Das Holz und seine Verbindungen: Traditionelle Bautechniken in Europa, Japan und China [4 ed.] 9783035624830, 9783035624793

Two millennia of wood architecture There is a long tradition of using wood as a distinct and ecologically sound buildi

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German Pages 340 Year 2023

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Das Holz und seine Verbindungen: Traditionelle Bautechniken in Europa, Japan und China [4 ed.]
 9783035624830, 9783035624793

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Einleitung zur vierten, überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe
Das Material
Die Verwendung
Typologie und Funktionen der Holzverbindungen
Holzverbindungen und ihre Entwicklung
Holzverbindungen als Ausdruck ästhetischer Wertvorstellungen
Konstruktive Holzverbindungen in China
Literaturverzeichnis
Dank
Über den Autor
Länderkürzel
Register der Personen und Bauten
Ortsregister
Sachregister

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Das Holz und seine Verbindungen

Klaus Zwerger

Das Holz



und seine Verbindungen Traditionelle Bautechniken in Europa, Japan und China

Mit einem Vorwort von Valerio Olgiati Vierte, überarbeitete und erweiterte Neuausgabe

Birkhäuser Basel

Gestaltung Atelier Fischer, Berlin

Library of Congress Control Number: 2022947600

Umschlag Birkhäuser, Basel

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Projektkoordination der Neuausgabe Henriette Mueller-Stahl, Berlin

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar.

Veränderungen und Produktion Heike Strempel-Bevacqua, Ehrenfriedersdorf Lithografie LVD Gesellschaft für Datenverarbeitung mbH, Berlin Papier 135 g/m² Condat matt Perigord Druck Gutenberg Beuys Feindruckerei GmbH, Langenhagen

Sämtliche Fotografien stammen, soweit nicht anders erwähnt, vom Autor.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

ISBN 978-3-0356-2479-3 e-ISBN (PDF) 978-3-0356-2483-0 Englisch Print-ISBN 978-3-0356-2480-9

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9 8 7 6 5 4 3 2 1 www.birkhauser.com

Inhalt Vorwort von Valerio Olgiati Einleitung zur vierten, überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe

VI VII

Das Material Eigenschaften von Holz Holzarten

10 32

Die Verwendung Nutzung Der Zimmermann Das Werkzeug Konstruktionsformen

42 54 67 78

Typologie und Funktionen der Holzverbindungen Typologie Systematisierung in Literaturbeispielen Grenzen der Systematisierung Funktionen der Holzverbindungen

85 91 97 100

Holzverbindungen und ihre Entwicklung Die Rolle des Werkzeugs Bauaufgaben und ihre Lösungen Der Blockbau Der Ständerbau Die Dachkonstruktion Einflüsse der klimatischen Bedingungen Reichtum und Knappheit des Holzvorkommens

112 132 140 153 176 211 226

Holzverbindungen als Ausdruck ästhetischer Wertvorstellungen Das Sichtbare und das Verborgene Schutz und Repräsentation Konstruktion und Ornament

247 253 258

Konstruktive Holzverbindungen in China Bauweisen: Blockbau und Ständerbau Konstruktiver Holzschutz: Erhöhte Plattform und auskragendes Dach Materialwahl Konstruktiver Aufbau von Tempelbauten Konstruktionsprinzipien der Kragkonsolen Dougong Ökonomie im Bauen

268 275 278 279 289 290 297

Literaturverzeichnis Dank Über den Autor Länderkürzel Register der Personen und Bauten Ortsregister Sachregister

306 312 313 313 314 315 316

Vorwort Auf der Suche nach diesem Buch und im Wissen, dass auch die englische Ausgabe schon länger vergriffen war, haben wir direkt den Autor und den Verlag kontaktiert. Wir haben dann nicht nur eines der letzten vorhandenen Exemplare erhalten, sondern auch noch die Antwort, dass bald eine neue Auflage herauskommen sollte. Diese liegt nun vor und wir freuen uns, dass dieses wunderbare Buch weitere Verbreitung findet. Das Buch zeigt mit schönen Fotografien und präzisen Plänen ausführlich die lange Tradition und Entwicklung des Holzbaus in Europa und Asien. Architekten und Zimmerleute pflegten ein hoch entwickeltes Verständnis von diesem Material und dessen Möglichkeiten. Der Verlauf der Kräfte und die materialspezifischen Eigenschaften bestimmten wesentlich die formale Erscheinung einer Holzkonstruktion und ihrer Details. Der Holzbau hatte immer eine gewisse Nähe zur Ingenieurstechnik und war im Vergleich zur muralen Bauweise sehr hoch entwickelt. Diese Baukultur mit ihrer Tradition, den regionalen und klimatischen Besonderheiten, den Einflüssen und ihren Entwicklungen ist in diesem Buch sehr genau und eindrücklich dokumentiert. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Holzbau stark gewandelt. Leim und Stahlteile haben den Charakter der Konstruktion verändert. Holz zeigt sich im zeitgenössischen Bauen vor allem als Oberflächenverkleidung oder in der Konstruktion als leimgetränktes Material wie Span- und Mehrschichtplatte. Das in diesem Buch beschriebene Wissen und Können sehen wir nur noch selten. Meine Bauwerke der letzten Jahre habe ich vorwiegend in Beton gebaut. Mit Beton lassen sich Häuser entwerfen, die fast ausschließlich aus einem Material bestehen. Stahlbeton lässt sich auf Zug und Druck belasten, ist als Platte oder Stab verwendbar und lässt sich am Ort in Etappen als Abbild einer Idee zu einem großen Ganzen zusammensetzen. All dies ist auch mit Holz möglich. Nur ging das Wissen um die Leistungsfähigkeit dieses Materials und das Können im Umgang damit verloren – was eigentlich zu ändern ist. Das Buch ist hierzu eine willkommene Inspiration. Valerio Olgiati Flims, Dezember 2010

VI

Einleitung zur vierten, überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe Es bereitet mir große Freude, dass ich in dieser Neuausgabe zweierlei Anliegen verwirklichen darf. Das eine ist eine Korrektur von Fehlern, die im Laufe der Jahre ans Tageslicht getreten sind. Das zweite ist eine grundlegende Neubearbeitung der Fotos auf der Höhe der heutigen Bildverarbeitungs- und Drucktechnik im Duotonedruck, die nunmehr erst so manches Detail, auf das ich im Text verweise, tatsächlich oder besser ablesbar macht. Damit einhergegangen ist da oder dort auch ein Austausch von Abbildungen, wenn ich der Meinung war, dass ein anderes Bild meine Darstellungsabsicht besser vermittelt. Der Verlag hat diese Neuausgabe im Anschluss an die zuletzt veranstaltete 3. Auflage bereitwillig unternommen. Hinzu kommt, dass zur gleichen Zeit eine chinesische Übersetzung in Vorbereitung ist. Ich fühlte mich geehrt, als Liu Yan mir vor Jahren eröffnete, dass er das vorliegende Buch ins Chinesische übersetzen wolle. Aber so recht ernst genommen habe ich diese Mitteilung zunächst nicht. Die Übersetzung eines Buches, noch dazu von solchem Umfang, ist schon zeitlich eine gewaltige Herausforderung. Mittlerweile kenne ich ihn lange und gut genug, dass ich weiß, dass er seine Vorhaben in die Tat umsetzt. Seiner Übersetzung, die er teilweise in Kooperation mit Wu Chao ausgeführt hat, verdankt die vorliegende Neuausgabe eine ganze Reihe von Korrekturen. Er hat im Zuge seiner Arbeit so manchen Fehler in der Vorlage entdeckt und damit nicht unwesentlich zur Verbesserung beigetragen. Es liegt nicht an mir, dass das Buch immer noch Interesse findet. Es vermittelt einen Einblick in historisches Wissen. Vielleicht sind sich doch mehr Menschen der Bedeutung historischen Wissens bewusst, als wir gemeinhin annehmen. Ein russisches Sprichwort sagt: Wer rückwärtsgewandt auf die Geschichte schaut, ist auf einem Auge blind. Wer aber nur nach vorne schaut, ist auf beiden Augen blind. Auf eine adäquat erscheinende Belohnung für die grundlegende Arbeit, die in den 1980er und 1990er Jahren stattgefunden und die schließlich zu diesem Buch geführt hat, musste ich damals einige Jahre warten. Dann aber fiel sie würdig aus. Im Jahr 2000 reiste ich im Zuge eines neuen Forschungsprojekts das erste Mal nach China, ins Grenzgebiet der drei Provinzen Guizhou, Guangxi und Hunan, ins Siedlungsgebiet der Dong-Minderheit. Den Impuls dafür hatten einige Fotos ausgelöst, die ich in einem Buch in Tokyo gesehen hatte. Diese Art der Wegleitung hatte mich schon zuvor oft und oft auf höchst ergiebige Fährten geführt. Was ich dann aber in China erleben durfte, berührte mich zutiefst. Ein jedes Dorf bestand ausschließlich aus Holzhäusern. Einziger „Schandfleck“ war in nahezu jedem Dorf ein Betonriegel: In den 1950er Jahren wollte die Zentralregierung auch den Minderheitenvölkern Schulbildung nach modernsten Erkenntnissen zukommen lassen. Die Sichtweise eines Fotografen lässt sich davon das Abbild des Paradieses nicht beschädigen. Es passte ins Bild, dass alle Dörfer nur zu Fuß erreichbar waren. Auch widrigste Wetterverhältnisse konnten den Eindruck nicht wirklich trüben. Der Monsun hatte alle Straßen zerstört. Es muss eine schicksalhafte Eingebung gewesen sein, dass ich in der Tat sehr schnell handeln müsste, wenn ich diesen Schatz dokumentieren wollte. VII

Inzwischen, 25 Jahre später, ist der Großteil des Siedlungsgebiets der Dong-Minderheit zu einer Touristendestination mutiert. Die einst wenigen, jedes Jahr wieder zerstörten Straßen haben sich vervielfacht und sind fast alle betoniert. Autobahnen durchschneiden noch vor wenigen Jahren unbesiedeltes Gebiet. Die Preisgabe der autochthonen Kultur zugunsten eines unvergleichlich weniger kargen Lebens ist für manche Besucher schwer zu akzeptieren. Für sie ist es wie eine Vertreibung aus dem Paradies. Die Dong aber haben gewählt; und nur sehr wenige wollen tauschen. In der gleichen Zeit hat sich Vergleichbares in ganz China ereignet. Je entlegener, je exotischer, je schwerer erreichbar die Orte sind, desto schneller und radikaler hat der Wandel stattgefunden. Heute befinden sich Forschende in China in ungefähr jener Situation, wie ich sie zu Beginn meiner Sammlungstätigkeit für dieses Buch in den 1980er Jahren in Europa und Japan vorgefunden habe. Es gibt noch einige Einzelobjekte, die es allemal wert sind, aufgesucht und untersucht zu werden. Aber es fehlt ein ganz wichtiger Aspekt. Wenn ein Objekt gleichsam eingebettet in einer größeren Gruppe von Vergleichsobjekten gesehen und untersucht werden kann, gelangt man zu seriöseren und weiterreichenden Erkenntnissen. Jedes Einzelobjekt kann ein Sonderfall sein und ihm fehlt die Vernetzung in seinem Kontext, in der gewachsenen Umgebung. Referenzbeispiele nur aus der Literatur sind textlich, grafisch und in den gezeichneten wie fotografierten Abbildungen durch die Rezeption und die Sichtweise des jeweiligen Autors interpretiert. Jede Beschreibung verfälscht. Die Wirklichkeit wird durch sie manipuliert. Ein weiterer Aspekt muss berücksichtigt werden. Alle Objekte werden im Laufe ihrer Existenz verändert. Keines ist „original“ im Sinn eines Erstzustandes. Das ist den Menschen, die in den Häusern leben, die sie ständig benutzen, am wenigsten bewusst. Nur auf den ersten Blick erscheint das verblüffend. Wir sehen ja auch nicht, dass wir älter werden, wenn wir täglich in den Spiegel schauen. Ich hatte 2006 sehr abgelegene Dörfer im Grenzgebiet zwischen Yunnan und Sichuan nahe der tibetischen Grenze besucht, wo die Menschen in Blockhäusern lebten. Sechs Jahre später wanderte ich wieder dorthin. Die vielen neuen Häuser waren nicht zu übersehen, aber es gab auch noch einige alte. Erst als ich in ihnen stand, erkannte ich, dass die Tragstruktur des Daches verändert, vereinfacht war. Auch dort sind die Leute zufrieden, dass es die Regierung ermöglicht hat, den alten gestampften Lehmboden durch einen Zementestrich zu ersetzen, dass in jedem Hof Wasser und elektrischer Strom eingeleitet wurde. Zu diesem Zweck wurden die alten Häuser abgebaut und anschließend wieder aufgebaut. Ihre Bewohner sind felsenfest davon überzeugt, dass sie in ihren wieder originalgetreu aufgestellten Häusern leben. Ohne Fotos hatte ich keine Chance, sie von ihrem Irrtum zu überzeugen. Was hätte es auch für einen Sinn gehabt? Vielleicht war es die Präsenz der krass veränderten Nachbarhäuser, die verhinderte, kleine Veränderungen ins Bewusstsein zu heben. Wollte man nun die traditionelle Dachkonstruktion studieren, wäre man schlimm an der Nase herumgeführt, denn es gibt zu dieser Art von Objekten keinerlei Aufzeichnungen aus früherer Zeit. Junge chinesische Forscherinnen und Forscher, die sich mittlerweile in Hundertschaften auch mit ihrer vernakularen Architektur sehr intensiv beschäftigen, können nur einen Ist-Zustand aufnehmen. Und dendrochronologische Untersuchungen werden in China noch eine Weile auf sich warten lassen. Wer sagt übrigens, dass die von mir 2006 geseheVIII

nen Konstruktionen älter waren als ein paar Jahre? Über offenen Feuerstellen erhält jeder Holzbalken seine Patina in Jahresfrist … Zurück zu diesem Buch. Es ist mittlerweile nahezu drei Jahrzehnte auf dem Markt. Ich kann als Autor nur spekulieren, warum. Meine sicherlich emotionale Zugangsweise zum Thema ist gekennzeichnet von der Arbeit mit Holz. Wer ohne Anleitung den Bearbeitungswiderstand eines Materials handwerklich auslotet, geht einen langen Weg. Jeder Schritt prägt sich erlebnisreich ein. Erfahrenes Wissen ist fundiertes Wissen. Es gerät nicht in Vergessenheit. Jede neue Erfahrung wird an den älteren gemessen, zu ihnen in Relation gesetzt. Das erzeugt Maßstäbe, die subjektiv sind, in vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen auf wissenschaftlichem wie auf handwerklichem Gebiet immer wieder verändert oder bestätigt wurden. Mit stets wachsendem Respekt vor der Arbeit anderer wächst die Erfahrung. Erfahrung verhindert Erstarrung. Sie befördert geistige Regsamkeit. Die Erkenntnisse über historische Holzbauten unterliegen genauso ständiger Veränderung wie die Entwicklung in der zeitgenössischen Architektur. Heute, bald 30 Jahre nachdem ich dieses Buch geschrieben habe, ist mir weit klarer, welche beiden Motivationen für seine Abfassung im Vordergrund standen. Als begeisterter Holzhandwerker faszinierten mich die sprechenden Ausdrucksformen der Zimmerer. Die Verbindungen zweier massiver Hölzer erklären allen neugierig Schauenden ihre Funktion; in weiterer Folge auch viel über Konstruktion und Statik eines Gebäudes. Nur selten gehen dekorative Überformungen, die mit ihrer Demonstration artistischer Material- und Werkzeugbeherrschung in Bann schlagen, schwächend oder gar schädigend über die zugrunde liegende Funktion hinaus. Der zweite Beweggrund war eine vage Unzufriedenheit mit gar nicht so wenigen Literaturquellen. Von Autoren, die wissenschaftlich arbeiten, erwartet man Klassifikationen, Ordnungsschemata. Ziel ist es, so viele Phänomene als möglich und sinnvoll einer zugrunde gelegten Ordnung zuzuweisen, das heißt auch, sie zu schubladisieren. Dies führt unweigerlich zu Einengungen, zu subjektiver Geringschätzung oder Missachtung von Details. Kein Schubladenschrank bietet Platz für die Anzahl Schubladen, die notwendig wären, um die Realität abzubilden. Alte Fotos von Dörfern bestechen durch ein „geschlossenes“ Ortsbild. Und das, obwohl kein Haus wirklich dem anderen glich. Ursprünglich mag die Konstruktion der Häuser in einer Region die gleiche gewesen sein. Im Laufe von Jahrzehnten, Jahrhunderten kam es dann aber fortlaufend zu Adaptionen. Regionale Bedingungen wie Klima, Topografie und wirtschaftliche Einbindung erzwangen auch kleinsträumlich unterschiedliche Ausformulierungen einer Konstruktion. Noch ein weiterer, mir besonders wichtiger Punkt kommt hinzu. Die traditionell geschulten Zimmerleute mussten in weit größerem Maß als heute in Anschauung des Materials arbeiten, ebenso mit Menschenkraft, nicht Pferdestärken. Sie mussten sich ihre Energie auf einen ganzen Tag einteilen. Je primitiver das Werkzeug war, desto weniger ließ sich damit das Baumaterial vergewaltigen. Bauten, die aus ausschließlich krumm gewachsenen Hölzern aufgebaut sind, zeigen die enormen Umwege, die bisweilen genommen werden mussten. Handwerker durften in dieser Welt individuelle Lösungen kreieren, unabhängig von standardisierten, schablonenhaften Vorgaben. Die Grenzen auf zeitgenössischen Baustellen sind eng gesteckt. IX

Wenn Sato Jun, der Bauingenieur vom Baumhaus in Setagaya in Tokyo1, im Zuge dieses Projekts zu dem Schluss gelangt, „dass es einen Weg geben könnte, die Fähigkeiten der Zimmerleute in die Entwicklung digitaler Fertigungsprozesse zu integrieren“2, dann lese ich das als großen Schritt hin zu deren Marginalisierung. In diesem Projekt war es die Aufgabe der Zimmerleute, auf 3-Achsen-CNC-Maschinen gefräste, geradwangige Nuten zu gratförmigen Nuten nachzubearbeiten, weil der Zeitaufwand (und damit finanzielle Aufwand) für die Herstellung des gewünschten Endprodukts durch eine 5-Achsen-CNC-Maschine untragbar erschien. Wie lange dürfen sich die Zimmerleute darüber freuen, dass ihre Hilfsarbeit kostengünstiger als die von Maschinen ist? Österlund und Wikar haben diese Frage bereits für sich beantwortet. Sie vertreten die Auffassung, dass „Architekten digitale Handwerker werden, die neue Formen, Konstruktionen und Details entwickeln, die für eine computerisierte Herstellung ausgelegt sind“.3 In ihren Augen haben die alten Handwerker (im Gegensatz zu ihnen selbst als neuen, digitalen Handwerkern) ausgedient, weil Freiformen „zumeist auf nicht-standardisierten Teilen beruhen, die in ihren Geometrien einzigartig sind“. Und weil zugleich „eine einzelne Konstruktion hunderte einzelner Teile beinhalten kann, ist ihre handwerkliche Herstellung nicht praktisch und fehleranfällig“.4 Hier mögen Architekten sich zwar als Dienstleister sehen, erklären sich aber selbst zu Handlangern, die ihre Entwurfsarbeit an die Restriktionen computerisierter Produktionsmaschinen anpassen. Handwerk wird somit als Aufbereitung eines Materials interpretiert, dessen Eigenschaften der vorgesehenen Nutzung nicht folgen. Handwerker, von denen wir in diesem Buch sprechen, kamen nicht umhin, das Material, mit dem sie zu arbeiten gedachten, selbst vorher anzuschauen und auszuwählen. Das stellt die gefühlte Superiorität des Menschen gegenüber nichtmenschlichen Wesen wie dem Baum und den davon gewonnenen Früchten nicht in Frage. Aber es erlegt dem Menschen eine Verpflichtung auf. Wer eine moralische Verpflichtung des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren für Gefühlsduselei hält, der sei an die aus dem Klimawandel resultierenden Konfliktpotenziale gemahnt, die letztlich als Reaktion der Natur gelesen werden müssen. Wir glauben mit immer neuen Umformungen des Materials Holz irgendwann den letzten Rest seiner organischen Wurzeln eliminieren zu können. Wenn „Holz“ erst einmal nicht mehr quillt und schwindet, wenn es erst einmal isotrop geworden ist, wenn es sich nicht mehr verwinden kann, taucht die Frage auf, was daran ökologisch oder nachhaltig ist. Das heißt dem Material Gewalt antun. (Adorno hat das in die Worte gekleidet: „Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren.“5) Aber das heißt insbesondere für kurzfristigen Profit nicht nur verantwortungslos zu handeln, sondern nicht einmal die Zeichen der Zeit respektieren zu wollen. „Die Menschheit hat sich dem Wald entfremdet [...]; zunächst aus Furcht vor ihm, dann durch seine ‚Eroberung‘, aber selten, indem sie seine Heiligkeit und seine Bedeutung im Verstehen dessen, was es heißt ein Mensch zu sein, wertschätzt.“6 Eine Bearbeitung des Materials Holz ist ohne seine Wertschätzung seiner natürlichen Charakteristika zwangsläufig rücksichtslos. Die Natur hat Zeichen gesetzt, sodass auch zuvor desinteressierte Wissenschaftszweige begonnen haben, sich mit dem Verhältnis der Natur zum Menschen auseinanderzusetzen. Das hat zu tiefX

greifenden und weitreichenden Wertediskussionen geführt, die weit über das Kernthema dieses Buchs hinausgehen. Sie werden im Buch nicht explizit aufgegriffen, klingen aber da und dort sehr wohl an. Nur in der Rücksichtnahme auf die Konsequenzen unseres Umgangs mit dem Material werden wir Lösungen entwickeln, die nicht absehbare neue Probleme schaffen. Wer und was alles in diese Rücksichtnahme eingeschlossen werden muss, dazu seien stellvertretend zwei Artikel von Kentner und Flint angeführt, die ihrerseits einen weit gespannten Bogen über die aktuelle Literatur und Diskussion vorstellen.7 Auch die alten Handwerker waren Einschränkungen unterworfen. Das zeigen nicht zuletzt große Entwicklungssprünge, die jeweils mit der Verfügbarkeit neuer Werkzeuge Hand in Hand gegangen sind. Die gravierendste Einschränkung lag aber immer in der Beschränktheit eigener handwerklicher Fähigkeiten und eigener Ideen. An beiden konnte Ehrgeiz feilen und im Idealfall geglückter Synthese zu herausragenden Ergebnissen führen. Die alten Handwerker waren selbst für ihre Grenzen verantwortlich und damit auch deren Überwindung. Der Stachel, Dimensionsgrenzen aufzulösen, die Euphorie für vermeintliche Entmaterialisierung, die Suche nach Wunderbaustoffen, welche natürlichen Abbauprozessen widerstehen, der Drang, noch nicht Versuchtes oder Gesehenes darzustellen, haben die Architektur in unmittelbare Komplizenschaft zur Entfremdung des Menschen von der Natur gebracht. Die Industrialisierung hat ein Bauen in den Freiformen Höhle, Baumnest, temporärer Unterstand unmöglich gemacht und zu strenger Orthogonalität geführt. Der Übergang von der Industrialisierung zur Digitalisierung hat mit der Entwicklung „neuer“ Freiformen eine erstaunliche Gegenbewegung ausgelöst. Als Bewunderer der Leistungen der Zimmerleute, wie sie in ihren Bauten überliefert sind, komme ich nicht umhin, den Euphemismus im zitierten Begriff „Freiform“ (vgl. p. X) zu thematisieren. Was ist die Freiheit einer Form, die nur noch mit Maschinen generiert werden kann? Wäre es nicht klug, den Handwerker aufzufordern, sich an Lösungsüberlegungen zu beteiligen, anstatt sich im Entwurf von Maschinen Denkweisen aufzwingen zu lassen? Trotz des zuvor angesprochenen geschlossenen Ortsbildes stehen wir also fasziniert vor dem Phänomen einer schier unüberschaubaren Variabilität im historischen Holzbau. Die Literatur hat darauf in großem Ausmaß einerseits mit Klassifikationen, andererseits mit Fokussierung auf kleine und kleinste Untersuchungsgebiete reagiert. Aus dieser fruchtlosen und unbefriedigenden Situation versuchte ich einen Ausweg, indem ich anhand von herausgearbeiteten Einflüssen beispielhaft unterschiedliche Ausformungen begründete. Auch dieser Ansatz hat Schwächen. Ich greife zum einen auf bestehende Klassifizierungen zurück, zum anderen wird meine ordnende Gliederung in Kapitel von vielen Lesern als eine (sehr vage, in dieser Lesart wahrscheinlich zu vage) Klassifizierung fehlinterpretiert. Mein Ziel war es nicht, eine neue Klassifizierung einzuführen. Ich wollte im Gegenteil auf die Komplexität des Bauens aufmerksam machen, wie es sich am Detail der Holzverbindung ablesen lässt. Ich greife einige der vielen Ursachen einer Form heraus, um deren Einfluss auf die Formgestaltung der Verbindungen zu beschreiben. Die Kumulation vieler formbeeinflussender Ursachen in einer Verbindung verändert deren Form; einmal marginal, manchmal stärker, bisweilen grundlegend. XI

Je mehr ich sehe, desto komplexer erscheint mir das Bauen. Je mehr zur historischen Holzarchitektur geforscht wird, desto öfter müssen frühere Erkenntnisse neu beurteilt werden. So vielen Reglementierungen und Zwängen der Holzbau unterliegt, ist er doch immer individueller Kulturausdruck. Je schneller die Bevölkerung wächst, je mehr Bauland beansprucht wird, je mehr Menschen in Städte abwandern, desto schneller gehen die hier untersuchten Objekte verloren. Mit ihnen das Wissen um diese Objekte und um ihre Kultur. Dazu zählt nicht nur ihre Nutzung, sondern eben auch ihre Herstellung. Leichtfertig sprechen wir von traditioneller Architektur, als handle es sich dabei um etwas Statisches. Zimmerleute mussten zu allen Zeiten flexibel auf sich ändernde Bedingungen reagieren. Werkzeug aus verschiedenen Materialepochen (der Stein-, Bronze-, Eisen-, Stahlzeit) befördert genauso Veränderung wie das zunehmende Verschwinden leicht zu verarbeitenden Materials. Der Bedarf an Holz sank nicht mit der Verringerung des Bestands an erstklassigem Material, ganz im Gegenteil verbrauchten immer mehr Menschen immer größere Mengen. Nicht nur zum Bauen. Einem Frierenden ist es egal, ob er Holz von vielhundertjährigen Bäumen verheizt oder von Klaubholz. Wenn Sole eingedampft werden sollte, ließ schon die Menge an benötigtem Holz es nicht zu, dass sich jemand damit aufhielt, wertvolles Bauholz von wertlosem Brennmaterial zu trennen. Wälder, die einer Erweiterung von Anbauflächen im Wege standen, wurden gerodet, ebenso wie solche, die Feinden in kriegerischen Auseinandersetzungen Unterschlupf boten, abgebrannt wurden. Die zeitgenössische Methode schädigt sie noch viel nachhaltiger. Es blieb an den Zimmerleuten hängen, aus dem noch zur Verfügung stehenden Material etwas zu machen. Besseres Werkzeug war eine große Hilfe. Wenn man mit Steinwerkzeugen eine Nut in ein Stück Holz schneidet, muss man Ästen ausweichen. Baumriesen jedoch, die viel astfreies Material zur Verfügung stellen, konnten mit Steinäxten kaum geschlägert werden. Also musste das zu bearbeitende Material sehr sorgfältig ausgesucht werden. Je besser schneidend das Werkzeug wurde, desto leichter wurde es, sich über Unregelmäßigkeiten im Zellverlauf des Materials hinwegzusetzen. Das heißt aber nicht, dass die Zimmerleute auf Äste nicht mehr achten mussten. In einer Säule stört ein Ast nicht; in einer genuteten Schwelle, in der Schiebetüren geführt werden sollen, hingegen sehr. Wissen und Rücksichtnahme waren unverzichtbar. Auf dieser Basis konnten sich die Schöpfer traditioneller Holzbauten die Freiheiten nehmen, die sie für notwendig hielten. Will man ihre Konstruktionen wirklich verstehen, muss man das Gespräch mit ihnen suchen. Die Zeit drängt! Denn die Wissensträger sterben aus, weil sie von ihrem Wissen nicht mehr leben können. Zwar verblüffen alte Zimmerleute neugierig Nachfragende immer wieder mit dem Eingeständnis, dass sie so manches konstruktive Detail von alten Bauten nicht erklären können. Nicht selten stellt sich dann heraus, dass sie für früher geübte Praktiken doch eine Erklärung finden – zuweilen verblüffend einfache Erklärungen, die in keiner Klassifizierung und nicht durch wissenschaftliches Sammeln, Vergleichen, Klassifizieren und Beschreiben gefunden werden können, sondern dem pragmatischen Zugang der Praktiker geschuldet sind. Wenn in einer Konstruktion die Zapfen einen rechtwinkeligen Querschnitt aufweisen, ist sehr klar und einfach XII

nachzuvollziehen, welche Überlegung dahintersteckt: Nur der rechteckige Querschnitt sichert gegen ein Verdrehen des Bauteils. Was tut man als Forscher, wenn man plötzlich einen einzigen zylindrischen Zapfen unter ihnen entdeckt? Ich will dem Leser die Menge meiner Assoziationen und Erklärungsversuche ersparen. Nur der Zimmermann weiß die richtige Antwort: Er will das betroffene Bauteil nach Abbund noch durch Drehung nachjustieren können. Diese Freiheit lässt ihm nun einmal nur ein Zapfen mit rundem Querschnitt. Gerade in der Forschung wäre die intensive Zusammenarbeit zwischen den Handwerkern und den wissenschaftlich Tätigen gefragt, um deren unterschiedliche Logiken zusammenzuführen. Seit dem erstmaligen Erscheinen des Buchs im Jahr 1997 sind unzählige Publikationen erschienen, die direkt oder indirekt die gleichen oder damit verbundene Themen behandeln. So wie es in der Feldforschung schwieriger wird, etwas spektakulär Neues zu finden, wird es auch immer schwieriger, spektakulär Neues zu publizieren. Je mehr große Themenbereiche und herausragende Einzelobjekte abgearbeitet sind, desto mehr sind Forscher gedrängt, sich auch kleineren, unscheinbareren Forschungsobjekten zu widmen (mit Ergebnissen, die sich dann durchaus als spektakulär herausstellen können). Andō Kunihiro8 hat sich, ganz in der Tradition eines Kawashima Chuji9, der Dokumentation historischer Architektur der Bauern in Japan verschrieben. An den noch existierenden großen Wohnbauten gibt es kaum noch Unbeforschtes, Andō hat in analytischen Zeichnungen und Fotografien sozusagen die letzten weißen Flecken eingefärbt. Für sein Buch Koya to kura. Hosu · Shimau · Mamoru. Kigumi no katachi hat er Jahrzehnte gesammelt. Speicher und Scheunen gehörten überall auf der Welt zu den wichtigsten bäuerlichen Bauten. Selten wurde viel Geld in sie investiert – umso mehr Überlegung in ihre unübertreffliche Funktionalität. Fast alle verschwinden in dem Moment, wo sie nicht mehr genutzt werden und die Bindung zu ihnen mit dem Tod des letzten Nutzers verloren ist. Sie überleben bestenfalls als Teile eines Ensembles in dem einen oder anderen Freilichtmuseum. Dort ist ihr Wert weit fragwürdiger als der anderer Bauten, denn aus ihrem Nutzungsumfeld herausgeholt, können sie nicht mehr wirklich verstanden werden. Meine Untersuchung der Getreideharfen10, eines ebenfalls nicht länger benötigten architektonischen Objekts der bäuerlichen Wirtschaftskultur, basiert auf der persönlichen Faszination an deren verschiedenen Erscheinungsformen. Die Faszination war nicht rein visueller Natur: An den nur in Europa und Ostasien verwendeten Getreideharfen lassen sich viele „klassische“ Prinzipien der verschiedenen Entwicklungen der konstruktiven Grundstrukturen in Europa und Ostasien verfolgen. Diese Erkenntnis konnte ich aber erst im Nachhinein gewinnen, also zu einem Zeitpunkt, als ich mich schon lange mit den Grundstrukturen auseinandergesetzt habe. Die Dokumentation wissenschaftlicher Knochenarbeit kann auch ganz anders aussehen. Sehr viele Tempel in China sind mittlerweile detailliert untersucht. Nach der in den letzten 25 Jahren absolut flächendeckend erfolgten Erschließung des Landes mit befahrbaren Straßen ist kaum noch mit neuen Funden zu rechnen. Außergewöhnliches wird heute vor allem unter der Erde gefunden. Weiterhin harren aber zahllose Repräsentationsbauten einer exakten Analyse. Das von Zhang Shiqing herausgebrachte Buch über die XIII

Palasthalle des Baoguo si11 ist ein Highlight wissenschaftlicher Dokumentation. Detaillierte Untersuchungen können frühere Forschungsergebnisse in Frage stellen oder sie korrigieren. Wissenschaftliche Arbeit kann nicht losgelöst sein von der Persönlichkeit des oder der Forschenden. Wie sie an eine Forschungsaufgabe herangehen, welche Schlüsse sie ziehen, ist abhängig vom aktuellen generellen Forschungsstand, genauso aber von Fähigkeiten, die den einen von der anderen unterscheiden: Eigene praktische Erfahrung in der Bearbeitung des Materials führt zu einer anderen Betrachtungsweise eines Bauwerks als dessen rein analytische Untersuchung. Das Wissen um handwerkliche Abläufe, das Sich-einfühlen-Können in die Denkweise eines Zimmermanns erleichtert nicht selten das Verständnis für ein konstruktives Detail. Es birgt aber immer zugleich die Gefahr in sich, nicht genau genug hinzuschauen. Unter den Handwerkern gibt es Querdenker. Ihre innovativen Anstrengungen, welche die formalen Anforderungen an ein Endprodukt wohl nur selten in Frage stellen dürfen, bleiben einer Untersuchung verborgen, die sich auf logische Assoziationen, auf Analogieschlüsse allein verlässt. Liu Yan erarbeitete in seiner Dissertation über eine spezifische Brückenart Chinas bislang unbeachtete Aspekte und Details dieser in die UNESCO-Liste immaterieller Weltkulturgüter aufgenommenen Objekte.12 Er hat einen durchaus naheliegenden Schritt gesetzt, der für Wissenschaftler dennoch höchst ungewöhnlich ist. Intensive, wohlvorbereitete Interviews mit spezialisierten Zimmerleuten haben ihm viel erklärt – aber immer noch zu wenig. Er hat so lange an Baustellen zur Neuerrichtung dieser traditionellen Brücken mitgearbeitet, bis er in der Lage war, selbst eine solche zu bauen. Als Nebenprodukt seiner Forschung konnte er die immer wieder aufgegriffenen Spekulationen, dass Leonardos zeichnerische Überlegungen zu einer nach Augenschein sehr verwandten Brückenkonstruktion auf chinesischem Vorbild beruhen könnten, überzeugend widerlegen. Internationalisierung der Forschung kann fruchtbare Impulse geben. Liu Yan stützt sich bei seiner Vermessung der Brücken auf europäische Technologien. Noch deutlicher wird der ungebundenere Blick auf ein Forschungsthema, wenn sich die Forscherin mit einem Thema auseinandersetzt, das nicht in ihrem kulturellen Hintergrund beheimatet ist. Alexandra Harrer hat in ihrer Dissertation13 eine ganz spezifische Sorte dougong (wie sie im Buch vorgestellt werden) einer Region Chinas aufgearbeitet. Beide Dissertationen waren Schritte in höchst erfolgreichen wissenschaftlichen Karrieren. Alexandra Harrer und Liu Yan sind mittlerweile fest an Universitäten verankert und bilden selbst Nachwuchs aus. Beide haben Klassiker übersetzt und sich im Zuge dieser Arbeit unvergleichlich intensiver mit den von ihnen übersetzten Inhalten auseinandergesetzt, als dies LeserInnen üblicherweise tun. Mit diesem Prozess haben sie sich auf die Herangehensweise und das Denken der von ihnen übersetzten Autoren eingelassen und diese Auseinandersetzung zwangsläufig zu ihrem eigenen wissenschaftlichen Forschen in Beziehung gesetzt. Genau so stelle ich mir den Erfahrungsgewinn früherer europäischer Handwerker vor. Solange sie nicht selbst Meister werden konnten oder durften, mussten sie herumziehen und sich in fremden Werkstätten verdingen. Dort mussten sie nolens volens ihre erlernte Art zu arbeiten XIV

und zu denken zur Diskussion stellen. Diese Überprüfung, diese Infragestellung der eigenen Fähigkeiten und der bislang gewonnenen Erfahrungen erweitern in jedem Fall das persönliche Spektrum. Sie lehren insbesondere die kritische Auseinandersetzung mit eigenen Positionen, aber sie vermögen auch Sichtweisen zu erweitern. Dafür kann ein Anstoß von außen hilfreich sein. Welchem/ welcher wissenschaftlich arbeitenden AutorIn ist es noch nicht passiert, dass ein Hinweis oder eine Bemerkung aus dem Kreis der KollegInnen zum zündenden Funken geworden ist? Auch dieses Erlebnis lässt sich eins zu eins ins Handwerk übertragen. Perfektion kann im Wettstreit innerhalb der eigenen Werkstatt oder zwischen den Werkstätten in derselben Stadt errungen werden. Innovation braucht Anreize von außerhalb. Handwerk, wie die Wissenschaft, braucht beides: Perfektion und Innovation. Das Streben nach Perfektion kann nur dort sinnvoll sein, wo der Inhalt nicht in Frage zu stellen ist. Ihr wohnt ein Beharrungsfaktor inne. Ein solcher Zustand ist aber dennoch temporär. Innovation bringt letztlich immer eine veränderte Wahrnehmung dessen, was als perfekt zu betrachten ist, mit sich. Wir stehen heute an einem neuen Wendepunkt. Der Holzbau braucht nicht mehr um seinen Stellenwert kämpfen. Er ist so weit konsolidiert, dass unterschiedliche Strömungen zunehmend sichtbarer werden. Ich will nur zwei erwähnen. Auf der einen Seite steht die Entwicklung ständig neuer Optimierungen von Materialeigenschaften, die im industriellen Fertigungsprozess als suboptimal oder hinderlich empfunden werden. Dazu gibt es eine unüberschaubar wachsende Flut an Forschungen, Forschungsergebnissen und Publikationen. In einer Art Gegenbewegung fordern Klimawandel, fühlbare Ressourcenprobleme und Unzufriedenheit mit einer nach dem Zweiten Weltkrieg zum Dogma gewordenen anhaltenden Steigerung des Wirtschaftswachstums zu einem Umdenken im Bauen allgemein und im Holzbau im Speziellen auf. Die Zukunft wird weisen, ob sich die eine oder die andere Richtung durchsetzen wird oder beide nebeneinander fortexistieren. Quasi als Überlagerung kommen die Fortschritte in Hard- und Software dazu. Hinter deren Entwicklung erscheint ein Zurück unvorstellbar. Wenn das Knowhow historischer Handwerkstechniken so weit überlebt, dass es für fachgerechte Restaurierungsarbeiten eingesetzt werden kann, wäre das wohl schon viel. Aber wer von seiner Arbeit nicht leben kann, der muss sich nach einer anderen umschauen. Als Sonderprogramm in Museen zur Steigerung des Besucherinteresses lässt sich jedenfalls nicht glaubwürdig von einer Tradierung handwerklichen Wissens sprechen. Wie in allen Bereichen lassen sich aber die wenigsten Entwicklungen in die eine oder andere Schublade legen. Ein Beispiel dafür ist, dass eine der häufigsten Naturerscheinungen nicht länger als reiner Ausschuss behandelt wird. Ich denke an Astgabeln bzw. Stamm-Astanbindungen. Dabei handelt es sich um dreidimensionale, lastübertragende Knoten in einem Baum – Hochleistungsverbindungen, denen bis dato keine Nachempfindung das Wasser reichen kann. Das in ihnen ruhende Potenzial wurde die längste Zeit im Bauen durch seine selbstverständliche Anwendung gewürdigt. Im Buch finden sich Beispiele. Unsere Kultur hat damit ein Problem, weil ihre Verwendung nicht normierbar ist. Astgabeln lassen sich nicht einfach zuschneiden, sie müssen ausgesucht werden XV

oder die Konstruktion muss ihnen angepasst werden. Eine so weitgehende Rücksichtnahme haben wir eher bei Bildhauern oder den japanischen Zimmerleuten gefunden, die Teehäuser gebaut haben. Die mit der industrialisierten und vermarktungsorientierten Holzverarbeitung einhergegangenen Wertverschiebungen von Qualität zu Quantität und von Dauerhaftigkeit zu Modernität haben an die Stelle von respektierter Einzigartigkeit des Materials eine individuelle Sammlung von Versatzstücken aus Katalogen und Großmärkten treten lassen. Allerdings muss man anerkennen, dass der zeitgenössische Holzbau seinen atemberaubenden Erfolg gerade erst dieser Fähigkeit zur industriellen Fertigung verdankt. Claus Mattheck hat sich intensiv mit der Optimierung der äußeren Form von Baumelementen, wie Wurzeln oder Zwieseln, beschäftigt.14 Mittlerweile liegen Untersuchungen vor, die darüber hinausgehend eine recht andere Zellstruktur und Zellanatomie solcher Elemente im Vergleich zum Stammholz nachweisen.15 Ist es Langeweile, dass aktuell wieder wie aus dem Nichts Forschungsinteresse an Astgabeln auftaucht? Ist es ökonomische Überlegung? Sie wäre nur allzu verständlich. Ist es die Suche junger ForscherInnen, Reputation über ein „neues“ Forschungsgebiet zu gewinnen? Oder ist es schlicht und einfach eine Beobachtung während eines Spaziergangs und die Assoziation daraus möglicherweise ableitbarer Formen? Die Assoziationskette könnte dann bei ArchitektInnen und BauingenieurInnen sehr schnell dorthin geführt haben, wo aktuell geforscht wird. Es muss zumindest irgendeine Assoziation in der Luft gelegen sein, wenn an recht verschiedenen Orten praktisch zeitgleich bislang absolute Ignoranz gegenüber diesem alltäglichen und ubiquitären Naturprodukt so plötzlich in wissenschaftlichen Ehrgeiz bis hin zum Einsatz nicht unbedeutender Geldmittel umschlägt. Einzelforschungen dazu liegen bereits viele Jahrzehnte zurück. Im englischen Hooke Park-„Labor“ der Architectural Association hat man auf die Erfahrungen Frei Ottos zurückgegriffen.16 Forschungsansätze, wie ich sie an der Universität für angewandte Kunst Wien kennenlernen durfte, sind höchst interessant.17 Die Forschung dazu muss auf alle technisch möglichen Hilfestellungen zurückgreifen. Weder die einst bei Zimmermannsprüfungen gefürchteten Verschneidungen zweier unterschiedlich geneigter Dachflächen in deren Graten und Kehlen, noch die Fügung von ausschließlich krummen Balken in vielen japanischen minka lassen sich mit dem angestrebten Forschungsziel vergleichen, Tragstrukturen aus einem Geflecht zusammengesetzter Astgabeln herzustellen. Und doch lassen die bislang vorliegenden Ergebnisse die Annahme zu, dass die höchst komplexen Verbindungsberechnungen von geübter Hand auch manuell umsetzbar wären. Mehr noch: Selbst die digitale Fertigung verlangt auch heute noch entweder nach Vereinfachung in der zugrunde gelegten Nachahmung oder nach manueller Nacharbeit.18 Höchst fraglich bleibt (trotz der aktuellen Panik), ob wir jemals noch einmal unseren unvorstellbaren Energieverbrauch in Frage stellen werden. Sowohl die Rechenprozesse wie auch die Fräscomputer verschlingen Energie. Noch stecken die zuletzt erwähnten Forschungen in den Kinderschuhen: Die Idee, ein Naturprodukt möglichst unverändert im Bauen einzusetzen, überfordert wohl noch eine Weile die Rechenleistungen unserer Maschinen. In dem Moment, wo wir aus naheliegenden Gründen die naturgeformten XVI

Forschungselemente zu klassifizieren beginnen, ihnen also ihre je innewohnende Eigenartigkeit absprechen, verzichten wir auf einen Teil des in ihnen liegenden Potenzials. Jede kleinste Veränderung der Y-Form einer Astgabel durch Zuschnitt auf Passform reduziert die Anzahl der wirksamen, kraftübertragenden Holzzellen. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wird an sehr ähnlichen Forschungen gearbeitet.19 Astgabeln werden gescannt. Aus einer erstellten Datensammlung wird dann der optimal geeignete Y-förmige Knoten ausgewählt, um die in zwei geraden Stücken zu einem Punkt zusammenlaufende Last in einer Konstruktion aufzunehmen. In einem weiteren Algorithmus wird der bestgeeignete Knoten durch einen Schneideroboter so zugerichtet, dass er optimal an die zu verbindenden Teile angepasst wird. Nach meinem Verständnis ist dieser Versuch mit gravierenden Schwächen verbunden. Der Energieaufwand ist hoch. Die Teile müssen mit materialfremden Verbindern gefügt werden. Das schwächt das Zellgefüge nicht nur in der Fügung, sondern sogar der einzelnen Teile. Es widerspricht auch der Bestrebung nach Monomaterialität zur Unterstützung einer möglichst effektiven Kreislaufwirtschaft. Und schlussendlich macht zumindest derzeit der Rechenaufwand eine starke Beschränkung der Anzahl unterschiedlicher Astgabeln erforderlich – die außerdem noch, wie soeben dargelegt, zusätzlich zugeschnitten werden und damit per se nicht mehr optimal im Holzzellverlauf zusammenpassen. Die zu bewältigenden Probleme an den verschiedenen Forschungsinstitutionen scheinen einander sehr zu gleichen. Interessanter erscheint meiner Vorstellung einer respektvollen Verarbeitung des Materials Holz eine zweite Idee, die die ForscherInnen am MIT verfolgen, wenn sie in die umgekehrte Richtung denken: Wie kann eine Konstruktion adaptiert werden, um eine zur Verfügung stehende Astgabel einzusetzen, so wie sie ist? Da sind wir aber (gar nicht wirklich erstaunlich) wieder dort, wo die vormalige Nutzung von Astgabeln unterbrochen wurde (vgl. p. 46, 50, 51). Das verbindende Element der zuvor hier erwähnten Studien sind ihre Untersuchungen von Holzverbindungen. Teilweise stehen diese im Vordergrund der Arbeit, teilweise sind sie ein Aspekt unter vielen. Alle diese Studien wenden sich in erster Linie an ein spezialisiertes Fachpublikum. Zwei thematisch viel offenere Bücher sollen hier auf den großen Stellenwert hinweisen, den die Kulturgeschichte als Hintergrund meiner Beschäftigung mit dem Thema einnimmt. Der Historiker Alexander Demandt strebt mit seinem auf den eurasischen Raum beschränkten, im Untertitel „Eine Kulturgeschichte" genannten Gang durch die Epochen an, „vieles zu bringen, um manchem etwas zu bringen“. 20 Der schlichte Titel Der Baum, unter dem die überarbeitete und erweiterte Auflage erschienen ist, lässt ihm den Raum. Der Autor füllt ihn dermaßen dicht, dass eine ernsthafte Lektüre durchaus Anstrengung verlangt. Seine Darstellung zeigt, dass die „Bäume in den Köpfen“21 der Menschen zutiefst verankert sind, in allen Kulturen, zu allen Zeiten. Ihre Verwendung als Rohstoff eines Baumaterials ist ein winziger, aber jahrtausendelang gepflegter Kulturbestandteil. Ganz unmittelbar mit dem Baustoff selbst setzt sich Joachim Radkaus Schilderung von dessen Nutzung in der Geschichte auseinander. Das Buch Holz22 nähert sich in der Sache schon weit mehr unserem Thema. Zwar in großen Teilen ökonomischen Überlegungen verschrieben, liefert es vor allem im großen, Europa betreffenden Hauptteil aufschlussreiche Ergänzungen zum vorliegenden XVII

Werk, in dem die Beziehung zwischen Holz und seinem Nutznießer noch fokussierter gesehen wird, auf den Nutzerkreis der Zimmerleute bzw. die an ihrer Stelle tätigen Laien konzentriert. Der Stellenwert von Holz als Baumaterial war in Europa wie in Teilen Ostasiens als Folge des Zweiten Weltkriegs sehr gering geworden. Das Bemühen, sich so schnell als möglich sichtbar von fatalen Ideologien der 1930er und 1940er Jahre loszusagen, muss als ein Faktor gesehen werden. Dass diese Lossagung von den Siegern diktiert war und bei allzu wenigen auf Überzeugung beruhte, wissen wir. Hausbau ist kulturell vergleichbar intensiv mit den Vorfahren verbunden, wie es die Bräuche sind. Viele Jahre des Beobachtens des kulturellen Wandels in Minderheitengebieten in China haben mir die intensive Eingebundenheit des Bauens in das Kulturleben vor Augen geführt. Bräuche der Vorfahren können nicht einfach abgelegt werden, sie werden nur durch andere ersetzt. So gesehen war es der Wunsch nach Vergessen, welcher in der Abwendung von geübten Bautechniken nach dem Zweiten Weltkrieg Rückhalt und Unterstützung suchte und fand. Der Zweite Weltkrieg hatte nachdrücklich die größte Schwäche aller Holzarchitektur vor Augen geführt. Die Häuser der Feinde niederzubrennen war in kriegerischen Auseinandersetzungen immer ein probates Mittel. Die vergleichsweise jungen Baustoffe Stahl und Beton versprachen alles zu verändern. Witterungsbeständiger als Holz, teilweise vorfertigbar, stark genug, Erdbeben zu widerstehen, und obendrein unbrennbar, erlebten Stahl und Beton eine Blütezeit. Erfindungsreich wurde organisierte Kritik ausgehebelt. Wir erinnern uns an die „Grün“-Kampagnen der Betonindustrie vom natürlichen Baustoff Beton, als Antwort auf Querschüsse in den 1970er und 1980er Jahren. Ob diese der aufkommenden Ökologiebewegung oder ersten Kampfansagen einer wiedererwachenden Holzbauindustrie zuzuordnen waren? Die vergangenen Jahrzehnte haben jedenfalls so manche Euphorie über Stahl und Beton zurückgestutzt. Es liegt nun einmal in der Natur der Sache, dass die Bewährung in der Zeit ein weitaus gültigerer Maßstab ist als vorausgreifende Versprechen und damit induzierte Erwartungshaltungen. Damit soll keinesfalls die andauernde Suche nach neuen Erfindungen, nach Verbesserungen, nach Adaptionen an zeitgemäße Bedingungen und Anforderungen in Zweifel gezogen werden. Meine Überzeugung geht dahin, dass wir alle Neuerungen sorgsamer auf ihre Auswirkungen in der Produktion und ihre Folgewirkungen nach dem Nutzungsende überprüfen sollen; dass wir uns sehr genau ansehen, wer zu welchem Zweck Forschung, Entwicklung und Produktion unterstützt; dass wir uns vorab überlegen, wer nach welchem Zeitraum und zu welchen Teilen mit der Entsorgung belastet ist. Jedenfalls hat das Material Holz im Bauen von Neuem große Bedeutung erlangt. Es bedurfte vieler Schritte, bis Holz wieder Tritt fassen konnte. Die Ökonomisierung der Zurichtung und der Verarbeitung sowie intensiv betriebene Forschungen zur Ausschaltung der als negativ gewerteten Materialeigenschaften führten zur Einführung von Verbundwerkstoffen. Sie konnten sich rasant durchsetzen, weil sie die Wirtschaftlichkeit des Rohstoffs Holz zunächst einmal schlagartig in die Höhe trieben. Die Entwicklungen der Holzverbundwerkstoffe nötigen größten Respekt ab. Es klingt verlockend, dass Holzmaterial keine limitierten Längen mehr hat, XVIII

dass es nicht mehr reißen kann, niemanden mehr mit seiner Zellorientierung quälen kann, dass Äste eliminiert und die Dichte und Festigkeitseigenschaften erhöht werden können. Maschinen produzieren heute Holzmaterial so, wie wir es haben wollen. Das Holz führt uns nicht mehr an der Nase herum, wenn wir es gerade geschnitten verbauen und es sich dann im Laufe der Zeit eigenmächtig verdreht. Maschinen zerkleinern das Holz, selektieren die geforderten Qualitäten und verpressen die Rohmasse unter Beimengung von Klebern zu gewünschten Längen, Querschnitten und Formen. Beigemischte bzw. hinzugefügte Komponenten versprechen eine verbesserte Qualität. Das Produkt sind Kunststoffe, die auf dem Rohmaterial Holz basieren. Diese Holzkunststoffe oder Kunstholzstoffe haben das Spektrum realisierbarer Bauten unvorstellbar erweitert. Ihr absolut überwiegender Bestandteil ist Holz, daher bestehen sie im Gegensatz zu vielen anderen modernen Baustoffen überwiegend aus erneuerbaren, nachwachsenden Ressourcen. Nahezu all unser Produzieren kennt die Natur nur als Ressource. Ehrgeiz und Wirtschaftlichkeit sind die produktivsten Katalysatoren für Erfindungen und Neuentwicklungen. Viele Firmen konkurrieren um wirtschaftlichen Erfolg. Sie bezahlen wissenschaftliche Institutionen, um die Nase stets vorne zu haben. Diesem aufreibenden, aber doch bestgeölten Wettlauf kommt nun Sand ins Getriebe. Wer hat sich viel dabei gedacht, wenn er von der „Lunge unserer Welt“ gelesen oder gehört hat? Wenn wir unsere Lunge beschädigen, wenn wir einen Teil wegschneiden, lässt ihre Leistung nach. Eine künstliche Lunge ist eine Notmaßnahme, vollwertiger Ersatz ist sie nicht. (Vergleiche hinken. Ich weiß um ihre Problematik nur zu gut Bescheid. Genau deshalb spreche ich im ganzen Buch immer von Gegenüberstellung, nicht Vergleich.) Wenn wir die Nachhaltigkeit oder die CO2-Neutralität von Holz artikulieren, sollten wir dies nicht still und heimlich, sprachlich gut versteckt, auf Kunststoffe ausweiten. Holz und Holzverbundstoffe sind nicht identisch. Wo bleibt die Kalkulation der Energiekosten für die Zerspanung des Holzes, für die Produktion der Kleber, ihre Aufbringung, die Herstellung und Integration der optimierenden Zusatzstoffe, wo bleiben schlussendlich die Entsorgungs-, im Idealfall Entflechtungskosten? Ich meine damit nicht, wer die Verbrennungsanlagen bezahlt, die heute als State of the Art sauberer Entsorgung gesehen werden. Wer kommt für die Belastung durch den CO2-Ausstoß auf? Wer für die Belastung durch den Straßenbau, ohne den überlange Holzelemente nicht von der Produktionsstätte an ihren Bestimmungsort gelangen könnten? Ökonomische Erfolge bringen Verantwortung mit sich. Sie konnten sich vielleicht auch deswegen einstellen, weil ein stark angewachsener logistischer Apparat intensiv am Reputationsaufbau des Materials Holz gearbeitet hat. Wenn hinter fragwürdigen Werbeslogans das Schielen nach immer weiterwachsenden Umsätzen und Nettogewinnen unverkennbar wird, ist es an der Zeit, sich an aggressive Vermarktungsstrategien anderer Baustoffhändler zu erinnern. Holz hat seinen Wiedereinstieg ins Baugeschehen trotzdem geschafft – mit sachlichen Argumenten und klarer Terminologie. Holz braucht kein Präfix, um für „voll“ genommen zu werden. Warum sollte nur die Einschränkung „Konstruktionsholz“ gegenüber anderen Baumaterialien konkurrenzfähig sein?23 Korrekte sprachliche Begriffe sind eine notwendige VoraussetXIX

zung, aber noch keine Garantie für eine ehrliche Kommunikation. Der Titel eines Artikels von E.-D. Schulze und Koautoren spricht Bände: „Large-scale bioenergy from additional harvest of forest biomass is neither sustainable nor greenhouse gas neutral“.24 Es ist tatsächlich für den Laien schwer zu durchschauen, dass Gebiete, die derzeit zum Zweck rascher Rotationsbewirtschaftung und der Nutzung als Ersatz für fossile Treibstoffe aufgeforstet werden, die Kohlenstoffbindung des Waldes vermindern.25 Alte Wälder liefern also nicht nur unvergleichlich qualitätvolleres, sondern auch nachhaltigeres Holz. Unterstützer im sachlichen und ehrlichen Argumentieren gibt es mehr als genug. Der Architekt Kiel Moe sagt, angesichts ausreichend vieler Gegenbeispiele vielleicht zu verallgemeinernd, dass „Architekten typischerweise wenig Ahnung davon haben, was Holz ist, oder was es macht oder machen könnte, und noch viel weniger, was der Wald macht oder machen könnte. Zu oft als das simpelste – vielleicht banalste Baumaterial – angesehen, wird Holz in Holzbaulehrgängen und in Lehrbüchern üblicherweise als rudimentär dargestellt, und damit zu oft als auf neue Methoden und Verfahren angewiesen wahrgenommen.“26 Mattheck und Kubler haben vermutlich eine andere Erwartungshaltung für einen respektvollen Umgang mit Holz: „Um ein Stück Holz wirklich optimal zu nutzen, müssen wir es denselben Lastbedingungen aussetzen, wie sie der Baum hatte, während der spezifische Teil des Baumes wuchs und erfunden wurde. Wer isolierte tote Holzmuster studiert, schaut auf eine optimierte Struktur, hat aber keine Ahnung, für welche Zwecke sie optimiert worden ist.“27 Ob die theoretisch arbeitenden Autoren wohl den berühmten Zimmermann Nishioka Tsunekazu gekannt haben, von dem verwandte Aussagen verbürgt sind? „Wenn du Baumaterial für Tempel auswählst, kaufe den ganzen Berg, anstatt einzelner Bäume.“ „Verwende Bäume gemäß ihrer Ausrichtung, in der sie auf dem Berg gewachsen sind.“ „Wenn du die Holzkonstruktion von Tempelbauten zusammensetzt, konzentriere dich auf die Charakteristiken jedes einzelnen Baums, nicht bloß auf die Maße.“28 Für den, der Holz bearbeitet, mag die Sorge um dessen optimale Nutzung, der Respekt für ein der Natur entnommenes Element und wertschätzende Verarbeitung Selbstverständlichkeit und Anspruch zugleich sein. Nicht nur der erwähnte Claus Mattheck vermag sich am nicht handwerklich geleiteten beobachtenden Aufspüren dessen, was jeder einzelne Baum zu erzählen weiß, begeistern.29 In den letzten Jahren finden zusehends Überlegungen und Begriffe Eingang in seriöse wissenschaftliche Forschung, deren Gebrauch vor wenigen Jahrzehnten Außenseitern zugebilligt, im Großen und Ganzen aber als esoterisch, romantisch-schwärmerisch, unwissenschaftlich abgekanzelt wurde. Die Ästhetik unterscheidet traditionell zwischen ästhetischer Wertschätzung und Sinnesfreude. Nach Galen A. Johnson bestätigt „die Erfahrung von Holz, die ihrerseits der Erfahrung des wohlgeformten, handgemachten Objekts vorangeht, in dramatischer Weise die Konvergenz von ästhetischer Freude und Sinnesfreude“30. Er untermauert das mit Heidegger: „Ein Schreinerlehrling ... bringt sich, wenn er ein echter Schreiner wird, vor allem zu den verschiedenen Arten des Holzes und zu den darin schlafenden Gestalten in die Entsprechung, zum Holz, wie es mit der verborgenen Fülle seines Wesens in das Wohnen des Menschen hereinragt.“ Und weiter: „Ohne diesen Bezug zum Holz bleibt es ‚das Handwerk‘ in der leeren Betriebsamkeit hängen.“31 XX

