einen Bezug zum Klageaufwand auch Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 190 f. (Vielfaches der gem. § 91 ZPO erstattungsfähigen Prozesskosten); Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271, wobei nicht ganz klar ist, ob nur die Prozess­ kosten i. e. S., oder auch der Vorbereitungsaufwand der Aktionäre mitberücksichtigt werden sollen; bereits früher auch Adams, AG 2000, 396, 407 (für Anfechtungskla­ gen): „[B]estimmtes Kostenvielfaches als zusätzlicher Gewinn“; im Ansatz auch Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 219, dort allerdings begrenzt auf den Ausgleich der Mühewaltung: „[A]ngemessenes Entgelt“ (für eine Aktionärsklage); einer aufwandsbezogenen Entschädigung zuneigend auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 100 f.: „Aufwandsentschädigung“ (im Er­ gebnis aber ablehnend). 594  Vgl. für das dortige Vergütungsmodell auch Kalss, in: Kalss/Schauer, Die Reform des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 16. ÖJT 2006, Bd. II/1, S. 219, die dieses in die Nähe zum Auftragsrecht und zur Geschäftsführung ohne Auftrag rückt. 595  Wie hier für eine Erfolgsabhängigkeit etwa Adams, AG 2000, 396, 407; Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 191; für das Quota-litis-Modell etwa Schmolke, ZGR 2011, 398, 434; für das US-amerikanische Recht der Anwaltsvergütung aus dem sog. common fund bei derivative suits McReavy, 30 Cal. L. Rev. (1942), 667, 668;

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Das erzwingt besondere Gestaltungen: Neben dem Aufwendungsersatz be­ darf es eines Ausgleichs gerade dafür, dass dieser nur im Erfolgsfall zu leisten ist.596 Gegen eine aufwandsbezogene Vergütung könnte der folgende Einwand erhoben werden: Die Vergütung werde von jener Höhe entkoppelt, in wel­ cher der besondere Vertreter den Gesellschaftsanspruch erfolgreich durch­ setzt. Der Interessengleichlauf zwischen Gesellschaft und Antragstellern werde nicht gewahrt.597 Eigennützig agierende Aktionäre könnten den auf ihren Vorschlag bestellten besonderen Vertreter bedrängen, sich möglichst früh und im Zweifel auch weit unter dem Wert des Anspruchs, mithin zum Nachteil der Gesellschaft und aller Aktionäre, zu vergleichen, um den An­ tragstellern ihre Vergütung zu sichern.598 Die Erfolgsaussichten eines sol­ chen Vorgehens der Aktionäre wären allerdings bei Lichte besehen gering. Schließlich wird der besondere Vertreter im neuen Bestellungsverfahren sorgfältig auf seine Eignung geprüft. Er haftet auch gegenüber der Ge­ sellschaft, wenn er sich über den Gesellschaftsanspruch entgegen dem Ge­ sellschaftsinteresse voreilig und erheblich unter dem Erwartungswert ver­ gleicht, ohne die Aktionäre, deren Zustimmung es gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG bedarf, über die ihm offenbare Unterwertigkeit des Vergleichs auf­ zuklären.599 Im Folgenden wird zunächst präzisiert, für welche genauen Leistungen der Aktionäre der Ausgleich zu gewähren ist. Die Ansätze in der Literatur sind unterschiedlich: Kalss möchte offenbar ausschließlich einen Ausgleich für die Mühewaltung – nicht auch für die Aufwendungen – der Aktionäre gewähren;600 Bachmann erwägt eine „Aufwandsentschädigung“, mit wel­ cher „Kosten, Mühen und Risiken einer Klageerhebung“601 ausgeglichen werden sollen; und Wagner zielt auf eine „Kompensation des Prozess­ a. A. Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 219, die dafür eintritt, dass mit der Klagezulassung auch bereits die Entscheidung fällt, dass die Aktionäre ein Entgelt für die Klageführung erhalten. 596  Vgl. nur Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271. 597  Wegen dieses Interessengleichlaufs für eine Quota-litis-Vergütung Schmolke, ZGR 2011, 398, 435; zu dem Principal-agent-Konflikt bei von der Anspruchssumme entkoppelter Anwaltsvergütung Lapointe, 59 Fordham L. Rev. 843, 868. 598  Vgl. Schmolke, ZGR 2011, 398, 435, der mit der Quota-litis-Prämie „Ver­ gleichsabschlüssen zu Lasten der Gesellschaft“ entgegenwirken möchte. 599  Ausdrücklich für Haftung bei unangemessen weitgehendem Vergleich Humrich, Der besondere Vertreter (2013), S. 104; s. zur Haftung des besonderen Vertre­ ters bereits oben Kapitel 3, § 12 IV. 2. c) ee). 600  Dazu Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 218. 601  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 99 und E 101 (i. E. aber ablehnend).



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risikos“.602 Diese Unterschiede sind mehr als nur solche im Detail und unterstreichen, wie bedeutsam die Aufgabe ist, die ausgleichsfähigen Leis­ tungen der Aktionäre exakt festzulegen. (1) Aufwendungsersatz und Vergütung Die erste Komponente eines angemessenen Ausgleichs sollte ein erfolgs­ abhängiger Anspruch auf den Ersatz der Aufwendungen i. w. S.  sein, welche die Aktionäre für das Vorverfahren getätigt haben.603 Dabei sollte der Maßstab gelten, dass ein vernünftiger Durchschnittsaktionär die jeweilige Aufwendung ex ante als erforderlich ansehen durfte, um eine erfolgreiche Anspruchsdurchsetzung zu fördern.604 Ihre Aufwendungen als Beteiligte nach § 80 Satz 1 FamFG, also ihre Rechtsanwaltskosten,605 sowie eingezahlte Gerichtskostenvorschüsse (vgl. §§ 13, 22 Abs. 1 GNotKG) muss die Gesellschaft den obsiegenden Aktionä­ ren im neuen Bestellungsverfahren schon prozessual gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG erstatten.606 Insofern stellt sich die Frage eines materiellrechtlichen Aufwendungsersatzanspruchs nicht. Ein Ersatz sollte hingegen für Rechtsanwaltsgebühren auf Seiten der Ak­ tionäre gewährt werden, die oberhalb der gesetzlichen Gebühren nach dem 602  Wagner,

ZHR 178 (2014), 227, 270 ff. Unternehmenskontrolle (2003), S. 235 f. (dieser Anspruch soll neben der von Riegger empfohlenen Erfolgsbeteiligung bestehen), a. A. im Ergebnis Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 190 f., der den Aktionären lediglich das Doppel­ te der Prozesskosten zusprechen möchte, die sie im Obsiegensfall gem. § 91 ZPO vom Gegner erhalten hätten (unklar, ob auf die Kosten nur des Klageverfahrens oder auch des Vorverfahrens bezogen); wohl entsprechend Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271, nach dem sich die Vergütung in einem „Vielfachen der Prozesskosten“ (Her­ vorhebung nicht im Original) ausdrücken soll, was implizieren dürfte, dass der nicht unter den Begriff der Prozesskosten fallende Vorbereitungsaufwand der Aktionäre nicht berücksichtigt werden soll; a. A. wohl auch Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 219 f., die lediglich ein „an der Höhe des Streitwerts ausgerichtetes Ent­ gelt für die Mühewaltung der Klagsführung“ einräumen möchte, ohne auch dem Ersatz von Aufwendungen das Wort zu reden. 604  Vgl. zum Erforderlichkeitskriterium auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 236. 605  Da § 80 FamFG auf § 91 Abs. 2 ZPO nicht Bezug nimmt, rechnen Anwaltskos­ ten nicht notwendig zu den erstattungsfähigen Kosten. Die Rechtssache muss „eine gewisse Schwierigkeit“ aufweisen; so Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 80 Rn. 28. Das wird bei Bestellungsverfahren in aller Regel der Fall sein. 606  Zur Geltung des Unterliegensprinzips bei Anwendung des §  81 Abs.  1 Satz 1 FamFG s. oben Fn. 532. Um verbleibende Rechtsunsicherheiten zu beseiti­ gen, liegt es nahe, das Unterliegensprinzip für das Vorverfahren explizit im AktG festzuschreiben. 603  Riegger,

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

RVG liegen.607 Bereits die Prozessführung im Vorverfahren ist aktienrecht­ lich komplex, weil die Gerichte Rechtsfragen abschließend – wenn auch auf beschränkter Tatsachengrundlage – entscheiden müssen.608 Die Erkenntnis des OLG München, „dass eine Rechtsanwaltskanzlei mit aktien- und gesell­ schaftsrechtlichem Spezialwissen nicht nach RVG, sondern nur aufgrund Honorarvereinbarung auf der Basis von Stundensätzen abrechnet“,609 wird daher schon für das Vorverfahren relevant. Soweit die Antragsteller entspre­ chende Vergütungsvereinbarungen ex ante als erfolgsförderlich ansehen durften, sollte ein Erstattungsanspruch bestehen. Ersatz ist des Weiteren für den Aufwand zu erwägen, den die Aktionäre tätigen, um das Bestellungsverfahren vorzubereiten.610 So können sie einen Bilanzanalytiker beauftragen, der den Jahresabschluss auf den Verdacht ei­ ner Bilanzmanipulation prüft.611 Auch kann es bei komplexen Organhaf­ tungssachverhalten sinnvoll sein, einen Rechtsanwalt mit der Stoffsammlung und – auswertung zu beauftragen, um über die Erfolgsaussicht eines Bestel­ lungsverfahrens entscheiden zu können. Soweit derartige Vorbereitungskos­ ten nicht prozessual erstattungsfähig als „Kosten“ i. S. v. § 80 Satz 1 FamFG sind,612 sollte sie die Gesellschaft auf materiellrechtlicher Grundlage erstat­ ten müssen. Bedingung dafür ist wiederum, dass der Aufwand ex ante vom Standpunkt eines Durchschnittsaktionärs als erforderlich erscheinen musste,613 um über die Erfolgsaussicht eines Bestellungsverfahrens ent­ scheiden zu können oder die Erfolgsaussichten im Vorverfahren zu fördern. Das Gesellschaftsinteresse an solchem Aufwand rechtfertigt es, diesen auf die Gesellschaft umzulegen.614 607  A. A. ausdrücklich Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 191; gesetz­liche Anwaltsgebühren übersteigende Honorare werden nicht unter die notwendigen Auf­ wendungen gem. § 80 Satz 1 FamFG fallen, da auch nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen erstattungsfähig sind; letzteres etwa bei Schulz, in: MüKo ZPO, 4. Aufl. (2013), § 91 Rn. 61. 608  G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG (2008), § 148 Rn. 145; a. A. wohl Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 82. 609  OLG München vom 21.07.2010  – 7 U 1879/10, AG 2011, 204, 205. 610  Auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 235  f., a. A. implizit etwa Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 191 (Beschränkung auf Vielfaches der gem. § 91 ZPO erstattungsfähigen Prozesskosten); wohl entsprechend Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271. 611  Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 205. 612  Zum weiten Verständnis der „zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen“ gem. § 80 Satz 1 FamFG Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. (2014), § 80 Rn. 27. 613  Vgl. zum Erforderlichkeitskriterium auch Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 236. 614  Wie hier Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 235 f.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren337

Weiter ist die Mühewaltung der Aktionäre abzugelten.615 Die Antragsteller tun mehr, als eine bestimmte Geldsumme in das Vorverfahren und für dessen Vorbereitung zu investieren:616 Sie tragen selbst Informationen über den Ge­ sellschaftsschaden zusammen, wählen Rechtsanwälte aus und kontaktieren diese, stellen die Faktenlage dar und nehmen vielleicht selbst an mündlichen Verhandlungen im Bestellungsverfahren teil und bringen Informationen in dieses ein. Auch für den damit verbundenen Zeitaufwand sollte die Gesell­ schaft im Falle einer erfolgreichen Anspruchsdurchsetzung einen Ausgleich zu gewähren haben.617 Institutionelle Investoren, aber auch Aktionärsvereini­ gungen, werden kaum wollen, dass ihre Mitarbeiter wertvolle Arbeitszeit für die Vorbereitung eines Bestellungsverfahrens aufwenden, wenn die damit verbundenen Opportunitätskosten nicht ausgeglichen werden. Zwar gilt im hier entwickelten neuen Bestellungsverfahren gem. § 80 Satz 2 FamFG die Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO entsprechend. Die Aktionäre erhalten demnach einen Ausgleich für die Zeitversäumnis oder den Verdienstausfall infolge einer Wahrnehmung von Terminen schon aufgrund des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs.618 Erfasst wird auch die Zeitversäumnis, die entsteht, weil der eigene Anwalt informiert wird.619 Doch begründet nach § 80 Satz 2 FamFG Zeitaufwand etwa für das Sichten und Auswerten von Gesellschaftsunterlagen zur Prüfung des Verdachts keinen Ausgleichsan­ spruch.620 Damit ist der prozessuale Kostenausgleich zu eng. Zudem ist die Höhe der Entschädigung für die Zeitversäumnis gem. § 20 JVEG bei 3,50 Euro je Stunde, bei Verdienstausfall gem. § 22 JVEG bei 21 Euro gedeckelt. Das ist spärlich. Das Aktiengesetz sollte daher eine angemessene Vergütung 615  Insoweit richtig Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 219 (für ein Modell einer Aktionärsklage); a. A. implizit etwa Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 191 (Beschränkung auf Vielfaches der gem. § 91 ZPO erstattungsfähigen Prozesskosten); wohl entsprechend Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271. 616  Zu Recht weist Kahnert, AG 2013, 663, 664 darauf hin, dass „der Aktionär ein beträchtliches Maß an Zeit und Aufwand investieren muss, um Zulassungs- und Klageverfahren zu meistern“, zieht daraus aber keine Konsequenzen hinsichtlich einer Vergütung der Aktionäre. 617  Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 219 sieht die erforderliche Ver­ gütung des Aktionärs „schlicht in marktkonformer Abgeltung seiner Tätigkeit“ (be­ zogen auf die Tätigkeit im Klageverfahren bei einem Aktionärsklageverfahren). Sie möchte damit ein angemessenes Entgelt für die Mühewaltung der Kläger einschließ­ lich Vorbereitung und Beschaffung der erforderlichen Informationen nach Auftrags­ recht zugestehen; ähnlich Vollmann, Minderheitenschutz (1997), S. 173 f. 618  Für den Verdienstausfall vgl. etwa BGH vom 02.12.2008  – VI ZB 63/07 NJW 2009, 1001 (zu § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. V. m. § 22 JVEG). 619  Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. (2014), § 80 Rn. 26. 620  Vgl. nur Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. (2014) § 80 Rn. 38: Der „sonstige Zeitaufwand für das Verfahren“, worunter „etwa der Zeitaufwand für Ak­ tenstudium“ falle, führe nicht zu einer Entschädigung.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

für die Mühewaltung der Antragsteller vorsehen, soweit diese nach dem obenstehenden Maßstab verfahrensförderlich ist. Ein Einheitsstundensatz, der sich nach dem durchschnittlichen Erwerbseinkommen aller Beschäftigten bemisst,621 ignorierte die unterschiedlichen Fähigkeiten der antragstellenden Aktionäre. Die Richter sollten daher in Anlehnung an die Vergütung beson­ derer Vertreter nach § 147 Abs. 2 Satz 6 AktG ein Ermessen haben, das im Einzelfall angemessene Vergütungsniveau zu bestimmen. (2) Risikovergütung Die zweite Komponente der Vergütung muss den Aktionären einen finanzi­ ellen Ausgleich dafür bieten, dass sie im Unterliegensfall die Verfahrenskos­ ten des Bestellungsverfahrens tragen müssen und zudem keinen Ersatz für ihren Vorbereitungsaufwand erhalten.622 Diese Ausgleichskomponente wird fortan Risikovergütung genannt. Vorbild ist eine Variante der anwaltlichen Er­ folgsvergütung nach §§ 4a Abs. 1 RVG, 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO: Der nur im Erfolgsfall zu vergütende Rechtsanwalt erhält einen Zuschlag auf die gesetz­ lichen Gebühren, um sein Vergütungsausfallrisiko angemessen abzugelten.623 Zu § 4a Abs. 1 RVG hält die Begründung des Regierungsentwurfs fest, dass „der Zuschlag umso größer sein“ müsse, „je geringer die Erfolgsaussichten sind“.624 In ihren Grundzügen hat diese Methode ein Vorbild im US-amerika­ nischen Recht der Anwaltsvergütung, der sog. Lodestar-Methode.625 621  Vollmann, Minderheitenschutz (1997), S. 174 möchte eine Pauschale einfüh­ ren, welche sie näher definiert als einen Stundensatz, „den ein durchschnittlicher Erwerbstätiger erwirtschaftet“ (für die Mühewaltung der Aktionäre im Rahmen einer Aktionärsklage). 622  Vgl. die Ansätze von Adams, AG 2000, 396, 407, der für Anfechtungsklagen erwägt, dem Kläger ein bestimmtes Kostenvielfaches zuzusprechen. Dabei schlägt er ein Dreifaches der erstattungsfähigen Gesamtkosten vor; Pansa, Aktionärsklagever­ fahren (2008), S. 190 f., der den obsiegenden Aktionären das Doppelte der Prozess­ kosten i. S. v. § 91 ZPO zusprechen möchte; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271, nach dem sich die Vergütung ebenfalls in einem Vielfachen der Prozesskosten aus­ drücken soll. 623  Zur Bestimmung der Angemessenheit der Zuschläge i. S. v. § 4a Abs. 1 Satz 2 RVG Schons, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl. (2013), § 4a Rn. 43 ff.; v. Seltmann, in: BeckOK RVG (Stand: 01.03.2014), § 4a Rn. 7. 624  Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren, BT-Drucks. 16/8384, S. 11, li. Sp.; vgl. auch Schons, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl. (2013), § 4a Rn. 47; v. Seltmann, in: BeckOK RVG (Stand: 01.03.2014), § 4a Rn. 7; Vogeler, JA 2011, 321, 324. 625  Das Gericht nimmt die Zahl der Arbeitsstunden des Rechtsanwalts für das Verfahren mit den üblichen Stundensätzen zum Ausgangspunkt oder „Leitstern“ (daher die Bezeichnung lodestar). Sodann gewährt es einen Zuschlag, um weiteren



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren339

Die Risikovergütung der Aktionäre lässt sich ebenfalls nach diesem Grund­ muster bemessen: Der Multiplikator bestimmt sich naturgemäß nach der Er­ folgsaussicht der Anspruchsdurchsetzung und damit dem Risiko, zu unterlie­ gen und keinen Ersatz für die prozessbezogenen Aufwendungen zu erhalten. Und der Multiplikand ist zu bilden aus den Verfahrenskosten im Unterlie­ gensfall sowie dem Vorbereitungsaufwand einschließlich des vergütungsfähi­ gen Arbeitsaufwands der Antragsteller.626 Angenommen, ein Aktionär muss bei einer Obsiegenswahrscheinlichkeit von 50 % im Unterliegensfall 5.000 Euro Gerichtskosten sowie jeweils 4.000 Euro gegnerische und eigene Rechtsanwaltskosten tragen. Und er hat 6.000 Euro für die Vorbereitung des Verfahrens (etwa für eine umfassende Bilanzprüfung) sowie Arbeitsstunden, die mit 1.000 Euro zu veranschlagen sind, aufge­wendet. Zusammengerechnet ergibt sich ein „Investitionsrisiko“ von 20.000 Euro (dieser Multiplikand wird fortan als Risikosumme bezeichnet). Dann muss der Antragsteller im Obsiegensfall > 20.000 Euro als Risikovergütung erhalten.627 Denn von zwei Anträgen mündet nach Statistik einer in eine erfolgreiche Anspruchsdurchset­ zung, und einer nicht. Der Antragsteller verfügt dann bei einer Risikovergü­ tung von 20.000 Euro unter weiterer Berücksichtigung des ebenfalls zu ge­ währenden Aufwendungsersatzes über 0,00 Euro.628 Jede Risikovergütung > 20.000 Euro setzt folglich einen positiven Antragsanreiz.629 Abstrakt ge­ vergütungsrelevanten Umständen, insbesondere der Erfolgsabhängigkeit des Vergü­ tungsanspruchs und damit dem Ausfallrisiko des Rechtsanwalts, gerecht zu werden; so die grundlegende Entscheidung Lindy Bros. Builders, Inc. v. American Radiator & Standard Sanitary Corp., 487 F.2d 161, 167 ff. (3d Cir. 1973); vgl. auch Johnson v. Georgia Highway Express, Inc., 488 F.2d 714, 717 ff. (5th Cir. 1974); nach Coffee, 48 Law & Contemp. Probs. (1985), 5, 46 Fn. 129 sind die typischerweise be­ rücksichtigten Faktoren: „(1) the risk of litigation, (2) the complexity of the issues, (3) the demonstrated skill of the attorneys, and (4) the delay in payment“. 626  Zu eng daher neben anderen Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271, der allein auf die Prozessrisiken abstellt. 627  A. A. Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 190 f., der exakt das Doppel­ te der Prozesskosten gem. § 91 ZPO gewähren möchte; nunmehr wie hier Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271, der einen Multiplikator von zwei als „Minimum“ be­ zeichnet und das Drei- bis Fünffache der Kosten für angemessen hält. 628  Berechnung: Mit dem ersten, erfolglosen Antrag verliert er insgesamt 20.000 Euro. Beim zweiten investiert er zunächst wiederum 16.000 Euro [5.000 Euro (Ge­ richtskosten) + 4.000 Euro (eigene Anwaltskosten) + 6.000 Euro (Vorbereitungs­ kosten) + 1.000 Euro (eigene Mühewaltung)], erhält aber die aufgrund von § 13 i. V. m. § 14 Abs. 1 GNotKG vorgeschossenen 5.000 Euro Gerichtskosten und die 4.000 Euro Anwaltskosten (eigener Rechtsanwalt) über die prozessuale Kostenerstat­ tung (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG), 7.000 Euro (Vorbereitungskosten und Arbeitsauf­ wand) als Aufwendungsersatz und 20.000 Euro als sog. Risikovergütung. In der Summe der beiden Anträge ergeben sich 0,00 Euro. 629  Bei exakt 20.000 Euro könnten die Aktionäre nur erwarten, mit plus/minus null herauszukommen, was als Anreiz nicht genügt; entsprechend auch Wagner,

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

sprochen muss die Risikovergütung mehr betragen als die Risikosumme divi­ diert durch die Erfolgswahrscheinlichkeit630 abzüglich der Risikosumme. Um zu einem risikoangemessenen Multiplikator zu kommen, gilt es zu eruieren, wie sich die Erfolgsaussicht einer Anspruchsdurchsetzung ex ante631 für den Antragsteller dargestellt hat. Dieses Zurückversetzen bereitet indes besondere Schwierigkeiten.632 Feine Abstufungen sind zwar theore­ tisch möglich:633 Erfolgswahrscheinlichkeit in %

100

95

Risikovergütung in % der Risikosumme

>0

>5 >11 >25 >33 >43 >50 >67 >82 >100 >200 >300

90

80

75

70

67

60

55

50

33

25

In praxi werden Richter jedoch nicht in der Lage sein, die Erfolgswahr­ scheinlichkeit, die sich aus Ex-ante-Perspektive der Antragsteller ergeben musste, nachträglich in derartigen Feinabstufungen zu bestimmen. Im Re­ gelfall sollte der Berechnung daher eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 50 % zugrundegelegt werden.634 Die Richter sollten davon nur abweichen können, wenn ein atypischer Fall vorliegt.635 Im Höchstmaß sollten sie eine Risiko­ ZHR 178 (2014), 227, 271; a. A. Pansa, Aktionärsklageverfahren (2008), S. 190 f. (vgl. bereits Fn. 627). 630  Vgl. zu einem Ansatz der Berechnung der Erfolgsprämie bei der Anwaltsver­ gütung im US-amerikanischen Recht Laffey v. Northwest Airlines, Inc., 746 F.2d 4, 26 (D.C. Cir. 1984): „Under this approach, the contingency multiplier represents simply the inverse of the risk factor.“ 631  Auch für die Überprüfung der Angemessenheit der Risikozuschläge beim anwaltlichen Erfolgshonorar gem. § 4a Abs. 1 Satz 2 RVG wird eine Ex-ante-Be­ trachtung vorgenommen; so Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren, BTDrucks. 16/8384, S. 11, li. Sp.; Bischof, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer, RVG, 6. Aufl. (2014), § 4a Rn. 15. 632  Für die Berechnung der Zuschläge beim anwaltlichen Erfolgshonorar gem. § 4a RVG Bischof, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer, RVG, 6. Aufl. (2014), § 4a Rn. 14 ff. 633  Werte in der Tabelle teilweise angelehnt an Vorschläge für die Berechnung des anwaltlichen Erfolgshonorars nach § 4a Abs. 1 RVG bei Mayer, AnwBl 2007, 561, 567. 634  Für eine solche Pauschalisierung für die Überprüfung der Angemessenheit der Zuschläge gem. § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG beim anwaltlichen Erfolgshonorar gem. § 4a RVG Teubel, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. (2013), § 4a Rn. 43, der meint, es sei „als Ausgangspunkt davon auszugehen, dass die Erfolgschancen zu 50  % bestehen“; kritisch Bischof, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer, RVG, 6. Aufl. (2014), § 4a Rn. 16. 635  Ein solcher wäre z. B. anzunehmen, wenn der Sachverhalt durch eine voran­ gehende Sonderprüfung weitgehend aufgeklärt worden ist, oder das Verschulden eines Organmitglieds aufgrund eines Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahrens



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren341

vergütung festlegen dürfen, die einer Erfolgswahrscheinlichkeit von einem Drittel entspricht.636 Denn Stimuli, auch Verfahren mit nur geringen Er­ folgsaussichten anzustrengen, darf das Gesetz nicht setzen. Im Beispiel wurde die für einen positiven Anreiz erforderliche Risikover­ gütung mit > 20.000 Euro angegeben. Aber um wie viel genau muss sie größer sein als die Summe, die zum bloßen Ausgleich der Kostenrisiken führt? Dazu folgender Ausgangspunkt: Für risikoneutrale Antragsteller ge­ nügt als Anreiz jeder Betrag > 20.000 Euro, also theoretisch z. B. 20.000,01 Euro. Für risikofreudige (gain seeking)637 Aktionäre wäre auch ein Be­ trag  50 % erforderlich ist, steht der Zugrundelegung einer Wahrscheinlichkeit von lediglich einem Drittel nicht entgegen: Für die Bemes­ sung der Risikovergütung kommt es nämlich auf die Erfolgsaussichten vor Beginn des Vorverfahrens an, da der Antragsteller zu dieser Zeit seine Investitionen tätigt; und zu diesem Zeitpunkt können die Erfolgsaussichten selbstredend weitaus geringer als 50 % sein. 637  Zu dem Begriff der Risikofreude etwa Englerth, in: Engel/Englerth/Lüdemann/ Spiecker genannt Döhmann, Recht und Verhalten (2007), S. 60, 85. Im u. a. bei Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. (1984), 341, 342 gewählten Referenzbeispiel des Münzwurfspiels sähe eine Risikofreude wie folgt aus: Bei einer Obsiegenschance von 50 % und einer Pflicht, 100 Euro im Verlierensfall zu zahlen, würde die risi­ kofreudige Person das Spiel auch dann spielen, wenn sie im Obsiegensfall < 100 Euro erhielte. Je geringer die Summe, bis zu welcher die Spielbereitschaft noch fortbesteht, desto größer die Risikofreude. 638  Vgl. grundlegend Kahneman/Tversky, 47 Econometrica (1979), 263; Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. (1984), 341, 342; Studienergebnisse zusammenfas­ send Novemsky/Kahneman, 42 J. Marketing Res. (2005), 119, 120, nach denen der Effekt bei solch unterschiedlichen Gütern auftritt wie Wein, Lotterielosen, Jagdbe­ rechtigungen, reiner Luft oder Zeit; Kahneman, Thinking (2012), S. 283 ff. 639  Kahnman/Tversky, 5 J. Risk Uncertainty (1992), 297: „The median (coeffici­ ent) was 2.25, indicating pronounced loss aversion […]“. 640  Zum Referenzbeispiel des Münzwurfs auch Kahneman/Tversky, 39 Am. Psy­ chol. (1984), 341, 342.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