Es geht um die wertschätzende Akzeptanz des Materials in seiner Eigenart. Erst eine solche Einsicht vermag in jedem Stück Holz einen rohen Diamanten zu sehen. „Ein Baum hat seine Ansprüche und Wünsche und ein Mensch sollte sie studieren, genauso wie ein Lehrer ein Kind beobachtet um zu sehen, wozu es in der Lage ist“, zitiert Johnson einen älteren Shaker.32 Es gibt so viele ähnliche Aussagen aus allen Kulturen und aus allen Zeiten, die einfältigerweise ob ihrer vermeintlichen Naivität ignoriert werden. In jüngeren wissenschaftlichen Untersuchungen wird dieses Defizit angesprochen. „Zwar wurde die Sorge für die Natur als bedeutender Weg, zur Natur zu gehören, erwähnt, aber es wurde ihm nur wenig Aufmerksamkeit zuteil.“33 Als Ausnahmen werden Ökofeminismus, feministische ökologische Wirtschaftswissenschaft, Humangeografie und nicht-westliche Umweltphilosophien herausgehoben.34 Zhuangzi stellt mit seiner Geschichte vom unnützen Baum, der wegen seines hohen Alters und seiner Verwachsenheit keines Handwerkers Blick erheischt, unser Bewusstsein in Frage.35 Ist ein Baum, der seine schützenden Äste über den Ruhenden hält und ihm Schatten spendet, unnütz? Dieser Baum wirft keinen monetären Profit ab. Aber ist Wohlbefinden unter seiner Krone kein Profit? Wie lange wird uns die Natur noch gewähren lassen, dass wir, menschliche Lebewesen, meinen, nichtmenschliche Lebewesen auf ihre Brauchbarkeit für unsere Interessen bewerten zu können? Zhuangzi führt zwei weitere Anekdoten zu uralten, als Nutzholz unbrauchbaren Bäumen an.36 David Wong kommentiert diese Textstellen treffend: „Wir Menschen neigen nicht dazu, über den Horizont unserer Lebensspanne hinauszuschauen. Daher können wir auch die Nützlichkeit, wie sie im Alten verkörpert ist, nicht sehen.“37 Spezifisch feministische Ansätze sehen einen untrennbaren Zusammenhang zwischen der Befreiung der Frauen und der Lösung der ökologischen Krise. Beides kann nur gelingen, wenn Herrschaft als vorherrschendes Modell gesellschaftlicher Beziehungen endet.38 Die Unsichtbarkeit dessen, was Frauen aus und mit Bäumen machen, „zeichnet für die falsche Annahme verantwortlich, dass Management- und Produktionspolitik in der orthodoxen Waldwirtschaft nicht geschlechtsspezifisch wären“.39 Geschlechtsspezifische Unterschiede erlauben Frauen eine „andere Art des Wissens“40 im Umgang bzw. Zusammenleben mit der außermenschlichen Natur. Es sei nur an die Chipko-Bewegung in Indien erinnert. Umweltpolitik wird stark von der Überlegung beeinflusst, wem sie zugutekommen soll. Soll Natur zum Wohl des Menschen geschützt werden oder um ihrer selbst willen? Kai M. A. Chan und MitautorInnen sprechen von instrumentellem und intrinsischem Wert. Beide stellen Pole dar, die nicht die Lebensrealität spiegeln. Menschen beurteilen ihre Beziehung zur Natur und anderen „unter Einbeziehung der für ein gutes Leben zuträglichen Handlungen und Gewohnheiten ... [Diese] relationalen Werte wohnen nicht Dingen inne, sondern sind von Beziehungen und Verantwortlichkeiten diesen gegenüber abgeleitet“. Seit mittlerweile Jahrzehnten werden die Für und Wider insbesondere an den tropischen Regenwäldern aufgehängt. Für die in ihnen lebenden Menschen ist ihre angestammte Nutzung überlebensnotwendig. Regierungen und vor allem diese beeinflussende Interessenvertreter vertreiben jene Menschen mit dem längst überholten Argument, dass sie durch ihre Nutzung die Wälder zerstören würden. Auch in diesem Fall ist die Auseinandersetzung zwischen dem Stärkeren, der vorgebXXI

lich öffentliches Interesse vertritt, und dem Schwächeren, dessen Argumente im besten Fall ignoriert wurden, längst entschieden. Solche Überlegungen sind schon Escobars „dekolonialisiertem Blick auf die Natur“ zugrunde gelegen.42 Interessanterweise hält sich jedenfalls hartnäckig die Diskussion, ob nicht doch der von kleinen Dorfgemeinschaften betriebene Brandrodungsfeldbau die nachhaltigere Wirtschaftsform ist.43 Zur gleichen Zeit wird heftig die Frage diskutiert, was denn Natur ist, für wen sie welchen Wert hat und wie die politischen Akteure damit umgehen (sollen),44 wenn sie etwa mit dem „Problem“ konfrontiert werden, bis zu welchem Ausmaß städtischen Parkbesuchern der Anblick von verrottendem Holz zugemutet werden kann.45 Bäume wurden für zukünftige Generationen gepflanzt. Hat jemals jemand erhoben, wo überall auf dieser Welt es üblich war, zur Geburt eines Kindes einen Baum zu setzen? Das ist weit mehr als ein Brauch, das ist verantwortliches Handeln. Es gibt tatsächlich Menschen, die darin Profitvergeudung sehen. Geschockt vom Waldsterben, das unter anderem eine wahrscheinlich allzu ertragsorientierte Bewirtschaftung als Monokultur zur Ursache hat, erwägen betroffene Bauern in Österreich, ob sie nicht Paulownien als Ersatzpflanzungen ausbringen sollen.46 Diese Baumart vergrößert in so kurzer Zeit ihr Volumen, dass ihr mengenmäßiger Ertrag weit rascher lukrierbar ist, als es die bislang gesetzten Wirtschaftsbäume jemals zu leisten imstande waren. In wenigen Jahren schlagreife Sauerstoffspender großflächig als Monokulturen auszusetzen, taugt bestenfalls als kurzzeitige Überbrückungshilfe. Zur Lösung der Problematik unserer offensichtlich an kurzfristigen ökonomischen Interessen orientierten Konsumgewohnheiten tragen sie sicher nicht bei. (Mit welch anderem Hintergrund gerade dieses Holz in früherer Zeit in Japan seine Verwendung fand, wird im Buch auf p. 37 erwähnt.) Die Wachstumsgeschwindigkeit von Holz ist an seinen Jahresringen ablesbar. Die darin ebenfalls ablesbare Dichte von Holz geht mit verschiedenen physikalischen, chemischen und anatomischen Eigenschaften des Holzes Hand in Hand. Zahlreiche Untersuchungen an diversen Baumarten legen die Vermutung nahe, dass der durch den Klimawandel verursachte Stress das Wachstum von Frühholz-artigen Zellen im Spätholz und umgekehrt verursachen könnte. Größere jährliche Schwankungen in den Wachstumsbedingungen könnten zu ernstzunehmenden Qualitätseinbußen des Holzes führen.47 (Das Thema Jahrringdichte und Auswirkungen auf verbaute Holzteile werden im Buch unter anderem auf p. 11 und 33 angesprochen.) Artenvielfalt ist eine Voraussetzung für gesunden Wald. Waldschadensbilder sind nicht mehr fantasierte Schreckensszenarien von Spezialisten. Immer kürzer werden die Abstände, in denen sogenannte Schädlinge eine weitere Baumart flächendeckend dahinraffen. Das sind die Zeichen, die niemand mehr ignorieren kann. Was haben uns wissenschaftliche Berichte interessiert, die die Umwandlung von Regenwäldern in Gummibaum- und Ölbaumplantagen thematisierten?48 Und selbst wenn durch solche Umwandlungen die Veränderung von Wasserkreisläufen nachgewiesen wird,49 führt das noch immer nicht zum Nachdenken über globale Zusammenhänge. Der Zuwachs von Dürren und Überflutungen zwingt immer mehr Menschen, sich nach neuen Siedlungsplätzen umzusehen. Monokulturen zerstören nachhaltig die Böden. In der Tierzucht hinterfragen wir inzwischen den massiven Einsatz XXII

von Futterzusatzstoffen und Medikamenten. Wann werden wir den Einsatz von Dünger und Pestiziden für Wälder in Frage stellen? Ich verfolge mit Begeisterung Weiterentwicklungen wie das Tragwerk des Golfclubs in Yeoju in Südkorea.50 Dort greift man auf klassische Blattverbindungen zurück; sicher nicht aus nostalgischen Gründen, sondern weil sie in der speziellen Aufgabenstellung die effektivste Lösung darstellen. Schon vor hundert Jahren haben Zimmerleute im Klingschrot doppelt gekrümmte Flächen gefügt. Als Entwicklungsprozess betrachtet, weckt ein solcher Rückgriff auf eine in Jahrhunderten entwickelte und stets weiter verbesserte Technologie die Hoffnung, dass noch mehrere tradierte Baudetails wieder in den Fokus intensiverer Erkundung und adaptierter Verwendung rücken. Die Problematik von Stahlverbindern im Brandfall ist für den Holzbau oft genug benannt worden. Doch Entwicklungen verlaufen nicht geradlinig. Umwege sind ihre Kennzeichen. Blattverbindungen mussten immer sehr exakt gearbeitet werden, weil sie sichtbar sind. Dennoch kann sich keine Handarbeit mit der Exaktheit einer maschinell gefrästen Verbindung messen, zumindest solange sie unter ähnlichen wirtschaftlichen Bedingungen ausgeführt wird. Rund um den Globus gibt es genügend Belege dafür, dass die Summierung handwerklich hergestellter Verbindungen in einem Bauwerk zu dessen Deformierung führen kann. (Die Gründe dafür werden im Buch ausführlich behandelt.) Mit vielleicht noch größerer Euphorie habe ich einen Versuch von Steffen Reichert und Achim Menges am Institute for Computational Design der Architekturfakultät der Universität Stuttgart aufgenommen. Mit ihrer „reaktiven Wandfläche“51 beziehen sie sich auf den reagiblen, reversiblen Mechanismus eines Fichtenzapfens gegenüber zunehmender und abnehmender Luftfeuchtigkeit. Ich beschreibe im Buch das Prinzip der Dichtigkeit von Holzbrunnen, Fässern oder Kommoden japanischer Kaufleute zum Verstauen von Geschäftspapieren als geniale Nutzung einer (mit den modernen Holzverbundwerkstoffen weitgehend beseitigten) Eigenschaft von Holz, reaktiv auf die Feuchtigkeitssättigung des umgebenden Raums zu antworten. Auch in früherer Zeit kämpften alle Holzverarbeiter mit diesem Problem, und sie fanden Lösungen. Der große Unterschied zur heutigen Zeit ist, dass die Bewältigung dieses Problems dereinst großes Erfahrungswissen forderte. Heute will niemand auf erfahrene, gut ausgebildete und damit teure Fachkräfte angewiesen sein. Welche Investition ist nachhaltiger, jene in Maschinen oder in Menschen? Das erwähnte Beispiel gehört zu jener Art von Forschung, in der ich das größte Potenzial meines Themas für zukünftige Entwicklungen im Bauwesen sehe: Holz wird hier nicht energiereich veredelt, um seiner Charakteristika beraubt zu werden, sondern dient als Anregung für kreative Spiele, die fraglos höchst sinnvoll ins Bauen integriert werden können. Andere Wissenschaften scheuen sich schon lange nicht, natürliche Phänomene zu kopieren. Ob man nun Architektur als Kunst oder Wissenschaft sehen will – wie wäre es mit „und“ –, die Unzufriedenheit mit der überkommenen Architekturausbildung und die Überzeugung, dass Architektur nicht nur von akademisch geprüften Architekten produziert werden kann, hat seit der Nachkriegszeit revolutionäre Ergebnisse gezeitigt. Einige Protagonisten dieser Bewegung werden heute als Wegbereiter des zeitgenössischen Holzbaus auf den Schild gehoben und gehören, Ironie der Geschichte oder logische Konsequenz, XXIII

zum universitären Establishment. Ihre Entwicklung einer neuen Formensprache war und ist Ausdruck des Wunsches, sich von den als einengend empfundenen Fesseln traditioneller Holzarchitektur zu befreien. Die Entwicklung auf dem Gebiet der Bauphysik hat Standards hervorgebracht, hinter die es kein Zurück gibt. Der zeitgenössische Holzbau kann die geweckten Hoffnungen und bestehenden Anforderungen hinsichtlich Dämmung, Schallschutz, Isolierung usw. erfüllen. All diese Entwicklungen bedingten und beförderten einander. Intensive Forschungen zum Brandverhalten von Holz haben die Waage entgegen den traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs wieder stark zugunsten seiner Nutzung geneigt. Die Berechenbarkeit der Abbrandzeit erlaubt exakte Vorhersagen, wie lange ein Holzhaus im Vollbrand seine Tragfähigkeit behält, wie lange also Rettungspersonal, gesichert gegen ein Einstürzen von Bauteilen, Evakuierungsmaßnahmen durchführen kann. Der Pritzkerpreisträger des Jahres 2014 hat Stahlträger mit Holzbrettern verkleidet, um den Stahlkern eines Bürogebäudes gegen Feuer zu schützen.52 Shigeru Ban hat damit einmal mehr neueste Erkenntnisse höchst innovativ umgesetzt. Holz ist extrem anfällig gegenüber dem Kontakt mit Wasser, aber es wurde dennoch immer auch erfolgreich als Schutzhülle gegen Wasser eingesetzt. Vielleicht hat Ban die in Japan über Jahrhunderte gepflegte Dichotomie von Holz und Wasser vor Augen gehabt und konsequent auf eine Dichotomie von Holz und Feuer transponiert. Wenn mehr und mehr rationale Einwände gegen Holzbauten zu greifen aufhören, dringen ganz von selbst auch wieder ihre emotionalen Qualitäten in den Fokus der Nutzer: ihre Wärme, ihre Vermittlung von Behaglichkeit und Geborgenheit. Die Textur von Holz gebrauchten ja sogar seine baustofflichen Hauptkonkurrenten Beton und Stahl. Ob es bei den damit angesprochenen Holzverkleidungen im Einzelfall nur um Dekor oder ein „grünes Mäntelchen“ geht, steht dahin. In jedem Fall gelingt es offenbar über die visuelle Wahrnehmung, Reize im Betrachtenden auszulösen, die bei ihm willkommene Reaktionsmuster anleiten. Das ist eine bemerkenswerte Erscheinung im Hinblick auf die Komplexität von Materialrezeption. Vor Jahren hat mir eine Freundin begeistert erzählt, dass sie sich vor Kurzem dieses Buch besorgt habe. Sie beantwortete ungefragt die eingangs gestellte Frage nach dessen Faszination. Die Lektüre habe ihre Neugier am Material Holz geweckt, an seinen Eigenschaften und was man daraus gemacht hat. Diese Leserin hat nichts mit Holz zu tun, nichts mit Architektur, sie ist eine empfindsame Musikerin. Während einiger freier Tage ist sie durch eine norddeutsche Fachwerkstadt spaziert und hat im Angesicht der Häuser über das Gelesene vor Ort nachgedacht. Dabei ist ihr eine Geschichte nach der anderen wieder eingefallen. Es ist die Inhomogenität des Materials, die zum Hinschauen verlockt, die Irregularität, die Authentizität – noch so ein schwieriger Begriff, der bisweilen an Sentimentalität andockt. Die in diesem Buch vorgestellten Holzbauten sind nicht sentimental gebaut. Sie reagieren auf Notwendigkeiten. Die Achtung vor dem Material findet praktisch statt. In der Beschreibung der mannigfaltigen Tätigkeiten, die schlussendlich in einem benutzbaren Gebäude gipfeln, ersteht nicht die Natur wieder auf, werden keine XXIV

alten Zeiten glorifiziert. Der Mensch agiert in Reaktion auf natürliche Bedingungen und Gegebenheiten. Der Mensch kooperiert mit der Natur. Beide leben miteinander. Es besteht kein Zweifel, wer in dieser Partnerschaft der Gewährende, der fraglos Stärkere ist. Nur die alten, wirklich natürlichen Baustoffe Holz, Lehm und Stein sind nach ihrer Nutzung restlos im Naturkreislauf integrierbar. Das Verständnis für die Forderung nach Wiederverwendbarkeit der Baumaterialien als eine Voraussetzung für kostenehrlicheres Bauen nimmt zu. Die Wiederverwendung von verbautem Holz in neuer Nutzung ist ein roter Faden der Baugeschichte. Aber die neuen Holzwerkstoffe sind auf diese Befähigung noch nicht getestet. Und nach wie vor und in jedem Fall besteht die nachhaltigste Lösung in der möglichst langen Nutzung eines Gebäudes, sofern diese wenig schädigend ist. Adaptierung und Nachrüstung alter Gebäude gewinnen an Attraktivität. Das kann nicht nur an sentimentaler Nostalgie liegen. Jahrhundertealte Häuser strahlen Zuversicht aus, dass sie auch zukünftig ihren Zweck erfüllen können. Die Fügung der handwerklich gebauten Holzhäuser hat sich bislang als die langlebigste herausgestellt. Reine Holzverbindungen scheinen ihren Beitrag zur Beständigkeit des Gebauten geleistet zu haben.

1 vgl. junsato.k.u-tokyo.ac.jp/Essay.htm#Treehouse_ in_Setagaya 2 Sato, 2022, p. 74 3 Österlund, Wikar, 2019, p. 135 4 ibid., p. 134 5 Adorno, 2003, p. 218 6 Jackson, 2011, p. 29 7 Kenter, 2016; Flint et al., 2013 8 vgl. Andō et al., 1995, 2010 9 vgl. Kawashima, 1973, 1976 10 Zwerger, 2011, 2020 11 Zhang, 2012 12 Liu, 2017. Mittlerweile liegt eine überarbeitete und stark erweiterte Fassung publiziert vor (2021). 13 Harrer, 2010 14 vgl. z. B. Mattheck, 1993, 2007 15 vgl. z. B. Shigo, 1985; Müller et al., 2014 16 vgl. Self, 2019 17 vgl. Allner et al., 2022 18 vgl. das Beispiel vom Baumhaus in Setagaya, p. IX–X 19 Coxworth, 2022 20 Demandt, 2014, p. 7 21 ibid., p. 14 22 Radkau, 2007 23 Hudert et al., 2019, p. 59 24 Schulze et al., 2012 25 ibid., p. 613 26 Moe, 2019, p. 22 27 Mattheck, Kubler, 1995, p. IX 28 https://en.wikipedia.org/wiki/Tsunekazu_Nishioka (Zugriff 08.04.2022) 29 vgl. Roudavski et al., 2020 30 Johnson, 2007, p. 62

31 Heidegger, 1954, p. 49–50 (aus: Vorlesung im Wintersemester 1951–1952, Die Stundenübergänge von I zu II) 32 Johnson, 2007, p. 72 33 Jax et al., 2018, p. 23 34 ibid. 35 Dschuang Dsi 1965 (1976), Kap. 1 36 ibid., Kap. 4 37 Wong, 2009, p. 576 38 Ruether, 1975 39 Warren, 2000, p. 5 40 ibid., p. 24 41 Chan et al., 2016, p. 1462 42 Escobar, 2008 43 vgl. Michon et al., 2007 44 vgl. Bujis et al., 2013; Irvine et al., 2016; Kenter et al., 2015; Schaubroeck, 2017 45 Hauru et al., 2014 46 Ich danke Karlheinz Wirnsberger, dass er mich auf solche angestellte Überlegungen aufmerksam gemacht hat. 47 vgl. Olivar et al., 2015, p. 257–258 48 vgl. Junggebauer et al., 2021 49 Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, 2017. Kritische Untersuchungen gibt es schon viel früher. Dass die Kritik nicht unberechtigt sein kann, legen nicht zuletzt von politischen Stellen erzwungene Einstellungen solcher Untersuchungen nahe (vgl. z. B.: Ziegler et al., 2009). 50 Jeska, Pascha, 2014, p. 69 51 vgl. ibid., p. 93 52 vgl. McQuaid, 2003, p. 92–97

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Das Material Eigenschaften von Holz „Wenn ein Holzbearbeiter geeignete Werkzeuge und Techniken bei einem guten Stück Holz anwendet, dann wird seine Vorstellungskraft ausschließlich von der Natur seines Materials eingeschränkt – eines Materials, das oftmals sein eigenes Leben zu haben scheint.“1 Jedes Material ist gekennzeichnet durch ihm eigene charakteristische Eigenschaften. Ihre Kenntnis ist die notwendige Voraussetzung für eine ihm angemessene Verarbeitung. Holz lässt es besonders stark und unangenehm spüren, wenn man es nicht richtig behandelt, sei es aus Fahrlässigkeit oder aus Unkenntnis. Aber Holz versperrt sich auch einer Betrachtungsweise, die seine Eigenschaf­ ten einfach aufschlüsseln will in mechanische, physikalische und chemische. Viele heutige Lehrbücher versuchen, das Material auf diese Weise verarbeitungsgerecht darzustellen. Drehwüchsigkeit, Krümmungen, Farbabweichungen sind, wenn überhaupt, nur un­ter auszuscheidenden Anomalien erwähnt, Schönheit ist als untechni­ scher Begriff ein Fremdwort. Alle Eigenschaften des Holzes sind vernetzt. Sie bedingen einander oder sind voneinander abhängig, so dass derartige Einteilungen schlicht und einfach zu kurz greifen, will man den Zusammenhang zwischen den Materialeigenschaften und der Kultur der handwerk­ lichen Holzverarbeitung erklären. Die Belastbarkeiten von Holz auf Zug (Ill. 1) und Druck (Ill. 2; Ill. 3), auf Biegung (Ill. 4) und Abscherung, um die mechanischen Eigenschaf­ ten aufzuzählen, müssen so unmittelbar und bildhaft betrachtet werden, wie sie sich einst der Lehrling auf dem langen Weg zur Mei­sterschaft vor Augen geführt hat. Die praktische Aufarbeitung des Gesehenen in tätiger Arbeit und täglicher Übung könnten ohne­ dies nur mehr sehr wenige kompetent lenken. Grundlegende Bedeutung für die Belastbarkeit von Holz hat die Querschnittsdimensionierung. Die vielfach anzutreffende Überdimensionierung älterer Bauteile, die vermutlich nicht unwesentlich von Proportionalitätsüberlegungen, also von ästhetischen Kriterien mitbestimmt war, trug unleugbar zur Schonung des Materials bei. Andere Autoren stellen solche Überdimensionierungen in Abrede und weisen nach, „dass die untersuchten Holzkonstruktionen aus der Zeit von 1000 bis 1800 oft bis an die Grenze ihrer Tragfähigkeit beansprucht sind“.2 Bei David Gilly heißt es 1797: „So schnitt z. B. der Maschinenmeister Reuss aus Dresden die zusammenstehenden starken Hängesäulen im hiesigen Opernhause zum Vortheil der Maschinerie dergestalt aus, dass man einen schmalen Durchgang durch beide Hängesäulen erhielt. Er wusste sehr wohl, dass die Hängesäu­len noch stark genug blieben, um eine jede daran gehängte Last zu tragen.“3 Beispiele für die Überdimensionierung sind die teilweise noch heute originalen Säulen in norwegischen Stabkirchen,4 die Schweizer Holzbrücken, die heutigem Schwerlastverkehr standhal­ten,5 oder japanische Tempel und Schreine. Der Brand des Hōryū-ji 1949 kann als Beispiel dafür gesehen werden, welchen Belastun­gen Holz trotz eines Alters von 1200 Jahren standhalten kann. Der gewaltigen Dimension der Säulen von jeweils eineinhalb Me­tern Durchmesser ist sicher mit zu danken, dass genügend unzerstörte Substanz erhalten geblieben ist, um ein großenteils intaktes Überleben des Bauwerks zu gewährleisten.6 Ganz im

1  Die Verstrebungen dieser Brücke zwi­schen Appenzell und Schlatt (CH) sind so fest eingespannt, dass aufgrund einer Set­zung der vorderen linken Ecke das Holz gerissen ist.

2  Die Belastbarkeit in Faserrichtung ist technisch gesehen am größten. Bei der Anwendung in einem Bauwerk gilt aber dennoch, dass bei steigendem Druck die Anfälligkeit zu knicken wächst. – Stall­ gebäude eines Bauernhofs in Zaunhof/ Tirol (A)

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4  Die Biegsamkeit von Holz lässt sich auf ganz simple Weise ausnutzen. – Zuberec (SK)

Gegensatz dazu stehen die in unserer Zeit manchmal „unsinnigerweise vorgeschriebenen Standardgrößen für alle Pfosten, die teilweise größer aus­gefallen wären, wenn die Konstruktion nach logischen Gesichtspunk­ten ausgeführt worden wäre“.7 Dabei ist Holz selbst relativ leicht, was der einst übliche Transport von Häusern und Kirchen hinlänglich beweist. Ein besonders kurioses Beispiel ist aus dem Dorf Kiscsány im heutigen Ungarn überliefert. Unter die Sohlenbalken der reformierten Kirche wurden starke Holzachsen gelegt, als diese 1764 im sumpfigen Gelände zu versinken drohte, und an diesen Räder befestigt. Unter der Mithilfe der Gemeinde zogen Ochsen die Kirche eineinhalb Kilometer weit in Sicherheit.8 Auch heute macht man sich diese Tatsache zunutze, die einst den Begriff „fahrende Habe“ geprägt hat. In der Schweiz werden alte Speicher einer Zweitnutzung als Ferienhäuser im wahr­­ sten Sinne des Wortes zugeführt.9 Auch in Japan lässt manches darauf schließen, dass Schreine tragbar gebaut waren. Noch heute gibt es Bräuche, Schreine zu bestimmten Festtagen herumzutra­ gen.10 Wurde noch brauchbares Holz nicht mehr in seiner alten Funktion benötigt, hatte man Grund genug, es wiederzuverwenden. (Ill. 5) Es ersparte den Nutzern eine Menge Arbeit und hatte vor allem seine Qualität schon unter Beweis gestellt. Selbst an Bauten, bei de­nen nicht nur auf den ersten Blick nicht gespart wurde, sind zahlreiche Belege für wiederverwendetes Holz gefunden worden. Im sogenannten Versteckten Dach (siehe p. 193ff.) japanischer Tempelbauten sind bei Reparaturen immer wieder an anderer Stelle ausgebaute wiederverwendete Hölzer entdeckt worden.11 Spektakuläre Beispiele für dieses Vorgehen sind die Scheune in Jordans/Bucking­ hamshire (GB) aus dem Holz der Mayflower12 oder die Herstellung von Geigen aus den Balken und Sparren der Liebfrauenkirche in München.13 „Das Holz hat unter allen natürlichen Werkstoffen die ausgewogensten Eigenschaften und lässt sich verhältnismäßig einfach bearbei­ ten.“14 Dies ist wohl einer der Gründe, warum sogar im baumlosen Island mit Holz gebaut worden ist. Man war zumindest einmal überzeugt, dass der Baum eine Seele hat. In Japan gibt es noch heute die Ansicht, dass eine solche auch dem Holz zugesprochen werden kann. An die Oberfläche tritt diese Seele in der Schönheit des Holzes. Die enge Verbundenheit mit dem Material offenbart sich nicht zuletzt darin, dass es zumeist

3  Druckbelastetes, liegendes Holz kann in der Regel nicht ausweichen, wird aber gequetscht. Wenn möglich, werden da­her dem Druck die stehenden Jahresringe entgegengestellt. – Fachwerkschwelle in Oslo (N)

5  Der Eckständer dieser Scheune in Zaun­hof/Tirol (A) ist aus zwei älteren Ständern zusammengesetzt. Man kann dies an den Blattsassen und Nagellöchern einstiger Verstrebungshölzer ablesen.

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gänzlich unbehandelt bleibt.15 Nur wer barfüßig oder in Socken einen Holzboden betritt, lernt dessen Textur sehen, erfährt den Unterschied zwischen wenigen breiten Brettern und vielen schmalen. Ausgesucht werden sie nach der Schönheit ihrer Maserung, deshalb kommt dabei viel darauf an, wie ein Stamm aufgeschnitten wird. Die tiefe, nahezu religiöse Verehrung, die man in Japan dem Baum zuteilwerden lässt, findet ihren Ausdruck in einem eigenen Wort: kodama, der Geist des Baumes.16 Wenn man nach positiven Eigenschaften des Holzes fragt, ist eine der ersten Antworten: seine Wärme. Und diese ist tatsächlich darstellbar. Nur 14 bis 15 cm beträgt die durchschnittliche Wandstärke der Häuser im Goms (CH), einem Tal in 1500 m Höhe.17 Nicht wirklich gerecht wird dieser Begriff von Wärme den uns geläufigen Vorstellungen. Eine beständige Raumtemperatur nach unserem Geschmack würde traditionelle Holzbauten sehr rasch zugrunde ge­hen lassen. Wer einen Baum betrachtet, mag sich von ihm zeigen lassen, wie die Naturkräfte an und in ihm wirken. (Ill. 6) Je älter er geworden ist, desto mehr vermag er zu erzählen – welchen Wirrnissen er hat trotzen müssen, wie er mit ihnen fertig geworden ist, wie er immer wieder der Schwerkraft entgegengerichtet die Balance gefunden hat. Er zeigt eine Formenvielfalt, die man nur abschauen muss, um sie dann gezielt einzusetzen. Es ist noch nicht so lange her, da wussten Menschen den Baum so zu nutzen, wie er war. Wem er zu kurz war, um die gewünschte Raumtiefe zu überdecken, der musste Zwischenständer, die „Tyrannen des Grundrisses“ akzeptieren. (Ill. 7; Ill. 8) Erst die geniale Entwicklung der Hängesäule (siehe p. 186ff.) erlaubte im Holzbau eine sukzessive Vergrößerung freier Überspan­nungen. (Ill. 9)

6  Kampferbaum vor dem Shoren-in in Kyoto (J)

8  Im Senjōkaku in Miyajima/Hiroshima (J) wird das Dach von rasterartig verteil­ ten Stützen getragen.

9  Zweigeteilte Hängesäulen tragen die Binderbalken im Schloss Thürntal/ Nieder­öster­reich (A).

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7  Von Stützen getragener Unterzug des Speichers in Primmersdorf/Niederöster­ reich (A)

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Die Bindungen zwischen dem das Holz Verarbeitenden und dem zu verarbeitenden Material setzten schon im Wald ein. Standort und Aussehen eines Baumes waren maßgebliche Kriterien für seinen Verwendungszweck. Der Baumeister selbst suchte aus. Der Bauer als Baumeister beobachtete seinen Wald, ob er ihn besaß oder nicht, und wusste daher um noch einige Details mehr Bescheid, die für die Verarbeitung belangreich sein könnten. „Schindelbaum“ ist einer von verschiedenen Namen, die solchem Wissen ihren Namen verdanken. Die allem natürlich Gewachsenen zukommende Eigenart schafft nicht nur die Unterscheidbarkeit jedes Hauses in einem Dorf. Sie liegt auch schon in der Einzigartigkeit eines jeden Baumes, eines jeden Pfostens und Balkens begriffen. Am schönsten bringen dies die Norweger zum Ausdruck. In ganz dezenter Weise wird die Flä­chenhaftigkeit der perfekt dicht schließenden Wand durch Nutenziehen an den einzelnen Balken in Horizontalrichtung aufgelöst, die Wand in ihre Bestandteile vereinzelt und damit in ihrer Einzigartigkeit gewürdigt. (Ill. 10) Astfreies, gerades Holz wächst nur im dichten, geschlossenen Wald­verband. Eine wohl kaum wieder zum Leben zu erweckende Baukultur, wie sie uns in vielen Holzbaudenkmälern begegnet, demonstriert gerade in der Verwendung von Holz, so wie es uns die Natur zur Verfügung stellt, am augenfälligsten, wie sehr ökonomische Zwänge und der von uns geforderte Lebensstandard unsere Formensprache hat verarmen lassen. Viele Fachwerke beispielsweise sind geradezu geprägt von den krummen Hölzern. Die ursprünglich ökonomische Forderung, auch nicht gerades Holz zu benutzen, erfuhr so breite Akzeptanz, dass in späterer Zeit krummes Holz künst­lich hergestellt wurde.18 Man war mit den zumeist ja doch auch ­Gesetzen folgenden unregelmäßigen Bestandteilen des Baumes so ver­traut, dass bestimmte Holzformen für bestimmte Verwendungszwecke prädestiniert erschienen. (Ill. 11; Ill. 12) In Japan ist diese Tradition noch nicht so gründlich ausgerottet wie in West- und weiten Teilen Osteuropas. Unter dem Einfluss der sukiya-Philosophie, die ihren Ausdruck im Teehaus-Stil fand,19 ha­ben die Japaner ein ganz besonderes Gefühl zu ungewöhnlich gewachsenen Hölzern entwickelt. (Ill. 13) Sie suchen geradezu

13  Viele, unglaublich komplizierte Balkenlagen, wie diese im Sakuta-Haus/ Chiba (J), im Nihon minka en, sind Ausdruck von Ressourcenmangel.

10  Sehr zarte Nuten säumen nicht nur die Balkenköpfe, sondern gliedern auch die Wand dieses Loft in Åmotsdal/ Tele­mark (N).

11  Die natürliche Krümmung wird form­entsprechend als wasserabweisen­ der Ablauf der Regenrinne genutzt. (aus: Loewe, 1969, p. 132)

12  Die krummen Hölzer erlauben eine Konstruktion, die ihnen im nahezu immer­feuchten Salzkammergut eine Bodenberührung erspart. – Gössl/ Steier­mark (A)

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14  Der Besitzer dieses minka in Shirakawa-mura/Gifu (J) verbirgt nicht seine Begei­sterung an außergewöhnlich geformten Holzstücken.

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Wuchs­anomalien. (Ill. 14) Nicht anders als im Westen kann auch hier der Bedarf nicht gedeckt werden. Die Folge ist eine industrielle Produktion von Wuchsanomalien. Beispiele dafür sind die Kitayama sugi, eine künstlich im Wachstum beeinflusste Zeder, oder shibori maruta, wenn um den Zedernstamm Hartplastikstücke gebunden werden, die mindestens ein Jahr lang den Baum zwingen, eine extrem unruhige Oberfäche zu produzieren. Es kommt nur noch ganz selten vor, dass der Standort eines Baumes in die Überlegungen zu seiner Verwendbarkeit einfließt. Dabei kann gerade dieser Umstand ein böses Erwachen verursachen oder aber sinnvoll genutzt werden. Einzeln und exponiert stehende Bäume müssen dem ständigen Wind- und Wettereinfluss Widerstand entgegensetzen. Die Folge ist, dass sie ihren Kern nach Norden verlagern. Ungleiche Dichte an der Nord- und Südseite des Holzes sind die Folge. Die weichere Südseite schwindet beim Trocknen stärker als die härtere Nordseite. Das Wissen um diese ­Eigen­schaft und die Kenntnis des Holzes lassen den Zimmermann diese Eigenschaft ausnutzen. In waagrechter Verwendung legt er die Nordseite nach oben und baut den Baum „vorgespannt“ ein. Auch in senkrechter Form lässt sich diese Unregelmäßigkeit einsetzen.20 Fichte ist nicht gleich Fichte. Bäume, die in dichtem Verband wach­ sen, haben ungünstigere Wachstumsbedingungen und produzie­ ren daher dichteres Holz. Dieses gilt in der Regel als wertvoller.21 Besonders beliebt sind nordische Hölzer, weil sowohl die Dauer als auch die Strenge des Winters ein besonders langsames Wachstum erzwingen. Eine weitere sehr geschätzte Eigenschaft bei der Holzverarbeitung ist der Umstand, dass beim Nadelholz unter den genannten extremen Bedingungen weniger bzw. keine starken Äste wachsen.22 Der Wuchs im geschlossenen Waldverband sichert aber keineswegs gleichförmiges Material. Nicht umsonst legt man japanischen Zim­ merleuten die Aussage in den Mund, dass man nicht ein Stück Holz kaufen sollte, sondern den ganzen Berg.23 Der vor wenigen Jahren gestorbene Meisterzimmermann Nishioka Tsunekazu soll sich beim Wiederaufbau des Yakushi-ji, eines Tempels in Nara aus der Zeit, als die Stadt ein politisches und kulturelles Zentrum war (710–794), daran orientiert haben, dass Holz seinem Schlägerungsort gemäß verbaut wurde: also Holz vom Südhang an der Südseite ...24 In die­ ser Konsequenz erscheint Europäern eine solche Einstellung zum Material zumindest übertrieben. Allerdings weiß man, „dass für Einfirsthöfe im Tegernseer Tal gezielt einzelne, langsam gewachsene Stämme von nordseitigen Hängen ... ausgewählt wurden“.25 Eine Eigenschaft, die man dem Baum vielfach schon von außen ansieht, ist die Orientierung seiner Fasern; er ist geradwüchsig oder drehwüchsig. Rechtsdrehwüchsiges Holz wird allgemein als brauch­ bar eingestuft. Vor sogenanntem mitsonnigem oder nachsonni­ gem Holz (Holz, das in der Richtung aufgehende Sonne – Mittag – untergehende Sonne wächst, also wie eine linksgängige Schraube) wird aber eindringlich gewarnt.26 Genau umgekehrt soll es sich beim Schindelholz verhalten. Der Schindelmacher zog linksgängiges Holz vor, weil es sich angeblich besser spalten ließ.27 Bei der heutigen Verwendung von Holz kann man auf Schritt und Tritt die Nichtberücksichtigung dieser Holzeigenschaft konstatieren. (Ill. 15) Aber auch Zeugen alter Holzbaukunst legen unmissverständlich Zeugnis von begangenen Fahrlässigkeiten ab. (Ill. 16) Auf der anderen Seite gewinnt man als aufmerksamer Betrachter doch den Eindruck, dass man fast nur an alten Beispielen rücksichts­

15  Auch komplizierte Holzverbindun­ gen hätten ein Drehen des Holzes nicht verhin­dern können. – Holzbrücke in Umhau­sen/Tirol (A)

16  Der Schub des Eckständers dieses Glockenturms in Malé Ozorovce (SK) unterstützt die Drehbewegung des dreh­ wüchsigen Schwellholzes. Da es wegen des Hakenblattes nicht ausweichen kann, muss es reißen.

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vollen bzw. umsichtigen Umgang mit dem Material studieren kann. Wenn der Zufall als Gestaltungsfaktor auszuschließen ist und der Hinweis auf ein überholtes „verspieltes Künstlertum“ nicht wirklich glaubwürdig erscheint, muss man sich fragen, ob solch alte Zeugnisse wie die japanischen Tempel nicht Anlass sein könnten, sich des Guten am vorindustriellen Handwerk zu erinnern. (Ill. 17) Wer sein Holz selbst zurichtet, weiß genau über seine Beschaffenheit Bescheid und kann dieses Wissen bei der Auswahl von Bohlen oder Pfosten für bestimmte Aufgaben bestmöglich umsetzen. Wer sein Holz im arbeitsteiligen Prozess zurichten lässt und es sich wenigstens anschaut, kann noch manche Erkenntnis über die Eigen­tümlichkeit des vor ihm liegenden Pfostens herauslesen. Wer jedoch dem heute üblichen Verarbeitungsprozess vollkommen folgt, der muss auf die Entwicklung eines seinen Vorstellungen angepassten „Holzes“ drängen. Diverse Methoden sind entwickelt worden, um dem Problem der Wertminderung der Gesamtmenge des geschlägerten Holzes wäh­rend des Trocknungsprozesses zu begegnen. Eine recht erfolgreiche war das Ringeln. So sollen die ausgesuchten Kiefern für die Stabkirche in Heddal geköpft worden sein, wenn sie die erforderliche Größe erreicht hatten. Am Fuß entfernte man ein kleines Stück Rinde. So am weiteren Emporwachsen gehindert, wuchs der Baum nur mehr sehr langsam. Er wurde extrem hart und engringig. Zugleich imprägnierte sich die Kiefer durch ihr Harz selbst. Erst 20 bis 30 Jahre später wurde sie dann gefällt. Vor der Verarbeitung wurde sie schließlich noch viele Jahre getrocknet.28 (Ill. 18)

17  An diesem Konsolkomplex der Yakushi-ji Ostpagode/Nara (J) wird von Lage zu Lage die Holzrichtung geändert, um die Folgen eines eventuellen Reißens der Blöcke bestmöglich abzuschwächen.

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18  Die anlässlich der Renovierung im Jahre 1952 neu eingesetzten Stäbe der Stabkirche in Heddal/Telemark (N) sind an den bis zu 2 cm breiten Klüften erkenn­­bar, neben denen die feinen Risse der alten Stäbe nahezu unsichtbar blei­ben.

Man kann wohl davon ausgehen, dass nicht allein das Ringeln den erwünschten Erfolg bescherte. Eine Vielzahl von handwerkliches Wissen transportierenden Sprüchen zeigt, wie wichtig man den „richtigen“ Schlägerungszeitpunkt genommen hat. Die berühmte, von Grubenmann gebaute Schaffhausener Brücke (1755–1757) musste schon 28 Jahre nach ihrer Fertigstellung saniert werden, „weil man bei der Erbauung unzeitiges Holz genommen“ hatte.29 In die Festsetzung des richtigen Schlägerungszeitpunktes gehen jedenfalls nicht erst heutigentags ökonomische Überlegungen ein. Zur Winterszeit wurde in früherer Zeit nicht gebaut, also waren Arbeitskräfte frei und kostengünstig verfügbar. Im Winter konnte in den Bergen geschlägertes Holz vergleichsweise unproblematisch ins Tal gebracht werden. Im Winter geschlagenes Holz ist widerstands­fähiger gegen Pilzbefall, und zumindest vom Bläuepilz befallenes Holz wird sich früher nicht leichter verkaufen lassen haben als heute. Zudem ist Holz sehr lange Zeit grün eingebaut worden und sollte natürlich auch im verbauten Zustand nicht von Pilzen befallen werden. Und schlussendlich lässt sich frisch geschlagenes Holz viel leichter spalten bzw. mit der Axt bearbeiten als trockenes.30 Viele der während der Zeit der Industrialisierung in Vergessenheit geratenen Sprüche – wie etwa: „Wer sein Holz um Christmett fällt, dem sein Haus gar ewig hält“ – sind während der letzten Jahrzehnte wieder ausgegraben worden. Eine Reaktionsbewegung stellte alle Usancen in Frage, die den alten Regeln widersprachen. Heute

19  Der verschiedene Querschnitt von Wurzel- und Zopfende muss berücksich­ tigt werden, will man in der Waagrechten blei­ben. – Einhof aus Murau/Steiermark (A), Freilichtmuseum Stübing

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soll­ten sich solche Diskussionen erübrigen, ob nur der einst geübte Brauch, das Holz im Winter zu schlagen, als Erfahrungswert jahrhundertelanger Übung jenen Recht gibt, die sich darauf berufen. Forschungen sind zu dem Ergebnis gelangt, dass die Unterschiede zwischen sommer- und wintergefälltem Holz nach einem Jahr luft­ trockener Lagerung ausgeglichen sind.31 Bäume wachsen pyramidenförmig. Wurzel- und Zopfende haben daher unterschiedliche Durchmesser. (Ill. 19) Ästhetisch vollendet zum Ausdruck gebracht haben die Rücksichtnahme darauf einmal mehr die Norweger. Das Emporstrebende des Baumes ist perfekt in die Stabkirchen übertragen worden. Mit weit zurückgeneigtem Kopf glaubt man im Wald in die Baumwipfel zu schauen. (Ill. 20)

20  Die Verjüngung der Stäbe in Torpo/ Hal­ling­dal (N) nach oben zu wird durch die plastische Ausformung eines Kopfes in ihrer Gerichtetheit effektvoll unter­­ strichen.

Wurzel- und Zopfende haben darüber hinaus auch verschiedene Festigkeitseigenschaften.32 In Japan gibt es für die verschiedenen Variationsmöglichkeiten, Wurzel- und Zopfende zu verbinden, eigene Bezeichnungen.33 Neben dem ästhetischen Hintergrund scheint der handfest praktische sehr rasch durchschaubar zu sein, wenn man versucht, die eine oder andere der hochkomplexen Verbindun­gen nachzuschneiden. Eine weitere Eigenart charakterisiert den Aufbau des Baumes. Kern- und Splintholz haben, bedingt durch ihre klar getrennte Funktion im Baum, sehr unterschiedliche Eigenschaften. Die teilweise verschiedene Färbung ist ein sichtbarer Unterschied. Für den Einbau von Holz wesentlich sind jedoch ganz andere. Das Haupt19

problem mit Splintholz ist seine Anfälligkeit gegen Schädlingsbefall. (Ill. 21) Die einfachste Lösung, sich der Probleme zu entledigen, die einem Splintholz aufbürdet, wäre, es generell wegzuschneiden. Dass dies nicht unbedingt nötig ist, zeigen viele Blockbauten. Auch hier ha­ben die Norweger eine geradezu geniale Lösung gefunden, die Eigenschaften des Materials bestmöglich zu nutzen: Die Unterseite der Blockbalken erhielt eine V-förmige Nut. Durch das Gewicht der auflastenden Balkenlagen wird das weichere Splintholz des jeweils darunterliegenden Balkens in die darüberliegende Nut hineingepresst, wodurch der Verband absolut dicht wird. Darüber hinaus wird den Balken auf diese Weise weitgehend die Möglichkeit genommen, sich aus ihrer Lage zu drehen. Ähnlich wie die Nordseite des ganzen Baumes verhält sich die Kernseite des halbierten, bzw. Südseite und Splintseite unter dem Einfluss des Trocknungsprozesses. Das dichtere Kernholz verliert durch Trocknung weniger Volumen als das Splintholz. Das im Wachstum begünstigte südseitige Holz eines Baumes verändert nach der Fällung stärker seine Form als nordseitiges. Beim Vollholz neigt der Splint zum Reißen. (Ill. 22) Der Zimmermann Tanaka Fumio musste für einen Tempelbau zweimal die Säulen auswechseln, weil sie ris­sen, obwohl sie 20 Jahre lang luftgetrocknet waren (künstliche Trock­nung ist für solch große Querschnitte technisch noch nicht möglich)!34 Wesentlich pragmatischer verfährt man bei der alle 20 Jahre vorgenommenen Rekonstruktion des Ise-jingu, des bedeutendsten Shinto-Heiligtums. Dort werden, wie an vielen anderen Bauten, die aus Vollholz errichtet sind, vorsorglich an nicht einsehbarer Stelle die Hölzer bis zum Kern mit einer Nut versehen, um einem Reißen an sichtbarer Stelle vorzubeugen.35 Japan leistete sich einst den Luxus, Tempelsäulen, Säulen von To­ren und dergleichen aus Halbhölzern herzustellen, um die Gefahr des Reißens zu minimieren. Dies wirft heute bei vielen Restauratio­ nen das Problem auf, woher solche gigantischen Bäume genom­ men wer­den sollen. Und selbst beim Halbholz reißt das Holz an der Kernseite vom Mark her. (Ill. 23; Ill. 24) Nur „die Alten“ verstanden das Holz so gut zu behandeln, dass auch beschlagene Halbhölzer, bei denen eine Flucht das Mark berührte, von größeren Rissen frei blie­ben.36 (Ill. 25) Vor der Verarbeitung sollte Holz getrocknet werden. Ob Holz in der Rinde oder aber entrindet getrocknet wird, ist nicht einerlei. Dies hängt wesentlich von der Holzart ab. Aber die Differenzierung geht noch weiter. Lärchenholz, das zu Schindeln verarbeitet werden sollte, ließ man in der Rinde trocknen. Für die Lufttrocknung schwanken die Angaben zwischen zwei und drei Jahren.37 Heute wird in der Regel nur noch künstlich getrocknet. Die Notwendigkeit, auf einen bestimmten Feuchtigkeitsgehalt reduziertes Holz einzubauen, ist heute allgemein anerkannt. Dies war nicht immer so. Bis in die Spät­gotik wurde Holz saftfrisch verzimmert.38 Ab wann es üblich wurde, Bauholz vor der Verarbeitung zu trocknen, ist nicht bekannt.39 Wie auch die Eigenschaften frischen Holzes sinnvoll zu nutzen wa­ren, wusste jeder Bauer. „Beim Anfertigen der hölzernen Heu- und Getreidegabeln kommt es auf die Verbindung frischen und getrockneten Eschenholzes an: durch die runden Bohrlöcher der noch nachgiebigen Gabelzinken werden die kantigen, ausgetrockneten Nägel getrieben. Diese fressen sich beim Austrocknen und Zusammenzie­ hen der Zinken untrennbar in diese ein.“40 Genau dieses Prinzip liegt der Holznagelverbindung zugrunde (vgl. p. 122ff.).

21  An dieser Scheune in Solvorn/ Sogn (N) gibt es keinen Balken, der nicht schwerst beschädigt ist.

22  Der Eckständer des Muro-ji hondō bei Muro mura/Nara (J) musste der Span­ nung im Splint nachgeben.

23  Die Gratabdeckung an der Stab­ kirche in Heddal/Telemark (N) wird ihrer Funk­tion nicht allzu lange gerecht werden.

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In Japan wird Holz im Gegensatz zu Europa üblicherweise stehend (mit dem Zopfende nach unten) gelagert und getrocknet. Dies muss, wenigstens bis zum Erreichen der Fasersättigungsfeuchte, Vorteile haben, weil es für farbempfindliche Hölzer, wie beispielsweise Ahorn, auch in Europa empfohlen wird. Holz wird nicht getrocknet, damit es besser brennt. Und trotzdem ist eine immer wieder leidvoll gewonnene Erfahrung der Menschheit, dass Holzhäuser brennbar sind. Bruno Taut hat man in Japan den Rat gegeben, Feuer zu schreien, wenn er einen Einbrecher antreffen sollte. Nur dies garantiere die Hilfe anderer.41 In kriegerischen Auseinandersetzungen ist diese Eigenschaft des Holzes so konsequent ausgenutzt worden, dass kaum eine Diskussion über Holzbauten abläuft, in der nicht diese „negative“ Eigenschaft angesprochen wird. Neben der Holzart und der Beschaffenheit der Oberfläche gibt das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen den wesentlichen Ausschlag für das Brandverhalten. Jedoch kann auch die einst übliche Überdimensionierung im Verbund mit heutigen Löschmethoden die weitere Dezimierung von Zeugnissen kulturel­ ler Leistungen nicht verhindern. (Ill. 26)

24  Der eingelegte zweiseitige Schwal­ ben­schwanzdübel soll ein Weiterreißen des Balkens vom Mark her verhindern. Die Sorge des Besitzers galt wohl vor allem dem letztendlich in Mitleiden­ schaft gezogenen Türständer. – Sighetu Marmat˛iei/Maramures˛ (RO)

25  Selbst bei Bohlen lässt sich noch an der Ausformung der Risse ablesen, wie Holz trocknet. – Eingangsbereich des Zuisen-­ji hondō in Inami machi/ Toyama (J)

Seit Jahrtausenden weiß der Mensch auch die für ihn positiven Einwirkungen von Feuer auf das Holz einzusetzen. Noch heute werden Pfosten, die eingegraben werden sollen, angekohlt, ebenso wie in Japan Holzverkleidungen, um sie vor Termitenbefall zu schützen. Noch ausgeprägter tritt die Ambivalenz von Holz und Wasser in Erscheinung. Wird Holz gefällt, zerstört man seine lebensnotwendigen Versorgungseinrichtungen. Sein Aufbau bedingt ab diesem Zeitpunkt stete Wasserabgabe, bis das Gleichgewicht zur umgebenden Luftfeuchtigkeit hergestellt ist. Damit verbunden ist eine Volumenminderung des Holzes. Die Zellen des Splintholzes, die mehr Wasser abgeben, verändern ihr Gefüge stärker als die dem Mark näher liegenden Kernholzzellen. Ebenso unterschiedlich ist das Schwundverhalten des Holzes in radialer Richtung im Vergleich zur vertikalen. Im Blockbau kommt diese Eigenschaft besonders stark zum Ausdruck. Trotz zweijähriger Trockenzeit ließ man der Blockwand zumindest einen Sommer Zeit, ihr Setzrecht einzufordern, bevor man daranging, Fenster und Türen einzubauen.42 (Ill. 27)  Die Öffnungen in der Blockwand waren aber nicht das einzige

26  Die 1992 abgebrannte Stabkirche in Fantoft bei Bergen/Hordaland (N)

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27  Das Fenster in der Kirche in Ruská Bystrá (SK) ist auf Gehrung eingesetzt und erspart damit eine über die Wand­ flucht vorstehende Rahmung. Diese vermeintlich kluge Maßnahme hat aber ein Auseinanderklaffen der betroffenen Wandbohlen zur Folge.

Problem. Die Blockbalken setzen sich innerhalb der Wand stärker als an den Verbindungsstellen. Es musste also Setzluft ausgespart bleiben. Dies schwächt den Verband an der heikelsten Stelle. In Russland wurde das Blockhaus aus frischem Holz errichtet und so eine Zeit lang der Lufttrocknung zum Setzen der Blockkränze ausgesetzt. Dann wurde es wieder auseinandergenommen und endgültig zusammengebaut, wobei die Fugen mit Moos ausgestopft wurden.43 Norwegens Zimmerleute erwarben sich eine Erfahrung, die es ihnen erlaubte, Stabbau und Blockbau zu verbinden – eine große Leistung, vergegenwärtigt man sich das unterschiedliche Schwundverhalten von stehend und liegend verbautem Holz.44 Als Folge jahrhundertelanger Beobachtung ist es dem Menschen gelungen, sich die Gesetzmäßigkeit dieser Eigenschaft als Wissen zu erwerben. Erst jetzt war er in der Lage, Tür- und Fensterstöcke zugleich mit dem Abbund einzusetzen. Die für diesen Verwendungszweck erdachten Vorkehrungen lassen sich natürlich auf das ganze Bauwerk übertragen. (Ill. 28) Die Mittelsäule vieler japanischer Pagoden steht nicht am Boden, sondern wird von der umrah­menden Konstruktion getragen.45 Nishioka Tsunekazu griff bei sei­ner Rekonstruktion der zweiten Pagode des Yakushi-ji auf die ältere Methode zurück, bei der die Mittelsäule Bodenkontakt hat. Damit die Säule im Laufe der Jahre nicht die tragende Konstruktion zerstört, wenn sie sich langsam setzt, musste der Meisterzimmermann genauestens kalkulieren, wie hoch die Säule bei ihrer Aufstellung zu unterkeilen war.46

28  Unmittelbar nach der Errichtung die­ses Gebäudes aus dem Ise-jinguKomplex/Mie (J) ist noch deutlich die Setzluft für den Rähmbalken zu sehen. Die perfekt dicht schließenden Wände werden sich im Laufe der Jahre setzen und mit ihnen der aufliegende Rähm­ balken.

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Wie das Holz Wasser an seine Umgebung abgibt, so nimmt es von dieser die Feuchtigkeit auf. Die Klimaschwankungen in Japan las­ sen diesen Umstand seine Bewohner weitaus intensiver erleben als die Europäer. Sehr lange hat sich die Überlegung gehalten, ob es nicht doch dem im 8. Jahrhundert errichteten Blockbau des Tōdaiji shōsōin (Nara) zuzuschreiben ist, dass die in ihm aufbewahrten Schätze bis zum heutigen Tag unversehrt erhalten geblieben sind, zumal Messungen ergeben haben, dass die Luftfeuchtigkeit im Inneren während des ganzen Jahres praktisch konstant ist.47 Diese Eigenschaft des Holzes stellt den Verarbeitenden vor enorme Probleme, muss er ihr doch immer geistig vorausschauend gerecht werden. Andererseits lässt gerade diese Eigenschaft den Architek­ ten Seike Holz als Baumaterial allen anderen vorziehen.48 Wie viele andere japanische Architekten wohnen nicht in Holzhäusern, auch wenn sie das Material sonst in keinem ihrer Bauten verwenden? Schon Jules Fletcher, der Gesandte Englands in Russland in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, kam zum Schluss, dass Holzbauten für die Russen viel zweckmäßiger wären als solche aus Stein oder Zie­gel, weil es in ihnen viel trockener und wärmer wäre.49 Feuchtigkeit, Spritzwasser und Schlagregen können unter bestimm­ ten Bedingungen Holz zerstören. Wenn Holz nass wird, muss, so wie nach seiner Schlägerung, sichergestellt sein, dass es möglichst rasch wieder trocknen kann. Nur im Wasser bzw. unter Luftabschluss sind viele Holzarten gegen den Angriff von Pilzen und Insekten gefeit. 1877 wurde die Ecke eines Blockhauses aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. in Österreich durch einen Erdrutsch freigelegt. Dies zeigt, wie lange Holz unter Idealbedingungen haltbar wäre. In der Flößerei, die denTransport großer Mengen Holzes sehr erleichtert, hat man sich diesen Umstand zunutze gemacht. Eingegrabene oder direkt auf den Boden gestellte Hölzer sind dem Verfall absehbar preisgegeben. (Ill. 29) Dennoch werden, vermutlich zur Unterstreichung der Traditionspflege, die Pfosten des Ise-jingu nach wie vor bei jeder Rekonstruktion der Anlage eingegra­ben. Das für die Pfostenlöcher ausgehobene Erdreich wird mit Gips vermischt, und anschließend werden die Pfosten mit diesem Gemisch festgestampft. (Ill. 30) So eigenwillig es anmutet, gerade Gips zu benutzen, der doch Wasser anzieht,50 gibt es auch andere interessante, nicht so ohne Weiteres nachvollziehbare Beispiele des Holzschutzes, die Resultat langer Erfahrung sein müssen. In Rumänien wurden quer über Eichensohlschwellen Pfosten gelegt. Ortho­gonal über diese Bohlen kamen schwächere Bretter. Um ein Faulen dieser Bretter zu verhindern, wurde der vorhandene Zwischen­raum mit Baummoos und Sand gefüllt – und nicht etwa leer belassen, um Luftzirkulation zu ermöglichen.51 Eine Lösung des Problems erzielte man, indem man die Ständer auf Fundamentsteine stellte. (Ill. 31) Bei massiven Säulen mit teilweise unglaublichen Durchmessern kam erschwerend hinzu, dass die Säu­lenbasis dem untergelegten Stein sehr sorgfältig angepasst wer­den musste, sollte die altgewohnte Standfestigkeit erhalten bleiben. (Ill. 32) Als man dazu überging, die Fundamentsteine zu behauen, musste man zugleich für eine Belüftung der Säulenbasis sorgen. Auf dem flachen Stein blieb das Wasser stehen und wurde vom Hirnholz des Ständers aufgesaugt.52 (Ill. 33) Am gefährdetsten ist Hirnholz, jene Schnittfläche, die sich zeigt, wenn ein Stück Holz orthogonal zur Wuchsrichtung aufgeschnit­ ten wird. (Ill. 34) Alles Mögliche hat man sich einfallen lassen, um es zu schützen. (Ill. 35) In Japan ging man daran, das Hirnholz aus

29  An der Übergangsstelle Boden – Luft wird das Holz am stärksten angegriffen, wie diese Torii des Zeniarai benten in Kamakura/Kanagawa (J) zeigen.

30  Die Pfosten des Ise-jingu werden durch Kupferblech gegen die Feuchtig­ keit des Erdreichs etwas abgeschirmt.

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32  Ständerwald des Hōryū-ji kōfūzō/Ikaruga (J)

31  Die Zimmerleute waren bereit, viele Stunden in eine perfekte Anpassung der Stütze an den Fundamentstein zu inves­ tieren. – Fujimi/Saitama (J)

34  Die Rofen dieser Scheune in Galgenuel/Vorarlberg (A) lassen deutlich die schwächste Stelle von Holz erkennen.

33  Die Ständerfüße des Tō-ji kodō/ Kyoto (J) haben alle Belüftungsnuten.

35  Die Vorköpfe der Blockbalken wurden zum Schutz oft verbrettert. – Bauernhaus aus Gaschurn/Vorarlberg (A)

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36  Am Tō-ji kondō/Kyoto (J) sind Schwelle, Riegel und Rähm so verbunden, dass kein Hirnholz mehr der Witterung preis­gege­ben wird.

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37  Links: Die relativ flach liegenden ge­hackten Schindeln auf dem Kirchen­ dach von Inovce (SK) werden wahrschein­ lich we­sent­lich älter als die gesägten senk­rechten Bretter.

dem Gefährdungsbereich (das ist der Sichtbereich) verschwinden zu lassen. (Ill. 36) Auch wenn die Belüftung funktioniert, muss man akzeptieren, dass die aufgeschnittenen Holzzellen das Wasser wie ein Schwamm aufsaugen. Wo immer Holz in der Länge beschnitten werden muss, gibt es kein Ausweichen. Bearbeitung längs der Faser deckt deutlich den Zwiespalt zwischen ökonomischen Zwängen und Idealvorstellungen auf. Tatsache ist, dass die Säge die Holzzellen aufreißt und damit verhindert, dass das Wasser wie an gehacktem Holz auf kürzestem Wege abrinnt. (Ill. 37) Verwendet man gesägtes Holz, sollte man es eigentlich umso genauer prüfen. Die Säge setzt sich über die Faserrichtung hinweg und öffnet so dem Wasser auch dort Hirnholz, wo man es gar nicht erwartet. (Ill. 38) Mit dem Beil oder der Axt bearbeitetes Holz, ebenso wie handgehobeltes, ist maschinengehobeltem nicht gleichzusetzen. Handbearbeitetes Holz wird zwar nur in Ausnahmefällen den Eindruck einer glatteren Oberfläche vermitteln, lässt aber die Holzzellen tatsächlich unzerstört. Nishioka ließ alle Hölzer des Yakushi-ji für die endgültige Oberfläche händisch aushobeln. Noch im 20. Jahrhundert wurden im niederösterreichischen Schneeberggebiet sogenannte Schlie­ ßen als Unterlagshölzer für Dippelbäume53 gehackt, weil sie fester und dauerhafter waren als gesägtes Holz. Der Unterschied der Ober­ flächenbeschaffenheit gesägter und gebeilter Hölzer lässt sich tat­ sächlich „begreifen“. Zur Unterstützung der materialen Notwendigkeit, Holz rasch trock­ nen zu lassen, ist auch eine Vielzahl baulicher Lösungen entstan­ den. Dies beginnt bei Detaillösungen, wie etwa ganz einfachen Abdeckbrettern (Ill. 39), und kann zu recht aufwendigen Lösungen füh­ren, wie den Abflusslöchern in den Schwellbalken norwegischer Stabkirchen (Ill. 40) oder so sinnreichen wie den Abflussrinnen in den Sohlbänken schlesischer Umgebindehäuser.54 Auch die Nuten der japanischen Regentüren (amado) bedurften natürlich einer Was­serableitung. In Russland stellte man die Schalbretter des Daches in die Dachrinne, die am tiefsten Punkt durch ein Abflussloch entwässerte.55 Es entstand eine Vielzahl von Lösungen, deren Aufwand uns heute unangemessen erscheint. Zumindest früher hat die nur durch sorgfältige Arbeit zu erzielende lange Lebensdauer den Aufwand der Herstellung gerechtfertigt. (Ill. 41; Ill. 42) Profilierungen, die vielfach nur als Dekoration oder Stilmerkmal gesehen werden, sind, wenigstens entwicklungsgeschichtlich,

38  Oben: Am schnellsten werden die Holz­­stücke zerstört, deren Zellaufbau am wenigsten parallel zur Schnittfläche verläuft und von der Säge rücksichtslos in Form geschnit­ten wurde. – Stadthaus in Hagi/Yama­guchi (J)

39  Abdeckbretter schützen die vorkra­gen­den Ankerbalkenköpfe der Stän­der­kon­struktion des Kiyomizu-dera in Kyoto (J).

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40  In der sval-Schwelle der Stabkirche in Urnes/Sogn (N) sind deutlich Abfluss­ löcher zu erkennen. 41  „Kleinstdächer“ schützen Schwelle und alle Riegelhölzer der Kirche in Hronsek (SK).

aus keinem anderen Grund angebracht worden als zum Zweck der Wasserableitung.56 (Ill. 43) Vielfach muss man erst darauf gestoßen werden, welch ebenso sinnreiche wie dezente Ausformungen entwickelt wurden. Weit ausladende (Ill. 44) oder tief heruntergezogene Dächer, Klebedächer (Ill. 45), Veranden und Vorlauben sind Vorkehrungen im Großen. In ihren vielgestaltigen Ausformungen haben die Wetterdächer nicht unwesentlich das Aussehen der Bau­werke mitbestimmt. Der russische Powal, quasi eine konstruktive Umkehr des Ansdaches, hat die Aufgabe, das Regenwasser möglichst weit von der Blockwand entfernt abzuleiten.57 Auf die Hilfestellung des in seiner natürlichen Widerstandskraft noch nicht gebrochenen Baumes hat der Mensch lange Zeit nicht verzichten können. Als Wetterschutzbaum wurde er der von Wind und Wetter meistbelasteten Wand vorgepflanzt. Als Verkleidungsmaterial von Wänden und Dächern übernimmt das Holz selbst die Schutzfunktion. (Ill. 46) Senkrecht eingesetzt, wie es dem Material entspricht (Ill. 47), oder auch waagrecht aus ästhetischen Gründen (Ill. 48), verbirgt die Verschalung nicht selten die dahinterliegende Konstruktion. Wie man Wände verbrettert und Dächer verschindelt hat, so wurden umgekehrt auch Wände verschindelt und Dächer verbrettert (Ill. 49), primär gemäß lokaler Tradition. Die Schindel eignete sich noch vorzüglich, jede erdenkliche geometrische Form einzuhüllen. (Ill. 50; Ill. 51) Für die Verschindelung der Zwiebeltürme half man allerdings nach: Um eine dicht anliegende Hülle zu schaffen, produzierte man gekrümmte Schin­ del.58

42  Die Wand der Kirche in Bogdan Vodaˇ/Maramures˛ (RO) ist so hoch, dass man in halber Höhe ein Pultdach zum Schutz vor Schlagregen angebracht hat.

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43  Tropfnasen von Sparrenköpfen (nach: Opderbecke, 1909, fig. 269) 44  Nur die weit ausladenden Dächer schützen die Ständerkonstruktionen der takakura und das in ihnen gelagerte Speichergut vor den im Ostchinesischen Meer tobenden Taifunen. – Amami Oshi­ ma/Okinawa (J)

47  Wie so viele Blockbaukirchen ist auch die in Ladomirová (SK) mit senk­ rechten Brettern verschalt. 45  Schutzverkleidungen für Wand und Wandöffnungen in Hundwil/Appenzell (CH)

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48  Wandverbretterung in Hagi/ Yama­guchi (J)

46  Auf der Wetterseite ist die Holz­ brücke in Strengen/Tirol (A) gänzlich verbrettert. 50  Verschindelung eines Dachgrates in Potoky (SK) 49  Unsere Zeit lässt eine so verspielte und dekorative Verschindelung wie frü­her nicht mehr zu. Detail einer teilwei­ sen Erneuerung der Wandverkleidung in Schwende/Vorarlberg (A)

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51  Auch die Säulen des sval der Stab­ kirche in Eidsborg/Telemark (N) sind verschindelt. 52  Eine Holzwand schützt den Lehm­ mantel des Speichers des Chiba-Hauses in Iwate Futsukamachi/Iwate (J).

Körperhaft vor das zu schützende Bauwerk gestellt, kann die Funktion der Verschalung in eine das Erscheinungsbild prägende Eigenständigkeit übergehen. (Ill. 52) Die Anfälligkeit des Holzes gegenüber Feuchtigkeit zeigt, wie entscheidend die Bedeutung ausreichender Belüftung ist. „Trocken ver­legte“ Hölzer sind jedoch dem Menschen für Wohnzwecke zu unwirtlich. Das Hauptanwendungsgebiet waren Wirtschaftsbauten. (Ill. 53) Mit dem Vorteil für das Bauwerk selbst verband man die Chance, etwa das gelagerte Heu nachzutrocknen. Ein weiterer Plus­punkt war das geringere Gewicht. Sogar Sakralbauten wurden luf­tig gezimmert. Die russischen Sommerkirchen waren deswegen großzügiger ausgestattet, während die Winterkirchen oder Warmkirchen mit ihren abgedichteten Fugen (Ill. 54) der längeren Dauer des russischen Winters umso schneller ihren Tribut zollen muss­ ten.59 In der Schweiz kannte man Speicher mit zwei hintereinandergestellten Türen, eine äußere, luftdurchlässige, die Sommertüre, und eine massive innere.60 In Japan hat die Notwendigkeit der Belüftung eine so bedeutende Rolle, dass sie zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Nur einem Fremden fällt auf, dass alle Bauten vom Boden hochgehoben sind. (Ill. 55) Ihre Beziehungslosigkeit zum Baumaterial ihres Hauses offenbaren nicht erst heute viele Menschen. (Ill. 56) Im Barock wurde es üblich, die Fassaden der Fachwerkhäuser zu verputzen. Man wollte nicht hinter den Steinhäusern der Kirche und des Adels zurückstehen.61 Auch heute lassen sich jede Menge solcher Beispiele finden. (Ill. 57)  Dem Holzbauwerk hat es oftmals weniger Schaden zugefügt, wenn

53  Luftig gezimmerte Scheune in Köfels/Tirol (A)

54  Die in verschiedener Art ausgefüllten Fugen zwischen Balken werden anschlie­ßend noch mit Lehm verschmiert. – Block­bau in Sˇumiak (SK)

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56  Mit Ytong-Blöcken wird ein Umge­ binde in Obercunnersdorf/Sachsen (D) preiswert renoviert. 55  Minka in Shirakawa mura/Gifu (J)

58  Senkrechte Nuten in den Blockbal­ ken dieses Umgebindehauses in Hirsch­ felde/Sachsen (D) sollen Steinquader­ mauer­werk vortäuschen. 57  Die verputzte Blendmauer vor der Fachwerkwand in Berga/Thüringen (D) lässt gerade dort Wasser stehen, wo die Balkenenden des auskragenden Ober­ geschosses aufliegen.

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mangels finanzieller Mittel Sparvarianten den Wunsch nach Angleichung an reiche Vorbilder erfüllen mussten. (Ill. 58) Zur Dauerhaftigkeit von Holzbauten gibt es verständlicherweise kaum konkrete Zahlen. (Ill. 59) Zu den vielen genannten Eigenschaf­ ten von Holz, die in ihrer Summe eben darüber entscheiden, wie lange ein Bauwerk besteht, gesellt sich als Faktor die Willkür des Menschen. Als Benutzer obliegt es weitgehend ihm selbst, bestandserhaltende Maßnahmen zu setzen oder nicht, mit dem Material Holz zu leben oder gegen es anzukämpfen. Wir wissen heute, dass es keinen Befall durch Schädlinge gibt, ob tierischer oder pflanzlicher Art, solange ihnen die Lebensgrundlage entzogen bleibt.62 Viele Holzarten schützen sich durch ihre Inhaltsstoffe selbst. Viele sind uns bekannt, manche bis heute nicht.63 Warum haben Termiten so gut wie alle älteren Holzbauten im Südpazifik zerstört, nur nicht in Japan?64 Es ist eine Ironie des Schicksals, dass gerade Holzbauten des Bud­dhismus, einer Religion, die die Vergänglichkeit aller Dinge zum Thema hat, die größten (Tōdai-ji) und die ältesten (Hōryū-ji/7. Jahrhundert) noch existierenden sind. Indem wir der Natur gehorchen, überwinden wir sie, sagt Lord Bacon. Wirklich überwunden haben sie die alten Japaner. Nach jedem Todesfall bauten sie ein neues Haus. In der Akzeptanz der Vergänglichkeit ihres Menschseins wa­ren sie frei, die Vergänglichkeit des Baumaterials zu akzeptieren. Sie fanden keinen hinreichenden Grund, ein stabiles Haus zu errichten.65

59  Astansätze, wie an dieser Traufe der Kirche in Petäjävesi (FIN), tragen wesent­ lich zur Dauerhaftigkeit und vielleicht auch dank ihrer möglichen Schlankheit zu ästhetischem Reiz bei.

Holzarten Viele Hölzer haben einen ganz charakteristischen Geruch. Eiche riecht säuerlich, Tanne riecht unangenehm. Die wenigsten dieser Gerüche sind sprachlich vermittelbar, abgesehen davon, dass die von ihnen ausgelösten Empfindungen subjektiv wahrgenommen wer­ den. Die in diesem Zusammenhang interessierenden Unterscheidungskriterien sind zwei andere: zum einen ihr unterschiedliches Aussehen und zum Zweiten ihre für einen bestimmten Verwendungszweck beste Eignung. „Bäume, welche vorzüglich zum Bauen brauchbar sind, ... haben dennoch sehr von einander abweichende, ungleichartige Eigenschaften; denn die Eiche taugt nicht zu dem, wozu die Tanne, noch die Cypresse zu dem, wozu die Ulme ... Sie sind sammt und sonders in ihrem Wesen von einander unterschieden, weil sie aus besonderen Bestandtheilen zusammengesetzt sind; daher denn die Einen, vermöge ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit, zu die­sem, die Anderen zu jenem Gebrauche vorzüglich geschickt sind.“66 Die Eignung einer bestimmten Holzart hängt wiederum ab vom Be­arbeitungswiderstand67, von ihrem Aufbau, von der Dauerhaftig­ keit, von ihrem Stehvermögen, das heißt von ihrem Verformungs­ widerstand gegenüber Witterungseinflüssen, und von ihrer Ver­füg­barkeit. Die Römer bemerkten einst besonders krass bei der Er­richtung ihrer Befestigungsbauten, wie notwendig Flexibilität gegenüber der Verwendung gewohnter Materialien war. Die Bauformen und Bauweisen wollten sie ja doch nicht ändern. So muss­ten sie in England alsbald aus Mangel auf Eiche verzichten zugunsten von Kiefer und der wohl nicht gerade dauerhaften Erle.68 Die zur Verfügung stehende Holzart dürfte primäres Auswahlkriterium sein.69 Zunehmende Kenntnis der Eigenschaften spezieller Holz­arten lenkt die Wahl vermehrt auf ganz bestimmte von ihnen. Die Holzverbindungen müssen dem Holz und der Bauweise 32

Rechnung tragen. Hartholz ermöglicht andere Verbindungen als Weichholz. Die teilweise unglaublich zarten Hölzer, die im shoinund sukiya-Stil70 zur Verarbeitung gelangten und in der Edo-Zeit (1603–1868) nach ästhetischen Kriterien verbaut wurden, die auch das geübte Auge manchmal ratlos über die Konstruktion rätseln lassen, erfordern andere Verbindungstechniken als meterdicke Schwellbalken. Kurze krumme Hölzer (Ill. 60) erzwingen ein anderes Konstruktionsgefüge und damit andere Verbindungstechniken als lange gerade. (Ill. 61) Nach ihrem Aufbau werden im Allgemeinen Weichholz, Hartholz und Tropenhölzer unterschieden. In Europa kamen praktisch ausschließlich die beiden erstgenannten Gruppen zur Anwendung, wäh­rend man in Japan seit Langem neben den einheimischen Holz­ arten auch auf die dritte Gruppe zurückgegriffen hat. Die langfaserigen Koniferen liefern unter „günstigen“ Wuchsbedingungen lan­ ges, gerades, teilweise harziges Holz, das im Schnitt eine geringere Festigkeit aufweist als das Laubholz. Sehr vereinfacht gesagt lässt sich das Tropenholz zu den beiden anderen Arten durch die nicht zu erkennenden Zuwachszonen abgrenzen, die bei den anderen als Jahresringe in Erscheinung treten. Zu den Koniferen ist zunächst zu sagen, dass die heute übliche Gleich­setzung von Fichten- und Tannenholz71 keine alte ist. Die gleiche Biegungsfestigkeit sicherte ihnen aber schon im Fachwerk eine gemischte Verwendung. Für diesen Verwendungszweck wurden sie sogar der auf Zug und Druck stärker belastbaren Eiche oder auch der durch ihren Harzgehalt zwar „wetterfesten“, aber vergleichsweise spröden Kiefer vorgezogen.72 Während sie bauphysikalisch also gleich sind, werden Fichte und Tanne durch Aussehen, Geruch und Harzgehalt und vor allem durch

60  Beim Bau des Hauses der Familie Hirose scheint jedes Stück Holz will­ kommen gewesen zu sein. – Freilicht­ museum Nihon minka en in Kawasaki shi (J)

61  1199, als Tōdai-ji nandaimon/Nara (J) nach seiner Zerstörung durch einen Tai­fun wiedererrichtet wurde, stand noch ausreichend Holz für die Auswahl der nahezu 20 m langen Säulen zur Ver­fü­gung.

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ihr erreichbares Lebensalter signifikant gekennzeichnet. Die Tanne wird über 400 Jahre alt, die Fichte gerade 120.73 In Äquivalenz zum vergleichsweise hohen Lebensalter des Baumes dürfte die Dauerhaftigkeit des Tannenholzes stehen.74 Es kann also kein Zufall sein (und auch keine Verwechslung), dass Grubenmanns Abrechnung für die Brücke in Wettingen (CH) neben Eiche nur Tanne auflistet.75 Auch in Rumänien war man von ihren Qualitäten überzeugt. Im Norden für alle Bauaufgaben eingesetzt, was ihr als rumänisches Spezifikum auch den Einsatz als ausschließliches Bauholz für Kirchen bescherte, „weil auf rumänischem Boden die Kirchen, im Gro­ßen und Ganzen, dem Typus der Wohnungen der betreffenden Regio­nen entsprechen“. Als Schwellenholz war die Tanne in ganz Rumänien beliebt,76 in der Gegend zwischen Sibiu und Bras¸ov hingegen die Fichte.77 In Finnland fanden die Zweige der Tanne als Nägel Verwendung.78 Nur als zweite Wahl galt das Tannenholz in Russland und Polen.79 In England wusste man hingegen die Riga-, Memel- und Danzigtannen sehr wohl zu schätzen. Dort wurden sie bereits ab dem 13. Jahrhundert importiert.80 Das Schicksal, nur als zweite Wahl gefragt zu sein, war auch der Fichte bestimmt.81 Kiefer und Lärche sind die zwei anderen in Europa weit verbreiteten Nadelhölzer. Die auch in Japan heimische Kiefer (matsu) galt ebenfalls immer als zweitbeste Lösung.82 Reichlich Verwendung findet sie heute aber noch immer als Dachstuhlholz.83 So krumm und kurz können die Bäume gar nicht sein, dass sie nicht trotzdem eingebaut würden. Ja, der japanische Zimmermann des minka (= Haus der einfachen Leute) betrachtete die durch das Material erschwerten Bedingungen geradezu als Herausforderung. „Die Balkenanordnung des Dachstuhls wurde zu dem Teil des Hauses, an dem er am besten seine herausragenden Fähigkeiten zeigen konnte.“84 Auch wenn die Kiefer zum Verdrehen neigt und, wie die Lärche, noch nach Jahrzehnten stark arbeitet, hatte sie im Norden ihre Anhänger. Die Norweger verwendeten sie für alle tragenden Hölzer und Stabwände.85 In Schweden, wo sie im Allgemeinen grün verbaut wurde,86 und in Finnland und Lappland war sie neben der Birke schon seit der Steinzeit87 das wichtigste Bauholz.88 Zur Ost- und Nordsee hin war die Kiefer das einzig adäquate Holz, als keine Eiche mehr zur Verfügung stand.89 In Polen war sie so wertvoll, dass sie nur für Schwellen Verwendung fand.90 In Russland wurde ihr Kernholz gleichberechtigt neben Fichten- und Lärchenholz eingesetzt.91 In Karelien waren unbehauene Föhrenstämme das übliche Material für den Blockbau.92 Dennoch beharrt der Fachmann Klöckner: „Das geeignetste Holz für den Blockbau“ sei die Lärche.93 Davon zeugen Beispiele im heutigen Südpolen94 ebenso wie viele slowakische Kirchen und die Häuser im Goms oder im Val d’Herens (CH). Heute beurteilt man die Lärche nach ihrer Verarbeitbarkeit mit Maschinen: zwar sehr widerstandsfähig, aber widerspanig und häufig von sichelförmigem Wuchs.95 In Korrelation zu seinem volumenmäßig geringen Vorkommen wurde Wacholder nur für Nägel und Dübel verwendet.96 Die Eibe kam einfach zu selten vor, um ihren Eigenschaften entsprechend eingesetzt zu werden. Ein Sonderfall ist die Kirche in Hervartov (SK), die großenteils aus Eibe errichtet wurde; in Trocˇany und Kezˇma­ rok (SK) gilt dies nur für Teile der Kirchen.97 Wie bedeutend die Wahl der richtigen Holzart ist, zeigt ein überzeugendes Beispiel. Die Säu­len der Kirche in Kezˇmarok aus Lärchenholz wurden vor 100 Jahren für so baufällig befunden, dass man sie zwar nicht entfern34

62  Die der Kirche in Kežmarok (SK) zur Entlastung der alten geschnitzten Säulen beigestellten Stützen mussten mittler­ weile schon wieder saniert werden.

te, aber mit solchen aus Kiefer unterstützte. In der Zwischenzeit hatten die Entlastungssäulen, von Pilzbefall schwer beeinträchtigt, ihre Funktion wieder an die alten, noch immer ihre Aufgabe erfüllenden Lärchensäulen abtreten müssen, bis die schadhaften Teile ausgewech­selt waren. Man darf annehmen, dass die mangelnde Sorgfalt bei der Auswahl, der Trocknung und möglicherweise auch beim Einbau das Ihre zum raschen Verfall eines sonst so erprobten Holzes beigetragen haben. (Ill. 62) In Japan sind Fichte und Tanne nicht heimisch. Stattdessen sind neben vielen Kiefernarten und der Lärche (kara matsu) noch sugi und hinoki vertreten, das Zedernholz und die Zypresse. Die auffällige Textur hat die Zeder zu einem besonders beliebten Holz für den Ausbau gemacht. Sie ist vergleichsweise weich und, wie die Zypresse, leicht zu bearbeiten. Diese Eigenschaft charakterisiert einen deutlichen Unterschied zu den bei uns benutzten Nadelhölzern. Es war dies eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass in Japan das Nadelholz im Bauen eine so überragende Rolle einnehmen konnte. Die schöne Farbe und die den Eigenschaften des Holzes perfekt angepassten Holzverbindun­ gen sichern der Zypresse noch heute den ersten Platz in der Skala der Begehrtheit. Seine natürliche Resistenz ist so groß, dass Zypressenholz auch nach heutigen japanischen Baunormen nicht imprägniert werden muss.98 Der hohe Preis, der für die Zypresse bezahlt werden muss, hat ihre Wertschätzung nur gesteigert. 35

Von den hervorragenden Eigenschaften der Zeder und Zypresse, speziell deren natürlichen Resistenzen, wusste schon Vitruv zu berichten.99 Auch später noch war das Zypressenholz geschätzt, lie­ßen sich doch Päpste in Zypressensärgen beerdigen.100 Die alle 20 Jahre erfolgende Rekonstruktion der Schreinanlage des Ise-jingu ist nur möglich, weil der enorme Zypressenholzbedarf durch einen eigenen Wald gedeckt werden kann. Sechs Arten von Zypres­sen zählt der Meister-Zimmermann Nishioka auf: drei amerikanische, eine nicht so bedeutende japanische, die taiwanesische, aus der er den Yakushi-ji wiedererrichtet hat, und ma-ki, das „wahre Holz“, das absolut unvergleichlich sei.101 In Japan war das Holz so begehrt, dass seine Benutzung in der Edo-Zeit per Dekret nur in vorgeschriebener Verwendung den höchsten Vertretern der Samurai-Klasse vorbehalten war. In Europa kam dem Laubholz eine mindestens ebenso große Bedeutung zu wie dem Nadelholz. Während der langen Zeit, die der Mensch auf eine beständige Unterkunft nicht angewiesen war, hatte er Gelegenheit, Eindrücke und Erfahrungen über die Eignung der verschiedenen zur Verfügung stehenden Holzarten zu sammeln. Zunächst benutzte er das, was am nächsten stand. Ausgrabungsbefunde belegen ein buntes Gemisch von vielen verschiedenen Bauhölzern nebeneinander, Bäume und Sträucher durcheinander. Ein Fund aus der Jungsteinzeit belegt 13 verschiedene verbaute Holzarten für eine Ansammlung von Hütten. Die meistverwende­ ten Arten waren Weide, Erle und Haselnuss.102 Dank ihrer Biegsamkeit waren sie am besten für das Flechten geeignet. (Ill. 63) Diese Art, das Holz zu verbinden, war den Menschen in der Jungsteinzeit schon recht vertraut, so dass man folgern darf, dass sie ihr Material gezielt auswählten. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit der japanischen Ausgrabungsstätte Toro bei Shizuoka, die entwicklungsgeschichtlich etwa der europäischen Eisenzeit ent­spricht. Dort hat man festgestellt, dass mehr als 90 % aller verwendeten Hölzer Zedern waren.103 Es kann nicht lange gedauert haben, dass sich die Eiche als das ideale Bauholz darstellte. Ihre herausragenden Eigenschaften sind durch die ubiquitäre Verwendung ihres Holzes hinlänglich unter Beweis gestellt. (Ill. 64) Dort, wo sie von Anbeginn nicht in so reichlichem Ausmaß zur Verfügung stand, versuchte man, sie wenigstens für die meistbeanspruchten Teile wie etwa Schwellen, Hausecken oder tragende Konstruktionsteile einzusetzen. Die Ulme wird von manchen Quellen noch besser als die Eiche bewertet104, kommt allerdings für einen ihren Qualitäten entsprechen­den Einsatz nicht in Frage. Sie ist zu selten und zu kurzwüchsig. Ein prominentes Beispiel für ihre Verwendung sind Teile der Stabkirche von Urnes (Norwegen).105 Eine ähnlich große Bedeutung müsste der Edelkastanie beigemes­ sen werden, die in Großbritannien nach deren Abholzung die Eiche ersetzte,106 aber ebenso ihre Anwendung in Frankreich, Italien und Spanien gefunden hat.107 Am Berg Athos sind noch heute alle Holzbauteile aus diesem Holz. Auch in Japan wusste man das kuri-Holz zu schätzen. Dort erfuhr das Laubholz eine sehr anders geartete Beachtung als in Europa. Waren es auch in Japan je spezielle Eigenschaften einer Holzart, die die Wahl auf ebendiese fallen ließen, so spielte und spielt die Textur eine weitaus entscheidendere Rolle für die Auswahl einer bestimmten Holzart als in Europa. Eine solche Sichtweise für die Schönheit des Materials an sich ist Europäern aber doch nicht

63  Geflochtener Zaun in Sieu/Bistriţa Naˇsaˇud (RO)

64  Wo Eichenholz auch für Block­bauten verwendet wurde, die dichte Wände haben sollten, müssen sehr dichte, alte Eichen- oder Eichenmischwälder vor­han­ den gewesen sein, wie etwa in Topola (SK) in den Karpaten.

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fremd, man denke nur an die Stubenvertäfelungen im Dreiländer­ eck um den Bodensee oder auch in Kärnten speziell in Zirbelkiefer. Vielfach wird in Europa das Holz zwecks Verzierung bemalt oder beschnitzt (Ill. 65) und erst so als Bauwerk aus der Masse der unbedeutenden Bauten ästhetisch herausgehoben. Keyaki (Zelkova serrata), das am häufigsten verwendete Hartholz Japans, ist neben seinen Eigenschaften, die denen der Eiche ähneln, vor allem wegen seiner „wilden“ Maserung so beliebt. Dieses Holz findet Verwendung für alle sichtbaren Konstruktionsteile und im Innenausbau. Im Nikko Tosho-gu, einem verzierten Schrein, ist keyaki das einzige einheimische Holz neben sieben importierten Tropenhölzern. KeyakiSäulen können bisweilen an solche aus Marmor erinnern (Ill. 66), Torfüllungen an beste Beispiele europäischer Tischlerei. Bambus, dessen Nutzung Europäern unbekannt ist, hatte vor allem die Architektur Kyushus, der südlichsten Hauptinsel Japans, geprägt,108 gewann aber auch überall sonst in Japan gleichrangige Bedeutung neben Holz. (Ill. 67) Bambus drückt unvergleichlich ein Bauen mit der Natur aus, lässt es sich doch nicht so ohne Weiteres seine runde Oberfläche nehmen. (Ill. 68) Wegen seiner Einzigartigkeit spielte es eine ganz besondere Rolle im Teehaus-Stil.109 In der sehr altertümlichen Verbindungstechnik des Verschnürens findet Bambus heute, wie ehedem, seine Anwendung. Kreuzweise über­ einandergelegt füllt ein Gitter von gespaltenen Bambusstreifen die Gefache zwischen den tragenden und aussteifenden Hölzern. (Ill. 69) Links und rechts mit Lehm verschmiert bieten sie das leichtestmögliche Gerüst für eine Wand. Spricht man von den Holzarten und der Bedeutung ihrer Auswahl, darf man gerade die Schindeln nicht vergessen. Sollen sie ihrer Funktion gerecht werden, müssen sie richtig hergestellt sein110 und dürfen, so unscheinbar sie aussehen mögen, nicht aus Abfallholz111 produziert werden. Das beste ist gerade gut genug. Dies belegt eine polemische Abrechnung mit unverständigen Bauern in den rumänischen Karpaten, die ihre Schindeln aus Fichtenholz hackten, dessen Verwendung zu Beginn des Zweiten Weltkrieges dringend im Flugzeugbau benötigt worden wäre.112 Die einzigartige Qualität des hier angesprochenen Holzes war in vielen Ländern Europas als Resonanzfichte im Instrumentenbau begehrt. Besonders dicht, harz­arm, gleichmäßig gewachsen und nahezu astlos, entstammte sie damals noch praktisch unberührten Urwäldern. Wenn man bedenkt, wie viel Holz benötigt wird, um ein Dach zu decken, wird verständlich, dass sehr unterschiedliche Holzarten für die Schindeln verwendet wurden: Fichte und Tanne, Lärche, Eiche, Kastanie. „Um beim Verlegen dichte Fugen zu erreichen, werden die Schindeln am besten so nebeneinander gereiht, wie sie dem Schnitt entwachsen sind. Dadurch schmiegen sie sich trotz der Unebenheiten, die beim gespaltenen Holz immer vorhanden sind, in natürlichster Weise an.“113 In Skandinavien und Russland wurde in bedeutendem Ausmaß auch Birken- und Pappelholz zur Schindelerzeugung verwendet; zwei Holzarten, zu deren Eigenschaften die Witterungsbeständigkeit im Allgemeinen nicht gezählt wurde.114 Unter dem Druck regionaler Verfügbarkeit hat der Mensch sich so intensiv mit den je spezifischen Eigenschaften vorhandener Holzarten auseinandersetzen müssen, dass er so erstaunliche Dinge festgestellt hat wie das unglaubliche Quellvermögen des Blauglockenbaumholzes115 oder die Dichtheit von Zypressen- und Birkenrinde. (Ill. 70; Ill. 71) Im Sommer gab man sich mit Lärchenrinde zufrieden, (Ill.72) im Winter aber musste es Birkenrinde sein.116

65  Knaggen wurden vielerorts Exerzierfeld geschnitzter Botschaften. – Canterbury (GB)

66  Säule und Bodenbretter des Zuisen-ji in Inami machi/Toyama (J) zeigen die ein­drucksvolle Zeichnung von keyaki-Holz.

67  Zeltdachkonstruktion über kreisför­ mi­gem Grundriss eines Ölpresshauses aus Sakaide shi/Kagawa (J), Freilichtmu­ seum Shikoku minzoku hakubutsukan.

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70  Zypressenrinde verkleidet die Wand des Tomatsu-Hauses aus Nagoya/Aichi (J) im Meiji mura.

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Der grundlegende Unterschied zwischen Europa und Japan bezüglich der Holzarten ist darin zu sehen, dass die Europäer sich in der Regel auf sehr wenige verschiedene Arten beschränken, mit der Begründung, dass verschiedene Hölzer verschieden stark schwinden. Die Zimmerleute in Japan scheinen diesbezüglich keinerlei Beschränkungen zu kennen. Ein Grund mag darin liegen, dass in Japan in weit größerem Ausmaß die Errichtung des Gebäudes und sein Innenausbau in einer Hand liegen. Wenn das ästhetische Empfinden für die Textur des Holzes stark ausgeprägt ist und immer neue Variationen des Oberflächenbildes neben der wechselnden Maserung in verschiedenen Holzarten zu entdecken sind, ist es nicht verwunderlich, dass der Handwerker das ihm vertraute Material von innen auch nach außen trägt, soweit dies sinnvoll und möglich ist. Ein anderer Grund könnte vielleicht in der bis zum Ende des Zwei­ ten Weltkrieges andauernden Holzbautradition liegen. Nishioka erklärt, dass auf jedes Bauwerk unterschiedliche Kräfte wirken, die nach einem Idealbild mit Hilfe von verschiedenen Bäumen im Gleichgewicht gehalten werden können. Ein Berg im Norden, ein fließendes Gewässer im Osten, ein stehendes im Süden und eine gerade Straße im Westen – von dieser Idealumgebung eingezäunt ist der Hōryū-ji (das älteste existierende Holzbauwerk), und er steht noch immer. Fehlstände, wie sie in der Regel zu erwarten sind, könnten durch das Pflanzen von speziellen Bäumen ausgeglichen werden. So etwa sollen Weiden das fließende Wasser kompensieren, Zwetschgenbäume die Straße ... 117 Fremd war auch dem westeuropäischen Kulturkreis solches Denken keineswegs: Der Hollerbaum stand weder nutzlos noch zufällig neben jedem Bauernhaus. Und auch die Beschränkung auf nur ein oder zwei Holzarten im gesamten europäischen Holzbau kann nicht generell behauptet werden. Petrescu weist beispielsweise ausdrücklich auf den kennzeichnenden Unterschied der „Originalität“ der rumänischen Bauten hin, die er in der Verwendung vieler verschiedener Hölzer sieht, im Vergleich zu der „relativen Monotonie der nordischen Holzbauten“.118

72  Fichtenrinde deckt diesen temporä­ ren Unterstand für Holzfäller. – Maria Saal/Kärnten (A)

68  Bambusboden eines minka im Shi­koku minzoku hakubutsukan

69  Bambusgeflecht als Putzträger eines Neubaus in traditionellem Stil in Iwakuni/Yamaguchi (J)

71  Birkenrinde bildet die Isolations­ schicht unter den Grassoden am Dach. – Mai­hau­gen in Lillehammer/Oppland (N)

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Holan, 1990, p. 147 Deinhard, 1962, p. 47 Gilly, 1797, p. 30 Holan, ibid., p. 179 Graubner, 1986, p. 94 Seike, 1981, p. 13 Taut, 1958, p. 217 Gunda, 1986, p. 79 Gschwend, 1988, p. 46; Großmann widerspricht die­ser Begriffsauslegung. Er sieht in der fahrenden Habe des entfernbaren Objekts die Abgrenzung zur lie­gen­den Habe Grund und Boden. (Großmann, 1992, p. 96) Nishi, Hozumi, 1985, p. 40 Parent, 1985 Bramwell, 1979, p. 75 Phleps, 1951, p. 3 Binding, 1989, p. 7 Harada, 1936, p. 46 Seike, ibid., p. 12f. Gschwend, ibid., p. 277 Phleps, 1951, p. 4; Gerner, 1979, p. 31 vgl. Anm. 70 Bresson, ibid., p. 25 Gerner, ibid., p. 52 vgl. Hadert, 1938, p. 9f. Coaldrake, 1990, p. 25f. Brown, 1989, p. 29 Clausnitzer, ibid., p. 74 Rosenfeld, 1956, p. 152f. Carstensen, 1937, p. 37; Verband deutscher Arch.und Ing.-Vereine, 1906, p. 171 In abgewandelter Form beschreiben diesen Vorgang verschiedene Autoren nicht nur für Norwegen: Ahrens, 1981, p. 166; Phleps, 1942, p. 34; Holan, ibid., p. 179; Claus­nitzer, ibid., p. 248; Bugge, NorbergSchulz, 1969, p. 7 Killer, 1941, p. 24, 30 Clausnitzer, ibid., p. 30f. ders., p. 247 Bresson, 1991, p. 25; Phleps, ibid., p. 50 vgl. p. 94 Pers. Mitt. des Zimmermanns Harada, 1936, p. 49 Phleps, ibid., p. 50 Holan, ibid., p. 148; Bresson, ibid., p. 25; Phleps, ibid., p. 40; Brown, ibid., p. 59 Gerner, 1979, p. 52 Clausnitzer, ibid., p. 66f. Haiding, 1975, p. 4 Taut, 1958, p. 234 Phleps, ibid., p. 191 Lissenko, 1989, p. 53, 56 Beim Umgebindehaus wird auch in den meisten Fällen Blockbau mit Ständerbau verbunden, aller­ dings ganz bewusst, um das unterschiedliche Schwund­verhalten zur Entlastung der Wand­kon­ struk­tion vom Gewicht des Daches auszunutzen. Nihon kenchiku gakai, 1992, p. 50 Die Mittelsäulen der ältesten Pagoden waren tief eingegraben auf einen Fundamentstein gestellt. Aus religiös motivierten, traditionellen Gründen blieb der Fundamentstein (shinso seki = Herzstein) auch bei den Pagoden erhalten, deren Mittelsäule im Zuge einer Restaurierung vom Boden abgehoben wurde. (Parent, 1977/5, p. 77, 82) Brown, ibid., p. 42; Nishioka, et al., 1990 Torao, 1959, p. 71 Seike, ibid., p. 14 Lissenko, ibid., p. 35f. Früher hatte man Zement verwendet. (Parent, 1977, p. 78) Petrescu-Burloiu, 1967/68, p. 84f. und fig. 12/1

52 Heute erhalten Säulen in Japan bis zu einem Durch­messer von 21 cm keine Belüftungsrillen, während für solche mit einem Durchmesser, der 30 cm über­steigt, mit Ausnahme der Sichtseite nach allen Sei­ten solche vorgesehen sind. (Pers. Mitt. von Tanaka Fumio) 53 Dippelbäume schließen als Deckenbalken ein Geschoss nach oben hin ab. Die halbierten Stämme werden mit der Kernseite nach unten Mann an Mann verlegt und tragen die Beschüttung. 54 Gruner, ibid., p. 39; Verband deutscher Arch.- und Ing.-Vereine, 1906, fig. 44 Das Umgebindehaus (tschechisch: obsas und podstavka, polnisch: przyslupowy), entstanden im Grenzgebiet von Blockbau und Ständerbau, ist eine Konstruktion, die die beiden Bauweisen verbindet. Um den eingeschossigen Blockbaukern wurde aus Stützen, Rähmbalken und Verstrebungen ein Gerüst gestellt, das entweder nur das Dach oder ein weiteres Geschoss plus Dach zu tragen hatte. Das allfällig auf­gesetzte Geschoss konnte in Blockbauweise oder als Ständerbau konstruiert sein. 55 Lissenko, ibid., fig. 4.25.a,b; Alexandrowa, et al., 1964, p. 301 56 Clausnitzer, ibid., p. 250 57 Faensen, Iwanow, 1972, p. 504 58 Lissenko, ibid., fig. 3.20 59 Mayer, ibid., p. 39, 106 60 Gschwend, 1988, p. 50 61 Gerner, 1979, p. 18 62 Clausnitzer, ibid., p. 7 63 ders., p. 69; Graubner, ibid., p. 22 64 Seike führt dies auf natürliche Resistenzen einheimischer Holzarten zurück. (Seike, ibid., p. 12) 65 Taut, ibid., p. 218f. 66 Vitruv, 2. Buch, Kap. IX 67 Petrescu, 1974, p. 43 68 Johnson, 1990, p. 119f. 69 Schulz, 1964, p. 7 70 Shoin = Schreibhalle; die Charakteristika dieses in der Muromachi-Zeit (1392–1573) etablierten Stils sind die Ausstattung mit tatamis (Reisstrohmatten), shoji (lichtdurchlässige Papierschiebewände), fusuma (lichtundurchlässige Papierschiebewände), Ständer mit quadratischem Querschnitt und eines Raumes mit tokonoma (Bildnische), chigaidana (Regalsystem), tsukeshoin (eingebauter Tisch). Das berühmteste Beispiel ist Katsura rikyu in Kyoto. Der sukiya-Stil (sukiya = Teehaus) ist unter dem Einfluss der Teezeremonie aus dem shoin-Stil hervor­gegan­ gen. Seine neu hinzugekommenen Charakteristika sind Natürlichkeit, Unregelmäßigkeit, Under­state­ ment und erlesenste Materialien. 71 Gschwend, 1968/8, p. 3 72 Binding, et al., 1984, p. 68; Blaser, 1982, p. 38 73 Gerner, 1979, p. 52 74 Dendrochronologische Untersuchungen haben von Römern verbautes Tannenholz in Trier auf ein Alter von 1900 Jahren datiert. (Clausnitzer, 1989, p. 77) 75 Killer, 1941, p. 41 Für spezielle Teile war die Tanne besser geeignet als die Eiche. Da für einen Großbau, wie eine Brücke, nicht ausreichend in der benötigten Form gebogen gewachsenes Holz zur Verfügung stand, musste man dieses selbst herstellen. Tanne hat für diesen Zweck die besten Eigenschaften. (Blaser, 1982, p. 42) 76 Petrescu, ibid., p. 20, 43, 52 77 Petrescu-Burloiu, 1967/68, p. 85 78 Sirelius, 1909, p. 76 79 Lissenko, 1989, p. 34; Strzygowski, 1927, p. 23 80 Brunskill, 1985, p. 28 81 Keim, 1976, p. 63; Phleps, 1942, p. 52; Erixon, 1937, p. 37

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Coaldrake, 1990, p. 22 Graubner, ibid., p. 23 Kawashima, 1990, p. 83 Holan, 1990, p. 179 Dietrichson und Munthe widersprechen dieser Aus­sage: „Das Material der Stabkirchen bestand haupt­sächlich aus den gewaltigen Tannenbäumen, wel­che die norwegischen Wälder im Mittelalter in so gros­sem Reichtum besassen.“ (Dietrichson, Munthe, 1893, p. 6) Und Ahrens rundet das Bild der Uneinig­ keit ab. Er stellt fest, dass die Stabkirchen mit Fich­tenholz gebaut worden seien. (Ahrens, 1981, p. 165) Erixon, 1937, p. 37 Florin, 1937, p. 29 Sirelius, 1906, p. 135; Erixon, ibid., p. 14 Saeftel, 1931, p. 59 Grisebach, 1917, Tafel 1, Fig. 2 Lissenko, ibid., p. 52 Blomstedt, 1902, p. 123 Klöckner, 1982, p. 11 Strzygowski, ibid., p. 23 Graubner, ibid., p. 23 Holan, 1990, p. 179; Sirelius, 1909, p. 76; Berg, 1981, p. 357

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Mayer, 1986, p. 106 Graubner, ibid., p. 23 Vitruv, ibid. Laris, 1910, p. 44 Brown, 1989, p. 28 Ahrens, 1990, p. 74; Reinerth, 1929, p. 63, 90f. Muramatsu, 1992, p. 21 Klöckner, 1982, p. 11 Dietrichson, Munthe, 1893, p. 6, 46 Brunskill, ibid., p. 27 Clausnitzer, ibid., p. 81; Castellano, ibid., p. 83 Itoh, 1982, p. 118 Morse, ibid., p. 58; vgl. Anm. 5 Ast, 1990, p. 30ff. In Japan scheint das anders zu sein. Genau das be­hauptet Kawashima zumindest für bergige Regio­nen. (Kawashima, 1986, p. 12) Hadert, 1938, p. 164–191 Phleps, 1942, p. 96 Eine Neubewertung scheint in diesem Sinne ein­zusetzen. (Clausnitzer, ibid., p. 77) Seike, ibid., p. 12; Taut, 1958, p. 214 Sirelius, 1907, p. 56 Brown, ibid., p. 55f. Petrescu, ibid., p. 10, 20

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Die Verwendung Nutzung Die Nutzung eines Materials wird primär von seiner Verfügbarkeit bestimmt. Die Notwendigkeit, sich eine Behausung zu schaffen, ließ den Menschen Umschau nach Baumaterialien halten, deren Bearbeitung er bewältigte. Überall dort, wo das Vorkommen an Holz groß genug war, bot es sich aufgrund seiner einfachen Verarbeitbarkeit hervorragend an. Wachsende Erfahrungen im Umgang mit dem Holz führten zu immer stärker zielgerichteter Auswahl nicht nur der Holzart, sondern ebenso der Holzstücke. Die Natur bot zu aller Zeit ausreichend Hilfestellung und diente dem Sehenden und Suchenden als Vorbild. Je abhängiger der Mensch von der Natur war, desto intensiver musste er den Gleichklang mit ihr suchen. Nicht nur der Lebensrhythmus musste ihr sehr weitgehend angepasst werden. Auch die Unterkunft musste ganz auf sie abgestimmt sein. Was heute gewinnversprechender Werbeslogan ist, war einst Voraussetzung im Überlebenskampf: naturgemäßes Bauen; ein Bauen, das seine Orientierung in der Natur selbst suchte und fand. Nichts stand einer Verwertung von Wurzeln, Zwieseln und anderen Holzstücken im Wege, die in keiner Bauvorschrift unse­ rer Tage auch nur Erwähnung finden. Der traditionelle Holzbau ist großenteils linear bzw. ebenflächig konzipiert. Dies entspricht dem Aufbau von Holz. In Japan gibt es nur sehr wenige Ausnahmen, wie etwa die Kintai-Brücke in Iwakuni, Soribashi im Itsukushima-jinja und einige andere alte Holzbrücken. (Ill. 73) In Europa haben schon die Römer gebogene Brücken gebaut und sich dabei die Erkenntnis zunutze gemacht, dass übereinandergelegte, verbundene Balken ein Vielfaches unverbundener Balken tragen. Werden sie darüber hinaus während des Abbunds ge­bogen, behalten sie nach ihrem Zusammenbau die gebogene Form. Wenngleich man in Europa in großem Ausmaß, vor allem im Kirchenbau1 oder Brückenbau, Bogenkonstruktionen entwickelt hat, so blieb man bei der Außenhülle im Wesentlichen bei ebenen Flä­chen. Auch die über polygonalen Grundrissen errichteten Bauten haben zumeist

73  Soribashi im Itsukushimajinja/Hiroshima (J)

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74  Eiho-ji kannondo/Gifu (J) ist einer von ganz wenigen Tempeln mit verbret­ terter Traufe.

ebene Begrenzungsflächen, wenngleich sie im Volks­mund als rund bezeichnet werden.2 Nur in Details, wie etwa Turmhelmen, machte man die Ausnahme zeitweise zur Regel. Im Gegensatz dazu sind die Dächer japanischer Tempel und Schreine geradezu durch ihre geschwungene Form charakterisiert. Die gekrümmten Flächen und kurvigen Linien werden hier nicht durch Biegen des Holzes erreicht. Sowohl die Rofen, die die Dachhaut tra­gen, als auch die Pfetten bestehen nahezu ausschließlich aus ­geraden Holzstücken. Sie werden schrittweise so in der Höhe ab­gestuft, dass letztendlich die typisch aufgebogene Form des japa­ nischen Daches entsteht. Erst im zenshu-yo (einem Baustil, der Ende des 12. Jahrhunderts nach Japan gelangt) erhielten die hochgezogenen Ecken der Traufenkanten durch zusätzliche zarte Bearbeitung der Rofen auf Bogenform eine noch stärkere Betonung ihres Auf­wärts­schwun­ges.3 (Ill. 74) Mit dem Aufkommen der Städte und der Zunahme der Bevölkerung wuchsen die Notwendigkeit und der Anspruch, mehr und grö­ßer zu bauen. Hand in Hand damit stieg das Verlangen nach gleichförmigerem Holz mit den besten Eigenschaften. Je gerader, länger, dicker, astloser der Baum gewachsen war, desto einfacher war seine Verarbeitung. Der Zimmermann nahm sich nicht mehr die Zeit (und hätte sie auch nicht abgegolten erhalten), das jeweils bestgeeignete Stück Holz herauszusuchen. Je mehr ein Stück dem ande­ren glich, je vielseitiger es einzusetzen war, umso rascher ließ es sich verbauen. Besonders mit der mittelalterlichen Stadtentwicklung in Europa war eine sprunghaft erhöhte Bautätigkeit verbunden. Der damit einhergehende Raubbau an den Wäldern dezimierte die Ressour­ cen nicht nur für Repräsentationsbauten. Hinzu kamen die immer verheerenderen Folgen von Kriegen und Bränden. Je größer die Städte wurden, desto fühlbarer wirkten sich solche Katastrophen aus. Neben dem Umstand, dass die Produktivkraft der Geschädig­ ten während der Zeit des Wiederaufbaus nicht zur Verfügung stand, zeitigte auch der akut geforderte Holzbedarf wirtschaftlich schlimme Folgen. Die Reaktion waren Einschränkungen bis hin zu Verboten, mit Holz zu bauen.4 Wo weiter in Holz gebaut wurde, war man gezwungen, sich mit im­mer „schlechterem“, das heißt weniger gleichförmigem Material zufriedenzugeben. (Ill. 75; Ill. 76) Ehe man jedoch bereit war, auf die

75  Weil man den Ständerbau in dieser Gegend nicht kannte, musste für diesen Stall in Stará Halič (SK) auch solches Holz zum Blockbau herhalten, das dafür eigent­lich ungeeignet ist.

76  Einfacher Nutzbau bei Hola/ Norda­land (N), dessen mindere Material­­ qualität keinem Betrachter als Nachteil erscheint

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gewohnte Holzart zu verzichten, suchte man jeden erdenklichen Ausweg. In Norddeutschland wich man von der Verwendung der Eiche im 17. bzw. 18. Jahrhundert erst dann ab, als selbst krumm gewachsenes Eichenholz nicht mehr verfügbar war; sogar gänzlich unbearbeitetes Eichenholz wurde verbaut, nur um den benötigten Querschnitt zu erhalten, das heißt die Dicke des Holzes zu bewah­ren.5 Oft zeigt auch erst der Blick ins Innere, an nicht einsehbaren Stellen, dass gespart wurde. (Ill. 77) Wenn eine hochwertige Ausführung nicht im Vordergrund stand, etwa bei Dachlatten oder Wind­aussteifungen, hat sich der Bauer nicht lange mit Verbindun­ gen aufgehalten, sondern einfach krummen Ast an krummen Ast ge­schnürt. Auch der in der Stadt bauende Zimmermann schien sich von solchen Gedankengängen leiten zu lassen. (Ill. 78) Eine andere Möglichkeit bestand darin, fehlende Materialressour­ cen durch erhöhten Arbeitsaufwand auszugleichen. Zumindest im japanischen Dach lagen, vom Blickwinkel des Betrachters aus dem Westen gesehen, unglaubliche Einsparungsmöglichkeiten brach. Der japanische Zimmermann baute nach der Überzeugung, dass das gewaltige Gewicht des Daches der wesentlichste Garant für Erdbebensicherheit war.6 Johann Jacob Schübler führt uns vor Augen, wie es schon im 18. Jahrhundert gelungen ist, Mangelzustände nicht als solche dekla­ rieren zu müssen, sondern ganz pragmatisch das, was den Franzosen als Notlage erschien,7 den Deutschen als eine Tugend darzustellen: „Die leichtlich zu bekommenden krumm gewachsenen Höl­tzer“ wä­ren sogar ‚noch vortheilhafter‘, als „was mit geraden und kostbah­ren Höltzern auszurichten stehet“.8 Wer dachte einst, dass die Wertung sich zukünftig einmal umkehren sollte? Das „krumme“ Holz ließ sich offensichtlich so gut verkaufen (Ill. 79), dass es im Laufe der Zeit zum gesuchten Dekor mutierte. (Ill. 80) Ein ganz ähnlicher Eindruck drängt sich dem Betrachter zuweilen in Japan auf, wenn ryokans (einfache Hotels) zahlungskräftigem Publikum neben Komfort den Flair alter Baukultur verkaufen wollen. (Ill. 81; Ill. 82) In Polen war man schon ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert gezwungen, krumme Sparren schätzen zu lernen. (Ill. 83) Da Holz ein vergängliches Material ist, können wir in manchen Fäl­len die Vorbildwirkung der Natur nur vermuten. (Ill. 84; Ill. 85) So erscheint beispielsweise die Verwendung der Astgabel in ihrer

77 Schersparren-Dachkonstruktion eines dem Verfall preisgegebenen minka in Ayaori/Iwate (J)

78  Deckenbalkenlage des Schober­ hauses in Pfullendorf (Zeichnung von Ossenberg, Kahnt, Mechmann aus: Binding, et al., 1989, fig. Z 66c)

79  Eine wirklich krumme Strebe an einem Fachwerkhaus in Martha­len/ Zürich (CH)

84  Eine gewachsene Hainbuchenhecke ist dichter als viele gebaute Zäune.

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80  Unübersehbar geht es bei dieser Fassade in Marthalen nicht um die spar­ same Verwendung eines jedermann zur Verfügung stehenden Holzes.

81  Dachboden des Koyama-Hauses in Kurashiki/Okayama (J) vor seinem Aus­bau ... (Foto: Kawashima Chuji)

83  Dachkonstruktion über dem Haus der Naturforschenden Gesellschaft in Gdańsk: Bindergespärre, Längsschnitt und Leergespärre. Die jeweils dreigeteil­ ten Sparren sind in die Kehlbalken ein­gezapft! Ihre primäre Aufgabe ist die Herstellung einer bestimmten Silhouet­ te. (aus: Heyn, 1913, fig. 28)

82  ... und nach seinem Ausbau zum ryokan, einem einfachen Hotel

85  Rondelets Interpretation von Vitruvs Darstellung über die Anfänge der Holz­ konstruktion (aus: Rondelet, 1833, Tafel LXXI, fig. 1)

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86  Eine sehr primitive Konstruktion aus Klaubholz bei Ferenci (CRO), die das Prin­zip des Ständerbaus deutlich zeigt

87  Torbefestigung an einem Holzzaun, Freilichtmuseum Stübing (A)

primitivsten Form als Auflage für ein einzulegendes Holz auf den ersten Blick so suggestiv, dass man sie in ihrer Bedeutung gar nicht überschätzen kann. (Ill. 86) Wer immer auf die Ausnutzung eines jeden Stückes Holz angewiesen war, hat nicht nur geniale technische Lösungen kreiert, sondern auch künstlerische Werke geschaffen, die ihre Ästhetik aus der spürbaren Verbundenheit mit der Natur beziehen. (Ill. 87) Ob der Bauende sich nun „in den Verästelungen und Wurzelansätzen Zweckentsprechendes aussuchte“, woran „die Natur schon mitgehol­fen hat, den verlangten Gefügeteil vorzubilden“, und „das nur gerin­ger Bearbeitung mit dem Werkzeug bedurfte“9 (Ill. 88), oder ob er das Holz mehr oder weniger ganz unbearbeitet ließ und nur gezielt aussuchte (Ill. 89; Ill. 90) – immer wieder dokumentiert jedes einzelne Beispiel die Kenntnis des bearbeiteten Materials und das Fantasieren mit der Natur im freien Gedankenflug. (Ill. 91) Nicht immer ist astlos und gleichförmig gewachsenes Holz das geeignetste. Für die Stützen der Stützelspeicher wurden besonders astreiche, unter ungünstigen Bedingungen gewachsene Stämme ausgesucht, weil diese besonders dauerhaft sein sollten.10 Bisweilen stellte selbst der Holznagel ein ausgewähltes Stück Holz dar. Ein „überstehender Kopf verhinderte, dass das Bohrloch Wasser sog, dass der Nagel ausdorrte und im Loche morschte; er ließ sich so, wenn geschwunden, ohne weiteres entfernen und ersetzen“11.

88  Die Querbalkenlage der Dachkon­ struktion ist so ausgewählt, dass ihre Hirnholzenden auf das Hirnholz der Ständer zu stehen kommen. Damit wird die Dachlast visuell intuitiv nachvoll­zieh­ bar in die Ständer abgeleitet. – Dachkon­ struktion des Shimoki ke no jutaku in Ichiu mura, Mima gun/Tokushima (J), im Shikoku minzoku hakubutsukan

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89  Das Reutlingersche Haus in Über­ lingen/Baden-Württemberg (D) konnte im ersten Dachgeschoss nur deshalb ohne Stützen in der Mittelachse auskom­ men, weil ein geeignet ausgesuchter ge­krümm­ter Spannriegel den Unterzug für den Kehlbalken in seiner Krümmung auf­nahm. (aus: Gruber, 1926, fig. 38c)

95  Gebogene Stützen tragen die weit ausladende Traufe dieses minka bei Keihoku cho/Kyoto (J).

90  Aufwendig gestalteter Eingangs­ bereich eines Aal-Geschäfts in Kawagoe/ Saitama (J)

91  Rekonstruktion einer Pfetten­dach­ konstruktion mit konstruktiven An­klän­ gen an das cruck-Dach. Die Zeichnung dokumentiert mehr das freie Gedan­ken­ spiel denn eine glaubwürdige Kon­struk­ tion. (vereinfacht nach: Brønd­sted, aus: Funkenberg, 1937, Bd. I, p. 87)

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Manche Lösungen waren so fest in ihrer traditionellen Verwendung verankert, dass nicht einmal ernsthafte Nachteile zu ihrer Änderung führten. In Russland wurden Wurzelansätze als Traufhaken eingesetzt. Nachdem die reichlichen Ressourcen keine Abkehr von der tra­ditionellen Bauweise erforderten, beharrte man auch dann noch bei der vertrauten Lösung, als das Werkzeug längst andere Lösungen zugelassen hätte. Obwohl das Entwässerungsprinzip für die Traufbohle prinzipiell das gleiche ist wie bei den norwegischen Stabkirchen, lässt sich von der Bauart und der Exponiertheit der Anordnung her doch vermuten, dass die Dachbretter an ihrem Fußpunkt sehr rasch verfaulten und daher oft ausgewechselt werden mussten. (Ill. 92; Ill. 93; Ill. 94) Wie weit verbreitet, weil nützlich, krumme Hölzer waren, kann an einer Vielzahl von Beispielen abgeschaut werden, die nicht verbor­ gen waren, wie die zitierten Sparren in der polnischen Dachkonstruk­ tion oder die nicht einsehbaren Balken im Schoberhaus. Am leben­ den Baum hatte der Mensch studieren können, welch ungeheure Kraft im gebogen gewachsenen Holz steckte. Diese Kraft hat den Baum, den Gesetzen der Schwerkraft trotzend, vor Umstürzen oder Bruch bewahrt. Im Westen wie im Osten hat der Mensch Spuren hinterlassen, die seine Fähigkeit bezeugen, nicht nur diese Eigenschaft zu nutzen und an ihrer Ausstrahlung gefallen zu finden, sondern den Baum als Gestalt wahrzunehmen. (Ill. 95) Die Knaggen, die die einzelnen Konstruktionsglieder in den norwegischen Stabkirchen winkelstabil verbinden, prägen wesentlich das Erscheinungs­bild des Innenraumes. (Ill. 96) Manchmal öffnen erst

92  Natürlich gewachsene Haken tragen die Regenrinne. (vereinfacht nach: Lis­senko, 1989, fig. 4.25)

96  Die Knaggen der Stabkirche in Torpo/Hallingdal (N) zeigen gezielt ausgesuch­tes Holz. 93  Nicht anders, als bei der Grabkam­ mer eines Wikingerschiffes, hier im Wikinger­­schiffmuseum in Oslo, die Dach­ schräg­höl­zer in einer Nut der Fußpfette ste­hen, ...

94  ... ist der Aufbau der Dachhaut im russischen Wohnhaus des 18. und 19. Jahr­hunderts. (aus: Lissenko, 1989, fig. 3.5)

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97  Bei der Renovierung der Stabkirche in Heddal/Telemark (N) nahm man keine Rücksicht mehr auf die Auswahl natür­ licher Krümmungen.

Vergleichsbei­spiele die Augen, wie viel Ausdruckskraft uns verloren gegangen ist: (Ill. 97) Im Zuge von Renovierungen sind oft Nachempfindungen notwendig, die dann gerne als originalgetreue Rekonstruktionen gehandelt werden. Nicht weniger eindrucksvoll ist das Beispiel der L-förmigen Stützen vieler Häuser der Deutschen Brücke in Bergen (Ill. 98). Spanten aus dem Schiffsbau sind nicht nur vermutetes Vorbild. Tatsächlich sind einige der Stützen ehemalige Schiffsspanten.12 Im südlichen Teil Ungarns fand man bis vor Kurzem ambar, kleine Getreidespeicher, deren Schwellbalkenkranz auf zwei kufenartig aufgebogenen Hölzern fixiert war. Zweck dieser Konstruktion war es, bei Brandgefahr oder Hochwasser lebensnotwendige Vorräte in kürzester Zeit und ohne große Mühe an einen sicheren Ort schaffen zu können.13 Wie sinnvoll oder nicht, wie zeitgemäß oder nicht man solche Beispiele bewerten mag, Versuche, an die Tradition anzubinden, sind nicht einfach. Sie können schon dazu führen, dass Versatzstücke als Reminiszenzen bisweilen fälschlich als subjektive Äußerung des Architekten wahrgenommen werden. (Ill. 99) Doch es gibt auch Gegenbeispiele (Ill. 100; Ill. 101), und auf japanischen Holzplätzen kann man heute wieder lernen, was Holz allererster Qualität ist.14

98  Stützen, wie sie die Natur geformt hat, tragen das auskragende Geschoss der Deut­schen Brücke in Bergen/ Hordaland (N).

99  Neubau eines Holzhauses in Kibitsu/Okayama (J) unter Rückgriff auf traditio­nelle Konstruktionselemente. So lange als möglich bleiben die Hölzer in schüt­zen­des Papier gewickelt.

100  Den Reiz dieses Giebels in Iwate (J) macht der gekonnte Umgang mit nicht normiertem Holz aus.

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103  Der Arbeitsaufwand für den Einbau der Gabelstützen im ehemaligen Haus Foeth in Menslage/Niedersachsen (D) dürfte geringer gewesen sein als für die herkömmliche Kopfbandstützung. Dar­über hinaus schaffen diese Stützen ein unverwechselbares Äußeres. – Nieder­sächsi­sches Freilichtmuseum, Museums­dorf Cloppenburg (D)

Zu den schönsten Beispielen für die Nutzung natürlicher Wuchsformen gehören die gabeligen Hölzer, sogenannte Zwiesel. (Ill. 102) In Norddeutschland waren sie im Ständerbau weit verbreitet. (Ill. 103) Ihre funktionelle Form wusste man auch in horizontaler Verwendung auszunutzen. Gabelhölzer können die Kopfbänder nicht nur gleichwertig ersetzen, sondern sind einsichtigerweise stabiler als jede erdenkliche Verbindung. (Ill. 104) Krumme, gebogene Hölzer haben nicht nur Teile von Bauten in ihrer Erscheinung beeinflusst. Ein ganz spezieller Typus von Bauten ist ohne sie gar nicht zu realisieren. Ihr Charakteristikum ist der verbindungslose Übergang von Dachschräge zu Wand und damit die direkte Ableitung der das Dach angreifenden Kräfte in den Boden. Ohne eigentliche Wände bieten sie doch den von diesen sonst eingeschlossenen Raum. Primitive Beispiele dieser Art sind heute prak­tisch nicht mehr zu finden, weil sie es wegen ihrer einfachsten Nutzung (Ill. 105) nie wert waren, erhalten zu werden. Andererseits wa­ren sie durch die spezielle Form des Materials widerstandsfä­hi­ger als aus zugeschnittenem Holz in herkömmlicher Weise errichtete Bauten. In der cruck-Konstruktion fand diese Bauart besonders in England Verbreitung. Sie ist aber auch in nahezu allen Gegenden Westeuropas nachgewiesen oder wenigstens vermutet worden.15 Eine ihrer wirklichen Stärken konnte diese Konstruktion erst in grö­ßeren Bauten ausspielen: Nahezu jeder Krümmling von einem ­gewissen Mindestdurchmesser war geeignet verbaut zu werden. (Ill. 106; Ill. 107; Ill. 108)

101  Dem ökonomisch orientierten Den­ken mutet eine solche Reparatur wie die des Zaunes vor dem Honmon-ji in Tokyo schier unglaublich an.

102  Die Vorstellung vom Ziehbrunnen ist für die meisten Menschen Mitteleu­ ropas verbunden mit dem Zwiesel. – Bei Böhönye (H)

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104  Die Gabelhölzer ersetzen die Kopf­ bänder nicht nur gleichwertig, sondern sind einsichtigerweise stabiler als jede erdenkliche Verbindung. – Übergang Flett – Diele im ehemaligen Hof Deddens aus dem Hallenermoor/Niedersachsen (D); Museumsdorf Cloppenburg

105  Überdachtes Brennholzlager im Museumsdorf Cloppenburg (D) in cruckoder A-frame-Bauweise

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106  Die cruck-Konstruktion über der Zehentscheune von Barton Farm in Bradford on Avon/Wiltshire (GB) zeigt in nahezu jedem Gebinde einen anderen Aufbau. Eine Variante: Das im Bild erste vollständig sichtbare Dach­schräg­holz läuft durch bis zum Verbindungs­stück unter dem First.

107  Eine andere Variante: An der Ein­bin­dungsstelle des unteren Kehlbal­ kens werden zwei Dachschräghölzer so ge­stückelt, dass nur genaues Hinsehen den Unterschied gewahr werden lässt.