1,5 und 2,5 ergeben.641 Ob auch die Risikovergütung der Aktionäre mit einem solchen Faktor zu multiplizieren ist, bedarf einer tieferen Analyse. Einmal hängt das Auftreten der Verlustaversion entscheidend vom sog. framing ab, also davon, in welchem Bezugsrahmen die Frage nach Gewinnaus­ sichten und Verlustrisiken präsentiert wird.642 Zudem haben Studien gezeigt, dass der Aversionseffekt bei Personen, die professionell mit Investitionsrisi­ ken umgehen, vermindert zu Tage tritt.643 Unter diese Personengruppen dürften z. B. auch die Manager institutioneller Investoren fallen, von denen man sich Anträge nach § 148 AktG verspricht. Zudem dürften auch Vertre­ ter einer professionellen Klägerszene, die ein breites Aktienportfolio haben und bei mehreren Gesellschaften als Antragsteller auftreten, weniger verlus­ tavers sein. Trotz dieser Unsicherheiten hinsichtlich des angemessenen Aversionskoeffizienten sollte das Gesetz möglichen Verlustaversionen aber vorbeugen. Denn schlechtestenfalls droht eine gewisse Überincentivierung bestimmter Aktionäre, die unterdurchschnittlich verlustavers bzw. gar ver­ lustfreudig sind. Dies erscheint hinnehmbar. Der Verlustaversionskoeffizient sollte folglich einheitlich angesetzt werden, vorschlagsweise mit 2,0. Zudem sollte auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Aktionäre die erfolgsabhängige Risikovergütung erst erhalten, wenn der besondere Vertreter den Gesellschaftsanspruch durchgesetzt hat.644 Individu­ en zinsen Vorteile, die sie erst künftig erlangen, signifikant und oberhalb der 641  Kahneman, Thinking (2012), S.  284; Kahneman/Lovallo, 39 Manag. Sci. (1993), 17, 18 fassen die Studien dahingehend zusammen, dass diese durchschnitt­ lich Koeffizienten zwischen 2,0 und 2,5 ergeben haben; vgl. auch Tversky/Kahneman, in: Kahneman/Tversky, Choices, Values, and Frames (2000), S. 143, 154. 642  Dazu Kahneman/Tversky, 39 Am. Psychol. (1984), 341, 349 die in einer Studie die Teilnehmer gefragt haben (in Übersetzung): 1) Würden Sie ein Spiel akzeptieren, das ein Chance von 10 % auf einen Gewinn von 95 USD und eine Wahrscheinlichkeit von 90 % eines Verlusts von 5 USD bietet? 2) Würden Sie 5 USD bezahlen um teilzunehmen an einer Lotterie, die Ihnen eine Chance von 10 % auf einen Gewinn von 100 USD bietet, bei einer Wahrscheinlichkeit von 90 %, leer auszugehen? Im Ergebnis sind in beiden Spielen Gewinn- und Verlustchancen gleich verteilt. Dennoch haben 42 der 132 (studentischen) Teilnehmer, die – ganz im Sinne der Verlustaversion – das Spiel 1) abgelehnt haben, in das abweichend „gerahmte“, nämlich das Verlustrisiko durch die Darstellung als willentliche Inves­ tition kaschierende, Spiel 2) eingewilligt. Ob das Eingehen von Prozess- und Vor­ bereitungskosten für das Bestellungsverfahren eher als Verlustrisiko – wie in ­Spiel 1) – oder – wie in Spiel 2) – als „Teilnahmekosten“ für ein Spiel mit Gewinn­ aussicht gesehen würde, ist ganz fraglich; dies kann hier ohne experimentelle Er­ kenntnisse nicht zuverlässig beantwortet werden. 643  Sokol-Hessnera/Hsub/Curleya/Delgadoc/Camererd/Phelps, 106 Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. (2009), 5035, 5038: „Indeed, professional sports card dealers […], condominium investors (rather than owners) […], and experienced cab drivers […] show less apparent response to loss than less experienced agents.“; vgl. auch Kahneman, Thinking (2012), S. 284.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren343

geschäftsüblichen Zinssätze ab.645 Für größere Geldsummen, die in etwa der Risikosumme der Aktionäre im Bestellungsverfahren entsprechen, haben Warner und Pleeter in einer umfassenden Studie eine jährliche Diskontie­ rungsrate von ca. 18 % ermittelt.646 Das bedeutet, dass Individuen den Erhalt von 100 Euro sofort und 118 Euro in einem Jahr als gleichwertig erachten. Unter der Prämisse, dass zwischen den finanziellen Aufwendungen der Ak­ tionäre für das Vorverfahren und der Anspruchsbeitreibung durch den be­ sonderen Vertreter durchschnittlich zweieinhalb Jahre liegen,647 ist die nach den vorgenannten Parametern errechnete Risikovergütung noch einmal mit einem Multiplikator von 1,5 (1,182,5 ≈ 1,51) zu multiplizieren.648 Dabei wird hier ausgeblendet, dass sich die Diskontierungsraten nach individuellen Faktoren wie Alter, Einkommen und Intelligenz unterscheiden können,649 644  Für die erfolgsabhängige Anwaltsvergütung im US-amerikanischen Recht Coffee, 48 Law & Contemp. Probs. (1985), 5, 46 Fn. 129, nach dem einer der typi­ scherweise in der Rechtsprechung berücksichtigten Faktoren auch die zeitliche Ver­ zögerung ist, mit welcher die Anwälte ihr Erfolgshonorar erhalten („the delay in payment“). 645  Das Phänomen, zeitlich entfernte Vorteile erheblich zu diskontieren, also im Vergleich zu einer sofort erlangbaren Leistung geringer zu bewerten, ist vielfach nachgewiesen; grundlegend Thaler, 8 Econ. Lett. (1981), 201 ff.; Studienergebnisse zusammenfassend Frederick/Loewenstein/O’Donoghue, 40 J. Econ. Lit. (2002), 351 ff.; Cartwright, Behavioral Economics (2011), S. 135 ff.; Elster, Explaining So­ cial Behavior (2008), S. 114 ff.; LeBoeuf/Shafir, in: Holyoak/Morrison, The Oxford Handbook of Thinking and Reasoning (2012), S. 301, 312 ff. 646  Warner/Pleeter, 91 Am. Econ. Rev. (2001), 33. Die Studie betraf ein Perso­ nalabbauprogramm des US-Militärs; die zu Entlassenden hatten die Wahl zwischen einer Einmalabfindung (lump-sum payment) und einer jährlichen Zahlung (annuity), deren Gesamtwert höher war als die Einmalzahlung, die sich aber erst mit erheb­ licher zeitlicher Verzögerung würde realisieren lassen. Es ging um Geldsummen in der Größenordnung von 25.000 und 50.000 USD. Die Studie untersuchte die Ent­ scheidungen von 11.000 Offizieren and 55.000 Zugehörigen zum sonstigen Personal. Das Ergebnis fassen die Autoren der Studie wie folgt zusammen: „In fact, over half of the officers and over 90 percent of the enlisted personnel took the lump-sum payment, implying that the vast majority of personnel had discount rates of at least 18 percent.“ 647  Bei den hier angesetzten zweieinhalb Jahren handelt es sich um eine gegrif­ fene Zahl. Dabei kann selbstredend nicht auf die tatsächliche Dauer zwischen den Aufwendungen der Aktionäre und dem Erfolg der Anspruchsdurchsetzung abgestellt werden. Denn maßgeblich für die Motivation des Antragstellers ist seine Annahme ex ante, wie lange es dauern wird, bis die Forderung zur Gesellschaftskasse beige­ trieben und damit sein Vergütungsanspruch fällig sein wird. 648  Die Berechnung basiert auf der Formel F = P(1 + r)T, wobei F der künftige Wert des Geldes, P der momentane Wert, r die Wachstums- bzw. Diskontierungsrate und T die Zeit der Verzögerung (in Jahren) ist; diese Formel bei Doyle, 8 Judgment and Decision Making (2013), 116, 122. 649  Kim/Zauberman, 2 J. Neurosci. Psychol. Econ. (2009), 91, 99.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

weil es dem Richter nicht möglich wäre, für jeden Antragsteller eine indi­ viduelle Diskontierungsrate festzusetzen. Die hier zugrunde gelegte jährliche Diskontierungsrate von 18 % liegt über dem marktüblichen Zinssatz, was dem Forschungsstand entspricht.650 Im Regelfall der Erfolgswahrscheinlichkeit von 50 % bemisst sich die Risikovergütung folglich anhand des Multiplikators 3,0,651 nämlich als Produkt aus 1,0 (Risikofaktor nach der o. g. Tabelle bei einer Erfolgswahr­ scheinlichkeit von 50 %) × 2,0 (Verlustaversionskoeffizient) × 1,5 (Aus­ gleichsfaktor für die zeitliche Diskontierung).652 Mag die Herleitung dieser Berechnungsfaktoren kompliziert erscheinen, so ist die Anwendung des Modells in der Gerichtspraxis doch nicht mit übermäßigen Schwierigkeiten behaftet. Die Komplexität der erforderlichen Rechenoperationen liegt unterhalb derjenigen vieler Kostenberechnungen, die in der gerichtlichen Praxis bereits vorgenommen werden. Zudem kann sich das Praxis mit Tabellen behelfen. (3) Relative Begrenzung des Anspruchs Im Einzelfall könnten Aktionäre einen Aufwand zur Verfahrensvorberei­ tung betreiben, der im Verhältnis zur Anspruchshöhe übermäßig ist. Die Richter vermögen nur unzureichend zu kontrollieren, ob der jeweilige Auf­ wand angemessen ist.653 Um die Gesellschaften zusätzlich vor ausufernden Ansprüchen der Antragsteller zu schützen, sollte der Gesetzgeber die Akti­ 650  Die hohen Diskontierungsraten für Geld überraschen, weil man annehmen könnte, dass die Teilnehmer im Zweifel ein Darlehen zum marktüblichen Zinssatz aufnehmen könnten, um die jeweilige „Investition unter Risiko“ zu tätigen. Dennoch entsprechen die experimentell nachgewiesenen Diskontierungsraten oft nicht dem marktüblichen Zinssatz; so Frederick/Loewenstein/O’Donoghue, 40 J. Econ. Lit. (2002), 351, 381. 651  Für einen entsprechenden Multiplikator der Prozesskosten (das Drei- bis Fünffache) nunmehr auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271, ohne eingehende Herleitung dieses Multiplikators; einen Faktor von Drei schlägt für die Verfahren­ skosten im Falle der Anfechtungsklage de lege ferenda auch Adams, AG 2000, 396, 407 vor, allerdings ohne nähere Begründung. 652  Streng genommen müsste der Ausgleichsfaktor für die zeitliche Diskontie­ rung auch für den o. g. Aufwendungsersatzanspruch angewendet werden, der eben­ falls erst mit erfolgreicher Anspruchsdurchsetzung durch den Vertreter entsteht. 653  Kritisch für eine gerichtliche Bestimmung des angemessenen Stundenauf­ wands der Rechtsanwälte beim Erfolgshonorar im US-amerikanischen Recht Coffee, 86 Colum. L. Rev. (1986), 669, 691; Klaiber, 66 Md. L. Rev. (2006), 228, 240; auch Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, Bündelung (1999), S. 67, 83 nimmt „große informationelle Schwierigkeiten“ der Gerichte an, den Stundenaufwand der Anwälte zu kontrollieren.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren345

onärsvergütung relativ auf 25 % der durchgesetzten Forderungssumme be­ grenzen.654 In der Regel würde diese Grenze nicht annähernd ausgeschöpft werden. (4) Z  usätzliche Deckelung der Kostenrisiken im Bestellungsverfahren und Optionsmodell An einem „Spiel“ mit sehr hohem Einsatz, also ganz erheblichen, schwer voraussehbaren Kosten des Bestellungsverfahrens, dürften viele Aktionäre nicht interessiert sein. Zutreffend hat Peltzer festgehalten: „Kaum ein Akti­ onär ist bereit, ein Kostenrisiko zu übernehmen, das er nicht von vornherein übersieht.“655 Voraussehbarkeit und Begrenzung der Kosten lassen sich am einfachsten herstellen, indem der Gesetzgeber Kostenobergrenzen normiert:656 Aktionä­ re sollten Gerichtskosten des Vorverfahrens im Unterliegensfall nur bis zu einer bestimmten Maximalsumme tragen. Gerichtskosten, die diesen Betrag übersteigen, sollten trotz Unterliegens der Aktionäre der Gesellschaft als Antragsgegnerin auferlegt werden.657 Wo genau diese Grenze zu ziehen ist, hängt davon ab, welches Risiko man im Mindesten für erforderlich erachtet, um leichtfertige Anträge ohne Er­ folgsaussicht zu verhindern. Ganz niedrig muss die Obergrenze nicht gesetzt werden, da schließlich ein positiver Ausgleich gewährt wird. Vorschlagswei­ se sind die Aktionäre hinsichtlich der Gerichtskosten mit maximal 10.000 Euro zu belasten; auch eine niedrigere Summe von z. B. je 5.000 Euro dürfte noch vertretbar sein. Diese Kostengrenze sollte nicht gelten, wenn eines der Regelbeispiele gem. § 81 Abs. 2 FamFG erfüllt ist. Hat der Antragsteller also z. B. mit grobem Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben (§ 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), muss er sämtliche Kosten in voller Höhe tragen. Für die 654  Weitaus aktionärsfreundlicher Riegger, Unternehmenskontrolle (2003), S. 236, der den Kostenersatz (für die Informationsbeschaffung und die Koordination der Ak­ tionäre) auf das beschränken will, was die Gesellschaft aus der Geltendmachung des Ersatzanspruchs erlangt hat. 655  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 957. 656  A. A. und gegen Kostenbegrenzungen im Rahmen eines Modells mit positi­ ver Vergütung aber Schmolke, ZGR 2011, 398, 440, der das Kostenrisiko, das § 148 Abs. 6 Satz 1 AktG den Aktionären auferlegt, für angemessen erachtet. 657  Eine Aufteilung der Kosten ist bereits nach § 81 FamFG möglich; näher dazu Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. (2014), § 81 Rn. 9, der aus Abs. 1 Satz 1 folgert, dass alle Arten der Aufteilung der Kosten erlaubt sind, also neben der Quo­ telung (z. B. 2/3 zu 1/3) auch die Auferlegung bis zu einem bestimmten Betrag oder eine differenzierte Auferlegung nach der Kostenart (z. B. nur die Anwaltskosten ei­ nes Beteiligten).

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Rechtsanwaltskosten sind derartige Obergrenzen demgegenüber nicht zwin­ gend. Die Obergrenze des Streitwerts von 500.000 Euro (derzeit § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GKG), die auch im künftigen Vorverfahren nach dem FamFG gelten und in das GNotKG übernommen werden sollte, leistet eine hinrei­ chende Begrenzung für diese Kostenpositionen. Anders als die Gerichtskos­ ten, die durch Beweisaufnahmen in die Höhe getrieben werden können, sind die Anwaltskosten leichter im Voraus berechenbar. Es sollte den Antragstellern allerdings freigestellt werden, auf die hier entwickelten Kostenobergrenzen zu verzichten. Mehr noch sollten sie sich dafür entscheiden können, auch die Kosten der Anspruchsdurchsetzung durch den besonderen Vertreter, also dessen Vergü­ tung und etwaige Kosten eines Klageverfahrens, ganz oder zum Teil zu tragen (Optionsmodell). Dann ist der mit dem jeweils geltenden Faktor zu multiplizierende Einsatz (die sog. Risikosumme) und proportional dazu auch die Risikovergütung bei gelungener Anspruchsdurchsetzung größer.658 Damit ist eine Lösung auch für diejenigen Aktionäre aufgezeigt, die zu einer Antragstellung nur bereit sind, wenn die Einsätze und damit korres­ pondierend die Gewinnaussichten hoch sind. Vielleicht setzen sich dann auch gewerbliche Prozessfinanzierer für die Bestellungsverfahren ein, die regelmäßig an höheren Einsatzsummen interessiert sind.659 658  Nach Abschluss des Vorverfahrens kann sich allerdings das Prozessrisiko gemindert haben, weil das Gericht bereits einen „Verdacht“, also eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (p > 0.5) einer Pflichtverletzung und eines Schadens, festgestellt hat. Die nunmehr von der Aktionären angenommene Erfolgswahrscheinlichkeit wird ggf. über derjenigen liegen, die sie zu Beginn des Vorverfahrens zugrunde gelegt haben. Praktisch können – je nach den im Vorverfahren erlangten Erkenntnissen – die (subjektiven) Erfolgswahrscheinlichkeiten jetzt auch erheblich oberhalb von 0.5 liegen. Dennoch dürfte es vertretbar sein, bei der Zweifelsregel zu verbleiben, von einer Wahrscheinlichkeit von p = 0.5 auszugehen, zumal sich kaum eine greifbare Regel finden lassen wird, wie sich die gerichtliche Feststellung des Verdachts auf die Wahrscheinlichkeitsannahmen „durchschnittlicher“ Antragsteller auswirken wird. Auch der Ausgleichsfaktor für die zeitliche Diskontierung von 1.5 mag trotz des nach Abschluss des Vorverfahrens verringerten zeitlichen Abstands zur möglichen Anspruchsrealisierung noch vertretbar sein, wenn man bereit ist, eine gewisse Über­ incentivierung in Kauf zu nehmen. 659  Ob gewerbliche Prozessfinanzierer bereit wären, gegen Abtretung des Vergü­ tungsanspruchs der antragstellenden Aktionäre die Prozesskosten des Bestellungsver­ fahrens und des Klageverfahrens einschließlich der Vergütung des besonderen Ver­ treters zu übernehmen, müsste abgewartet werden. Die Prozessfinanzierer haben regelmäßig hohe Renditeerwartungen und Verwaltungskosten. Die üblichen Erfolgs­ beteiligungsquoten liegen bei 20 bis 30 % der Klagesumme; so Breyer, Kostenorien­ tierte Steuerung des Zivilprozesses (2006), S. 187. Der Mindeststreitwert, ab dem eine Prozessfinanzierung angeboten wird, beträgt je nach Anbieter zwischen 4.000 und 500.000 Euro; so Frechen/Kochheim, NJW 2004, 1213.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren347

(5) Zulässigkeit nach deutschem und europäischem Gesellschaftsrecht Die Auskehr einer Vergütung an die Aktionäre könnte einen Verstoß ge­ gen das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 AktG) darstellen.660 Indes kann mit der ausdrücklichen Regelung eines Vergütungsanspruchs eine Ausnahme von diesem Verbot unproblematisch geschaffen werden.661 Das Aktiengesetz sieht mehrere solcher Ausnahmen vor, z. B. gem. § 57 Abs. 1 Satz 4 AktG bei der Rückgewähr eines Aktionärsdarlehens und ei­ nem solchen vergleichbarer Leistungen.662 Problematischer ist das Verhältnis zu den europarechtlichen Ausschüt­ tungsverboten gem. Art. 17 der Richtlinie 2012 / 30 / EU.663 Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2012 / 30 / EU will das Kapital schützen, indem er Ausschüttungen verbietet, durch die das Nettoaktivvermögen unter das gezeichnete Kapital zuzüglich nach Gesetz oder Satzung nicht angreifbarer Rücklagen sinkt.664 Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2012 / 30 / EU setzt Ausschüttungen eine Ober­ grenze mit Bezug auf die Gewinn- und Verlustrechnung:665 Danach darf der Betrag einer Ausschüttung an die Aktionäre den Betrag des Ergebnisses des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres zuzüglich des Gewinnvortrags und der Entnahmen aus hierfür verfügbaren Rücklagen, vermindert um die Ver­ luste aus früheren Geschäftsjahren sowie um die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung in Rücklagen eingestellt worden sind, nicht überschreiten.666 660  So für das österreichische Recht der Aktionärsklage de lege ferenda Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 219, die einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr allerdings nur bei einer Quota-litis-Prämie, nicht hingegen bei einer konkret aufwendungsbezogen berechneten Vergütung annimmt. 661  So auch Schmolke, ZGR 2011, 398, 436; Vetter, in: FS Hoffmann-Becking (2013), S. 1317, 1337; Vollmann, Minderheitenschutz (1997), S. 173. 662  Weitere Beispiele bei J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 57 Rn. 4. 663  Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitglied­ staaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten; vgl. zuvor Art.  15 der „Kapitalrichtlinie“, Zweite Richtlinie des Rates vom 13.12.1976, 77/91/EWG. 664  Behrens, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, 36. Ergänzungslieferung (2014), E. III. Gesellschaftsrecht, Rn. 44: „Eine Ausschüttung darf nicht dazu führen, dass das Nettoaktivvermögen unter das Gesellschaftskapital herabsinkt […].“; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2011), Rn. 342; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2011), § 6 Rn. 41. 665  Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2011), Rn. 342. 666  Die Vorschrift verschärft den Kapitalschutz nicht wesentlich, weil Rücklagen, die nach (nationalen) Gesetzen und der Satzung nicht zwingend sind, aufgelöst und

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Über nicht gebundenes, ausschüttungsfähiges Kapital enthält die Richtlinie keine Vorschriften;667 aus dem freien Gesellschaftsvermögen können die An­ tragsteller also ohne Weiteres vergütet werden.668 Soweit die Vergütung aus Eigenkapital erfolgen müsste, das nach der Richtlinie gebunden ist (Grundka­ pital; nach nationalem Recht oder der Satzung nicht angreifbare Rücklagen; oder auflösbare, aber nicht tatsächlich aufgelöste Rücklagen), könnte sie aber europarechtlich unzulässig sein. Um die Richtlinie anzuwenden, müsste die vorgeschlagene Antragsteller­ vergütung überhaupt eine „Ausschüttung“ an die Aktionäre i. S. v. Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2012 / 30 / EU sein. Nicht zweifelhaft ist zunächst, dass es sich um eine Zuwendung „an die Aktionäre“ handelt: Die Antragsbefug­ nis und damit der Vergütungsanspruch wurzeln in der Aktionärseigenschaft. Problematisch ist aber, ob eine Aktionärsvergütung eine „Ausschüttung“ darstellt. Ausschüttungen sind „insbesondere die Zahlung von Dividenden und von Zinsen für Aktien“ (Art. 17 Abs. 4 der der Richtlinie 2012 / 30 / EU). Das Wort „insbesondere“ verdeutlicht, dass der Ausschüttungsbegriff auf die beiden ausdrücklich genannten Erscheinungsformen nicht beschränkt ist.669 Maßgeblich ist, ob die jeweilige Zuwendung aus dem gebundenen Gesell­ schaftsvermögen den Zweck des Gläubigerschutzes tangiert,670 und zwar in vergleichbarer Weise wie Dividenden und Zinsen.671 Weil die Haftungssummen der Gesellschaft zufließen und damit auch den Gläubigerinteressen gedient sei, lehnt es Schmolke ab, Vergütungen klagen­ der Aktionäre unter Art. 17 Abs. 1 und  3 der Richtlinie 2012 / 30 / EU zu subsumieren.672 Das Argument überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. Es ausgeschüttet werden dürfen; so Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2011), Rn. 342. Diese Auflösung ist allerdings unabdingbar für eine recht­ mäßige Ausschüttung; so Grundmann, a. a. O. Die Richtlinie selbst schreibt eine Rücklagenbildung und -bindung nicht vor; so Habersack/Verse, Europäisches Ge­ sellschaftsrecht, 4. Aufl. (2011), § 6 Rn. 41. 667  T. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft (2005), S. 260. 668  Vgl. T. Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft (2005), S. 260, in Bezug auf Leistungen an Aktionäre aus freien Rücklagen bei Geschäften zwischen Gesellschaft und Aktionär, die zu Lasten der Gesellschaft unausgewogen sind. 669  So Löneke, Kapitalmarktinformationshaftung (2009), S. 107; vgl. auch Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2011), § 6 Rn. 42. 670  Vgl. zur Maßgeblichkeit der ratio des Gläubigerschutzes Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2011), § 6 Rn. 42. 671  Zum Vergleichbarkeitskriterium auch Cahn/v. Spannenberg, in Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 57 Rn. 49 (Vergleichbarkeit ablehnend für Erfüllung von Ersatzansprüchen der Aktionäre z. B. aus §§ 44 Abs. 1 und Abs. 4, 55 BörsG, 37 b und 37 c WpHG aus dem Gesellschaftsvermögen). 672  Schmolke, ZGR 2011, 398, 436 f.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren349

führte dazu, jede Aktionärsvergütung zu rechtfertigen, soweit überhaupt et­ was für die Gesellschaftskasse und damit die Gläubigerbefriedigung übrig bleibt. Die Gläubiger wünschen indes, dass nur zwingend erforderliche Rechtsdurchsetzungskosten anfallen und ihnen die Forderungssumme soweit wie möglich als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Folgende Legitimation der Aktionärsvergütung drängt sich vor diesem Hintergrund auf: Die Aktionäre, die das Bestellungsverfahren betreiben, erbringen der Gesellschaft eine Leistung der Geschäftsführung.673 Die für Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2012 / 30 / EU typischen Dividenden und Zinsen erhält der Aktionär demgegenüber, ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Der Kapitalschutz steht nun aber Zuwendungen in angemessener Höhe für konkrete Leistungen der Gesellschafter nicht entgegen. Das zeigen die Bei­ spiele der Drittgeschäfte mit Aktionären674 oder der Vergütung von Ge­ schäftsführungstätigkeiten aus der Gesellschaftskasse.675 Maßgeblich für die Vereinbarkeit mit dem Gläubigerinteresse muss daher die Frage sein, ob die Aktionärsvergütung einen Gegenleistungscharakter hat:676 Sie muss gerade ausreichend sein, um die Kostenrisiken und Mühewaltung der Akti­ onäre im Bestellungsverfahren abzugelten und einen Anreiz zu setzen, damit Aktionäre Bestellungsverfahren anstrengen. Werden diese Bedingungen beachtet, ist eine Aktionärsvergütung gemes­ sen am Gläubigerschutzzweck des Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2012 / 30 / EU keine „Ausschüttung“. Das hier entworfene Vergütungsmodell erfüllt diese Bedingungen. (6) Anwendungsbeispiel und mögliche Variationen des Modells Abschließend soll gezeigt werden, dass das vorgeschlagene Vergütungs­ modell praxistauglich und leicht zu handhaben ist. Im bereits oben vor­ gestellten Beispielsfall677 muss der Antragsteller im Unterliegensfall 5.000 Euro Gerichtskosten und jeweils 4.000 Euro eigener und gegnerischer An­ waltskosten tragen. Er hat zudem 6.000 Euro für eine verfahrensvorbereiten­ 673  Diese Überlegung legt möglicherwiese auch Kalss, in: Kalss/Schauer, Re­ form (2006), S. 219 für das österreichische Recht zugrunde, wenn sie annimmt, dass eine angemessene Vergütung keinen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückge­ währ darstellt. 674  Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. (2011), § 6 Rn. 42. 675  Für die Vergütung von Gesellschaftern der GmbH als Geschäftsführer Ekkenga, in: MüKo GmbHG, 2. Aufl. (2015), § 30 Rn. 250 (zu § 30 GmbHG). 676  Letztlich auch Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 219 (vgl. bereits Fn. 660 und 673). 677  Oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c) dd) (2).

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de Bilanzprüfung aufgewendet. Und schließlich hat er einen Arbeitsaufwand im Wert von 1.000 Euro betrieben. Die sog. Risikosumme beträgt folglich 20.000 Euro. Der besondere Vertreter setzt im Klageverfahren den Gesell­ schaftsanspruch durch, beispielsweise in Höhe von fünf Millionen Euro. Der Antragsteller erhält nun einerseits prozessualen Kostenersatz für die von ihm bereits gezahlten Gerichtskostenvorschüsse678 i. H. v. 5.000 Euro sowie für seine Anwaltskosten (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Daneben steht ihm Auf­ wendungsersatz für das Bilanzgutachten (6.000 Euro) und seinen Arbeitsauf­ wand (1.000 Euro) zu sowie eine Risikovergütung in Höhe von 60.000 Euro (20.000 Euro · 3,0679). Übernimmt der Antragsteller die Kosten und Kostenrisiken auch für das Stadium der Anspruchsdurchsetzung durch den besonderen Vertreter, und be­ tragen diese Kosten (also die Kosten des besonderen Vertreters und die Pro­ zesskosten eines Klageverfahrens im Unterliegensfall) z. B. 200.000 Euro, ergibt sich bei Zugrundelegung eines Faktors von ebenfalls 3,0680 eine Risi­ kovergütung von 600.000 Euro. Die Beispiele offenbaren, dass sich der hiesige Vergütungsansatz im Ver­ gleich zu bisherigen Literaturvorschlägen, die einer Beteiligung quota litis das Wort reden, moderat ausnimmt. Er setzt aber voraussichtlich dennoch hinreichende Stimuli für Bestellungsanträge. Sollten diese Anreize wider Erwarten nicht genügen, könnte das Modell in einem weiteren Reformschritt unschwer variiert werden.681 In Betracht käme an vorderster Stelle, den Multiplikator zum Ausgleich der Verlustaver­ sion (Verlustaversionskoeffizient) heraufzusetzen. So könnte im Regelfall bei einer Erfolgsaussicht von 50 % von einem Aversionskoeffizienten von 3,0 statt 2,0 auszugehen sein, um die Aktionäre „aus der Reserve zu lo­ cken“. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass einige Experimente durchaus auch Aversionskoeffizienten oberhalb von 2,0 ergaben, so ein Experiment von Tversky und Kahneman mit niedrigen Summen: Dieses zeigte, dass eine 50-50-Wette, 25 USD zu gewinnen oder 10 USD zu ver­ lieren, so gerade akzeptabel (barely acceptable) für die Teilnehmer war; das 678  Vgl.

zu den Gerichtskostenvorschüssen §§ 13 f. GNotKG. Faktor von 3,0 ergibt sich unter Berücksichtigung der Verlustaversion sowie der zeitlichen Diskontierung bei einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 50 %; s. zu dieser Berechnung oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c) cc) (2). 680  Vgl. zu den Problemen bei der Bestimmung des angemessenen Risikovergü­ tungsfaktors für das Klageverfahren oben Fn. 658. 681  Vgl. allgemein zur „nachträgliche[n] Selbstkontrolle“, durch welche der Ge­ setzgeber „auf das Schicksal seines Gesetzes in der Praxis“ achtet, Pestalozza, NJW 1981, 2081, 2085. 679  Der



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entspricht einem Aversionskoeffizienten von 2,5.682 Im o. g. Beispiel erhiel­ te der Aktionär bei einem Aversionskoeffizienten von 3,0 unter weiterer Berücksichtigung des abnehmenden Zeitwerts des Geldes das 4,5-fache683 seines „Einsatzes“ als Risikovergütung, also 20.000 Euro · 4,5 = 90.000 Euro. Damit erhöhte sich die Risikovergütung, büßte aber den Bezug zum Investitionsrisiko der Aktionäre nicht ein. Mit diesem Schritt näherte man sich den Größenvorstellungen von Wagner an, welcher einen Multiplikator in Höhe des Drei- bis Fünffachen der Prozesskosten nahelegt.684 Alternativ könnte die im Zweifel anzunehmende Erfolgswahrscheinlich­ keit von hier empfohlenen 50 % herabgesetzt werden. Die Rechtsunsicherheit bei der Auslegung etwa der Rechtsbegriffe des unternehmerischen Ermessens (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) oder der groben Fahrlässigkeit (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) ist nicht zu unterschätzen.685 Sie könnte bedingen, dass Aktionä­ re kaum je einmal zu der Einschätzung gelangten, die Erfolgswahrscheinlich­ keit einer Anspruchsdurchsetzung liege bei 50 % oder mehr. Um dieser Rechtsunsicherheit gerecht zu werden, könnte im Regelfall von z. B. einer Erfolgsaussicht von nur einem Drittel oder gar einem Viertel ausgegangen werden. Die Risikovergütung erhöhte sich dann entsprechend.686 3. Lösungsansätze für Rechtsanwälte und besondere Vertreter Anreize müssen ferner gewährleisten, dass qualifizierte Anwälte bereit sind, sich in Vorverfahren gem. § 148 AktG zu engagieren und als beson­ dere Vertreter zu fungieren. a) Bestellung des Prozessvertreters der Aktionäre zum besonderen Vertreter Da die finanziellen Vorteile und die Reputationsgewinne aus den Bestel­ lungsverfahren bescheiden ausfallen,687 werden sich qualifizierte Rechtsan­ 682  Tversky/Kahneman, in: Kahneman/Tversky, Choices, Values, and Frames (2000), S. 143, 154. 683  Der Verlustaversionskoeffizient von dann 3,0 wäre mit dem Koeffizienten von 1,5 zum Ausgleich der zeitlichen Diskontierung zu multiplizieren: 3,0 · 1,5 = 4,5; zur Berechnung s. oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c) cc) (2). 684  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 271. 685  Die besondere Bedeutung des Prozessrisikos für die Bestimmung der Aktio­ närsbeteiligung betont auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 270. 686  s. die Tabelle oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c) dd) (2). 687  s. dazu oben Kapitel 3, § 12 VI. 1. am Ende. Das Problem der Untervergütung entspannt sich etwas, wenn man dem hier entwickelten Vorschlag folgt, nach dem