Englands Mangel an ausreichend langem Bauholz hat ihm die Entwicklung einer weiteren äußerst extravaganten Konstruktion beschert. Das hammer beam roof überbrückt große Spannweiten mit kurzen Holzstücken. (Ill. 109) Ob nun gerades oder krummes Holz verarbeitet wird, in jedem Fall muss es zumindest dort, wo es mit einem anderen Stück Holz verbunden werden soll, bearbeitet werden. Um es leichter verarbeiten zu können, hat man das Holz schon in der Urgeschichtet, mit schneidendem und spaltendem Werkzeug, te zugerich­ später auch der Säge. Die Säge nimmt keine Rücksicht auf den Faserverlauf. Es kann sich so ergeben, dass das Holz gerade an der Stelle durch den Einschnitt abholzig16 ist, an der die Verbindung angearbeitet werden soll. Die ältere Bearbeitungsweise dagegen hat den enormen Vorteil, dass sie die neu geschaffene Holzoberfläche unbeschädigt lässt. Auch als man längst gesägtes Holz verwendete, baute daher jeder, der es sich leisten konnte, gehacktes Holz für besonders beanspruchte Teile ein.17 Der große Nachteil des gehackten Holzes liegt im enormen Materialverlust.18 (Ill. 110) Um einen Baumstamm zu kürzen, fordert die Säge genau so viel Abfall, wie ihr Schrank breit ist. (Damit eine Säge nicht festklemmt, müssen ihre Zähne abwech­selnd nach links und rechts auswärts gebogen werden. Dadurch wird der Sägeschnitt breiter, als es der Rücken der Säge ist.) Die Axt hingegen erfordert ein keilförmiges Hineinarbeiten in den Stamm,

108  Eine dritte Variante: Eine ganz kurze Verlängerung des Sparrens setzt am oberen Kehlbalken an.

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109  Hammer beam roof der Kirche in Woolpit/Suffolk (GB)

womit die Abfallmenge vom Stammdurchmesser abhängig ist. Je dicker und damit in den meisten Fällen wertvoller ein Baum ist, desto mehr muss beim Hacken also von ihm geopfert werden. Dennoch wurden selbst dicke Stämme noch im 19., in Ausnahmefällen sogar im 20. Jahrhundert nur mit der Axt gefällt. Der Geübte tat sich mit der Axt leichter als mit den dicken, schlecht gehämmerten Sägen des 18. und 19. Jahrhunderts. Stämme, die aus gebirgigen Gegenden ins Tal geschafft werden mussten, hätten an der geraden Schnittfläche starken Schaden erlitten. Das beim Hacken entstehende kegelförmige Stammende war für den Transport ins Tal viel besser geeignet.19 Wurde der Baum der Länge nach geteilt, stellte er in der Regel nicht mehr als zwei Hälften oder, weiterbearbeitet, zwei Bohlen zur Verfügung. Eine eindrucksvolle Ausnahme bildeten die Bohlen des Fuß­­bodens eines gotischen Totenhauses. Sie entstanden durch fünf­ maliges Spalten eines Rundstammes.20 Dank dieser später wieder verlernten Meisterleistung stand dreimal so viel Material als gewöhnlich zur Verfügung. In Russland wurden noch bis zum 18. Jahrhundert Spaltbohlen hergestellt21, in entlegenen Gegenden Norwegens und der Schweiz sogar noch im 19. Jahrhundert.22 Trotz ihres bei Weitem höheren Preises, bedingt durch die mühevolle und so wenig ergiebige Herstellung, konnten sich die Spaltbohlen noch einige Zeit gegen die Konkurrenz gesägter Bretter durchsetzen. Dies dürfte auch daran gelegen haben, dass die

110  Bei den Spanschindeln gibt es kei­ner­lei Abfall, weil sie nicht einmal eine Nut erhalten. Wenn sie richtig verlegt sind, ist jeder Asteinschluss bzw. jede Krümmung in der Fläche der Dachhaut zu verfol­gen. – Greschitz/Kärnten (A)

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­ autechnische Qualität der Spaltbohlen den Brettern weit überle­ b gen ist. Sie sind elastischer, weisen eine höhere Bruchfestigkeit auf, werfen sich weniger und quellen unter Einwirkung von Feuchtigkeit weniger stark.23 Selbst im 20. Jahrhundert konnten noch einige Waldbauern ihre Fähigkeit, Rundholz zu Kantholz auszuhacken, während der kargen Wintermonate zur Verbesserung ihrer Einkom­ menssituation ausnutzen. Bereitgestellte Längen bis zu 30 m ermöglichten einen recht ökonomischen Umgang mit dem Halbfertigfabrikat. Solange eine für die Wertmaßstäbe der meisten Menschen übertrieben hohe Qualität gefordert wird, können sich auch Anachronismen am Leben halten. In Tokyo werden noch fünf Handsäger beschäftigt. (Ill. 111) Für ihre Beschäftigung gibt es noch ausreichend Kundschaft, die den Unterschied zu schätzen weiß, und sei es vielleicht nur, um Prestigeobjekte zu besitzen. Die Fähigkeiten dieses Berufsstandes sind legendär in Japan. Hand­ säger schnitten Bretter bis zu einer Stärke von 3,5 mm. Holz war in Japan so wertvoll geworden, dass die besten Brettsäger stolz darauf sein konnten, aus einem Pfosten bis zu zwölf gleichstarke Bretter sägen zu können. Ein weniger geschickter schaffte nur zehn Stück. Die Relevanz eines solchen Vergleichs wird einsichtig, wenn man weiß, dass der bessere seinem Kunden Deckenpaneele für einen 8-Tatami-Raum24 aus einem Stück Holz schneidet, der andere nur für einen 6-Tatami-Raum. Soll­ten aber auch seine Bretter einen 8-Tatami-Raum decken, müsste sein Auftraggeber einen zweiten Pfosten be­zah­len!25

111  Einer der letzten Säger in Tokyo

Der Zimmermann Der Bauer blieb am längsten bei der Gewohnheit, sich sein Haus selbst zu bauen. Jederzeit jegliche gewünschte Veränderung oder Erneuerung verwirklichen zu können, lohnte den damit verbundenen Aufwand. Angepasst an lokale Gegebenheiten, spiegelt die große Vielfalt an Bauernhaustypen, unglaublich reichhaltig diversifiziert nach den persönlichen Bedürfnissen, in Europa wie in Japan die Ansammlung von Erfahrung wider, die sich am Äußeren wie im Inneren ablesen lässt. Die meisten Bauern wären auch gar nicht in der Lage gewesen, jemand anderen mit dem Hausbau zu beauftragen. Angewiesen auf zur Verfügung stehende Materialien, deren Benutzung teilweise auch noch erheblichen Einschränkungen unterlag, und unter Mithilfe der Familienmitglieder und Nachbarn entwickelten sich optimal angepasste Bauten, die heute Sehnsüchte und Verklärungen aufkommen lassen. Von diesem Können, das einzig und allein aus weitergegebenem Wissen und einer ungemein starken Identifikation mit dem eige­ nen Haus herzuleiten war, konnte man sich besonders in den Gegenden, wo viel Holz zur Verfügung stand, noch bis vor Kurzem ein Bild machen. In Russland war die Fähigkeit, sich sein Haus zu bauen, so selbstverständlich, dass Kaufleute auf ihren weiten Reisen stets Äxte, Sägen und Hämmer mit sich führten, um sich ihre Handelsniederlassungen zu zimmern.26 Ob in den Karpaten27, in den Alpen28 oder in Japan29: Der Bauer baute bis in unser Jahrhundert sein Haus selbst, wenn dies nicht wegen der nicht mehr zu bewältigenden Größe ausgeschlossen war.30 Die Funktionalität, gepaart mit einer Einzigartigkeit, die die Verwendung gewachsenen Materials mit sich bringt, machen den Reiz der oft sehr einfachen, bescheiden wirkenden Bauten aus. Besonders schön 54

kommt der Verbleib bei der zu bewältigenden Größe am norwegischen Bauernhof zum Ausdruck. Wann immer ein Gebäude zu klein wurde, dachte niemand daran, es zu vergrößern: Es wurde ein neues danebengestellt.31 In manchen Fällen stellten Bauern ihr Können sogar an Kirchenbauten unter Beweis.32 Die Holzkirchen in Finnland im 18. Jahrhundert waren von einer solchen Qualität, dass man sie schwedischen Architekten zuschreiben wollte. Tatsächlich zeichneten für ihre Errichtung besonders begabte finnische Bauern verantwortlich.33 In Norwegen verließ man sich auf die Leitung eines Zimmermanns.34 Leibeigene bzw. abhängige Bauern bezogen ihr Wissen aus den Frondiensten auf dem herrschaftlichen Hof oder Schloss.35 Damit genossen sie den zweifelhaften Vorteil der größeren Übung und der Erfahrung, die der Abbund bzw. die Reparatur auch größerer Gebäude mit sich brachten. Auf das tradierte Wissen und die tiefe Verbundenheit mit dem eige­nen Hof ist es denn auch zurückzuführen, dass selbst einfache Bauten jederzeit originalgetreu rekonstruierbar sind. Der KrukeHof in Norwegen ist dreimal vollständig abgebrannt und identisch wie­dererrichtet worden.36 Dass und in welchem Ausmaß ein Blockbau sich senkt, dass und in welchem Winkel die Ständer der riesigen norddeutschen Scheunen schräg gestellt werden mussten,37 dieses Wissen war nicht Intuition, sondern in Jahrhunderten gewon­ nene Erfahrung. Die nur vier, sechs oder acht Ständer dieser norddeutschen Scheu­ nen tragen in der Längsrichtung pfettenartige Hölzer. Diese müs­ sen die Last des ganzen Daches übernehmen. Das aus Rücksicht auf die Strohdeckung und die erheblichen Niederschläge extrem steile Dach übt einen ungeheuren Druck auf diese Rähmbalken aus. Da die Queraussteifung bei der Hochrähmverzimmerung um einiges unter dem Verbindungsknoten von Ständer und Rähm angesetzt ist, verkanten die Rähme unter dem Druck besonders leicht. Es bestand die Gefahr, dass die Rähmbalken von den in sie eingezapften Ständern aufgerissen oder die Ständer gespalten würden oder aber die Ständerzapfen abbrächen. (Ill. 112) Diese Gefahr nahm sprunghaft zu, als man aus Mangel darangehen musste, Eiche durch Kiefer zu ersetzen. Doch die Schrägstellung der Ständer verhinderte das Auftreten dieses Problems. Wollte man Türen und Fensterstöcke im Blockbau schon während des Aufrichtens der Wände einsetzen, musste man sehr genau über das Ausmaß des künftigen Schwindens der Balken Bescheid sen. In gewisser Weise ist dieses Wissen nicht weniger wis­ eindrucksvoll als das der Rekonstrukteure des Ise-jingu, das diese auf den Zehn­telmillimeter genaue Arbeit ermöglicht. In deren speziellem Fall ­ersetzen penibelste Aufzeichnungen über viele generationen die persönliche Vermittlung und Rekonstruktions­ Weitergabe des Wis­­sens. Im Zuge der Stadtentwicklung kristallisierte sich zunehmend her­aus, dass die Spezialisierung besonders Begabter durchaus sinnvoll war und zum Broterwerb werden konnte. Ein Beispiel dafür ist der Wunsch, auch das Dachgeschoss oder mehrere Dachgeschosse von den pfettentragenden Stützen bzw. den die Kehlbalken unterstützenden stehenden Stühlen freizubekommen. Die Lösung lag in der Entwicklung des liegenden Stuhls. Ein liegender Stuhl stellte nun aber wesentlich höhere Anforderungen an den Bauenden als ein stehender. Ebenso wie man bereit war, für eine solche Konstruktion einen erfahrenen Zimmermann auch von weit her zu holen,38

112  Eisenbänder verhinderten in dieser Scheune in Frindsbury/Kent (GB) das Schlimmste. Der Schub des Daches hat über den im Rähmbalken eingespannten Zapfen gegen den Zug des in den Binder­ balken eingespannten Zapfens den Ständer aufgerissen.

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113  Die Hängesäulenkonstruktion des Glockenturms in Malé Ozorovce (SK) zeigt, an welche Konstruktionen man sich auch auf dem Land wagte.

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verfuhr man üblicherweise auch im Kirchenbau. Für die Kirche in Slavonov (CZ) holte man gleich drei Zimmermeister aus ver­schiede­ nen Orten.39 Unter ihrer Leitung hatten die einheimischen Zim­­ merleute und Bauern als Helfer die Gelegenheit, ihre Kenntnisse zu erweitern. So können sich auch Bauten, die nach außen hin den Ungeschulten vermuten lassen, bei näherer Betrachtung als ausgesprochen anspruchsvoll entpuppen. (Ill. 113) War dann an einem Ort keine Arbeit mehr zu finden, so zog der Zimmermann weiter.40 Schon der Sprachgebrauch des Wortes Zimmermann ist alles andere als klar. Das eine Mal wird der Zimmermann dem Baumeister insgesamt gleichgestellt.41 An anderer Stelle wird betont, dass bis zur Barockzeit der Zimmermann mit dem Architekten in Personalunion auftrat: Konzeption, Entwurf, Dimensionierung und Ausfüh­rung lagen in seiner Hand. Mit dem Übergang zum Barock kam es dann zu der verändernden Entwicklung, dass das Konstruieren und Entwerfen, der schöpferische Akt, bis dahin Ergebnis praktischer ­Erfahrung, von und für immer mehr Spezialisten theoretisiert wurde.42 Holzgemäßes Denken musste „mit dem Bleistift auf dem Papier er­dachten Formen“ weichen.43 Immer sind für eine solche Entwicklung mehrere Faktoren aus­schlag­gebend. Ein Materialverständnis, das nicht in Schulen gelehrt werden kann, hat hier Unglaubliches entstehen lassen. Doch so hilfreich die Tatsache, dass Eisen schlicht und einfach zu teuer war, um es alltäglich einzusetzen, für das Ersinnen ausgefallener und eigenwilliger Lösungen war, so trat dennoch irgendwann ein­mal unter dem Eindruck von Lösungen, die der Schmied geschaffen hatte, eine Zeit der Beharrung im Holzbau ein. Der Zimmermann, der auf sich hielt, wollte zwar mit Eisen nichts zu tun haben, aber auf der anderen Seite schien sein Blick für Neuentwicklungen getrübt. Einfach nachzuahmende Formen verleiteten zu Ausbildun­gen, die ihre gedankliche Herkunft nicht verleugnen konnten. Ein kennzeichnendes Beispiel dafür ist im Dachstuhl der Kirche St. Cyriak in Sulzburg/Baden-Württemberg (D) eingebaut. (Ill. 114; Ill. 115) Die verwendete Konstruktion legt ein beredtes Zeugnis ab von der Sprachlosigkeit der Zimmerleute auf der Suche nach Vokabeln aus dem eigenen Formenschatz. Ein erster Schritt zur Übernahme materialfremder Hilfs­mittel war getan. Es gab aber auch Beispiele, die jegliches Gefühl für das Material in einem Ausmaß fehlen lassen, dass man zunächst einmal an einen Fehler des Zeichners denkt. (Ill. 116) Bei Ostendorf, einem der profundesten Kenner der Dachkonstruktionen, kann dies nicht unterstellt werden. Wenn eine Hängesäule just an der Stelle, wo sie aufgehängt ist, auf ein Sechstel ihres Querschnitts reduziert ist, muss man die Frage stellen, mit welchen Sicherheitsgraden Zimmerleute damals bauten. In gewisser Hinsicht ähnlich, aber auch sehr verschieden präsentiert sich die Situation in Japan. Der japanische Zimmermann ist immer auch Tischler gewesen.44 Jeder Europäer, der eine von einem Japaner geschnittene Holzverbindung gesehen hat, wird an die Arbeit eines Tischlers denken, gänzlich unabhängig von der Art oder der Komplexität dieser Verbindung. Die Konstruktionsweise des ja­panischen Hauses ließe eine konstruktive Trennung zwischen innen und außen auch gar nicht zu. Gedanklich Ähnliches lässt sich auch in Europa finden, indem Zwischenwände von Blockbauten sich in der Regel an der Außenwand ablesen lassen. Die Holzdecken – von den einfachsten Bohlendecken mit geschnitzten Unterzügen über die gewölbten gotischen Bohlenbalkendecken bis zu

114  Details der Dachkonstruktion von St. Cyriak in Sulzburg/Baden-Württem­ berg (D) (aus: Binding, 1991, fig. 249)

115  Hängesäulen trugen in den Binder­ gespärren über angeblattete Fußbänder die Binderbalken. Diesen ist ein Überzug aufgelegt, der seinerseits die Binder­ balken in den Leergespärren zu tragen hat. Diese Aufgabe übernimmt er durch höchst „eigentümlich“ (Ostendorf) geformte, nämlich geschmiedetem Eisen nachempfundene Zapfen. Sie sind über dem Überzug durch Keile fixiert und hän­ gen die Binderbalken an einen Holznagel.

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den Kassettendecken – sind Schaustücke der Zimmermannskunst. Gerade sol­che ja durchaus bewundernswerten Beispiele vor Augen kann man als Europäer nur ins Staunen geraten ob der unvergleichlich feine­ren Arbeit in Japan. Daran mögen auch historische Restriktionen ihren Anteil haben. Im Mittelalter durften Zimmerleute in Deutschland Kästen und Schränke nur in Stollenbauweise herstellen, während die Tischler diese mit gezinkten Eckverbindungen anfertigten.45 Weit stärker ausschlaggebend dürften allerdings andere Gründe gewesen sein: das andere Holz, das andere Werkzeug und von uns Europäern sehr unterschiedliche ästhetische Vorstellungen – alle diese Aspekte sind an anderer Stelle in diesem Buch behandelt. Wie der japanische Zimmermann bis heute auch für den Innenausbau zuständig geblieben ist, so ist er bis zum heutigen Tag zumindest auch mitverantwortlicher Architekt. Daiku, das japanische Wort für Zimmermann, bestehend aus den Teilen „dai“ und „ku“, heißt wortwörtlich übersetzt: „großartiger Handwerker“ oder „Baumeister“, ganz im Sinne des griechischen Wortes „Architekt“, das sich aus „archos“ und „tekton“ ableitet. Für die Anfänge des Holzbaus mag diese Herleitung reichlich prätentiös klingen.46 Es geht jedoch um die Kontinuität des Entstehungsprozesses eines Bauwerks. Die Europäer haben sie radikal und nachhaltig unterbro­chen. Als Handwerker und Künstler, Architekt und Baumeister ist der japanische Zimmermann dagegen für den geistigen Anteil ebenso verantwortlich wie für den praktisch ausgeführten. Das Wissen und die Verantwortung sicherten ihm im Laufe der Zeit eine ganz erstaunliche Stellung. Er war es, der das Aussehen von Palästen bestimmte. Je bedeutender ein Bauwerk war, desto entscheidender für die Gestaltung war das Wort des Zimmermanns.47 Dies ging so weit, dass sich sehr große Tempel und Schreine ihre Zimmerleute in der Umgebung ansiedelten und diese ihre Stellung vererben durf­ten.48 Diese Machtfülle beruhte auf dem Wissen des Zimmermanns um die tradierten Proportionsgesetze. Sie war allerdings eine vermeintliche, da auch der Zimmermann streng an die Gesetze des ­kiwari und ma gebunden war. Kiwari, wortwörtlich „Holz teilen“, ist ein Proportionsgesetz. Der Durchmesser der Hauptsäulen ist das bestimmende Maß für alle wesentlichen mit dem Bau zusammenhängenden Größen. Das Verhältnis des Durchmessers der Stütze zu ihrer Höhe, einer Stütze zur nächsten ist durch kiwari ebenso festgelegt wie die äußerst komplexe Aufteilung der das Dach tragenden Kragarme, die ihrerseits wieder die Rofenaufteilungen festlegen. Ma bezeichnet ein Dazwischen, in der Architektur den von Wänden definierten Raum, den Raum zwischen tragenden Säulen. Magusa (der Türsturz) ist gusa (das Material), das in ma eingesetzt wird. Mado (das Fenster) ist die Tür, die in ma gestellt wird. Zur Verdeut­ lichung soll ein Zitat von Hugo Kükelhaus dienen: „Die Säulen [einer Säulenreihe, d. A.] bilden durch ihr abstandhaltendes Nacheinander in ähnlichem Sinne eine Gestalt, wie eine Tonfolge durch die Pausen eine Klanggestalt, eine Melodie wird ... Erst in Zuordnung zu dem, was nicht ist, erhält das, was ist, Wirklichkeit.“49 Im Gegensatz zu dem, was Kükelhaus als nicht Seiendes bezeichnet, ist bei den Japanern dieser Zwischenraum etwas, nämlich ma. Im europäischen Denken definiert sich das Seiende in Abgrenzung zum Nichts. Im traditionellen japanischen Denken wird das, was ist, erst durch die Ein­beziehung des Dazwischenliegenden beschrieben.

116  Vielleicht verdankt Ostendorfs Detail­zeichnung von der Aufhängung der Hänge­säulen über dem Rathaus von Marien­burg (D) ihre Existenz dem ver­blüfften Staunen darüber, was alles mög­lich ist. (aus: Ostendorf, 1908, fig. 54, 54b)

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Nahezu alle Bauten in Japan waren aus Holz. Somit war der Zim­mer­ mann der wichtigste Handwerker. Für große Projekte erreichte die Anzahl der Beschäftigten ein solches Ausmaß, dass Überblick, Organisation und Bauabwicklung nur durch eine hierarchisch streng gegliederte Verantwortlichkeitspyramide sichergestellt werden konn­­ten. Eine sechsstufige Rangordnung schloss noch nicht den einfachen Zimmermann ein.50 Auch horizontal war eine Aufsplitterung notwendig und sinnvoll. Der miya daiku (Schrein-Zimmermann) und der tera daiku (Tempel-Zimmermann)51 mussten sehr andersgeartete Aufgaben erfüllen als der sukiya daiku, „der Zauberer des Materials und der Innenausstattung“,52 der sich auf Gebäude im Teehaus-Stil für Aristokraten, reiche Kaufleute und Krieger spezialisiert hatte. Wie gegensätzlich die Erwartungen der meisten Menschen an die Arbeit eines Handwerkers heute zum Selbstverständnis eines sukiya daiku sind, mag ein Beispiel erhellen. Gebe­ ten, ein sukiya-Haus zu errichten, lehnte der Zimmermann bedauernd ab mit der Begründung, dass er im Zweiten Weltkrieg sein Werkzeug verloren hätte. Ohne dieses wäre er nicht in der Lage, zufriedenstellend zu ar­beiten.53 Wenngleich eine solche Auffassung heutzutage von kaum jemandem nachvollzo­ gen werden kann, belegt sie doch eine bewun­dernswerte Einstellung zur Arbeit, welche nur dann angenommen wird, wenn sie absolut sicher so ausgeführt werden kann, wie sie den Zimmermann zufriedenstellt. Wann tatsächlich vom Zimmermann als spezifischem Berufsbegriff gesprochen werden kann, ist nicht zu sagen: zum einen, weil dies regional extrem unterschiedlich ist, und zum Zweiten, weil eine sinnvolle Definition als Abgrenzung zum Laien kaum vorstellbar ist. Die Fähigkeit zur Herstellung welcher Verbindung oder Konstruk­tion zu welchem Moment in der Entwicklung sollte ihn auszeich­nen? Aus der Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila geht hervor, dass die Goten schon 350 n. Chr. berufsmäßige Zimmerleute beschäftigten. Andererseits gab es in Österreich Gegenden, in denen noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem Zimmermann nicht gesprochen werden konnte.54 Für den russischen Zimmermann scheint überhaupt keine Festlegung möglich, wenn die­ser „erst durch die zunehmende Zahl seiner Werkzeuge, durch die zunehmende Technisierung ... zu einem immer größeren Spezialisten“55 definiert wird. Dies mutet besonders erstaunlich an, wenn man sich die im 10. Jahrhundert errichtete Sophienkirche in Novgorod vorstellt, „eine gewaltige Kirche aus Holz mit 15 Türmen“.56 Dass die Fähigkeit, solche Bauwerke zu errichten, nicht in Monaten oder Jahren erworben werden kann, liegt auf der Hand. Das Vorhandensein von Zimmermannszeichen kann sicherlich als guter Anhaltspunkt dienen. (Ill. 117) Sie sind in der Regel in bedeutenden, konstruktionstechnisch schwierigen Bauten zu entdecken. Zur Datierung eines Bauwerks sind sie übrigens nicht geeignet. In Japan lassen sich in den meisten bedeutenderen Bauten auf einer beschriebenen Holztafel den Bau betreffende Informationen able­sen. Diese Tafel (mune fuda) ist an der Firstpfette befestigt.57 (Ill. 118) Auf einer solchen Tafel im Itsukushima-jinja/Hiroshima (J) ist zu lesen, dass 1577 hier erstmals ein Hobel zum Einsatz gelangt ist.58 Wie so viele andere Handwerker schlossen sich auch die Zimmerleute zusammen. Sie sahen darin vor allem die Möglichkeit zu grö­ ßerer Unabhängigkeit von der Obrigkeit. Aus den religiösen Bruderschaften des 11. Jahrhunderts entwickelten sich, gekoppelt an das Aufblühen der Städte, im 12. und 13. Jahrhundert die Zünfte.59

117  Zimmermannszeichen als Abbund­ hilfe im Dachstuhl der Klosterkirche von Neuberg an der Mürz/Steiermark (A)

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Wie ausschlaggebend dieser Kontext war, zeigt das Beispiel Norwegen: Dort entstanden Zünfte erst im 17. Jahrhundert.60 Die Stadt­ entwicklung war ihrerseits aber auch in einem solchen Maß vom Zuzug von Zimmerleuten abhängig, dass diesen nach nur einjäh­ rigem Aufenthalt Freiheit und Bürgerrecht zugesichert wurde.61 So­ viele positive Seiten das Zunftwesen auch gehabt haben mochte, konnte es für denjenigen, der sich dieser Interessenvertretung entgegenstellte, äußerst unangenehm werden. Wir bewundern heute die Werke der Schweizer Baumeisterfamilie Grubenmann62. Zimmerleute dürfte man sie gar nicht nennen, gerieten sie doch deswegen mit den Zunftvertretern in Konflikt, als sie von den Lindau­ern dank ihrer überragenden Fertigkeiten auf dem Gebiet der Zimmerei den Auftrag für die Wiedererrichtung zweier abgebrannter Paläste erhalten hatten. Finanziell so einträgliche Aufgaben sollten nach dem Willen der Zunftmitglieder nicht an jemanden fallen, der nicht ein­mal die von der Zunft vorgeschriebene Laufbahn absolviert hatte.63 Die Zünfte wurden zum Hort der gewonnenen Erfahrung. Sie über­ wachten die Ausbildung und Wissensvermittlung. Ein geschickt aus­gedachtes System regelte die Verteilung der anfallenden Arbeit. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde das Wandern des Gesellen zur Pflicht. Dass dahinter nicht nur die Überzeugung erfahrener Zunftherren steckte, der Geselle müsste seinen Erfah­rungsschatz in der Fremde erweitern, bringt Gerner auf den Punkt: „Durch die Wanderzeit konnte der Geselle erst einige Jahre später Meister wer­ den, und die Zeit, in der er Meister war, wurde kürzer. Der Konkurrenzdruck war dadurch etwas geringer.“64 Verhandlungen zwischen den Zünften steckten die zugeteilten Reviere ab. Ansonsten grenz­ ten sich die Zünfte hermetisch ab, pflegten keinerlei Kontakt unter­ einander.65 Das Wissen durfte nicht nach außen dringen. Alle Macht der Interessengemeinschaft basierte darauf. Diese Geheimniskrämerei prägte die europäische ebenso wie die japanische Institution.66 Noch einmal soll ein Beispiel aus dem Kreis der sukiya daiku zeigen, welch mythischer Stellenwert ihrer Arbeit zugemessen wird: In den Pausen, während sie aßen oder ruhten, verhüllten sie mit Handtüchern einzelne Teile ihrer Arbeit, um sicherzustellen, dass kein Außenseiter irgendetwas abschauen könnte.67 Erfahrung war die alle Arbeit bestimmende Grundlage für den Erfolg eines Zimmermanns. Diese ließ sich nur in täglicher Auseinandersetzung mit dem zu verarbeitenden Material in der Lösung eines gestellten Problems unter fachkundiger Anleitung eines Meisters erarbeiten. Das Wissen um die nötigen Holzquerschnitte ist ebenso ein Produkt dieser Erfahrung wie jenes um den gesamten Konstruktionszusammenhang. Bekannt sind die Entwürfe von

118  Mune fuda in der Dachkonstruk­ tion des Kenchō-ji sanmon in Kama­ kura/Kana­­gawa (J), auf dem das in die Ge­schichte eingegangene Unglück von 1923 fest­ge­halten ist: „Am 1. September des 12. Jah­res der Taisho-Ära ereignete sich das ver­heerendste Erdbeben von Kanto, das es je­mals gegeben hatte. Damals wurde auch dieser Tempel schwer beschädigt. Ob­wohl das sanmon nicht gänzlich zer­stört wor­den war, erlitt die Dach­kon­struk­tion ernsthafte Schäden.“

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Hans Ulrich Grubenmann, der so kühne Konstruktionen ersann, dass er den Bauherrn und den Nutzern Unterstützungen vorgaukeln musste, um deren ängstlichem Misstrauen Rechnung zu tragen und seine Vorhaben verwirklichen zu können. Der 18 m freigespannten ostseitigen Empore der Kirche in Wädenswil (CH) hängte er Säulenkapitelle an, die nie von Säulen unterstützt wurden.68 Wilhelm Coxe schrieb 1792, dass die Schaffhausener Brücke nicht wirklich auf dem mittleren Pfeiler ruhe, den Grubenmann nur auf Drängen der Auftraggeber stehen lassen hatte.69 Sein Selbstbewusstsein entsprach denn auch seinem Können. Unzufrieden mit den Räten von Schaffhausen, die mit Grubenmann den Bau der Brücke besprechen woll­ten, fuhr er unverrichteter Dinge wieder heim: „Die Narren haben nur immer gesagt, wie sie es haben möchten, und nie gefragt, wie ich es machen wolle.“70 Erfahrung erleichterte das sorgfältige Arbeiten, machte aber auch dessen Notwendigkeit einsichtig. Wer sich einmal auf die genaue Arbeit eines anderen hat verlassen müssen, wird selbst so sorgsam ans Werk gehen, dass der nächste problemlos dort fortsetzen kann, wo ihm die Arbeit übergeben worden ist. Von jedem japanischen Zimmermann wurde erwartet, dass er mit absoluter Treffsicherheit nicht nur zum richtigen Holz griff, sondern auch die der Aufgabenstellung angemessene, einzig richtige Holzverbindung auswählte. Denn wenn nach dem Schneiden aller Verbindungen einmal der Abbund begonnen hatte, war absolut kein Spielraum für Änderun­gen mehr offen.71 Akkurate Arbeit lässt sich an Dachstühlen ebenso ablesen wie an perfekt schließenden Blockwänden. Sie beginnt bei der Holzauswahl und setzt sich fort beim Schneiden der Verbindungen. (Ill. 119) Selbst komplizierte Verbindungen müssen eine so genau wie die andere sein, wenn das Gefüge keinen Nachteil erleiden soll. (Ill. 120) Zu einer Zeit, als keine technischen Zeichnungen angefertigt wur­ den und aus Gründen der Geheimhaltung auch keinerlei schriftliche Aufzeichnungen in Umlauf gelangten, baute der erfahrene Zim­ mermann einzig und allein auf dem gegebenen Grundriss auf. Die Plazierung der Hauptpfosten eines japanischen Bauwerks legt des­ sen Grundstruktur für alle Zeit, die dieser Bau stehen wird, unveränderbar fest; der Durchmesser der Pfosten bedingt das Maß für ihren Abstand und ihre Größe und umgekehrt. Darauf basiert das kiwari jutsu, ein Gesetz, von dem sich alle weiteren Größen bis hin zur Tatamimatte ableiten lassen.72 Dies erklärt auch, wie es möglich ist, dass erfahrene Zimmerleute sich ein Bauwerk nur genau an­sehen mussten, um es nachbauen zu können. Die offen zutage liegenden Proportionen erlauben nur noch an unbedeutender Stelle Interpretationen, die je nach Auffassung und analytischem Vermö­gen des Betrachters ausfallen würden.73 Nicht unähnlich ist man in Russland vorgegangen. Arbeitete man lange Zeit gänzlich ohne schriftliche Unterlagen, so legen gerade die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert aufkommenden sogenannten Dingungsschrei­ben Zeugnis ab von der überragenden Bedeutung, die der Erfahrung zukam.74 Diese Dingungsschreiben legen nicht viel mehr zwischen Auftraggeber und Ausführendem fest als die Anzahl der Kränze, wie hoch ein Gebäude werden sollte. Das „Umrisslegen“ erläuterte die Vorstellungen des Bauherrn bezüglich des Umfangs. Das Erscheinungsbild von Kirchen wurde darüber hinaus durch die Form und Höhe von Türmen bestimmt. Mehr Details in der Auftragsbeschreibung betrafen nur noch die Qualität der Ausführung, des Materials und der Holzschlägerungsplätze. Erst die wesentlich detailliertere

119  Wenn ein Schwalbenschwanz so exakt wie an dieser Aufhängung des Sparrenknechts an der Kubel­brücke/ Appen­zell (CH) geschnitten ist, erfüllt er auch die in seine Form gesetzte Erwar­tung.

120  Blockbauecke in doppeltem Kling­ schrot in Hasleiten/Niederösterreich (A)

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Festlegung der Innenraumgestaltung fixierte dann indirekt etwa die Anzahl und Größe von Fenstern. Etwas ganz Ähn­liches hat es in Norddeutschland gegeben. Als eines von wenigen, wichtigen Maßen war die „Vertiefung“ beim Hochrähmgefüge abgesprochen und im Bauvertrag festgehalten.75 Heute schüttelt man ungläubig den Kopf, wenn man die Komplexität von Bauten wie der Verklärungskirche in Kishi, der Mariä-Himmelfahrtskirche in Kondopoga oder der Auferstehungskathedrale in Kola in Beziehung setzt zu den Bauunterlagen. Erst Ende des 17. Jahrhunderts begann man in Russland Zeichnungen anzufertigen.76 Wenn dann Bauzeichnungen angelegt wurden, waren diese vielfach das Produkt von Künstlern, deren Beziehung zum Bauwesen bisweilen eine recht mangelhafte war.77 (Ill. 121) Es gibt sehr anschauliche Beispiele, an denen die Erfahrung eines Meisters ablesbar wird, Beispiele, die ihn abgrenzten von vielen anderen Guten. Wenn etwa ein großer Block über einer japanischen Tempelsäule auf den Binderbalken aufgesetzt wird, so muss der Block unmittelbar nach dem Abbund ein paar Millimeter Spiel auf­wei­sen. (Ill. 122) Der Binderbalken schrumpft, und die Last des Daches drückt den großen Block auf die Säule. Der Block, der mit einem Dübel gesichert ist, soll die Dachlast aber gleichmäßig auf Säule und Zugbalken verteilen. Die Möglichkeiten, diesen Abstand für die Setzluft falsch zu wählen, sind zahllos in beide Richtungen, zu groß oder zu klein. Ein einziger ist richtig. So gewaltig die Dimensionen im Tempelbau sind, an solchen Stellen entscheiden Millimeter. In solchen Situationen weiß ausschließlich der Meister-Zimmermann das rich­tige Maß. Ein anderes Beispiel sind die Giebelbretter: Nur wer im vorhinein wirklich abzuschätzen weiß, wie stark der Giebel sich unter der Dachlast senken wird, ist befähigt, eine fugenlose Gehrung herzustellen. (Ill. 123) In Europa gab es ähnlich großartige Beispiele. Hätte man die Möglichkeit, einen alten norwegischen Speicher zu zerlegen, dann würde man feststellen, dass die Blockbalken, die das Erdgeschoss definie­ren, tiefer eingeschnitten sind als die auskragenden, die das Auflager für das Obergeschoss bilden. (Ill. 124) Wie jedes Stück Holz muss auch jeder Konstruktionsteil dem Schrumpfungsprozess Rechnung tragen. „Die Norweger behandelten diesen Feind als ihren Verbündeten in ihrer Zimmermannsarbeit.“78 Sie legten die Balken, wie in jedem Blockbau, übereinander, mit dem charakteristischen Zusatz, dass sie jeweils an der Unterseite eine Nut ausstachen. Der auf den Balken lastende Druck verursachte in der Wand eine stärkere Setzung als an den verbundenen Ecken. Um dem Rechnung zu tragen, ließ der Zimmermann in den Verbindungen zusätzlich Luft. Je trocke­ner das Holz wurde, je stärker es schrumpfte, desto enger schlossen die Verbindungen, und der jeweils untere Balken wurde tief in die Nut des jeweils oberen gepresst. In Russland kannte man das gleiche Prinzip.79 Zu solcherart Zimmermannsarbeit gehören Intuition und eine so solide Basis, dass neben allen vordergründig wichtigeren Aufgaben und Entscheidungen eben doch noch Raum bleibt, an derlei „Kleinigkeiten“ zu denken. Dies und die Fähigkeit, im Respekt vor der Tra­dition Neues zu schaffen, sind die Kennzeichen wahrer Meisterschaft.80 Noch ein ganz wesentliches Kriterium für die Meisterschaft kommt hinzu, schwer fassbar und nicht wirklich definierbar. Es ist bestimmt kein Zufall, dass der Hinweis darauf von einer Frau, Jerri Holan, stammt: Es ist die Liebe, etwas herzustellen.81 (Ill. 125) Zu

121  Giebel eines masurischen Bauern­ hauses (aus: Neumeister, Häberle, 1894, Tafel 62). Sowohl im Aufriss als auch in der Detailaxonometrie sind die schwal­ ben­schwanzförmigen Balkenköpfe verkehrt herum gezeichnet.

122  Zur Zeit des Abbunds muss dem Block so viel Setzluft gelassen werden, dass er nach dem Schrumpfen des horizontalen Balkens in seiner richtigen Position aufsitzt. (nach: Brown, 1989, fig. 37)

123  Die in der Giebelmitte zusammen­ laufenden Ortgangbretter schließen beim Rinshun kaku/Wakayama (J) prak­tisch perfekt. – Im Sankei-en in Yoko­hama

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124  Die Schnitzereien an den auskra­ genden Balken dieses Loft in Øverbø/ Telemark (N) überspielen die Funktion der Tropfnasen. 125  Detail aus der Kirchenburg in Bithälm/Siebenbürgen: „In der Freude an der Ar­beit schmückte man auch solche Theile, die von anderen Gefügen verdeckt wer­den sollten.“ (aus: Phleps, 1942, fig. 41.3)

dieser Liebe gesellt sich die Liebe zum Material, die erst ermöglicht, das jeweils richtige Holz auszuwählen und für ein jedes Stück, das man in Händen hält, den geeigneten Zweck auszuwählen und es passend zu bearbeiten. Wie viele Jahre muss ein verständiger Zimmermann lernen, zuschauen, Erfahrung sammeln, um zu diesem Wissen zu gelangen? Was können hier Tabellen vermitteln, aus denen abzulesen wäre, welche Holzart unter welchen Temperatur-, Witterungs-, landschaft­lichen und anderen Bedingungen in welchem Zeitraum wie stark schwinden wird, wenn der Schüler zwar auf seine Fähigkeit hin getestet wird, diese Tabellen zu lesen und zu lernen, sie jedoch nicht in die Praxis umsetzen kann? 30 Jahre, so lautet die Antwort eines Mannes, der versucht hat, auf den Spuren japanischer Tempelzimmerleute zu wandeln.82 Wie lange auch immer die Phase des lernenden Schülers angesetzt wird, ein Charakteristikum der Meister ist die nie endende Auseinandersetzung mit den Werken, den eige­nen und den fremden; der Wille, in kritischer Prüfung Fehler oder Verbesserungswürdiges zu entdecken und bei nächster Gelegenheit das daraus Gelernte in die Tat umzusetzen. Hans Ulrich Grubenmanns geniales Können fiel ihm nicht in den Schoß. Graubner suggeriert, dass der Zimmermann, anders als des­sen Bruder Johannes (Ill. 126), die römische Idee der verzahnten Bal­ken aufgegriffen83 und für seine Brücken adaptiert hätte. (Ill. 127) Dabei gibt es als geistige Quelle für die verzahnten Brückenbalken ein viel näherliegendes Vorbild, eine gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Gossau nach St. Gallen über die Sitter führende Brücke. Ihr Modell existiert noch im Rathaus von St. Gallen.84 Als H. U. Grubenmann später auch Aufträge für Kirchenbauten übernahm, zeigte er immer wieder, dass sein konstruktives Denken im Brückenbau geschult war. Eine sprengwerkartige Bogenkonstruktion, die als Windaussteifung in Längsrichtung für die Evangelisch-reformierte Kirche in Ebnat (CH) entwickelt wurde, leitete über zu einer Hänge-Sprengwerkkonstruktion, die den oberen Teil des Dachstuhls der Kirche in Grub (CH) trägt (Ill. 128; Ill. 129), und weiter zu orthogonal ineinander verschränkten Hänge-Sprengwerken der Evangelisch-reformierten Kirche in Wädenswil (CH).85 (Ill. 130)Nahezu von einem Kirchendachstuhl zum nächsten wurden die Konstruktionen statisch richtiger und klarer.86 Es muss wohl ein unbeschreibliches Gefühl auslösen, wenn man

126  Johannes Grubenmann verstärkte die bei jeder Hängesäule gestoßenen Stabpolygone der Rümlangbrücke bei Oberglatt/Zürich (CH) durch verdübelte Balken.

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127  Ohne Zuhilfenahme von Eisennä­ geln oder -klammern baute Hans Ulrich Gruben­mann kurz vor seinem Tod die Kubelbrücke bei Herisau/Appenzell (CH). Der obere Gurtbogen, der zugleich als Fußpfette der Dachkonstruktion dient, ist dort, wo die Spannriegel des Stab­ polygons anlaufen, durch einen verzahn­ ten Balken verstärkt. 128  Kein anderer Dachstuhl H. U. Gruben­manns zeigt so deutlich wie der in Grub/Appenzell (CH), dass der Zimmer­ mann im Brückenbau gewonnene Erfahrungen umfassend umzusetzen wusste.

129  Ein Firstträger übernimmt die Last des oberen Teils des Daches sowie der angehängten Kassettendecke und leitet sie auf die Giebelmauern der Gruber Kirche ab. (aus: Killer, 1985, fig. 75, 77)

130  Die Überschneidung des verzahn­ ten Längsbinders mit dem verzahnten Querbinder im Dachstuhl der reformier­ ten Kirche in Wäden­swil/Zürich (CH)

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feststellen darf, dass tatsächlich einmal all das heute nur schwer zusammenzutragende, immer theoretisch bleibende Wissen um das Material in einen einzigen Gebäudekomplex eingebaut wor­ den war. Nishioka Tsunekazu will diese Erfahrung bei der Rekonstruktion des Hōryū-ji gemacht haben.87 Mit dem Lehrbuch wurde die Tradition als Regulator langsam verdrängt.88 In Japan erschienen die ersten Handbücher während der Edo-Zeit.89 Sie forderten keine sklavische Befolgung der vorgestellten Beispiele, sondern verstanden sich eher als Empfehlung. Da das Bauen zu dieser Zeit noch immer sehr stark auf Tradition ba­sierte und strukturelle Restriktionen so großes Gewicht hatten, dass substantielle Änderungen nicht in Erwägung gezogen wurden, wa­ren ernsthafte Neuerungen ohnedies auf tokonoma und chigaidana90 beschränkt. In Europa erschienen die ersten Lehrbücher ebenfalls im 17. Jahrhundert,91 sind aber eher als Selbstdarstellungen und Werbeschrif­ ten eines nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges not­leidenden Handwerks aufzufassen.92 In Russland erschienen die er­sten Zimmermannslehrbücher erst um die Mitte des 19. Jahrhun­ derts.93 Was man in jedem Fall vergeblich in den frühen Lehrbüchern suchen wird, sind Details wie eben etwa Regeln für die Anfertigung von Holzverbindungen. Dieses Wissen war so selbstverständlich, dass niemand auf die Idee kam, dazu Zeichnungen anzufertigen, womöglich gar mit Bemaßungen. Wichtiger als Zeichnungen waren Modelle. Sie ersetzten noch geraume Weile statische Berechnungen. Sie wurden nicht nur für die Bauherrschaft hergestellt, sondern dienten dem Zimmermann selbst zum Studium problematischer Details. (Ill. 131) Verschieden rasch verschwand mit der traditionellen Weitergabe des Wissens das tradierte Wissen selbst. Es ist interessant festzustellen, dass dieser Umstand eigentlich nur von Autoren konstatiert wird, die das japanische Handwerk beschreiben. Dabei ist in die­sem Land die traditionelle Bauweise noch unvergleichlich präsen­ter (Ill. 132) als in Europa, wo es Mühe zu machen scheint, jeman­den zu finden, der noch mit dem Handwerkszeugs umzugehen weiß. In kaum 100 Jahren sei es gelungen, 1300 Jahre lang akkumuliertes, beständig erweitertes, verfeinertes und neuen Anforderungen angepasstes Wissen versickern zu lassen, bedauerte der Zimmermann Nishioka für Japan. Was er selbst noch weitergeben konnte, war nur ein kleiner Teil einstigen Wissens.94 Die Restauratoren des Tōdai-ji in der Tokugawa-Ära (entspricht der Edo-Zeit) konnten noch beim Wissen ihrer Großväter anknüpfen. Zum Ende des 18. Jahrhunderts war noch nicht zu viel Zeit verstrichen seit der Herstellung der Bur­gen, Paläste und religiösen Stätten zu Beginn der Tokugawa-Herrschaft.95 Anfang unseres Jahrhunderts, während der Meiji-Ära (1868–1912), war das Wissen bereits verloren. Die

132  Zimmerleute bei der Zurichtung einer Schwelle für ein Gebäude des ­ Ise-jingu-Komplexes/Mie (J)

131  Dieses 1913 nach Plänen nach­ gebaute Brückenmodell zeigt den nicht geneh­migten 1. Entwurf der 119 m langen Schaff­hausener Brücke. Für die tatsäch­lich gebaute Brücke wurde Grubenmann ein Mittelpfeiler vorge­ schrieben. (Foto: Deutsches Museum/ München)

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speziellen Probleme, die Bauten solcher Größenordnung aufwerfen, waren nur mehr unter Zuhilfenahme neuer Technologien lösbar.96 Die Europäer ha­ben sich bereits so unzweideutig von der hergebrachten Holzbau­tradition verabschiedet, dass eine Diskussion, wie sie der Architekt Seike in Japan begann, einfach nicht mehr relevant wäre. Auch er bedauert die fehlende Erfahrung der heutigen Zimmerleute, sieht aber in den neuen Materialien und zugehörigen Technologien keine Gefahr für die wenigen um die Bewahrung traditioneller Bearbeitungsmethoden Kämpfenden.97 Die Entwicklung weg von der vergleichsweise aufwendigen Herstellung einer traditionellen Holz­kon­struktion ist auch in Japan nicht mehr aufzuhalten. Aber es schei­nen sich doch einzelne Zimmerleute in Nischen ein Dasein bewahren zu können, wo sie das Kulturerbe tradieren können. (Ill. 133) Der Zimmermann Tanaka Fumio entwirft, an die alte Tradition anknüpfend, viele Holzverbindungen selbst.98 (Ill. 134) 133  Im neuerrichteten Kyuhonjin kinenkan in Hirata/Shimane (J) lässt sich traditioneller Holzbau gut studieren.

134  Entwurfszeichnungen für Holzver­ bin­dungen von Tanaka Fumio für ein von ihm gebautes Haus. (aus: Kenchiku bunka, Bd. 38, n. 439, 1983/5, p. 129)

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Das Werkzeug In den meisten Fällen sehen Werkzeuge, die ähnliche oder gleiche Zwecke erfüllen, überall auf der Welt einander sehr ähnlich.99 Aber nur auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass eine zur europäischen sehr unterschiedliche Handhabung des japanischen Werkzeugs diesem eine deutlich andere Erscheinungs­ form verliehen hat. Es ist nicht uninteressant, die Beschreibung des japanischen Werkzeugs durch einen Amerikaner, dessen Urteil hier für einen Blick aus der westlichen Welt stehen soll, einer solchen des europäischen Werkzeugs durch einen Japaner gegenüberzustellen. Edward Sylvester Morse, ein Völkerkundler, der mehrere Jahre in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Japan verbracht hatte, setzte eines der auffälligsten Unterscheidungsmerkmale an den Beginn seines wenig schmeichelhaften Vergleichs: „Wenn ich bei uns die schweren Werkzeugkästen aus glänzendem Holz, verziert mit wertvollen Intarsien, sehe, wie sie mit Werkzeugen vollgepropft werden, die mehrere hundert Dollar wert sind – tadellose Werkzeuge, die von teuren Maschinen hergestellt worden sind –, und wenn ich bedenke, wie die mit ihnen ausgeführte Arbeit aussieht, wo alles festsitzt, was sich bewe­gen soll, wo alles wackelt, was unbeweglich sein sollte, wo vieles zwei­mal gemacht werden muss, was alles auf ihre Armut hinweist – wenn ich mir dann den japanischen Zimmermann mit seinem lächerlich leichten Werkzeugkasten, der nur die einfachsten und notwendigsten Werkzeuge enthält, vorstelle – wenn ich die Zimmermannskunst die­ser beiden Völker vergleiche, komme ich zu der Überzeugung, dass Zivilisation und moderne Technik nichts taugt, wenn sie nicht eine große Portion Sachverstand und ein Quentchen Geschmack und Witz enthält.“100 Muramatsu Teijiro leitet seinen Vergleich ebenfalls mit der Beschrei­ bung des eindrucksvollen Aussehens des europäischen Werkzeugs ein: dick, robust, massiv und kräftig – diese Vokabeln „versinnbild­ lichen den Schweiß und das Blut derer, die damit arbeiteten“. Im Gegensatz dazu steht das Werkzeug des japanischen Zimmermanns, das leicht, mit kleinen, schmalen und sehr scharfen Schneiden versehen, „von der beinahe unersättlichen, asketischen Technikbesessen­heit Zeugnis ablegt“.101 Bruno Taut fühlte sich an einen Mechaniker erinnert, wenn er sich das Werkzeug des japanischen Zimmermanns ausgebreitet vorstellte. Nicht viel verschiedenes, aber in allen Größen abgestuftes Werkzeug suggerierte ihm dieses Bild.102 Eine Untersuchung von 1943/44 brachte zutage, dass ein Zimmermann mindestens 179 Werkzeuge brauchte. Diese unglaubliche Anzahl relativiert sich, wenn man sie aufschlüsselt: 49 Stemmeisen, 40 Hobel, 26 Bohrer, 17 verschiedene Werkzeuge zum Messen und Markieren, 12 Sägen, 9 Zan­gen, 6 Hämmer und Klöpfel, aber nur zwei verschiedene Äxte. Zugleich zeigt diese Aufstellung, welches Kapital ein Zimmermann bereit war in seine Ausrüstung zu investieren. Die Bedeutung der Werkzeugpflege kommt klar zum Ausdruck, wenn man in dieser Auflistung auch von 6 Schleifsteinen und 5 Feilen hört.103 Drei wesentliche Punkte waren ausschlaggebend für die unter­ schied­liche Ausformung des europäischen und des japanischen Werkzeugs. Das europäische Werkzeug wurde zur Bearbeitung von Hartholz entwickelt, das japanische für Weichholz. Unter diesem Aspekt erscheint die Schneide europäischer Werkzeuge aus japanischer Sicht dick und stumpf.104 Ein solches Werkzeug verletzt die 67

Holzoberfläche in einem Ausmaß, dass ein attraktives Finish nicht mehr zu verwirklichen ist, wie es den extrem hohen Ansprüchen der Japaner an die in der Regel unbehandelte Oberfläche entsprechen würde. Weichholz, das heißt Holz geringerer Dichte, benötigt zu einer sauberen Bearbeitung äußerst scharf geschliffenes Werkzeug mit möglichst dünner Schneide. Dies betrifft in erster Linie Stemmeisen und Hobel. Ausgenutzt werden konnten hierbei die Techniken und das Wissen der Schwertschmiede: Die Verschmelzung eines vergleichsweise weichen Herzstücks mit einem extrem harten Stahl als Umhüllung führte zur legendären Schnittleistung japanischer Samuraischwerter. Als 1876, nach dem Ende der Tokugawa-Herrschaft, die Herstellung von Samuraischwertern verboten wurde, waren die Schwertschmiede gezwungen, all ihre geheimgehaltenen Rezepte in die Herstellung von Werkzeug einfließen zu lassen. Niemals zuvor hatten die Handwerker so fantastisches Werkzeug besessen.105 Die europäische Benutzung des Werkzeugs ist im Wesentlichen durch eine Arbeitsweise in stoßender Richtung weg vom Körper gekennzeichnet, wogegen die japanische durch eine ziehende Bewegung charakterisiert ist. Dieser viel weniger kraftorientierte Werkzeugeinsatz erlaubt eine Verschiebung des Akzents in der Bearbeitung hin zu mehr Gefühl.106 Bei den meisten europäischen Werkzeugen lässt sich dagegen schon an der Größe und dem Gewicht ablesen, dass diese auf Kraftanwendung des Benutzers ausgelegt sind. Der zweite wesentliche Unterschied ist darin zu sehen, dass der japanische Zimmermann kaum Bohrer braucht, jedenfalls nicht in der Form wie sein europäischer Gegenspieler. Das Bohren von Lö­chern als Arbeitserleichterung für das nachfolgende Ausstemmen ist dieser Arbeitsmethode fremd.107 Während die europäische Holz­verbindung eigentlich nicht ohne Holznägel denkbar war und eine jede Blatt- und jede Zapfenverbindung abgenagelt wurde, eben weil diese Technik der Verwendung von Hartholz entsprach, entwickelte der Zimmermann in Japan ausgetüftelte Verbindungen unter der Voraussetzung, langfaseriges und daher vergleichsweise druckempfindliches Weichholz verarbeiten zu müssen. Um Verbindungen mit Keilen und Dübeln abzusichern, musste man keine Lö­cher bohren können. In Japan kannte man einzig eine Art Drillboh­rer, der zwischen den Handballen hin- und hergedreht wird. Sein hauptsächlicher Verwendungszweck lag zunächst einmal in der Herstellung von Löchern, durch die Seile gebunden werden konn­ten. So zusammengebunden wurde das geschlägerte Holz zu Tal geflößt.108 In Europa dagegen wurde eine Vielzahl von korkenzieherartigen Bohrern hergestellt. Diese Form, aus der übrigens die Schraube entwickelt wurde, war in Japan gänzlich unbekannt.109 Der dritte Unterschied kennzeichnet die Einstellung des Benutzers zu seinem Werkzeug. Für den Europäer ist es eine notwendige Ge­rätschaft, die ihm die Arbeit möglichst erleichtern soll. Der japanische Zimmermann spricht noch heute, trotz teilweise stark veränderter Arbeitsweise und trotz Verwendung all der Maschinen, die auch bei uns üblich sind, nicht einfach von Werkzeug, sondern von dogu, „den Instrumenten des Weges des Zimmermanns“.110 Dies zeugt von einer außerordentlichen Wertschätzung, einer fast schon religiös gefärbten Ehrerbietung und Unterwerfung, die als Grundlage für wirklich fachmännische Arbeit betrachtet worden waren. Wenn ein Lehrling dereinst einfach über ein Werk68

zeug stieg, war es für ihn ebenso einsichtig wie für den Meister selbstverständlich, eine solche Respektlosigkeit mit schallenden Ohrfeigen quittiert zu erhalten.111 Zur Hand nehmen durfte er das Werkzeug ohnedies jahrelang nicht. Hinter dieser Einschränkung steckte psychologisches Kalkül. Der Lehrling sollte gezwungen sein, seinem Meister und dessen Gesellen bei der Benutzung ihres Werkzeugs zuzuse­hen, bis ihn ein unstillbares Verlangen überkam, das in der verstrichenen Zeit Beobachtete und durch Anschauung Gelernte selbst zu versuchen. Nur die allereinfachsten Grundbegriffe wurden direkt gelehrt. Alles andere Wissen bezog der Schüler aus nusumi geiko, den gestohlenen Lektionen, dem Zuschauen. Aufgehen in der Arbeitsumgebung und echte Motivation unterstützten den Entwicklungsprozess des Jugendlichen in einem Alter großer Sensi­bilität und Formbarkeit als ungenannte Lehrmeister. An den Lernprozess des Lehrlings war der Entwicklungsprozess des jungen Men­schen geknüpft. Die Folge war, dass sowohl die täglichen Handgriffe wie ein Großteil anfallender Problemlösungen nicht mehr hinterfragt wurden. Der Meister hatte es genauso gemacht.112 Diese geistige Einstellung mit all ihren Vor- und Nachteilen ist inzwischen verloren gegangen. Westliches Denken begünstigte eine Werkzeugentwicklung, die in ihrer Orientierung hin zu besserer Handhabung und zu steter Erleichterung der Arbeit den Weg zur Entwicklung von Maschinen und Fabriksproduktion ebnete. Japanisches Denken, auf der anderen Seite, war bis zur Öffnung während der Meiji-Ära gefangen in einer Feudalstruktur, die Änderungen nicht zuließ. Es war geprägt vom Streben, das Letztmögliche aus dem Handwerk herauszuholen.113 Als Ergebnis dieser unterschiedlichen Bedingungen sehen wir die so unterschiedlich geformten Werkzeuge vor uns. Die europäischen reflektieren Effizienz und Praxisorientiertheit. Sie wurden entwickelt, um zu dienen, „wie domestizierte Tiere“.114 Viel Zeit verwendete der Zimmermann auf die persönliche Adaptierung seines Werkzeugs. Die große Variabilität im Werkzeugkasten wurde durch die Abspaltung und Spezifizierung verschiedener holzverarbeitender Handwerke beständig erhöht. Seine Beziehung zum Werkzeug brachte der europäische Zimmermann in dessen künstlerischer Ausgestaltung zum Ausdruck. Das Werkzeug des japanischen Zimmermanns ist eher als Tyrann seines Benutzers zu bezeichnen. Im 6. Jahrhundert wurden die Japaner mit koreanischem und chinesischem Werkzeug bekannt gemacht, als diese Völker ihr Wissen dem Inselreich vermittelten. Deren Werkzeuge basierten auf den gleichen Prinzipien wie die euro­ päischen. Noch beim Bau des Hōryū-ji (607 n. Chr.) wurde Werkzeug benutzt, das in stoßender Bewegung eingesetzt wurde.115 Umso erstaunlicher ist die Entwicklung, die den Japanern ihr heutiges Werkzeug beschert hat. Man kann ihr nur mit Vermutungen auf den Grund zu gehen versuchen. Je schwieriger ein Werkzeug zu handhaben ist, je weniger angepasst es in der Hand liegt, desto aufmerksamer muss der Benutzer mit ihm umgehen. Der Griff einer ­japanischen Säge ist der Hand ganz wenig angepasst, er ist nichts anderes als ein gerades Stück Holz in der Verlängerung des Sägeblattes, etwa so lang wie dieses selbst. Dafür ermöglicht aber die ziehende Schneidebewegung in der Verlängerung des stangenartigen Griffs eine ganz andere Kontrolle des Arbeitsverlaufs als das europäische Gegenstück. Denn die Bewegung zum Körper führt automatisch zur Körpermitte, so dass es im Grunde sogar viel leich­ter ist, eine Säge mit ziehendem Schnitt gerade zu führen.116 69

Außer­dem ist zum Ziehen der weit weniger geschränkten japanischen Sägen die Kraft des Armes ausreichend. Die Führung der europäischen Sägen ist dagegen auf den unterstützenden Druck des gan­zen Körpers ausgelegt. Der aus China eingeführte Hobel war ein Holzkasten mit links und rechts je einem Griff. Er ergänzte die yariganna, ein in Europa unbekanntes Werkzeug. (Ill. 135) Mit diesem beidseitig zugeschliffenen, zur Spitze hin leicht aufgebogenen Messer, beidhändig an einem langen Griff geführt, wurden die ausgehackten Bohlen und Säulen endbearbeitet. Es dauerte nicht lange, da war der Hobel umgedreht, wurde nun zum Körper hin gezogen, und seiner Führungsgriffe beraubt.117 Japanische Zimmerleute gaben also ganz bewusst etwas auf, was vom Standpunkt des Bewegungsablaufs die Arbeit erleichtert hatte. Da es keinerlei Aufzeichnungen darüber gibt, war­um dies geschah, kann man auch hier über die Hintergründe nur spekulieren. Beim Gebrauch der Säge verfolgt der Blick des japanischen Zimmermanns die bearbeitete und nicht die zu bearbeitende Holzfläche. Beim Hobeln ist es genau umgekehrt. Die ziehende Bewegung erlaubt, den Hobel über jede beliebige Länge zu führen, ohne ihn ein einziges Mal abzusetzen. Speziell ausgeformte Griffe erleichtern zwar die Arbeit, lenken aber letztendlich die Kraft um. Bei der direkten Führung des Hobelkastens dagegen ist die Verbindung zwischen Hand und Holz am intensivsten spürbar. Der kleine japanische Hobel wird in der Hand des erfahrenen und geübten Benutzers zum Indikator für die Güte der Oberfläche. Nicht visuell, sondern über den Hobel fühlt er die Textur der zu bearbeitenden Fläche. Hobelschlangen von vielen Metern Länge und hundertstel Millimeter Stärke sind anscheinend nur mit einem solchen Werkzeug möglich. Sie sind nicht bloß Ausdruck des Könnens eines Zimmermanns, sondern von den ästhetischen Wertvorstellungen geprägte Forderungen an die Qualität der Ausarbeitung. 135  Zimmerleute bei der Errichtung eines Schreins. (aus: Matsuzaki tenjin engi emaki, Rolle 4, 1311) Bis zur Einführung des Hobels während der Muromachi-Zeit (1392–1573) verlieh die yariganna (2. Reihe von unten) Tempeln und Schreinen ihre fühlbar charakte­ ristische Oberflächen­struktur. Wie die chona (1. Reihe unten), eine Axt mit quer­ gestellter Schneide, von der Funktion und dem Aussehen dem europäischen Dechsel verwandt, hatte sie längst ihre Bedeutung eingebüßt. In der Rekonst­ ruktion des Ise-jingu werden beide Werk­ zeuge noch eingesetzt. Nishioka verhalf ihnen im Kreise Ein­geweihter wieder zu Ansehen durch ihre intensive Nutzung während der Yakushi-ji-Rekonstruktion.