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

wälte dieser Mandate nur annehmen, wenn das Gericht gerade sie zum besonderen Vertreter bestellt. Es muss daher möglich sein, jene Rechtsan­ wälte, die Aktionäre in den Bestellungsverfahren vertreten, auch als beson­ dere Vertreter zu bestellen. Mit Blick auf § 45 Abs. 2 Nr. 1 BRAO sollte das Aktiengesetz klarstellen, dass diese Doppelfunktion bedenkenlos ist. b) Vergütung besonderer Vertreter Auch für die Anwaltsmotivation kommt der Vergütung eine Schlüsselrol­ le zu: Was die Rechtsanwälte in ihrer Funktion als besondere Vertreter leisten, muss angemessen vergütet werden. Zu vermeiden sind dabei aber Anreize für den besonderen Vertreter, sich auf Kosten der Gesellschaften opportunistisch zu verhalten. Das geltende Recht regelt die Vergütung und den Auslagenersatz in § 147 Abs. 2 Sätze 5 und 6 AktG. Neben einem Ersatz von Auslagen (z. B. für Reisekosten und Beiträge für eine D&O-Versicherung688) steht dem beson­ deren Vertreter eine Vergütung zu, die das Gericht durch Beschluss festsetzt (§ 147 Abs. 2 Satz 6 AktG). Inhaltlich konkretisiert § 147 Abs. 2 Satz 5 AktG die „Vergütung“ nicht näher. Die Rechtsprechung hat zuletzt die Dauer und den Umfang der Tätigkeit sowie die Qualifikation der Vertreter als maßgeb­ liche Vergütungsfaktoren anerkannt.689 Auch Zeithonorare können ange­ messen sein, wie das OLG München für die Vergütung der Sonderprüfer, für die § 142 Abs. 6 Satz 1 AktG eine wortgleiche Regelung trifft, unlängst geurteilt hat.690 Nicht hingegen beschränkt sich die Vergütung auf die Ge­ bührensätze des RVG.691 Eine Vergütung nach Stundensätzen dürfte für Anwälte mit aktienrechtlichem Spezialwissen der Regelfall sein.692 die Aktionäre im Erfolgsfall auch Anwaltskosten aufgrund von Honorarvereinbarun­ gen, welche die gesetzlichen Gebühren nach dem RVG übersteigen, von der Gesell­ schaft ersetzt bekommen; dazu oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c) dd) (1). Denn unter dieser Voraussetzung werden die Anwälte tendenziell häufiger in den Genuss leis­ tungsangemessener Stundenhonorare für ihre Tätigkeit im Vorverfahren kommen. 688  Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 124. 689  Kammergericht vom 16.12.2011  – 25 W 92/11, FGPrax 2012, 76, 77; auch Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 709. 690  OLG München vom 04.06.2008  – 31 Wx 50/08, juris, Rn. 9: Die pauschale Festsetzung eines Stundensatzes von 300 Euro wurde für einen als Sonderprüfer tätigen Wirtschaftsprüfer als rechtmäßig erachtet; für die Zahlung des üblichen Stun­ densätze nun auch de lege lata Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 709. 691  A.  A. (in der Tendenz) zum geltenden Recht Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 709, nach denen eine Orientierung an den RVG-Sätzen „in Betracht“ kommt; wie hier Verhoeven, ZIP 2008, 245, 249, Fn. 42, der die Tätigkeit des Sondervertreters in die Nähe zu der eines Vorstands- oder Aufsichts­



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren353

Eine zeitabhängige Vergütung verlockt einen besonderen Vertreter aller­ dings, „Kosten zu machen“, indem er das Verfahren in die Länge zieht oder (weiter-)betreibt, obwohl er die Aussichtslosigkeit längst erkannt hat.693 Schlechtestenfalls könnte der Vertreter einen Vergleich ablehnen, der für die Gesellschaft vorteilhaft wäre, um sich weitere zu vergütende Stunden zu sichern.694 Den Gesellschaften ist aber nur an solchen Arbeitsstunden gele­ gen, deren Erwartungswert positiv ist: Ihr Nutzen für die Steigerung der Erfolgsaussichten muss die zusätzlich entstehenden Kosten des besonderen Vertreters übersteigen.695 Die Problematik des übermäßigen Stundenaufwands entschärft sich zwar, weil die Gerichte den erforderlichen Arbeitsaufwand des besonderen Vertre­ ters nach Abschluss seiner Tätigkeit festsetzen.696 Als Kontrolleur eignet sich das Gericht allerdings nur bedingt, weil es schwer nachprüfen kann, ob ratsmitglieds rückt, für die das RVG ebenfalls nicht gilt. Das Handeln als beson­ derer Vertreter dürfte eine u. a. einem Nachlassverwalter, Zwangsverwalter oder Treuhänder „ähnliche Tätigkeit“ i. S. v. § 1 Abs. 2 RVG sein, die dem RVG nicht unterfällt. Ratio des § 1 Abs. 2 RVG ist es, Ausnahmen u. a. für neutrale, „nicht im Auftrag einer Partei oder in deren Interesse“ übernommene Aufgaben zu schaffen; so Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. (2013), § 1 Rn. 205. Eine solche Aufga­ be ist auch diejenige des besonderen Vertreters, weil er das „neutrale“ Gesell­ schaftsinteresse und damit das Interesse aller Aktionäre der jeweiligen Gesellschaft wahrnimmt. 692  OLG München vom 21.07.2010  – 7 U 1879/10, AG 2011, 204, 205. 693  Für Rechtsanwälte Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, Bündelung (1999), S. 67, 83; Coffee, 86 Colum. L. Rev. (1986), 669, 681, der meint, eine stundenweise Vergütung schaffe „an incentive to continue litigating a case well past the point at which the marginal costs of such effort equal the marginal returns ge­ nerated thereby“; note, 48 Law & Contemp. Probs. (1985), 229, 256; The American Law Institute (ALI), Principles of Corporate Governance (Stand: April 2011), § 7.17, comment c. 694  Für die Motivation bei der Rechtsanwaltsvergütung Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law (2004), S. 435. 695  Vgl. für die Rechtsanwaltsvergütung im US-amerikanischen Recht note, 48 Law & Contemp. Probs. (1985), 229, 256: „The client’s economic interest, on the other hand, is served when the attorney works the greatest number of hours which correspond to a positive marginal rate of recovery.“ 696  Zu dieser nachträglichen Festsetzung Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 714; für den Sonderprüfer OLG München vom 04.06.2008 – 31 Wx 50/08, juris, Rn. 6, wonach die „abschließende Festsetzung der geschuldeten Vergütung nach Beendigung der Sonderprüfung“ den Regelfall darstelle; dem Ge­ richt soll es aber freistehen, vorab zu bestimmen, „wie die dem Sonderprüfer zuste­ hende Vergütung zu bemessen ist“; nach Rieckers/Vetter, a. a. O. i. V. m. Rn.  710 kann das Gericht entsprechend § 669 BGB auch einen Vorschuss für Auslagen zu­ sprechen; für die Vergütung besteht kein Vorschussanspruch; so ausdrücklich für die Sonderprüfung OLG München, a. a. O., Rn. 12.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

der Vertreter weitere Arbeitsstunden zum jeweiligen Zeitpunkt noch für er­ forderlich halten durfte.697 Auf diese Lücke in der Kontrollierbarkeit könnte der Gesetzgeber reagie­ ren, indem er statt einer stundenweisen eine erfolgsabhängige Quota-litisVergütung einführt, wie sie § 4a RVG in Grenzen bereits für Rechtsanwälte zulässt.698 „Stunden zu machen“ wäre dann nicht mehr opportun. Wie be­ reits für eine Quota-litis-Vergütung der Aktionäre festgestellt,699 sähe sich eine solche aber auch für besondere Vertreter dem Vorwurf ausgesetzt, Zu­ fallsgewinne (windfall profits) zu verteilen. Dieser Umstand könnte die öf­ fentliche Akzeptanz des Verfahrens nach § 148 AktG mindern. Zudem gäbe die Quota-litis-Methode dem besonderen Vertreter Grund, sich verfrüht unter Wert zu vergleichen.700 Ursächlich für diese Motivation ist, dass der marginale Nutzen weiterer Arbeitsstunden für den Erfolg der Anspruchs­ durchsetzung im Regelfall sinkt (abnehmender Grenznutzen).701 Schäfer konstatiert für Erfolgsprämien mithin zutreffend: „Es wird lohnend, einen 697  Entsprechend kritisch für die gerichtliche Kontrolle des angemessenen Stun­ denaufwands bei Stundensätzen (hourly fees) im Recht der US-amerikanischen An­ waltsvergütung Coffee, 86 Colum. L. Rev. (1986), 669, 691, der meint, die Bestim­ mung des angemessenen Aufwands sei ein „substantial burden on the already overloaded judicial system“; Klaiber, 66 Md. L. Rev. (2006), 228, 240; Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, Bündelung (1999), S. 67, 83. 698  Eine erfolgsabhängige Vergütung für den gerichtlich bestellten Vertreter de lege lata diskutierend, im Ergebnis aber ablehnend, Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 709. 699  s. oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c) bb). 700  Für die Anwaltsvergütung im US-amerikanischen Recht Coffee, 86 Colum. L. Rev. (1986), 669, 687 ff.; Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law (2004), S. 435; The American Law Institute (ALI), Principles of Corporate Gover­ nance (Stand: April 2011), § 7.17, comment c. 701  Dazu eingehend Coffee, 86 Colum. L. Rev. (1986), 669, 687 ff.; Schäfer, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, Bündelung (1999), S. 67, 81. Das Argument kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Es mag bei einer Forderung von 100 Mil­ lionen Euro mit einem Arbeitsaufwand der Rechtsanwälte von 3.000 Stunden eine Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozess von 50 % erreicht werden. Mit dem doppelten Aufwand, also 6.000 Stunden, kann „nur“ eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 75 % erreicht werden (abnehmender Grenznutzen). Es liegt im Interesse der Gesellschaft, dass auch die Stunden 3.001 bis 6.000 für diesen Haftungsfall geleistet werden. Angenommen, der Stundensatz liegt bei 300 Euro: Dann betragen die Mehrkosten 900.000 Euro, was deutlich unter der Steigerung des Erwartungswerts um 25 % (0,25 mal 100 Millionen = 25 Millionen Euro) liegt. Die spezialisierten Anwälte, die unterstellt eine Erfolgsbeteiligung von 10 % erhalten, können ihren persönlichen Erwartungswert durch die Stunden 3.001 bis 6.000 zwar ebenfalls steigern, und zwar um 2,5 Millionen Euro. Sie könnten aber das Kontingent der 3.000 Arbeitsstunden auch für einen neuen Fall verwenden, der ihnen ceteris paribus bzgl. der ersten 3.000 Stunden wiederum einen Erwartungswert von 5 Millionen einbrächte.



§ 12  Die Reformansatzpunkte für ein effektives Durchsetzungsverfahren355

geringeren als den mandantengerechten Aufwand zu betreiben.“702 Auch wäre in Zweifel zu ziehen, ob für die Mehrzahl der Rechtsanwälte eine rein erfolgsabhängige Vergütungsform wirklich attraktiv wäre.703 Vielmehr drängt sich auf, es beim geltenden Recht und damit einer stun­ denweisen Vergütung zu belassen, jedoch die Kontrolle der Gerichte über den Aufwand der besonderen Vertreter zu stärken.704 Bereits de lege lata können die Gerichte nach einer Literaturauffassung vorab einen Kostenrah­ men für die Tätigkeit des besonderen Vertreters setzen.705 De lege ferenda bietet sich an, diese gerichtliche Befugnis in den Gesetzestext aufzuneh­ men.706 Darüber hinausgehend sollte es das Gesetz in das Ermessen der Gerichte stellen, die Kosten für bestimmte Handlungsabschnitte der Rechts­ durchsetzung festzusetzen. Die Gerichte können dann z. B. ein Stundenkon­ tingent zunächst nur für die Sachverhaltsermittlung und außergerichtliche Verhandlungen bestimmen. Erst wenn ein für die Gesellschaft vorteilhafter Vergleich nicht zustande kommen sollte, würden sie auf Antrag des beson­ deren Vertreters ein Stundenkontingent für eine gerichtliche Anspruchs­ durchsetzung „freigeben“.707 Damit zwingt das Gesetz den Vertreter, vor Gericht Rechenschaft über seine bisherige Leistung zu geben und den Be­ darf für weiteren Stundenaufwand plausibel zu machen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Kostenregelung des § 147 Abs. 2 Sätze 5 und 6 AktG auch für den auf Antrag einzelner Aktionäre zu bestel­ lenden besonderen Vertreter überzeugt, jedoch um die beschriebenen ge­ richtlichen Kontrollinstrumente zu ergänzen ist. 702  Schäfer,

in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, Bündelung (1999), S. 67, 81. mit Blick auf risikoaverse Rechtsanwälte Shavell, Foundations of Eco­ nomic Analysis of Law (2004), S. 436. 704  Damit ist ein Ausgleich zu schaffen für die bei § 148 AktG voraussichtlich geringen Kontrollanstrengungen der antragstellenden Aktionäre gegenüber den be­ sonderen Vertretern; zu dem sonst wirkenden Mechanismus der Kontrolle des Rechtsanwalts durch den Mandanten zur Minderung des Anreizproblems auf An­ waltsseite Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law (2004), S. 436. 705  Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 714; für die Sonder­ prüfer Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 142 Rn. 148. 706  Ein Vorbild könnte das niederländische, der Sonderprüfung vergleichbare recht van enquête sein: Nach Art. 2:350 Abs. 3 Satz 1 des niederländischen BW setzt die für die Anträge zuständige Ondernemingskamer (Unternehmenskammer) des Gerechtshof Amsterdam die Summe fest, welche die Untersuchung (enquête) höchs­ tens kosten darf. Die Ondernemingskamer kann diesen Betrag auf Antrag der von ihr beauftragten Prüferpersonen nach Anhörung der Gesellschaft jederzeit erhöhen; zum recht van enquête auch Jänig, Sonderprüfung (2005), S. 420, zur Anpassung des Kostenrahmens Fn. 2516 m. w. N. 707  In dem sich nach dem FamFG richtenden Verfahren zur Festsetzung weiterer Stundenkontingente sollte auch die Gesellschaft angehört werden. 703  Vgl.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

§ 13  Verwirklichung der Reformansatzpunkte in einem institutionellen Vorverfahren? Peltzer hat vorgeschlagen, das Vorverfahren der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung  e. V. (DPR) zu überantworten.708 Die Finanzierung der neuen Aufgabe der DPR könnte in Anlehnung an § 342d HGB durch eine Umlage auf alle börsennotierten Aktiengesellschaften erfolgen.709 Die Akti­ onäre sollen in ihrem Antrag Verdachtsmomente einer Pflichtverletzung darlegen, und die Prüfstelle soll die Gesellschaft benachrichtigen und die Vorwürfe vor Ort untersuchen,710 um dann über eine Klagezulassung zu entscheiden. Mit Erfolg im Vorverfahren erlangen die Aktionäre wie im Falle eines gerichtlichen Zulassungsverfahrens die Klagebefugnis; unter Zugrundelegung der hier entwickelten Präferenz müsste das Verfahren je­ doch entgegen Peltzer auf die Bestellung eines besonderen Vertreters ausge­ richtet werden, was aber unproblematisch möglich wäre. Das Verfahren soll kostenfrei sein, wenn die private Einrichtung die Klage zulässt; andernfalls sollen die Antragsteller zur Zahlung einer Gebühr verpflichtet sein,711 wobei Peltzer die Gebühr nicht beziffert. Peltzer knüpft an den bisherigen Einsatzbereich der DPR an, das zwei­ stufig aufgebaute Enforcement-Verfahren zur Prüfung von Verstößen gegen Rechnungslegungsvorschriften (§ 342b HGB):712 Auf einer ersten Stufe soll demnach die DPR – wie im Enforcement-Verfahren – ohne hoheitliche Befugnisse tätig werden; sie ist bei ihrer Verdachtsprüfung auf die Koope­ ration der Gesellschaften angewiesen. Verweigert die Gesellschaft die Mit­ arbeit, soll auf einer zweiten Stufe die BaFin die Verdachtsprüfung mittels hoheitlicher Befugnisse erzwingen und über die Klagezulassung entschei­ den. In Betracht für dieses Alternativmodell käme auch eine andere priva­ te Einrichtung als die DPR, da begründete Zweifel an der Qualifizierung der DPR für die Entscheidungen i. S. v. § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG beste­ hen.713 Daher soll im Folgenden allgemeiner von einem institutionellen Verfahren die Rede sein. 708  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 965 ff.; Bachmann, Gutach­ ten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 92 spricht dem Modell „Charme“ zu, sieht aber auch Nachteile. 709  Näher zu diesem Finanzierungsansatz für die DPR in Bezug auf das Enforcement-Verfahren Hommelhoff, in: GK HGB, 5. Aufl. (2012), § 342d, Rn. 1. 710  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 967. 711  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), 953, 967. 712  Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz – BilKoG) vom 15.12.2004, BGBl  I, Nr. 69, S. 3408, BT-Drucks. 15/3421. 713  Die Mitglieder der Prüfstelle müssen gem. § 9 Abs. 2 der DPR-Satzung (Sat­ zung des Vereins Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V. vom 29.04.2004,



§ 13  Verwirklichung der Reformansatzpunkte357

Vorteile gegenüber einem gerichtlichen Vorverfahren könnten bei der Aufklärung des Verdachts einer Pflichtverletzung (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) bestehen.714 Die Mitglieder und Hilfspersonen715 der privatrecht­ lichen Einrichtung und der BaFin könnten vor Ort ermitteln, Unterlagen einsehen und Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie Mitar­ beiter befragen.716 Die Richter im gerichtlichen Bestellungsverfahren verfü­ gen indes ebenfalls über Aufklärungsmöglichkeiten. Diese werden noch ausgebaut, wenn die Gesellschaft wie hier vorgeschlagen zur Dokumenten­ vorlage verpflichtet wird, und diese Pflichten auch mit Zwang durchsetzbar sind.717 Möglicherweise wäre eine Sachverhaltsaufklärung vor Ort aber tatsächlich effektiver. Nicht fern liegt auch, dass ein institutionelles Verfahren bei großzügiger Personalausstattung der Einrichtung schneller abzuwickeln wäre als ein gerichtliches Bestellungsverfahren.718 Nach Einschätzung Peltzers brauchten nach Antragstellung nur wenige Wochen zu vergehen, bis die private Ein­ richtung eine Entscheidung trifft.719 Das entlastete die Gesellschaften, mo­ tivierte aber auch die Antragsteller, die rascher zu ihrem Ziel gelangten. Die Verwirklichung dieses Vorteils eines institutionellen Verfahrens hinge aller­ dings entscheidend von der personellen und finanziellen Ausstattung der Einrichtung ab. Mit letztgenanntem Punkt sind zugleich die Nachteile des institutionellen Modells angesprochen: Es müsste – zumal für eine rasche Verfahrensdurch­ führung – umfassend Personal bei der privaten Institution wie auch der geändert am 6. April 2005 und am 1. April 2009) Rechnungsleger sein. Das passt nicht recht zu dem Anforderungsprofil, welches für Prüfungen des Verdachts bei § 148 AktG einschlägig ist; so auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 92; Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 98. 714  Vgl. auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 92, der die Verbesserung der Beweissituation mit dem Zeitgewinn in einem insti­ tutionellen Verfahren begründet. 715  Zur Zulässigkeit des Einsatzes von Hilfspersonen für die Prüfungen im Enforcement-Verfahren s. § 342b Abs. 1 Satz 4 HGB (für die DPR) sowie § 37o Abs. 3 WpHG (für die BaFin). Die Hilfspersonen der BaFin (z. B. Wirtschaftsprüfer) werden dabei als Verwaltungshelfer tätig. Sie unterliegen den Weisungen der BaFin; so Hennrichs, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. (2010), § 37o Rn. 20. 716  Vgl. allgemein zu den Vorzügen behördlicher Ermittlungen im Gesellschafts­ recht Winner, ZÖR 2010, 553, 560. 717  s. oben Kapitel 3, § 12 V. 1. b) aa). 718  Die Zeitersparnis betont auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 92. 719  Peltzer, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 953, 967.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

BaFin aufgebaut werden, das nur einem begrenzten Zweck diente: Einen bloßen Verdacht festzustellen (vgl. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG); über die Begründetheit der Klagen über Ersatzansprüche entschieden im Klage­ verfahren weiter die Landgerichte. Es ist in Zweifel zu ziehen, ob dieser administrative Aufwand in Ansehung der beschränkten Aufgabe einer Ver­ dachtsprüfung verhältnismäßig wäre. Zugleich risse das institutionelle Modell Zusammengehöriges auseinan­ der: Im geltenden Recht des § 148 AktG ist das Landgericht am Sitz der Gesellschaft und dabei soweit vorhanden die Kammer für Handelssachen sowohl für das Vor- als auch das Klageverfahren ausschließlich zuständig (§ 148 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 4 Satz 1 AktG). Die jeweilige Kam­ mer ist im Klageverfahren somit bereits mit wesentlichen Tatsachen- und Rechtsfragen der Ersatzansprüche vertraut.720 Im institutionellen Verfahren würde demgegenüber prozessunwirtschaftlich zunächst die Einrichtung mit der Haftungsfrage befasst werden und im Klageverfahren erstmalig das Landgericht. Des Weiteren bliebe der Malus eines außergerichtlichen Sonderweges, der exklusiv für § 148 AktG beschritten würde. Rationale Apathie der Aktionä­ re in Publikumsgesellschaften wirkt sich aber nicht nur bei § 148 AktG aus, sondern betrifft auch die Verfahren etwa gem. §§ 98 f., 142 Abs. 2 oder 246 AktG. Damit wirft der Reformvorschlag unweigerlich die Frage auf, ob nicht sämtliche Verfahren, die aus rationaler Apathie nicht oder zu selten betrieben werden könnten, auf eine hochspezialisierte Institution ausgelagert werden müssten. Für einen so breit angelegten Reformschritt dürfte rechts­ politisch aber kein Handlungsspielraum bestehen. Es bliebe daher bei einer unsystematischen Ausnahme für § 148 AktG. Nicht zuletzt wäre die für das institutionelle Verfahren wesentliche Um­ lagefinanzierung der Einrichtung allein für börsennotierte Aktiengesellschaf­ ten zu rechtfertigen. Nichtbörsennotierten Gesellschaften mangelt es an ei­ nem anlegenden Publikum. Sie mittels der Umlage zur Finanzierung der Einrichtung heranzuziehen, deren Ziel es an vorderer Stelle ist, Anlegerver­ trauen in der Öffentlichkeit herzustellen, könnte nicht überzeugen.721 Für die zahlreichen nichtbörsennotierten Gesellschaften müsste daher ein ande­ res Verfahren, naheliegend ein gerichtliches Vorverfahren, parallel bestehen. Es käme zu einer Verdoppelung der Regelungsansätze. In der Summe der Argumente ist nicht zu empfehlen, die Bestellungsver­ fahren einer privaten Einrichtung und der BaFin zu überantworten. Die 720  G.

Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GK AktG, 4. Aufl. (2008), § 148 Rn. 225. Kanzow, Aktionärsklagen (2016), S. 243, der ohne Differenzierung nach der Börsennotierung von einer Rechtfertigung der Umlage ausgeht und sich dafür mit der verhaltenssteuernden Wirkung begnügt. 721  Anders



§ 14  Verfolgungsrecht und materiellrechtlicher Anspruch 359

Reformziele lassen sich mit einem gerichtlichen Vorverfahren zufriedenstel­ lend verwirklichen, mag auch ein institutionelles Verfahren einige Vorzüge aufweisen.

§ 14  Verfolgungsrecht und materiellrechtlicher Anspruch Die Reformvorschläge zu § 148 AktG haben verschiedene Implikationen für die künftige Ausgestaltung der materiellen Haftungsgrundlagen ein­ schließlich der Vorschriften zum Verzicht und Vergleich (vgl. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG).

I. Beschränkung des Haftungsumfangs Erleichtert der Gesetzgeber die Durchsetzung der Organhaftungsansprü­ che gem. § 148 AktG, ist im Sinne eines „Koppelungsgeschäfts“ zugleich der Haftungsumfang einzuschränken.722 Keineswegs verwirklichen können den anzustrebenden „Gleichklang von materiellem Recht und Rechtsverfol­ gung“723 die Vorschläge des 70. Deutschen Juristentages 2014: Der Juris­ tentag hat sich im Ergebnis für nicht nach unten begrenzte satzungsdispo­ nible Haftungshöchstgrenzen724 ausgesprochen, zugleich aber wesentliche Verbesserungen bei § 148 AktG abgelehnt; lediglich zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs konnte er sich durchringen.725 Das überzeugt in der zu einseitig auf Entlastung der Organmitglieder zielenden Richtung als Reformansatz nicht. Die nachfolgend entwickelten Haftungserleichterungen sind daher zwingend an die Umsetzung der zu § 148 AktG entwickelten Reformvorschläge zu binden. Die sich anschließenden Überlegungen be­ schränken sich auf Vorstandsmitglieder. Für Aufsichtsratsmitglieder dürften Beschränkungen nach vergleichbaren Grundsätzen aber ebenfalls angemes­ sen sein. 722  Bereits eingehend oben Kapitel 1, § 5 VI.; etwa auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 251. 723  Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 299; folgend Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 784. 724  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 3.: „Die Satzung sollte dabei a) die Innenhaftung der Organ­ mitglieder für einfache Fahrlässigkeit ausschließen können (ggf. ab einer bestimmten Schadenssumme)“; angenommen mit 60:14:11; sowie „b) Haftungshöchstgrenzen einführen können“; angenommen mit 63:16:6. 725  Vgl. Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirt­ schaftsrecht, Beschlusspunkt 12.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

1. Umsetzung einer Haftungsbegrenzung Richtigerweise steht es dem zuständigen Verwaltungsorgan im Rahmen seines Rechtsverfolgungsermessens offen, ein Organmitglied nur teilweise in Anspruch zu nehmen, wenn dies dem Gesellschaftsinteresse entspricht.726 Bedeutsamer noch ist die Frage, ob es der Gesellschaft sogar zwingend verwehrt ist, den Ersatzanspruch in existenzvernichtender Höhe durchzuset­ zen. Nur unter dieser Voraussetzung hat das Organmitglied einen sicheren Schutz vor existenzvernichtender Inanspruchnahme. Zunehmend fordern Stimmen aus der Wissenschaft eine Haftungsmilde­ rung bei fahrlässiger Schädigung der Gesellschaft bereits de lege lata. Ein Teil der Fürsprecher einer Haftungsbegrenzung setzt bei allgemeinen Billig­ keitsüberlegungen an, die dem Richter eine „Billigkeitskorrektur“ und damit eine „angemessene Begrenzung der Ersatzpflicht“ erlauben sollen.727 Wie­ der andere Stimmen wollen die arbeitsrechtlichen Grundsätze des innerbe­ trieblichen Schadensausgleichs übertragen.728 Überwiegend wird demge­ genüber die Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihrem Organmitglied fruchtbar gemacht. Diese soll es der Gesellschaft unter im Einzelnen um­ strittenen Voraussetzungen verwehren, die volle Ersatzsumme geltend zu machen.729 Zur Begründung dieser Pflicht der Gesellschaft weist J. Koch 726  Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1308; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 801 f.; Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 19. Umstritten ist weithin, ob das Organ auch aus Gründen der sozialen Rück­ sichtnahme auf das Organmitglied teilweise von einer Anspruchsverfolgung absehen kann; dazu Fleischer, a. a. O. 727  Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3.  Aufl. (2010), §  93 Rn.  38, die einer „angemessene[n] Begrenzung der Ersatzpflicht […] nicht nur aus Billigkeitsgesichts­ punkten, sondern auch unter dem Aspekt der Gewährleistung einer unternehmerisch geprägten Unternehmensführung“ das Wort reden. 728  Dahingehend Ritter, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 24 Rn. 46 (Nichtanwendung der arbeitsrechtlichen Grundsätze sei „zweifelhaft“); vgl. auch Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller (2008) § 2 Rn. 36, der die Recht­ sprechung des BAG zum innerbetrieblichen Schadensausgleich weitreichend auch für Unternehmensleiter für passend erachtet; mit einer Übertragung der arbeitsrecht­ lichen Grundsätze sympathisierend, im Ergebnis aber ablehnend, Bachmann, Gut­ achten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 56 f.; gegen den Transfer dieser Grundsätze ausdrücklich etwa Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 37. 729  J. Koch, in: Liber Amicorum M. Winter (2011), S. 327, 338 ff.; ders., AG 2012, 429, 435; ders., in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 51; J. Koch wählt eine „organschaftliche Fürsorgepflicht“ als Anknüpfungspunkt, wobei er diesen Be­ griff ausweislich u. a. der Quelle Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 51 syno­ nym zum Begriff der organschaftlichen Treuepflicht verwendet; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 636  ff., aufgrund gesellschaftsrechtlicher „Rücksichtnahmepflicht“. Casper gebraucht diesen Begriff synonym zur Treuepflicht der Gesellschaft; vgl.