Weitere unterschiedliche Ausformungen betreffen die Stemmeisen bzw. die Äxte und Beile. In Japan sind Werkzeuge gang und gäbe, mit denen nur in eine Richtung gearbeitet werden kann. Messer, die dazu dienen, Löcher zu bohren oder die Innenseiten gekrümm­ ter Flächen auszuarbeiten, sind paarweise zu verwenden, je nach der Holzrichtung. Genauso verhält es sich mit dem Stufenhobel, der je nach Benutzung für die eine Ecke und eben auch die zweite konstruiert sein muss. Immer hat der japanische Zimmermann peinlich darauf geachtet, in die richtige Richtung zu schneiden, 70

niemals die Fasern aufzureißen, denn eine spätere Korrektur, die nicht mehr Material wegnehmen sollte als geplant, wäre natürlich nicht möglich gewesen. Gerade deswegen sind Japaner so erstaunt darüber, dass in Europa einzig und allein gerade das Beil einseitig ausgerichtet ist. Gewohnt, immer die am Faserverlauf orientierte Verarbeitung vor Augen zu haben, vermuten sie hinter der einseitigen, gekrümmten Ausbildung den Wunsch, auch gegen die Faser arbei­ten zu können.118 Tatsächlich war die verschieden orientierte Krümmung des Beils für links- und rechtshändige Arbeitsweise ausgelegt.119

136  Genrebild (aus: Diderot, 1763, Tafel 1)

Die Werkzeugpalette hat sich in Europa seit der Römerzeit bis ge­gen Ende des 19. Jahrhunderts nicht wesentlich verändert.120 (Ill. 136) Das für ihn wichtigste Werkzeug musste sich der Geselle selbst anschaffen: ein Winkeleisen zum Anreißen und Prüfen rechter Win­kel; eine Bundaxt einerseits für die ausgesprochene Grobarbeit, wie die Herstellung von Balken aus Stammholz, zugleich aber auch als echtes Universalwerkzeug zum Schlagen wie zum Schneiden und Spalten; ein Stemmeisen mit einem Klöpfel und einen Dechsel. Er diente zum Wegnehmen großer Spanmengen, aber ähnlich wie die yariganna auch zum Glätten der Oberfläche. Alles Weitere hatte der Meister, bei dem der Geselle arbeitete, beizustellen: die diver­sen Sägen, Äxte und Beile, verschiedene Bohrer, Setzwaage, Lot, Stechzirkel sowie Schnur mit Haspel und Farbkasten.121 Sumitsubo, das japanische Gegenstück zur Zeichenschnur, war das einzige Werk­zeug, das mit kunstvollen Schnitzereien versehen in vielerlei Variationen auftrat. (Ill. 137) Zu dieser für Japan untypischen Aus­schmüc­kung eines Werkzeugs kam es aber erst Ende des 19. Jahrhunderts.122 Ein durchschnittlicher japanischer Zimmermann benutzt heute nicht mehr als 80 Werkzeuge, die elektrischen Maschinen mit eingeschlossen. Nur ein erstklassiger besitzt vielleicht noch 200, gebraucht aber davon auch nur 120. Zur Zeit der Asuka-Periode (552–645), als die ersten Tempel errichtet wurden, hatten die Zimmerleute kein anderes Werkzeug zur Verfügung als Stemmeisen, Äxte, chona (ein japanisches Gegenstück zum Dechsel) und yariganna.123 Perfekt instandgehaltenes Werkzeug ist eine Voraussetzung dafür, dass man dem Geist freien Lauf lassen kann. Es gibt keine Verbindung, die nicht herstellbar wäre. Dies ist zugleich die Begründung

137  Unter Verwendung von sumitsubo als Lot sowie einem Winkeleisen wird die Horizontale eingemessen. (aus: Suzuki, Masaharu, 1847)

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für die uns unglaublich groß erscheinende Anzahl an Werkzeugen. Wenn wirklich jedes Eck und jede Nut, jeder Zapfen, jedes Loch so präzise geschnitten werden kann, wie es entworfen war, nur dann brauchen tatsächlich nicht die mindesten Konzessionen in der Ausführung erschwindelt zu werden. Für den Japaner ist die makellos glatte Holzoberfläche an sich ein ästhetischer Reiz, dem der Zimmermann durch kunstvollen Gebrauch seiner Hobel Rechnung tragen muss. Europäer lieben es anders. Um den Wünschen seiner Kunden nachzukommen, muss der europäische Zimmermann perfekt mit dem Schnitzmesser umzugehen wissen. Ob es sich dabei „nur“ um die Handhabung des Geißfußes handelt (Ill. 138) oder das Objekt eine gewisse Steigerung in dezenter Ornamentik bis hin zu plastisch figürlichen Darstellungen erfährt (Ill. 139; Ill. 140), ist letztendlich ein Spiegelbild des Zeitgeschmacks. Es gibt aber sehr wohl auch in Japan Zeugnisse von Schnitzkünstlern, deren Werke in keiner Kunstgeschichte feh­len, ob es sich nun um den Nikko Toshogu handelt, um Nijo-jo oder den Nishi Hongan-ji in Kyoto. (Ill. 141) Anhand des Stemmeisens124 lässt sich darlegen, wie der unterschiedlichen zu bearbeitenden Holzart Rechnung getragen wurde. Das Stemmeisen hat in der japanischen Architektur eine weit bedeutendere Rolle gespielt als in der europäischen.125 Um die gewünschte Schneidenschärfe zu erreichen, wurde nach einem oben bereits beschriebenen Verfahren126 ein außen wesentlich härterer Stahl aufgeschmiedet, als wir dies vom europäischen Werkzeug her kennen. Ohne entsprechende Erfahrung und Übung währt die Freude über das gute Werkzeug nur kurz. Je härter der Stahl, desto leichter bricht er, desto geringer wird also die Toleranzgrenze für nicht sachgemäße Handhabung. Testvergleiche haben das Resul­tat erbracht, dass handgeschmiedete japanische Stem-

138  Jedes Brett am Achtersteven des Osebergschiffes ist mit dem Geißfuß in genau der gleichen Weise verziert worden wie so viele Block­bau­ten. – Wikingerschiffmuseum Oslo (N)

141  Der Zuisen-ji in Inami machi/ Toyama (J) gehört zu den weniger bekannten Tempeln. Die reich geschnitz­ ten Konso­len des Zuisen-ji taishidō beweisen aber, dass in der Gegend begnadete Schnitzer zuhause waren.

139  Eckständer im 2. Obergeschoss des Kammerzellschen Hauses in Strasbourg/ Alsace (F)

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140  Detail des originalgetreu nach­ge­ schnitzten alten Portals der Stabkirche in Urnes/Sogn (N)

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142  Die Erfüllung des Wunsches nach ornamentaler Ausgestaltung, ohne Künstler sein zu müssen, verhalf der Säge zu weiter Verbreitung, viel leichter, als es gesetzliche Bestimmungen und Vor­ schriften konnten. – Ciucea/Cluj (RO)

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meisen eine bis zum Sechsfachen reichende Standzeit aufweisen gegenüber solchen, die west­licher Massenproduktion entspringen. Japanische Zimmerleute, die auf sich hielten, bohrten niemals ein Loch, zerreißt doch selbst das kleinste alle angebohrten Fasern. Darin liegt ein signifikanter Unterschied zur europäischen Arbeitsweise. Jeder Schlitz, jedes Loch einer herzustellenden Verbindung wurde in Europa weitestgehend vorgebohrt, um anschließend nur noch die Wände der Verbindung mit dem Stechbeitel putzen zu müssen. Musste der japanische Zimmermann ein Loch herstellen, so hatte er eigens geformte, zur Spitze konisch zulaufende Stemmeisen, mit deren Hilfe er quadratische Löcher herstellen konnte.127 Die Säge nimmt im Kreise der Zimmermannswerkzeuge eine beson­ ders eigenwillige Rolle ein. Ihr in weiten Gegenden Europas auffälligstes Charakteristikum ist ihre Missachtung. Dies lag nicht so sehr an der Begründung der gern zitierten Aussprüche von Phleps zur Säge als „das dem Holz am meisten Gewalt antuende Werkzeug“.128 Überzeugt davon, dass mit dem Einsatz des „grausamsten Werkzeugs“129 das Ende der traditionellen Holzkultur eingeläutet wurde, klingen seine zornigen Worte wie die eines Menschen, der sich seiner unausweichlichen Niederlage in einem Kampf gegen den ökonomischen Fortschritt schmerzlich bewusst wird. „Der im künstlerischen Sinne gefährliche und schädliche Gegner“130 wird zum persönlichen Feind hochstilisiert. Resigniert schimpft denn auch Phleps noch Jahre später: „Sie [die Säge] brachte zwar eine Vereinfachung in der Verarbeitung, wurde aber durch ihr den Aufbau der Fasern verachtendes Zerteilen zum Werkzeug rücksichtsloser Vergewaltigung der natürlichen Eigenschaften des Holzes.“131 Was tatsächlich noch im 20. Jahrhundert einem Menschen die Möglichkeit gab, so gegen ein Werkzeug zu wettern, waren die Beharrungskräfte derer, die nicht zur ihnen ungewohnten Säge greifen wollten. Phleps’ Aussagen sind natürlich bedenkenswert. So mancher mag sich angesichts ausgesprochener Laubsägearchitektur fragen, ob denn solche Ergebnisse die Entwicklung der Säge wert waren. (Ill. 142)  Es wäre aber eine Verkennung der Tatsachen, wollte man allein dem unbestreitbaren ökonomischen Vorteil, den die Benutzung der Säge bedeutet, die Akzeptanz dieses Werkzeugs zusprechen. Tatsache ist, dass es die Säge, wie wir sie uns heute vorstellen, seit der Bronzezeit gibt. Weil sie ungeschränkt war, deshalb sehr schwergängig, und außerdem aus weichem Material, funktionierte sie auf Zug. Die Römer schränkten die Säge, wodurch größere Schnittiefen ermöglicht wurden. Wirklich brauchbare Sägen konnten jedoch erst im 15. Jahrhundert hergestellt werden, als man in der Lage war, Stahl zu verarbeiten.132 In Europa besteht erst seit dem ausgehen­den 19. Jahrhundert die Schneide zur Gänze aus Stahl. Davor war nur das vordere Ende verstählt.133 Vielleicht hätte Phleps seine Meinung re­vidieren können, hätte er die Möglichkeit gehabt, japanischen Zimmerleuten bei ihrer Arbeit zuzusehen. Viele der interessantesten Verbindungen, wie etwa die Gruppe der isuka tsugi134, sind gedanklich dem vertrauten Umgang mit der Säge entsprungen. Sieht man sich eine japanische Säge genau an, so kann man erahnen, wie viel über Generationen gesammelte Erfahrung in die heute vorliegenden Formen eingegangen sind. Die erste wesentliche Besonderheit betrifft die Gestaltung der Sägezähne. Für den Längsschnitt entsprechen sie etwa der unserer Handsägen. Die Zähne für den Schnitt quer zur Faser sehen hingegen sehr anders aus. Diese beiden Grundtypen werden dann weiter unterteilt in Sägen, die der Bearbeitung von Hartholz dienen, und solche, die 75

Weichholz schneiden sollen. Die Idee, die hinter dieser Diversifizierung steckt, ist die Auffassung, dass es die Zähne und nicht die eingesetzte Kraft ist, die schneiden sollen. Da die Zähne einer Säge nicht überall gleich stark belastet sind, sind auch diese Beobachtungen in ihre Formung eingegangen. Sowohl die Winkelstellung als auch die Größe der Sägezähne variiert. Es ist schon verblüffend, wie spezialisiert in Europa das Sortiment an Kreissägeblättern ist, während für die Arbeit mit der Hand eine europäische Säge Hart­ holz genauso schneiden soll wie Weichholz und zudem sowohl längs als auch quer zur Faser. Auch in Japan stand die Säge in ihrer Bedeutung nicht überall gleich­wertig neben allen anderen Werkzeugen. Im Bau des minka gelangte sie erst während der Edo-Zeit zur Anwendung.135 Allerdings wurde die Schrotsäge dem japanischen Holzfäller schon im 18. Jahr­hundert das liebste Werkzeug.136 Europäischen Holzfällern wurde ihr Gebrauch zwar schon im 17. Jahrhundert vorgeschrieben, erzwun­gen werden konnte er in Ausnahmefällen aber auch im 20. Jahrhundert noch nicht.137 Ausgangspunkt unserer Beschreibung war die sehr anders gelagerte Wertschätzung des Werkzeugs durch den europäischen im Vergleich zum japanischen Zimmermann. Sie kam aber nicht nur in der vielgestaltigen Formgebung zum Ausdruck. Die gleiche spielerische Ader, die den Zimmermann zur Verzierung seines Werkzeugs trieb, reizte ihn nun zum Spiel mit der Form des zu bearbeitenden Materials. Was lag näher, als mit seinem Werkzeug zu spielen?138 (Ill. 143; Ill. 144) Ob der Zimmermann auf die Kraft der inneren Sammlung vertraut, wie es in gewisser Weise im asketischen Werkzeug zum Ausdruck kommt, oder aber seinen Impetus in der überschwenglichen, lustvollen Erdgebundenheit findet, die ihrerseits das Aussehen der Werkzeuge prägt,139 „worauf es im Grunde ankommt, ist der Grad der Präzision, mit der die Arbeit durchgeführt worden ist, und die Schönheit des Resultats bzw. dessen Ausführung. Was der Handwerker letztlich leistet, gestützt auf sein Werkzeug, liegt jenseits von Funktion und ­Effizienz: es ist das Schöne.“140

143  Die bildliche Darstellung einer Axt in der eingebundenen Zwischenwand in Laufen/Bayern (D) ist ein Hinweis auf die spezifisch europäische Wertschätzung für das benutzte Werkzeug.

144  Das Werkzeug des Zimmermanns, bildlich eingebunden in die Darstellung dessen, wofür es benutzt wird: die Her­stellung einer Dachlandschaft (aus: Gierth, 1840, Tafel I)

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Konstruktionsformen Betrachtet man den konstruktiven Aufbau, so lässt sich der traditionelle Holzbau in zwei Bauweisen aufteilen, den Blockbau und den wesentlich älteren Gerüstbau. Immer noch geistern falsche Vorstellungen von der vermeintlichen „Ursprünglichkeit“ des Blockbaus durch die Literatur, die zu fal­schen Schlüssen Anlass geben. Seine Eigentümlichkeit rührt ja daher, dass die Errichtung einer Wand, eines zweidimensionalen Gebildes, nur dreidimensional möglich ist. Eine Blockwand lässt sich daher grund­sätzlich nur in Verbindung mit mindestens einer Nachbarwand herstellen. Unerheblich hingegen ist, ob diese Wände als ebene oder gekrümmte Flächen ausgeformt sind. Schon diese Überlegung sollte deutlich machen, dass ein Übergang vom Windschirm, der vielfach als erster gebauter Schutz des Menschen angesehen wird, zum Blockbau zumindest nicht so ohne Weiteres vorstellbar ist. (Ill. 145) Es gibt natürlich seriöse Ideen zu einer gestalthaften Verwandtschaft der Flechtwand zum Blockbau, gerade was die Ver­bindungstechnik anbelangt,141 aber den Blockbau als „die einfachste Konstruktionsweise“ zu bezeichnen, als „urtümlichste Holzbearbei­tungstechnik, die sich dann zur Ständerbautechnik entwickelte“, ist schlichtweg falsch.142 Weniger leicht machen es einem Autoren, wenn sie feststellen, dass es in anderen Ländern umgekehrt sein möge, in Polen aber der Blockbau älter sei. Schon die Begründung stellt diese Behauptung in ein schlechtes Licht: „Der Blockbau verlangt nur eine verhältnismäßig oberflächliche

145  Die Verwandtschaft der verschränk­ten Hände mit der Konstruk­ tion des Block­baus nährt einerseits die Vor­stel­lung von Simplizität, andererseits de­mon­striert sie die Herstellung und Trennung von Innen­raum und Außen­ raum. (aus: Kükelhaus, 1988, p. 28)

146  Die aus Eichenhalbhölzern errichtete älteste erhaltene Holzkirche in Green­sted-juxta-Ongar/Essex (GB) hatte ursprünglich Palisadenwände.

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Bearbeitung ... Stiele verlangen schon kunstvolle Verzapfungen, wo sie mit den waagrechten Holzteilen verzapft werden sollen.“143 Das Erscheinungsbild des Blockbaus ist durch die ausschließlich waagrechte Anordnung seiner Hölzer gekennzeichnet. Im Gerüst­ bau übernehmen senkrechte Hölzer die tragende Funktion. Um sie in ihrer senkrechten Lage zu fixieren, mussten sie eingegraben wer­ den. Sie werden dann als Pfosten bezeichnet, im Gegensatz zu den oberhalb der Erde aufgestellten Ständern. Zwei Möglichkeiten der Wandbildung standen zur Verfügung. Holz neben Holz, ob unbearbeitete Stämme, Halbhölzer oder Bohlen, in den Boden gesteckt, ergaben eine Palisadenwand. Die Eckbildung konnte dabei negiert werden, ließ sich aber ebenso gut artikulieren.144 An der Kirche in Greensted-juxta-Ongar (GB) lässt sich noch ablesen, wie man Halbhölzer verbindungslos um die Ecke führen konnte. (Ill. 146; Ill. 147) Die andere Möglichkeit war, Pfosten in gewählten Abständen in den Boden zu schlagen und die Zwischenräume zu einer Wand zu schließen. Veränderungen in zwei Bereichen liefen nebeneinander. Die einen betrafen die Wandfüllungen, die anderen die Entwicklung vom Pfo­sten- zum Ständerbau. Wenn wir mit dem zweiten Bereich beginnen, muss festgehalten werden, dass weder zeitlich noch räumlich eine einheitliche und allgemeingültige Entwicklungslinie auszumachen ist. Der Pfostenbau verursachte verschiedene Probleme. Ein eingegrabenes Stück Holz war nicht nur an seiner Austrittsstelle aus dem Boden gefährdet, wenn auch dort am meisten. Der Pfosten konnte auch einsinken, was spätestens dann sehr unangenehm war, wenn man einer Pfostenreihe ein Rähm aufgelegt hatte. Um dieses Einsinken zu verhindern, wurden den Pfosten an ihrem Fuß­ende waagrechte Riegel eingezapft, die ihrerseits von orthogonal verlegten Holzstücken unterlegt werden konnten.145 (Ill. 148) Vermutlich war der nächste Schritt, die Aussteifung der Pfosten über den Boden zu verlegen.146 Dies vereinfachte das Einsetzen der verstrebenden Hölzer. Wenn sie auf dem Boden lagen, konnten sie beobachtet und im Bedarfsfall ausgetauscht werden. Der Schritt zur Verbindung der einzelnen Verstrebungshölzer war dann kein großer, denn schließlich erhöhte es den gewünschten Effekt, wenn zwei Pfosten miteinander verbunden waren. Schon in der Jungsteinzeit erkannte man die Möglichkeit der Doppelnutzung dieser waagrechten Hölzer: Jedes senkrechte Holz, das man in dieses waa­g­rechte Holz einzapfte, war bereits ein Ständer, auch wenn er aus Tradition seinen Zapfen noch bis zu 2 m tief in den Boden steckte. Das waagrechte Holz war damit zur Schwelle geworden.147 Die ganze erste Jahrtausendhälfte v. Chr. behielten die Schwellhölzer diese Funktion als Lastverteiler. Die Entstehung der Schwelle hat also primär nicht damit zu tun, den Bau vor Feuchtigkeit zu schützen. Es wäre dies ja auch nur bedingt sinnvoll gewesen, solange man die Schwelle auf dem Boden hatte lie­gen lassen. Die weitere Entwicklung zum Ständerbau läuft alles andere als kon­ tinuierlich ab, nach welcher Richtung auch immer man es betrach­ ten will. Im deutschen Fachwerkbau waren im ausgehenden Mittelalter wieder den einzelnen Ständern vorgeblattete Schwellhölzer anzutreffen. Die vorgeblattete Schwelle wurde durch eingezapfte Schwellriegel ersetzt, die ihrerseits durch die von Eckständer zu Eckständer durchlaufende Schwelle abgelöst wurden.148 Wesentlich waren die damit gewonnenen konstruktiven Möglichkeiten. Die Positionierung der Ständer konnte nun relativ frei gewählt wer­ den, in Abhängigkeit davon auch die Fensterteilung.

147  Der Eckpfosten wurde der Länge nach um das nach innen zeigende Viertel seines Volumens beraubt. Die rechtwin­ kelige Kerbe lag genau im Schnitt­punkt der Innen­wandflächen. (verein­facht nach: Hewett, 1980, fig. 3,4)

148  In verschiedener Weise hat man ein Einsinken der Pfosten unter dem auf­lasten­den Gewicht zu unterbinden ver­sucht. (aus: Tsugi shiguchi kenchiku no kakusareta chie, 1984, p. 24)

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Im frühen nordischen Stabkirchenbau wurde den senkrecht stehenden Wandbohlen von innen her eine Schwelle untergeschoben. (Ill. 149) Dabei griffen hakenförmige Einkerbungen der Bohlen in die passend eingekerbte Schwelle, ganz in der Art, wie Standrofen in die Fußpfette greifen. In diesem Fall ging es wohl mindestens gleichrangig auch um den Feuchtigkeitsschutz. Wie sinn- und erfolgreich das hier entwickelte Wasserableitungssystem angelegt war, förderte die Ausgrabung der Stabkirche von Silte (S) zutage. Unter der im 13. Jahrhundert errichteten Kirche fand man die alte Vorgängerin aus Holz. Die Reste ihrer Wandbohlen ließen sich unversehrt aus ihren Verbindungen mit den Schwellbalken lösen. Da die Wandbohlen nicht einmal angenagelt waren, konnte keine Feuchtigkeit an die auf einer Trockenmauer aufgelegte Schwelle gelangen. Die Wand selbst war in einer unglaublich durchdachten Abflussrinne durch Steine so verkeilt, dass sie keiner weiteren Sicherung bedurfte.149 Dieses System des Holzschutzes scheint wenigstens ebenso gut funktioniert zu haben wie das viel bekanntere der heute noch stehenden norwegischen Stabkirchen. (Ill. 150) Es ist eine bis heute nicht eindeutig beantwortete Frage, wie lange der Pfostenbau trotz der Probleme, die er verursachte, beibehalten wurde bzw. wann man zum Ständerbau überging und dessen ganz andere Probleme in Kauf nahm.150 Die einen setzen das Ende des Pfostenbaus um die Jahrtausendwende an,151 andere behaupten sein Vorkommen noch für das 16. Jahrhundert.152 Bei Scheunen als untergeordneten Nutzbauten waren in Teilen Deutschlands die tra­genden Elemente auch noch im ausgehenden 17. Jahrhundert eingegraben.153 In Japan konnte man sich beim minka überhaupt erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts zur Einführung einer Schwelle durchringen.154 Während in Skandinavien der konstruktive Übergang für Kirchen bis ins 12. Jahrhundert anzusetzen ist – im Gegensatz zum Profanbau, der sich noch zwei Jahrhunderte Zeit gelassen hatte –,155 konnte in deutschen Städten kein Einfluss der römischen Schwellbalken-Ständerkonstruktion auf den frühmittelalterlichen Holzkirchenbau nachgewiesen werden.156 Die parallel zum Übergang vom Pfosten- zum Ständerbau ab­laufende Entwicklung im Gerüstbau betraf die Wandfüllungen. Zur Auswahl stand eine reine Holzfüllung und die aus dem Fachwerk bekannte verputzte Gefachfüllung. Die Holzfüllung konnte je nach Auswahl und Bearbeitung des Holzes mehr oder weni­ger dicht aus­fallen. Waren die Balken horizontal geschichtet, muss­ten sie links und rechts in die Pfosten oder Ständer eingespundet werden. (Ill. 151) Sollten sie senkrecht angeordnet werden, eine Er­innerung an die Palisadenwand, mussten sie in das Rähm eingezapft werden oder, im Falle des Vorhandenseins einer Schwelle, in Schwelle und Rähm. Hierbei handelt es sich um Stabbauten.157 (Ill. 152) Die Stabwand als Wandfüllung ist jedoch auch seitlich in die Rahmenhölzer eingespundet. Dies unterscheidet sie herstellungsmäßig nicht unwesentlich von der Ständerbohlenwand. Die horizontale Bohlenfüllung nutzt geschickt die Schwerkraft, indem sie die horizontalen Balken, die in den seitlichen Nuten geführt werden, im Zuge ihres Schwindens zusammenrutschen lässt. Im Stabbau musste der Zimmermann dieser Holzeigenschaft aktiv Rechnung tragen. Zu diesem Zweck machte man sich das gleiche Prinzip zunutze, nach dem im Blockbau die Keilbohle zur Verspannung des Fußbodens dient. (Ill. 153) Wie bei jenem wird hier eine keilförmige Bohle, in diesem Fall von oben, in den mit Nut- und

149  Im frühen nordischen Stabkirchen­ bau hatte man ein perfektes System zum Schutz der Schwelle vor Feuchtigkeit geschaffen. (Detail nach der Rekonstruk­ tionszeichnung von Silte/Gotland (S) von: Trotzig, in: Ahrens, 1981, p. 291)

150  Die zu Wasserrinnen vertieften und abgeschrägten Nuten der Schwellen, auf denen die Wandbohlen aufgezapft ste­hen, drohten durch Blätter oder wachsen­des Moos verstopft zu werden. – Außen­wand­details der Stabkirche in Kaupan­ger/Sogn (N) (nach: Ahrens, 1981, p. 175)

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151  Bohlenständerbau mit aufgesetz­ tem Blockbau in Köfels/Tirol (A). Die Wand­flächen zwischen den Ständern werden mit in diese eingespundeten waag­rech­ten Bohlen geschlossen.

153  Von außen eingetriebene Keilboh­ len verspannen die Fußbodenbohlen in allen Geschossen. – Reichenbach/Bern (CH)

152  Ständerbau mit senkrechter Bohlen­füllung in Selo/Moravske Toplice (SLO)

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154  Die Stabwand des sval der Kirche in Urnes/Sogn (N) wird mit einer Keilbohle verspannt.

155  In diesem Gebäude eines Gehöfts in Tscherwen/Plewen (BG) wurde das Erdgeschoss mit Flechtfüllung und beidseitig zugespitzten dünnen Stangen verschlossen, das Obergeschoss mit Lehmziegeln.

Zapfenverbindungen hergestellten Wandverband getrieben, um dessen Dichtheit zu gewährleisten. (Ill. 154) Aus Gründen der Holzersparnis ist man zunächst in den Städten dazu übergegangen, die Gefache mit praktisch kostenlosem Holz, nämlich Staken, dünnen Ästen und Ruten, auszuflechten und an­schließend, um sie dicht zu bekommen, mit Lehm zu verschmieren. Im Laufe der Zeit ersetzte man dieses Flechtwerk mehr und mehr durch Ziegelfüllungen. (Ill. 155) Doch wie eine Lade trotz der besten Verbindungen ihre Steifigkeit erst durch den eingeschobenen Bo­den erhält, so hatten Wandfüllungen aus Holzbohlen bzw. Brettern als Aussteifungen gewirkt. (Ill. 156) Flechtwerk allein war nicht imstande, diese Aufgabe zu übernehmen. Deshalb mussten waagrechte Riegel und schräg gestellte Streben, entweder als Verschwer­tungen158 oder als Kopf- und Fußbänder, die Aussteifung der Ge­fache übernehmen.159 Und natürlich sind außer den reinen For­men alle erdenklichen Arten von Vermischungen dieser Bauweisen erfolgreich ausprobiert worden.

156  Das Ständergerüst dieser Scheune in Shirakawa mura/Gifu (J) ist mit Bret­ tern ausgefacht.

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1 Ostendorf, 1908 2 Anders sah die Situation aus, solange Holz nur Hilfs­ mittel bzw. Hilfskonstruktion für Flechtwände war. Im Flechtwerk war die Form von der Konstruktions­ weise her keine streng winkelige. Oft waren die Flechtwände auch wirklich nicht mehr ebenflächig. 3 Parent, 1986, p. 80 4 Interessant als Gegenüberstellung ist die umge­ kehrte Situation des Verbots, in Stein zu bauen. In dem Bestreben der Herrschenden, allenfalls Unbot­mäßigen die Möglichkeit zu nehmen, massivere Bollwerke zu Verteidigungszwecken zu errichten, zwangen sie gleichsam die so unter Druck Gesetz­ten, eine ganz herausragende Holzkultur zu ent­wickeln. So erging es den Rumänen unter den an­gevinischen Königen Ungarns (Petrescu, 1974, p. 51) ebenso wie den Norwegern unter schwedischer Herrschaft. (Graubner, 1986, p. 128) 5 Saeftel, 1931, p. 21f. 6 Coaldrake, 1990, p. 28 7 Gilly, 1797, p. 11 8 Schübler, 1736, p. 82 9 Phleps, 1942, p. 30; Rosenfeld, 1956, p. 159 10 Keim, 1976, p. 63 11 Hanftmann, 1907, p. 188 12 Sjovold, 1985, p. 32f. 13 Gunda, 1986, p. 79 14 Man muss es mit eigenen Augen sehen, um zu glau­ben, dass aus einem Lärchenstamm mit 1,6 m Durch­messer, von dem nur noch der äußere Kreisring mit 15 cm Wandstärke existiert (der Kern dieses alten Baumes ist längst zerfressen), das wertvolle Holz händisch herausgeschnitten wird. (Tokyo Meiboku) 15 Smith, 1964, p. 150 16 Der pyramidenförmige Aufbau bedingt prinzipielle Abholzigkeit aller Hölzer. Der Holzverarbeitende versteht darunter, dass ein eingeschnittenes Holz seinen Faserverlauf deutlich schräg zur Einschnitt­ richtung hat. Das macht einerseits Probleme bei der Bearbeitung, vor allem, wenn die Abholzigkeit nicht gleichförmig ist, und kann andererseits, speziell dann, wenn die Stirnseite betroffen ist, umgelegt auf unsere Überlegungen bedeuten, dass eine Verbindung sinnvollerweise an ein solches Stück Holz nicht geschnitten werden darf. Der Faserver­ lauf kann so ungünstig sein, dass etwa ein Zapfen bei geringster Belastung abreißen würde, weil er eben nicht im Langholz liegt. 17 Keim, 1976, p. 63 18 Bei der Schindelherstellung verhält es sich anders. Abgesehen von einer Nut beim Nutschindeldach fällt überhaupt kein Abfall an. Erst die allerletzte Verfeinerung der Schindel, ihre Abfasung, produ­ ziert geringfügig Abfall. Dieser Materialverlust wird aber durch die Erhöhung der Lebensdauer der Schin­del mehr als wettgemacht. (Ast, 1990, p. 30ff.; Phleps, 1942, p. 95ff.) Auch jene Spaltbohlen, die man im primitiven Holzbau für die Pfostenwände verwen­dete (Ahrens, 1990, p. 153), waren wie die Nutschin­del radial aus dem Holz herausgespalten. 19 Rosenfeld, 1956, p. 154f. 20 Phleps, 1939, p. 400 21 Lissenko, 1989, p. 52 22 Phleps, ibid., p. 401 23 Lissenko, ibid., p. 52 24 Das Maß einer Tatamimatte hat sich im Laufe der Zeit minimal verändert. Auch regionenweise war es nicht identisch. Als Richtwert kann aber ein Maß von 180 × 90 cm angenommen werden. 25 Coaldrake, 1990, p. 145 26 Schulz, 1964, p. 8 27 Magocsi, Zapletal, 1982, p. 26 28 Ast, 1979, p. 31

29 Taut, 1958, p. 193 30 So waren etwa die Hochstudhäuser des Schweizer Mittellandes das Werk professioneller Zimmerleute. (Gschwend, 1988, p. 34) Ähnliches gilt für vom groß­ bürgerlichen städtischen Bauen beeinflusste Höfe, wie z. B. die niederdeutschen Hallenhäuser des 17. und 18. Jahrhunderts, die von Großbauern bewirt­ schaftet und sicher nicht mehr von diesen selbst errichtet wurden. (Klöckner, 1978, p. 29; Kaiser, Ottenjann, 1988) 31 Bresson, 1981, p. 124; Hauglid, 1989, p. 10 32 Foltyn, 1960, p. 32; Strzygowski, 1927, p. 26 33 Strzygowski, 1940, p. 38 34 Dietrichson, Munthe, 1893, p. 60 35 Schulz, 1964, p. 11; Österr. Ingenieur- und Architekten-Verein, 1906, p. 90f. 36 Holan, 1990, p. 9 37 Saeftel, 1931, p. 28, 55 38 Schier, 1966, p. 44 39 Mayer, 1986, p. 107, Anm. 92 40 Coaldrake, 1990, p. 19; Ausst.-Kat. Holzbaukunst in Vorarlberg, 1990, p. 7 41 Killer, 1985, p. 112 42 Gerner, 1986, p. 33 43 Phleps, 1942, p. 28 44 Taut, 1958, p. 34, 197 45 Saeftel, 1939, p. 35 46 Seike, ibid., p. 7 47 Hirai, 1980, p. 119 48 Coaldrake, ibid., p. 16; Okawa, ibid., p. 117 49 Kükelhaus, 1988, p. 32 50 Okawa, ibid., p. 116 51 Erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts verschwand mit der Abhängigkeit von einem bestimmten Schrein bzw. Tempel die Unterscheidung zwischen miya-daiku und tera-daiku. (Masuda, 1969, p. 120) 52 Coaldrake, ibid., p. 18 53 Itoh, 1972, p. 95 54 Haiding, 1980, p. 146 55 Schulz, 1964, p. 20 56 ibid., p. 8 57 Coaldrake, 1990, p. 14; Masuda, 1969, p. 120 58 Itoh, 1972, p. 21 59 Gerner, 1986, p. 10; Weiß, o. J., p. 24; Coaldrake, 1990, p. 7 60 Holan, 1990, p. 163 61 Binding, et al., 1989, p. 12 62 Die Baumeister Grubenmann waren in drei Generationen tätig. Ulrich G. (1668–1736) hatte drei Söhne: Jakob (1694–1758), Johannes (1707–1771) und Hans Ulrich (1709–1783). Jakob und Johannes hatten wieder je zwei Söhne. Bedeutende Bauten stammen von Johannes. Die wirklich berühmten und heraus­ragenden Leistungen vollbrachte Hans Ulrich Gru­ben­mann. (Killer, 1985) 63 Killer, 1941, p. 165f. 64 Gerner, 1986, p. 16 65 Itoh, 1982, p. 117f. 66 ibid., p. 117f.; Lissenko, 1989, p. 41, 50; Weiß, o. J., p. 66 67 Itoh, 1972, p. 95 68 Killer, 1985, p. 125ff. 69 ders., 1941, p. 29f. 70 ibid., p. 23 71 Coaldrake, ibid., p. 33 72 Itoh, 1982, p. 42ff.; Okawa, ibid., p. 114; Coaldrake, ibid., p. 37 73 Brown, 1989, p. 45 74 Lissenko, ibid., p. 41ff.; Schulz, 1964, p. 13; „Dingungsschreiben“ = rjadnana sapis (wörtlich: Urkunde über den ausgehandelten Preis) 75 vgl. p. 160ff. 76 Schulz, ibid., p. 13 77 ibid., p. 42

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Holan, ibid., p. 155 Opolownikow, 1986, fig. 364 Brown, ibid., p. 66f.; Lissenko, ibid., p. 49 Holan, ibid., p. 143 Len Brackett in Nakahara, 1990, p. 7 Graubner, 1986, p. 9. Diese Zeichnung stammt aus "Machinae novae Fausti Verantii Siceni, cum declaratione Latina, Italica, Hispanica, Gallica, et Germanica", ca. 1615–1619, Tafel 31. Die Bezeichnung "Pons ligneus" in der Zeichnung ist der Abfassung des Werks Fausto Veranzios in lateinischer Sprache geschuldet. Ob die Römer tatsächlich Segmentbogenbrücken aus verzahnten Balken gebaut haben, bleibe hier dahingestellt. Killer, 1941, p. 40 ders., 1985, p. 91ff., 112ff., 122ff. ders., 1941, p. 183 Brown, ibid., p. 27f. Holan, ibid., p. 139ff. 1608 erschien Shomei, das älteste noch existierende Werk dieser Art. Bestehend aus fünf Bänden, setzt sich jeder Teil mit einem speziellen Typus ausein­ ander: Paläste und Residenzen, Tore, Schreine, Tem­pel und Türme. (Hirai, 1980, p. 103) vgl. p. 41, Anm. 70 Johann Wilhelm, Beschreibung und Vor-Reissung der vornehmsten Dachwerke, 1649; Johann Wilhelm, Architectura civilis, 1668; Johann Jacob Schübler, Zim­­mermannskunst, 1736 und ein weiterer Band 1749. Blaser, 1982, p. 18ff. Schulz, ibid., p. 17 Brown, ibid., p. 30 Omori, 1966/4 und 1966/5 Coaldrake, ibid., p. 156 Seike, ibid., p. 17f. Graubners Buch zeigt Tanakas intensive Auseinandersetzung mit dem Erbe seiner Vorfahren. Graubner, 1986, p. 40 Morse, 1983, p. 13 Muramatsu, 1992, p. 20 Taut, 1958, p. 197 Coaldrake, 1990, p. 30 ibid., p. 21 ibid., p. 158 Seike, 1981, p. 9 Coaldrake, 1990, p. 78 ibid., p. 112; Nihon kenchiku gakai, 1992, p. 62, fig. 1 Muramatsu, 1992, p. 22 Seike, ibid., p. 18 Muramatsu, ibid.; Seike, ibid. Coaldrake, ibid., p. 8 Muramatsu, ibid., p. 24 Muramatsu, ibid., p. 23 Coaldrake, ibid., p. 103ff. Jeder kann sich sofort die Bestätigung selbst ver­schaffen. Wenn wir zur Säge greifen, beginnen wir automatisch den Schnitt mit einer ziehenden Bewe­gung. Die weite Schränkung unserer Sägen braucht erst eine Führungsnut, ehe wir den kraft­ vollen Stoß ausführen können. Würde die Arbeit mit stoßender Bewegung begonnen gegen den Widerstand des Holzes, hätte dies unweigerlich eine Zerstörung der Oberfläche zur Folge. Muramatsu, 1992, p. 23 Muramatsu, ibid., p. 24f. Schadwinkel, et al., 1986, p. 81

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Binding, et al., 1989, p. 8 ibid., p. 12 Coaldrake, 1990, p. 44 Brown, 1989, p. 69 Norwegen stellt eine Ausnahme dar. Dort verwen­ dete man kein Stemmeisen, sondern nur Geißfuß und Ziehmesser. (Holan, 1990; Bergenhus, 1991) Schadwinkel, et al., ibid., p. 214f. vgl. p. 68 Coaldrake, 1990, p. 48ff. Phleps, 1942, p. 15 ibid., p. 43 Phleps, 1951, p. 4 ibid. Schadwinkel, et al., ibid., p. 136ff. ibid., p. 214 Isuka heißt wortwörtlich übersetzt halbierte Schäf­ tung (Nakahara, 1990, p. 26). Graubner nennt diese Verbindung eine doppelte Schäftung (Graubner, 1986, p. 55). Tsugi wird mit Verbindung übersetzt, ist aber ein weit spezifischerer Ausdruck. (vgl. p. 92) Zu isuka tsugi vgl. p. 251f. Kawashima, ibid., p. 76 Coaldrake, ibid., 130f., 145f. Schadwinkel, et al., ibid., p. 138ff. Werner, 1978, p. 204ff.; Pöttler, 1984, p. 48; Gebhard, 1975, fig. 134 Muramatsu, 1992, p. 91, 116, 117 ibid. vgl. p. 40 Swoboda, 1967, p. 1 Grisebach, 1917, p. 54, 57; Schier, 1966, p. 106 Ahrens, 1981, p. 145f. Coaldrake, 1990, p. 112f.; Ahrens, 1990, p. 97 Zippelius, 1954, p. 21 ibid., p. 16, 22 Gerner, 1979, p. 29. Daneben ist aber die Schwell­ riegel­konstruktion bis ins 18. und 19. Jahrhundert weitergelaufen. (Bedal K., 1983, p. 408) Trotzig, 1981, p. 284ff. vgl. p. 53 Zippelius, 1954, p. 49 Klöckner, 1978, p. 16, 27; Olrik, Jörgen, 1937, p. 71 Baumgarten, 1961, p. 53 Itoh, 1982, p. 144; Kawashima, 1990, p. 74 Ahrens, 1981, p. 124f. Binding, 1981, p. 267; Vitruv, 2. Buch, Kap. VIII Ahrens hat die dringend benötigte begriffliche Klarstellung getroffen. Es gab Stabkirchen, wie die oben beschriebene von Silte, deren Wände aus senk­recht nebeneinandergestellten Bohlen bestan­den. Zu ihrer Charakterisierung schlägt Ahrens den Be­griff Wandstabkirche vor. Die mit dem Begriff Stab­ kirchen üblicherweise assoziierten norwe­gischen Spitzenleistungen im Holzbau beziehen ihre Be­zeich­ nung Stabbau aus den frei im Raum auf­ge­stell­ten Ständern (norwegisch: stav). Diese schlägt er vor Säulenstabkirchen zu nennen. (Ahrens, ibid., p. 138) Verschwertungen sind schrägliegende Verstre­bun­ gen, die über ein Geschoss, in älteren Bauten auch über die ganze Wandhöhe traufenseitig wie giebel­ seitig den waagrechten Hölzern zur Verstrebung über­blattet wurden. Erst die schrägliegenden Hölzer schaffen Dreiecke, die die Stabilität des Gefüges garantieren. Die sehr andere Art der Aussteifung in Japan ist auf p. 155ff. und 192ff. beschrieben.

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Typologie und Funktionen der Holzverbindungen Typologie Zunächst gibt es keinen einsichtigen Grund, der einem vorschrei­ ben könnte, in welcher Weise Holzverbindungen begrifflich zu ord­nen wären. Ausschlaggebend ist einzig und allein der angestrebte Zweck, dem eine Klassifikation dienen soll. So spricht prinzipiell einmal nichts dagegen, Holzverbindungen zu unterteilen nach beweglichen und unbeweglichen. Solange Eisen sehr teuer war, musste man auch solche Aufgaben unter aus­ schließlicher Verwendung von Holz lösen, deren Problemstellung uns heute in der Regel ratlos ließe: ob es sich um die drehbar gelagerte Tür handelte (Ill. 157) oder ihren Verschluss durch ein reines Holzschloss, ob um den Schieber, der die Fensterluke verschloss, oder das drehbar gelagerte, waagrechte Balkenstück einer Blockwand als mögliche Licht- und Luftöffnung. (Ill. 158) Klimatische Bedingun­gen haben in Japan zu einer Entwicklung geführt, die es in Europa nicht gegeben hat. Um das Haus im Extremfall wirklich zur Gänze öffnen, umgekehrt aber auch zur Gänze schließen zu können, entwickelte man dort Türen, die sich um die Ecke schieben lassen. (Ill. 159; Ill. 160; Ill. 161) An Holzverbindungen dieser Art denken Definitionen kaum jemals. Im Licht des Aussagewerts dieser Klassifizierung erscheint sie nun tatsächlich als sehr begrenzt. Eine andere Möglichkeit der Einteilung läge in der Untersuchung, welche Verbindungen lösbar sind und welche nicht. Dieses Ordnungskriterium erfährt dann seinen Sinn, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Bedeutung einst der Lösbarkeit einer Verbindung zugekommen ist. Als Erstes denkt man wohl an die Auswechselbarkeit schadhafter Konstruktionsteile.1 Andere Überlegungen sind uns heute in der Re­gel schon zu fremd. Der norwegische loft, „im Grunde genom­ men ein System von Verbindungen“, war eine übliche Mitgift für die Braut.2 Auch in Norddeutschland kannte man diese Form der Aussteuer.3 An manchen Bauten können noch heute die Spuren ihrer Versetzung abgelesen werden. (Ill. 162) Die Durchnumerierung von Blockbalken, meist deutlich sichtbar an der Außenseite, ist untrügliches Zeichen dafür, dass der Bau irgendwann einmal abgetragen und wieder neu errichtet worden ist.4 Anders als bei komplizierten Kirchendachstuhl-Konstruktionen, deren Bestandteile schon aus organisatorischen Gründen gekennzeichnet werden mussten, sollte das Durchnumerieren hier sicherstellen, dass unter Umständen auch andere den Bau wieder aufführen konnten als jene, die ihn zerlegt hatten.

157  Drehbar gelagerte Tür mit Holz­ schloss im Muzeul Satului in Sighetu Marmat˛iei/Maramures˛ (RO)

158  Ein beweglicher Bal­ken als fakultative Öffnung ist in das Gefüge des Getreidespeichers aus Eggen am Krai­ gerberg/Kärnten (A) eingeschnit­ten. – Freilichtmuseum Maria Saal/Kärnten (A)

159  Mawari amado (= drehbare Sturm-, Regentür) an der Hausecke (aus: Andō, et al., 1995, p. 20)

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Vergleichbar kannte man in Ungarn die Begriffe „slowakische Kam­mer“ oder „rumänische Kammer“, die darauf hindeuten, dass diese Kammern ganz woanders hergestellt worden waren als am Ort ihres Einsatzes.5 Gerade weil Holzhäuser als bewegliche Habe klassifiziert waren, hinderte den Steuereintreiber nichts, anstatt der ausständigen Schulden das Haus zu beschlagnahmen und abzutransportieren.6 Ganze Siedlungen wurden geraubt,7 Kirchen „auf Reisen“ geschickt8 oder durch Versetzung vor dem Abbruch gerettet.9 Wollte jemand gesteigertem Repräsentationsbedürfnis Rech­nung tragen und errichtete sich ein Steinhaus, musste er nicht zwangs­läufig auf die gewohnten Vorzüge des alten Holzhauses verzichten, wenn er etwa seine Blockstube zerlegte und im neuen Haus einbaute.10 Eine sicher viel verbreitetere Vorgehensweise war, zusätzliche Stockwerke nachträglich einzufügen.11 Sehr leicht erkennbar sind solche Fälle an verschieden ausgestalteten Vorstö­ ßen. (Ill. 163) Und im Fall von Erbteilungen waren sogar mehrmalige Übersiedlungen von Holzhäusern keine Seltenheit.12

160  Die senkrechten Türrahmenleisten sind um Zapfen oben und unten verlän­ gert. So lässt sich die Tür in den Nuten um die Ecke führen. (aus: Andō, et al., 1995)

161  In diesem Fall wird die Tür hinter einem Zapfen um den Eckständer aus einer Nut in die andere gedreht. (aus: ibid.)

162  Die Blockbalken der Kosmas- und Damianskirche in Lukov-Venecia (SK) sind unten beginnend durchnumeriert.

163  Blockbau mit eingeschobenem Geschoss in Evolène/Wallis (CH)

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Für Japan wäre dieses Ordnungskriterium der Flexibilität und Beweglichkeit ebenso sinnvoll wie für Europa. Nicht nur Schreine und Tempel wurden im Falle einer Verlegung der Hauptstadt vom Herrscher mitgenommen,13 sondern alle bedeutenderen Gebäude; aber eben nur so lange, wie einfache Verbindungen solche Überführun­gen auch gelingen ließen.14 Auch in diesen Fällen war eine Übertragung nicht anders denkbar als durch genaue Nummerierung und Kennzeichnung der einzelnen Hölzer.15 Tempelschwellen sind ein Beispiel eines Gefügeteils, der regelmä­ ßig ausgewechselt werden muss. Sie sind zwar in der Regel durch die extrem ausladenden Traufen vor direktem Schlagregen und dank ihrer Hochhebung vom Boden vor Spritzwasser geschützt, nicht aber vor Abnutzung durch Abertausende Besucher. (Ill. 164) Ein anderes Beispiel für die Lösbarkeit der Verbindung ist der euro­ päische Heuberg (Rutenberg), ob mit vier, fünf oder sechs Ruten, des­sen Funktionalität in der stets bedarfgerechten Einstellung der Dachhöhe liegt. (Ill. 165) Den lösbaren Verbindungen stehen jene gegenüber, die nicht mehr zerstörungsfrei geöffnet werden können. Dazu zählen beispielsweise all jene Zapfen, die mit verdeckten Keilen aufgespreizt wer­den. Solche Lösungen wurden dort eingesetzt, wo dies aus ästhetischen Gründen verlangt war, oder wenn es darum ging, außerordentlich widerstandsfähige Verbindungen herzustellen. Holzfäller brauch­ten sie für die Herstellung der Rin­nen, in denen die gefällten Stämme zu Tal rutschten.16 Die bisher genannten Ordnungen kranken leider daran, dass sie nur nach einem spezifischen Kriterium selektieren, aber keine umfassend und generell anwendbare Gliederung der Verbindungen ermöglichen.

164  Eine in Jahrhunderten entwickelte Art der Einbindung der Schwelle in den Türrahmen macht diesen problemlos auswechselbar. (nach: Brown, 1989, fig. 40)

165  Dank seiner genialen Simplizität hat der Rutenberg bis zum heutigen Tag in Jurici/Istrien (CRO) überlebt.

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Ganz pragmatisch soll an dieser Stelle eine kurze Beschreibung die in der Folge immer wiederkehrenden Begriffe erhellen und die Mög­lichkeit ihrer Einordnung bieten. Dabei geht es weder um Systematik noch um Vollständigkeit. Angestrebter Zweck ist die Vorstellung der Terminologie im Handwerk der Zimmerleute. Es gibt verschiedene Arten, zwei Hölzer zu verbinden. Sie können gestoßen sein. (Ill. 166) Darunter versteht man ein stump­fes Aneinanderlegen zweier Hölzer, an die keine Verbindung im ­eigentlichen Sinn angearbeitet wurde. Eine sehr große Gruppe ist jene der Blattverbindungen. (Ill. 167) ­Einige Grundformen sind das gerade Blatt (Ill. 167a) oder das schräge Blatt. (Ill. 167b) Das Druckblatt ist ebenfalls ein schräges Blatt (Ill. 167c), der wesentliche Unterschied zum vorhergehenden liegt aber darin, dass diese Blattverbindung in gewissem Ausmaß zugfest ist. Ein weiteres zugfestes Blatt ist das Hakenblatt. (Ill. 167d) Brüstungszapfen haben es weiter verbessert, weil sie auch ein seitliches Ausweichen der Verbindung verhindern. (Ill. 167e) Zum Begriff des Blat­tes gehört der der Sasse oder Blattsasse: Die beiden Teile einer Blatt­ verbindung müssen nicht seitengleich sein, und das Blatt beispielsweise eines Kehlbalkens wird in die Sasse des Sparrens eingelegt. (Ill. 167f.) Die Kammverbindung könnte als eine Sonderform der Blattverbindung angesehen werden, die einfach nicht so tief eingeschnitten wird. (Ill. 168) Sie tritt beispielsweise im Fachwerk sichtbar dort in Erscheinung, wo die Balkenköpfe der Deckenbalken über das Rähm des darunterliegenden Geschosses vorstehen, um das darüberliegende Geschoss auszukragen.

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Die Gruppe der Zapfenverbindungen (Ill. 169) ist ebenfalls eine äußerst umfangreiche. Der Zapfen wird entweder in einen Schlitz gesteckt (Ill. 169a) oder in ein Zapfenloch (Ill. 169b). Ein Zapfen kann je nach Erfordernis durch ein Zapfenloch durchgesteckt sein. (Ill. 169c) Dies war im Pfosten- bzw. Ständerbau lange Zeit ein Vorläufer für das sogenannte Zapfenschloss. In anderen Fällen konnte gefordert sein, den Zapfen verdeckt einzubauen. (Ill. 169d) An der Ecke ist er aus einsichtigen Gründen abgesetzt worden, oft auch schräg. (Ill. 169e) Wollte man die zwei Hölzer nicht nur auf Druck belasten, sondern auch auf Zug, wollte man also verhindern, dass die beiden Hölzer ganz einfach auseinanderzuziehen waren, war eine Lösung der Schwalbenschwanz. (Ill. 169f.) War er zu flach geschnitten, rutschte er nach wie vor aus der Verbindung. Je steiler er geschnitten war, desto mehr wuchs die Gefahr des Abscherens. Jeder Zimmermann war mit dem richtigen Maß vertraut. Um diese Verbindung auch für nicht unterstützte Druckbelastung von oben brauchbar umzuformen, konnte der Schwalbenschwanz unterstützt werden. Die Kombination eines geraden Blattes mit einem Schwal­ benschwanzzapfen war eine gängige Verbindung. (Ill. 169g) In E­ uropa nicht gerade häufig, in Japan dafür eine Standardverbindung war der Sichelzapfen. (Ill. 169h) Zusätzliche Steckfälze sichern den „weib­ lichen“ Teil der Verbindung vor einem Ausweichen nach außen, was den Sichelzapfen aus der Verankerung rutschen ließe. (Ill. 169i) Sowohl die Blatt- als auch die Zapfenverbindungen waren alle wenigstens an einem Holz am Ende, also am Hirnholz ausgeformt. Wird der Schlitz und Zapfen im Längsholz angebracht, spricht man von Nut und Feder. Werden also zwei Bretter in der Breite verbun­ den, geschieht dies zum Beispiel mit Nut und Feder. Schon bei der Vorstellung dieser wenigen Grundtypen ist es nicht möglich, die Verbindungsart unabhängig von der Verbindungsform vorzustellen. Zwei Hölzer können Hirnholz an Hirnholz in einer Rich­ tung miteinander verbunden werden. Gleichgültig, ob liegend oder stehend, spricht man dann von einer Längsverbindung. (Ill. 170) Eine andere Form ist die Schrägverbindung. (Ill. 171) Dazu zählen vor allem die Versätze (Ill. 171a), die zu den häufigsten Verbindungen im europäischen Holzbau gehörten, aber auch die Klaue (Ill. 171b) so­wie Kopfbänder. (Ill. 171c) Unter den Winkel- und Kreuzverbindungen (Ill. 172) kann als ein Vertreter der Winkelverbindung die Sparren- oder Senkelschere betrachtet werden. (Ill. 172a) Die Einhälsung als Nachfolger der Gabelstützenverbindung ist eine typische Kreuzver­bindung. (Ill. 172b) Ein vom Begriff her suggestiveres Beispiel wäre die Anblattung eines Steigbandes an einer Stuhlsäule. (Ill 172c) Soeben ist bereits der Begriff der Breitenverbindung (Ill. 173) ge­fallen. Es war dort von der Nut- und Federverbindung die Rede. (Ill. 173a) Diese Verbindung ist nicht sehr stabil und bedarf zumindest der Nagelung auf einen Träger. Eine wesentlich bessere Breitenverbindung sind gefügte oder gefälzte Bretter, in die quer zur Faser eine Gratleiste eingeschoben ist. (Ill. 173b) Diese Gratleiste verbindet die losen Bretter zur geschlossenen Fläche. (Wie problematisch die eben getroffene Bewertung freilich ist, zeigt das Gegenbeispiel der Stabkirchen, deren Wände die Bewährungsprobe wohl bestanden ­haben. Allerdings sind dort die mit Nut- und Federverbindung zu einer Fläche verbundenen Bohlen in einen festen Rahmen im wahrsten Sinne des Wortes eingespannt.) Als letzte Verbindungsform soll die Eckverbindung (Ill. 174) vorgestellt werden. Auf sie wird im Folgenden so ausführlich zurückge-

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kommen, dass an dieser Stelle nur zwei Beispiele gezeigt werden. Eine simple Blattverbindung kann in einer Ebene übereck hergestellt werden. (Ill. 174a) Dann werden in der Regel beide Hölzer auf die Hälfte ihres Querschnitts reduziert. Oder aber die gleiche Verbindung wird in der Höhe versetzt hergestellt. (Ill. 174b) Schwellenecken sind oftmals, um einen weiteren Terminus einzuführen, bündige Eckverbindungen. Im Blockbau waren sie aber in der Regel nicht bündig, denn es ist ja gerade die Verschränkung der jeweils um die Ecke geführten Balken der beiden Seiten, die die Festigkeit des Gefüges bewirkt. Es muss also von Fall zu Fall überlegt werden, wie weit es sinnvoll ist, dieses Kriterium anzulegen. Wird etwa ein schwächer dimensioniertes Holz einem stärkeren verbunden, dann kann eine Seite der Verbindung bündig sein und die andere nicht. Ganz ähnlich ist die Situation bei der Beschreibung einer Verbindung als liegend oder stehend. Es gibt eine ganze Reihe von Verbindungen, die liegend wie stehend in absolut identischer Form Anwendung gefunden haben. Für viele gilt dies aber nicht: Eine Schäftung ist als stehende Verbindung nicht zu gebrauchen. (Ill. 175) In Japan waren Schäftungen für horizontale Anlängungen in einer Vielzahl verschiedenster Ausformungen durchaus gebräuchlich, in Europa dagegen als Weiterentwicklung der schrä­ gen Stoßverbindung nicht gerade prominent vertreten. Eine andere, heute allgemein bekannte Weiterentwicklung der Schäftung ist die Keilzinkenverbindung: Die garantierte Verfügbarkeit von sogenanntem Vollholz, das nahezu keine Holzeigenschaften mehr aufweist, hat diese Verbindung im heutigen Holzbau unverzicht­ bar und konkurrenzlos werden lassen.

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Systematisierung in Literaturbeispielen Wenngleich einer beliebig gewählten Typologisierung nicht a priori die Berechtigung abgesprochen werden kann, haben wir doch gezeigt, dass sie nur dann Sinn macht, wenn sie auch anwendbar ist. Unwillkürlich kommt man also doch auf die traditionelle Einteilung zurück, deren Vorteil in ihrer hierarchischen Gliederungsmöglichkeit liegt. Zur Erläuterung sollen im Folgenden zwei Beispiele aus Deutschland, die in für Europa bislang einzigartiger Weise sehr detaillierte Aufschlüsselungen bringen, einem japanischen Modell gegenübergestellt werden, das in nur wenig abweichenden Variationen in vielen Literaturbeispielen zu finden ist. Allgemein anerkannter Ausgangspunkt ist, dass jede Einteilung einer weiteren Unterteilung bedarf. Je nach gewählter – frei oder auch willkürlich gesetzter – Priorität wird mit dem obersten Ordnungskriterium die Grobeinteilung vorgenommen. Gerners erstes Unterscheidungskriterium ist die Verbindungsart.17 Er zählt dabei auf: Stoß, Zapfen, Blatt, Kamm, Hals, Versatz, Klaue, Verbindung des Blockbaus, Verbindung des Stabbaus und Reparaturverbindung. Hierarchisch gegliedert folgen als Unterteilungskri­ terien: Verbindungsform, Verbindungslage, Verbindungsrichtung und Bündigkeit. Die Verbindungsform wird unterteilt in Längsverbindungen, Eck-, Quer- und Kreuzverbindungen. Die Verbindungslage findet ihre Unterscheidung in stehend und liegend, die Verbindungsrichtung in gerade bzw. rechtwinkelig und schiefwinkelig. Zuletzt folgt die Unterscheidung in bündig oder nicht bündig. Nicht ganz klar bleibt bei dieser Einteilung naturgemäß, wie mit Grenzfällen umzugehen ist. Zählt die Kombination von Blatt und Zapfen zur Gruppe der Blätter oder jener der Zapfen? Handelt es sich um ein Zapfenblatt oder einen Blattzapfen? Gerner wählt den vermutlich einzig vernünftigen Weg, wenn er solche Verbindungen zweimal anführt. Problematisch bleibt der Versuch, die Blockbauverbindungen in die­ses Schema hineinzupressen, obwohl der Autor zugleich auf die Not­wendigkeit hinweist, in diesem Fall das Ordnungsprinzip durchbrechen zu müssen. Die befriedigende Lösung läge zweifellos darin, die Eigenständigkeit der Konstruktionsform auch sprachlich zu wür­digen. Umgekehrt handelt sich Gerner ein anderes Problem damit ein, die Verbindungen des Stabbaus als eigene Gruppe herauszugreifen. Hätte er in die Gruppe der Verbindungsarten die Breitenverbindungen als Oberbegriff aufgenommen, dann wären damit gerade jene Verbindungen sinnvoll abgedeckt, die über den Begriff ,Verbindung des Stabbaus‘ eingeführt werden sollen. Es ist nicht sinnvoll, die Nut- und Federverbindung bei Schindeldächern als Verbindung des Stabbaus zu bezeichnen, nur weil sie sonst keinen Platz im Ordnungssystem hätte.18 Graubner vertauscht in seiner Klassifikation die beiden ersten Unterscheidungskriterien Gerners.19 Nach ihrer Form differenziert er Längsverbindungen, Schrägverbindungen, Winkel- und Kreuzverbände und Flächenverbindungen. Erst in zweiter Linie berücksichtigt er die Art der Verbindung. Dort hört aber die bei Gerner durchgehend anzutreffende penible Systematik auf! Als Vorteil bringt dies dem Autor, dass er gezielt Überschneidungen vermeiden kann. Dank seiner Einteilung hat er auch nicht Gerners Probleme mit der Stabwand. Nur vermeintlich gelingt ihm hingegen die Eingliederung des Blockbaus. Indem Graubner einfach alle Blockbauverbindungen weglässt, die sich nicht unter seinen Begriff „Blattverbin91

dungen im Blockbau“ unterordnen lassen, schwindelt er sich über das Problem hinweg, das Gerner noch angesprochen hat.20 Graubners Unterscheidungen der Holzverbindungen gehen teilweise sehr weit ins Detail. Zwei Gründe sind dafür maßgeblich. Zum einen basiert sein Buch auf einer beneidenswerten Sammlung japanischer Verbindungsmodelle, die er in den Rahmen eingliedern wollte. Zum Zweiten leitet sich daraus die Notwendigkeit ab, die Verbindungen des Tischlers miteinzubeziehen: Der japanische Zim­ mermann ist nun einmal auch Bautischler und Tischler. Unerklärlicherweise verlässt Graubner im Anhang in einer tabellarischen Gegenüberstellung einer europäischen und japanischen Systematik die im Buch verfolgte Einteilung. Die Gliederung der japanischen Verbindungen in Brett- und Kantholzverbindungen ist sicher möglich, wenn auch ungewöhnlich. Sie ist aber auf ihre Art genauso wenig aussagekräftig wie eine Einteilung der Verbindun­ gen in lösbare und unlösbare. Die in Japan übliche Einteilung gliedert die Verbindungen nach ihrer Form in tsugi und shiguchi.21 Tsugi ist eine Ver­bindung in gera­ der Richtung, also eine Längsverbindung. Weil aber beispielsweise in manchen Pagoden über rundem Grundriss das Rähmholz rund sein muss und ein solcher Kreisring nur gestückelt herstellbar ist, gilt auch diese Verbindung als tsugi. Sie verbindet, allgemein gesagt, zwei Hölzer in der Richtung, in der sie verlaufen.22 Wenn in manchen Erklärungen tsugi als Verbindung von Elemen­ ten gleicher Funktion und shiguchi als solche verschiedener Funktion beschrieben werden,23 dann müsste daraus folgern, dass etwa die Verbindung zweier Fußpfetten an der Ecke, wie die engawa-no-keta (siehe p. 157), unter tsugi zu klassifizieren wäre. Das aber wäre falsch. Was hier gemeint sein könnte, ist die Unterscheidung der Japaner zwischen dem Hauptteil und dem Holz, das diesem ver­bunden wird. Dies wird ausgedrückt durch kake und ist in der Regel nur bei shiguchi möglich. (Ill. 176; Ill. 177) Tsugi bezeichnet die Verbindung: zum Beispiel ari-tsugi (Schwalbenschwanz-), kama-tsugi (Sichelzapfen-). Tsugite bezeichnet die an einem ganz bestimmten Platz angewandte Verbindung: zum Beispiel kayaoi-no-tsugite (kayaoi ist das Traufenbrett zwischen sichtbaren Rofen und Flugrofen, kayaoi-no-tsugite daher die Anlängung dieses Bret­ tes), tenjo-no-sarubou-saobuchi-no-tsugite (tenjo ist die Decke, sao­buchi der Raster, der die Deckenbretter trägt, sarubou beschreibt den Querschnitt der Rasterleisten, der das Aussehen des Unterkiefers (hou, bou) eines Affen (saru) hat – diese Verbindung dient demnach der Anlängung von Leisten ganz speziellen Querschnitts, die rasterartig verbunden von der verdeckten Konstruktion abgehängt die Deckenbretter tragen). Diese feine Nuancierung wird selbst in der Literatur vielfach vernachlässigt. Die häufigste Unterteilung der tsugi ist die nach ihrer Ausformung, in Gerners Terminologie ihrer Verbindungsart: dozuki (Verbindun­ gen auf Stoß), aigaki (Blatt-), mechigai (Verbindungen mit kurzen Zapfen, mit Fälzen – dazu gehört beispielsweise kai-no-kuchi-tsugi, siehe p. 233), ari (Schwalbenschwanz-), kama (Sichelzapfen), sao (Verbindung mit langen Zapfen), okkake (Hakenblattverbindungen mit Steckfalz), sogi (geschäftete Verbindungen, wie beispielsweise Miyajima-tsugi, siehe p. 251) sowie schließlich Einzelstücke, die sich sonst nirgends zuordnen lassen, wie etwa ryusui-tsugi (Wasserlauf-Verbindung, siehe p. 260). Eine andere Unterteilung wäre die nach der Anordnung der tsugi in der Konstruktion: über senkrechten, lasttragenden Hölzern (Ill. 178),

176  Oire ari kake – das eine Holz wird dem konstruktiv übergeordneten mittels Schwalbenschwanz eingehängt.

177  Kabuto ari kake – helmförmige Schwal­benschwanzverbindung

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178  Die horizontalen Balken werden ­ ge­nau über der tragenden Säule verbun­den. – Hachiman-jingu haiden am Ge­lände des Jōdo-ji/Hyogo (J)

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über Unterstützungen wie waagrechten Balken oder Blöcken, die extra an solchen Stellen mit entsprechender Belastung vorgese­hen werden, oder tsugi abseits von lastunterstützten Punkten.24 (Ill. 179) Eine besonders interessante Klassifizierung ist jene nach der Be­rücksichtigung der Holzrichtung. So bedeutungsvoll sie in Japan war, so wenig kennt man sie in Europa. Drei Möglichkeiten stehen offen. Okuri-tsugi, die häufigste Form, verbindet Wurzelende mit Zopf­ende, wobei der männliche Verbindungsteil stets am Zopfende her­zustellen ist; yukiai-tsugi verbindet Zopfende mit Zopfende und wakare-tsugi verbindet zwei Wurzelenden. (Ill. 180) Diese letzte Form der Verbindung wird auffälligerweise grundsätzlich abgelehnt. Gründe können dafür viele genannt werden, als stichhaltig erweist sich keiner.25 Die zweite große Gruppe sind die shiguchi. Sie zählen zu den „kennzeichnendsten Merkmalen japanischer Architektur, die komplexe Kompositionen von Holzelementen möglich gemacht haben“.26 Wenn Graubner meint, dass der Schräganschluss in Japan eine unter­geordnete Rolle spielt, darf er daraus jedenfalls nicht folgern, dass die entsprechenden Verbindungen „vergleichsweise wenig entwic­kelt“ wären.27 Kashigi-oire ist ein Stirnversatz mit Zapfen, also eine Schräg­verbindung, wie sie in Europa nicht anders konstruiert ­wor­den ist. Im Gegensatz zu tsugi verbindet shiguchi zwei oder mehrere Hölzer in einem nicht gestreckten Winkel durch Bearbeitung eines, mehrerer oder auch aller Teile.