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plastisch darauf hin, dass die Treuepflicht des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft „keine Einbahnstraße“ sei.730 Es überzeugte indes nicht, wollte man eine so weitreichende Maßnahme wie eine Haftungsbeschränkung ohne weitere methodische Begründungs­ schritte aus der unbestimmten Treuepflicht herleiten.731 Richtigerweise müssten die Erfordernisse einer offenen Rechtsfortbildung erfüllt sein.732 Zunächst müsste eine planwidrige Regelungslücke nachweisbar sein. Vor dem Hintergrund, dass sich der Gesetzgeber zu Fragen einer adäquaten Begrenzung von Haftungsrisiken mit dem UMAG durch Normierung des unternehmerischen Ermessens in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG geäußert hat, ohne zugleich eine Umfangsbegrenzung auch nur zu erwägen, sprechen die besseren Argumente gegen eine planwidrige Regelungslücke.733 Gegen eine abschließende Lösung des Problems eines Haftungsübermaßes in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wendet sich aber Scholz: Die Vorschrift solle nur klar­ stellen, dass eine Erfolgshaftung ausscheidet.734 Dieses Argument mündet in die These, der Gesetzgeber habe mit § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gar kein Haftungsprivileg schaffen wollen.735 Das überzeugt nicht. Denn die Er­ a. a. O., S.  638. Die Rücksichtnahmepflicht ist nach Casper sowohl aus der Organ­ stellung als auch dem Anstellungsvertrag begründbar; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 77 ff. (aufgrund Treuepflicht); Spindler, AG 2013, 889, 894: „Treue- und Für­ sorgepflichten der Gesellschaften […], die die Regresshöhe beschränken“; kritisch aus methodischer Sicht Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 272 ff.: Fürsorgepflicht als „Leerformel“. 730  J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 84 Rn. 11; vgl. auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 84 Rn. 31: „Gegenseitige Treue- und Fürsorge­ pflicht“; Hervorhebung nicht im Original. 731  Ablehnend auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 802, der auf die man­ gelnde Erprobung des Rechtsinstituts der Fürsorgepflicht der Gesellschaft gegenüber dem Organmitglied hinweist (ohne – ausdrücklichen – Bezug zur Frage weiterer methodischer Begründungsschritte). 732  Zutreffend mit eingehender Argumentation Scholz, Existenzvernichtende Haf­ tung (2014), S. 277 ff. 733  Auch Paefgen, AG 2014, 554, 568 f. nimmt an, dass es wegen der Erfassung des Haftungsproblems in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG an einer Regelungslücke fehle, die eine Rechtsfortbildung i. S. e. Anwendung der Haftungserleichterungen des Ar­ beitsrechts erlaube; auch Fleischer, ZIP 2014, 1305 f. sowie 1307, historisch mit der Haltung der Reichstagskommission im Gesetzgebungsverfahren zur Aktienrechtsno­ velle von 1884 argumentierend; vgl. auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 802, der bezweifelt, dass eine Fürsorgepflicht so weit reichen könne, von der Durchset­ zung eines begründeten Anspruchs Abstand zu nehmen; eine Haftungsreduzierung de lege lata ablehnend auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 233 f., allerdings ohne weitergehende rechtsmethodische Herleitung. 734  So Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 282 unter Verweis auf BT-Drucks. 15/5092, S. 11, li. Sp. 735  Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 282.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

folgshaftung wird gerade abgelehnt, um die Haftungsrisiken zu begrenzen und somit unternehmerische Risikofreude zu erhalten.736 Folglich liegt es nahe, § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG tatsächlich einen abschließenden Charakter zu attestieren. Dafür spricht auch, dass die Regierungskommission Corpo­ rate Governance, deren Ergebnisse mit dem UMAG weitreichend umgesetzt wurden,737 Folgendes ausdrücklich festgehalten hat: „Die Gestattung einer vertraglichen Freistellung von der Fahrlässigkeitshaftung empfiehlt sich […] zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenso wenig wie eine gesetzliche Deckelung der Haftung von Organmitgliedern für einfache Fahrlässigkeit, zumal hier­ von jeweils ein falsches Signal ausginge. Vielmehr sollte die weitere Ent­ wicklung beobachtet und gegebenenfalls die Frage einer Gestattung der Haftungsfreistellung oder einer Haftungsdeckelung zu gegebener Zeit erneut thematisiert werden.“738 Darin ist der Gesetzgeber des UMAG der Kom­ mission schlussendlich gefolgt, indem er keine summenmäßige Haftungsbe­ grenzung geregelt hat. Man wird daher annehmen müssen, dass für eine Rechtsfortbildung kein Raum ist, und zwar weder im Bereich unternehme­ rischer Entscheidungen noch außerhalb dieses Bereichs.739 Die Rechtsprechung hat es bisher jedenfalls abgelehnt, die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung740 auf Organmitglieder zu übertra­ gen.741 Allzumal aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine gesetzliche Re­ gelung anzustreben.742 Dafür streitet ferner, dass die Literatur nur vage 736  Die Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 12, li. Sp. umschreibt den § 93 Abs. 1 Satz  2  AktG als „Haftungsfrei­ raum“, was den Bezug zu Haftungsrisiken unterstreicht. 737  So deutlich in Bezug auf § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11, li. Sp. 738  Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“ vom 14.08.2001, BT-Drucks. 14/7515, S. 51 li. Sp. Rn. 71. 739  Auch Paefgen, AG 2014, 554, 568 f. 740  Überblick bei Preis, in: Erfurter Kommentar, 15. Aufl. (2015), § 619a BGB, Rn.  9 ff. 741  OLG Koblenz vom 24.09.2007  – 12 U 1437/04, juris, Rn. 126 (zu § 43 Abs. 2 GmbHG) mit der Begründung, eine solche Begrenzung laufe dem Präventi­ onszweck der Organhaftung zuwider; aus der Literatur etwa Henssler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2012), § 619a Rn. 19, der abschließende Regelungen des Gesell­ schaftsrechts annimmt. 742  Mit entsprechender Argumentation für eine gesetztliche Haftungsbegrenzung auch Gaul, AG 2015, 109, 113: „Da diese Ansatzpunkte [der Regressreduzierung aufgrund der Treue- oder Rücksichtnahmepflicht der Gesellschaft] primär auf Billig­ keitserwägungen beruhen, bestehen […] Defizite in der praktischen Anwendung unter dem Aspekt der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit.“; vgl. auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 351 ff., der sich für eine gesetzliche Rege­ lung ausspricht, obwohl er auch eine Milderung de lege lata für möglich hält; für eine gesetzliche Regelung auch Peltzer, in: Hommelhoff/Rowedder/Ulmer (2000),



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Ansätze zur Beantwortung der Frage offeriert, welches Haftungsmaß ange­ messen ist, und ein Konsens noch in weiter Ferne ist.743 a) Sachlicher Anwendungsbereich Eine gesetzliche Haftungsbeschränkung sollte bei einfacher Fahrlässigkeit greifen.744 Anders als beim innerbetrieblichen Schadensausgleich im Ar­ beitsrecht745 sollte die Haftung bei leichtester Fahrlässigkeit (culpa levissima) jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich reduziert sein.746 Im Fall vorsätzlicher Schädigung der Gesellschaft muss jede Haf­ tungsbegrenzung ausgeschlossen sein.747 Für die hier im Schwerpunkt interessierende grobe Fahrlässigkeit (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG) lehnt die Literatur eine Haftungsreduzie­ rung überwiegend ab.748 Das BAG jedoch wendet seine Grundsätze des in­ nerbetrieblichen Schadensausgleichs auch bei grober Fahrlässigkeit an, wenn S. 49, 80; Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 15 (mit dem Argument, dass es zweifelhaft sei, ob die Rechtsprechung eine Haftungsbegrenzung de lege lata vornehmen würde); Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 277. 743  Vgl. zu der Vagheit auch Gaul, AG 2015, 109, 113  f.; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 640, der annimmt, dass Umfang und Kriterien der Anspruchsreduzie­ rung in der Literatur „weitgehend im Ungefähren“ geblieben seien; Grunewald, AG 2013, 813, 815: „Höhe der Haftungsreduktion“ nach dem Ansatz der Fürsorge- bzw. Rücksichtnahmepflicht sei „alles andere als klar“; vgl. hingegen J. Koch, AG 2014, 513, 521, der es für leicht erachtet, das jeweils angemessene Haftungsmaß zu kon­ kretisieren. 744  Statt vieler in Bezug auf eine Haftungsbegrenzung de lege lata nur J. Koch, AG 2012, 429, 438; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 639; 642; de lege ferenda Peltzer, in: Hommelhoff/Rowedder/Ulmer (2000), S. 49, 80. 745  Hier wird die Haftung für leichteste Fahrlässigkeit ganz ausgeschlossen; statt vieler Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 69. 746  Überzeugend J. Koch, AG 2012, 429, 438. 747  Wie hier Gaul, AG 2015, 109, 114 (de lege ferenda); Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804 (für ein satzungsdispositives Modell de lege ferenda); Scholz, Exis­ tenzvernichtende Haftung (2014), S. 377 (de lege ferenda); de lege lata auch J. Koch, AG 2012, 429, 437: „Beschränkung auf leichte oder mittlere Fahrlässigkeit“. 748  Zunächst Peltzer, in: Hommelhoff/Rowedder/Ulmer (2000), S. 49, 80; ders., in: FS Hadding (2004), S. 593, 598: „Schon aus gesellschaftsrechtlicher Hygiene wäre hier Milde fehl am Platz.“ (jeweils de lege ferenda); später auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 642 (de lege lata); Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804 (de lege ferenda); J. Koch, AG 2012, 429, 438 (de lege lata); a. A. (de lege ferenda in Bezug auf eine satzungsdispositive Haftungsbegrenzung) Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 65 mit dem Argument, dass „es hier – im Un­ terschied zur Dispositivität des Verschuldensmaßstabs – nicht um einen Totalaus­ schluss der Haftung geht“; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 779 (de lege lata);

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

ein besonderes Missverhältnis des Einkommens des Arbeitnehmers zu dem seiner Tätigkeit innewohnenden Schadensrisiko besteht.749 Sich jeder Milde­ rung zu versperren, widerstrebte auch im Aktienrecht dem Anliegen, Ver­ tragsgerechtigkeit zu schaffen:750 Das spezifische Geschäftsleitungsrisiko wirkt sich auch in einem groben Pflichtverstoß noch aus.751 Zudem sind die Unterschiede zwischen den Fahrlässigkeitsformen gradueller Natur.752 Schlü­ ge die Haftung an der Schwelle zur groben Fahrlässigkeit in eine Totalkom­ pensation um, bildete das Gesetz dieses graduelle Verhältnis der Fahrlässig­ keitsformen zueinander nicht ab. Nicht zuletzt ließen sich die befürchteten lähmenden Auswirkungen der existenzbedrohenden Haftung auf die unter­ nehmerische Risikofreude nicht eindämmen, wenn es bei der Totalkompensa­ tion bei grober Fahrlässigkeit bliebe; denn wo genau die Trennlinie im Ein­ zelfall verliefe, könnten die Organmitglieder schwer abschätzen.753 b) Regelungstechnische Umsetzung Um den Haftungsumfang zu verringern, kommen diverse Ansätze in Be­ tracht, von starren Haftungsobergrenzen bis hin zu freier Abwägung minde­ rungserheblicher Umstände durch den Richter im Einzelfall. aa) Haftungsbegrenzungen in der Satzung Vorwiegend möchten es Autoren den Aktionären im künftigen Recht frei­ stellen, für eine summenmäßige Haftungsobergrenze in ihrer Aktiengesell­ schaft zu votieren.754 Eine gewisse Orientierung für angemessene Haftungs­ Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 308 ff. (de lege lata) und S. 376 f. (de lege ferenda). 749  BAG vom 28.10.2010 − 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345, 347; vgl. auch Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 73 (zur Entwicklung der Rechtsprechung). 750  Auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 309, das Argument der Unvermeidbarkeit bestimmter Schadenseintritte und damit ein Argument der Vertragsgerechtigkeit bemühend (de lege lata argumentierend). 751  Auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 309: Auch bei grob fahrlässigen Verstößen könne das Problem der Unvermeidbarkeit der Sorgfalts­ pflichtverstöße Relevanz besitzen; entsprechend für das arbeitsrechtliche Betriebsri­ siko Henssler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2012), § 619a Rn. 36. 752  Darauf stellt auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 309 und S. 376 ab. 753  Wie hier Gaul, AG 2015, 109, 114; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 376. 754  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 64; Gaul, AG 2015, 109, 115; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 804 ff.; Paefgen, AG 2014,



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obergrenzen sollen „untergesetzliche Regelwerke“ verschaffen.755 Des Wei­ teren setzt Bachmann auf „Marktstandards“, die sich schnell herausbilden würden.756 Der 70. Deutsche Juristentag hat im Anschluss an die Vorschlä­ ge Bachmanns beschlossen, die Innenhaftung de lege ferenda weitgehend satzungsdisponibel zu gestalten.757 Die Satzung soll „Haftungshöchstgrenzen einführen können“.758 Die Vorschläge, die Haftungshöchstgrenzen satzungsdisponibel zu gestal­ ten, überzeugen indes nicht.759 Ausgangspunkt der Reformüberlegungen war, dass es die Leistungsfähigkeit der Organmitglieder unzumutbar über­ steigt, wenn sie bei jeder Fahrlässigkeit den gesamten Schaden auszuglei­ chen haben.760 Wenn eine solche Unbilligkeit besteht, muss das Gesetz selbst eine Linie ziehen, an der sich die billige Haftung vom Haftungsüber­ maß scheidet,761 was der 70. Deutsche Juristentag jedoch abgelehnt hat.762 Auch widerspräche es der Fließrichtung der jüngeren Aktiengesetzgebung, die Bestimmung des Haftungsumfangs in das Belieben der Hauptversamm­ lung zu stellen: Beim Selbstbehalt, der gem. § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG in D&O-Versicherungsverträgen vorzusehen ist, hat der Gesetzgeber selbst eine Untergrenze eingezogen; ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen 554, 570; Spindler, AG 2013, 889, 896 (unklar, ob bereits de lege lata oder erst de lege ferenda); Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristenta­ ges (2015), N 16 f.; Vetter, NZG 2014, 921 ff.; dem zuneigend auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1314 f., der aber Zweifel an der Erforderlichkeit einer Reform hat; Grunewald, AG 2013, 813 ff. hält satzungsmäßige Höchstgrenzen bereits de lege lata für zulässig. 755  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 66. 756  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 66. 757  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 2.: „Es sollte im Grundsatz unter Wahrung berechtigter Infor­ mationsinteressen möglich sein, die aktienrechtliche Innenhaftung der Organmitglie­ der durch die Satzung zu begrenzen.“; angenommen 74:7:6. 758  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 3. b); angenommen 63:16:6. Weiter wurde beschlossen, dass „im Gegenzug die Versicherung des Selbstbehalts nach § 93 Abs. 2 S. 3 AktG aus­ schließen können“ soll; Punkt 3. c.); angenommen 58:20:9. Abgelehnt wurde hinge­ gen, dass auch der Aufsichtsrat zu solchen Haftungsbeschränkungen ermächtigt werden könne; Punkt 3. d); abgelehnt 38:45:6. 759  Ablehnend auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 368 ff. 760  s. dazu oben Kapitel 1, § 5 VI. 1. b). 761  Im Ergebnis auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S.  305; S. 369; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 931: Eine Satzungsdisponibilität sei „gegen­ über einer gesetzlichen Haftungsbegrenzung nicht vorzugswürdig“. 762  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkte 1. b), c) und d).

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jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds ist danach zwingend in den Versicherungsverträgen festzuschreiben. Im Besonderen überzeugt es nicht, den Hauptversammlungen eine Be­ stimmung beliebiger Haftungshöchstbeträge ohne Grenze nach unten zu eröffnen. Die erwartbar zu erheblichen Teilen rational-apathischen Aktionä­ re in Publikumsaktiengesellschaften hätten zu wenig Anreiz, sich objektive Informationen zu dem Beschlussgegenstand der Haftungsbegrenzung zu beschaffen;763 dieser Informationen bedürfte es aber, um zutreffend bewer­ ten zu können, welches Haftungsniveau hinreicht, um das Organwalterhan­ deln auf das Gesellschaftswohl auszurichten. Man könnte zwar an eine Pflicht der Organmitglieder zur umfassenden Information der Hauptver­ sammlung denken (Berichtspflicht).764 Die Organmitglieder, welche die Beschlussvorlagen gestalteten, wären aufgrund ihres Eigeninteresses, die Haftungsrisiken möglichst gering zu halten, jedoch keine optimalen Vorbe­ reiter einer solchen Entscheidung: Aufsichtsratsmitglieder würden ggf. zu einer zu weitreichenden Haftungsbegrenzung tendieren, im Besonderen solche, die früher selbst im Vorstand waren und sich daher mit den Interes­ sen der Mitglieder dieses Organs identifizieren; jedenfalls würden sie be­ denken, dass niedrige Haftungssummen eine rasche vergleichsweise Erledi­ gung im Schadensfall ermöglichten, was wiederum die gerichtliche Aufar­ beitung auch des Aufsichtsversagens ersparte. Aus verhaltensökonomischer Sicht bestünde zudem die folgende Gefahr, wenn die Aktionäre vorweg über die Haftung disponieren könnten: Einen konkreten Haftungsfall nicht vor Augen, und somit auch nicht das Erschreckende und Infame eines solchen Falles, könnten sie zu entgegenkommend votieren und die Risiken einer zahnlosen Haftung unterschätzen.765 Ob „Marktstandards“ oder „unterge­ setzliche Regelwerke“ (Bachmann) den Aktionären zuverlässige Wegweiser für die Bestimmung eines angemessenen Haftungsumfangs wären, ist frag­ lich; es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich in einem Prozess der Herausbildung solcher Standards Lobbygruppen durchsetzten, welche eine untermäßige als Ideal propagieren. Gerade in Aktienbanken könnten Aktio­ näre zudem aus Eigeninteresse eine zu geringe Haftung vereinbaren, um die 763  A. A. Gaul, AG 2015, 109, 115: „Das entscheidende Argument für die Mög­ lichkeit der Aktionäre, auf die Corporate Governance Einfluss zu nehmen, ist je­ doch, dass sie als Eigentümer letztlich auch die wirtschaftlichen Konsequenzen eines Fehlverhaltens der Organe zu tragen haben.“; ähnlich Vetter, NZG 2014, 921, 923. 764  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 61; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1313: „Berichtspflicht über eine Satzungsänderung“; einge­ hend zum Informationsinhalt nun Vetter, NZG 2014, 921, 924. 765  Vgl. Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1314  f.; ihm folgend Scholz, Existenzver­ nichtende Haftung (2014), S. 372 f.



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Vorstände zu einer erhöhten Risikobereitschaft anzuhalten:766 Die Konse­ quenzen übermäßiger Investitionsrisiken trägt zu weiten Teilen die Öffent­ lichkeit, wenn das Kreditinstitut später durch die öffentliche Hand „gerettet“ wird.767 Der Gesetzgeber könnte versuchen, den Risiken einer überoptimistischen Vorwegdisposition anderweitig Einhalt zu gebieten. Die Haftungsmilderung könnte dann unwirksam sein, wenn eine Minderheit i. S. v. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG widerspricht.768 Dem Ansatz, eine Aktionärsminderheit zum Widerspruch gegen einen Mehrheitswillen zu berufen, haftet indes stets et­ was Willkürliches an: Einerseits wäre nicht gesichert, dass sich Minderhei­ ten der erforderlichen Größenordnung fänden, die sich besser als die Mehr­ heiten informierten, daher den Gefahren einer Haftungsbegrenzung weniger überoptimistisch gegenüberträten und Widerspruch erhöben. Andererseits könnten die Minderheiten mit ihrem Widerspruch auch aus sachwidrigen Gründen, möglicherweise auch aus einer Übervorsichtigkeit heraus, jede ausgewogene Haftungsbegrenzung blockieren. Das Gesetz sollte daher selbst Farbe bei der Haftungsfrage bekennen. bb) Starre gesetzliche Haftungsobergrenzen (caps) Ein hohes Maß an Voraussehbarkeit des Haftungsrisikos versprechen starre gesetzliche Haftungsobergrenzen (caps).769 Dabei könnte einerseits eine pauschale Haftungssumme (z. B. 250.000 Euro) festgesetzt werden.770 Andererseits könnte der Haftungsanteil unter Bezugnahme auf die Vor­ standsbezüge oder als bestimmter prozentualer Anteil des Vermögens des Organmitglieds zu bestimmen sein. Der 70. Deutsche Juristentag 2014 in Hannover hat allerdings mehrheitlich gegen eine solche Lösung votiert: „Eine gesetzliche Beschränkung der Organhaftung für Fahrlässigkeit durch Einführung von Haftungshöchstbeträgen ist abzulehnen.“771 Zu Recht? J. Koch, AG 2014, 513, 524. dieser Lastentragung J. Koch, AG 2014, 513, 524. 768  Diskutierend Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 373; für das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit für die Haftungsbegrenzung Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 16. 769  Vgl. Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 63, der auf den Vorteil verweist, eine Höchstgrenze schließe „existenzgefährdende Risiken verlässlich aus, ohne dass vage Kriterien wie ‚Unternehmenswohl‘ oder ‚Fürsorge­ pflicht‘ bemüht werden müssten.“ 770  Für einen solchen Ansatz Peltzer, in: Hommelhoff/Rowedder/Ulmer (2000), S.  49, 80 f. 771  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 1. b): angenommen 78:4:4. 766  Kritisch 767  Zu

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Kehrseite der beträchtlichen Rechtssicherheit wäre die mangelnde Einzel­ fallgerechtigkeit. Das gilt jedenfalls für pauschale summenmäßige Haf­ tungsobergrenzen: Bei welcher Summe auch immer der Gesetzgeber die Grenzlinie zöge, er könnte nicht für alle Konstellationen durchweg richtig liegen.772 Zöge er sie bei einer Million Euro wie bei Abschlussprüfern gem. § 323 Abs. 2 HGB, wäre das für sehr einkommensstarke Vorstandsmitglie­ der („Spitzenmanager“) schon kein hinreichendes Haftungsrisiko mehr.773 Für andere Organmitglieder mit geringeren Bezügen könnte eine solche Haftungssumme andererseits existenzvernichtend sein, die Frage nach der Deckung durch eine D&O-Versicherung zunächst einmal ausgeklammert. Vermisst wird demnach ein Bezug zur Leistungsfähigkeit des Organmit­ glieds, wie sie sich in seinen anstellungsvertraglichen Bezügen oder seinem Vermögen ausdrückt.774 Die letztgenannte Schwäche vermeiden Vorschläge, eine Haftungshöchst­ grenze mit Bezug zur Vergütung des Organmitglieds einzuführen – eine Lösung, für die sich unter den Autoren, die keine satzungsdisponible Ge­ staltung zulassen wollen, vielleicht schon eine herrschende Meinung etab­ liert hat.775 Das Ideal eines solchen Bezugs wäre bei Symmetrie der Gewinn- und Verlustbeteiligung des Organmitglieds erreicht: Der Organwalter haftet in 772  Auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 316 unter Hinweis auf die erheblichen Einkommensunterschiede bei Organmitglieder (de lege lata argu­ mentierend); S. 361 (de lege ferenda); ebenso Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 930; ablehnend auch Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804: „Haftungscaps haben immer etwas Zufälliges an sich, sie sind unflexibel und erlauben vor allem über die D&O-Versi­ cherung eine routinemäßige, völlige Freistellung der Organmitglieder von Haftung, was dem Präventionsgedanken klar abträglich ist.“; Paefgen, AG 2014, 554, 570 (ablehnend aus Gründen der Prävention). 773  Vgl. zum Risiko eines Haftungsuntermaßes auch Paefgen, AG 2014, 554, 570: „Nicht zuletzt wäre eine […] pauschale Regelung zudem unter dem Gesichts­ punkt des Sozialschutzes überschießend, weil sie auch wirtschaftlich durchaus leis­ tungsfähige Organmitglieder begünstigen würde.“ 774  Für einen solchen Bezug deutlich auch Gaul, AG 2015, 109, 116: „Für eine gesetzliche Haftungsbegrenzung in Relation zur Vorstandsvergütung spricht nicht zuletzt, dass hierdurch ein innerer Bezug zur Vorstandstätigkeit hergestellt wird.“; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 361 f. 775  Dafür Gaul, AG 2015, 109, 116; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 381; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 273 ff. mit 287; damit sympathisiert auch Spindler, AG 2013, 889, 895, beschränkt auf Haftungsfälle einfacher Fahrläs­ sigkeit. Unklar ist allerdings, ob sich Spindler für verschiedene Stufen der Haftungs­ reduzierung nach Verschuldensgraden ausspricht; darauf deutet möglicherweise die Formulierung hin, „dass Haftungshöchstgrenzen durchaus in verschiedenen Berei­ chen des Verschuldensgrades in Betracht kommen können, deutlich etwa bei der Gefährdungshaftung“.



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jenem Umfang für die Verluste aus von ihm zu verantwortenden Entschei­ dungen, in welchem er auch an den Gewinnen aus diesen Entscheidungen partizipiert, z. B. jeweils in Höhe von 5 %.776 Bei der Auswahl mehrerer Handlungsalternativen mit unterschiedlichen Gewinn- und Verlustrisikopro­ filen würde er sich dann wie ein Alleineigentümer verhalten, statt sich auf die Vermeidung ihn treffender Haftungsrisiken zu fokussieren.777 Um die beschriebene Symmetrie von Haftungsrisiko und Gewinnchance herzustel­ len, müsste ein Vergütungsplan vereinbart werden, nach welchem das Or­ ganmitglied z. B. 5 % der Gewinne aus seinen Projekten als variablen Be­ standteil seiner Vergütung erhielte; und es würden ihm dann aufgrund einer gesetzlichen Regelung auch 5 % der Verluste aus diesen Projekten bzw. Entscheidungen auferlegt werden.778 Es stellte die Praxis aber vor kaum zu bewältigende Herausforderungen, wenn die Gesellschaften zwingend eine solche projektbezogene Gewinnbeteiligung mit ihren Organmitgliedern ver­ einbaren müssten, um einen Maßstab für die Haftung festzulegen.779 Zu­ dem bietet der projektbezogene Ansatz keine Lösung für Verluste, die sich nicht mit bestimmten Projekten verbinden, sondern z. B. aus einem systemi­ schen Überwachungsversagen folgen.780 Alternativ zu diesem Ansatz eines projektbezogenen Vergütungsplans könnte schlicht eine bestimmte Beteili­ gung am Jahresergebnis vereinbart werden, also z. B. zu 5 % an Gewinnen oder Verlusten der Gesellschaft im jeweiligen Geschäftsjahr. Es ist aber 776  Wagner,

ZHR 178 (2014), 227, 260 f.; 274 f. ZHR 178 (2014), 227, 260 f.; 274 f. Angelehnt an ein Beispiel Wagners, a. a. O., S. 274, mag eine Handlungsalternative 1 mit einer Wahrscheinlichkeit (p) von 70 % zu einem Gewinn von 100 Millionen Euro, mit einer Wahrscheinlich­ keit von 30 % aber zu einem Verlust von 50 Millionen Euro führen. Der Erwartungs­ wert (E) ist nach der Berechnung 0,7  ·  100 Millionen  –  0,3  ·  50 Millionen  = 55 Millionen klar positiv. Eine Handlungsalternative 2 ist demgegenüber „defensi­ ver“: Sie bringt mit 90 % einen Gewinn von 50 Millionen Euro, mit 10 % einen Verlust von 10 Millionen Euro. Der Erwartungswert (E) ist hier mit 44 Millionen geringer. Der (risikoneutrale) Alleineigentümer würde Variante 1 wählen. Das voll­ umfassend haftende, aber an den Gewinnen nur marginal beteiligte Organmitglied würde sich voraussichtlich für die wirtschaftlich weniger aussichtsreiche, aber an Verlustrisiken ärmere Variante 2 entscheiden; vgl. Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 257 f. Diese Verzerrung würde aufgehoben, wenn das Organmitglied an den Gewin­ nen und Verlusten aus den von ihm verantworteten Projekten in gleichem Maße, z. B. mit 5 %, beteiligt wäre; das Organmitglied entschiede sich dann wie der Allein­ eigentümer; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 260. 778  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 274. 779  Vgl. zu den Problemen praktischer Umsetzung auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 274. 780  Mit ordnungsgemäßer Überwachung verbinden sich schließlich keine konkret messbaren Vorteile, an denen das Organmitglied über einen projektbezogenen Ver­ gütungsplan prozentual partizipieren könnte. Es mangelt insofern an der Bemes­ sungsgrundlage für eine korrespondierende Haftungsquote. 777  Wagner,

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

zweifelhaft, ob Organmitglieder zu der damit verbundenen Verlustbeteili­ gung überhaupt bereit wären, bewirkte das „Pooling“ der Ergebnisse sämt­ licher Entscheidungsträger doch, dass z. B. auch Verluste getragen werden müssten, die in einem ganz anderen Ressort verursacht wurden.781 Schließ­ lich drohte eine Flucht in die Festvergütung, um Haftungsrisiken zu min­ dern.782 Es bedarf daher anderer Ansätze, um einen Bezug zur Vergütung herzustellen. Näher liegt, die Haftung auf ein bestimmtes Vielfaches der Organwalter­ vergütung zu begrenzen.783 In der Reformdiskussion gibt es unterschiedli­ che Größenvorstellungen: Scholz und Bayer haben z. B. eine starre einkom­ mensbezogene Grenze in die Diskussion eingebracht, für die sie sich bei einfacher Fahrlässigkeit an der Obergrenze von drei Bruttomonatsgehältern, wie sie für die Arbeitnehmerhaftung diskutiert wird,784 orientieren möch­ ten; bei grober Fahrlässigkeit sollen sechs Monatsgehälter für den Schadens­ ausgleich herangezogen werden.785 Wagner hat eine alternative Lösung entwickelt.786 781  Nicht zuletzt wirkte sich die damit geschaffene Anreizsituation u.  U. dann ungünstig auf die Gesellschaftsinteressen aus, wenn (etwa aufgrund des Versagens anderer Organmitglieder) ein negatives Jahresergebnis und damit ein Verlust auch des einzelnen Organmitglieds bereits sicher feststünde, und das betreffende Organ­ mitglied mit einem großen Erfolg aus einem bestimmten Projekt diesen Verlust (allenfalls) noch mindern könnte: In Situationen sicherer bzw. wahrscheinlicher Verluste werden Individuen risikosuchend (risk-seeking), was hier dazu führen könn­ te, dass das Organmitglied eine besonders gewinn- aber auch verlustträchtige (Hoch­ risiko-)Variante wählt, deren Erwartungswert hinter dem anderer, weniger offensiver Alternativen zurückbleibt; vgl. allgemein Robbennolt, in: The Oxford Handbook of Behavioral Economics and the Law (2014), 623, 628 m. w. N. 782  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 274. 783  Rechtsvergleichend gibt es für eine solche vergütungsbezogene Haftungsbe­ schränkung ein Vorbild: § 13.1-692.1 (A)(2) des Stock Corporation Act des USBundesstaats Virginia bestimmt, dass die Haftung vorbehaltlich nach unten ab­ weichender satzungsmäßiger Bestimmung begrenzt ist auf die Gesamtvergütung der 12 Monate vor der Pflichtverletzung oder alternativ, wenn diese Gesamtvergütung weniger beträgt, 100.000 USD; darauf Bezug nehmend auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1312. 784  Dafür etwa Krause, NZA 2003, 577, 583: „Soweit es um die konkrete Höhe des vom Arbeitnehmer zu leistenden Schadensersatzes geht, spricht einiges dafür, sich an einer Obergrenze von drei Brutto-Monatsgehältern zumindest zu orientie­ ren.“; vgl. auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306, der davon ausgeht, die Instanzge­ richte würden sich an der Drei-Monatsgehälter-Grenze de facto orientieren. 785  Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 933; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 381. 786  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 273 mit 278 schlägt in Alternative zu seinem (letztlich verworfenen) projektbezogenen Ansatz einerseits vor, das Organmitglied in Übereinstimmung mit § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG mit 10 % an dem verursachten Scha­



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Mit diesen Ansätzen kann zwar die Leistungsfähigkeit des Organmitglieds berücksichtigt werden. Weniger überzeugend ist demgegenüber, dass sich die Autoren für eine einheitliche Obergrenze stark machen.787 Anhand des Vorschlags von Wagner, der auch Haftungsfälle grober Fahrlässigkeit einbe­ ziehen möchte, wird besonders deutlich, dass höchst unterschiedliche Ver­ schuldensgrade im Spektrum der Fahrlässigkeit über einen haftungsrechtli­ chen Leisten gespannt würden. Differenzierung wäre hier jedoch nahelie­ gend, wenn die Präventionsfunktion der Haftung Betonung finden soll: Es überzeugt unter Präventionsgesichtspunkten nicht, das Ende der haftungs­ rechtlichen Fahnenstange bei culpa levissima, mittlerer und grober Fahrläs­ sigkeit einheitlich bei anderthalb Jahresgehältern bzw. den Boni aus drei Jahren festzulegen. Diese Schwächen relativieren Bayer und Scholz mit ihrem Zwei-Stufen-Modell etwas. Doch erscheint auch dieses Modell noch zu holzschnittartig: Weder vermag es feinere Schattierungen der Fahrlässig­ keitsformen abzubilden, noch lässt es zu, weitere relevante Umstände wie die Schadensneigung der Tätigkeit des Organmitglieds abzuwägen. Vergleichbare Einwände richten sich gegen Ansätze, dem Organmitglied einen bestimmten Teil des Vermögens abzunehmen und einen Rest zu be­ lassen.788

den zu beteiligen. Zudem möchte er eine weitere, einkommensbezogene Grenzlinie einführen. Dazu sollen die Richter einen „Topf“ für die Schadenskompensation bilden: Alternativ soll die Summe der Boni, die das Organmitglied in den drei Jah­ ren vor dem Schadensfall erhalten hat, oder diejenige, die eineinhalb Jahresgesamt­ gehältern (Festgehalt zuzüglich variabler Vergütung) entspricht, in diesen „Topf“ gelangen. Die jeweils höhere Summe markiert die Haftungsobergrenze. 787  In der Tendenz wie hier J. Koch, AG 2014, 513, 524, wenn dieser die man­ gelnde Flexibilität einer – allerdings satzungsmäßigen – Obergrenze anmahnt und ausführt, die „Folgewirkungen und die von ihr ausgehenden Verhaltensanreize [müs­ sen] wohlbedacht sein“; das Problem mangelnder Differenzierung im Einzelfall aufgreifend Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803 (der sich mit diesem Argument speziell gegen eine bei einem Mehrfachen der Jahresvergütung gezogene gesetzliche Obergrenze ausspricht); insgesamt kritisch gegenüber einer gesetzlichen Obergrenze aus Gründen der Prävention Paefgen, AG 2014, 554, 569 (für eine satzungsmäßige Haftungsbegrenzung sieht Paefgen das Problem aber offenbar nicht gleichermaßen). a. A. in der Tendenz Spindler, AG 2013, 889, 895: „Soweit gegen eine Haftungs­ höchstgrenze geltend gemacht wird, dass eine derartige Deckelung nicht den Beson­ derheiten des Einzelfalls Rechnung trüge und auch nicht privilegierungsbedürftige Sachverhalte erfasse, steht dem die parallele Regelung zum Selbstbehalt und die dort schon grundsätzlich zum Ausdruck gekommene Wertung entgegen, zudem die in anderen Branchen keineswegs fremde Begrenzung der Haftung auf bestimmte Sum­ men jedenfalls für leichte Fahrlässigkeit.“ 788  Für einen Vermögensbezug, allerdings innerhalb eines Rahmenmodells, Casper, ZHR 176 (2012), 617, 641.

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cc) Variable gesetzliche Haftungsbegrenzung Ein Gegenentwurf zu den Modellen, die fixe Obergrenzen einziehen, sind variable, einzelfallorientierte Berechnungsansätze. (1) Allgemeine schadensrechtliche Billigkeitsklausel Zunächst ist eine Billigkeitsklausel im allgemeinen Schadensrecht (§ 254a BGB) zu erwägen, nach der die Gerichte ein Ermessen haben, den Schaden­ sumfang in geeigneten Fällen zu reduzieren.789 Das wäre keine adäquate Lösung.790 Die Steuerungswirkung einer solchen Klausel wäre absehbar zu ungenau, weil die Organmitglieder eine große Ungewissheit hätten, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Maße sie in den Genuss einer Reduzierung kämen.791 (2) Aktienspezifische Billigkeitsklausel Alternativ verdient eine aktienrechtsspezifische Reduktionsklausel nach dem Muster der Section 1157 (1) des englischen Companies Act 2006 Be­ achtung.792 Anders als beim englischen Vorbild, das insoweit ein richterli­ 789  Dafür Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 58; sympathisierend nun auch J. Koch, AG 2014, 513, 523 f.; ablehnend Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschluss­ punkt 1. c): „Es sollte in einem neuen § 254a BGB eine allgemeine schadensrecht­ liche Billigkeitsklausel eingeführt werden.“; abgelehnt 11:47:29. 790  Wie hier Gaul, AG 2015, 109, 115; Kremer, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentags (2015), N 41; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S.  360 f.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 278. 791  Auch Gaul, AG 2015, 109, 115: „Ein wesentliches Manko besteht in der fehlenden Vorhersehbarkeit der auf einer solchen Regelung basierenden Entschei­ dungen.“ (ebenfalls zu einer im allgemeinen Schuldrecht verankerten Reduktions­ klausel); Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 360; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 278, der eine allgemein gehaltene Billigkeitsklausel als „zur Herstel­ lung effizienter Verhaltensanreize ex ante ungeeignet“ bezeichnet; vgl. auch Kremer, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentags (2015), N 41, der kritisiert, die Entscheidung sei „sehr subjektiv und insgesamt nicht vorhersehbar“. 792  Der 1. Absatz der Norm lautet: „(1)  If in proceedings for negligence, default, breach of duty or breach of trust against – (a)  an officer of a company, or (b)  a person employed by a company as auditor (whether he is or is not an of­ ficer of the company), it appears to the court hearing the case that the officer or person is or may be liable but that he acted honestly and reasonably, and that having regard to all the circumstances of the case (including those connected with his appointment) he ought



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ches Ermessen nach den Gesamtumständen vorsieht, könnte man die Haf­ tungsreduzierung auch zwingend ausgestalten. Auch könnte das Gesetz or­ ganhaftungsspezifische Leitkriterien für die Schadensbemessung benen­ nen.793 Mit einem organhaftungsspezifischen Kriterienkatalog ließe sich erreichen, etwas mehr Voraussehbarkeit der richterlichen Entscheidung herzustellen als mit einer allgemeinen schuldrechtlichen Billigkeitsklausel. Ein solcher Ansatz stünde in unmittelbarer Nähe zu dem treuepflichtge­ stützten Reduktionsmodell, das J. Koch im geltenden Recht verankert sieht: Koch möchte Haftungskriterien ähnlich dem innerbetrieblichen Schadens­ ausgleich des Arbeitsrechts794 im Einzelfall frei abwägen. Die Richter sollen u. a. die Schadenshöhe, den Verschuldensgrad und die Schadensnei­ gung der Tätigkeit berücksichtigen.795 Ergänzen möchte Koch dieses Mo­ dell um eine Untergrenze, die er aus der Regelung des Selbstbehalts (§ 93 Abs. 2 Satz 3 AktG) gewinnt.796 Ein solches aktienrechtsspezifisches Ab­ wägungsmodell könnte unschwer auch gesetzlich eingeführt werden.797 Während es überzeugt, den genannten Kriterien Einfluss auf den Aus­ gleichsumfang zu geben, fehlt bei diesem Modell allerdings, abgesehen von der absoluten Untergrenze, jede quantitative Vorgabe für den Haftungsum­ fang.798 Jeder Richter hätte andere Vorstellungen davon, welche Schadens­ fairly to be excused, the court may relieve him, either wholly or in part, from his liability on such terms as it thinks fit.“ 793  Eine „Kodifizierung des ARAG/Garmenbeck-Konzepts“ erwägend Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 223 f.; vgl. für die Benennung von Kriterien im Gesetz auch den Antrag von Schall, 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirt­ schaftsrecht, Beschlusspunkt 1. d): „Es sollte folgender § 93 Abs. 7 E-AktG einge­ führt werden: Das Gericht kann die Haftung nach billigem Ermessen herabsetzen, soweit dies nach den Umständen des Falles, insbesondere dem Grade des Verschul­ dens, der Höhe des Schadens und den Vermögensverhältnissen der Beteiligten gebo­ ten erscheint (Antrag Schall).“; abgelehnt 23:42:23. 794  Das BAG hat die richterrechtliche Entwicklung starrer Haftungsgrenzen für den innerbetrieblichen Schadensausgleich abgelehnt; so BAG vom 23.01.1997 – 8 AZR 893/95, NZA 1998, 140, 141. 795  Zu den Bemessungskriterien J. Koch, AG 2012, 429, 438 f. 796  J. Koch, AG 2012, 429, 439. 797  Vgl. nur die Ansätze von Hemeling und Schall (s. Fn. 793); vgl. ferner Paefgen, AG 2014, 554, 570: „Ermächtigung der Gerichte zur Reduktion der Organhaf­ tung unter Billigkeitsgesichtspunkten“ würde das „Einschreiten des Gesetzgebers“ erfordern. 798  Auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 360 (de lege ferenda zu einer aktienspezifischen Billigkeitsklausel argumentierend); kritisch auch Grunewald, AG 2013, 813, 815 zur Haftungsreduzierung de lege lata nach dem Fürsorge­ konzept: Die „Höhe der Haftungsreduktion“ sei „alles andere als klar“; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803: Es fehle an „greifbaren Kriterien“ für eine Haftungsbe­ schränkung aufgrund der Fürsorgepflicht; a. A. (zum fürsorgepflichtbasierten Ansatz

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beteiligung etwa bei grober Fahrlässigkeit oder in Ansehung hoher Boni zu rechtfertigen wäre. Der Gewinn an Rechtssicherheit durch einen Kriterien­ katalog wäre folglich im Ergebnis doch gering. Nur allmähliche Linderung verspräche, dass sich mit fortschreitender Rechtsprechung, insbesondere der höchstrichterlichen, Richtwerte herauskristallisierten. Dem Ziel, die Risiko­ scheu der Organmitglieder möglichst Hand in Hand mit der Reform des § 148 AktG abzubauen, wäre dieses Vorgehen aber nicht zuträglich,799 weil erst ein längerer Prozess richterlicher Rechtskonkretisierung abgewartet werden müsste. dd) Eigener Ansatz: Rahmenmodell Die kritische Literaturschau hat folgende Konturen einer idealen Haf­ tungsbegrenzung bereits freigelegt: Das Gesetz sollte zulassen, nach den Umständen des Einzelfalles zu differenzieren, wie der Schadenshöhe, dem Grad des Verschuldens, der Gewinnbeteiligung des Vorstandsmitglieds oder der Schadensneigung der zum Schaden führenden Tätigkeit. Darin ist der richtige Kern des treuepflichtbasierten Ansatzes von J. Koch zu erblicken. Um Rechtssicherheit zu gewinnen, muss der Gesetzgeber aber Grenzen der Haftung vorgeben. Darin liegt ein berechtigtes Anliegen der Autoren, die sich für Haftungshöchstgrenzen ausgesprochen haben. Beide Ansätze lassen sich verbinden. Dazu bieten sich Haftungsrahmen an, welche die Richter unter Abwägung der haftungsrelevanten Faktoren ausfüllen.800 Das hier vorzustellende Modell ähnelt der Rechtsfolgenbestim­ mung nach § 46 Abs. 2 StGB: Dort wird ein Strafrahmen durch Kriterien wie das Maß der Pflichtwidrigkeit oder die verschuldeten Auswirkungen der Tat ausgefüllt. Auch für die begrenzte Arbeitnehmerhaftung wurde ein kri­ teriengestütztes Rahmenmodell bereits zur Diskussion gestellt.801 de lege lata) J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 52, der be­ schwichtigt: „Bemessungsschwierigkeiten stellen sich nicht anders dar als bei AN […].“ Das freilich macht die Sache aber keineswegs besser. 799  Vgl. Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 360, der diesen Ein­ wand mangelnder Voraussehbarkeit sowohl gegen eine aktienrechtsspezifische als auch eine allgemein-schuldrechtliche Reduktionsklausel vorbringt. 800  Für ein – allerdings an das Vermögen des Organmitglieds anknüpfendes – Rahmenmodell auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 641; unklar Hemeling, ZHR 178 (2014), 221, 224, der von einem „Haftungsrahmen“ spricht, ohne ganz deutlich zu machen, ob er letztlich eine Obergrenze will, oder aber eine einzelfallbezogene Ab­ wägung innerhalb eines Rahmens. 801  Schlachter, Anmerkung AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 103: „Rechtspolitisch angemessener wäre demgegenüber wohl eine Begrenzung auf eine Quote, die je nach Verschuldensgrad zwischen einem und drei Monatsgehältern lie­



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(1) Der Rahmen Zunächst liegt nahe, einen schadensbezogenen Rahmen zu verwenden. Je nach Verschulden und weiteren relevanten Umständen sollte das Vorstands­ mitglied vorschlagsweise 5 bis 50 % des Schadens tragen müssen. Nach der Schadenshöhe zu differenzieren, ist unter Präventionsgesichtspunkten gebo­ ten. Es muss u. a. ein Anreiz bestehen, einer Ausweitung von Schäden ent­ gegenzutreten. Mit diesem Rahmen ist bei hohen Schäden freilich noch keine hinrei­ chende Haftungsbegrenzung gewährleistet. Beispielsweise „nur“ 10 % eines Milliardenschadens ersetzen zu müssen, ist genauso ein „wirtschaftliches Todesurteil“ wie die Totalkompensation.802 Es muss daher ein weiterer Rahmen gefunden werden, aus dem die Haftungssumme zu entnehmen ist, wenn die Begrenzung nach dem schadensbezogenen Rahmen nicht hinreicht. Für diesen Rahmen könnte schlicht an Geldsummen, an das Vermögen (z. B. Aufwendung von 5–50 % des eigenen Vermögens für die Schadenskompen­ sation) oder aber an das Einkommen des Organmitglieds in der Gesellschaft (z. B. ein Viertel bis 2,5 Jahresvergütungen) anzuknüpfen sein. Den Rahmen entlang bestimmter Geldsummen abzumessen, überzeugte nicht. Denn damit verlöre man den Bezug zum Leistungsvermögen des Organmitglieds,803 wollte man nicht dieses Leistungsvermögen zum Abwä­ gungskriterium für die einzelfallbezogene Ausfüllung des Rahmens machen. Dann aber liegt es doch näher, die Leisten des Rahmens sogleich nach der Leistungsfähigkeit zu „zimmern“. So könnte mit Casper auf das Vermögen des Organmitglieds abgestellt werden. Casper, der die Organmitglieder vor einem „wirtschaftlichen Todesurteil“ bewahren will,804 möchte ihnen – be­ reits de lege lata – bei einfacher Fahrlässigkeit 10 bis 25 % des Vermögens belassen.805 Innerhalb dieser Marge sollen die Schwere der Verfehlung so­ wie die Tätigkeitsdauer den Ausschlag geben.806 Zunächst ist Kritik an den konkreten Zahlenvorstellungen Caspers anzubringen: Wenn ein Organmit­ glied schon bei leichter Fahrlässigkeit zumindest 75 % seines möglicherwei­ se über Jahrzehnte erarbeiteten Vermögens opfern müsste, würde es die gen könnte und damit der befürchteten Existenzgefährdung durch Haftung individu­ ell begegnet.“ 802  Vgl. auch Paefgen, AG 2014, 554, 569. 803  Gegen eine Deckelung auf einen absoluten Betrag deutlich auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 361 (für sein Modell einer einkommensbe­ zogenen Höchstgrenze argumentierend); s. bereits oben Kapitel 3, § 14 I. 1. b) bb). 804  Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637. 805  Casper, ZHR 176 (2012), 617, 641. 806  Casper, ZHR 176 (2012), 617, 641.

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beschriebene Risikoscheu bei unternehmerischen Entscheidungen nicht ab­ legen. Das Vermögen des Organmitglieds ist jedoch auch prinzipiell ein zweifelhafter Anknüpfungspunkt:807 Zwar dürfte der Ansatz der Prävention dienen, weil die Aussicht, einen wesentlichen Teil des Vermögens einzubü­ ßen, besonders abschreckend wirkte. Zum vertragstheoretischen Ideal einer Äquivalenz von Verdienstchancen und Haftungsrisiken des Organmitglieds hat dessen Vermögen indes keinen Bezug.808 Denn das Vermögen kann anderweitig erlangt worden sein, etwa durch frühere Tätigkeiten.809 Nicht zuletzt diskriminierte die Lösung ältere Organmitglieder kurz vor dem Ru­ hestand, die i. d. R. mehr Vermögen erarbeitet haben und damit weit mehr zur Wiedergutmachung des Schadens aufwenden müssten als Organmitglie­ der am Beginn ihrer Laufbahn.810 Letztere haben noch wenig Vermögen und hafteten daher in überschaubarem Umfang; sie haben zugleich umso weit­ reichendere Chancen, künftig Vermögen aufzubauen, welches dann nicht mehr zum Schadensausgleich herangezogen würde. Auch beschwörte ein Vermögensbezug ein Moral-hazard-Problem für (weitgehend) unvermögen­ de Organmitglieder herauf. Selbst 75 % oder mehr eines sehr geringen Vermögens aufwenden zu müssen, schreckte kaum ab; ein solches Organ­ mitglied könnte mithin ohne einschneidende finanzielle Konsequenzen die Gesellschaft schädigen.811 Schließlich gäbe eine solche Regelung den Or­ ganmitgliedern Anreize, Vermögen zu verschieben.812 Auch wäre die Erfas­ sung des gesamten Privatvermögens äußerst aufwendig.813 Der Vorschlag von Casper ist aus diesen Gründen abzulehnen. Es überzeugt vielmehr, die Leisten des Haftungsrahmens nach dem Maß der Jahresvergütung zuzuschneiden.814 Damit wird ein Kriterium mit Be­ Ergebnis auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 361 f. eine Berücksichtigung beim innerbetrieblichen Schadensausgleich im Arbeitsrecht etwa Henssler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2012), § 619a Rn. 37, aller­ dings feststellend, ohne die hier vorgetragene Begründung: „Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers als solche bleibt hingegen außer Betracht.“; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 641 lehnt einen Wertungstransfer aus dem Arbeits­ recht denn auch expressis verbis ab. 809  Das verkennt Casper, ZHR 176 (2012), 617, 640 f. nicht. 810  Vgl. auch Casper, ZHR 176 (2012), 617, 637, 641, der „reiche“ und „arme“ Vorstandsmitglieder vergleicht. 811  Diesem Problem eines moral hazard könnte man allenfalls dadurch begeg­ nen, neben dem Vermögen auch künftige Einkommen des Organmitglieds für die Schadenskompensation heranzuziehen, wenn kein nennenswertes Vermögen vorhan­ den ist. 812  Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 361 f. 813  Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 362. 814  Den Maßstab könnte mit Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 933 die „Gesamt­ vergütung im Jahr der Pflichtverletzung“ geben; näher liegt es, einen Durchschnitt 807  Im

808  Gegen



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zug zur Vertragsgerechtigkeit aufgegriffen, also der Äquivalenz von wirt­ schaftlicher Teilhabe des Organmitglieds und seinem Haftungsrisiko.815 Es ließe sich allenfalls einwenden, eine vergütungsbezogene Haftungsgrenze, die nicht auf das Vermögen des haftenden Organmitglieds abhebt, vernach­ lässige die Prävention: Ein besonders vermögendes Vorstandsmitglied könn­ te sich vielleicht durch Verluste in Höhe eines bestimmten Vielfachen seiner Vergütung in der betroffenen Aktiengesellschaft nicht hinreichend abschre­ cken lassen.816 Andererseits ist zu bedenken, dass nicht nur die Höhe der Haftung den Ausschlag für die Prävention gibt. Bereits die Aussicht, sich in einem öffentlichen Gerichtsverfahren verantworten zu müssen, schreckt ab. Der vergütungsbezogene Rahmen sollte immer dann herangezogen wer­ den, wenn die Haftungssummen, die sich aus ihm ergeben, geringer sind als diejenigen aus dem schadensbezogenen Rahmen. In Abkehr von der Selbst­ behaltsregelung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG sollte dabei nicht die Jahres­ festvergütung, sondern die Jahresgesamtvergütung einschließlich der Boni den Maßstab geben.817 Denn diese drückt die Teilhabe des Organmitglieds am Unternehmenserfolg zutreffender aus.818 Eine Unter- und Obergrenze zu ziehen, erweist sich naturgemäß als schwierig und entzieht sich einer strikt rationalen Begründung. Bayer und Scholz wollen – für ihr Modell einer Haftungsobergrenze – die für die Arbeitnehmerhaftung diskutierte Haftungsgrenze von drei Bruttomonatsge­ hältern819 weitgehend übernehmen; bei grober Fahrlässigkeit soll sich diese Haftungssumme verdoppeln.820 Entsprechende Werte ließen sich für die Obergrenze des Haftungsrahmens ansetzen. Scholz argumentiert damit, dass die absoluten Vergütungsunterschiede zwischen Arbeitnehmern und Vorstän­ aus drei Jahren – dem Jahr der Pflichtverletzung und den beiden Vorjahren – zu bilden, um zu berücksichtigen, dass der aktuelle Jahresbruttoverdienst extreme Aus­ schläge nach oben oder unten aufweisen könnte. 815  Auch Gaul, AG 2015, 109, 116; ähnlich auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 362 (jeweils für ein Modell mit starrer Haftungsobergrenze argu­ mentierend). 816  Dahingehend die Kritik bei Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 803, wenn er einwendet, eine vergütungsbezogene Obergrenze löse sich von der Leistungsfähig­ keit des Organmitglieds. 817  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 273. 818  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 273 f. 819  Dafür etwa Krause, NZA 2003, 577, 583: „Soweit es um die konkrete Höhe des vom Arbeitnehmer zu leistenden Schadensersatzes geht, spricht einiges dafür, sich an einer Obergrenze von drei Brutto-Monatsgehältern zumindest zu orientie­ ren.“; vgl. auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306, der davon ausgeht, die Instanzge­ richte würden sich an der Drei-Monatsgehälter-Grenze de facto orientieren. 820  Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 933; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 381.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

den keine Unterschiede in der relativen Haftungsbeteiligung rechtfertigen könnten.821 Das überzeugt aus mehreren Gründen nicht.822 Zunächst ist der Rekurs auf die Arbeitnehmerhaftung „schief“, weil das BAG gerade vertritt, die Haftung sei nicht auf „eine bestimmte Anzahl von Monatsver­ diensten begrenzt“.823 Zudem wäre für Organmitglieder besonders im Fall grober Fahrlässigkeit eine Haftung mit maximal einem halben Jahresein­ kommen zu niedrig angesetzt. In der Sache verfängt dabei das Argument nicht, Arbeitnehmer und Unternehmensleiter sollten ungeachtet absoluter Gehaltsunterschiede hinsichtlich der relativen, auf die Monatsgehälter bezo­ genen Haftungsbegrenzung in etwa gleich behandelt werden.824 Denn je geringer das Einkommen, desto (relativ) mehr von dem Verdienst wird zur Befriedigung der Grundbedürfnisse benötigt, und desto weniger können Rücklagen gebildet werden, auf die zur Erfüllung der Ersatzforderung zu­ rückgegriffen werden könnte.825 Mit dem Einkommen steigt also auch der relative Teil des Einkommens, der zumutbarerweise zur Deckung des Er­ satzanspruchs herangezogen werden kann. Grunewald erachtet eine „Festsetzung des 5-fachen Jahresgehaltes (unter Einbeziehung der variablen Vergütungsbestandteile)“ für angemessen.826 Dem nahe stehen Regelungen im japanischen Companies Act (Act No. 86 of 2005).827 821  Scholz,

Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 381. die Übernahme der arbeitsrechtlichen Maßstäbe auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306 (s. noch Fn. 824). 823  BAG vom 23.01.1997  – 8 AZR 893/95, NZA 1998, 140, 141. Das BAG hat etwa im Falle eines monatlich 3.500 DM brutto (2.500 DM netto) verdienenden Flughafenangestellten, der bei frühmorgendlicher Fahrt eines Enteiserfahrzeugs auf dem Flughafengelände alkoholisiert kurz einschlief, verunfallte und somit grob fahr­ lässig einen Sachschaden von 150.000 DM verursachte, eine Haftung von 20.000 DM gebilligt; BAG, a. a. O. Das entsprach weit mehr als drei, nämlich knapp sechs Mo­ natsgehältern. Gar eine Haftung in Höhe von 12 Monatsgehältern hat das BAG gebilligt; BAG vom 28.10.2010  – 8 AZR 418/09, AP BGB § 611 Haftung des Ar­ beitnehmers Nr. 136. 824  Kritisch auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1306, der meint, es handele sich bei den in der arbeitsgerichtlichen Praxis oft beachteten drei Monatsgehältern um eine Einschränkung, „die nicht zu der Stellung der Vorstandsmitglieder als Treuhän­ der fremder Vermögensinteressen“ passe. 825  Diesen Relativismus betont zu Recht BAG vom 28.10.2010  – 8 AZR 418/09, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 136. 826  Grunewald, AG 2013, 813, 817, für eine Haftungsgrenze in der Satzung bereits de lege lata; die Bestimmung in der Satzung sei einer Inhaltskontrolle an­ hand von § 138 BGB zu unterziehen. In Anwendung dieser Inhaltskontrolle gelangt Grunewald zu der von ihr vorgeschlagenen Größenordnung. 827  Der Companies Act erlaubt eine satzungsmäßige Haftungsbegrenzung (Partial Exemption from Liability) für Fälle einfacher Fahrlässigkeit. Danach kann die Haftung 822  Gegen



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Die letztgenannte Größenordnung ist allerdings schon sehr einschneidend, besonders dann, wenn man bereits bei einfacher Fahrlässigkeit in die Haf­ tungshöhe des Fünffachen des Jahresgehalts vordringen wollte. Beherzigt man die Ziele der Haftungsbegrenzung und die Vielfalt der möglichen Haf­ tungsfälle hinsichtlich Schadenshöhe und Verschuldensgrad, erscheint das 2,5-fache der Bruttojahresgesamtvergütung im Maximum plausibel. Damit wird dem Organmitglied viel genommen; das andererseits ist zumindest bei grober Fahrlässigkeit, für welche sich die Ausschöpfung dieser Obergrenze anbietet, auch erforderlich, um hinreichend abzuschrecken. Die Untergrenze ist bei vorschlagsweise einem Viertel einer Bruttojahresgesamtvergütung zu ziehen.828 Vertretbar wäre aber auch, den Rahmen weiter zu spannen, z. B. von einer halben bis zum Fünffachen einer Jahresvergütung; dann müsste der Gesetzgeber aber besonders deutlich machen, dass die Höchstgrenze allenfalls in Fällen gröbster Fahrlässigkeit und zugleich außergewöhnlich hoher Schäden auszuschöpfen wäre. (2) Die Ausfüllung des Rahmens Innerhalb des jeweils anzuwendenden Rahmens ist in Abwägung haf­ tungsrelevanter Kriterien eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Es handelt sich insofern um ein bewegliches System.829 Anders als im Arbeitsrecht, in dem es an jeder gesetzlichen Ausformulierung der Kriterien mangelt, sollte der Gesetzgeber die Bemessungskriterien vorgeben. auf ein Vielfaches des Jahreseinkommens begrenzt werden, nämlich für vertretungsbe­ rechtigte Direktoren oder Manager (Representative Directors or Representative Executive Officers) auf das Sechsfache, für andere geschäftsführende Direktoren auf das Vierfache und für nicht geschäftsführende Direktoren (Outside Directors) auf das Zweifache, vgl. Art. 425 (1) (i) (a)–(c) Companies Act. Das Gesetz kennt insgesamt drei Pfade, die zu einer Haftungsbegrenzung führen: (1) Nach Art. 426 kann die Mehr­ heit der Aktionäre Satzungsbestimmungen beschließen, nach denen die Direktoren ermächtigt sind, im Einzelfall mit Mehrheitsbeschluss die Haftung auf die Mindest­ haftungssummen des Art. 425 zu beschränken. Voraussetzung ist weiter, dass gesell­ schaftsinterne Prüfer der Enthaftung im Einzelfall zustimmen. (2) Nach Art. 427 sind Haftungsbegrenzungsverträge mit den Direktoren (Contracts for Limitation of Liabil­ ity) möglich, wenn die Satzung dies vorsieht und auch gesellschaftsinterne Prüfer zu­ stimmen. Die Mindesthaftungssumme des Art. 425 darf wiederum nicht unterschritten werden. Die Haftungsbegrenzung nach den Varianten (1) und (2) ist für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen. (3) Nach Art. 424 schließlich kann die Haftung mit Zustimmung aller Aktionäre (unbegrenzt) eingeschränkt werden; zu diesen Vor­ schriften auch Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1313; Oda, ECFR 2011, 334, 346 f. 828  Der schadens- und der einkommensbezogene Rahmen sind dann gleicherma­ ßen weit gespannt: Die Obergrenze beträgt je das Zehnfache der Untergrenze. 829  Für den innerbetrieblichen Schadensausgleich im Arbeitsrecht Henssler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2012), § 619a Rn. 33.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Anführen muss diese Liste mit Blick auf die Vertragsgerechtigkeit, aber auch den Präventionsgedanken, der Grad der persönlichen Vorwerfbarkeit: Mit ihm muss die Ersatzsumme steigen.830 Der Verschuldensgrad ist auch beim innerbetrieblichen Schadensausgleich des Arbeitsrechts der „Leit­ stern“ bei der Bemessung des Haftungsumfangs.831 Wesentlich ist weiter der Umfang des Gesellschaftsschadens.832 Auch das entspricht dem Ar­ beitsrecht.833 Dieses Kriterium beschränkt sich naturgemäß auf die Fälle, in denen der einkommensbezogene Rahmen anzuwenden ist, da der scha­ densbezogene Rahmen den Schadensumfang bereits zum Maßstab hat. Ähnlich dem arbeitsrechtlichen Vorbild ist des Weiteren die konkrete Scha­ densneigung der Tätigkeit zu berücksichtigen.834 Daneben ist zu fragen, ob das Organmitglied in der Vergangenheit seine Pflichten erfüllt hat.835 Wie­ derholte Pflichtverstöße rechtfertigen es, das Organmitglied weitreichender zur Schadenskompensation heranzuziehen als bei einem erstmaligen Ver­ stoß. In dem schadensbezogenen Rahmen wäre auch die Vergütung Gegen­ stand der Abwägung:836 Je höher die Vergütung, und je ausgeprägter ins­ besondere die Teilhabe an den unternehmerischen Chancen über variable Vergütungen, desto mehr von dem Schaden muss das Organmitglied aus­ gleichen.837

830  Für die Beachtung des Verschuldens auch J. Koch, AG 2012, 429, 438; ders., in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 51; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 779. 831  s. nur BAG vom 16.02.1995 – 8 AZR 493/93, NZA 1995, 565, 566; Henssler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2012), § 619a Rn. 33, geht von einer „überragenden Be­ deutung“ dieses Kriteriums für die Abwägung aus. 832  Vgl. auch J. Koch, AG 2012, 429, 439: „Schließlich stellt wie im Arbeits­ recht das Verhältnis zwischen der Schadenshöhe und der Vergütung eine entschei­ dende Richtgröße zur Berechnung der Schadensteilung dar.“ 833  BAG vom 16.02.1995  – 8 AZR 493/93, NZA 1995, 565, 566. 834  De lege lata ebenso J. Koch, AG 2012, 429, 439; ders., in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 51. 835  Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 779 f. (zur Haftungsbeschränkung de lege lata); für das Arbeitsrecht BAG vom 16.02.1995  – 8 AZR 493/93, NZA 1995, 565, 566; Henssler, in: MüKo BGB, 6. Aufl. (2012), § 619a Rn. 37. 836  Für dieses Kriterium im Arbeitsrecht BAG vom 16.02.1995  – 8 AZR 493/93, NZA 1995, 565, 566; Richardi/Fischinger, in: Staudinger (2011), § 619a Rn. 71; für aktienrechtliche Begrenzungsansätze auch J. Koch, AG 2012, 429, 439; ders., in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 51; Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 38; Reichert, ZHR 177 (2013), 756, 779. 837  J. Koch, AG 2012, 429, 439; eingehend zur Bedeutung der Teilhabe über variable Vergütungen und Gesellschaftsanteile Frisch, Haftungserleichterung (1998), S. 181 ff.; 184 ff. (dort allerdings bezogen auf die Frage, ob eine Haftungserleichte­ rung für Organmitglieder überhaupt angemessen ist).