179  Die Firstpfette über dem Tor des shokei-yashiki-Hauses auf Miyajima/ Hiroshima (J) wird neben der Stütze ver­bunden.

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180  Wakare tsugi an einem Tempeltor in Tokyo

181  Beide Verbindungen heißen ari kake, gleichgültig, ob sie bündig abschließen oder nicht.

Auch die shiguchi lassen sich wieder nach ihrer Verbindungsart ­unterteilen: dozuki (auf Stoß), oire (beispielsweise das Einsetzen eines waagrechten Holzes in einen Ständer), kakikomi (Verkämmung waagrechter Hölzer mit senkrechten), aigaki (Blatt-), watari-ago (Ver­kämmung waagrechter Hölzer; dazu gehört aber auch todasuke, die Verbindung, die einen Balken im Block fixiert), hozo-sashi (Zapfenverbindungen), ari (dazu zählen etwa auch suitsuke-zan oder tsukami-ari, eingeschobene Gratleisten, die mehrere Bretter zu einer Fläche verbinden), kama (Sichelzapfen-) und tome (Eckverbindun­gen, die nach der äußeren Ecke durch einen durchgehenden senkrechten Gehrungsstoß gekennzeichnet sind).28 Diese Unterteilung ist eine von verschiedenen möglichen, die aber nicht grundsätzlich variieren.29 Sie alle vermeiden Überschneidun­ gen zwischen verschiedenen Gruppen, indem sie verwandte Verbindungen gleich bezeichnen. (Ill. 181) Sie kennen aber auch Doppelbenennungen für ein und dieselbe Verbindung. (Ill. 182) Manche Verbindungsnamen wirken bisweilen übertrieben groß­ zügig in ihrer geringen Spezifizierung. Andere machen dies mehr als wett. Denn viele Verbindungen, sowohl bei tsugi wie auch bei shiguchi, bezeichnen genau die Stelle, an der sie eingebaut sind. Während in Europa in der Regel ein lan­ger Verbindungsname auf eine komplizierte Verbindung schließen lässt, wäre deshalb eine ähnliche Schlussfolgerung in Japan fehl am Platz. Zushi dodai sumi shiguchi sagt absolut nichts über die Komplexität ihrer Zusammensetzung aus, sondern beschreibt einzig und allein den Platz ihrer Verwendung: Eckverbindung der Schwelle eines kleinen Schreins. (siehe Ill. 484) Naijin keta yuki gagyou tsugite ist eine ganz simple kama tsugi-Verbindung, die Anlängung eines Balkens runden Quer­­ schnitts in Firstrichtung im naijin, im innersten Teil eines Tempels, vergleich­bar etwa mit dem Chor einer Kirche. (Ill. 183)

182  Die in Europa nur von Tischlern benutzte Eckverbindung mit Schwalben­ schwanzzinken und Gehrung nach außen kann in Japan an vielen Tempeln und Schrei­nen gefunden werden. Die soge­nannte verdeckte Verzinkung heißt in Japan kakushi ari (versteckter Schwal­ben­schwanz) und sumi tome ari (Eck-Gehrung-Schwalbenschwanz).

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Übrig bleibt die Gruppe der hagi. Die damit bezeichnete Brettverbindung ist eigentlich eine Form von shiguchi. Zu dieser Klassifizierung führt die Überlegung, dass Bretter zunächst einmal in der Breite, quasi nebeneinander verbunden werden. Aber sie werden auch in der Länge gestückelt. Dann wären sie als tsugi anzusprechen. Diesem Zwiespalt ist nur durch ihre Sonderstellung als eigene Gruppierung zu entfliehen.30 Ein prominentes Beispiel sind die Säu­len im Tōdai-ji hondō. Weil für die Rekonstruktion im Jahre 1705 die Säulen in der geforderten Stärke nicht mehr zu beschaffen waren, entschlossen sich die Zimmerleute, eine schlankere Seele durch Um­mantelung mit Holzstücken auf den gewünschten Durchmesser zu verdicken. Sie mussten durch Eisenbänder fixiert werden. Diese Holzstücke sind sowohl in der Länge als auch in der Breite verbunden, sind also tsugi und shiguchi. Die überwiegende Mehrzahl der Autoren klassifiziert hagi allerdings ohne Wenn und Aber als eine Untergruppe der tsugi.31 Eigentümlich mutet Europäern an, dass mit Gratleisten verbundene Bretter, suitsuke zan, grundsätzlich anders klassifiziert wer­ den als die sogenannte inago-zashi-Verbindung (Ill. 184; Ill. 185), die sich von­einander einzig durch die unwahrscheinliche Leichtigkeit der erste­ren sichtbar unterscheiden. Relativ schwache Schwalbenschwanz­verbindungen, yose-ari, tragen die abgehängte Decke, und genau wie sie gehören die suitsuke zan-Verbindungen zu den shiguchi, wäh­rend die inago zashi zu den hagi, den Brettverbindun­gen, gezählt werden.

183  Naiju keta yuki gagyō tsugite im Taimadera hondō/Nara (J) (nach: Bunka­ zai ..., 1986, p. 109/3)

184  Aufhängung von Deckenbrettern mit inago-zashi (Modell des Nihon minka en)

185  Konstruktionsdetail der Decken­­ verkleidung

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Grenzen der Systematisierung In den ältesten Werken für Zimmerleute finden sich bezeichnenderweise so gut wie keine Angaben über Holzverbindungen.32 Sie waren den Zimmerleuten in einem Ausmaß selbstverständlich, dass ihre Aufzeichnung oder gar ihre Bemaßung überhaupt nicht zur Diskussion standen. So eindrucksvoll und wertvoll Gerners Sammlung von Holzverbindungen ist, zeigt sie gerade durch ihre exakte Bemaßung und penible Auflistung verschiedenster Ausformungen von Holzverbindungs-Untergruppen den bestehenden Bruch mit der Tradition auf. Die Überlegung, wie eigentlich eine wissenschaftliche Dokumentation der Holzverbindungsnamen zustande kommt, kann bei der Ergründung der herrschenden Vielfalt helfen. Der Wissenschaftler fragt den Holzverarbeitenden nach den von ihm gebrauchten Begriffen, sammelt und ordnet sie. In Veröffentlichungen erscheinen dann die im untersuchten Gebiet benutzten Bezeichnungen. Was in der Praxis nie zum Problem werden konnte, hat die Wissenschaft dazu gemacht: Kein Zimmermann käme auf die Idee, ein und dieselbe Verbindung mit verschiedenen Namen zu belegen. Aber dass Zimmerleute in anderen Regionen andere Bezeichnungen gebrauchen, kann ihnen niemand verwehren! Vielfach handelt es sich da­bei sogar nur um zusätzliche Begriffe, wie beispielsweise den Jupiterschnitt33 oder den Klingschrot34, die andernorts nicht üblich sind. Erst ihre Nebeneinanderstellung in schriftlicher Form führt zum Problem. Es leuchtet also unmittelbar ein, dass es zahllose Beispiele für die Bezeichnungsvielfalt und -ungenauigkeit gibt – vielleicht mehr, als Verbindungen existieren. Eines dieser Beispiele soll hier stellvertretend dargestellt werden. Um im Blockbau eine Ecke herzustellen bzw. die Richtung einer Wand zu ändern, müssen die Balken in ganz bestimmter Weise mit­einander verbunden werden. Die uns hier interessierende Differenzierung betrifft ausschließlich die Dichtheit der Wand und das Aussehen der Ecke. Ob die in einer Fläche übereinander angeordneten Balken einander berühren oder bewusst ein mehr oder weniger breiter Spalt freigelassen wurde, das ist eine Frage der Holzverbindung. Ob die Richtungsänderung der Wand geometrisch gesehen durch eine Linie definiert ist oder aber ihre Artikulation durch die flächenverlängernden Vorköpfe erfährt, auch das ist eine Frage der gewählten Holzverbindung. Die vier möglichen Lösungen werden in der deutschsprachigen Literatur mit folgenden Bezeichnungen bedacht: Überblattung, Verblattung, Überkämmung, Verkämmung, Hakenblattüberkämmung, Eckkamm, Verzinkung, Ver­hakung und Verschränkung. Wäre die Zuordnung zweier oder mehrerer dieser Namen zu einer Verbindung einseitig, dann wäre das Problem kein ernsthaftes. Schwierig wird die Situation dadurch, dass die Zuordnung auch in der anderen Richtung verläuft, das heißt, dass ein Name zwei verschiedene Verbindungen bezeichnet. Da einerseits die sprachliche Konfusion kaum noch verschlimmert werden kann, andererseits eine sprachlich eindeutige Bezeichnungsweise in greifbarer Nähe scheint – soll hier eine weitere Begriffsdefinition hinzugefügt und einer Beschreibung der Begrifflichkeiten in der Literatur vorangestellt werden. Eine Blattverbindung schneidet von zwei zu verbindenden Hölzern so viel weg, dass diese zusammengesetzt bündig in einer Ebene zu 97

liegen kommen. Eine Kammverbindung ist von ihrer Herstellung der Blattverbindung ganz ähnlich. Der Unterschied besteht darin, dass die Kammverbindung weniger tief, nämlich nur 2 bis 3 cm tief ausgeführt wird.35 Mit diesen beiden Begriffen könnte man mei­ nen auszukommen. Um ein Blockbaugefüge stabil aufzuführen, reicht es allerdings nicht aus, Kranz über Kranz zu legen. Die Verfestigung wird erst durch eine Verschränkung der Balken erzielt. „Verschränkung“ soll demnach als Schlüsselbegriff für die Holzverbindung im Blockbau gelten. Darunter versteht man das wechselweise Verbin­den der Balken36 der einen Wand mit denen der anderen zu einem entweder dichten oder nicht dichten Gefüge, also entweder fugen­los oder kammartig. Dieser Terminus, Verschränkung, lässt offen, ob es sich um beschlagene oder rundbelassene Balken handelt, ob die Balkenköpfe überstehen oder nicht. Denn es ist sinnvoller, einen Ver­bindungsnamen zur Verfügung zu haben, der notgedrungenerma­ßen mit gewissen Zusatzinformationen spezifi­ ziert werden muss, als auf die oben angeführten Begriffe zurückzugreifen, die schon anderweitig belegt sind und durch die neue Verwendung in ihrer Bedeutung verwässert werden. Typisches Beispiel dafür ist die Blatt­verbindung, die es im Blockbau, mit ganz we­nigen Ausnahmen, einfach nicht gibt. Denkt man etwa an die Kirche in Hervartov (SK), stellen sich auch dort die Blattverbindungen als nur oberflächlicher Befund heraus, weil jede Verbindung zur Innenseite zusätzlich mit einem Haken gesichert ist. Nun also in die Literatur. Für Phleps heißt verkämmen „in eine Ebene legen“.37 Breymann versteht darunter eine Verschränkung mit geschlossener Fuge, wobei die Verbindung dergestalt hergestellt wird, dass beide zu verbindenden Holzstücke bearbeitet wer­den.38 Andere verstehen unter Verkämmung eine Verschränkung mit dichter Fuge, bei der die Verbindung durch Bearbeitung nur eines Holzstückes erzielt wird.39 Der Unterschied besteht also darin, dass im einen Fall beide Hölzer für die Herstellung einer Verbindung um ein Viertel ihres Querschnitts geschwächt werden, das eine an seiner Oberseite, das andere an seiner Unterseite, während im zwei­ten Fall nur ein Holz um die Hälfte seines Querschnitts reduziert wird.40 Der Begriff „einseitige Verkämmung“ ist ein Versuch, sprach­lich den Gegensatz hervorzuheben.41 Schiers Hakenblattüberkämmung mit einseitigem oder zweiseitigem Ausschlag ist ebenfalls eine Verschränkung, in diesem Fall ausdrücklich mit Vorkopf.42 Unter Eckkamm versteht Baumgarten eine Blattverbindung übereck ohne Vorkopf.43 Verhakung oder hakenartige Verkämmung ist im Prinzip eine dichte Verschränkung mit Vorkopf an rund belassenen Stämmen. Von der Stelle weg, an der die Verbindung hergestellt wird, bis zum Balkenkopf wird der Balken in senkrechter Richtung halbiert. In diese Stammhälfte wird dann einseitig die Verbindung geschnitten.44 Einen anderen Bedeutungsinhalt hat der Begriff bei Gerner, der damit den angestreb­ ten Effekt eines zusätzlichen Hakens in der Verbindung bezeich­ net.45 Verblattung schließlich nennen viele Autoren eine dichte Verschränkung ohne Vorköpfe.46 Zippelius unterscheidet zwischen einfacher und doppelter Verblattung, je nachdem, ob die Verbindung an einem oder beiden Hölzern hergestellt wird. Werner meint ge­nau diese Verbindung, wenn er von Überblattung spricht.47 Der Begriff Verzinken sollte, meinen wir, dem Tischler vorbehalten bleiben wegen der besonderen Art, wie jeder sein Konstruktionsgefüge aufbaut: Der Tischler stellt seine Schachtel so her, dass er zwei Flächen miteinander verzinkt. Der Zimmermann dagegen baut sein 98

schachtelförmiges Gebilde, indem er Balken für Balken jeweils von oben in die Konstruktion einfügt48 und die Wandflächen gleichzei­ tig mit dem Raum aufbaut. In der Literatur ist Verzinkung für Schier wie für Werner ein Synonym für ihre Bezeichnungen Ver- bzw. Über­ blattung.49 Schier spricht von „Verzinkung mit Schwalbenschwän­ zen“, Werner versteht unter Verzinkung schwalbenschwanzförmige Balkenenden, die nicht vorstehen. Gerner verwendet die Be­zeich­ nungen „Verzinkung“ und „Verzinkung mit Vorholz“. Den von uns oben versuchsweise definierten Begriff Verschränkung verwenden Lissenko, Zippelius und Werner im Sinn der dich­ ten Verschränkung mit Vorkopf und beidseitig ausgearbeiteter ­Verbindung. Lissenko führt zusätzlich den Begriff der „gesperrten Spar­verschränkung“ ein. Darunter versteht er die gleiche Verbindung in verkämmter Ausführung.50 Erschwerend kommt hinzu, dass die Vorsilben „über-“ und „ver-“, beispielsweise in überkämmen bzw. verblatten, von manchen Auto­ren benutzt werden, um den Unterschied zwischen der Eckausbildung mit oder ohne Vorkopf zu kennzeichnen.51 Graubner hinge­gen kennzeichnet mit Überblattung eine tatsächliche Blattverbindung, also ein kranzweises Abbinden in einer Ebene. Über seinen Begriff der Verblattung kann eigentlich keine Aussage getroffen werden: verschränkte Verblattung, Viertelblattverband und versetzte Verblattung kennzeichnen alle ein und dieselbe Verbindung.52 Andere treffen sprachlich überhaupt keine Unterscheidung zwischen den beiden Präfixen.53 An diesem Beispiel lässt sich ermessen, welche Aufgabe jemand übernehmen würde, wollte er tatsächlich den Bezeichnungswirrwarr entflechten. So wünschenswert dies wäre, weil es doch eine Gegenüberstellung erst problemlos machte, so aussichtslos erscheint es. Übrigens sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in un­sere Gegenüberstellung nur jene Autoren aufgenommen worden sind, die die von ihnen benutzten Begriffe in der einen oder ande­ren Form definiert haben! Noch anders gesagt: Sogar in übersicht­ licheren Bereichen, zum Beispiel bei dem Konstruktionsprin­zip der Dachschräghölzer, scheint eine begrifflich eindeutige Unterscheidung etwa zwischen Rofen und Sparren nicht nur nicht durch­ge­führt, sondern aufgrund vermischter Konstruktionen tatsächlich nicht durchführbar. Bei Verbindungen geht es bisweilen wirklich nur noch um Nuancierungen, die zu sprachlichen Umschreibun­gen zwingen würden, mit denen Wissenschaftler ihrem Betätigungsdrang Befriedigung verschaffen könnten, aber wohl kaum der Sache dienten. Noch viel weniger würden sie dem Geist des Handwerks gerecht.

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Funktionen der Holzverbindungen „Die konstruktive Funktion einer statisch beanspruchten Holzverbindung ist, die Holzbauteile dauerhaft und unverschieblich miteinan­der so zu verbinden, dass das geforderte statische Zusammenwirken des Bauteils oder Bauwerks ermöglicht wird.“54 Dass zu diesem Ziel verschiedene Wege führen, zeigt beispielhaft eine Besonderheit der japanischen Holzkonstruktionen. Was sie auf den ersten Blick von den europäischen unterscheidet, ist ihr weitgehender Ver­zicht auf Diagonalverstrebungen. Darin wird eine Ursache dafür vermu­tet, dass auch große Bauten schwere Erdbeben überstehen konn­ten, ohne größeren Schaden zu nehmen. Die Fähigkeit, die ­zerstörerischen Stöße aufzufangen, ist immer eine wesentliche Aufgabe der japanischen Holzverbindung gewesen.55 Sieht man von Anforderungen ab, die über die konstruktive Funktion hinausgehen, etwa ökonomischen Forderungen56 oder weiteren Bedingungen wie der, dass Verbindungen möglichst unsichtbar anzulegen seien,57 dann enthält die genannte Definition tatsächlich alles, was von einer Ver­bindung verlangt werden kann – und sagt doch fast nichts. Sie steht damit gleichsam als Symptom dafür, dass die Wurzeln, aus denen Neues hätte wachsen können, ohne bei null anfangen zu müssen, ausgerissen sind. Ohne das zusammengetragene Wissen unserer Vorfahren bleibt nur der Neubeginn. (Ill. 186) Wird in ein Stück Holz eine Nut, ein Loch oder ein Schlitz geschnit­ ten, um ein anderes Stück Holz mit ihm zu verbinden, nimmt man automatisch eine Schwächung des einen oder beider Hölzer in Kauf. Der Erfahrung des Zimmermanns ist zuzutrauen, in dieser Abwägung die richtige Balance herauszufinden. Für jede einzelne Verbindung muss der Zimmermann den jeweiligen Zweck dieser Verbindung vor Augen haben. Werden waagrecht liegende Hölzer überkreuzt und gleichmäßig beansprucht, kann eine überkreuzte Blattverbindung die beste sein. Sicher ist sie es nicht, wenn ein Ständer von einem waagrechten Holz gekreuzt wird, denn der dann um seinen halben Querschnitt beraubte Ständer würde dadurch unsinnig geschwächt. Wird stattdessen in den Ständer von links und rechts ein waagrechtes Holz eingezapft, dann ist wiederum eine zusätzliche Absicherung gegen ein Herausziehen des Zapfens aus dem Ständer vorzusehen. (Ill. 187) In reinen Zweckbauten ist der Spielraum für die Berücksichtigung der Holzeigenschaften oft größer als dort, wo Anforderungen an die Optik gestellt werden: Dann bleibt vielfach nur der Weg über erhöhten Materialaufwand. Es gilt in jedem Fall zu bedenken, dass jede Verbindung nur so viel wert ist wie ihr schwächstes Glied und dass erst die Summe aller Verbindungen mit über den konstruktiven Wert eines Bauwerks entscheidet. Will man die Aufgabe einer Holzverbindung aus oben genanntem Unbehagen nicht definieren, sondern nur die existierenden Verbindungen beschreiben, dann handelt man sich ein unlösbares Problem ein. Denn es ist nicht selbstverständlich, welche Verbindung an welcher Stelle einer Konstruktion mit welcher Funktion zur Anwendung gelangt.58 Dürfte es also schon kaum möglich sein, alle Holzverbindungen aufzuzählen, so lässt der Gedanke an eine Potenzierung dieser Anzahl durch die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten erst recht alle Hoffnungen schwinden. Als Möglichkeit bleibt, der Definition einige Beispiele an die Seite zu stellen. Sie sollen zeigen, im Positiven wie im Negativen, wie bedeu-

186  Ein für den Abbund vorbereiteter Holzstapel in Kitakata/Fukushima (J) zeigt, wie auch in Japan eine einst so reiche Formensprache verarmt ist. Es sind fast ausschließlich koshikake kama tsugi und ari kake shiguchi zu sehen.

187  Diese Ständerkonstruktion einer Scheune in Schapdetten/ Nordrhein-Westfalen (D) versucht die Schwächung des Binderbalkens durch die senkrecht eingreifenden Hölzer so gering wie möglich zu halten, indem sie Stütze und Stuhlsäule gerade um Zapfenstärke ver­setzt. Dadurch bleibt ein Abfangen der in die Stuhlsäule abgeleiteten Kräfte in die Stütze gewährleistet.

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188  Ecke des Glockenturms in Malé Ozorovce (SK). Der Schub des schräg gestellten Ständers hat einen schlecht ausgesuchten Schwellbalken bedenklich aufgerissen.

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tungsvoll allein schon die eine Komponente der Holzeigenschaf­ten ist, wenn Verbindungen die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen sollen. Unachtsamkeit in diesem Punkt kann sich als ebenso verheerend erweisen wie Unwissenheit. Jeder Zapfen schwächt das Holz, in das er gesteckt wird, und selbst ein noch so dünner Zapfen kann zum zerstörenden Hebel werden, wenn etwa Drehwüchsigkeit und Risse nicht mit ausreichender Sorgfalt beachtet werden. (Ill. 188) So groß die Redundanz vieler alter Verbindungsknoten ist, darf sie doch nicht überschätzt werden. Das Aussehen bzw. die Komplexität einer Verbindung sagen sehr wenig über ihren konstruktiven Wert aus; Wertaussagen sind überhaupt erst in Beziehung zur Funktion zu treffen. Eine einfache Blattverbindung erfüllt ihre Aufgabe besser (Ill. 189) als ein elegantes schwalbenschwanzförmiges Blatt, falls der Schwalbenschwanz einmal beschädigt wird. (Ill. 190)

189  Mit einfachen Blattverbindungen erzeugte Kreuze sichern und schmücken die Firstabdeckung der minka in Tamugi­ mata/Yamagata (J).

190  Mit einseitigen Schwalbenschwanz­blättern werden die Fußbänder an den Schwellbalken des Glockenturms in Stará Halič (SK) fixiert.

Technisch ist die Festigkeit des Holzes klar und eindeutig definiert. Die Praxis sieht jedoch allemal anders aus. Beispielsweise sollen nicht sichtbare Haken den Verschränkungen im Blockbau jene Sicherung geben, die mit dem Wegschneiden der Vorköpfe aufgegeben worden war. Genau jene Drehung des Holzes, die verhindert werden soll, kann aber zu einem ungewollten Versuch führen, wie groß die Scherfestigkeit von Holz ist. (Ill. 191) Es muss kein Fehler des Zimmermanns gewesen sein, der den Haken des Blattes hat abbrechen lassen, denn kein Stück Holz gibt sein Wesen verlässlich preis. Aber mit Gewissheit lässt sich für dieses Beispiel behaupten, dass nur ein erfahrener Holzverarbeiter einen solchen möglichen Scha­den in die Verlegung der Balken einkalkulieren kann. Zwei Balken haben nur dann die gleiche Festigkeit wie ein doppelt dicker, wenn sie fest verbunden sind. Auch wenn heutige Normen genaue Angaben machen darüber, wie groß ein Ast sein darf und in welcher Anzahl mehrere in einem Stück Holz auftreten dürfen, liegt es am Zimmermann, wie er zwei ästige Hölzer zueinanderlegt und damit unter Umständen erst den verhängnisvollen Fehler begeht. (Ill. 192) Verzahnte Balken waren die ideale Lösung, aber sie waren aufwen­ dig. Während im Mittelalter noch der Begriff des Zimmermannshaares59 Ungenauigkeiten speziell bei Versatz- und Blattverbindun­ gen ironisieren konnte,60 wurde im 19. Jahrhundert die erfor­derliche Genauigkeit bei der Herstellung des vervielfachten Versatzes im

191  Der versteckte Haken an den Block­balken der Kirche in Hervartov (SK) hat durch die Verwindung des ganzen Bal­kens das Vorholz des Nachbarbalkens abge­sprengt und damit seinen Zweck verlo­ren.

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verzahnten Balken bereits als Nachteil dieser Verbindung angesprochen.61 Die ökonomisch erzwungene, zunehmend schlampige Arbeitsweise des Zimmermanns wurde damit zum Problem der Verbindung gemacht – und dort ausgemerzt: Man empfahl wieder die Verdübelung und Verkeilung, eine Verbindungsform, die Zimmerleute zugunsten der besseren Verzahnung schon zur Römerzeit aufgegeben hatten.62 Der Versatz war eine im europäischen Holzbau ungemein wichtige Verbindung und löste ein großes Problem. Jede schräg angeschlossene Zapfenverbindung überträgt die gesamte Scherkraft auf den Zapfen. (Ill. 193) Um diese Last besser aufzuteilen, drängte sich eine Verstärkung an der Stelle auf, wo sich der Zapfen sinnvoll unterstützen ließ, nämlich in einer stirn- oder fersenseitigen Abschrägung des einzubindenden Holzes. (Ill. 194) Eine Kombination des Stirn- und Fersenversatzes führte in der Vervielfachung zum verzahnten Balken. Sinnvoll war der Versatz natürlich nur dann, wenn er tatsächlich den Zapfen entlastete, das heißt, wenn die Verbindung so genau geschnitten war, dass es tatsächlich zur Lastverteilung kam und nicht nur zur Querschnittsschwächung. Je vielfältiger die Verbindung detailliert wurde, desto mehr konnten sich Un­genauigkeiten summieren. Proportional zur großen Häufigkeit der Einbindung schräger Höl­ zer formten sich verschiedenste Versätze aus. Beispielsweise war es eine Form der Aufhängung von Hängesäulen, sie mit schrägen Streben abzustützen. Dabei kam es darauf an, die Säule möglichst wenig zu schwächen. Also ließ der Zimmermann den Zapfen nicht in die Säule eingreifen, sondern zog die Angriffsfläche der Strebe

193  Schräge Zapfenverbindung (nach: Warth, 1900, fig. 82)

194  Die Scherfläche des Zapfens lässt sich durch Stirn- oder Fersenversatz vergrö­ßern. (nach: ibid., fig. 83, 84)

192  Zwei lose übereinandergelegte Balken einer Durchfahrt in Heppenheim/ Hessen (D) demonstrieren die Schwach­ stelle angeschnittener Äste im Langholz.

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über die gesamte Strebenbreite durch und benutzte den Zapfen nur noch als Sicherung gegen ein Verrutschen der Verbindung. Auch in diesem Fall waren bedenkliche Lösungen entstanden, die sogar in Lehrbüchern Aufnahme gefunden hatten.63 (Ill. 195) Opderbecke kritisiert in seinem Lehrbuch Holznagelverbindungen, weil ihnen „eine große Widerstandfähigkeit nicht zuzusprechen“ sei. Die Geschichte hat jedoch gezeigt, dass Generationen von Zimmerleuten mit der Scherfestigkeit von Holznägeln ihr Auslangen gefunden haben. Als das wirkliche Problem des Holznagels sieht Opderbecke zu Recht seine Unzuverlässigkeit an, wenn er im Laufe der Jahre stark zusammentrocknet.64 (Ill. 196) Wiederum weicht man hier dem ökonomischen Druck, der es als unmöglich hinstellt, das Holz für die Holznägel in Berücksichtigung seiner Eigenschaften ausreichend zu trocknen, und stellt darüber hinaus in der Lehre etwas als mangelhaft hin,65 was sich schulisch einfach nicht vermitteln lässt: die Erfahrung, wie sich das Schwinden des Holzes tat­sächlich auswirkt. Es war einmal üblich, besonders getrocknete Holz­nägel einzusetzen, um ihren festen Halt sicherzustellen. In Japan ist man einen Schritt weiter gegangen und setzt moderne Technik ein, um sich die Holzeigenschaften zunutze zu machen: Durch künst­liche Trocknung der abzubindenden Hölzer weit unter den durchschnittlichen Luftfeuchtigkeitsgehalt erzwingen die Zimmerleute den bestmöglichen Halt der Verbindung mit den engstmöglichen Spalten, weil das Holz sich nach seinem Abbund wieder dem hygroskopischen Gleichgewicht unterwirft.66

195  Eine speziell für Hängesäulen vorgeschlagene Versatzung (nach: ibid., fig. 87) nimmt wenig Rücksicht auf den im Längsholz stehenden Zapfen. Gleich effektiv und viel weniger problematisch gegenüber einem Verdrehen des Holzes wäre die zweite Lösung.

196  Die Verstrebungen verlieren ihre Funktion, wenn der verloren gegangene Holznagel den Zapfen nicht mehr hält. Der Dachstuhl von Schloss Pöckstein in Zwischenwässern/Kärnten (A) ist dennoch nicht einsturzgefährdet.

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197  Die Scherfestigkeit des Holznagels ist um vieles größer als die Zugfestigkeit dieses verzierten Blattes an einem Bund­werkstadel in Haus bei Tengling/ Bayern (D).

Zweifelsohne ist nicht wirtschaftlichen Bedingungen allein die Ver­ antwortung für das Ende der handwerklichen Holzverbindungen zuzuschreiben, genauso wenig wie den Handwerkern, die sich nach der Decke streckten. Und dennoch kann der Handwerker nicht aus seiner Verantwortlichkeit entlassen werden. Wenn Zimmerleute im Überschwang geforderter Verzierungswut bewusst die Funktio­nalität einer Verbindung vernachlässigten,67 (Ill. 197) darf man Zeich­nern nicht zum Vorwurf machen, dass sie die Aufgabe der Holzverbindung nicht mehr verstanden. (Ill. 198) „Wenn man übrigens liest, wie nicht selten selbst die zur Aufnahme höchster Personen bestimm­ten Holzbauten unter der Verkehrslast lebenbedrohend aus dem Gefüge wichen, so kann man schließen, dass die Handhabung der Einzelverbände sowohl wie die Gesamtanordnung nicht immer, selbst nicht von fürstlichen Baumeistern, mit der nötigen Sorgfalt und Erfahrungsnutzung stattfand. Wie häufig mögen da dem gemeinen Mann, von dem man es nicht zu vermelden für nötig fand, Wände und Dach gewankt haben?“68 198  Was sollen die Nägel in den Stielen dieses Hauses in Wasungen/Sachsen (D) eigentlich fixieren? (aus: Neumeister, Häberle, 1894, Tafel 36)

199  Zeichnerische Überlegungen zur winkelstabilen Verbindung (nach: Geier, 1841, fig. 5–8)

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201  Wenn das nicht gesicherte Haken­ blatt der Anlängung der sval-Schwelle der Stabkirche von Ringebu/Oppland (N) dennoch seinen Zweck erfüllt, ist das nicht das Verdienst des Zimmermanns.

In seiner 1841 erschienenen „Statistische(n) Übersicht bemerkenswerter Holzverbindungen“ hat sich Geier mit einer ganzen Reihe sehr komplexer Dachkonstruktionen auseinandergesetzt. Seiner Über­legung vorangestellt hat er das Prinzip der Winkelaussteifung. Demonstativ führt er vor Augen, dass die Unverschieblichkeit des Verbandes nicht ausreichend ist als Überlegung des Zimmermanns,69 (Ill. 199) und demonstriert dies am Dachstuhl der Kurfürstlichen Reitbahn in Mainz von 1766. (Ill. 200) „Dieser Dachstuhl ... gibt ein sehr sprechendes Beispiel, wie nachtheilig es ist, wenn die Konstruktion sich an einen Typus bindet, den man in allen Fällen in blinder Ergebung anwendet und beibehält; während man ihre allgemeinen Gesetze erforschen und sie behandeln soll, wie die Wahrheiten der Geometrie, die ewig gelten, sich aber in jedem besonderen Fall nach speziellen Voraussetzungen richten, und dadurch jeder neuen Aufgabe das Merkmal geistiger Produktion aufdrücken.“70 Über die Qualität einer Verbindung, darüber, wie sie ihre Aufgabe erfüllt, kann erst nach Jahren der Erprobung geurteilt werden. Sie kann sich wohl auch als unnötige, übertriebene Vorsichtsmaßnahme herausstellen, die ihre Entstehung einer nicht hinterfragten Tradition zuzuschreiben hat. (Ill. 201) Viele Beispiele machen die Kritik an den alten Holzverbindungen verständlich. Eine simple Blattverbindung etwa ist besonders stark durch das Schwinden des Materials gefährdet, zumal es lange grün verbaut wurde. (Ill. 202) Wenn im Barock dann sogar für kompliziertere Aufgaben noch an den gleichen problematischen Verbindungen festgehalten wurde wie im Mittelalter, zweifelt man zu Recht am Beharren auf traditionellen Techniken. (Ill. 203; Ill. 204) Mit Gewissheit stellen Verbindun­ gen, die „bei Holzschwund oft mehrere Zentimeter klaffen“,71 dem

203  Verbindungsknoten Hängesäule – Kehlbalken – Längsverstrebung einer fiktiven Hänge-Sprengwerks­konstruk­ tion (aus: Schübler, 1736, Tab. 17)

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200  Der Schnitt durch ein Gespärre der Kurfürstlichen Reitbahn in Mainz zeigt den sträflichen Leichtsinn der Erbauer. Gerade an der meistbelasteten Stelle hat der Zimmermann die Stuhlsäule im Ver­bindungsknoten auf weit weniger als den halben Querschnitt geschwächt. Der Druck des Daches verursachte eine Zug­belastung auf die Stuhlsäule gegen den Druck der Querverstrebung, dem die Querschnitte der liegenden Stühle nicht gewachsen waren. (aus: ibid., Tafel I.4)

202  Das gleiche Detail der Lieb­frauen­ stiftskirche in Frankfurt am Main von 1344 zeigt eine dramatische Schwä­ chung des belastbaren Querschnitts. (aus: Schnell, 1915, Tafel 16)

Zim­ mermann kein gutes Zeugnis aus. Gerade heute, fernab jeder Bin­dung an tradierte konstruktive Lösungen, lässt sich gar manches kritisch beurteilen, auch Lösungen von Autoren, die ihre wache Kritik­fähigkeit oftmals unter Beweis gestellt haben. (Ill. 205; Ill. 206; Ill. 207) Das Problem, mit dem sich der Zimmermann des Dachstuhls über dem Rathaus zu Marienburg konfrontiert sah (siehe Ill. 116), ist sehr häufig aufgetreten. Vergleichsbeispiele aus England zeigen, welche Möglichkeiten dem geistig regen Zimmermann offenstan­den. Um den Schwalbenschwanz, dessen Formgebung ja einer erhofften Funktionserfüllung zu verdanken ist, nicht in so unbeschreib­licher Weise wie in Marienburg ad absurdum zu führen, konnte man den Zapfen zunächst einmal außermittig anlegen. (Ill. 208) Die Verdoppelung der Zapfen und ihre symmetrische Anordnung ist eine plausible Weiterentwicklung. Zwei Zapfen können nicht nur zarter ausfallen, sondern die Verbindung insgesamt erfährt eine Verbesserung. (Ill. 209) Wie wesentlich das Zusammenspiel Holzeigenschaft – Holzbearbeitung ist, sollen einige ausgewählte Beispiele aus Japan demonstrieren. Grund gerade dieser Auswahl ist nicht etwa eine polemische Konfrontation schlechter europäischer Beispiele mit guten ja­pa­ni­ schen, sondern deren Eignung zur Vermittlung einer Botschaft.

204  Die gleiche Verbindung, zusätzlich eingespannt und in einen anderen Kon­text eingebunden, muss natürlich ganz anders beurteilt werden. – Eckvor­ kra­gung in Steinheim am Main/Hessen (D) (aus: Winter, 1961, fig. 8)

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Das erste Beispiel ist ein Zapfenschloss im Gebälk des Kyuhonjin kinenkan in Hirata/Shimane. (Ill. 210) Der waagrechte Balken muss, weil er als Pfettenunterstützung eingesetzt wird, wesentlich stär­ker dimensioniert sein als die senkrechte Stütze, um ein Durchbie­gen auszuschließen. Damit wird zugleich auch die Belastung der Keile in den Zapfenohren reduziert. Die senkrechten Stützen bleiben ganz kurz, um sie der Gefahr des Knickens zu entziehen. Weil die Stützen so schlank sind, muss der durch sie hindurchgesteckte Zapfen möglichst dünn ausfallen. Ausgeglichen wird seine Verdünnung durch seine Höhe sowie durch den geringen Einschnitt der Auflage im Ständer. Ein sehr langes Vorholz verhindert Schaden durch die Keile. Wäre es zu kurz, würden es die Keile absprengen. Je dünner der Zapfen und damit das Vorholz ist, desto größer ist die Gefahr und desto länger muss das Vorholz bemessen sein. Ein viele japanische Verbindungen charakterisierendes Merkmal sind die seitlichen Brü­stungen, die den Ständer umgreifen, um ein Verdrehen des waagrechten Holzes, das den so dünnen Zapfen schwer gefährden

205  „Der durch eine innen angezapfte Schlüsselknagge verstärkte Pfosten kam der Stärkung des Querstandes helfend nach ... Diese Anordnung ist in der Tat eine vollkommene.“ (aus: Hanftmann, 1907, fig. 8b)

206  Die Axonometrie zeigt, wie sehr „die Verstärkung“ den Ankerbalken schwächt.

207  In Japan hat man Zapfenschlösser anders verstärkt. 208  Verbindungsknoten Ständer – Rähm – Bundbalken eines Getreide­ speichers in Cressing (GB) aus dem 17. Jh. (nach: Hewett, 1980, fig. 281)

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würde, zu verhindern. Zugleich schient das ansatzweise Umgreifen des Ständers dessen durch das Zapfenloch verursachte Schwachstelle. Stufenweise wächst auf diese Weise das wagoya gumiDach72 in die Höhe. Die konstruktive Aufgabe der geschilderten Holzverbindung ist es letztlich, den Mangel an geradem Bauholz auszugleichen und das Verbauen von unvollkommenem Holz zu gestatten. Nur auf den ersten Blick erscheint dies als Widerspruch zu der volumenmäßig gigantischen Menge verbauten Holzes. Passgenauigkeit blieb im japanischen Bauen kein bloßes Ideal. „Sie war das absolute Minimalerfordernis in der täglichen Praxis.“73 Die Verbindungen selbst zeigen am besten das Wechselspiel: Je ver­ästelter die Verbindungen werden, desto genauer muss der Zimmermann arbeiten. Umgekehrt wird der Zimmermann naheliegenderweise nur dann geistige Energie in immer komplizierter werdende Verbindungsknoten investieren, wenn seine Arbeit auf praktischen Erfolg abzielt, wenn eine tatsächliche Verbesserung der Verbindung mit ihrer wachsenden Komplexität zumindest in seiner Erwartung liegt. Die Längs- und Queraussteifung eines Skelettbaus durch Rähm und Balken haben japanische Zimmerleute sehr anders gelöst als ihre europäischen Kollegen. Während diese ihre Aufgabe oft nur dadurch bewältigt haben, dass die horizontal vom Ständer wegführenden Hölzer in der Höhe versetzt wurden, bestand das Be­mü­hen in Japan in der Regel darin, in einer Ebene zu bleiben. (Ill. 211) Dabei

209  Das gleiche Detail von einer Scheune des Walker’s Manor House in Farnham/Essex (GB) aus dem 15.Jh. (nach: Hewett, 1980, fig. 282)

211  Beim Tōdai-ji nandaimon/Nara (J) löste man 1199 die Aufgabe noch ohne jede hierarchische Gliederung. Jeder Teil wurde in gleicher Form geschwächt. (nach: Zairai koho no kenkyu, 1993, fig. 4–40–7)

210  An welche Holzeigenschaft man auch denkt, erscheint sie an dieser Spiel­ art des japanischen Zapfenschlosses berücksichtigt.

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will schon sehr gut das Grundmuster überlegt sein, wie viel Raum welchem Verbindungsteil zugestanden wird. Um die Säule nicht über Gebühr zu schwächen, andererseits genügend Platz zu lassen, ist das Rähm genau über der Säule gestückelt. Angeboten haben sich dafür die extrem langen Stabzapfen- oder Sichelzapfenverbindungen. (Ill. 212) Beide sind auf Zug wesentlich besser belastbar als die Schwalbenschwanzverbindung.74 Die Hauptschwäche dieser langen, dünnen Zapfen liegt dagegen in ihrer geringen Widerstandsfähigkeit gegen seitliche Belastung. Mit der Einführung der Brüstungszapfen bzw. Steckfälze ließen sie sich aber sukzessive sogar noch weiter verdünnen. Für weitere Einbindungen hat man dann auf Schwalbenschwanzverbindungen zurückgegriffen, die zum Zwecke ihrer Verstärkung ebenfalls mit Brüstungen versehen sind. (Ill. 213) Die zur Herausbildung derartig verfeinerter Verbindungen notwen­ dige Entwicklungsarbeit konnte geleistet werden, solange die Säu­len noch dicker gewesen waren. Beim Tōdai-ji kaisando hatten die Rähme noch fast den dreifachen Horizontal- und mehr als zweifachen Vertikaldurchmesser im Vergleich zum Enkyo-ji jikido.75 (Ill. 214) Ein nicht unwesentlicher Faktor dieser Evolution dürfte gewesen sein, dass durch möglichst strategisch angelegte zusätzliche Verstrebungen die mit dem schwindenden Holzvorkommen verbundenen Probleme minimiert werden konnten. Das Beispiel Taisan-ji hondō zeigt deutlich, dass die Zimmerleute für die vom Zeitgeschmack diktierte allgemeine Querschnittsreduzierung keine andere Lösung wussten, als es auszutesten, ob die bloße Reduzierung der Verbindungsquerschnitte der neuen Bauaufgabe tatsächlich gerecht würde.76 (Ill. 215) Entstanden diese beiden Beispiele von Tōdai-ji und Taisan-ji nahe­zu zur gleichen Zeit im 13. Jahrhundert, ließ man sich auf das Wagnis des nächsten Schrittes erst 200 Jahre später ein. Die Lösung beim Jizōbu-ji hondō war zwar gar nicht so unähnlich (Ill. 216), aber dennoch sind die Änderungen so groß, dass der Weg zum oben dargestellten Prinzip (Ill. 212) damit fast vollständig zurückgelegt war. Das Verdrehen der Rähmbalken hat die Widerstandsfähigkeit des nahezu zum Zapfen gewordenen Blattes gegen seitlichen Druck schlagartig reduziert. Nicht umsonst ist die Brüstung deutlich abgesetzt. Noch etwas anderes zeigen diese Beispiele: Da es nur eine be­stimm­te, relativ begrenzte Anzahl an sinnvollen Holzverbindungs­ typen gibt, müssen diese in ständiger Abwandlung weiterentwickelt und den jeweiligen geforderten Bedingungen angepasst werden.

212  Japanisches Prinzip der zug­fes­ ten Verbindung von vier Balken am Kopfende einer Säule 213  Genau dort, wo die Bruchgefahr für die Zapfen am größten war, schwächten ihre verstärkenden Brüstungen die Säule am wenigsten. – Enkyo-ji jikido/Hyogo (J) (nach: Bunkazai ..., 1986, p. 335/3)

214  Beim Tōdai-ji kaisando/Nara (J) wa­­ren die gestückelten Längs­verstre­ bungen mit Hakenblatt verbunden in die Säule eingehälst. Ein der Säule in Ver­ti­kal­rich­tung belassener Zapfen griff so in die Ha­kenblattverbindung ein, dass der Haken in seiner Belastung auf Zug unter­stützt wurde. Der orthogonal mit Schwal­ben­schwanz eingebundene Balken zur Quer­verstrebung machte ein Auswei­chen der Rähmverbindung praktisch unmöglich. Die in die Säule eingescho­bene Brüstung war noch nicht von der Balkenstärke ­ab­gesetzt. (nach: ibid., p. 142/1) 215  Beim Taisan-ji hondō/Hyogo (J) musste der Zapfen der Säule aus Platz­gründen weggelassen werden. Die Bal­kenstärke war auf den halben Durch­ messer reduziert worden. (nach: ibid., p. 190/1) 216  Beim Jizōbu-ji hondō/Wakayama (J) konnte der Säulenzapfen weggelassen werden, weil die Mittelsäule nach beiden Richtungen verstrebt werden musste. Auffallend ist die wenig konsequente Anordnung der Schwalbenschwänze, die aus Platzgründen viel kleiner geworden sind. Die Balken sind schon abgesetzt. Das Hakenblatt der Rähmteile war hier um 90° gedreht und vermutlich auch aus Platzgründen zum einseitigen Schwal­ ben­schwanz mutiert. (nach: ibid., p. 291/3)

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Hewett, 1985, p. 8 Holan, 1990, p. 166; Schier, 1966, p. 346 Kaiser, Ottenjann, 1988, p. 18 Petrescu, 1974, p. 53 Gunda, 1986, p. 81 ibid., p. 90 ibid., p. 82 Petrescu, ibid.; Gunda, ibid., p. 90 Dienwiebel, 1938, p. 148 Gschwend, 1988, p. 236f. ibid., p. 303; Bygdøy-Führer, 1988, p. 33 Klöckner, 1982, p. 56 Bussagli, 1985, p. 165; Masuda, 1969, p. 88; Miyagawa, 1959/1,2, p. 64; Soper, 1990, p. 301, 445, Anm. 11 Brown, 1989, p. 36 Parent, 1977/1, p. 81 Haiding, 1985, p. 58 Gerner, 1992, p. 35ff. vgl. p. 219 Graubner, 1986 ibid., p. 128 Seike, 1981; Takenaka daiku dogu kan, 1989; Sumiyoshi, Matsui, 1991; Nakahara, 1990; Bunkazai kenzo butsu hozon gi jiutsu kyokai, 1986 Kretschmar bringt in seinem Lehrbuch die gleiche Einteilung, wie sie in Japan üblich ist. Und auch er bezeichnet konsequenterweise die Verbindung zweier Treppenwangen, die um die Ecke führen, als Längsverbindung. (Kretschmar, 1885, p. VIf, 48) Speidel, 1983, p. 22 Mit dem Gerberstoß haben wir in Europa eine Verbindung des gleichen Prinzips. Zwerger, 1995, p. 42–44 Bunkazai ..., 1986, p. 590 Graubner, ibid., p. 86 Seike schließt sich dieser Einteilung nicht an. Er bezeichnet die otoshi-ari-Verbindung, einen im rechten Winkel eingeschobenen Schwalbenschwanz, als ari-tome, wenn es sich um eine Eckverbindung handelt. (Seike, ibid., p. 68, 78) Die vorgestellte ist die in Bunkazai kenzo butsu hozon gi jiutsu kyokai vorgeschlagene. Eine andere lässt die kama-Verbindungen als Gruppe weg und differenziert stattdessen Kamm-, Blatt- und Zapfenverbindungen viel ausgeprägter. (Takenaka daiku dogu kan, ibid., p. 49f.) Bunkazai ..., ibid., p. 590 Takenaka daiku dogu kan, ibid., Seike, ibid., p. 102f., Nakahara, ibid., p. 37 Von den mehr als 450 Abbildungen in Schüblers Zimmermannskunst beschäftigt sich nur ein verschwindend kleiner Teil mit Holzverbindungsdetails. (Schübler, 1736) vgl. p. 236 vgl. p. 253f. Beide Definitionen beziehen sich auf Graubner. Sie wurden deshalb gewählt, weil sie eine sinnvolle

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und zugleich ganz klare, begriffliche Abgrenzung anbieten. (Graubner, 1986, p. 123, 137) Klöckner, 1982, p. 67 Phleps, 1958, p. 46 Breymann, 1900, p. 61 Gerner, ibid., p. 157; Lissenko, 1989, p. 57, 222; Zippelius, 1954, p. 33 Durch die Übereinanderschichtung mehrerer Balken wird natürlich auch im ersten Fall jeder Balken an der Verbindungsstelle auf die Hälfte seines Querschnitts reduziert, weil er dann von oben und unten um jeweils ein Viertel eingeschnitten werden muss. Werner, 1978, p. 204 Schier, 1966, p. 101 Baumgarten, 1961, p. 59 Lissenko, ibid., p. 57 Gerner, ibid., p. 162 Schier, ibid.; Zippelius, ibid., p. 34; Lissenko, ibid.; Grisebach, 1917, fig. 7–9 Werner, ibid. Beim Malschrot wird dieses Prinzip durchbrochen. Darauf, warum in diesem Fall die Balken zwar einzeln, aber ansonsten wie beim Verzinken waagrecht in die Verbindung geschoben werden, wird auf p. 254 hingewiesen. Schier, ibid.; Werner, ibid. Lissenko, ibid.; Zippelius, ibid., p. 33; Werner, ibid. Gerner, ibid., p. 7; Schier, ibid.; Grisebach, ibid., Tafel I – III Graubner, 1986, p. 128f. Werner, ibid. Mönck, 1985, p. 77 Seike, ibid., p. 12, 91 Brunskill, 1985, p. 36 vgl. p. 248ff. Graubner, 1986, p. 16 Zimmermannshaar wird der Spalt genannt, der durch die zu wenig sorgfältig zusammengepasste Verbindung entsteht. Deinhard, 1962, p. 14 Kretschmar, 1885, p. 70 Schübler, 1736, fig. 131 Breymann, 1900, p. 30 Opderbecke, 1909, p. 126 ibid. Seike, 1981, p. 92 Gerner, ibid., p. 77 Hanftmann, 1907, p. 13 Geier, 1841 ibid. Gerner, ibid., p. 101 vgl. p. 183 Coaldrake, ibid., p. 48 Sumiyoshi, Matsui, 1991, p. 6, 9 Bunkazai ..., 1986, p. 142, 335 ibid., p. 190

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Holzverbindungen und ihre Entwicklung Die Rolle des Werkzeugs „Jedes Werkzeug dient einer Erweiterung der Tätigkeiten mit der Hand.“1 Dieser Satz hat nur mehr begrenzt Gültigkeit, insofern das Werkzeug viele Tätigkeiten voll und ganz übernimmt, und zwar nicht nur sol­che mit der Hand. Man ist geneigt zu sagen, der menschliche Geist wäre das einzige Werkzeug, das unersetzlich ist. Je mehr sich der Ver­arbeitende jedoch zum Werkzeug des von ihm ersonnenen Werkzeugs degradieren lässt, desto mehr wird auch das ihn charak­terisie­rende und auszeichnende Werkzeug ersetzbar. Wenn die zu gigantischen Größen angewachsenen Werkzeugmaschinen ihrer unterstützenden Dienerschaft entwachsen, beginnen sie ihre Meister schrittweise zu entmündigen. Mit zunehmender Befreiung von der Handarbeit droht der Mensch sich mehr und mehr individueller Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten zu berau­ben. Jedenfalls war eine Entwicklung von Holzverbindungen ohne das Werkzeug des menschlichen Geistes nicht möglich. Und zugleich war es so, dass so manche Holzverbindung sich ohne jedes künstliche Werkzeug unter alleinigem Rückgriff auf Hände und Füße realisieren ließ. (Ill. 217) Ein großer Bereich, der dafür als Beispiel die­nen mag, sind die Flechtwände.

217  Das temporäre Schafgehege bei Xanthi/Makedonien (GR) wird durch lose nebeneinandergestelltes Reisig und Schilfrohr abgegrenzt.

218  Deko­ratives Flechtwerk. – Sat S˛ugatag/Maramures˛ (RO)

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Absolut ausgereift, hat die Technik des Flechtens2 den Menschen bis in unser Jahrhundert begleitet. Zu erfinden gab es auf diesem Gebiet nichts mehr, umso mehr wurde der Bauende verleitet, sein Können in ästhetischer Verfeinerung zu präsentieren. In Europa ge­hören Zeugnisse dafür schon der Vergangenheit an (Ill. 218), in Ja­pan kann man sie noch finden. (Ill. 219) Das Nebeneinanderstellen von aufgefundenen, gänzlich unbearbeiteten Hölzern stellte eine allererste Form von Breitenverbindung dar. (Ill. 220) Solche Windschirme waren zwar relativ dicht, aber selbst den Nomaden zu wenig standfest. Ein Auseinanderstellen der stehenden Hölzer ermöglichte ihre Verflechtung mit waagrech­ ten Hölzern. (Ill. 221) Einen weiteren wesentlichen Gewinn an Steifigkeit brachte das Schließen zu regelmäßigen geometrischen Körpern. (Ill. 222) Verkleidet mögen solcherart entstandene Gerüste sogar einen minimalen Schutz gegenüber dem Wetter geboten haben. (Ill. 223) Finnisch-ugrische Völker bauten noch Anfang des 20. Jahrhunderts Unterstände, die den extremen klimatischen Bedingungen entspre­ chend naturgemäß schwerer waren als die dem vergleichsweise milden Mittelmeerklima angepassten südeuropäischen, von der Kon­ struktionsart aber nicht anders waren.3 Während der Bronzezeit und noch im frühen Mittelalter wurden in Nordirland und im keltischen Britannien Doppelrundhäuser bewohnt, die durch geflochtene Doppelwände miteinander verbun­den waren. (III. 223a) Diese hatten in sich einen Abstand von 30 cm, der mit organischem Material gefüllt war. (Zur Herstellung dieser Bauten wurde allerdings ein sehr spezialisiertes Werk-

223a  Arbeitsmodell eines Doppel­ wand-Zwillingshauses Chris Lynn’s von Deer Park Farms in Nordirland (aus: Ahrens, 1990, p. 126)

219  Bambuszaun bei Nagasaki (J)

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221  Astgeflecht als Teil eines Hirten­ unter­standes bei Komothini/Makedo­ nien (GR)

220  Die Zwischenräume zwischen den Balken dieser Untersicht einer Haus­ durchfahrt in Coulommiers/Île de France (F) füllen lose nebeneinandergelegte unbearbeitete Hölzchen, die die Beschüt­ tung tragen.

222  Skelett eines primitiven Einmann-Unterstandes bei Komothini/ Makedo­nien (GR)

223  Unterstand am Lago Varano/Puglia (I)

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225  Der geflochtene Giebel ist die letzte Reminiszenz an das geflochtene Haus. – Dunaszekcsö (H)

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224  Der Herstellung von Kukuruzkör­ ben als Speicher des in vielen Gegenden einst wichtigsten landwirtschaftlichen Pro­dukts wurde ganz besonderes Augen­ merk geschenkt. – Sibiu (RO)

zeug verwendet.) Das nach derzeitigem Wissensstand Einmalige dieser Häuser ist, dass sie gänzlich unverputzt blieben,4 wie es schon während der Steinzeit üblich war.5 Unverputzte Geflechte können, bei entsprechen­der Ausführung, sehr fest sein, lassen aber immer ausreichend Luft durchstreichen. (Ill. 224) In Russland wurden Häuser bis zur ersten Jahrtausendhälfte geflochten. Plotnik, der Wandflechter, dieser Aus­druck blieb als Bezeichnung für den Zimmermann.6 Bis ins 20. Jahrhundert hat sich die Flechtwerktechnik zur Herstellung von in der Regel nicht bewohnten Gebäuden in einem Großteil des osteuropäischen Raums halten können.7 Die tief verwurzelte Gewohnheit, die Flechtwände mit Lehm zu verstreichen, soll dafür verantwortlich sein, dass in weiten Teilen Polens sowie der Sudeten- und Karpa­tenländer dann sogar die Blockbauten mit Lehm verkleidet wur­den.8 Aber auch in Italien und Spanien war diese Bauweise zuhause,9 ebenso wie in England und Nordeuropa.10 Das vielleicht auffälligste Charakteristikum geflochtener Bauten ist ihr runder oder elliptischer Grundriss, im Gegensatz zu Bauten, die Geflechte nur zur Wandfüllung verwenden. In gewissem Sinn eine Übergangsform bilden ländliche Bauten, die die in Skelettbauweise errichteten, festeren Hauswände mit Flechtwänden kombinieren. Während Riegelwände mit meist verputzten Geflechten zur dich­ten Wand geschlossen wurden, bildete man dort, wo man den Dach­raum aus funktionellen Gründen abtrennen wollte, die von den konstruktiven Dachschräghölzern geformten Dreiecke bzw. die sicht­baren Giebeldreiecke selbst als echte Flechtwände aus.11 (Ill. 225) Die Technik war so ausgereift, dass man Rauchfänge (Ill. 226) und sogar Öfen flocht.12 Eine grundsätzliche Erweiterung des Repertoires brachte die Einführung der Verschnürung zu verbindender Hölzer. (Ill. 227) Die schnelle Herstellung und die leichte Lösbarkeit sicherten dieser Verbindungstechnik ihre praktisch ausschließliche Verwendung im Gerüstbau des Mittelalters,13 vielerorts sogar bis ins 20. Jahrhun­ dert. Auf diese Weise war es möglich, nicht allzu starke Hölzer auch in gebogenem Zustand zu fixieren. Der Rauminhalt einer zeltarti­ gen Hütte ließ sich so um mehr als die Hälfte vergrößern. Geschnürte Verbindungen bedürfen keinerlei Bearbeitung der verbundenen Hölzer. (Ill. 228) Sie genügen selbst heutigen Ansprüchen und sind universell einsetzbar. Die Gefachfüllungen japanischer Holzhäuser

227  Aus Bastseilen hergestellter „Stein­zeitknoten“ (aus: Reinerth, 1929, fig. 14)

228  Geschnürte Verbindungen eines minka in Shirakawa mura/Gifu (J)

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229  Lehmverputzte Flechtfüllungen eines minka in Iwate Futsuka­machi/ Iwate (J)

226  Geflochtener Rauchfang im Frei­ lichtmuseum Bardejovské Kúpele (SK)

sind zum Beispiel immer noch gitterartig verschnürte und anschlie­ ßend verputzte Bambusstreifen. Die ältere ōkabe-Wand bezog die senkrechten Stützen in die Vergitterung der Wandfläche mit ein, so dass auch die Stützen hinter dem Verputz verschwanden und die Wand feuerfester und winddichter wurde. Wegen ihres ästhetischen Reizes hat sich dennoch die viel aufwendiger herzustellende sogenannte hängende Wand (shinkabe) speziell bei Repräsentationsbauten einen Platz sichern können.14 (Ill. 229) Durch die hier vorgenommene Hintereinanderstellung des Flechtens und Verschnürens soll übrigens keine Aussage über ihr zeitlich abgestuftes Auftreten getroffen werden. Es soll nur hervorgeho­ben werden, dass es sich um zwei zu unterscheidende Techniken han­delt. Die Pfosten von Pfostenwänden wurden zwecks Verbindung an ih­rem eingegrabenen Ende miteinander verschnürt.15 Mit der Tech­nik des Verschnürens konnte der Mensch also auch seine Zaun­wände massiver gestalten. Je nach Materialaufwand fielen solche Zäune sehr durchlässig (Ill. 230) bis wandartig dicht aus. (Ill. 231) Im Blockbau wurden vielfach die übereinandergeschichteten Bal­ken neben ihrer Verbindung an den Enden zusätzlich mittels Zangenhölzern in ihrer Lage gesichert. (Ill. 232) Ganz allgemein, und so auch hier, wird angenommen, dass Verbindungstechniken zu­nächst immer im kleinen Rahmen erprobt und geübt wurden, bevor man es wagte, sie im Großen einzusetzen.16 (Ill. 233) Für die jungsteinzeitliche Siedlung Taubried am Federseemoor rekonstruierte man übereck gestellte Wände, von Zippelius Pfosten-Stangen-

231  Bretterzaun bei Uvdal/Numedal (N)

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230  Stangenzaun bei St. Corona/ Nieder­öster­reich (A)

wände (Ill. 234) genannt.17 (Ill. 235) Sie stehen durch die Verankerung der paarweise verbundenen Pfosten selbstständig, während Blockwände spezifischer Verbindungen an den Ecken bedürfen, um überhaupt errichtet werden zu können. Die Pfosten-Stangenwände waren in prinzipiell gleicher Weise konstruiert wie manche alte schwedische Hauswände. Dort, im Schwedischen, heißt die Verbindung zweier in den Boden gesteckter Hölzer mit einem herumgewundenen Ast­stück, etwa zur Herstellung eines Zaunes, knut timra, Knoten zimmern. Sonst wird von Verzimmern erst ab dem Entwicklungsstadium der Herstellung künstlicher Astgabelauflagen oder Schlitz- und Zapfenverbindungen gesprochen. Für Japan werden für die Jungsteinzeit grundsätzlich ähnliche Verhältnisse angenommen. Während der Jomon-Periode (10.000–300 v. Chr.)18 waren die Hölzer nur verschnürt,19 wobei man wie gesagt prinzipiell ohne Werkzeuge auskommen konnte. Die Zimmerleute nannten dies die „Konstruktion aus der Zeit der Mythen“ (tenchi gongen zukuri).20 Dies sagt aber nicht, dass die Steinzeitmenschen keine Steinwerkzeuge benutzt hätten.21 Man hat zum Beispiel gefällte Firstsäulen von 45 cm Durchmesser konstatiert, und mit Axt und einem chona-Vorläufer wurden die Stämme sogar zu vierkantigem Holz besäumt, das sich leichter verarbeiten ließ. Zapfenverbindungen waren jedoch unbekannt.22 Einen wichtigen Schritt zum Werkzeuggebrauch stellt die Verwendung von Astgabeln dar.23 Diese standen zwar reichlich zur Verfügung, in dem Moment aber, als sie in einer Reihe aufgestellt wer­ den sollten, um ein oder mehrere Firsthölzer zu tragen, wuchs das Verlangen, ihre naturwüchsige Form zu adaptieren bzw. geeignet erscheinende Bäume zu schlagen. (Ill. 236) Dafür war die Benutzung eines die Hand unterstützenden Werkzeugs unverzichtbar. In entsprechender Weise zum Einsatz gebracht, war der Steinzeitmensch mit seinem Werkzeug zu Arbeitsleistungen befähigt, die uns heute kaum nachvollziehbar erscheinen. Je weniger technische Hilfsmittel dafür zur Verfügung standen, das Material unter seinen Willen zu zwingen, desto größer musste die Materialkennt­nis sein, denn selbst die späterhin den Arbeitsprozess erleichternde und unterstützende Erfahrung musste ja erst gewonnen werden. Für den Stiel eines Steinbeils wurde ausschließlich Eschenholz von der Übergangsstelle der Wurzel zum Stamm ausgesucht. Die Klinge war aus besonders hartem Gestein gefertigt. Um ein Aufsplittern des Griffes zu verhindern, wurde der Stein in ein Futter aus Hirschgeweih gesteckt. Je nach Verwendungszweck war die Stiellänge

232  Mit Zange gesicherte Blockwand eines Hauses in Børgo/Sogn (N)

233 Stangenzaunkonstruktion (aus: Bygden, 1925, fig. 2a)

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des Werkzeugs unterschiedlich hergerichtet.24 Mit diesem Werkzeug war der Mensch in der Lage, Bäume zu fällen, zu spalten und in Imitation der Astgabeln selbst Gabelpfosten herzustellen.25 Die Fähigkeit, Holz zu spalten und auf gewünschte Längen zu bringen, erweiterte ganz beträchtlich die baulichen Möglichkeiten. „Um sich in frühzeitliche Gefügearten einleben zu können, empfiehlt es sich, auch behelfsmäßige, von ungeschulter Hand ausgeführte Arbeiten der Gegenwart zu beobachten. Hier kommt zuweilen manche urtüm­ liche Gebärde zum Durchbruch.“26 Solcherart vergleichende Beobachtungen lassen die Vorstellung, dass die letzten Zeugen der einst vorherrschenden Flecht- und Schnürtechnik die Holzzäune wären, so plausibel erscheinen, dass sie in der Forschung nicht in Frage gestellt wird.27 (Ill. 237; Ill. 238) Die genannten Fähigkeiten versetzten den Menschen in die Lage, die Hütte zum Haus umzugestalten.28 Solange die Dachschräghöl­ zer direkt auf Wände auflagerten, ließen sie sich weder beim Rund­ bau noch über rechteckigem Grundriss durch bloßes Verschnüren zufriedenstellend fixieren. Der Schub der Rofen war selbst dann zu groß, wenn man eine Astgabel zur Aufhängung an der Firstpfette benutzte.29 Drehte man hingegen die Astgabel um und stülpte sie über die Wandpfette, so hatte man die Möglichkeit geschaffen, Wände mit einem schrägen Dach zu verbinden. In der Jungsteinzeit konnte der Mensch in Europa bereits auf drei verschieden ausgeformte Hackwerkzeuge zurückgreifen: eine Axt

234  Teilrekonstruktion einer Pfos­ ten-Stangenwand aus der jungsteinzeit­ lichen Siedlung Taubried (Zeichnung von Zippelius, aus: Rhein. Jb. f. Volkskunde, 1954, fig. 12)

235  Zaunkonstruktion als Wandverklei­ dung eines Holzskeletts (aus: Bygden, 1925, fig. 7, 8, 10)

236  Auf das Astgabelprinzip wollte der Bauende nicht mehr verzichten. Gabel­stützen tragen auskragende Ober­ geschosse in Werdenberg/St. Gallen (CH).

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237  Das Erscheinungsbild von Holz­zäu­ nen spiegelt die konstruktiven Möglich­ kei­ten der Steinzeitmenschen wider. – Maihaugen in Lillehammer/Oppland (N)

zum Fällen der Bäume, ein Beil zum Zerlegen und Schlichten des Holzes sowie einen Dechsel zum Schnitzen und Herstellen von Lö­chern.30 Man sah sich nun unter anderem in die Lage versetzt, Höl­zer vierkantig zu behauen,31 was zur Einhälsung befähigte.32 War man bislang gezwungen gewesen, ein in die Astgabel eingelegtes Stück Holz zu verschnüren, wenn man es sichern wollte, hatte man jetzt nicht nur diese Sicherung gewonnen, sondern darüber hinaus auch das Drehmoment ausgeschaltet. Man konnte Schlitz- und Zapfen- bzw. Loch- und Zapfenverbindungen herstellen.33 Und es waren Türen möglich, deren Zapfen drehbar in Sturz und Schwelle verankert waren.34 Den nächsten Entwicklungssprung brachte der Übergang zum Bronze­werkzeug. Die Überlegenheit des Bronzewerkzeugs lag pri­mär gar nicht in dem für die Holzbearbeitung so viel besser geeigneten Material als in der Tatsache, dass der Werkzeugbenutzer nun die Formgebung seines Werkzeugs bestimmte und die Befestigung der Stiele wesentlich verbessert werden konnte.35 Einhellig wird die Ansicht vertreten, dass dem Bronzewerkzeug das Aufkommen des Blockbaus in Europa zuzuschreiben ist.36 Möglich gewesen wäre diese Konstruktion jedoch schon früher: Ein Versuch hat gezeigt, dass mit einer Feuersteinaxt in neuneinhalb Stunden 26 Föhren mit einem Durchmesser von 20 cm gefällt werden konnten.37 Und die allerersten Verbindungen der Blockbalken, die jeweils eine halbrunde Ausnehmung an der Oberseite für den einzulegenden nächsten Bal­ken zeigten, wären ebenfalls mit Steinwerkzeug zu bewerk­stelligen gewesen. Dennoch könnte nicht zuletzt das jetzt bedeu­tend leich­ter lösbare Erfordernis, jeden einzelnen Balken mit wenigstens zwei genau an das Gegenstück anzupassenden Verbindungen zu versehen, ein Grund für das so späte Aufkommen der Blockbautechnik gewesen sein. Während der Bronzezeit in Japan (ab 300 v. Chr.) wurden Verbindungen der nun vom Boden hochgehobenen, auf Stützen gestell­ten Bauten noch geschnürt. Ein Gutteil anderer Verbindungen be­nötigten für ihre Herstellung aber schon Säge, Stemmeisen und Axt.38 In der Eisenzeit (bis 300 n. Chr.) wurden mittels Axt, chona, und Stemmeisen nicht nur Zapfenverbindungen hergestellt, sondern in enger Anlehnung an diese die ersten Blockbauverbindun­gen geschaffen.39 (Ill. 239) Bei ihnen waren die Kränze gesäumter Bohlen großteils jeder für sich abgebunden, und es gab nur eine

238  Holzzaun im Freilichtmuseum Stübing/Steiermark (A)

239  Mutmaßliche Verbindungen der ersten Blockbauten in Japan (nach: Nishi, Hozumi, 1985, fig. 98)

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einzige Variante, die sie ineinander verschränkte. Um dennoch eine gewisse Stabilität zu erreichen, musste das entstehende Blockgefüge von Eckständern, die in den überblatteten Schwellen- und Rähmkranz eingezapft waren, eingespannt werden. Als zusätzliche Verankerung waren in der Längsrichtung zangenartige Hölzer erforderlich. Ein Herausschneiden einer Türe war bei diesem Gebilde nicht denkbar. Wollte man in den Speicher gelangen, musste man daher seinen Weg über das Giebeldreieck suchen.40 (Ill. 240) Schon mit dem Bronzewerkzeug verstanden es die Bewohner der heutigen Schweiz, Schwalbenschwanzspundungen herzustellen.41 Diese zwei parallele Blockwände verankernde Verbindung ist heute noch dort anzutreffen. Der Balken, an dessen Hirnholz der Schwalbenschwanz angearbeitet ist, wird an der Außenseite nicht wahrnehmbar. Er alterniert jeweils mit einem Balken, dessen Vorkopf vor die Wand trifft. Sieht man von europäischen Brunnenbauten ab – deren Blockwände in verblüffend ähnlicher Weise wie die ersten japanischen verbunden sind, aber kein Vorholz an den Ecken aufwiesen, weil sie ja eingegraben waren und insofern auch nicht der gleichen Sicherung bedurften –,42 so drängt sich der Eindruck auf, dass es beim ­europäischen Blockbau von Anbeginn an um die Herstellung einer Wand, die der Konstruktionsweise adäquat sein sollte, gegangen sein musste. Betrachtet man die frühesten japanischen Blockbauverbindungen, so erinnern diese an auf den Boden gelegte Rofenpaare, die in waagrechter Anordnung übereinandergestapelt wur­den, in der gleichen Art, wie sie am First nebeneinander aufgehängt waren. Die verschränkten europäischen Blockbalken dagegen bildeten über die Verbindungen von Anfang an ein sich selbst tragendes räumliches Gebilde, während die japanischen Gegenstücke ohne sichernde senkrechte Stützen hätten aus­einanderfallen müssen. Grundsätzlich erhebt sich deshalb die Frage, wie weit man hier noch von einem Blockbau sprechen kann, von azekura, wie es in der japanischen Literatur durchgängig geschieht. Handelt es sich nicht fast schon um die Wandfüllung einer Ständerkonstruktion, mit verblüffenden Anklängen an die Blockbaukonstruktion? Mit der Verarbeitung von Eisen gelang es wieder, gänzlich neue Werkzeuge herzustellen, mit deren Hilfe letztendlich alle uns heute bekannten Verbindungen geschnitten werden konnten. Zu den be­deutendsten zählen zweifelsohne die Holznagelverbindungen.

240  Rekonstruierter Blockbau aus der japanischen Eisenzeit (aus: ibid., fig. 97)

241  Holznägel sichern die Blattver­bin­ dun­gen am Rathaus in Markgröningen/ Baden-Württemberg (D).

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Ihre Verwendung ist im europäischen Holzbau vielleicht die dominierende überhaupt. Ausgehend vom Keil, der auch mit der Axt herstell­bar war, wurde dieser im Laufe der Zeit zum mehr oder weniger parallelwandigen Nagel umgeformt. (Ill. 241) Voraussetzung war die Entwicklung des Bohrers.43 Weil der Holznagel eine so bedeutsame und vielseitige Aufgabe zu erfüllen hatte, verwundert es nicht, dass sich spezielle Techniken für die Herstellung der Bohrlöcher entwickelt haben. Damit beispielsweise die Schlitzund Zapfenverbindung zweier Hölzer auf Zug optimal abgebunden werden konnte, wurde der in das Loch gesteckte Zapfen schräg gegen die Zugrichtung angebohrt, bis durch den Zapfen. Nach dem Herausnehmen des Zapfens bohrte der Zimmermann den Rest des Loches rechtwinkelig zu Ende. Wenn dann der Nagel in die Verbindung getrie­ben wurde, presste er die beiden Teile so fest wie nur möglich zusammen.44 Nicht nur als Fugennagel (Ill. 242) konnte sich der Holznagel auf den Keil als Vorläufer berufen, (Ill. 243) sondern auch als Widerlager, wenn er einfach den Balken am Wegrutschen hindern sollte. (Ill. 244) Als Nagel im heutigen Sinn kam er nur neben seinen vielen ande­ ren Funktionen zum Einsatz. Selbst zu einer Verbindung gewor­den, war der winzige Holzkeil auch ein beliebter Putzträger.45 (Ill. 245) Mit der technischen Möglichkeit, ein Holz geradwandig zu durchbohren, wurden auch die durchgesteckten Zapfen sinnvoll. (Ill. 246; Ill. 247) Europa und Japan profitierten in gleicher Weise vom Zapfenschloss. Diese Verbindung diente dem Blockbau genauso (Ill. 248) wie dem Ständerbau. (Ill. 249) Sie war im kleinsten Bau ebenso will­ kommen (Ill. 250) wie in den größten Bauwerken notwendig (Ill. 251), 

242  Schräg eingeschlagene Fugennägel fixieren die Bodenbretter im Falz der Schwellbalken der Stabkirche Øye/ Oppland (N).

243  Als Übergangsform zur späteren Abnagelung des Blattes in der Sasse ersetzt der Fugennagel zunächst den Fugenkeil. – Kindthalgraben/Steiermark (A), im Freilichtmuseum Stübing.

244  Der unterste Balken des luftig ver­zimmerten vorkragenden Berge­raums über dem Stall in Langesthei/Tirol (A) wird von Holznägeln am Ausweichen gehindert.

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245  Holzkeile als Putzträger eines Kittings in Dąbrówka Łubiańska (PL)

246  Zur Aufhängung der Rofen auf der Firstpfette brauchte man dank des Holz­nagels nicht mehr nach geeigneten Ast­ansätzen zu suchen. (aus: Moser, 1976, fig. 8)

248  Zapfenschlösser fixieren die geschoss­­definierenden Bundbalken eines Block­baus in Fortun/Sogn (N).

247  Dachreiter befestigen die First­ abdeckung eines Stalles aus Tsuruga/ Fukui (J). – Im Toyonaka minka shuraku

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gleichgültig ob waagrecht abgebunden oder senkrecht. (Ill. 252)  Übereck vermochte die Zapfenverbindung besonders deut­lich das verzahnte Ineinandergreifen und die dadurch erwirkte Stabilität zu veranschaulichen. (Ill. 253) Als Ideenlieferant stand die Natur bei dieser Verbindung aber nicht mehr zur Verfügung. Der Mensch war ganz und gar auf das überlegende Spiel mit seinen Fingern angewiesen, bevor er darangehen konnte, seine Ideen konsequent in das Material Holz umzusetzen. Eine reizvolle Anwendung des Zapfenschlosses wurde in Russland entwickelt. Die das Dach abdeckenden Bretter standen dabei in einer Art Regenrinne, und um die Dachkonstruktion zu schützen, bedurfte es einer Firstabdeckung. (Ill. 254) Diese Konstruktion war mit Hilfe des Zapfenschlossprinzips sehr sinnreich gelöst, zumindest solange das Hirnholz der Nägel der Witterung standhielt. (Ill. 255) Wie in so vielen anderen Fällen gelang es in Japan auch an dem Beispiel des durchgesteckten Zapfens zu beweisen, dass sich die Formen­sprache des Tischlers wesentlich öfter in die des Zimmermanns über­tragen ließ, als dies in Europa geschah. Den aufgespreizten Zapfen verwendete in Europa nahezu ausschließlich der Tischler. (Ill. 256) Die Ursache dafür liegt sicher zuallererst in der Ausrichtung auf die Hartholzbearbeitung.46 Entsprechend der Bedeutung der Zapfenverbindung war die Kreuz­ axt beim europäischen Zimmermann lange Zeit eines der beliebtesten Werkzeuge. Sie wurde für die Herstellung der Zapfenlöcher erst im 19. Jahrhundert wirklich vom Stemmeisen abgelöst.47

249  Ankerbalken waren das Grund­ge­ rüst für die Raumeinteilung und dien­ten ebenso der Unterstützung der Dach­kon­ struktion. – Bouttoncourt/Nor­man­die (F)

250  Mit Holzankern gesicherte Stein­ wand in Vinaders/Tirol (A)

251  Ganz in der regionalen Holz­bautra­di­tion sichern Zapfenkeile längs- wie quer­verstrebende Hölzer der Kirche von Sogn Giusep/Graubünden (CH).

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252  Detail der Dachkonstruktion des Kenchō-ji sanmon in Kamakura/ Kana­gawa (J) 254  Modellzeichnung eines russischen Wohnhauses (Detail aus: Lissenko, 1989, fig. 3.3)

256  Erst die Keile lassen den Betrachter die eingebundenen Querverstrebungen eines Hauses in Iwate (J) erken­nen.

253  Ein solches Verbindungsdetail wie an diesem minka in Iwate Futsukamachi/ Iwate (J) wird man in der Repräsenta­ tions­­architektur nur an den Blicken entzoge­ner Stelle finden.

255  Keile ziehen die Holznägel fest an die Firstpfette. Über ihren vergrößerten Kopf leiten die Nägel den Druck auf die First­abdeckung weiter. (nach: Lissenko, ibid., fig. 4.25c)

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Die­ser Übergang, der sich schon lange anbahnte, erlaubte zwar vielleicht kein so rasches Ausarbeiten eines Loches, dafür waren aber alle dessen Seiten und Winkel exakter. Sollte ein abgesetzter Zap­fen zwei übereinandergelegte Balken fixieren – eine Verbindung, die besonders interessant wurde, als man auf eine möglichst geringe Schwächung der Balkenquerschnitte Wert zu legen begann –, so mussten alle Teile äußerst präzise ausgearbeitet werden. (Ill. 257) Diese Genauigkeit war nur mit dem Stemmeisen zu erzielen. (Ill. 258; Ill. 259) Erfahrung mit dem Stemmeisen und dem Hohleisen hatten die Zimmerleute bei der Ausführung der weit über das Notwendige hinausgehenden Blattverbindungen nicht erst seit dem Hoch­mittelalter gesammelt. (Ill. 260) Für einfache Blätter und Zapfen war dagegen die Bundaxt ausreichend gewesen.48 In Japan kam dem Stemmeisen von Anbeginn ein neben Axt und chona gleichberechtigter Stellenwert zu. Nahezu alle Verbindun­ gen des Hōryū-ji wurden mit dem Stemmeisen geschnitten.49 Allerdings waren die Einzapfungen der verstrebenden waagrechten Balken im Verhältnis zum gigantischen Querschnitt der verbauten Hölzer nicht sehr tief.50 Sie dienten auch einem im Boden versteck­ ten Zweck: Das enorme Gewicht (Eigengewicht und Dachlast), das auf den eingegrabenen Tempelsäulen ruhte, wurde in verschiedener Weise durch die eingezapften Querhölzer auf eine größere Fläche verteilt. Die Löcher an den Pfostenfüßen wurden ebenfalls mit Stemmeisen hergestellt.51 257  Verschiedene abgesetzte Unter­ rähm­zapfen (aus: Bedal, K., 1978, Tafel 11) 258  Bisweilen kann gerade an Beispie­ len, die darlegen, wie ungebremste Gestal­tungs­wut alle Rücksicht auf das Material über Bord geworfen hat, eben wegen dieser Rücksichtslosigkeit die zwingende Notwendigkeit für ein bestimmtes Werkzeug abgelesen werden. – Aurach/Tirol (A)

259  Nur ein Teil solcher Verbindungen war in der sichtbaren Form ausgeführt.

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262  Gespärre des Artushofs in Gdańsk (PL) mit Details der schräg geschnittenen Blattsassen (aus: Heyn, 1913, fig. 16)

Einer Kombination dieser Idee mit der Technik des Zapfenschlosses entsprang übrigens die Abstützung und Verankerung der Mittelstütze in russischen Kirchentürmen. (Ill. 261) Im Mittelalter Japans und der Edo-Zeit (1185–1868) bewirkten verschiedene Fakto­ren einen wesentlichen Entwicklungsschritt. Neuen Bauaufgaben, die neue Techniken erforderten, sowie dem spürbar gewordenen Mangel an zufriedenstellendem Bauholz konnte sich der Zimmermann nur stellen durch den Einsatz von Stahl in der Werkzeugherstellung und durch eine Umstellung der Arbeitsweise. Das Arbei­ten zum Körper hin, gepaart mit dem viel besser zu schärfenden Werk­zeug, hatte tiefgreifende Änderungen der Holzverbindungen zur Folge, sowohl in ihrer Formgebung als auch in ihrer Ausfüh­rung.52 So klar sich bis zur Einführung des Eisenwerkzeugs die Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen Werkzeug und Entwicklung von Verbindungen zuordnen lassen, so unmöglich wird dies für die Folgezeit. Die Beziehung ist nach wie vor vorhanden, aber mit steter Entwicklung immer neuer Werkzeuge und der Herstellung immer stärker verfeinerter und differenzierter Verbindungen wird eine Zuordnung, welcher Teil einer Verbindung mit welchem Werkzeug hergestellt wurde, tendenziell unmöglicher. Wie weit etwa Sägen, und welche ihrer Arten, mit der Entwicklung bestimmter Holzverbindungen in Zusammenhang gebracht wer­ den können, lässt sich für Europa nur vermuten. In Japan vermutet man den Einsatz der Säge zur Herstellung von Zapfen bereits für das 7. Jahrhundert.53 In Europa gelangten Gestellsägen erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts zur Anwendung.54 Ab diesem Zeitpunkt wurden sie sicherlich überall dort zum Einsatz gebracht, wo sie den Arbeitsprozess beschleunigen oder vereinfachen konnten. Dies ist wohl für den Großteil der Gebiete anzunehmen, wo Ständerbau­ ten errichtet wurden. Das in den Städten dominierende Fachwerk wurde von berufsmäßigen Zimmerleuten hergestellt. Diese hatten viel früher die Vorteile des Arbeitens mit der Säge erkannt und ge­übt.

260  Die Herstellung geschweifter For­men bedurfte eines Werkzeugs, mit dem wesentlich detaillierter gearbeitet wer­den konnte als mit der Bundaxt. – Rat­haus in Esslingen/Baden-Württem­ berg (D)

261  Detailschnitt der Mittelstütze des Hauptturms der Jungfrauenkirche in Kimsha/Archangelsk (RUS) (aus: Lissen­ ko, 1989, fig. 3.12)

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Die Grubensäge war Bedingung für ein ökonomisches Aufschnei­ den von Rundholz. Die vierkantigen Staffel konnten dann herzlos (also rissfrei) etwa als Sparren hochkant verbaut werden. Die Ausbeute der aus einem Stamm zu gewinnenden Hölzer verdoppelte und verdreifachte sich. Windverstrebungen wurden überhaupt erst sinnvoll, wenn sie als gesägte Staffel nicht länger durch ihr Eigengewicht den Verband zusätzlich belasteten.55 Einen Versuch, die Verbreitung der Säge als Werkzeug nachzuvollziehen, unternimmt Schier, der an ihrem Einsatz eine Weiterentwicklung von der „primitiven Hakenblattüberkämmung“ des ost­ slawischen Blockbaugebiets zu den „kunstvollen Eckverbänden“ der Schwalbenschwanz- und Eckverblattung erkennt, die deutscher Einfluss ins Karpatenland getragen hätte.56 Diese von der wohl zeitlich bedingten sprachlichen Formulierung disqualifizierte und auf den ersten Blick äußerst verworrene Aussage gewinnt dennoch einen diskutablen Aspekt, wenn man sich Klarheit über Schiers Begriffe der Blockbauverbindungen verschaffen kann: Die Hakenblatt­überkämmung meint die oben angeführte, schon aus der Bronzezeit bekannte Blockbaufügung.57 Daneben gibt eine bestimmte Blattvariante Anlass zu der Spekulation, ob ihre Form nicht unter dem Eindruck der Säge entstanden ist. Die Blattverbindung ver­mag in ihrer Ausgestaltung als Schwalbenschwanz sehr eindrücklich die ihr zugewiesene Aufgabe wiederzugeben.58 Zu schaffen machte aber, spätestens als man auf das Gewicht und die Ressourcenlage Rücksicht nehmen musste, die mit ihr einhergehende starke Schwä­chung der Holzquerschnitte. Blätter hatten als Schräganschlüsse, wie sie in Dachstühlen in allen Varianten auftraten, in der Regel Blattsassen, die nicht den ganzen Querschnitt erfassten. Das heißt, die Säge ließ sich in der Regel zwar nur zu einem erweiterten Anreißen der Sasse verwenden, zugleich lieferte aber der mit der Säge zu erzielende Einschnitt noch immer die von der Verbindung geforderte zugfeste Form. Hatte dies ein Zimmermann einmal realisiert, so erleichterten noch weitere Gründe den Schritt zu einer neuen Form. Beide Hölzer wurden nun weniger in ihrem Querschnitt geschwächt (Ill. 262; Ill. 263), so dass der Vorteil auch bei umgekehrter Ausführung Gültigkeit hätte. Intuitiv spräche sogar einiges dafür, umgekehrt das Ende des Schwalbenschwanzes auf Kosten seines Halses zu verstärken, erzielte man damit doch auch in der dritten Dimension die Schwalbenschwanzform. Aber der extrem kritische Punkt des Halses wäre zu stark geschwächt. Dass sich die beschriebene Schwalbenschwanzvariante nicht stärker ausgebreitet hat, mag daran liegen, dass der direkte Übergang zum wiederentdeck­ten Zapfen sich schneller durchsetzen konnte. Nur in Einzelfällen sind noch direkte, eindeutige Zuweisungen mög­lich, dass ein ganz spezielles Werkzeug für die Herstellung einer ganz speziellen Verbindung kreiert wurde. Ein Beispiel dafür ist das Schindeleisen, mit dessen Hilfe die Schindel aus dem entsprechend abgelängten Rundholz gespalten wurden. Zu den Vorteilen, die die Entwicklung dieses Werkzeugs für die Breitenverbindung gegenüber der Verwendung eines Hobels gebracht hatte, zählte die wesentlich schnellere Arbeitsweise. Das Schindeleisen erforderte geradezu die Rücksichtnahme auf die Holzfasern, auch wenn sie unregelmäßig verliefen. Der keilförmige Querschnitt der Schindel ließ sich weiter bearbeiten zur Nutschindel. Aus dem nie ganz gerade verlaufenden Faserverlauf ergab sich der vergleichsweise feste Zusammenhalt der ineinandergesteckten Nutschindel.59 Die Ausformung der Nutschindel erfolgte in ausschließlich

263  Blattsasse im Sparren des ehema­ ligen Krankenkonvents in Lübeck/ Schleswig-Holstein (D) für den untersten Kehlbalken (nach: Binding, 1991, fig. 76)

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zum Körper orientierter Arbeitsweise: mit dem Ziehmesser und dem Nutenzieher. Dieser sensiblen Arbeitstechnik des Schindelmachers ist ein nicht unerheblicher Anteil am ehemals durch die Dachlandschaft geprägten Landschaftsbild zuzuschreiben. Ein anderes Beispiel ist das Klingeisen. Dieses sehr einfach aussehende, gebogene Stück Eisen konnte nur in Gegenden entwickelt werden, in denen die Säge nicht verbreitet war, weil sie einfacher herzustellende und vermutlich auch naheliegendere Formen der Blockwandverbindung diktiert hätte.60 (Ill. 264) Ob tatsächlich alle Klingschrote mit dem Klingeisen oder nicht doch manche mit verschieden geformten Hohleisen hergestellt wurden, ist hier kaum eine relevante Frage.61 In vielen Fällen aber wird sich wohl kaum feststellen lassen, welche Verbindung mit welchem Werkzeug ausgeführt wurde. (Ill. 265) Vom richtigen Werkzeug hängt nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Perfektion einzelner Bauformen ab. Die Übereinanderschichtung von Balkenkränzen zu einem Blockgefüge brachte lange Zeit, auch wenn das Holz noch so gut ausgesucht war, keine ausreichend zufriedenstellenden Ergebnisse. In der Regel verblieben Fu­gen, die mit unterschiedlichen Materialien in unterschiedlicher Weise dichtgestopft wurden. Anders lösten dieses Problem die Nordländer. Sie entwickelten das „Zieheisen“, medrag in Norwe­ gen,62 dragjärn in Schweden.63 Von Schweden fand dieses Werkzeug auch seinen Weg nach Russland, wo es sogar für die Ausarbeitung der Blockverbindung herangezogen wurde.64 Erst mit seiner Hilfe war es möglich, die Ausnehmung entlang der Unterseite des aufgelagerten Balkens so exakt herzustellen, dass die unbehaue­ nen Balken perfekt dicht schlossen. (Ill. 266) Auch in Japan hat man genau das gleiche Werkzeug, kuchihiki, wie im europäischen Nor­ den benutzt.65 In seiner Unscheinbarkeit erinnert das Zieheisen an osa-jogi, ein anderes Werkzeug des japanischen Zimmermanns. Dieses Säulenprofil-Messgerät ermöglicht die exakte Verbindung naturbelassener Hölzer in jedem Winkel, ebenso wie es die perfekte Einjustierung einer Säule auf jedem beliebigen Fundamentstein erlaubt. (Ill. 267) Dass schließlich auch ein ganz unspezialisiertes und althergebrach­ tes Werkzeug die Entwicklung einer neuen Verbindung ermöglichen kann, zeigt das Beil. Bis zum 16. Jahrhundert wurde in Schweden zur Fügung der Blockbalken deren Ende konisch verjüngt. Dadurch war die Verbindung gegen ein Ausweichen nach außen nicht gesichert. Unter Einsatz des Beils verfiel man auf die Idee, die Verbindung auch vom Balkenende her einzuschneiden und dieses stattdessen in seiner vollen Stärke zu erhalten. Ein erster Kerbschnitt markierte die gewünschte Tiefe, an die sich der Zimmermann dann von Balkenmitte und Balkenende heranarbeitete. Der Erfolg war eine wesentliche Verfestigung der einzelnen Verbindungen, und damit natürlich des ganzen Gefüges. (Ill. 268)

264  Zur Verwirklichung nicht gerad­ liniger Verbindungsfugen bedurfte es eines Werkzeugs, dessen Handhabung präzisere Arbeit als mit dem Beil und effektivere als mit dem Stemmeisen erlaubte. – Westendorf/Tirol (A)

265  In ihrer Art waren die Klingschrote sehr unterschiedlich ausgeformt. Eine äußerst präzise Fügung zeigt das Beispiel aus St. Corona/Niederösterreich (A).

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266  So dicht konnten unbehauene Bal­ken verbunden werden. Der Minimal­ belüftung (und vielleicht -belichtung) diente eine winzige Öffnung, die gegen Vögel gesichert war. Mäuse und Ratten konnten die Stützel nicht überwinden. – Speicher aus Budal/Oppdal (N) im Frei­ lichtmuseum Bygdøy

267  Die Aufstellung der Stützen, ihre An­passung an die Fundamentsteine charak­terisiert Handwerk im besten Sinn des Wortes. – Meiji mura (J)

268  Entwicklung der Blockbauverbin­ dun­gen in Schweden im Mittelalter und vom 16. bis zum 18. Jh. (aus: Erixon, 1937B, fig. 14)

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Bauaufgaben und ihre Lösungen Die Grundform des Schwalbenschwanzes existiert als ideales Bild, tritt aber in einer derartigen Vielzahl von Kombinationen in Erscheinung, dass eine seriöse und aufschlussreiche Aufzählung gar nicht möglich erscheint. Aus diesem prinzipiell für alle Holzverbindungen geltenden Dilemma führt nur die Formulierung unseres Erkenntnisinteresses heraus: Von Interesse sind die der jeweiligen Bauaufgabe angepassten Variationen der verschiedenen Grundtypen und die Frage, warum eine Verbindung gerade diese Form erhalten hat, in der sie sich uns zeigt. Klarerweise lassen sich alle Verbindungen in irgendeiner Weise mittels dieser Frage erfassen. Frei­lich: Warum ein Dach weit vorgezogen wird, warum also die Bauaufgabe ,vorgezogenes Dach‘ entstand, kann mit klimatischen Bedingungen ebenso begründet werden wie mit dem wenig gut geeigneten Holz, das für die Wand zur Verfügung stand. Man kann sich über die Verzahnung der Ursachen nicht hinwegschwindeln. Dennoch können durch die getroffene Auswahl aussagekräftige Abgrenzungen getroffen werden. Die wenigsten Bauaufgaben brauchten neue Verbindungen. Analysiert man beispielsweise ein zimmerungstechnisches Detail der Stabkirchen, die Aufhängung des Pultdaches an den Säulen des Hauptraumes, wird man erkennen, dass hier ganz simple, bekannte Verbindungen den Zimmerleuten eine technische Meisterleistung erlaubt haben. Die Sparren des Pultdaches über dem Umgang ste­hen nicht, wie es am unkompliziertesten wäre, auf dem Rähm, denn dann könnten sie dem Winddruck nicht widerstehen.66 (Ill. 269) Stattdessen wurden auf den oberen Abschlussbalken der Außenwand zunächst Streben aufgekämmt, die leicht ansteigend in die Säulen eingezapft waren. Über den unteren Rähmbalken wurde sodann ein zweiter gelegt, in der Weise, dass er, den Streben aufgekämmt, diese zangenartig einband. Erst auf das obere Rähm wur­den nun die Sparren in voller Stärke eingezapft. Am oberen Ende in die Säule mit Zapfen eingelassen, war auf diese Weise ein winkelstabiles Dreieck geschaffen, das, in regelmäßigen Abständen um die Kirche verteilt, ihr die benötigte Aussteifung verlieh. (Ill. 270) Die Rähmbalken ihrerseits waren in die Ecksäulen wieder mit einfa­chen Zapfen eingelassen. Und die seitlich notwendige Abstützung übernahmen einfach angenagelte Knaggen.67 Jungsteinzeit, Sesshaftwerdung, Hausbau sind nach dem gegenwärtigen Forschungsstand noch68 drei zusammengehörende Begriffe, die einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung des Menschen bezeichnen. Dem Jäger und Sammler genügte der provisorische Unterstand. Wichtig war die rasche und einfache Errichtbarkeit der Behausung. Der Übergang zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Ackerbau und Viehzucht forderte eine Abkehr von der unsteten, immer auf Weiterwandern ausgerichteten Lebensfüh­ rung. Der Verbleib auf einem Fleck machte dem Menschen schon bald bewusst, wie rasch die Natur sich das Ihre wiederholen konnte. Ein Anlegen von Vorräten bis zur Zeit der nächsten Ernte erforderte mehr als ein Dach über dem Kopf. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von dreißig Jahren erscheint uns aus heutiger Sicht sehr naheliegend, dass man sich endlich dessen besann, dass ein gut gebautes Haus ein ganzes Lebensalter überdauern konnte.69 Die dadurch freigewordene Zeit ließ sich anderweitig einsetzen. Nicht nur der Mensch brauchte Unterkünfte. Das domestizierte Vieh musste durch Zäune am Weglaufen gehindert werden. Wo es

269  Säule, Sparren des Umgangs und Querstrebe bilden ein unverschiebliches Dreieck. Rund um den Kern der Säulen­ stabkirche angeordnet, gewährleistet dieses System die Stabilität des Baukör­ pers. (Zeichnung von K. Bjerknes aus: Ahrens, 1981, fig. 103)

270  Modell der Stabkirche in Torpo im Nasjonalmuseet – Arkitektur in Oslo (N)

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klimatisch notwendig war, musste das Vieh wenigstens im Winter untergestellt werden. Die weniger gefährliche und zehrende Lebensweise einerseits und die dank aufkommender Vorratswirtschaft möglich gewordene Überbrückung von Notzeiten andererseits ließen die Bevölkerungszahl wachsen. Mit ihr wuchsen die Ansprüche, und daraus erwuchsen neue Bauaufgaben. Die Begriffe Blockbau und Skelettbau sagen nicht allzu viel über die Aufgaben des Zimmermanns aus. Bauernhäuser wie Schlösser, Bür­ gerhäuser wie Rathäuser, Wirtshäuser und Theater und Hallen –­ repräsentative Bauten waren genauso aus Holz gebaut wie Wohn- und Nutzbauten: Mühlen, Brücken, abgebundene Gerüste, Bergwerksstollen, Türme; die Aufzählung ließe sich fast beliebig fortsetzen. (Ill. 271; Ill. 272) In Japan entstanden die ersten gemauerten Bauten erst während der Meiji-Ära. Selbst als der Steinbau den Holzbau zu verdrängen begann, wurde der Zimmermann nicht arbeitslos. Dachstühle wurden neben Toren und Einfriedungen weiterhin in Holz gebaut. Soviele Kriege es in der Menschheitsgeschichte gegeben hat, so bedeutend waren die Beiträge des Zimmermanns, im Angriff wie in der Verteidigung, ob er Belagerungstürme oder Palisadenwän-

271  Gerüst „zur Construktion des Doms der neuen Genoveven-Kirche“ „mit Krah­nen von neuer Erfindung aufge­ stellt“ (Rondelet, 1833, p. 168, 170, Tafel CXXIV, fig. 2)

272  Aufstellung eines Obelisken mit Hilfe eines Gerüstes (aus: Schübler, 1763, Tafel 36)

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de schuf. Bauten für militärische Zwecke haben „die Zimmerkunst wesentlich gefördert“.70 (Ill. 273) Die einfache Verfügbarkeit von Holz war die eine Bedingung, eine auch dem einfachen Soldaten vertraute Verbindungstechnik eine andere, dass Holz eine solch bedeu­tende Rolle in kriegerischen Auseinandersetzungen zukam. Als mo­bile Festungen fungierten zwei mit einfachen Blattverbindungen aufzustellende Wände vor und hinter den Soldaten. Zerlegt ließen sie sich im Tross mitführen.71 Wie wesentlich einfache Verbindun­gen sein konnten, zeigt das Beispiel der Mottentürme.72 Schepers zitiert niederländische Quellen, wenn er schreibt, dass „Arnaud van Gent an einem Morgen feststellen musste, dass ihm der Burggraf Hendrik van Broekburg einen festen hölzernen Wohnturm nachbarlich hingezaubert hatte“. Weil es entscheidend sein konnte, wenn man in der Lage war, dem Gegner über Nacht einen solchen mehrgeschossigen Turm vor die Nase zu stellen, mussten transportierbare Gefügeelemente leicht verbindbar bereit gestanden haben. Auch das Japan des 13. und 14. Jahrhunderts machte hier keine Ausnahme. Um dem Kriterium der Effektivität gerecht zu werden, waren die Verbindungen von japanischen Befestigungsanlagen eben­falls ein­fachster Art.73 Die Schlösser dürfen aber nicht hierzu gezählt wer­den. Sie wurden ausschließlich von ausgesuchten Meistern ihres Faches errichtet. Im Laufe der Zeit erwarben sich die Zimmerleute ein beachtliches Repertoire an Verbindungen. Dabei verstanden sie es recht gut, den verschiedenen Bauaufgaben durch verschieden aufwendige Ausführung Rechnung zu tragen. Eine Scheune reizte nicht im gleichen Maß die Fantasie und Ausdauer des Zimmermanns wie eine Kirche;74 ebenso wenig wie den zahlenden Auftraggeber. Jede anhand einer konkreten Aufgabe neu entwickelte Verbindung wurde klarerweise als geistige Aneignung mitgenommen, um auch an an­derer Stelle angewandt, verbessert oder adaptiert zu werden. So lernte schließlich der Laie vom gelernten Handwerker. Eine an einem Kirchendachstuhl erstmals auftretende Verbindungsvariation war vielleicht, im Falle der Eignung, bald darauf am Dachstuhl eines Bauernhauses wiederzufinden. Überschussproduktion ließ die Bedeutung des Speichers wachsen. Diente er ursprünglich tatsächlich der Aufbewahrung von Ernte­ erträgen, wurde er in zunehmendem Maße auch zum Maßstab für den Reichtum seines Besitzers. In ihm wurden Wertgegenstände aller Art verwahrt. Als das beste Haus des Hofes,75 als „Schatzkästlein“76, war der Speicher nicht nur Aushängeschild für hohen sozialen Rang und Reichtum,77 sondern auch „Stätte letzter Verteidigung“.78 Dies gelangte in seiner besonderen Ausführung zum Aus­druck, die wiederum seinen Wert noch einmal steigerte. (Ill. 274) In Europa wie in Japan fällt besonders die Doppelschaligkeit der Dachkonstruktion vieler Speicher auf. Der den ganzen Baukörper einhüllende Lehmmantel musste vor Regen geschützt werden. (Ill. 275) Das da­für vorgesehene Dach wusste man nicht anders als aus brennbarem Material herzustellen. Es musste also im Brandfall so rasch als möglich vom Speicher heruntergerissen werden können, ohne dass die­ser selbst in Mitleidenschaft gezogen würde.79 Auffallend ist, zu welch unterschiedlicher Zeit man den Speicher hochstellte, um ihn zu schützen: In Skandinavien geschah dies erst im 17. Jahrhundert,80 während der Beginn der Pfostenspeicher in die gleiche Zeit gesetzt wird, in die die ersten japanischen datiert werden, nämlich in die Eisenzeit.81 Ursache für die Hochstellung waren Probleme der Be­ lüftung: Das Gebäude sollte möglichst dicht

273  Hängeböcke ermöglichten ein Auskragen in beliebiger Höhe an jeder Wand und waren so unverzichtbar im Fortifikationsbau. (aus Viollet-le-Duc, 1859, Bd. IV, p. 124)

274  Der vor Feuer schützende Lehm­ mantel dieses Kittings aus Petrová (SK) ist sichtbarer Ausdruck der Wert­schät­ zung des Gebäudeinhalts bzw. der Angst vor dessen Verlust.

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gegen jede Art von Dieben abgeschlossen werden, außerdem lag alles Lagergut naturgemäß am Boden. Das herkömmliche europäische Gebäude steht aber am Boden, weshalb die Belüftung eher mangelhaft war. Ge­löst hat man das Problem genauso, wie es die Japaner mit allen Gebäuden getan hatten: Man hob sie in die Höhe, damit die Luft gerade dort hingelangen konnte, wo sie am notwendigsten gebraucht wurde. Es ist erstaunlich, wie viele verschiedene Lösungen dem Menschen für die Bauaufgabe des Pfostenspeichers eingefallen sind. Die einfachste Möglichkeit bestand darin, den Pfosten oder die Stütze einzuzapfen.82 Sollte der Speicher über einem anderen Gebäude, dem Wohnbau oder dem Stall errichtet werden, musste die Stütze auch nach unten abgesichert werden. (Ill. 276) Da hier in der Regel die Di­mension des Stützenquerschnitts durch die Bohlenstärke der darunterliegenden Wand limitiert war, hat man dabei lieber auf einen Schwalbenschwanz als Sicherung zurückgegriffen. In Finnland beispielsweise verbanden Schwalbenschwänze die Pfosten mit den Schwellbalken, die den Blockbau trugen.83 In Tirol scheint man sich mit den Fingern seiner Hand das Problem vor Augen geführt zu haben. Ein in der Baumachse liegender kreuzförmiger Einschnitt nimmt ein paar verschränkte Balkenkränze auf. (Ill. 277) Voraussetzung für diese Entwicklung war der Überstand eines Kopfschrotes. Selbstverständlich ließ man in diese Verbindung auch die Schwund­eigenschaft des Holzes einfließen. Eine Ausführung hatte die Ker­ben nach unten leicht konisch zusammenlaufend, in die die Balken durch die Auflast hineingepresst wurden. Eine andere sah vor, die Blockbalken genau an der Stelle zu verjüngen, die zwischen den emporgereckten Fingern der Gabelstütze verbor-

275  In Japan bietet auch ein weit aus­la­ dendes Dach dem Lehmmantel keinen ausreichenden Schutz vor den sintflut­ artigen Regengüssen. Der die Holz­kon­ struktion vor Feuer schützende Lehm­ mantel wird seinerseits gegen Wasser mit Holz geschützt. – Samurai-Residenz in Kitakata/Fukushima (J)

276  Stützelspeicher aus Geschinen/ Wallis (CH)

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gen lag. Da die Stützenfinger links und rechts von den Balken leicht überkämmt wurden, wurde das Schwinden bis zu einem gewissen Grad kompensiert, und der Gefahr des Absprengens einer Zinke der Stütze durch seitlichen Druck war vorgebeugt.84 Allzu groß war die Gefahr des Absprengens ohnedies nicht, weil besonders astreiches, knorri­ges Holz für die Stützen ausgewählt wurde.85 Die enorm erschwerte Bearbeitung wurde durch die wesentlich erhöhte Lebensdauer aus­geglichen. Angesichts des späten Anhebens der norwegischen Speicher kann es nicht verwundern, dass dort auch sofort der Schutz der Stützen gegen Feuchtigkeit mitberücksichtigt war (Ill. 278), zumal den nor­ wegischen Zimmerleuten diese Konstruktion längst vertraut war.86 (Ill. 279) Eine gedankliche Vorstufe zum stabbur könnte in den zeitlich frü­heren Versuchen gesehen werden, den Blockbau vor Feuchtigkeit zu schützen. Man hatte nicht hoch über dem Boden Pfosten abgeschnitten, auf die der Schwellenkranz aufgesetzt – wahrscheinlich aufgezapft – war,87 genauso wie bei den frühen hochgestellten Speichern nahezu überall sonst. Bemerkenswert ist eben nur, dass darauf eine Zwischenperiode folgte, in der man die Konstruktion lange Zeit wieder heruntergeholt und auf Steine gestellt hat. In Japan geht die Bedeutung des kura weit über jene eines Lagerhauses hinaus.88 Der Speicher der yayoi89 war der Archetypus des Shintoschreines.90 Schon der loft bzw. stabbur hatte materielle Wertmaßstäbe überstiegen. Jungfrauen hatten ihr Schlafgemach in ihm, Neuvermählte verbrachten ihre Hochzeitsnacht darin.91

277  Durch die Stützelform ist dieser Spei­cher aus Längenfeld/Tirol (A) bedeutend biegesteifer als der Schweizer Speicher.

278  Stabbur in Gjellerud/Buskerud (N)

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Der in seiner Ästhetisierung nicht mehr zu vervollkommnende Ise-jingu oder der in seiner gigantischen Größe nicht zu überbietende Izumo-taisha92 verkörpern die eine Richtung der Entwicklung des kura. Der schlichte Reisspeicher, der ganz vereinzelt noch zu finden ist und nur der Funktionalität verpflichtet scheint, könnte als das andere Extrem angesehen werden.93 Mit dem Begriff azekura (Block­bauspeicher) verbinden viele spontan Tōdai-ji shōsōin, das Schatzhaus des Tōdai-Tempels. (Ill. 280) Schon die Massivität der Wände hebt die kura aus nahezu allen anderen japanischen Bauten heraus. Wände im Inneren eines Gebäudes gab es ansonsten nur in Schlössern; diverse Raumteiler ja, aber keine Wände im europäischen Sinn als thermische, akustische oder auch schützende Abtrennungen.94 Diese Auszeichnung prädestinierte die kura geradezu für die Nutzung als Schatzhäuser, als Aufbewahrungsort des Wertvollsten, was etwa ein Tempel besaß.95 Die für japanische Verhältnisse einzigartige Abgeschlossenheit gegenüber der Umwelt ließ sie zum idealen Ort werden, um Kinder im Finsteren einzusperren, um Missliebige zu beseitigen oder auch für Initiationsriten verbotener Sekten.96 Für das Aufständern ihrer Speicher haben die Japaner nicht die Tech­ nik angewandt, wie sie uns beim Glockenturm des Chion-in in Kyoto (Ill. 281) oder des Tōdai-ji in Nara begegnet. Die Ständer dieser Gloc­kentürme sind in der gleichen Weise auf den Schwellenkranz gesetzt wie jene der norwegischen aufgeständerten Speicher und Stabkirchen. (Ill. 282) Sie übergreifen die verblatteten und seitlich abgesetzten Schwellen und schaffen so eine winkelstabile Verbindung. (Ill. 283; Ill. 284) Dass die Speicherstützen im Grunde ein in sich abgezimmertes Gerüst waren, auf die der Blockkörper mehr oder weniger nur aufgelegt wurde, mag uns verblüffen, weil sich gedanklich so leicht die Brücke zu einer Sorte Pfostenunterstützungen der yayoi-Zeit herstellen ließe (vgl. Ill. 148) und die kreuzförmige Ein­schlitzung der Speicherstützen in Europa so verbreitet war. Die Vermutung, dass diese Technik aus dem Pfostenbau weiterentwickelt worden wäre, lässt sich aber nicht bestätigen.

280 Tōdai-ji shōsōin in Nara (J) ist eigentlich dreigeteilt. Der Mittelteil in Ständerbohlenbautechnik (itakura) wird flankiert von Blockbauteilen (azekura).

279  Der trapezförmige Querschnitt der den Stützen unterlegten Balken bewirkte eine stabilisierende, breite Auflage­ fläche. Die Verjüngung nach oben hin erlaubte ein Nachrutschen der Stützen, wenn das Holz schwand. – Sval-Ecke der Stabkirche in Hopperstad/Sogn (N)

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281  Ständerkonstruktion des Chion-in-Glockenturms/Kyoto (J)

282  Der Ständer übergreift die verblat­ te­ten und seitlich abgesetzten Schwellen und schafft so eine winkelstabile Ver­bin­ dung. (Detail aus: Christie, 1976, fig. 31)

283  Einer der gigantischen Eckstäbe der Kirche in Hopperstad/Sogn (N)

284  Gegenüber: Die Stützen der angehäng­ten Veranden übernehmen exakt das Prinzip aus dem Stab­kirchen­ bau. – Bygdøy (N)

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Der Blockbau Waagrecht übereinanderliegende Balken müssen, sollen sie eine Wand bilden, in irgendeiner Form in der gewünschten Lage gehal­ ten werden. Das Vorbild der sich selbst tragenden Flechtwerkwand muss sich dafür aufgedrängt haben,97 doch ob man wirklich schlie­ßen darf, dass der Blockbau direkt vom Flechten abgeleitet ist, muss zumindest in Frage gestellt werden, denn eine rechtwinkelige Verbindung ist allemal leichter vorstellbar und damit auch einfacher umzusetzen. So gesehen könnte es durchaus sein, dass man Blockbauten über nichtrechteckigem Grundriss erst dann errichtete, als man mit der entsprechenden Verbindungstechnik schon ausreichend vertraut war. Und dennoch spricht vieles dafür, dass die Erinnerung an die Flechtwand Pate gestanden haben könnte bei der Entwicklung des Blockbaus, nicht zuletzt eben der Umstand, dass der Blockbau wieder polygonale Grundrisse aufgenommen hat. (Ill. 285) Außer Kirchen sind nur wenige Bauten erhalten geblieben, die über nichtrechtwinkligem Grundriss errichtet wurden.98 (Ill. 286) Dem Bei­ spiel der Kirchen ist auch eine andere mögliche Erklärung dafür ent­ nommen, warum der Blockbau polygonale Formen aufgenommen hat: Die Apsis könnte dem Steinbau einfach formal nachempfun­ den sein.99 Interessant erscheint dazu ein Vergleich mit Japan, wo es niemals den Bauteiltypus der Apsis, sehr wohl aber die Flechttech­ nik gab. Während der yayoi-Ära wurden urtümliche Hütten über ovalem Grundriss errichtet, die eine erdgefüllte, zweischalige Flecht­ wand überdeckte.100 Doch die Blockbauten, zumindest soweit heute noch erhalten oder überliefert, sind ausschließlich rechteckig!

286  Scheunen über polygonalem Grundriss, wie diese in Velká Ledhuje (CZ), sind schon sehr selten geworden.

287  Mit etwas Fantasie lässt sich die Apsis der Kirche von Zábrež in Zuberec (SK) durchaus als geflochtener Korb vor­stel­len.

285  Dieser Brunnen in Bogdan Vodaˇ/ Maramures˛ (RO) zeigt die Annäherung an den Kreis über einen geschlossenen Polygonzug. Viel fehlte nicht, und der darüber aufgebaute Zylinder bestünde ausschließlich aus Verbindungen.

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Noch eine weitere Spekulation ließe sich in die Überlegungen um die Herleitung des polygonalen Blockbaus vom Flechtwerk einbeziehen. Hält man sich die Wandfläche eines polygonalen Blockbau­ körpers vor Augen, so lässt sich diese leicht zu einem Flechtwerk ergänzt vorstellen. (Ill. 287) Man braucht dazu nur je zwei in einer ge­dachten Spiralenlinie aufeinanderfolgende Hirnholzenden im Geiste zu verbinden und sich zwischen die so fiktiv entstehende ge­krümmte Wand und die tatsächlich vorhandene den senkrechten Stab denken, um den herum geflochten wird. Da im massiven Holz die Verbindungen der einzelnen Lagen in vielerlei Weise herstellbar sind und nicht, wie bei der Flechtwand, nur übereinandergelegt möglich sind, kann die vorgestellte Flechtwand dann im Geiste in der Weise beschnitten werden, dass die (reale) Blockwand übrigbleibt. Grundsätzlich lässt sich auch der Ständerbau über jeglichem Grundriss errichten. Was aber den Blockbau tatsächlich auszeichnet, ist die Möglichkeit, jegliche gekrümmte Fläche zu realisieren. Die einfachsten Beispiele dafür begegnen uns im korbartigen Querschnitt mancher Blockspeicher.101 Nach dem erfolgreichen Versuch, die Vertikalität der Wand in Frage zu stellen, bestand ein weiterer Schritt darin, die Ebenflächigkeit zu überwinden. Das Dach drängt sich da­ für als Aufgabenstellung nachgerade auf. Das Ansdach und seine Variationen waren sichtbarer Ausdruck des Spiels mit den For­men.102 (Ill. 288) Neben diesen hier angestellten rein formalen Überlegun­gen gab es natürlich auch sehr handfeste Gründe für eine solche durchgehend geschlossene Formgebung des Baukörpers. Von Speichern mussten Diebe, auch zweibeinige, abgehalten werden, und welche anderen konstruktiven Möglichkeiten hätten nähergele­gen?103 Zumindest über quadratischem Grundriss musste sich die Beibehaltung der Symmetrie aufgedrängt haben. Der pyramidenförmige Dachabschluss war weit verbreitet anzutreffen.104 Konsequent zu Ende gedacht, unter Ausnutzung aller Möglichkeiten, die dem Block­ bau zur Verfügung stehen, haben ihn allein die Russen. Der Zwiebelturm war das Ergebnis.105 (Ill. 289) In der formalen Gestaltung russischer Kirchen spielt neben dem ästhetischen Charakter aber auch der funktionale eine herausragende Rolle. Besonders deutlich kommt dies beim Powal, dem Kehlgesims, zum Ausdruck, das nur zum Zweck des Wandschutzes vor Regen entwickelt wurde.106 (Ill. 290) Die Komplexität der Baukörper russischer Kirchen verleitet zu der Annahme komplizierter Verbindungstechniken.107 Tatsächlich weist ein Großteil der Verbindungen die einfachste Form der Verschränkung auf.108 Ganz allgemein lässt ja erst eine genaue Analyse es dem Betrachter klar werden, dass im Großen und Ganzen die Anwendung einer einzigen Verbindung unwahrscheinlich verschachtelte Bau­körper möglich macht. Genauso verblüfft muss er oder sie registrie­ren, dass gerade die Beschränkung auf nur waagrecht verbaute Höl­zer den Eindruck der Komplexität vermitteln kann. Beim Errichten eines Blockbaus gehört die primäre Überlegung der Herstellung der Ecke. Versucht man einmal selbst den Gedanken­ gängen unserer Vorfahren nachzuspüren, wird man unweigerlich feststellen, dass die erste Lösung, auf die der Mensch gestoßen ist, tatsächlich die nächstliegende war. Damit der aufzulegende Bal­ken von dem darunterliegenden nicht abrollen konnte, musste er eine geeignete Auflage erhalten. Dieser Gedankengang fordert auf, den unten liegenden Stamm genau so auszuschneiden, dass

288  Ein ganz eigentümlich geformtes Ansdach verbirgt sich unter dem vor Wind und Wetter schützenden Sattel­ dach einer Holzfällerhütte bei Mixnitz/ Steiermark (A).

289  Die alte Kuppel der Nikolaikirche in Ljawlja/Archangelsk (RUS) (aus: Lissenko, 1989, fig. 3.22.; Foto: Lew Lissenko)

290  Schnitt des Powal eines russischen Kirchendaches (vereinfacht nach: ibid., fig. 3.21.b)

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die Rundung des darübergelegten hineinpasst.109 Sehr bald musste man dann dahintergekommen sein, dass diese Verbindung äußerst verwitterungsanfällig war. Nichtsdestotrotz wurde diese Verbindung nicht nur bis ins 20. Jahrhundert benutzt, sondern sogar in ihrer Ausformung variiert, um ein möglichst dichtes Schließen der Bal­ken zu erzielen:110 Ein bloßes Umdrehen des Konstruktionsprinzips führte zu einer wesentlichen Verbesserung; schnitt man die Verbindung an der Unterseite des aufgelegten Balkens, erfüllte sie den gleichen Zweck, aber Regen- und Spritzwasser gelangte nicht mehr in die Verbindung, sondern wurde auf kürzestem Weg abgeleitet. Das sicher nicht immer ganz gerade Holz und die sehr primitive Art der Verbindung ermöglichten es, Wände in die Höhe zu ziehen – dicht waren sie allerdings nicht. Im Allgemeinen hat sich die luftige Verzimmerung nur dann gehalten, wenn ein triftiger Grund vorlag. In zweierlei Hinsicht bemühte man sich, die Dichte der Blockwand zu erhöhen. Zum einen versuchte man, die im günstigsten Fall einander berührenden Balkenrundungen einander näher zu bringen, indem man aus einem Balken eine Längskerbe für den benachbarten Balken herausarbeitete. Je genauer diese Kerbe angepasst war, umso besser wurden die Balken aneinandergepresst. Auch in diesem Fall zwang erst die schlechte Erfahrung dazu, die ursprünglich an der Oberseite angefertigte Rille an die Unterseite des aufgelegten Balkens zu verlegen. Der zweite Punkt, an dem man ansetzte, betraf die Eckverbindung selbst. Solange man noch ein Vorholz zur Verfügung hatte,111 erzielte man durchaus Erfolge damit, dass man die Kerbe nicht rund, sondern geradflächig schnitt. (Ohne Vorholz hätte der aufgelegte Balken wegen der nunmehr geraden Lagerfläche keinerlei Sicherung mehr gegen ein Herausrutschen aus der Verbindung.) Nun musste man zwar auch das Gegenstück bearbeiten, genoss aber den Vorteil, gerade Flächen einander angleichen zu können. Legte man die Form der Verbindung trapezförmig an, wie dies die Skandinavier praktizierten,112 konnte man sogar weiterhin den alten Vorteil nut­ zen, dass der aufgelagerte Balken unter dem Eigengewicht und dem Einfluss des Schwindens von selbst in die Verbindung hineinrutschte. (Ill. 291) Der konisch verjüngte Querschnitt der Verbindungswan­gen hatte einen wesentlich geringeren Reibungswiderstand als senkrechte Wangen. Die Sonderstellung der skandinavischen Verbindungen wird umso deutlicher, wenn man ihnen sehr komplizierte alpenländische gegenüberstellt. Welche Variationen auch immer sich

291  Während sich die Schweden sehr mit der Verbindungsstelle beschäftigten, rich­teten die Norweger das Schwer­ gewicht auf die Verbindung selbst. (aus: Erixon, 1937B, fig. 15)

292  Im alpenländischen Raum versuch­ te man die Verfestigung des Gefüges auf diverse Arten, aber grundsätzlich mit senkrechten Einschnitten zu erreichen. (nach: Phleps, 1942, fig. 76)

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293  Die große Passgenauigkeit der kinninge war ausschlaggebend für die Dichtigkeit. – Bergen/Hordaland (N)

die Zimmerleute einfallen ließen: Ein senkrechter Einschnitt konnte nie mit dem Manko fertig werden, dass die Festigkeit durch den Schrumpfungsprozess des trocknenden Holzes nachließ. (Ill. 292) In Norwegen war man einen anderen Weg gegangen und hatte den Einschnitt der Balken von oben nicht verworfen, sondern so weiterentwickelt, dass das Wasser abrinnen konnte. Eine besonders hochentwickelte Form des sogenannten findalslaft („die alte Sitte, wie man eine Ecke macht“)113 sah in der Mitte des oberen Halsabschlusses noch einen kverke (Kehle) vor, der wie eine zusätzliche Verhakung funktionierte. Wesentlichstes Detail für den perfekt dichten Sitz dieser Verbindung waren die sehr schmal gehaltenen schrägen Flächen, kinning genannt, die links und rechts als Übergang vom Hals zum Balken fungieren. Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts ist diese Verbindung nicht mehr anzutreffen.114 Sehr wohl wurde in Norwegen aber auch eine Verbindungsform entwickelt, deren Hals in Balkenmitte angeordnet war. Raulandslaft, benannt nach einem der ältesten Fundorte dieser Verbindung, hatte den kverke nach unten gerichtet. Man ist versucht, den Höhepunkt norwegischer Blockbauverbindungen in Balkenquerschnitten verwirklicht zu sehen, die an der Verbindungsstelle auf ein nahezu lächerliches Maß reduziert wa­ren. (Ill. 293; Ill. 294) Die Blockkirchen bauten die Skandinavier wesentlich simpler. Die Wandbalken waren hier grundsätzlich vierkantig beschlagen, die Verbindungen waren schwalbenschwanzförmige Verschränkun­ gen, sinkelaft genannt. Es fällt auf, dass diese Verbindungsform im absoluten Gegensatz zu den Profanbauten steht. Sowohl die

294  Die schrägen Verbindungswangen mussten all den Druck aufnehmen, dem der winzige Hals niemals gewachsen ge­we­sen wäre. (nach: Reimers, 1982, fig. 9e)

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Ebenflä­chig­keit der Innen- und Außenwände der Kirchen als auch die konsequent angeglichene Vorkopflosigkeit der Blockbauecken heben sich ganz deutlich von der sonstigen Formenvielfalt ab.115 Erst im 19. Jahrhundert übernahmen die Profanbauten die Verbindungstechnik aus dem Kirchenbau. In Russland war man im Wesentlichen116 immer beim runden Querschnitt der Balken geblieben. Dieser Umstand mag auch ein Grund sein, warum der russische Blockbau als primitiv bezeichnet wird.117 In Norwegen hat man dagegen zu der völlig einzigartigen ovalen Form gefunden. In den meisten anderen Blockbaugebieten schließ­lich ging man früher oder später zum rechtwinkeligen Querschnitt über. Dessen Vorteile liegen auf der Hand. Wenn der Zimmermann die Stämme beschlug, achtete er automatisch darauf, gerade Kan­ten zu erhalten. Legte man Fläche auf Fläche, hatte man von vornherein ein gewisses Maß an Dichte gewonnen. Geleitet vom Balkenquerschnitt war es nur zu verständlich, auch die Verbindungen rechtwinkelig zu schneiden und darauf basierend weiterzuentwic­keln. Wollte man den über die Wand vorstehenden Balkenkopf weglas­ sen, war man gezwungen, neue Verbindungen zu entwickeln. Zwei Grundtypen standen zur Verfügung: die hakenblattförmige (Ill. 295; Ill. 296) und die schwalbenschwanzförmige Verschränkung. (Ill. 297) Die in den Karpatenländern verbreiteten Bezeichnungen Deutschhaken und Tiroler Haken für die schwalbenschwanzförmige Verschränkung sind Kennzeichen regional schwerpunktmäßiger Verteilung.118 (Ill. 298) Wie bei allen baulichen Erscheinungen darf dies nicht sehr strikte verstanden werden: Einerseits soll es auch eine ausgesprochene Mischform der beiden Techniken gegeben haben,119

295  Hakenblattförmig sind die Balken der Kirche von Loučná Hora (CZ) verschränkt.

296  Die zeichnerische Analyse offen­ bart, warum der Haken in der rechtwin­ keligen Verbindung nur nach einer Seite ausge­formt werden kann.