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Aufzuhellen ist, ob soziale Faktoren eine Rolle spielen sollten.838 Um­ stände wie die Familiensituation oder das Alter des Organmitglieds könn­ ten Berücksichtigung finden, wie auch im Arbeitsrecht.839 Diese sozialen Faktoren weisen zwar keinen Bezug zur vertragstheoretischen Äquivalenz von Einkommenschancen und Haftungsrisiken des Vorstandsmitglieds auf. Es ist aber nicht ausgeschlossen, im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Vorstandsmitgliedern auch sozialer Rücksichtnahme Raum zu geben. Es kann dabei nur darum gehen, das Vorstandsmitglied und seine Familie vor Existenzvernichtung zu bewahren, nicht aber um Sicherung gehobener Le­ bensstile. Die soziale Rücksichtnahme darf allerdings nie zu einer Haf­ tungsreduktion auf Null führen, sondern als Abwägungskriterium lediglich bewirken, dass die Haftungssumme weiter unten innerhalb des anzuwen­ denden Rahmens anzusetzen ist; die Haftungsuntergrenze eines Viertels eines Jahresgehalts muss gewahrt werden. Bewirkt in Ausnahmefällen auch eine Herabsetzung nicht, dass das Organmitglied vor dem Verlust seiner bürgerlichen Existenz geschützt wird, verbleibt die Restschuldbefreiung (§ 286 InsO).840 Der Gesetzgeber sollte ergänzend in den Materialien klarstellen, welche Haftungssumme in einem näher zu umschreibenden Normalfall angemessen ist: Bei mittlerer Fahrlässigkeit, einer für Organhaftungsfälle durchschnittli­ chen Schadenssumme und Fehlen besonderer entlastender Umstände wie einer ausgeprägten Schadensneigung sollte vorschlagsweise eine halbe Brut­ tojahresgesamtvergütung genannt werden.841 838  Strikt dagegen für eine Haftungsbeschränkung de lege lata Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 37. 839  Für die Berücksichtigung im Arbeitsrecht BAG GS vom 27.09.1994 – GS  1/89 (A), BAGE  78, 56, 60, 67; BAG vom 18.04.2002  – 8 AZR 348/01, NZA 2003, 37, 39; dagegen Annuß, NZA 1998, 1089, 1094; Krause, NZA 2003, 577, 584. 840  Vgl. auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 57. 841  Ein Beispiel mag die Berechnung veranschaulichen: Ein Vorstandsmitglied bezieht eine Bruttojahresgesamtvergütung von 500.000 Euro. Mit mittlerer Fahrläs­ sigkeit schädigt es die Gesellschaft. Der Schaden beträgt 30 Millionen Euro. In diesem Fall reichte der schadensbezogene Rahmen von 1,5 Millionen Euro (das entspricht 5 % des Schadens) bis zu 15 Millionen Euro (50 % des Schadens). Der einkommensbezogene Rahmen hätte eine Spannweite von 125.000 Euro (das ent­ spricht einem Viertel einer Jahresgesamtvergütung) bis zu 1,25 Millionen Euro (2,5 Bruttojahresgesamtvergütungen). Der vergütungsbezogene Rahmen führte zu geringeren Haftungssummen und käme folglich zur Anwendung. Der Richter müss­ te nun in Anwendung der bezeichneten Abwägungskriterien den Schaden zwischen 125.000 Euro und 1,25 Millionen Euro festsetzen. Sofern es sich um einen Normal­ fall im gerade charakterisierten Sinn handelt, wäre eine Summe zu leisten, die einer halben Jahresgesamtvergütung entspricht, also 250.000 Euro.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Der Klärung harrt noch, ob die Haftungsbegrenzung ipso iure eintreten oder zwingend an eine gerichtliche Geltendmachung gebunden werden soll.842 Alternativ könnte sie den Richtern vorbehalten bleiben und somit voraussetzen, dass der Anspruch eingeklagt wird. Gegen eine Haftungsbe­ grenzung ipso iure könnte namentlich sprechen, dass die Verwaltungsorgane augenscheinlich manipulieren könnten;843 Bayer und Scholz sprechen da­ von, dass dem Aufsichtsrat wenn nicht bereits rechtlich, so doch zumindest de facto ein Beurteilungsspielraum zukomme.844 Gemeint ist offenbar, der Aufsichtsrat könnte eine zu niedrige Haftungssumme einfordern und be­ haupten, mehr stünde der Gesellschaft nach Abwägung aller Faktoren nicht zu. Auf diesem Wege könnte er augenscheinlich das Erfordernis des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG aushebeln, wonach ein Vergleich nur bei Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird: Die Gesellschaft verzichte schließ­ lich auf nichts.845 Gegen diese Argumente sind Einwände vorzubringen. Ein reformierter § 148 AktG stellt ein hinreichendes Korrektiv zu einer unzureichenden An­ spruchsdurchsetzung durch das Verwaltungsorgan dar. Wenden die Mitglie­ der des Vertretungsorgans die Haftungsreduzierungsregeln fehlerhaft an und verlangen eine zu niedrige Summe vom Schuldner, ohne sich ihre Entschei­ dung als Vergleich gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG von der Hauptversamm­ lung „absegnen“ zu lassen, können Aktionäre die Differenz zum tatsächli­ chen Haftungsanspruch noch einklagen.846 Daher ist es gut vertretbar, dass die Haftungsbegrenzung bereits von Gesetzes wegen eintritt. Damit wird im Besonderen erreicht, dass die Haftungsreduktionsregeln auch bei den prak­ tisch bedeutsamen außergerichtlichen Vergleichen greifen.847

842  Gegen eine ipso iure wirkende Reduktionsklausel Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 929 f.; Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 324 ff. 843  Vgl. zum Problem mangelnder Interessengegensätze zwischen den Verwal­ tungsorganen in diesem Kontext Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 324. 844  Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 929 f. 845  Auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 325. 846  Nicht überzeugend daher Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 929, die befürchten, bei einer ipso iure eintretenden Haftungsreduzierung würde „jedwede – vollständige wie teilweise – Durchsetzung des Haftungsanspruchs durch den Aufsichtsrat eine Aktionärsklage zumindest faktisch ausschließen.“ 847  Theoretisch ist denkbar, dass genau die Summe vereinbart wird, die der Schuldner der Gesellschaft nach dem hier entwickelten Modell schuldet. Bei einer solchen „Punktlandung“ läge kein Verzicht oder Vergleich i. S. v. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG vor. Praktisch werden die Mitglieder des Vertretungsorgans die Vereinbarung mit dem Schuldner aber immer der Hauptversammlung zur Abstimmung vorlegen, um Sicherheit zu gewinnen.



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(3) Vorkehr für marktuntypische Vergütungen Nicht immer wird eine vergütungsbezogene gesetzliche Beschränkung zu angemessenen Ergebnissen führen. Zu denken ist z. B. an eine Gesellschaft, deren Unternehmen ein Start-up ist: Um Investitionen der Gesellschaft zu ermöglichen, sind die Vorstandsmitglieder zunächst für eine gewisse Zeit mit einer marktuntypisch geringen Vergütung einverstanden, allerdings nur gegen Ausgleich ihres Verzichts durch alsbald hohe Vergütungen. In einem derartigen Fall kann die Haftung mit maximal dem 2,5-fachen der momen­ tanen Jahresvergütung unzureichend sein, weil die mittelfristigen Beteili­ gungen am Unternehmenserfolg ausgeblendet werden. Das Gesetz könnte für derartige Fälle eine zusätzliche, sich in absoluten Zahlen ausdrückende Haftungsuntergrenze einziehen. Zu verweisen ist auf § 13.1-692.1 (A)(2) des Stock Corporation Act des US-Bundesstaats Virginia, welcher – soweit nicht satzungsmäßig eine abweichende Haftungsregelung getroffen ist – ei­ ne Haftung jedenfalls in Höhe von 100.000 USD vorsieht, wenn die Jahres­ vergütung diese Summe unterschreitet. Damit erreichte man Rechtssicher­ heit, allerdings um den Preis, dass sich eine für alle Gesellschaften überzeu­ gende absolute Untergrenze kaum finden ließe. Vorzuziehen ist daher eine Gesetzesbestimmung, nach welcher sich der Haftungsumfang nach Billigkeit unter besonderer Berücksichtigung der markttypischen Vergütung848 richtet, wenn die Heranziehung der tatsächlichen Vergütung zu Ergebnissen führte, die nach den Zwecken der Haftungsreduzierung grob unbillig wären. 2. Abstimmung mit der D&O-Versicherung Es ist nunmehr zu fragen, inwieweit die erlangbaren Leistungen der D&O-Versicherer849 bei der Berechnung der Ersatzsumme zu berücksichti­ gen sind. Die klarste und daher vorzuziehende Lösung besteht darin, diese Versicherungsleistungen unbeachtet zu lassen.850 Die Haftung beschränkt sich in der Folge dessen auf die nach dem Rahmenmodell ermittelte Sum­ me, die sich am Einkommen des Organmitglieds orientiert. Mit diesem 848  Gemeint ist die übliche Vergütung für eine Tätigkeit in einem Unternehmen wie dem der betroffenen Gesellschaft. 849  Es handelt sich um eine Haftpflichtversicherung (§§ 149  ff. VVG), welche die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin für die jeweiligen Organmitglieder als Versicherte abschließt. 850  Für diese Lösung hinsichtlich seines satzungsdispositiven Haftungsbeschrän­ kungsansatzes auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 65 f.; für den von ihm entwickelten Enthaftungsansatz auch Scholz, Existenzver­ nichtende Haftung (2014), S. 379; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 933; erwägend auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 278.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Ansatz liegen die Haftungssummen allerdings regelmäßig unterhalb der üblichen Deckungsgrenzen der D&O-Versicherungen. Ohne weitere Maß­ nahmen drohte, dass die Organmitglieder bis auf den Selbstbehalt (§ 93 Abs. 2 Satz 3 AktG), den sie wiederum selbst versichern könnten,851 infolge der Leistungen des Versicherers vollumfassend enthaftet würden. Das wäre dem Präventionsanliegen abträglich.852 Das derzeit angesichts unbegrenzter Haftung bestehende Haftungsrisiko daraus, dass die Schadensersatzsummen die D&O-Deckungsgrenzen oftmals übersteigen,853 wird de lege ferenda schließlich nicht mehr bestehen. In der Konsequenz dieser Überlegungen liegt es, D&O-Versicherungen auf Rechnung der Gesellschaften zu untersa­ gen.854 Naheliegend sollte das Gesetz zusätzlich auch eine Eigenversiche­ rung der nach dem Rahmenmodell ausgeurteilten Haftungssummen ein­ schränken oder ganz verbieten.855 Denn die Prämienleistungen für die Ver­ vieler Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 205 m. w. N. Hopt, ZIP 2013, 1793, 1804, allerdings ohne (ausdrücklichen) Bezug auf den Selbstbehalt: „Haftungscaps haben immer etwas Zufälliges an sich, sie sind unflexibel und erlauben vor allem über die D&O-Versicherung eine routinemäßige, völlige Freistellung der Organmitglieder von Haftung, was dem Präventionsgedan­ ken klar abträglich ist.“ 853  Fleischer, in: Spindler/Stilz,  AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 228; zu diesem Risiko eingehend auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 248. 854  Für ein Verbot auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 379; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 933. 855  Für ein Versicherungsverbot als Gegengewicht zu einer (starren) Haftungso­ bergrenze nunmehr Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 379 ff.; eben­ falls Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 933; für eine Befugnis der Hauptversammlung, den Organmitgliedern im Gegenzug für eine satzungsmäßige Haftungsbeschränkung die Selbstbehaltsversicherung durch Beschluss zu untersagen, Beschlüsse 70. Deut­ scher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschlusspunkt 3. c): Angenommen 58:20:9. Eine Diskussion um ein Eigenversicherungsverbot gab es bereits im Zuge der Einführung des Selbstbehalts gem. § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG: Teilweise wurde ein Versicherungsverbot für den Selbstbehalt vorgeschlagen; so Thüsing, Stellungnahme VorstAG, S. 13 f. Die rechtliche Zulässigkeit eines Versiche­ rungsverbots ist nicht abschließend geklärt. Einige Autoren halten es für verfas­ sungswidrig; so Fleischer, in: Spindler/Stilz, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 254; Gädtke, VersR 2009, 1565, 1569 ff; Lange, VersR 2009, 1011, 1023; Spindler, AG 2013, 889, 897: „[A]us verfassungsrechtlichen Gründen […] höchst zweifelhaft“. Nach anderer Auffassung ist ein solches Verbot gerechtfertigt; so R. Koch, AG 2009, 637, 646; implizit auch J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 93 Rn. 59, wenn er ausführt: „Versicherung des Selbstbehalts ist de lege lata zulässig, rechtspolitisch aber wenig wünschenswert, da er gewünschte Präventionswirkung konterkariert […].“; offen lassend Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 801; vermittelnd hat Pregler, Selbstbehalt, S. 297 eine Art „Selbstbehalt bei der Selbstbehaltsversicherung“ vorgeschlagen. Dabei ist angedacht, dass mindestens 20 bis 30 % der von der Ver­ sicherung gedeckten Schadenssumme vom Versicherungsnehmer selbst zu tragen sind, um eine spürbare eigene Belastung zu garantieren. 851  Statt

852  Auch



§ 14  Verfolgungsrecht und materiellrechtlicher Anspruch 385

sicherung stellen keine adäquate Verhaltenssteuerung sicher, zumal nicht unwahrscheinlich ist, dass die Prämien bei der Bemessung der Vorstands­ vergütung Berücksichtigung finden.856 Die D&O-Versicherung in ihrer heutigen Funktion, das Organmitglied von Haftungsrisiken freizustellen, wird nach diesem hier bevorzugten Ansatz obsolet.857 Die Organhaftung dient, da Deckungssummen aus D&O-Versicherungen nicht auf die auszu­ urteilende Haftungssumme aufgeschlagen werden und somit nicht den Haf­ tungsfonds vergrößern, vorrangig der Prävention und weniger der Kompen­ sation.858 Die Gesellschaften haben dann einen Anreiz, zu Zwecken der Kompensation ihrer Schäden zu Eigenschadensversicherungen überzugehen („Kaskolösung“).859 Die D&O-Versicherungsverträge müssten entsprechend umgestaltet werden.

II. Abstimmung mit § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG Die Reformvorschläge zu § 148 AktG regen zu Überlegungen an, auch § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG umzugestalten. 1. Dreijahresfrist Einmal gibt die Frist von drei Jahren, vor deren Ablauf ein Vergleich oder Verzicht ausgeschlossen ist, Anlass für Reformerwägungen. Diese Frist, die auch für den besonderen Vertreter gilt,860 macht es letzterem für einen lan­ gen Zeitraum unmöglich, sich im Namen der Gesellschaft mit den Schuld­ nern zu vergleichen. Das überzeugt nicht: Ein Vergleich ist „auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung“.861 Auch ein Klageverfahren kann der besondere Vertre­ 856  Zweifel an der hinreichenden Präventionswirkung der Prämien hat auch Scholz, Existenzvernichtende Haftung (2014), S. 380; auch das Argument der „Ein­ preisung“ teilt Scholz. 857  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 278. 858  Für eine „Abstandnahme von der Kompensationsfunktion“ Scholz, Existenz­ vernichtende Haftung (2014), S. 352 f.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 928. 859  Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 278. 860  Statt vieler Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 98; Mock, in: Spindler/ Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 87, nach dem „auch der besondere Vertreter dem Verzichtsverbot des § 93 Abs. 4 Satz 3 unterliegt“; teilweise für eine teleologi­ sche Reduktion Kling, ZGR 2009, 190, 207 f. für den Fall der Beendigung eines über den Gesellschaftsanspruch geführten Zivilprozesses u. a. durch Verzicht, wenn evident ist, dass der Anspruch nicht besteht. Dann soll die Zustimmung der Haupt­ versammlung entbehrlich sein. 861  BVerfG vom 14.02.2007  – 1 BvR 1351/01, NJW-RR 2007, 1073, 1074.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

ter, genau wie das reguläre Vertretungsorgan der Gesellschaft, vor Ablauf der Dreijahresfrist nicht durch Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) beenden.862 § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG blockiert damit wichtige verhandlungsund prozesstaktische Handlungsoptionen. Ob sich diese lange Sperrfrist für die Anspruchsverfolgung durch einen besonderen Vertreter rechtfertigen lässt, muss nach ihrem Sinn und Zweck beurteilt werden. Die Dreijahresfrist soll verhindern, dass die Gesellschafts­ vertreter Vergleichen „blind“ zustimmen, bevor das Schadensausmaß über­ schaubar ist.863 Auch für den besonderen Vertreter ist dieser Zweck dem Grunde nach einschlägig.864 Indes erscheint die Befürchtung, vor Ablauf von drei Jahren werde ein Vergleich „blind“ geschlossen, überzogen.865 Der be­ sondere Vertreter hat Auskunfts- und Einsichtsrechte. Er kann sich über diese Rechte die prozessrelevanten Informationen von der Gesellschaft beschaffen. Zum Zweiten soll die Sperrfrist Vergleichen unter Forderungswert vorbeu­ gen, mit denen sich Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenseitig kollu­ siv866 oder jedenfalls in kollegialer Rücksichtnahme867 von Haftung freistel­ len. In der Tat werden nach Ablauf von drei Jahren oftmals mehr Details öf­ fentlich bekannt sein, so dass auch die Aktionäre über ein klares Bild von der Verantwortlichkeit „ihrer“ Organmitglieder verfügen. Es ist entsprechend schwerer, die Aktionäre bei der Abstimmung gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG dazu zu bewegen, Vergleichen weit unterhalb des Erwartungswerts der For­ derung zuzustimmen. Mangels personeller Verflechtungen des besonderen Vertreters mit den Organmitgliedern ist die Gefahr kollegialer Verschonung 862  Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 173; dort auch zur Anwendbarkeit des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf einen Anwaltsvergleich nach §§ 796a ff. ZPO und einen Verzicht nach § 306 ZPO. 863  Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 98; Hölters, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. (2014), § 93 Rn. 311; Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 164; Spindler, in: MüKo AktG, 4. Aufl. (2014), § 93 Rn. 251; mit diesem Argument zu­ letzt gegen eine Ausweitung der Vergleichsbefugnisse Länderarbeitsgruppe „Mana­ gerverantwortlichkeit“, Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Begleitbericht, S. 5. 864  Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 98. 865  Kritisch auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 50 für einen Vergleichsschluss der regulären Verwaltungsorgane mit dem Argu­ ment, dass eine Sperrfrist dann auch für andere schwer zu überblickende Schadens­ fälle gelten müsste. 866  Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber,  AktG, 2. Aufl. (2011), § 93 Rn. 36: Es werde ein kollusives Zusammenwirken von Aufsichtsrat und Vorstand vermieden; wohl auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 50, der den Zweck darin sieht, zu verhindern, dass Organmitglieder „allzu eilfertig einen Schlussstrich unter eigene Verfehlungen […] ziehen“. 867  Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 97.



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aus Rücksichtnahme indes nicht vorhanden.868 Ein kollusiver Vergleich – der Vertreter lässt sich sein Klagerecht „abkaufen“ – ist zwar möglich. Dieses Risiko ist aber zu vernachlässigen, weil die Gerichte die Vertreter sorgfältig nach Zuverlässigkeit auswählen und zudem Haftungsgefahren das Vertreter­ handeln steuern.869 Die Frist des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG sollte daher im künftigen Recht für besondere Vertreter nicht mehr gelten. Aber auch für die Mitglieder der regulären Verwaltungsorgane sollte der Gesetzgeber trotz der beschriebenen Kollusions- und Rücksichtnahmeten­ denzen von der Frist Abstand nehmen.870 Einen Vorstoß in diese Richtung hat zuletzt auch der Deutsche Juristentag 2014 unternommen und mehrheit­ lich beschlossen: „Die Dreijahresfrist des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG sollte ersatzlos entfallen.“871 Schließlich haben auch die Verwaltungsorganmit­ glieder wenig Anreiz, die Hauptversammlung über die Erfolgschancen einer Anspruchsdurchsetzung zu täuschen. Sie haben ebenfalls eine Haftung zu gewärtigen, wenn sie die Hauptversammlung nicht zutreffend über die Pro­ zesschancen aufklären.872 Ergänzend sollten Organmitglieder einschließlich besonderer Vertreter einer umfassenden schriftlichen Berichtspflicht gegenüber der Hauptver­ sammlung unterworfen werden, wenn sie einen Verzicht oder Vergleich zur Beschlussfassung gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG vorlegen.873 Sie sollten in dem Bericht die Gründe, die für und wider einen Verzicht oder Vergleich streiten, umfassend darlegen müssen.874 Zu diesen Umständen zählen das Prozessrisiko und auch mögliche Gegengründe des Gesellschaftswohls, die einer klagweisen Durchsetzung entgegenstehen.875 Im geltenden Recht be­ steht keine solche Berichtspflicht.876 Auch wenn die Aufsichtsräte in der 868  Auch Böbel, Besonderer Vertreter (1999), S. 97 f.; vgl. auch Mock, in: Spind­ ler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 147 Rn. 87, der von einer „geringeren personellen Verflechtung mit den Anspruchsgegnern“ ausgeht. 869  s. Kapitel 3, § 12 IV. 2. c) bb). 870  So statt vieler Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E  51 f.; Mertens/Cahn, in: KK AktG, 3. Aufl. (2010), § 93 Rn. 164. 871  Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschafts­ recht, Beschlusspunkt 7. a): angenommen 58:19:9. 872  A. A. und das Haftungsrisiko als Steuerungsinstrument nicht für ausreichend erachtend aber Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 51. 873  Wie hier Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E  51 f. 874  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 51 f. 875  s. Kapitel 2, § 10 II. 2. 876  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 2; Fleischer, AG 2015, 133, 136; ebenfalls gegen eine Berichtspflicht, aber für eine Pflicht zur Information der Hauptversamm­ lung über den „Sachverhalt sowie die tragenden Beweggründe“ des Vergleichs be­ reits de lege lata Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 153.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

aktuellen Praxis überwiegend einen schriftlichen Bericht erstellen, wie zu­ letzt im Haftungsfall Neubürger / Siemens AG,877 ist eine ausdrückliche ge­ setzliche Regelung anzuempfehlen, welche die inhaltlichen Anforderungen konkretisiert und vereinheitlicht. 2. Widerspruchsquorum Führt der Gesetzgeber das Einzelantragsrecht ein, oder reduziert er zu­ mindest das Antragsquorum des § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG, fragt sich, ob das Widerspruchsquorum des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG anzupassen ist. Min­ derheitsaktionäre dürfte es nämlich entmutigen und von Bestellungsanträgen abhalten, wenn die Mehrheit der Anspruchsdurchsetzung nach § 148 AktG jederzeit den Boden entziehen kann, indem sie einem (unterwertigen) Ver­ gleich oder gar einem Verzicht zustimmt. Dass es den Antragstellern gelingt, das derzeit geltende Widerspruchsquorum von 10 % des Grundkapitals gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG aufzubringen, ist in börsennotierten Gesellschaften unwahrscheinlich.878 Wie problematisch das Quorum dieser Größenordnung ist, unterstreicht das ehemalige Klageerzwingungsrecht (§  147 Abs.  1 Satz 1 AktG a. F.), das ebenfalls einer Aktionärsminderheit mit 10 % des Grundkapitals vorbehalten war: Es erlangte keine praktische Bedeutung.879 Diese Erkenntnis stand gerade an der Wiege der Reformanstrengungen zu­ nächst durch das KonTraG und sodann das UMAG.880 a) Angleichung des Widerspruchsquorums Auf der Hand zu liegen scheint die Lösung, im Falle des Verdachts vor­ sätzlicher und grob fahrlässiger Pflichverletzungen jedem Aktionär, der nach § 148 AktG antragsberechtigt ist, auch das Widerspruchsrecht gem. § 93 877  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250; Fleischer, AG 2015, 133, 136, der auf die Einladung der Siemens AG zur Hauptversammlung am 27.01.2015 verweist, „in welcher der Aufsichtsrat eingehend erläutert, warum er ungeachtet eines Obsiegens in erster Instanz eine Vergleichsvereinbarung mit seinem ehemaligen Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger geschlossen hat“. 878  Götz, NJW 1997, 3275, 3278. 879  Feddersen, AG 2000, 385, 388: „[D]ie Haftung der Organe blieb bisher auf­ grund der alleinigen Zuständigkeit des Vorstands für die Klageerhebung und der strengen Beschränkung der zur Klageerzwingung nach § 147 AktG Berechtigten – 10 % der Aktionäre (bei der Metallgesellschaft etwa wären 44 Millionen DM Nenn­ kapital erforderlich gewesen) – zumeist theoretisch.“; ebenfalls Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 258: „Minderheitsrecht lief rechtspraktisch leer“. 880  Zur Aufnahme und Umsetzung der Kritik an den hohen Schwellenwerten nach § 147 Abs. 1 und 3 i. d. F. des KonTraG durch den Gesetzgeber Gesetzesbe­ gründung zum Regierungsentwurf UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 20, li. Sp.



§ 14  Verfolgungsrecht und materiellrechtlicher Anspruch 389

Abs. 4 Satz 3 AktG zu geben.881 Der Gleichlauf von Klageerzwingungsund Widerspruchsrecht war in der Geschichte des Aktiengesetzes lange Zeit zwingendes Gebot.882 Erst das KonTraG sowie fortgesetzt das UMAG haben diese Koppelung aufgelöst.883 Rechtsvergleichend entspräche ein Gleichlauf z. B. dem Aktienrecht der Schweiz. Nach Art. 756 Abs. 1 Satz 1 OR Recht ist jeder Aktionär klagebe­ fugt, und zur Absicherung dieses Rechts wirkt die verzichtsgleiche sog. décharge884 gem. Art. 758 Abs. 1 OR nur gegenüber denjenigen Aktionä­ ren, die dem Beschluss zugestimmt oder die Aktien seither in Kenntnis des Beschlusses erworben haben. Das Klagerecht der nichtzustimmenden Akti­ onäre erlischt allerdings sechs Monate nach dem Entlastungsbeschluss (Art. 758 Abs. 2 OR).885 Die zur décharge bestehenden Regelungen werden auf Vergleiche übertragen: Nur zustimmende Aktionäre sind an den Ver­ gleich gebunden.886 Gegen ein Widerspruchsrecht eines jeden Aktionärs oder – bei Beibehal­ tung eines Bagatellquorums für § 148 Abs. 1 AktG – einer kleinen Aktio­ närsminderheit bestehen jedoch Bedenken. Einzelne Aktionäre oder kleine Gruppen hätten es in der Hand, aus unlauteren oder jedenfalls in der Sache unbegründeten Erwägungen auch einen Vergleich zu verhindern, der für die Gesellschaft günstig ist.887 Die Organmitglieder müssten damit rechnen, doch noch einen Prozess führen zu müssen – obwohl sie in einen Vergleich eingewilligt haben, mit dem sie bereits weitreichend Verantwortung für den Gesellschaftsschaden übernommen haben. Unter diesen Bedingungen wären nicht mehr viele Organmitglieder bereit, sich auf Vergleiche einzulassen. 881  Dafür jeweils in Bezug auf ein de lege ferenda vorgeschlagenes Antragsquo­ rum eines Börsenwertes von 100.000 DM Bork, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesell­ schaftsrecht 1997, RWS-Forum 10 (1998), S. 53, 68; Riegger, Unternehmenskontrol­ le (2003), S. 237. 882  Diesen Zusammenhang betont bereits allgemeine Begründung zum Gesetz betreffend die KGaA und die AG von 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (1985), S. 470; vgl. auch Götz, NJW 1997, 3275, 3278. 883  Kritisch zur unterbliebenen Anpassung Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 93 AktG Rn. 46; feststellend Fleischer, Spind­ ler/Stilz, AktG, 3. Aufl. (2015), § 93 Rn. 280. 884  Es handelt sich um eine Entlastung. Diese hat anders als im deutschen Recht zugleich Verzichtswirkung; eingehend Banerjea, Gesellschafterklage (2000), S. 38 f. 885  Das wird mit dem Rechtsgedanken der Verwirkung des Klagerechts begrün­ det; Banerjea, Gesellschafterklage (2000), S. 39; zu dieser Vorschrift auch Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 52, Fn. 189. 886  Banerjea, Gesellschafterklage (2000), S. 40. 887  Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 53 spricht von der Möglichkeit einer kleinen Minderheit, einen Vergleich „grundlos zu torpedie­ ren“; Fleischer, AG 2015, 133, 138; Kalss, in: Kalss/Schauer, Reform (2006), S. 227.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

b) Reformalternativen Näher liegt, die Lösung des möglichen Konflikts zwischen einer ver­ zichts- oder vergleichsbereiten Mehrheit und einer andersdenkenden Min­ derheit zu „materialisieren“: Zwar sollte jeder Aktionär, der nach dem neu zu fassenden § 148 AktG antragsbefugt ist, einem Verzicht oder Vergleich auch widersprechen können; schließlich ist es in sich unstimmig, jedem Aktionär ein Antragsrecht gem. § 148 AktG einzuräumen, dieses Recht aber dadurch zu entwerten, dass die Antragsbefugten gegen Verzichts- und Ver­ gleichsentscheidungen der Mehrheit nichts einwenden können. Der Wider­ spruch sollte aber der Wirksamkeit eines Verzichts- oder Vergleichsbe­ schlusses nur entgegenstehen, wenn bestimmte inhaltliche Bedingungen er­ füllt sind.888 Diese Materialisierung kann verschiedene Formen annehmen, je nachdem, wie man die Entscheidungsmacht zwischen der Mehrheit und opponieren­ den Aktionären verteilen möchte. Besonders minderheitenfreundlich wäre es, wenn der Widerspruch stets dann wirksam wäre, wenn die Vergleichs­ summe den Betrag der angemessenen Haftung entsprechend dem hier ­entwickelten Rahmenmodell889 unterschreitet.890 Im Bestellungsverfahren müsste das Gericht inzident prüfen,891 ob der Verdacht892 eines solchen 888  Eine „Materialisierung“ anderer Art als hier favorisiert, erwägt Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag (2014), E 53: Er wirft die Reformoption auf, „das Vetorecht zugleich an die sonstigen Voraussetzungen der Klagezulassung“ anzugleichen (im Ergebnis aber ablehnend). Gemeint ist wohl, der Widerspruch solle die Wirksamkeit des Verzichts- oder Vergleichsbeschluss nur hindern, wenn ein Verdacht einer Pflichtverletzung (vgl. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) und die wei­ teren Voraussetzungen der Klagezulassung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 AktG vorliegen. Das überzeugt nicht: Ein Widerspruch darf einen angemessenen Vergleich nicht „torpedieren“, nur weil die Klagezulassungsvoraussetzungen vorliegen. Bedingung für die Beachtlichkeit des Widerspruchs müsste vielmehr sein, dass die vergleichs­ weise vereinbarte Kompensation gemessen an den Erfolgsaussichten zu niedrig ist. 889  s. oben Kapitel 3, § 14 I. 1. b) dd). 890  Einem strengen Angemessenheitsmaßstab unterwirft etwa § 7.15 (a) (3) der ALI Principles of Corporate Governance einen Vergleich, den das zuständige Ver­ waltungsorgan nach Einleitung einer abgeleiteten Aktionärsklage (derivative suit) vereinbart. Dieser Vergleich wird von dem mit der Klage befassten Gericht nur genehmigt und damit wirksam, wenn er für die Gesellschaft in Abwägung der Vorund Nachteile vorteilhaft ist und mit öffentlichen Interessen in Einklang steht („On the basis of the entire record, the balance of corporate interests warrants approval and the settlement or release is consistent with public policy“). 891  Eine solche Inzidentprüfung – hier der Wirksamkeit des Widerspruchs – ist in gesellschaftsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten nicht ungewöhnlich. So wird von einer im Vordringen befindlichen Auffassung für die GmbH befürwortet, ablehnende Anspruchsverfolgungsbeschlüsse gem. § 46 Nr. 8 GmbHG im Rahmen des Klage­ verfahrens der actio pro socio inzident zu prüfen: Die klagewilligen Gesellschafter



§ 14  Verfolgungsrecht und materiellrechtlicher Anspruch 391

Unterschreitens nachweisbar ist. Die Vergleichsparteien wären damit aber in der unangenehmen Situation, eine „Punktlandung“ vollziehen zu müssen, indem sie exakt die Haftungssumme vereinbaren müssten, die auch das zuständige Gericht festsetzen würde. Sie wären einem hohen Risiko der Unwirksamkeit ihres Vergleichs ausgesetzt, weil sie relevante Faktoren wie den Verschuldensgrad abweichend einschätzen oder in der Gesamtabwägung zu einem anderen Ergebnis als das Gericht gelangen könnten. Diese Risiken minderten wiederum die Vergleichsbereitschaft der Organmitglieder. Der Gesetzgeber muss daher Wege aufzeigen, um einen einmal geschlos­ senen Vergleich stärker gegen Widersprüche einzelner Aktionäre zu immu­ nisieren. Er könnte einmal die Wirksamkeit des Widerspruchs davon abhän­ gig machen, dass der Verdacht einer groben Unangemessenheit des Ver­ gleichs besteht; das könnte z. B. voraussetzen, dass aufgrund des Vergleichs weniger als die Hälfte der nach dem Rahmenmodell berechneten angemes­ senen Haftungssumme ausgeglichen wird. Auch damit verbliebe eine nicht unbeträchtliche Rechtsunsicherheit. Weitergehend dürfte es sich daher empfehlen, die Wirksamkeit des Wi­ derspruchs daran zu binden, dass der Vergleich klar bestimmte Untergrenzen unterschreitet. Dafür ist an die Untergrenze der oben definierten Haftungs­ rahmen (5 % des Schadens oder ein Viertel der Jahresgesamtvergütung)893 anzuknüpfen. Um die Rechtssicherheit weiter zu fördern, sollte das Widerspruchsrecht befristet werden: Haben Aktionäre einem Verzicht oder Vergleich widerspro­ chen, sollten sie binnen vorschlagsweise drei Monaten den Bestellungsan­ trag stellen müssen.894 Andernfalls muss der Verzicht oder Vergleich trotz können unmittelbar klagen, ohne den ablehnenden Verfolgungsbeschluss zuvor durch Anfechtung aus der Welt schaffen zu müssen; etwa Ebbing, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. (2010), § 14 Rn. 104; Liebscher, in: MüKo GmbHG (2012), § 46 Rn. 239; Verse, in: FS U. H. Schneider, 1325, 1338, unter Übertragung des Erfordernisses der Beiladung der Gesellschaft gem. § 148 Abs. 2 Satz 9 AktG; a. A. Fastrich, in: Baum­ bach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. (2013), § 13 Rn. 39. 892  Da eine umfassende Prüfung der Ansprüche in den Bestellungsverfahren nicht erfolgen soll, müsste es konsequenterweise ausreichen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit („Verdacht“, vgl. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG) besteht, dass die vergleichsweise vereinbarte Kompensation unangemessen ist. Das Gericht müss­ te die nach dem Rahmenmodell maßgeblichen Abwägungsfaktoren wie die Scha­ denshöhe und das Verschuldensmaß jeweils mit einem Grad überwiegender Wahr­ scheinlichkeit feststellen. Auf dieser Grundlage ließe sich dann wiederum absehen, welche Ersatzsumme in einem Haftungsverfahren mit überwiegender Wahrschein­ lichkeit ausgeurteilt würde. 893  s. oben Kapitel 3, § 14 I. 1. b) dd). 894  Die Frist von sechs Monaten nach Art. 758 Abs. 2 OR im Schweizer Recht erscheint zu lang, weil es nicht angemessen ist, den Vergleich so lange in der

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

ihres Widerspruchs auf der Hauptversammlung wirksam werden, obwohl die Mindesthaftungssumme unterschritten wird. Weiter fragt sich, ob das an keine materiellen Voraussetzungen geknüpfte Widerspruchsrecht einer qualifizierten Aktionärsminderheit mit 10 % der Anteile, das § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG derzeit vorsieht, weiter Bestand haben sollte.895 Dagegen spricht entscheidend, dass mit dem Erfordernis der Mehrheitszustimmung einerseits und dem „materialisierten“ Widerspruchs­ recht eines jeden Aktionärs bei zumindest grob fahrlässigen Pflichtverlet­ zungen andererseits hinreichende Sicherungen gegen kollusive Vergleiche bestehen.896 Abschließend sind die rechtspraktischen Auswirkungen der vorgeschlage­ nen Untergrenze im Rahmen der Widerspruchslösung auszuloten: Würden sich die zuständigen Verwaltungsorganmitglieder mit den Schuldnern nur­ mehr auf diese Untergrenze verständigen? Das wäre für die Steuerungswir­ kung der Organinnenhaftung nachteilig. Dieser „Minimalismus“ ist indes – trotz der strukturellen Interessenkonflikte des Aufsichtsrats – nicht sehr wahrscheinlich. Mit Einführung des vorgeschlagenen Haftungsrahmens und den Kriterien zu seiner Ausfüllung bestehen Maßstäbe für die Verwaltungs­ organe, wie der Haftungsumfang zu berechnen ist. Sie müssten es vor die­ sem Hintergrund schon besonders rechtfertigen, wenn sich die Gesellschaft mit der Mindesthaftung begnügen sollte, die allenfalls bei überschaubaren Schäden und leichtester Fahrlässigkeit angemessen ist. Wahrscheinlicher ist, dass sich die zuständigen Verwaltungsorganmitglieder in den Vergleichsver­ handlungen mit dem Schuldner an dem orientieren werden, was erwartbar auch die Gerichte als Haftungssumme festsetzen würden. Denn das fördert die Akzeptanz des Vergleichs in der Öffentlichkeit und erhöht auch das Ansehen der Organmitglieder.

Schwebe zu halten. Die Aktionäre dürften auch nicht so lange benötigen, um sich für ein Vorverfahren zu entschließen und dieses – unter anwaltlicher Mithilfe – vor­ zubereiten. 895  Gegen eine Abschaffung, allerdings ohne Erwägung des hier befürworteten „materialisierten“ Widerspruchsrechts jedes Aktionärs, Beschlüsse 70. Deutscher Juristentag Hannover 2014, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschlusspunkt 7. b); für eine Abschaffung etwa Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentages (2015), N 19. 896  Vgl. auch Sailer-Coceani, Referat, Verhandlungen des 70. Deutschen Juris­ tentages (2015), N 19, die meint, die Zustimmung der Hauptversammlung sei „Kon­ trolle genug“.



§ 14  Verfolgungsrecht und materiellrechtlicher Anspruch 393

III. Abstimmung des § 148 AktG mit außergerichtlicher Anspruchsdurchsetzung durch das zuständige Verwaltungsorgan Die Abstimmung des § 148 AktG mit der außergerichtlichen Anspruchs­ durchsetzung durch das reguläre Verwaltungsorgan ist im geltenden Recht fragmentarisch geblieben. Hier wurde eine Art Notlösung herausgearbeitet: Die Gerichte sollen unter engen Voraussetzungen anordnen können, dass Vorund Klageverfahren gem. § 251 Satz 1 ZPO ruhen, bis die Organmitglieder Vergleichsverhandlungen abgeschlossen und die Hauptversammlungen gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG entschieden haben.897 Das Ruhen kann im Besonde­ ren auch gegen den Willen der antragstellenden Aktionäre angeordnet werden. Ob die Praxis diesem Ansatz folgen würde, muss allerdings als offen gelten. Eine gesetzliche Regelung sollte sich dieser wichtigen Fragen annehmen. Richtigerweise sollte die Abstimmung des § 148 AktG mit Vergleichsver­ handlungen der regulären Verwaltungsorgane nicht erst im, sondern bereits vor dem Beginn des Vorverfahrens ermöglicht werden. Namentlich bietet es sich an, die Frist, welche die Aktionäre der Gesellschaft gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG zur Klage setzen, flexibler zu gestalten: Bei ihrer Bemes­ sung ist künftig auf Vergleichsbestrebungen der Gesellschaften Rücksicht zu nehmen. Die derzeit in der Gesetzesbegründung mit zwei Monaten beziffer­ te Frist898 ist zu knapp, um den Sachverhalt gewissenhaft zu prüfen und Vergleichsverhandlungen zu führen und abzuschließen. Das Gesetz sollte künftig zwei Monate ausdrücklich als Regelfrist festschreiben, zugleich aber vorsehen, dass die Frist auf bis zu sechs Monate verlängerbar ist. Bedin­ gung der Verlängerung ist, dass die Organmitglieder namens der Gesell­ schaft auf die Aufforderung und Fristsetzung der Aktionäre gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG einen entsprechenden Verlängerungswunsch mit­ teilen.899 Sie müssen den Aktionären schriftlich auch die gewünschte Ver­ längerungsdauer sowie die wesentlichen Umstände zu den laufenden oder geplanten Vergleichsverhandlungen offenbaren. Es wird nicht verkannt, dass die Aktionäre damit letztlich auf das „Gerede“ der Organmitglieder von Verlängerungsgründen vertrauen müssen, was die Frage aufwirft, ob man sie nicht gegen Verzögerungstaktiken schützen muss.900 Vorzuziehen ist je­ 897  s. oben

Kapitel 2, § 10 II. 4. Kapitel 2, § 8 IV. 2. 899  Für eine Mitteilungspflicht bereits im geltenden Recht, wenn eine von den Aktionären gesetzte Frist zu kurz bemessen ist, Rieckers/Vetter, in: KK AktG, 3. Aufl. (2015), § 148 Rn. 265. 900  Um die Aktionäre gegen Verzögerungstaktiken der Verwaltung abzusichern, ist Folgendes möglich: Einmal könnten die Mitglieder des für die Anspruchsverfol­ gung zuständigen Organs gesetzlich verpflichtet werden, auf Verlangen an Eides 898  s. oben

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

doch, auf Absicherungsmaßnahmen zu verzichten: Die Organmitglieder unterliegen selbst einer Haftung, wenn sie die Durchsetzung der Gesell­ schaftsansprüche grundlos verzögern und sich ggf. die Beweislage dadurch verschlechtert. Zudem besteht eine gesetzliche Obergrenze von sechs Mo­ naten für die Frist. Diese auszuschöpfen, dürfte für die Aktionäre nicht zu unzumutbaren Resultaten führen. Stellen die Aktionäre vor Ablauf dieser ggf. verlängerten Frist den Bestel­ lungsantrag, weist das Gericht diesen ab. Nach Fristablauf ist zu differenzieren. Hat sich die Gesellschaft binnen der Frist mit dem Schuldner verglichen, sollte sie diesen Vergleich nach Maßgabe des § 149 AktG bekannt machen müssen. Die Aktionäre können dann entscheiden, ob sie das Vergleichsergebnis akzeptieren oder aber das Bestellungsverfahren betreiben. Erfolg hat ihr Bestellungsantrag nur, wenn der Vergleich die oben definierte Untergrenze der Haftung901 unterschreitet. Wahrt der Vergleich diese Untergrenze demgegenüber, kann seine Wirksam­ keit (nur) noch daran scheitern, dass die Hauptversammlung die Zustim­ mung gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG verweigert. Bis zu dieser Entscheidung sollte das Gericht das Ruhen des Bestellungsverfahrens anordnen können. Diese Anordnungskompetenz muss sich künftig im Aktiengesetz finden. Kommt hingegen innerhalb der Frist kein Vergleich zustande, und klagt die Gesellschaft auch nicht, können die Aktionäre das Bestellungsverfahren zunächst betreiben. Es bleibt den Gesellschaftsvertretern aber weiterhin unbenommen, einen Vergleich zu vereinbaren. Legen sie während des lau­ fenden Vorverfahrens einen Vergleich vor, sollte das Gericht wiederum an­ ordnen können, dass das Verfahren ruht, bis die Hauptversammlung gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG über die Zustimmung zum Vergleich entschieden hat. Voraussetzung für die Anordnung des Ruhens muss auch hier sein, dass der Vergleich die Haftungsuntergrenze wahrt. Stimmt die Hauptversamm­ lung dem Vergleich zu und erklären die Aktionäre daraufhin ihren Bestel­ statt zu versichern, dass sie ihre Angaben zu den laufenden Vergleichsverhandlungen nach bestem Wissen gemacht haben. De lege lata käme eine eidesstaatliche Versi­ cherung nicht in Betracht, da eine Analogie zu §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB ausscheidet; vgl. nur BayObLG vom 17.07.2002 – 3Z BR 394/01, BayObLGZ 2002, 227, 230 (zur Frage der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit einer Auskunft nach § 131 AktG). Zu dieser Versicherung entsprechend §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB wären die Organmitglieder immer verpflichtet, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Angaben gegenüber den Aktionären nicht richtig waren. Nach § 410 Abs. 1 Nr. 1 FamFG wäre die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eine FamFG-Angelegenheit. Alternativ käme in Betracht, dass eine Fristverlänge­ rung nur durch gerichtliche Entscheidung in einem FamFG-Verfahren zugelassen wird, wenn die Gesellschaft dies beantragt. Die Verlängerungsgründe würden objek­ tiv unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) geprüft. 901  s. oben Kapitel 3, § 14 II. 2. b).



§ 15  Besondere Regeln für nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften?395

lungsantrag für erledigt, sollte allerdings die Gesellschaft abweichend von § 83 Abs. 2 i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwingend die Kosten des Bestellungsverfahrens tragen. Die Gesellschaftsvertreter haben schließlich Anlass zu diesem Verfahren gegeben, indem sie binnen angemessener, ggf. verlängerter Frist keinen Vergleich ausgehandelt haben. Die antragstellenden Aktionäre sind in diesem Fall zudem nach den hier entwickelten Grundsät­ zen für ihr Verfahrensrisiko, ihren Vorbereitungsaufwand und ihre Mühe­ waltung aus dem Vergleichsertrag zu vergüten.902

§ 15  Besondere Regeln für „kleine“ oder nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften? Bisher wurde weitgehend ausgeklammert, ob die hier entwickelten Re­ formvorschläge, die auf den gesetzlichen Ausgangstypus903 der börsenno­ tierten (vgl. § 3 Abs. 2 AktG) Publikumsaktiengesellschaft zugeschnitten sind, auch für kleine, nichtbörsennotierte Gesellschaften die Weichen richtig stellen. Da ca. 96 % der Aktiengesellschaften nicht börsennotiert sind,904 ist diese Frage höchst relevant. Die Regeln der Haftungsdurchsetzung für sämt­ liche Aktiengesellschaften gleichlaufen zu lassen,905 ist keineswegs zwin­ gend.906 Im Organhaftungsrecht zeichneten sich zuletzt nach der Börsenno­ tierung differenzierende Regelungen ab, namentlich bei den Verjährungsfris­ ten.907 Allerdings sollte eine Differenzierung nur vorgenommen werden, soweit dafür unabweisbare Gründe bestehen. Zunächst einmal käme als Trennlinie die Börsennotierung (legaldefiniert in § 3 Abs. 2 AktG) in Betracht. Sie ist ein trennscharfes Kriterium.908 Al­ ternativ könnten Sonderregeln für kleine, geschlossene Aktiengesellschaften 902  Zu

diesen Regeln s. oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c). zur Publikumsgesellschaft als gesetzlichem Leitbild nur Bayer, in: FS Hopt (2010), S. 373, 374. 904  Spindler, AG 2008, 598. 905  Dafür Semler, in: FS Goette (2011), S. 499, 509. 906  Vgl. bereits die Überlegungen zu einer differenzierten Behandlung nichtbör­ sennotierter Gesellschaften in der Auseinandersetzung mit der Reform durch das UMAG bei K. Schmidt, NZG 2005, 796, 799; zuvor Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 333; für eine Differenzierung mit Blick auf den European Model Companies Act (EMCA) Kalss, ECFR 2009, 324, 345. 907  § 93 Abs. 6 AktG bestimmt nunmehr, dass Ansprüche börsennotierter Gesell­ schaften nach zehn, solche nichtbörsennotierter bereits nach fünf Jahren verjähren; kritisch zu dieser Differenzierung DAV, Handelsrechtsausschuss, Stellungnahme, NZG 2010, 897, 898, welcher diese Differenzierung als unsystematisch bewertet. 908  Zutreffend Schüppen, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 1 Rn. 9: „Weniger mystisch und wesentlich trennschärfer“ als der Typus der „klei­ nen“ Aktiengesellschaft. 903  Vgl.

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3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

mit überschaubarem Gesellschafterkreis und regelmäßig vinkulierten Na­ mensaktien aufgestellt werden,909 wobei sich der Typus der kleinen Aktien­ gesellschaft in erheblichem Umfang mit dem der nichtbörsennotierten Ge­ sellschaft deckt.910 Typischer Unterfall der kleinen Gesellschaft sind „Fami­ liengesellschaften mit einem oder wenigen Familienstämmen“.911 Weitere Differenzierungen sind möglich. So könnte etwa die nicht gem. § 3 Abs. 2 AktG börsennotierte Gesellschaft aufgespalten werden in die kleine, geschlossene Gesellschaft einerseits und eine offene Form, deren Anteile im privatrechtlich organisierten Freiverkehr gehandelt werden, andererseits. Weitere Erörterungen zu Subtypendifferenzierungen erübrigen sich aber, wenn die für große, börsennotierte Publikumsgesellschaften herausgearbei­ teten Regelungen auch für den Gegentypus der kleinen, geschlossenen Ge­ sellschaft passen. Das bedarf näherer Prüfung. Anders als in börsennotierten Publikumsgesellschaften steht in kleinen Aktiengesellschaften mit überschaubaren Gesellschafterkreisen nicht der Agenturkonflikt zwischen der Verwaltung und passiven, in rationaler Apa­ thie verharrenden Aktionären im Mittelpunkt. Denn aufgrund der hohen Gesellschaftsanteile haben die Aktionäre, sofern sie die Gesellschaft nicht sogar selbst leiten,912 einen großen Anreiz, sich aktiv in die Belange der Gesellschaft einzumischen.913 Dominant ist vielmehr der Konflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern.914 Namentlich geht es um den 909  Der Begriff der „kleinen“ Aktiengesellschaft lässt sich zurückführen auf das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 02.08.1994, BT-Drucks. 12/6721. Gesetzlich definiert ist dieser Gesellschaftstypus indes nicht; die Sonderregeln in dem Gesetz von 1994 knüpfen an unterschiedliche einzelne Strukturmerkmale und Eigenschaften an, nicht an den Typus der „kleinen“ AG als solchen; zu alldem Habersack, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2008), Einleitung Rn. 4; ders., AG 2009, 1, 3. In BT-Drucks. 12/6721, S. 5 re. Sp. wird die kleine AG definiert als eine solche „mit überschaubarem Aktionärskreis“. 910  Habersack, in: MüKo AktG, 3. Aufl. (2008), Einleitung Rn. 4; Schüppen, in: Schüppen/Schaub, MAH Aktienrecht, 2. Aufl. (2010), § 1 Rn. 9. 911  Gesetzesbegründung zum Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, BT-Drucks. 12/6721, S. 8, re. Sp. 912  Zur phänotypischen Kategorisierung solcher Gesellschaften als sog. entrepreneurial organizations Weller, ZGR 2012, 386, 390 f.; zur Möglichkeit von Aktionä­ ren, selbst das Vorstandsamt auszufüllen, s. Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Ge­ sellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 76 AktG Rn. 16. 913  Auch Weller, ZGR 2012, 386, 392; für die private company im US-amerika­ nischen Kapitalgesellschaftsrecht Thompson/Thomas, 57 Vand. L. Rev. (2004), 1747, 1765: „Close company investors also tend to be more actively involved in the busi­ ness, making them superior monitors of corporate mismanagement.“ 914  Kalss, ECFR 2009, 324, 344; Ulmer, ZHR 1999, 290, 333; vgl. für die GmbH Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 14 GmbHG Rn. 122: „Bedeutung hat die actio pro socio vor allem für den Minderheitenschutz.“



§ 15  Besondere Regeln für nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften?397

Schutz der Aktionärsminderheit vor einer Mehrheit, die sich Sondervorteile verschafft.915 Zu denken ist an Drittgeschäfte zu nicht marktgerechten Prei­ sen (sog. related-party-transactions) oder an die Umleitung von Geschäfts­ chancen auf einen Gesellschafter.916 Um diesen Konflikt aufzulösen, könn­ ten jedoch andere Mechanismen als § 148 AktG vorrangig sein.917 Wollte man nicht gleich erwägen, nichtbörsennotierte Gesellschaften überhaupt von § 148 AktG auszunehmen, könnte man diese Regelung jedenfalls im Einzel­ nen restriktiver gestalten, etwa hinsichtlich der Kostenregelung.918 Zum Schutz der Minderheiten könnte namentlich die Klageerzwingungs­ kompetenz der Hauptversammlung gem. § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG ausrei­ chend sein.919 Anders als in der Publikumsaktiengesellschaft verfügen die Minderheitsaktionäre meist über das Quorum des § 122 Abs. 2 AktG zur Einberufung einer Hauptversammlung. Die Einberufung ist auch schneller und mit weniger Aufwand durchführbar. Will die Minderheit die Durchset­ zung von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter beschließen, ist dieser zudem de lege lata gem. § 136 Abs. 1 Satz 1, Var. 3 AktG von seinem Stimmrecht ausgeschlossen.920 Der Ausschluss gilt auch, wenn Organhaf­ tungsansprüche gegen ein Vorstandsmitglied durchgesetzt werden sollen, das zugleich Aktionär ist.921 Die Ausschaltung von Sonderinteressen über § 136 Abs. 1 Satz 1, Var. 3 AktG gelingt aber nur unzureichend.922 Es ist z. B. nicht zu verhindern, dass Aktionäre abstimmen, die mit der in An­ spruch zu nehmenden Person eng, insbesondere familiär, verbunden sind.923 Diese Situation wird gerade in der kleinen Aktiengesellschaft relevant sein. Es verbliebe den in der Abstimmung unterliegenden Minderheitsaktionären die Möglichkeit, gegen einen ablehnenden Beschluss im Wege der Anfech­ tungs- und positiven Beschlussfeststellungsklage vorzugehen.924 Ein über 915  Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. (2006), § 14 III 3. a. bb., S. 184; für das US-amerikanische Kapitalgesellschaftsrecht Davis, 61 Van. L. Rev. (2008), 387, 426, der ausführt, dass „the classic close corporation case involves those in control receiving some benefit to the exclusion of the minority“. 916  Weller, ZGR 2012, 386, 393. 917  Ulmer, ZHR 1999, 290, 333. 918  Im Sinne einer solchen Differenzierung und für eine vollumfängliche Kost­ entragung der Aktionäre für Klageverfahren in private companies daher Kalss, ECFR 2009, 324, 345. 919  In diese Richtung Kalss, ECFR 2009, 324, 344 f. 920  s. bereits oben Kapitel 3, § 12 I. 2. 921  Fleischer, AG 2015, 133, 135. 922  Allgemein zum Stimmrechtsausschluss auch Kalss, ECFR 2009, 324, 345. 923  Statt vieler J. Koch, in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. (2014), § 136 Rn. 16. 924  Eingehend zur positiven Beschlussmängelklage Schwab, in: K.  Schmidt/Lut­ ter, AktG, 3. Aufl. (2015), § 246 Rn. 43 ff.

398

3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

mehrere Instanzen geführter Beschlussmängelstreit, welcher der eigentlichen Klage auf den Ersatzanspruch vorgelagert wäre, drohte indes die Anspruchs­ verfolgung zu weit hinauszuzögern.925 Im schlechtesten Fall verjährte der Ersatzanspruch, jedenfalls aber verschlechterte sich die Beweislage.926 Aus Sicht des klagenden Aktionärs ist die Beschlussfeststellungsklage somit kein effektiver Rechtsschutz.927 Aus diesem Grunde ist ein Klagezulassungsbzw. Bestellungsverfahren auch für die nichtbörsennotierte Aktiengesell­ schaft nicht nur unverzichtbar928 – es muss auch für diese Gesellschaften hinreichend minderheitenfreundlich und effektiv ausgestaltet sein. Folglich kann es bei der Differenzierungsdiskussion nur darum gehen, einzelne Regelungselemente des § 148 AktG darauf zu prüfen, ob sie für die nichtbör­ sennotierte Gesellschaft abzuwandeln sind. Zunächst fragt sich, ob die Grundentscheidung für ein Vorverfahren, das zudem auf die Bestellung besonderer Vertreter gerichtet ist, auch für kleine Aktiengesellschaften die Weichen richtig stellt. Anstelle dieses Antragsrechts könnte jeder Gesellschafter das Recht haben, auf eigene Kosten den Gesell­ schaftsanspruch als Prozessstandschafter unmittelbar einzuklagen.929 Das regelmäßig hohe Interesse, sich in Gesellschaftsangelegenheiten zu engagie­ ren, könnte in dieser eigenhändigen Prozessführung (actio pro socio) eine prozessuale Entsprechung finden.930 Ein besonderes Zulassungs- oder Be­ stellungsverfahren ist zudem mit einem erheblichen Aufwand verbunden.931 Auf der anderen Seite ist, wie noch zu zeigen sein wird, eine Kostentragung der Gesellschaft für das Klageverfahren auch bei nichtbörsennotierten Ge­ sellschaften angemessen. Schon daher bedarf es eines Vorverfahrens, wel­ ches eine frühe, rechtssichere Zuweisung der Kosten der Anspruchsdurch­ setzung an die Gesellschaft ermöglicht.932 Für ein Vorverfahren spricht die GmbH Eickhoff, Gesellschafterklage im GmbH-Recht (1988), S. 150. Gesellschafterklage im GmbH-Recht (1988), S. 150. 927  Eickhoff, Gesellschafterklage im GmbH-Recht (1988), S. 150. 928  Im Ergebnis auch Kalss, ECFR 2009, 324, 345 für eine Regelung im Euro­ pean Model Company Act (EMCA). 929  Dafür für die private company im European Model Company Act (EMCA) Kalss, ECFR 2009, 324, 344 f. 930  Vgl. Thompson/Thomas, 57 Vand. L. Rev. (2004), 1747, 1765: „Therefore, we expect to find that these investors will be closely involved in any litigation arising from allegations of corporate wrongdoing.“ 931  Auch deswegen gegen ein Zulassungsverfahren analog § 148 Abs. 1 AktG bei der GmbH Verse, in: FS U. H. Schneider (2011), 1325, 1340 f. 932  Anders in der Tendenz für die GmbH Verse, in: FS U. H. Schneider (2011), 1325, 1341 mit Fn. 89, der auf die Möglichkeit verweist, der Gesellschaft die Kos­ ten am Ende eines verlorenen Klageverfahrens zuzuweisen, wie es Art. 756 Abs. 2 OR in der Schweiz ermöglicht. Diese Vorschrift stellt es in das richterliche Ermes­ sen, der Gesellschaft die Kosten ganz oder zum Teil aufzuerlegen, wenn der Aktio­ 925  Für

926  Eickhoff,



§ 15  Besondere Regeln für nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften?399

auch, dass der Einsatz eines besonderen Vertreters auch für die kleine Ak­ tiengesellschaft geboten ist: Auch die Minderheitsaktionäre dieser Gesell­ schaften werden oftmals zu wenige Informationen haben, um ein Klagever­ fahren gegen Organmitglieder oder Mehrheitsgesellschafter erfolgreich führen zu können. Dieses Informationsdefizit besteht, weil auch diese Akti­ onäre keine Informationsrechte haben, wie sie nach § 51a GmbHG Gesell­ schaftern einer GmbH zustehen.933 Damit ist ein Vertreterbestellungsverfah­ ren Mittel der Wahl. Und auch die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes in diesem Bestellungsverfahren hat seine Berechtigung, weil Informations­ rechte fehlen, wie sie § 51a GmbHG vorsieht. Was den Anwendungsbereich betrifft, könnte man gar Erweiterungen für die kleine Gesellschaft erwägen, namentlich die Ausdehnung des § 148 AktG auch auf einfach-fahrlässige Pflichtverstöße. Denn die Minderheitsaktionäre werden meist so umfassend beteiligt sein, dass sie sich schmerzhaft ins eigene Fleisch schnitten, würden sie Verfahren betreiben, die der Gesell­ schaft überwiegend schaden. Auch für die actio pro socio in der GmbH wird eine Einschränkung auf grobe Pflichtverletzungen nicht vorgenom­ men;934 eine Analogie zu den Beschränkungen des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG wird für die GmbH verworfen.935 Die Minderheit internalisiert indes letztlich auch in der kleinen, geschlossenen Aktiengesellschaft nur einen Teil der Kosten, welche ein nachteiliges Verfahren für die Gesell­ schaft verursacht. Grundsätzlich ist damit auch in der kleinen Aktiengesell­ schaft Raum für das Argument der Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsent­ scheidung über die Verfolgung von Ersatzansprüchen.936 Hinreichende Gründe, von § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG abzuweichen, sind damit nicht auszumachen. när aufgrund der Sach- und Rechtslage begründeten Anlass zur Klage hatte. Einzu­ wenden ist aber, dass die Aktionäre dabei erst nach Abschluss des Klageverfahrens erfahren, ob sie die Kosten tragen müssen; wie hier Kalss, in: Kalss/Schauer, Die Reform des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, 16. ÖJT 2006, Bd. II/1, S. 211. Zudem besteht die Gefahr des Rückschaufehlers auf Seiten der Richter, die nach Verfahrensabschluss die Kosten zuweisen. 933  Vgl. aber Kalss, ECFR 2009, 324, 345, die für private companies, also auch die nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften, umfassende Informationsrechte emp­ fiehlt und dann im Gegenzug auf einen besonderen Vertreter verzichten möchte. 934  Ob der Anwendungsbereich der actio pro socio Ansprüche gegen Geschäfts­ führer überhaupt erfasst, ist umstritten; dafür mit eingehender Begründung Verse, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 1325, 1333 f.; ders., in: Henssler/Strohn, Gesell­ schaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 14 GmbHG Rn. 124 m. w. N. 935  Verse, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 1325, 1336 f. mit dem Argument, diese Regelung sei auf die spezifischen Missbrauchsgefahren „gerade in (Publi­ kums-)Aktiengesellschaften“ gemünzt. 936  Dazu oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c).

400

3. Kap.: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda

Zu kontroverser Betrachtung lädt auch die hier vorgeschlagene Zurück­ drängung der Interessenabwägung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG ein.937 Dieser Reformschritt könnte für kleine Privatgesellschaften unange­ messen sein. Denn die Erwägung, die Durchsetzung bei schweren, potentiell vertrauenserschütternden Pflichtverstößen auch deswegen nicht an überwie­ genden Gründen des Gesellschaftswohls scheitern zu lassen, um das anle­ gende Publikum nicht zu verunsichern,938 hat hier naturgemäß keinen Platz. Man könnte daher daran denken, eine umfängliche Interessenabwägung beizubehalten, die sich allein am Gesellschaftsinteresse ausrichtet. Indes besteht auch im Falle nichtbörsennotierter, kleiner Aktiengesellschaften das Problem, dass die Gerichte beredt vorgebrachte sekundäre Nachteile einer Klage nur schwer überprüfen und widerlegen können.939 Zudem wäre es auch mit dem Minderheitenschutz schwerlich zu vereinbaren, wenn die Mehrheit das Gesellschaftsvermögen „plündern“ könnte, um dann unter Berufung auf die negative Öffentlichkeitswirkung eines öffentlichen Klage­ verfahrens eine Inanspruchnahme zu vereiteln. Davon abgesehen werden die Minderheitsaktionäre kleiner, nichtbörsennotierter Aktiengesellschaften auf­ grund ihrer regelmäßig signifikanten Beteiligungen starke Eigeninteressen haben, von überwiegend gesellschaftsschädigenden Verfahren abzusehen. Die unter Umständen „desaströsen Dimensionen“ der Verfahrenskosten ei­ ner Haftungsklage, vor denen Kalss in Bezug auf geschlossene Kapitalge­ sellschaften nachdrücklich warnt,940 können nach dem hier entwickelten Reformvorschlag ohne weiteres vermieden werden; denn soweit Kostenrisi­ ken eines Klageverfahrens die Existenzgrundlage der Gesellschaft bedrohen, können Gerichte entscheiden, dass die antragstellenden Aktionäre die Kos­ ten des Klageverfahrens selbst tragen müssen.941 Letztlich überzeugt der Ansatz, den Anwendungsbereich eng zu halten, die Durchsetzung der An­ sprüche dafür aber nicht noch einer umfassenden Interessenabwägung zu unterwerfen, auch für die kleine Aktiengesellschaft. Differenzierungen könnten aber im Kostenrecht vorzunehmen sein. Teil­ weise wird schon eine Umlegung der Kosten der Anspruchsdurchsetzung (derzeit § 148 Abs. 6 Satz 5 AktG) für geschlossene, nichtbörsennotierte Gesellschaften abgelehnt.942 Denn die Aktionäre partizipieren aufgrund 937  Dazu

eingehend oben Kapitel 3, § 12 III. oben Kapitel 1, § 5 IV. 939  Zu diesem Problem oben Kapitel 3, § 12 III. 1. c). 940  Kalss, ECFR 2009, 324, 346; für die GmbH vgl. auch Verse, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 1325, 1341. 941  s. oben Kapitel 3, § 12 III. 2. b). 942  Kalss, ECFR 2009, 324, 345; eine analoge Anwendung des § 148 Abs. 6 Satz 5 AktG im GmbH-Recht ablehnend Verse, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 1325, 1341 f; ders., in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. (2014), § 14 938  Dazu



§ 15  Besondere Regeln für nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften?401

ihrer meist erheblichen Beteiligungen spürbar, wenn sich das Gesellschafts­ vermögen mehrt.943 Der Unterschied zu Publikumsbörsengesellschaften ist aber nur gradueller Natur.944 Auch bei der kleinen, geschlossenen Gesell­ schaft fließen die Ersatzsummen unmittelbar ausschließlich in das Gesell­ schaftsvermögen. Das aber rechtfertigt es, im Grundsatz die Gesellschaft die Kosten der Anspruchsdurchsetzung tragen zu lassen. Das entspricht bereits der Regelung des § 148 Abs. 6 Satz 5 AktG, die bekanntlich nicht nach der Börsennotierung unterscheidet, und ist de lege ferenda nicht zu ändern. Aus den genannten Gründen ist es auch gerechtfertigt, die Aktionäre im Erfolgs­ fall für ihre Mühewaltung und Kostenrisiken nach den hier entwickelten Regeln945 angemessen zu vergüten.

GmbHG Rn. 122; auch für die BGB-Gesellschaft wird ein Aufwendungsersatzan­ spruch der mit einer actio pro socio unterliegenden Gesellschafter verworfen; so Habermeier, in: Staudinger (2003), § 705 Rn. 48. 943  Vgl. Kalss, ECFR 2009, 324, 344, die feststellt „that the shareholders, owing to the higher stakes held by them as a rule, have a stronger motivation for initiating proceedings“; für die GmbH Verse, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 1325, 1341. 944  Vgl. insofern auch Verse, in: FS U. H. Schneider (2011), S. 1325, 1341: „Be­ dürfnis, Klagen durch Abmilderung des Kostenrisikos zu erleichtern, weniger stark.“ (Hervorhebung nicht im Original) 945  Dazu oben Kapitel 3, § 12 VI. 2. c) dd).

Ergebnisse 1. Kapitel: Grundlagen 1. In der Praxis kommen Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG so gut wie nicht vor.1 2. Das Verfolgungsrecht von Aktionärsminderheiten gem. § 148 AktG spielt eine gewichtige Rolle im aktiengesetzlichen Konzept, die Durchsetzung der Organinnenhaftung zu sichern. Diesen Stellenwert erlangt das Min­ derheitsrecht, weil die weiteren Durchsetzungsmechanismen deutliche Schwächen aufweisen: Aufsichtsrat oder Vorstand unterlassen die Verfol­ gung der Ersatzansprüche oft aufgrund struktureller Interessenkonflikte. Dass die Hauptversammlung die Anspruchsverfolgung beschließt (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG), ist unwahrscheinlich.2 3. Im Zusammenwirken mit den materiellen Anspruchsgrundlagen für die Ersatzansprüche bezweckt § 148 AktG einerseits die Kompensation des eingetretenen Gesellschaftsschadens. Des Weiteren soll eine effektive Anspruchsdurchsetzung Pflichtverletzungen präventiv entgegenwirken. Eng damit verknüpft ist der weitere Zweck, die generalklauselartig wei­ ten Treue- und Sorgfaltspflichten der Organmitglieder durch Rechtspre­ chung fortlaufend zu konkretisieren. Zudem will der Gesetzgeber durch eine wirksame Haftungsdurchsetzung erreichen, dass Anleger in den deutschen Finanzplatz vertrauen und ihr Geld in Aktien investieren.3 4. Es überzeugt auch sachlich, mit § 148 AktG Präventionszwecke zu ver­ folgen. Zwar steuern auch Marktmechanismen das Verhalten der Organ­ walter; nach einer Pflichtverletzung sinkt ihr Wert am Arbeitsmarkt. Daneben ist es im Gesamtkonzept der Prävention jedoch unentbehrlich, dass Organmitglieder haften und die Ersatzansprüche effektiv durchsetz­ bar sind.4

1  s. oben

Kapitel Kapitel 3  s. oben Kapitel 4  s. oben Kapitel 2  s. oben

1, 1, 1, 1,

§ 3. § 4. § 5. § 5 II. 2.

Ergebnisse403

2. Kapitel: Das Verfolgungsrecht de lege lata 1. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG beschränkt den Anwendungsbereich des Verfolgungsrechts auf schwere Pflichtverletzungen. Unredlich handelt ein Organmitglied immer, wenn es die Gesellschaft zumindest bedingt vorsätzlich schädigt. Eine grobe Verletzung des Gesetzes oder der Sat­ zung begeht das Organmitglied, wenn es seine Pflichten grob fahrlässig verletzt. Die herrschende Gesamtbetrachtungslehre, welche neben dem Grad des Verschuldens noch andere Umstände berücksichtigen möchte, ist abzulehnen. Überschreitet das Organmitglied das unternehmerische Ermessen (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), liegt darin meist zugleich eine grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Var. AktG. Außerhalb der Privilegien des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG schränkt § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG die Verfolgbarkeit von Ersatzansprüchen weitreichender ein.5 2. Bevor sie ein Klagezulassungsverfahren anstrengen, müssen die Aktionä­ re die Gesellschaft zunächst auffordern, selbst zu klagen, § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG. Eine Frist von zwei Monaten ist in aller Regel ange­ messen. Aufklärungs- oder Vergleichsbemühungen des zuständigen Ver­ tretungsorgans der Gesellschaft führen nicht dazu, dass sich die Frist verlängert.6 3. Die Klagezulassungsvoraussetzung eines tatsachengestützten Verdachts einer Pflichtverletzung und eines Schadens gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG setzt voraus, dass jeweils eine überwiegende Wahrscheinlich­ keit besteht.7 4. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG verpflichtet das über die Klagezulassung entscheidende Gericht, die für und gegen eine Anspruchsverfolgung streitenden Interessen der Gesellschaft umfassend abzuwägen. Auf der Seite der Gegengründe sind auch sog. sekundäre Nachteile wie Beein­ trächtigungen der Reputation der Gesellschaft durch das Klageverfahren zu berücksichtigen. Vorteile, die über die betroffene Einzelgesellschaft hinausweisen, wie eine Stärkung der Generalprävention, sind nicht in die Abwägung einzustellen.8 5. Die Aktionäre müssen sich die Informationen für das Zulassungs- und das Klageverfahren schwerpunktmäßig im Wege einer Sonderprüfung gem. §§ 142 ff. AktG beschaffen. Daneben steht ihnen auch nach Klage­ 5  s. oben

Kapitel Kapitel 7  s. oben Kapitel 8  s. oben Kapitel 6  s. oben

2, 2, 2, 2,

§ 7 § 8 § 8 § 8

II. IV. V. VI.

404 Ergebnisse

zulassung kein Dokumenteneinsichts- oder Auskunftsanspruch gegen die Gesellschaft oder die Organmitglieder als „Annex“ zu ihrer Prozess­ standschaft zu, trotz der inhaltlichen Lücken, die der Bericht des Sonder­ prüfers aufweisen kann. Prozessuale Erleichterungen helfen den Aktionä­ ren nur eingeschränkt, vorhandene Erkenntnis- und Beweislücken zu schließen. Im Besonderen ist die sog. sekundäre Darlegungslast nicht anzuwenden, soweit die Aktionäre Tatsachenkenntnis für ihren Sachvor­ trag durch eine Sonderprüfung hätten erlangen können.9 6. Ein gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG mit Zustimmung der Hauptversamm­ lung wirksamer Vergleich oder Verzicht über einen Anspruch i. S. v. § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG entzieht dem Zu­ lassungs- und dem Klageverfahren seine Grundlage. Die Gerichte können den Hauptversammlungsbeschluss im Anfechtungsprozess anhand der Treuepflicht auch inhaltlich überprüfen. Bei der Beurteilung, ob der Ver­ gleich oder Verzicht dem Gesellschaftsinteresse entspricht, hat die Mehr­ heit einen weiten Beurteilungsspielraum.10 7. Das geltende Recht enthält keine Regeln, wie das Zulassungs- und das Klageverfahren mit laufenden außergerichtlichen Vergleichsverhandlun­ gen und -abschlüssen zwischen der Gesellschaft und dem Schuldner in Einklang zu bringen sind. Unter engen Voraussetzungen kann das Ge­ richt auch gegen den Willen der antragstellenden Aktionäre ein Ruhen des Verfahrens gem. § 251 Satz 1 ZPO anordnen, insbesondere, wenn nur noch die Zustimmung der Hauptversammlung gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG zu einem für die Gesellschaft günstigen Vergleich aus­ steht.11 8. Aus ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft lässt sich eine Pflicht der Aktionäre gewinnen, ein Klageverfahren sorgfältig zu führen. Auch können sie ausnahmsweise verpflichtet sein, ein Klageverfahren bis zum Abschluss zu betreiben.12 9. Die Aktionäre, die im Zulassungsverfahren unterliegen, müssen mit er­ heblichen Verfahrenskosten rechnen. Bei der Bestimmung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO sind sowohl der Anspruchsumfang als auch das geringere subjek­ tive Interesse der antragstellenden Aktionäre zu berücksichtigen. Im Regelfall einer Mehrzahl von Antragsgegnern mit je einem eigenen Rechtsanwalt vervielfacht sich das Kostenrisiko mit Blick auf die gegne­ 9  s. oben

Kapitel 2, § 10 I. Kapitel 2, § 10 II. 11  s. oben Kapitel 2, § 10 II 4. 12  s. oben Kapitel 2, § 10 IV. 10  s. oben

Ergebnisse405

rischen Anwaltskosten. Zudem kann es schon im Zulassungsverfahren zu Beweisaufnahmen kommen, etwa in Gestalt von Sachverständigengut­ achten über betriebswirtschaftliche Fragen. Auch diese Gerichtsauslagen tragen die Aktionäre, wenn sie unterliegen.13

3. Kapitel: Das Verfolgungsrecht de lege ferenda 1. Entgegen sich mehrender Stimmen aus der Literatur sollte der Gesetzge­ ber an der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf schwere Pflicht­ verstöße gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG festhalten.14 Diese Entscheidung gibt bereits die Grundstruktur des vorliegenden Re­ formentwurfs vor: Es bietet sich an, für einen eingeschränkten, aber rechtspolitisch bedeutsamen, öffentliche Klagezwecke berührenden An­ wendungsbereich ein schlagkräftiges Aktionärsrecht zu schaffen, anstatt umgekehrt ein durch zahlreiche Zugangshürden gezähmtes Minderheits­ recht für einen breiten Anwendungsbereich vorzusehen. Dies stellt einen Gegenentwurf zu den Beschlüssen des 70. Deutschen Juristentages 2014 dar: Diese Beschlüsse sehen zwar einen erweiterten Anwendungsbereich vor, bieten aber hinsichtlich rechtspolitischer „Brennpunkte“ wie des Antragsquorums oder finanzieller Anreize für Minderheitsaktionäre keine Verbesserungen an. 2. Das Antragsquorum des § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG verursacht aktivisti­ schen Aktionären übermäßige Kosten, weil sie sich ggf. mit einer Viel­ zahl von weiteren Anteilseignern zusammenschließen müssen. Es miss­ lingt, dieses Quorum mit der vielbeschworenen Gefahr des Rechtsmiss­ brauchs zu rechtfertigen. Die nicht zu Unrecht befürchtete Flut zweifel­ hafter Anträge mit dem Zweck, die Erfolgsaussicht auszutesten, lässt sich befriedigend durch Kostenrisiken unterliegender Aktionäre im Vor­ verfahren eindämmen. In Zukunft sollte daher jeder Aktionär das An­ tragsrecht erhalten. Alternativ sollte das Quorum erheblich abgesenkt werden. Nahe liegt dann, einen Börsenwert der Anteile von 100.000 Euro für das Antragsrecht genügen zu lassen.15 3. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG schränkt die Anspruchsverfolgung zu weitgehend ein, indem er zulässt, dass die Antragsgegner der Klagezu­ lassung auch Nachteile entgegenhalten können, die mit einem Klagever­ fahren unvermeidbar verknüpft sind, wie etwa Reputationsbeeinträchti­ 13  s. oben

Kapitel 2, § 10 V. Kapitel 3, § 12 I. 15  s. oben Kapitel 3, § 12 II. 14  s. oben

406 Ergebnisse

gungen für die Gesellschaft. Insbesondere dem Haftungszweck, Anleger­ vertrauen herzustellen, ist es abträglich, wenn die Gerichte Klagen häufig trotz schwerwiegender Verdachtsgründe nicht zulassen. De lege ferenda sollten die Gesellschaften nur noch einwenden können, dass die Kosten­ risiken einer Anspruchsdurchsetzung ihnen aufgrund ihrer finanziellen Situation unzumutbar sind. In diesem Fall sollten die Aktionäre nur eine Anspruchsdurchsetzung auf eigene Rechnung erzwingen können.16 4. Das Vorverfahren des § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG sollte künftig auf die Bestellung eines besonderen Vertreters ausgerichtet werden. Misstrauen in die Zuverlässigkeit und Qualifikation prozessierender Aktionäre hat den Gesetzgeber veranlasst, ihre Rechtsstellung schwach zu gestalten: Ihnen fehlen Informationsrechte nach Klagezulassung, ihre Klage ist strikt subsidiär (§ 148 Abs. 3 AktG), und sie haben keine Geschäftsfüh­ rungsbefugnisse und Vertretungsmacht für außergerichtliche Verhandlun­ gen und Vergleichsabschlüsse mit dem Gesellschaftsschuldner. Statt die Rechte der Aktionäre „aufzurüsten“, wogegen beachtliche Gründe spre­ chen, sollte ein gerichtlich bestimmter besonderer Vertreter eingesetzt werden, dem man guten Gewissens eine stärkere Rechtsposition einräu­ men kann.17 5. Für den auf Antrag der Aktionäre bestellten besonderen Vertreter sind einige zusätzliche Regelungen erforderlich. Die auszuwählende Person muss sachkundig, unbefangen und zuverlässig sein. Den Aktionären ist weiter die Kontrolle des besonderen Vertreters in rechtssicherer Weise zu eröffnen. Dazu sollte das Gesetz ausdrücklich ein Antragsrecht der Akti­ onäre vorsehen, um einen pflichtsäumigen bzw. ungeeigneten Vertreter abberufen und gegen eine andere Person austauschen zu lassen. Auch sollte das Gesetz Berichtspflichten des Vertreters normieren, die seine Kontrolle durch Aktionäre erst ermöglichen.18 6. Die Hürde des Vorverfahrens, Verdachtstatsachen nach § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG darzulegen und zu beweisen, ist für Aktionäre ohne vorherige Sonderprüfung kaum überwindbar. Abhilfe verspricht, das neue Bestellungsverfahren dem Untersuchungsgrundsatz gem. § 26 FamFG zu unterstellen. Das Gericht sollte die Gesellschaft zudem verpflichten und mit Zwangsmitteln dazu bewegen können, ausklärungserhebliche Doku­ mente wie z. B. Vorstands- oder Aufsichtsratsprotokolle im Bestellungs­ verfahren vorzulegen.19 16  s. oben

Kapitel Kapitel 18  s. oben Kapitel 19  s. oben Kapitel 17  s. oben

3, 3, 3, 3,

§ 12 § 12 § 12 § 12

III. IV. IV. 2. c). V. 1.

Ergebnisse407

  7. Das Gesetz sollte für besondere Vertreter weitreichende Auskunfts- und Dokumenteneinsichtsrechte regeln. In den Kreis der auskunftspflichti­ gen Personen sind neben Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern auch Angestellte der Gesellschaften aufzunehmen.20  8. Den Kostenrisiken des Zulassungsverfahrens stehen jedenfalls in der börsennotierten AG keine gleichwertigen Vorteile der Aktionäre gegen­ über. Mittelbare Vorteile aus Kurssteigerungen oder Dividenden sind ungewiss und jedenfalls kein genügender Anreiz. Der Gesetzgeber sollte daher eine erfolgsabhängige Vergütung für Aktionäre schaffen. Entgegen weitläufiger Meinung ist damit nicht die Gefahr übermäßiger Rechtsverfolgung verbunden, vorausgesetzt, die Anreize sind maßvoll. Ein prozentualer Anteil der Aktionäre an der erfolgreich beigetriebenen Gesellschaftsforderung (Quota-litis-Methode) ist abzulehnen. Stattdes­ sen sollte den Antragstellern eine im Einzelfall angemessene Vergütung zustehen, die ihren Vorbereitungsaufwand, ihre Prozessrisiken und ihre Mühewaltung leistungs- und risikogerecht abgilt.21   9. Als Alternative zum verbesserten gerichtlichen Vorverfahren kommt ein institutionelles Bestellungsverfahren in Betracht: Eine private oder öf­ fentlich-rechtliche Institution entscheidet über die Klagezulassung oder Bestellung des Sondervertreters. Mögliche Vorzüge sind eine Prüfung der Verdachtstatsachen „vor Ort“ in den Räumen der Gesellschaft sowie eine schnellere Abwicklung des Vorverfahrens. Es wäre jedoch prozes­ sunwirtschaftlich, zunächst im Vorverfahren eine außergerichtliche Einrichtung mit der Haftungsfrage zu befassen, und erst im Anschluss erstmalig das Landgericht. Im Ergebnis sollte es bei einem gerichtlichen Vorverfahren bleiben.22 10. Die erleichterte Verfolgbarkeit sollte einhergehen mit einer Reformmaß­ nahme, die Organhaftung dem Umfang nach zu beschränken. Dieser Schritt liegt auch im Gesellschaftsinteresse, da er hilft, risikovermeiden­ des Verhalten und übertriebene Absicherungsmaßnahmen der Organwal­ ter zu vermeiden. Der Gesetzgeber sollte einen Haftungsrahmen vorge­ ben, der sich u. a. an der Organwaltervergütung ausrichtet. Nach den Umständen des Einzelfalles, zu welchen insbesondere der Grad des Verschuldens rechnet, gilt ex lege eine angemessene Haftung innerhalb des Rahmens.23

20  s. oben

Kapitel Kapitel 22  s. oben Kapitel 23  s. oben Kapitel 21  s. oben

3, 3, 3, 3,

§ 12 V. 2. § 12 VI. § 13. § 14 I.

408 Ergebnisse

11. Die Frist des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG, nach der vor Ablauf von drei Jahren auch Vergleichsabschlüsse ausgeschlossen sind, erschwert die Anspruchsdurchsetzung durch den besonderen Vertreter übermäßig. Mangels der Gefahr kollegialer Befangenheit ist es für den besonderen Vertreter nicht zu rechtfertigen, eine so lange Sperrfrist zu verhängen. Aber auch für die regulären Vertretungsorgane ist die Sperrfrist trotz der Gefahren kollusiver Vergleiche im Ergebnis nicht aufrechtzuerhal­ ten.24 12. Dass jeder Aktionär das Antragsrecht im Bestellungsverfahren haben sollte, rechtfertigt nicht, auch jedem Aktionär ein Widerspruchsrecht gegen Verzichts- und Vergleichsbeschlüsse der Hauptversammlung (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG) zu geben. Jeder Aktionär sollte aber einem Ver­ gleich widersprechen können, der im Falle grob fahrlässiger oder vor­ sätzlicher Pflichtverstöße nicht mindestens eine näher zu bestimmende Untergrenze einhält.25 13. Künftig sollte bei laufenden Vergleichsverhandlungen der Verwaltung die Frist des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG auf bis zu sechs Monate verlängerbar sein.26 14. Für kleine, geschlossene Aktiengesellschaften ist ein auf Bestellung eines besonderen Vertreters gerichtetes Vorverfahren ebenfalls Mittel der Wahl. Das gilt vor allem, weil die Aktionäre keine § 51a GmbHG vergleichbaren Auskunfts- und Einsichtsrechte haben. Das Problem ra­ tionaler Apathie ist im Regelfall nicht vergleichbar ausgeprägt wie in Publikumsaktiengesellschaften. Die Unterschiede sind indes nur gradu­ ell. Denn auch bei diesen Gesellschaften partizipieren die Anteilseigner an dem Vermögenszuwachs allenfalls entsprechend ihrem Gesellschafts­ anteil. Daher ist es gerechtfertigt, dass die Gesellschaft die Kosten des besonderen Vertreters und eines Klageverfahrens trägt. Ebenfalls inter­ essengerecht ist eine Vergütung der Antragsteller im Erfolgsfall.

24  s. oben

Kapitel 3, § 14 II. 1. Kapitel 3, § 14 II. 2. 26  s. oben Kapitel 3, § 14 III. 25  s. oben

Zusammenfassung Verletzen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder ihre Pflichten gegen­ über der Aktiengesellschaft, sind sie dieser zum Ersatz eines daraus entstan­ denen Schadens verpflichtet (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG; § 116 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG). Aufgrund struktureller Interessenkonflikte geht die primär vorgesehene Durchsetzung dieser Haftungsansprüche durch das jeweils andere Verwaltungsorgan indes „an der Realität des Lebens und seiner Hackordnungen schlicht vorbei“ (Lutter). Daher können im Wege einer aktienrechtlichen actio pro socio gem. § 148 AktG auch Aktionäre, die über 1 % der Gesellschaftsanteile oder Anteile mit einem Nennwert von 100.000 Euro verfügen und ein Klagezulassungsverfahren erfolgreich durch­ laufen, die Gesellschaftsansprüche als gesetzliche Prozessstandschafter im eigenen Namen einklagen. Dieses Minderheitsrecht funktioniert in der Pra­ xis jedoch nicht und steht im Verdacht, eine bloße „Attrappe einer effektiven Selbstreinigung“ (Peltzer) zu sein. Die Arbeit stellt die Regelungsbestand­ teile des § 148 AktG dar, die als „Sand im Getriebe“ verantwortlich für das weitgehende Ausbleiben von Zulassungsverfahren sein könnten. Im An­ schluss daran wird vorgeschlagen, § 148 AktG umfassend zu reformieren und wesentliche Zulassungshürden abzubauen: Die Hürde des Antragsquo­ rums (§ 148 Abs. 1 Satz 1 AktG) erweist sich als zu hoch und sollte entfal­ len. Ferner ist die Interessenabwägung (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG) aufzugeben, nach der einer Klagezulassung weitgehend unbestimmte „über­ wiegende Gründe des Gesellschaftswohls“ entgegenhalten können. Zuguns­ ten der Aktionäre sollte im Vorverfahren der Untersuchungsgrundsatz (§ 26 FamFG) gelten. Und weiter sollte das Verfahren wieder auf die Be­ stellung eines besonderen Vertreters ausgerichtet werden, der umfassenden Zugang zu den Informationen der Gesellschaft erhält und und zu außerge­ richtlichen Vergleichen befugt ist. Schließlich sollten die Kostenrisiken im Vorverfahren gemindert werden und überdies auch positive Anreize für Aktionäre im Sinne eines prozessrisiko- und aufwandsorientieren Erstat­ tungsanspruchs gesetzt werden.

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Sachwortverzeichnis Aktionärs-Haftungsklage siehe Klage­ verfahren gem. § 148 Abs. 4 AktG Amtsermittlungsgrundsatz – bei § 148 AktG (de lege lata)  94 – bei § 148 AktG (de lege ferenda)  296 ff. – bei § 142 Abs. 2 AktG  150 ff. Antrags- und Klageanreize für Aktionäre – Fehlende ~ im geltenden Recht  311 ff. – ~ de lege ferenda  320 ff. Antragsquorum siehe Quorum gem. § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG Aufforderung der Gesellschaft zur Klage gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG  97 ff. Beiladung der Gesellschaft  93 f. Besonderer Vertreter  275 ff., 302 ff., 352 ff. Business Judgment Rule siehe Unter­ nehmerisches Ermessen Empirischer Befund zu § 148 AktG  30 Entgegenstehende Gründe des Gesell­ schaftswohls siehe Interessen­ abwägung Fristsetzung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr.  2 AktG  98 ff. Gesellschaftsklage siehe Subsidiarität der Aktionärsklage Grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG – ~ de lege lata  75 ff. – ~ de lege ferenda  223 ff.

Haftungsbegrenzung für Organwalter – Gründe für eine ~  53 ff. – Umsetzung einer ~ de lege ferenda  359 ff. Informationszugang der Aktionäre – Auskunftsanspruch gegen die Gesellschaft  157 ff. – Sekundäre Darlegungslast  165 ff. – siehe Sonderprüfung – Zeugen- und Parteivernehmung  173 ff. Institutionelles Vorverfahren  356 ff. Interessenabwägung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG – für Anspruchsverfolgung streitende Gründe  110 ff. – gegen Anspruchsverfolgung streitende Gründe  116 ff. – Reformüberlegungen  264 ff. Klageverfahren gem. § 148 Abs. 4 AktG – Grundlagen  138 f. – Informationsbeschaffung für das ~ siehe Informationszugang der Aktionäre – Nochmalige Fristsetzung  139 – Kosten des ~s siehe Verfahrenskosten – Subsidiarität siehe Subsidiarität der Aktionärsklage Konzernrechtliche Ansprüche und § 148 AktG – de lege lata  90 f. – de lege ferenda  235 ff. Nichtbörsennotierte Aktiengesellschaft  395 ff.

Sachwortverzeichnis439 Öffentliche Interessen an der Anspruchs­ durchsetzung siehe Zwecke des § 148 AktG Pflichten antragstellender und klagender Aktionäre  195 ff. Pflichten der Verwaltungsorgane bzgl. der Verfolgung von Gesellschafts­ ansprüchen – im Allgemeinen  139 – nach Klagezulassung  139 ff. Positive Anreize für Aktionäre siehe Antrags- und Klageanreize für Aktionäre Quorum gem. § 148 Abs. 1 Satz 1 AktG – de lege lata 95 f. – de lege ferenda 238 ff. Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Klagezulassungsverfahren  95 Rechtsmissbrauch in Bezug auf Verfahren gem. § 148 AktG – andere Fälle des ~ als Erpressung  252 ff. – ~ bei Beschlüssen gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG  183 ff. – bei positiven Klageanreizen  327 f. – Erpressungsfälle (Klageverfahren)  251 ff. – Erpressungsfälle (Zulassungs­ verfahren)  243 ff. – Gefahr des ~ als Regelungsproblem bei § 148 AktG  68 f. – Schutz vor ~ durch § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AktG 96 f. – Schutz vor ~ durch Darlegungslast  295 Schiedsverfahren bei § 148 AktG  133 ff. Sekundäre Darlegungslast siehe Informationszugang der Aktionäre Sonderprüfung – Amtsermittlungsgrundsatz im Verfahren gem. § 142 Abs. 2 AktG  150 ff.

– Auswirkung einer ~ auf die Frist­ bemessung gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG  99 – Schwächen der ~  159 f. – Sonderprüfer als Zeuge im Verfahren gem. § 148 AktG  155 ff. – Sonderprüfungsbericht  154 f. – Voraussetzungen der ~ gem. § 142 Abs.  2 AktG  148 ff. – Vorrang der ~ gegenüber prozessualen Informationsinstrumenten  167 ff., 172, 179 Subsidiarität der Aktionärsklage  97, 194 f., 279 f., 282 Unredlichkeit gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 1. Alt. AktG  73 ff., 88 f., 234 Unternehmerisches Ermessen  80 ff. (Vorstand), 89 f. (Aufsichtsrat) Untersuchungsgrundsatz siehe Amts­ ermittlungsgrundsatz Verdacht gem. § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG  101 ff. Verfahrenskosten – ~ des Zulassungsverfahrens  200 ff. – ~ des Klageverfahrens  212 f. – Materiell-rechtlicher Kosten­ erstattungsanspruch  213 ff. – Überlegungen de lege ferenda  311 ff. Verzicht und Vergleich gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG – de lege lata  180 ff. – de lege ferenda  385 ff. Widerspruchsquorum gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG siehe Verzicht und Vergleich gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG Zeugenbeweis siehe Informationszugang der Aktionäre Zwecke des § 148 AktG – Gesetzeskonkretisierungszweck  46 ff., 113 ff., 230, 268

440 Sachwortverzeichnis – Kompensationszweck  40 – Präventionszweck  41 ff., 76, 78, 113 ff., 228 f., 267 f.

– Vertrauensbildungszweck  49 f., 113 ff., 230, 266 f. – Zweckkollisionen  67 f.