297  Schwalbenschwanzförmige Ver­ schränkung der Wandbalken der Kirche in Hidişelu de Jos/Bihor (RO)

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298  Im stumpfen Winkel gefügt kann der Haken beidseitig angeordnet wer­ den. – Bârsana (RO)

299  Der Schwellbalken der Kirche in Hervartov (SK) dreht sich trotz der Last einer ganzen Kirche aus seiner Verbin­ dung.

andererseits war die hakenblattförmige Verschränkung durchaus auch im Westen vertreten.120 Es waren die Holzeigenschaften, die den Zimmermann zwangen, den Entwicklungsprozess der Verbindungen weiter voranzutreiben. Das Holz drehte sich, gleichgültig unter welcher Last, aus der ihm zugedachten Lage. (Ill. 299) In jede Verbindung einen Holzdübel zu stecken war wie die Weiterentwicklung der Schwalbenschwanzform zum Klingschrot ein Versuch, mit der Widerspenstigkeit des organischen Materials fertig zu werden. Ein weite­rer sah an der Innenseite der Verbindung Verzahnungen vor. (Ill. 300; Ill. 301) Auch in Japan war man dazu übergegangen, die Blockbalken ebenflächig zu beschlagen. Nur noch von Bildern ist bekannt, dass eine der gebräuchlichen Querschnittsformen quadratisch war.121 (Ill. 303) Was auffällt, ist die eigenartige Schichtung der Balken. Sie ruhen nicht auf einer Fläche, sondern auf einer Kante und sind auch so aufgestapelt. Die ganz wenigen Beispiele von alten Blockbauten, die heute noch existieren, sind durch einen gleichseitig dreieckigen Querschnitt charakterisiert. Genau genommen ist der Quer­schnitt sechseckig, weil die Seiten in sich jeweils gebrochen sind (Ill. 302); jedoch wurden die Balken so aufgetürmt, dass nach innen je­weils eine geschlossene Fläche zeigt. Als Grund für diese vergleichs­weise labile Schichtung wird manchmal ein Man­gel an geeigneten Verbindungstechniken angeführt,122 doch erscheint diese Begründung fragwürdig. Sie können sich wenigstens vom Aufwand her getrost mit europäischer Blockbautechnik messen. (Ill. 304) Die tatsächliche Schwäche dieser Verbindungen ist nicht in ihrer Formgebung, sondern im Querschnitt des Holzes zu suchen.

300  Erst die abgesprengten Hirnholz­ teile offenbaren den verdeckten Haken. – Molzegg/Niederösterreich (A)

301  Die Natur lässt sich nicht zwingen! Genau an der Stelle, wo sich der Mensch die besondere Sicherung hat einfallen lassen, wird er von der Natur überlistet.

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302  Vom Standpunkt der Statik unver­ ständlich ist die Schichtung Kante auf Kante der Balken des Tōshōdai-ji kyōzō/ Nara (J).

304  Azeki sumi kumite (Finger-, Zinken­ verbindung) des Tōdai-ji honbo kyoko (J) (nach: Bun­kazai ..., 1989, p. 88/7)

303  Szene aus der Bildrolle Shigi-san engi im Chogosonshi-ji/Nara (J)

Die Lage der Balken kann durch die Verbindungen nicht wirklich zufriedenstellend fixiert wer­den, weil der Querschnitt extrem flache Schrägen zum Ver­bin­dungs­­hals bedingt. Über sie können die Balken relativ leicht aus dem Win­kel gedreht werden. Die japanischen Blockbauten heutigen Typs sehen zum Teil auf den ersten Blick den europäischen ganz ähnlich. (Ill. 305) Es gibt aber auch jenen anderen Typus, der vom Aussehen her eher an den Block­ bau aus der yayoi-Zeit erinnert. (Ill. 306) Ein grundsätzliches Problem des Blockbaus liegt darin, dass das Eigengewicht der Balken sich in einem Ausmaß summieren kann,

305  Die genaue Betrachtung des Wand­aufbaus zeigt, dass die Außen­ seite der Balken treppenförmig schräg geschnit­ten ist. Dies erlaubt (abgesehen von der Ecke, an der zwei schräge Flächen auf­einander treffen) eine relativ einfache Herstellung der Verbindung. (aus: Andō, 1995, p. 135)

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306  Auch hier sind die Balken schräg geschnitten. Die giebelseitigen werden aber in der Art von Zapfenschlössern durch die traufseitigen durchgesteckt und mit einer durchgehenden Leiste fixiert. Daigo machi-Kamigo (J). Mein ausdrücklicher Dank gilt Andō Kunihiro, der mir dieses Baujuwel gezeigt hat.

307  „Ausbauchen“ ist ein anschau­ licher Begriff für das Ausweichen der Balken der Kirche in Topola (SK).

308  Die Zange dieses Blockbaus in Evolène/Wallis (CH) wird zur Unter­ stützung der Firstpfette mitbenutzt. Die Unregelmäßigkeit der Balkenköpfe zeigt, dass die Balken nicht mit der Säge, son­ dern mit der Axt auf ihre Länge gebracht wurden.

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dass die Wand der Last auszuweichen droht. (Ill. 307) Je höher die Blockbalken aufgetürmt werden sollten bzw. je größer die umbaute Grundfläche sein sollte, desto vehementer forderte das Material die Rücksichtnahme auf seine Eigenschaften ein. Die gleiche Gefahr drohte, wenn der Abstand von einer Verbindung zur nächsten zu groß war, wenn also die Ecken zu weit voneinander entfernt lagen. Bugge zeigt ein Beispiel, an dem sich ablesen lässt, dass die Balken in einem Abstand von 8 m eingebunden waren.123 Phleps nennt 6 m als ein Erfahrungsmaß.124 Eine allgemeingültige Aussage, bis zu welcher Balkenlänge ein Ausweichen der Wand sicher vermieden werden könnte, ist nicht zu treffen. Zu viele Fakto­ren sind mitbestimmend: die Holzart, die Qualität des Holzes, sein Querschnitt, die Art der Einbindung, die Höhe der Wand, die Exponiertheit gegenüber den Naturgewalten usw. Die Methoden, die man ersann, um das Problem prophylaktisch anzupacken, waren vielfältiger Natur. Die Wände konnten unsichtbar, durch versetzt angeordnete Dübel, die je zwei übereinanderliegende Balken sicherten, in ihrer Lage festgehalten werden.125 Eine andere Möglichkeit war die Zangen- oder Schwertkeilsicherung126 (Ill. 308), eine weitere lag darin, dass die traufseitigen Wände ihre Aussteifung durch Einbindung der Zwischenwände erfuhren. (Ill. 309) War eine raumteilende Wand nicht erwünscht, gab es sogar die Möglichkeit, ihre konstruktiven Eigenschaften gleichsam pur zu nut­zen: Die sogenannte Kegelwand erscheint nach außen als eingebun­dene Zwischenwand, existiert aber als solche gar nicht! Sie ist an der Block­wandinnenseite genauso abgeschnitten wie an der Außenseite. (Ill. 310). Ein Vorläufer der Kegelwand könnte in einem einfachen kurzen Brett gesehen werden, das Sirelius bei den Syrjänen, Finno-Ugriern im nordwestlichen Uralgebiet, in Verwendung fand. An den beiden Längsseiten des Brettes wurde genau gegenüberliegend jeweils

309  Es erscheint eigentümlich, Balken dort anzulängen, wo Zwischenwände eingebunden sind. Die erhebliche Schwächung der Querschnitte wird aber durch die eingebundene Zwischenwand kompensiert. – Hind­seter im Vågå-Hoch­ land/Oppland (N)

310  Die kurzen, wandartig über­ einander­geschichteten Blockbalkenstum­ mel haben keine andere Funktion, als die Blockbalken des Giebels am Ausweichen zu hindern. – Feld/Osttirol (A)

312  Lehmbauten und Blockbauten erhielten so lange geflochtene Giebel, als man mit der Technik der Aufführung des Giebeldreiecks noch zu unsicher war, um es massiv zu bauen. – Huta/Salaj (RO)

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halbkreisförmig ein Stück ausgeschnitten, im Durchmesser den zu schichtenden Blockbalken entsprechend. (Ill. 310a) Zwischen zwei Balken gesteckt, wiesen die Hirnholzenden des Brettes nach innen und außen, genau wie bei der Kegelwand.127 Viele Kränze werden sich so sicherlich nicht haben hochziehen lassen. In abgewandelter Form und geänderter Verwendung hat sich die Idee in Russland dennoch bewährt.128 (Ill. 311) Zu Beginn des Blockbaus mag man vor der Aufgabe gestanden haben, auf welche Weise man auch das Giebeldreieck in Blockbautechnik schließen könnte. Wenn der rechtwinkelige Kasten die gewünschte Höhe erreicht hatte, konnte man giebelseitig nicht weiterbauen. Wie hätten die Balken abgebunden werden sollen? Man hatte hier an der alten Flechttechnik festgehalten, doch früher oder später wurde diese Lösung unbefriedigend.129 (Ill. 312) Zunächst nahm man Anleihen beim Bohlenständerbau: (Ill. 313) Durch Aufstülpen eines Ständers auf den obersten giebelseitigen Balken konnte die Firstpfette getragen werden, und Nuten links und rechts im Firstständer ermöglichten das Einschieben von Bohlen. Den Schweizern erschien diese Methode, obwohl sie von ihr durchaus Gebrauch machten, im Blockbau so fremdartig, dass sie diesen Stän­der Heidenbalken nannten.130 Auch die Japaner griffen auf dieses Element des Ständerbohlenbaus zurück, wo es darum ging, kurze Wandabschnitte zu verlängern.131 Im weiteren Gang der Entwicklung wurde dann die dem Blockbau am konsequentesten entsprechende Einbindung der Änse entwickelt. Werden die giebelseitigen Blockbalken sukzessive verkürzt, so wie es die Kontur des Giebel­dreiecks vorgibt, werden automatisch die traufseitigen Balken (im Dachbereich dann Änse genannt) sukzessive mit steigender Höhe in die Hausmitte gezogen bis zum Erreichen des Firsts. Vom verbindungstechnischen Blickwinkel her ergibt sich kein Problem. Ein so gebildetes Satteldach lässt sich durch allseitige Balkenverkürzung zum Zeltdach umformen. Die in letzter Konsequenz mögliche formale Fortführung dieses Konstruktionsprinzips ist der schon vorgestellte Zwiebelturm. Soll eine Blockwand geöffnet werden, ist dies nur zu Lasten ihrer Stabilität möglich. Solange man diesem Übel nicht abhelfen konnte, lag das Bestreben darin, sowohl bei den Fensterlöchern wie auch für Türen nur die unbedingt nötige Balkenanzahl aufzuschneiden. Als Sieger in diesem Wettstreit gingen unzweifelhaft die Norweger

311  Der russische „Verzinkungsbalken“ sollte ein neu errichtetes Blockhaus fest an ein altes fügen. (nach: Lissenko, 1989, fig. 3.30)

310a  aus: Sirelius, Bd. 8, fig. 119

313  Schon die Holzrichtung der First­ säule verrät, dass diese Konstruktion eine An­leihe darstellt. – Unterried-Lehn/ Tirol (A)

314  Für die loft-Tür des Helle Uppigard Hofes/Aust-Agder (N) musste nur ein einziger Balken zur Gänze durchschnit­ ten werden.

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hervor. (Ill. 314) Im Grunde genommen mussten die Zimmerleute dabei nur schon Bekanntes in ein neues Gewand kleiden. Wenn man die Blockbalken an der durchschnittenen Stelle in einen Zap­ fen auslaufen ließ, um sie in den genuteten Ständer des Türrahmens einzuführen, hatte man damit wieder auf die Technik des Ständerbohlenbaus zurückgegriffen. (Ill. 315) Meinte man allerdings auf diese Sicherung verzichten zu können, führte das zu bösen Überraschun­ gen. (Ill. 316) Übrigens erreichte man in genau umgekehrter Form, wenn also die Türrahmenständer in die genuteten Blockbalken ein­ griffen, das gleiche Ziel. (Ill. 317) Eine norwegische Eigentümlichkeit war dabei der W-förmige Querschnitt der Nuten.132 Problematisch blieb, wie schon mehrfach erwähnt,133 das Aufeinandertreffen von senkrechten und waagrechten Hölzern in einem fest verbundenen Gefüge.134 All diese genannten Mittel der Wandsicherung, wie das Einbinden einer Zwischenwand, das Einbinden einer Kegelwand, die Spund­ säule, der Verzinkungsbalken, ja sogar die Dübelsicherung,135 kön­ nen darüber hinaus auch der Anlängung dienen.136 Beim Bau von Kirchen stieß man auf ein neues Problem. Nicht nur ihre Größe, auch ihre Höhe sollte sie auszeichnen. Je höher die Wände aufgeführt wurden, desto bedrohlicher wurde die Gefahr, dass sich, nicht zuletzt unter dem Druck des Daches, der ganze Baukörper ver­wand oder aus dem Lot rutschte. (Ill. 318) Konsequent in der Kon­struktionsart gedacht, hat man im Norden zu einer interessanten Lösung gefunden. In Finnland errichtete man rechteckige, hohle Pfei­ler, die in das Wandgefüge der Kirche innenseitig eingebaut wur­den.137 Strzygowski weist ausdrücklich darauf hin, dass

315  Trotz nächstgelegener Zwischen­ wände hat der Erbauer auf Türständer nicht verzichten wollen. – Sádek (CZ)

316  Die Arbeitsersparnis durch den Verzicht auf eine aufwendige Türloch­ sicherung hat sich der Besitzer des Gehöfts bei Vågåmo/Oppland (N) sicher durch den Kopf gehen lassen.

317  Der Türrahmenständer greift zur Sicherung in die genuteten Blockbalken ein. – Maihaugen in Lillehammer/ Oppland (N)

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318  Aus dem Gleichgewicht gebracht ist ein Blockbau äußerst labil. – Bei Javorina nad Rimavicou (SK)

319  Bootshaus in Pihlajavesi (FIN)

diese Idee den Köpfen finnischer Bauern entsprungen war; damit wird erklärlich, dass dieses Prinzip an so vielen andersartigen Bauten wiederzufinden ist.138 (Ill. 319) Ersetzte man nun diese Blockpfeiler durch einspringende Ecken, die die gleiche Stabilisierung garantierten, war man bei der Kreuzkirche angelangt.139 In Russland dagegen bewerkstelligte man die notwendige Stabilisierung der hohen Kirchenwände dadurch, dass an jeder Seite ein Baukörper über quadra­tischem Grundriss angefügt wurde.140 Die Verkürzung der Wände und ihre oftmalige Richtungsänderung brachten die gewünschte Stabilität. Ein fast schon persiflierendes Beispiel zeichnet Bugge aus Häverö (S): Ein rasterartiges Blockgefüge erzeugt käfigartige Zellen, die offensichtlich den Halt bringen sollen, den die spezielle Beanspruchung einer Glockenturmkonstruktion erfordert. (Ill. 320) Konstruktiv einfacher als der Ständerbau lässt der Blockbau ein Aus­kragen zu. Weder materialer noch konstruktiver Aufwand sind notwendig, um ein Obergeschoss ganz beträchtlich überhängen zu lassen. (Ill. 321) Wollte der Zimmermann nur gerade erkennbar aus­kragen, war dies noch viel einfacher. (Ill. 322) In Rumänien waren ganz besondere Beispiele zu finden: An polygonalen Bauten ließen die Zimmerleute über Türsturzhöhe die Balken sukzessive immer weiter auskragen. Der polygonale Grundriss führte dazu, dass die auskragenden Balken in der dritten oder vierten Lage einander berührten. Es lag etwas von einer heimlichen Lust und stillen Freude darin, konsequenterweise den auskragenden Balken einer Wand unter Aussparung der Nachbarwand mit dem auskragenden Bal­ken der übernächsten Wand wieder zu verschränken, an praktisch uneinsehbarer Stelle, nur für den, der es wusste, unter dem weit heruntergezogenen Dach, das zu stützen der konstruktive Zweck dieser Konsolen war.141 (Ill. 323; Ill. 324)

320  Glockenturm in Häverö/Uppland (S) (aus: Bugge, 1984, p. 18)

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321  Im Blockbau lassen sich problemlos Konsolen aufbauen. – Freilichtmuseum Bygdøy/Oslo (N)

323  Das Überkreuzen der Konsolhölzer wurde manchmal fast bedrohlich wuch­ tig ausgeführt. – Tusa/Saˇlaj (RO)

324  An der Kirche in Caˇlines˛ti/Mara­ mures˛ (RO) ist die gleiche Konstruktion zart und verspielt ausgeführt.

322  Zur Unterstreichung der Wand­glie­ derung durch das geschnitzte Brüstungs­ band unter den Fenstern ist dieses um Balkenstärke ausgekragt. – Werden­berg/ St. Gallen (CH)

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Der Ständerbau Zwei für den Ständerbau kennzeichnende Aufgaben sollen hier her­ausgegriffen werden, die nicht in gleicher Weise und im gleichen Ausmaß bedeutungsvoll für Europa und Japan sind. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem für den Ständerbau notwendigen Aussteifen des Konstruktionsskeletts, der zweite mit dem Auskragen von Bauteilen. Mit dem Herausziehen der Pfosten aus dem Boden entwurzelte der Zimmermann auch sein statisches Wissen (Ill. 325) nicht zur Gänze. Aber ein Großteil der Verbindungsstellen verlangte doch nach adaptierten oder sogar neuen Verbindungen, wenn die fixe Einspannung der Konstruktion im Erdreich wegfiel und der Zimmermann den verlorenen Halt wiederfinden wollte. Ein Extrembeispiel aus Japan kann die angetroffenen Probleme verdeutlichen. Die neun Säulen des alten Izumo-honden sollen 48 m aus dem Boden herausgeragt haben. Nur das oberste Viertel der ganzen Konstruktion war der eigentliche Schrein. Viermal ist die Konstruktion eingestürzt, weil die Pfosten eine Höhe erreichten, die ihre Beobachtung unmöglich machte. Man merkte einfach nicht, wenn sie in ihrem oberen Teil verrotteten. Erst beim neuerlichen Aufbau im Jahre 1248 zog man die Konsequenz und reduzierte die Höhe.142 Schon das Eingraben dieser Pfosten musste an die Grenzen des Möglichen geführt haben; wie viel mehr die Verzimmerung! Wo immer tauglich, verwendeten die Zimmerleute nur ganze Bäume, um die Pfosten zu verbinden.143 Dass Zweifel, wie Watanabe sie äußert, an der vom Rekonstrukteur Fukuyama geschilderten frü­he­ren Extremversion ihre Berechtigung haben,144 zeigt schon ein Blick auf die mächtigen Säulen des Kamosu-jinja, der gerade ein Drittel so hoch ist. (Ill. 326) Um Ständer in ihrem Abstand zu fixieren, hatte man in sie hinein waagrechte Hölzer, Schwellen und Rähmbalken eingespannt, in der Regel mit Anblattung, Zapfenverbindung oder Einhälsung. Da auch waagrechte Zwischenhölzer noch keine ausreichende Versteifung der Wand brachten, wurden im europäischen Holzbau schrägliegende Schwerthölzer über die waagrechten geblattet. (Ill. 327) Besonders lange hielt man an der Verschwertung bei solchen Bauaufgaben fest, die ganz besonderer Stabilisierung bedurften, wie etwa Glockentürme oder auf Rädern bewegliche Belagerungstürme.145

326  Blick unter das Fußbodenniveau des Kamosu-jinja/Shimane (J)

327  Über mehrere Geschosse führende Verschwertungen kennzeichnen dieses Haus in Gemünden an der Wohra/ Hessen (D).

325  Die Wandverkleidung hat den Spei­cher in Peper Harow/Surrey (GB) so schwer gemacht, dass seine Stand­festig­ keit trotz der vielen Stützen nicht mehr ohne Verstrebungen an den Stützen­ füßen gewährleistet wäre.

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Hergeleitet sein mag die Überlegung zu dieser Art von Aussteifung aus der Abstützung. Sparsamkeitsüberlegungen mögen ebenso die Einführung von Kopfund Fußbändern begünstigt haben wie der Wunsch, die sonst durch Verschwertungen stark beeinträchtigte optische Strukturierung der Wandflächen wieder reiner und regelmäßiger zu gestalten. Ein erster Höhepunkt in dieser Entwicklung waren die sogenannten Mannfiguren. (Ill. 328) Um den Holznagel, der die Verbindung sicherte und wohl oft auch unterstützte, etwas zu entlasten, war man dazu übergegangen, die Blätter mit Schwalbenschwänzen oder Haken zu versehen, die einen Teil der Zugbelastung übernehmen sollten. Dass ihre Form tatsächlich mehr Kraft besaß als bloße Suggestion, bewies ihre erfolgrei­ che Verwendung in den ersten Hängesäulen in Kirchendachstüh­len. Ein anderes Beispiel waren mit ihrer Hilfe konstruierte Gitterträger. (Ill. 329) „Die [schwalbenschwanzförmigen] Überblattungen sind allein imstande, die auftretenden Zugkräfte und Biegungsmomente aufzunehmen ...; sie lassen sich nicht beliebig durch andere Verbindungen ersetzen.“146 Die Vervielfachung der verstrebenden Bänder nach ästhetischen Gesichtspunkten führte zur Entwicklung des Bundwerks. „Eine übersteigerte Darstellung des Bauprinzips“147 als Entwicklungshintergrund zu sehen, wie wir es hier tun, steht dabei nicht im Gegensatz zu der Erklärung, dass einem viel stärkeren Wind­druck im Gebirge durch die Vermehrung der Kopfbänder eine verstärkte Aussteifung entgegengestellt worden sei. Außerdem habe der „hinterwandete Gebirgsständerbau“ dem „Ausschwinden der Ver­schwertungen“ vorgebeugt.148 (Ill. 330) Dennoch trennten sich die Zimmerleute im Laufe der Zeit von den Blattverbindungen, um diese immer mehr und bald ausschließlich durch die schon so lange bekannte Zapfenverbindung zu ersetzen. Während die Blattverbindung in Deutschland großteils im 16. Jahrhundert abgelöst wurde, nur im Bundwerk bis ins 19. Jahrhundert überlebte,149 sind in der Kathedrale von Lisieux (F) schon 1180 ausschließlich Zapfenverbindungen eingeführt.150 Beharrlicher Wider­ stand schien mancherorts sogar gesetzliche Vorschriften zur Durch­setzung des Wechsels notwendig gemacht zu haben.151 Denkt man an die Änderung im Konstruktionsvorgang,152 scheint

329  Fachwerkträger erlaubten beson­ ders weite Abstände der Umgebindesäu­ len. – Heřmanice (CZ)

328  An den Kopf- und Fußbändern lässt sich deutlich der schrittweise Übergang von Blatt- zu Zapfenverbindung able­sen. – Rothenburg/Bayern (D)

330  Bundwerkgiebel in Forsthof/ Bayern (D)

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331  Kura mit rundum laufendem Trockengerüst in Iwate Kamigo/Iwate (J)

dies auch ver­ständlich: Ein Einsetzen von Verstrebungen mit Blattverbindungen bildete den zweiten Schritt nach dem Aufstellen des Grundgerüsts. Wenn dagegen Verstrebungen mit Zapfenverbindungen eingesetzt werden sollten, musste dies zugleich mit dem Abbund der Grundkonstruktion vorgenommen werden. Nicht gültig wäre diese Argumentation für eine japanische Konstruktion, denn dort hat man eine Vielzahl von Verbindungen entwickelt, die ein nachträgliches Einfügen von Hölzern erlauben. (Ill. 332; Ill. 333) Die Blattverbindung selbst ist in ihrer Herstellung viel anspruchsvoller als die Zapfenverbindung.153 Da sie sichtbar ist, muss sie auch aus optischen Gründen exakter gearbeitet sein. Gerade deshalb reizt sie ja so zu Verzierungsformen. Darüber hinaus besitzt sie den materialbedingten Nachteil, dass sie gegen ein Herausdrehen des Blattes aus seiner Sasse kaum gefeit ist.154 Der Nagel kann dies jedenfalls nur bedingt verhindern. Während die Wandaussteifung im europäischen Raum auf der Winkelstabilisierung beruhte, die man durch Dreiecksverbände erreichte, lag das Schwergewicht in Japan auf der Maxime: „fest und elastisch“.155 Diese Schlüsselbegriffe im japanischen Ständerbau machen deutlich, warum vergleichsweise selten Diagonalverstrebungen anzutreffen sind. Nur so war die den ständigen Erdbeben Rechnung tragende Elastizität zu erreichen. Die Festigkeit erzielten die Zimmerleute durch die revolutionäre Einführung der den Stän­der zur Gänze durchdringenden Verzapfung. (Ill. 336) Diese Verbindungsform hatte der daibutsuyō gebracht, ein Ende des 12. Jahrhunderts aus China eingeführter Baustil.156 Im wayō dagegen, einem schon wesentlich früher ebenfalls aus China importierten Baustil, der bereits im Mittelalter so in Japan verankert war, dass er den Namen Japanischer Stil erhalten hatte, waren die verstrebenden Balken noch den Ständern unter Fußbodenniveau, in Fußbodenhöhe und als Rähmbalken zangenartig von beiden Seiten angenagelt. (Ill. 334) Dies erforderte keine sehr ausgetüftelten Verbindun­gen. Vielfach wurden die waagrechten Hölzer mit den Säu­len außer durch Nagelung zusätzlich mit einem dübelartigen Zap­fen verbun­den, dem sie aufgelegt waren. (Ill. 335) Um tatsächlich Festigkeit zu erzielen, hätte es nicht ausgereicht, die teilweise schon früher geübte Einzapfung der Rähmbalken von beiden Seiten einfach bis zum Zusammenstoßen der beiden Zap­ fen zu verlängern. Die verstrebenden, waagrechten Hölzer mussten durchlaufen, möglichst durch die ganze Ständerreihe. (Ill. 331) 

332  Der Schwalbenschwanz des Zapfens wird in den Ständer eingeführt und hoch­geschoben. Nun wird der nachträglich einzufügende Riegel in den Ständer geschoben. Das aus dem Ständer her­ausschauende Ende des Zapfens glei­ tet dadurch in den Riegel und wird dort mittels Dübel verkeilt.

333  Um etwa eine Decke einzuziehen, können Leisten, die die Deckenbretter tragen, in dieser Art abgehängt werden. Ein in der Dachkonstruktion befestigtes Holz erhält einen Schwalbenschwanz, der in die Leiste geführt wird. Von links und rechts wird in die Leiste ein Dübel eingeführt und neben den Schwalben­ schwanz geschoben. Damit ist die Leiste fixiert.

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334  Ecksäulenaussteifung des Kibata jinja rōmon/Tochigi (J) (nach: Bunka­zai ..., 1986, p. 300/3) 335  Säulenaussteifung des Hōryū-ji tōin denpōdō/Ikaruga (J) (nach: ibid., p. 86/1)

336  In Japan ist genau festgelegt, wel­cher Zapfen den Eckständer oben durch­dringt und welcher unten. Der eine mar­kiert die Längsrichtung, der andere die Querrichtung. – Hōkai-ji in Kamakura (J)

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Dazu war es nötig, mehrere Riegelhölzer zu verbinden, weil sie mit der erforderlichen Länge nicht in ausreichender Menge zur Verfügung standen. (Ill. 337) Durch beidseitiges Einschlagen von Keilen in die Ständerschlitze wurden sie fixiert. (Ill. 338; Ill. 339) Tat man sich im daibutsuyō noch relativ leicht, wenn man einen Riegel durch die voluminösen Säulen steckte, wurde die Aufgabe immer schwieriger, je schlanker diese wurden. Außerdem war im­mer wieder gefordert, Riegel und Säulen oder Ständer zu verbin­den, die entweder nicht viel oder gar nicht im Querschnitt differierten. Erst in diesem Fall kam die Technik, die Verbindung im Inneren des senkrechten Holzes anzulegen, voll zum Tragen. (Ill. 340) Die engawa no keta-Verbindung (Pfette-über-der-engawa-Verbindung) sieht in der einen Pfette den Schlitz vor. Die andere wird zweigeteilt in der Form, dass die zwei Teile, unter Einbindung der ersten Pfette mit Hilfe von shachi-sen (siehe Anm. 173) zugfest zusam­mengesteckt, mit der ersten Pfette fest verbunden sind. (Ill. 341) Eine vergleichsweise einfache Lösung, wie die Stabzapfenverbindung in Ill. 340, könnte die Ideen für wirklich komplizierte Verbindungen wie die engawa no keta-Verbindung geliefert haben, die weit über das Prinzip des Fügens der Verbindung im Inneren eines anderen Konstruktionsgliedes hinausführt. Der gleiche runde Quer­schnitt der gekreuzten Hölzer erfordert die so anspruchsvolle Idee, dass ein Pfettenstück um 90° gedreht werden muss, um die Verbindung herzustellen. Dreidimensionale Konstruktionen bedürfen aber nicht nur der flä­chenweisen Verstrebung, sondern ebenso der räumlichen. (Ill. 343)  Hierbei bediente man sich vielfach der gleichen Konstruktion­s­ideen und Verbindungen, die in der Fläche erfolgreich angewandt

337  Zugfeste Verbindungen unter­ schied­lichster Art (hier: komisenkama und nimaikama) wurden gegen ein Ausweichen und aus ästhetischen An­sprüchen im Ständer angelegt. Als Neben­effekt waren sie dadurch besser gegen Witterungseinflüsse geschützt.

340  Konozu zashi

338  Kakezukuri-Konstruktion des Ishiyama-dera hondō/Shiga (J)

341  Das Auffallende an der engawa no keta-Verbindung ist, dass das kürzere Stück der zweigeteilten Pfette um 90° gedreht werden muss, um in den Schlitz eingeführt werden zu können. (nach: Sumiyoshi, 1991, p. 109f.)

339  Prinzip der Riegelfixierung im Ständer

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342  Neben der technisch bewunderns­ werten Ausführung besticht die Art und Weise, wie die im Verhältnis zur Säule unglaublich dicken Verstrebungen in jede der vier Säulen des Jōdo-ji jōdodō eingeleitet wurden.

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worden waren, in Europa genauso wie in Japan. Die Übertragung des Aussteifungsprinzips von der zweiten in die dritte Dimension lässt sich in Europa in den norwegischen Stabkirchen am deutlichsten und formal konsequentesten ablesen. Nur hier wurden auch sichtbar waagrecht liegende Knaggen zur Horizontalaussteifung verwendet.157 Verfolgt man die Entwicklung der norwegischen Stabkirchen von den vie­len nur mit Arkadenbögen verstrebten Säulen der Kaupangerkirche über die in der Art japanischer Tempelsäulen im wayō mit Zangen gefassten Säulenreihen der Borgundkirche bis hin zu den eine unglaubliche Sicherheit und Erfahrung im Umgang mit der Bauweise ausstrahlenden Kirchen in Hurum und Lomen, die nur auf vier Säulen stehen, dann wird deutlich, dass die von den Zimmerleuten gewählte Konstruktion durchaus zielfüh­rend gewe­sen ist.158 Der Jōdo-ji jōdodō ist ein Musterbeispiel für die Architektur des daibutsuyō. Seine dicken Säulen mögen auf den ersten Blick plump wirken. (Ill. 342) Sieht man sich allerdings die Verbindungsknoten genauer an, gerät man zunehmend ins Staunen. Es spricht schon für große Erfahrung, wenn Zimmerleute den Mut aufbringen, die Säulen in einem solchen Ausmaß zu löchern. (Ill. 344) Die große frei­

343  Konstruktionsdetail des Jōdo-ji jōdodō/Hyogo (J)

344  Die Explosionszeichnung zeigt, dass alle waagrechten Hölzer als ein Charak­teristikum des daibutsuyō durch­ gezapft sind. (nach: Bunkazai ..., p. 120/3, 126/1)

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überspannte Fläche erzwang den enormen Querschnitt der waag­ rechten Hölzer.159 Um unsaubere Überschneidungen zu vermei­den, verjüngten die Zimmerleute die Querschnitte zu einem flaschenförmigen Hals, möglichst knapp bei der Säule, um den Querschnitt möglichst wenig zu schwächen, zumal er konstruktiv gerade an dieser Stelle besonders stark ausfallen musste. Der Zap­fen selbst, der durch die Säule gesteckt wurde, hatte einen rechteckigen Querschnitt, der nicht nur einfacher herzustellen ist, sondern den Materialeigenschaften des Holzes besser Rechnung trägt als ein Zapfen mit rundem Querschnitt. Vergegenwärtigt man sich den Holzfaser­ verlauf der Säule, so beansprucht ein rechteckiger Zapfen weniger waagrechten Anteil am Säulenquerschnitt als ein runder gleicher Querschnittsfläche. Hervorzuheben ist ferner die Anordnung des Zapfens: Da man aus gestalterischen Gründen das waagrechte Holz zur Säule hin auch vertikal verjüngte, verlegte man den Zap­ fen an sein unteres Ende, um die bestmögliche Form der Kraftübertragung zu erreichen. Prinzipiell gab es zwei Möglichkeiten, ein Haus aus Holz als Ständerbau zu errichten: die einfachere Gebindebauweise (Ill. 345) und die Rahmenbauweise. (Ill. 346) Damit die hintereinandergereihten Gebinde zu einem räumlichen Gebilde verbunden werden konn­ ten, fasste sie ein oberhalb der Ständer durchlaufendes waagrechtes Holz zusammen. Im niederdeutschen Hallenhaus und im Cruckdach hat sich dieses Prinzip am längsten erhalten. Die Rahmenbauweise, zu deren schönsten Beispielen die norwegischen Stabkirchen zählen, war die prinzipiell anspruchsvollere. Raum wurde gebildet durch ein Verbinden von Wandflächen. Dreidimensionale Verbindungen waren die Voraussetzung. Hausgerüste im Ständerbau setzen sich aus drei bestimmenden Konstruktionsgliedern zusammen: den senkrechten Ständern, den waagrechten Rähmen als Längsversteifung und den ebenfalls waag­rechten Balken, denen die Querversteifung oblag. Je nach Anordnung dieser drei Elemente werden europäische Bauten in Unter­rähm-, Hochrähm- und Oberrähmkonstruktionen unterteilt. (Ill. 349) Eine praktisch identische Unterteilung begegnet uns in Japan: kyoro gumi, sashizuke gumi und orioki gumi.160 Über die Entwicklungsabfolgen und Zusammenhänge der verschie­ denen Konstruktionen waren die Meinungen lange Zeit geteilt. Eitzen behauptete in einer interessanten Untersuchung, etwa im Gegensatz zur älteren Ansicht Ostendorfs, dass die Unterrähmverzimmerung als Vorläufer der Hochrähmzimmerung, welche mit durchgezapftem Ankerbalken arbeitet, anzusehen sei.161 Eine Reihe von Autoren stellte sich dieser Aussage entgegen.162 Ohne hier auf die Verbindungsdetails einzugehen, kann es wirklich als unwahrschein­ lich bezeichnet werden, dass die sukzessive verbesserten Abbundtechniken im Unterrähmgefüge von den Zimmerleuten zugunsten der Hochrähmzimmerung aufgegeben worden sein soll­ten. Genau diesen Schluss aber zog Eitzen. Er erläuterte ihn dermaßen stringent, dass es unumstößlicher, dendrochronologisch unterstützter Erkennt­ nisse bedurfte, um seine Überlegungen in Zweifel zu ziehen. Im Cressing wheat barn (GB) hatten die Zimmerleute schon im ­13. Jahrhundert gelernt, die drei wesentlichen Konstruktionsglieder des Ständerbaus, Ständer, Rähm und Balken, miteinander zu verbinden (Ill. 347): nicht, wie noch im Cressing barley barn aus dem 12. Jahrhundert, jeweils zwei miteinander (Ill. 348), wodurch letztend­lich ja auch alle drei verbunden waren, sondern wirklich jedes der drei Hölzer jeweils mit den beiden anderen.163 Der Unterschied ist

345  Prinzip des Gebindebaus. (Zeich­ nung: P. Pundt, aus: Ahrens, 1981, fig. 72) Je zwei korrespondierende Pfosten oder Ständer werden mit einem waagrechten Balken zum Gebinde verbunden. Die Rähm­balken fassen die Gebinde zusam­ men.

346  Prinzip des Rahmenbaus. (Zeich­ nung: P. Pundt, aus: ibid., fig. 73) Die fest verbundenen Hölzer Schwelle, Pfosten oder Ständer und Rähm bilden an jeder Außenfläche des Baukörpers einen Rahmen.

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347 Ständer-Rähm-Balken-Knoten im Cressing wheat barn (nach: Hewett, 1980, fig. 276)

349  Prinzip der Unterrähm-, Hoch­ rähm- und Oberrähmkonstruktion

348  Ständer-Rähm-Balken-Knoten im Cressing barley barn (nach: ibid., fig. 275)

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350  Die Kopfbänder zeigen deutlich, wo der konstruktiv wesentliche Anker­ balken des Backhauses aus Astrup/ Nieder­sachsen (D) angesetzt ist und dass es sich also um eine Hochrähmver­ zimmerung handelt. – Museumsdorf Cloppenburg

zimmerungstechnisch bedeutsam. Denn abgesehen davon, dass jede Verbin­dung automatisch eine Sicherung nachgeschaltet bekommt, ist der Zimmermann gezwungen, bei der Kreation der Verbindung in weit stärkerem Ausmaß räumlich zu denken. (Ill. 351; Ill. 353) Im Laufe der Entwicklung erhielt die Unterrähmkonstruktion aufgekämmte Balken, mit denen die Sparren fest verbunden wurden. (Ill. 352) Der Schub der Sparren belastete nicht mehr das Rähm, son­dern wurde in das Längsholz der Binderbalken abgeleitet. Die Bin­der mussten nicht mehr im gleichen Ausmaß wie vordem, als die Sparren auf dem Rähmbalken standen, diese zusammenhalten. Als Verbindung von Rähm und Binder war eine Verkämmung ausreichend. In der Hochrähmzimmerung standen die Sparren auf den Rähmbal­ ken und übten einen umso größeren Schub aus, weil die Ankerbal­ ken, die die Gebinde zusammenhalten, wesentlich unter den Ständerköpfen fixiert waren. Den Ankerbalken, die durch die Stän­der durchgezapft wurden, waren in der Entwicklung zunächst eingehälste vorausgegangen. (Ill. 350) Diese ließen sich durch beidseiti­ ges Einschneiden an den Stellen, die in die aufgeschlitzten Ständer eingeschoben wurden, verwindungssteif in ihm fixieren. Der große Vorteil der Einhälsung gegenüber der sie ablösenden Verzapfung lag in der wesentlich sichereren Einspannung des Ankerbalkens. Das ihm bei der Einhälsung belassene Vorholz war eine stärkere Verstrebung gegen Zugbelastung als der Nagel oder Keil, der späterhin das Zapfenohr sicherte. Durchgesetzt hat sich dennoch das Zapfenschloss, weil ein durchbohrter Ständer bei Weitem nicht so in Mitleidenschaft gezogen wird wie ein aufgeschlitzter. (Ill. 355)

351  Beim verstärkten Ständer mit zwei orthogonal angeordneten und in der Höhe versetzten Zapfen kommt die räumliche Komponente besonders zum Ausdruck. (nach: Rumpf, 1989, p. 161)

352  Bei der Unterrähmkonstruktion sind die Balken dem von den Stützen getra­genen Rähm aufgelegt. – Scheune aus Grönloh/Niedersachsen (D) im Museums­dorf Cloppenburg

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353  Das verstärkte obere Stützenende suggeriert die feste Fügung der verbun­ denen Teile und damit die verlässliche Stabilität der Konstruktion. – Potterne/ Wiltshire (GB)

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354  Kopfbänder wie die an einem Tempeleingang in Hagi/Yamaguchi (J) sind unschwer als Import zu erkennen.

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Hat man den Standpunkt des Nutznießers vor Augen, scheint klar, dass die soeben geschilderte Hochrähmkonstruktion nicht zu der fortgeschrittensten Konstruktionsweise, der Oberrähmzimmerung, führen konnte.164 Die Oberrähmzimmerung, die „in bautechnischer Hinsicht ... allen anderen Hallenhausgerüsten überlegen und in ihrer Art schlechthin vollkommen“ war,165 kann auch ihrerseits nicht als Zwi­schenglied in der Entwicklung der genannten Konstruktionsformen betrachtet werden. Sie war wesentlich leichter in der Konstruktion als die Unterrähmverzimmerung und erlaubte vor allem eine völlig freie Stützenwahl, weil die Dachschräghölzer auf dem Rähmbalken ansetzten. Je mehr Bauten mittels Dendrochronologie in ihrem Alter definitiv bestimmt werden können, desto mehr kristallisiert sich heraus, dass die aufgestellten Entwicklungstheorien auf falschen Annah­ men zu beruhen scheinen. Die unterschiedlichen Gefüge dürften nebeneinander entwickelt worden sein und nebeneinander bestan­den haben.166 Es ist schon darauf hingewiesen worden, wie wenig japanische Zimmerleute Diagonalverstrebungen einsetzten. Im minka, dem Haus der einfachen Leute, kamen sie gar nicht vor.167 (Ill. 354) Es gab aber doch eine funktional und ästhetisch bestimmte Position, an der sie durchaus gebräuchlich waren: in Dachkonstruktionen an nicht einsehbarer Stelle.168 Dabei handelte es sich überwiegend um komplizierte Zapfenverbindungen oder versatzähnliche Einzapfun­ gen.169 Überstiegen die Spannweiten zu überdeckender Flächen eine gewisse Länge, mussten Ständer aufgestellt werden. Daikoku bashira war der „Schlüssel-Pfosten“ im minka.170 Als tragender Pfosten wurde er früher als heilig betrachtet. Seine Funktion als wichtigste Unterstützung für die gesamte Hauskonstruktion hebt ihn in seiner Singularität noch über die Firstsäule des europäischen Haus­baus hin­aus.171 Auch im alltäglichen Sprachgebrauch ist seine Würde verankert. Der Hausherr oder seine Frau wurden gerne mit dieser Bezeichnung angesprochen.172 Dieser Wertschätzung bemühten sich die Zimmerleute Rechnung zu tragen. Sie entwickelten eine Verbindung, die in Europa nicht nur nie entstanden, sondern schlechterdings undenkbar ist. Die zentrale Aufstellung des daikoku bashira machte ihn zum Angelpunkt für die Horizontalaussteifung oder auch für eventuelle waagrechte Unterzüge, nach drei, aber auch nach vier Seiten. Eine Erschwernis gegenüber den europäischen Kollegen, mit der die ­japa­nischen Zimmerleute fertigwerden mussten, war die nicht übliche Unterstützung bzw. Fixierung der waagrechten Balken durch Kopfband oder Knagge. Eine zweite, vielleicht noch weiterreichende For­derung bestand darin, alle vom daikoku bashira wegführenden Bal­ken in ein und derselben Höhe einzubinden. (Ill. 356) Ob als sanpo zashi-Verbindung nach drei Seiten oder als shiho zashi nach vier Seiten (Ill. 357), immer wieder hatten sich Zimmerleute dieser Aufgabe gestellt und versucht, ihr in eigener Überlegung und eigenständigen Versuchen neue Facetten abzugewin­nen. Der männliche Teil der Verbindung, meist einer Stabzapfenverbindung (sao tsugi), greift in den weiblichen ein und wird mit diesem durch einen oder mehrere shachisen173 verbunden. (Ill. 358) Um den langen, dünnen Stabzapfen an seiner empfindlichsten Stelle, am Hals­ansatz, abzusichern, sind, ähnlich wie beim kama tsugi, d ­ iverse Vorkehrungen üblich. Brustblätter, Brüstungszapfen oder Steckfälze dienen alle dem Zweck, jene Kräfte aufzufangen, die vertikal zur

355  Durchgezapfte Ankerbalken müssen mit Nägeln oder Keilen am Herausrut­schen gehindert werden. – Quedlin­burg/Sachsen-Anhalt (D)

356  Sichtbarer Ausdruck der Bedeu­ tung des daikoku bashira waren seine enorme Stärke, seine Aufstellung an der Grenze zwischen erhöhtem Wohnteil und Erd­boden und nicht zuletzt seine Holzaus­wahl. – Nohara-Haus/Toyama (J) im Nihon minka en

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357  Verschiedene shiho zashi. (nach: Nakahara, 1990, p. 98, 99) – Das Prinzip der Verbindung beruht darauf, dass die jeweils gegenüberliegenden Balken zug­fest verbunden werden.

Holzfaser den sao tsugi angreifen. Der enorm lange Zap­fen ist im Grunde nur für die Aufnahme der Zugkräfte verantwortlich. Perfekte Materialkenntnisse hatten den Zimmermann zu einem Maß finden lassen, wie lange und wie stark der Zapfen bemessen werden musste, um die Holzeigenschaften, in diesem Fall die Zugfestigkeit, optimal zur Geltung kommen zu lassen. Im Großteil der Anwendungen dieser Stabzapfenverbindung handelt es sich nach japanischem Verständnis nicht mehr um eine tsugi-, sondern eine shiguchi-Verbindung.174 Nach europäischer Auffassung ist das gar nicht ohne Weiteres einleuchtend. Dahinter steht die Idee, dass hier nicht zwei Stück, einander fortsetzend, miteinan­der verbunden werden, sondern diese beiden in einem Winkel der Säule oder dem Ständer. Saobiki dokko (Ill. 359), eine Stab­zap­fenver­bindung mit Keilsicherung, ist ein ebenso häufig anzutreffendes Bei­spiel wie konehozo shachisen (Ill. 360), auch eine Stabzapfenverbindung mit Steckfälzen, Brüstung und Keilsicherung. Männlicher und weiblicher Teil werden in diesen Fällen durch den Ständer hindurch miteinander verriegelt. Im Fall der sanpo zashi dagegen muss der part­nerlose Teil in anderer Weise zugfest angeschlossen werden: Tanaka Fumio verwendet einen warikusabi175 (Ill. 361), Sumiyoshi Torashi­chi setzt einen daisen176 ein. Dieser Dübel wird aber von den erst danach eingesetzten, einander gegenüberliegenden Balken verdeckt, die Sumiyoshi nicht nur mit shachisen, sondern eigentüm­licherweise zusätzlich ebenfalls mit einem daisen verriegelt. (Ill. 362) Um beide Balkenachsen in einer Höhe im daikoku bashira unterzubringen, muss in der Querschnittsbemessung der Balken darauf Rücksicht genommen werden, dass für jede Achse naturgemäß nur eine Hälfte des Querschnitts verfügbar ist. Noch gravierender kommt diese Überlegung bei der Stütze selbst zum Tragen. Nur wenn die Verbindungen völlig spielfrei ineinandergreifen, können die einzel­ nen Konstruktionsglieder die ihnen zugemessene Aufgabe erfül­len. Es soll aber nicht verhehlt werden, dass die gewaltigen Dimensionen der Balken und vor allem des daikoku bashira nicht zu­letzt auf eine weise Voraussicht zurückgeführt werden können: die weise Voraussicht, dass die geschwächte Säule ja nicht nur ästhetischen Kriterien Genüge leisten, sondern nahezu allen statischen Belastungen Widerstand entgegensetzen muss. Betrachtet man etwa Sumiyoshis sanpo zashi genauer, wird man feststellen, dass er die Säule über das übliche Maß hinaus geschwächt hat. Er wollte den Balken eine stärkere Auflage bieten, in der Art, wie es bei einem waagrechten Riegelanschluss mit Versatz und Zapfen geschieht.

358  Sao tsugi

359  Saobiki dokko

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361  Sanpo zashi mit warikusabiSicherung (nach: Graubner, 1986, p. 70)

360  Konehozo shachisen

362  Sanpo zashi mit daisen-Sicherung (nach: Sumiyoshi, Matsui, 1991, p. 67)

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363  Wie der Sektor des Oktagons in der Kathedrale von Ely/Cambridgeshire (GB) zeigt, handelt es sich bei dem System der Auswechslung um ein Prinzip, das in Europa durchaus üblich war. (nach: Hewett, 1985, fig. 113)

364  Mit einer Auswechslung zwischen den Balken in den Hauptrichtungen schufen sich die Zimmerleute Platz für die Einbindung eines weiteren. – Getreide­speicher Schloss Ernstbrunn/ Niederösterreich (A)

Wenn die vom rechten Winkel zweier waagrechter Balken eingeschlossene Fläche zu groß wurde, musste sie durch einen weiteren halbiert werden. An diesem Beispiel ist interessant zu beobachten, wie konsequent die Zimmerleute in ihrer jeweiligen Tradition verhaftet dachten. In Europa schufen sie sich an dieser Stelle einfach ein Auflager, indem sie die zwei Balken durch eine Querverstrebung auswechselten. (Ill. 363; Ill. 364) In Japan konstruierten sie in gewohnter Art zugfeste Anschlüsse. (Ill. 365) Japanische Häuser waren nur selten höher als zweigeschossig, in der Regel blieben sie sogar eingeschossig.177 Nur repräsentative Bau­ ten wie etwa Schlösser oder Pagoden ragten viele Stockwerke in die Höhe. Sie wurden grundsätzlich stockwerkweise abgebunden. Selbst wenn eine Mittelsäule durch alle Stockwerke der Pagoden lief, hatte sie für den konstruktiven Aufbau des Bauwerks keinerlei Bedeutung. Nur Himeji-jo machte hier eine Ausnahme. Zwei gewaltige Säulen von 25 m Länge laufen bis zum sechsten Geschoss durch. Sie sind konstruktiv in den ganzen Bau integriert – und wa­ren auch für die Neigung des Schlosses verantwortlich! Ein ungleiches Einsinken der zentral postierten Säulen war dessen Ursache. Man vermutet, dass mangelndes Vertrauen in die bekannten Techniken die Zimmerleute veranlasst hatte, die ganze Konstruktion an zwei Herzstücken aufzuhängen.178 168

365  Die Zimmerleute des Kyuan-ji rōmon/Osaka (J) sicherten zunächst die Haupt­achse über das übliche Maß hinausgehend durch zwei schwalben­ schwanzförmige Fälze, um dann mittels geeignet adap­tier­ter Schwalben­ schwänze die weiteren Balken im Knoten einzuhän­gen. (nach: Bunkazai ..., p. 306/1)

366  Geschossweises Abbinden ermög­ lichte zuallererst einmal freie Stützen­ wahl, also eine weitgehend freie Glie­de­ rung der Fassade. – Bamberg/Bayern (D)

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367  Vor Einführung eines Stichgebälks konnte man über den vorgezogenen Bundträmen oder den vorgezogenen Rähmen, wenn sie von Unterzügen unterstützt wurden, die Konstruktion auskragen lassen. – Goekmanns Spieker in Nottuln/Nordrhein-Westfalen (D)

In den europäischen Stadthäusern dürfte der Ankerbalken wohl den Ausschlag zum Einziehen einer Decke und in der Folge zur Entwicklung der Mehrgeschossigkeit gegeben haben.179 Dem steigen­den Raumbedarf der ständig anwachsenden Stadtbevölkerung im Mittelalter stand der wegen der Stadtmauer praktisch nicht zu vergrößernde Raum entgegen. Als Ausweg blieb nur der Weg in die Höhe. Damit immer noch nicht zufriedengestellt, begannen die Zim­merleute geschossweise auszukragen. Der Geschossbau war gekennzeichnet von den alle Geschosse durchlaufenden Ständern, die im Firstsäulenhaus bis zum First reichten. (Ill. 366) Voraussetzung für den Stockwerkbau, dessen Charakteristikum das geschossweise Abbinden der Konstruktionsglieder ist, wa­ren • die Ablösung der geschossübergreifenden Verschwertungen durch Kopf- und Fußbandverstrebungen, • die Ablösung der Ankerbalkenkonstruktion durch auf den Rähmbalken aufgelagerte Binderbalken, • und, sobald an mehreren Seiten ausgekragt wurde, die Einfüh­ rung des Stichgebälks. (Ill. 367; Ill. 368) Jede Menge von Gründen ist für das Auskragen ausfindig gemacht worden. Für Raumgewinnung etwa spräche, dass man in Frankfurt sogar die Keller unterirdisch über die Straßenflucht hatte hinauswachsen lassen.180 Eine ganze Reihe anderer Gründe zählt Brunskill auf: Neben der Vergrößerung des zur Verfügung stehenden Raums war auf diese Weise ein legales Vordringen auf die Straße oder den Marktplatz zu erzielen. Die Herstellung des Gleichge170

368  Das Einhängen von Stichbalken in die Balkenlage war notwendig, um in einer Höhe die Schwellbalken über das darunterliegende Geschoss vorziehen zu können. – Canterbury/Kent (GB)

wichts der auskragenden Wand mit dem Gewicht der Möblierung und der Personen im Raum musste ebenso als Begründung herhalten wie die Reduktion der Beweglichkeit des Bodens. Selbst Verteidigungsmöglichkeiten wurden ins Treffen geführt. In allen Fällen weiß derselbe Autor aber auch Gründe, die die angeführten in Frage stellen! Für wirklich glaubwürdig hält er erst jene Überlegung, die das Auskragen als Charakteristikum des Stockwerkbaus in einen Zusammenhang mit der erstrebten Nutzung von nicht mehr als geschoss­hohen Hölzern bringt. Doch auch in diesem Fall stellt er die Idee in Frage: An der Rückseite von auskragenden Bauten ließen sich nach wie vor Ständer finden, die durch zwei und mehr Geschosse liefen. Nicht anders verhielt es sich mit dem vielleicht einzigen Argument, das Brunskill nicht nennt: die Auskragung als Wetterschutz für die darunterliegenden Geschosse. Auch in diesem Fall muss sofort dar­auf hingewiesen werden, dass sich das Auskragen nicht nach der Wetterseite orientiert hatte, sondern großteils deutlich einsehbare Fassaden betraf. Dekoration, Eindruck und Zurschaustellung sind denn auch die einzigen Motive, die Brunskill tatsächlich gelten lässt.181 Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, Tatsache ist, dass das Auskragen zu einer viele Stadtbilder Europas prägenden Bauaufgabe gemacht worden war. Studiert man den Aufbau der Auskragungen, die Form der benutzten Verbindungen, gelangt man zu der Erkenntnis, dass die Auskragung nicht einmal in ihren 171

370  Je weniger weit die Zimmerleute die Geschosse auskragen ließen, desto mehr konnten die Kopfbänder, die die auskra­gen­den Balken verriegeln muss­ ten, durch Knaggen ersetzt werden. (aus: Winter, 1965, fig. 17)

369  Der Giebel des Esslinger Rathauses/ Baden-Württemberg (D) zeigt den Über­ gang zum Aufstellen der Stiele auf die den Balkenköpfen aufgekämmte Schwelle.

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Anfängen ein bloßes Herauskehren der Konstruktionen war, die die Zimmerleute im Inneren zur Aussteifung entwickelt hatten. Die Stiele der ersten auskragenden Geschosse waren den jeweils darüber auskragenden Balken angehängt. Die stirnseitigen Zapfen die­ser Balken fixierten die Stiele am Fußpunkt in ihrer Position. (Ill. 369) Der ungebremsten Entwicklung des immer noch weiteren Auskragens wurde lange Zeit tatenlos zugesehen, bis letztlich doch be­hörd­liche Maßnahmen zur Disziplin gemahnten.182 (Ill. 370) Problematisch war das Zusammenlaufen zweier ausgekragter Flä­chen an der Ecke. In Deutschland bemühte man sich durch eine geometrisch exakte Verschneidung dreier Konsolen, die durch die Balkenunterstützungen erzielte Flächengliederung möglichst nicht zu unterbrechen, wenn das Konsolenband um die Ecke geführt wer­ den musste. (Ill. 371) In England scheint man sich bei einer Lösung einen Baum als Vorbild vor Augen geführt zu haben, der ja dort seine größte Kraft vermittelt, wo er sich zur Krone öffnet. (Ill. 372). Sukzessive ging man, trotz der damit verbundenen Querschnittsschwächung, dazu über, den Schwellbalken aufzukämmen. Tat­ sächlich fiel die Schwächung nicht sonderlich ins Gewicht. (Ill. 373) Auch für die Knaggenverriegelung musste der Balken geschwächt werden, um den Zapfen der Knagge aufzunehmen. Als man schließ­lich noch begann, die Balkenköpfe selbst als Konsolen darzustel­len, war man fast schon wieder zu der flachen Wand zurückgekehrt. (Ill. 374)

371  Die in einer Höhe um die Ecke geführ­ten Balkenköpfe werden in der Ecke so gesammelt, dass dort die in den massiven Eckstielen optisch erwirkte Hauptlast über ein Knaggenbündel in den darun­ter­liegenden Eckständer abgeleitet wer­den kann. – Rathaus in Markgröningen/Baden-Württemberg (D)

372  Diese organisch gewachsene Eck­ säule wurde in genau der Weise plastisch hervorgehoben und in ihrer Funktion ins Bewusstsein des Betrachters gestellt, wie dies Phleps an den deutschen Beispielen ablesen wollte. (Phleps, 1967, p. 137ff.) – The Chantry in Sudbury/Suffolk (GB)

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374  Der Überstand im Obergeschoss bewirkt schon kaum noch mehr als eine Schattenfuge. – Schleusingen/ Thürin­gen (D)

373  Mustervorlagen für Kammverbin­ dun­gen des Zimmermanns (aus: Gierth, 1840, Tafel XI)

375  Die Traufe des Tōdai-ji daibutsu­ den/Nara (J) zeigt die charakteristische Form des Auskragens im daibutsuyō.

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376  Die wolkenartigen Kragarme des Hōryū-ji gojūnotō/Ikaruga (J) waren nicht zuletzt wegen ihrer charakteristischen und einzigartigen Formgebung als Auf­lager eines Hebelarms offensichtlich überlastet.

In Japan beschränkte sich das Auskragen im Wesentlichen auf die ausladende Dachkonstruktion. Im Tōdai-ji daibutsuden lässt sich deutlich ablesen, dass das Auskragen nach außen sich in keiner grundlegenden Weise von der Verstrebung in der Fläche oder im Inneren unterscheidet. (Ill. 375) Auffallend an der Auskragung ist ihre Gewagtheit. Denkt man an den Hōryū-ji, ist erstaunlich, in welch hohem Maß die Zimmerleute gelernt hatten, mit dieser Herausforderung umzugehen. Die fünfstöckige Pagode des Hōryūji verhehlt nicht, dass man im Wunsch nach immer noch weiterer Auskragung den komplexen Zusammenhang der Verbindungen und Konstruktionsteile noch nicht ausreichend abzuschätzen gewusst hat. (Ill. 376; Ill. 377) Die stilistischen Veränderungen vom wayō des Hōryū-ji zum daibutsuyō des Tōdai-ji hatten einen unglaublichen Entwicklungssprung in der Technik der Holzverbindungen zur Folge. Gerade angesichts dieses Stilwechsels, der keineswegs alle Bauten betraf, sollte nicht vergessen werden, dass die Neuerungen nicht sprunghaft vonstat­tengingen. Dennoch steht zu vermuten, dass die japanischen Zim­merleute hier eine härtere Schule durchgemacht haben als ihre euro­päischen Kollegen. Während Ahrens für Europa sagen kann: „Die für seine Zwecke erforderlichen Techniken waren dem frühgeschicht­lichen und mittelalterlichen Zimmermann geläufig und gingen zum Teil bereits auf jahrhundertealte Traditionen zurück“,183 können die ersten Bauwerke Japans in den neuen Stilen nicht verhehlen, dass sie mangels Kenntnis der zu den neu importierten Stilen gehö­ren­den Verbindungstechniken unbeholfen gebaut worden waren.184 Gezwungenermaßen hatten die Zimmerleute auf das ihnen zur Ver­fügung stehende Wissen zurückgreifen müssen. Umso rascher muss­ten sie den Sprung ins kalte Wasser verkraften. Besonders deutlich kam dies in der im nächsten Kapitel geschilderten Konstruktion des Tempeldaches zum Ausdruck.

377  Der aus dem Inneren des Hōryū-ji kondō herausgeführte Binderbalken bekam über die odaruki (= Schwanzrofen, so genannt offensichtlich in Anlehnung an ihr isoliertes Wegstehen) die gesamte Last der Traufe aufgebürdet. (aus: Paine, Soper, 1990, fig. 199)

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Die Dachkonstruktion Firstpfette

Das Dach als komplexester Teil des Hauses hat sich zum Prüfstein des Zimmermanns entwickelt. An dieser Stelle sollen nur jene Grund­ prinzipien dieses unzugänglichsten Teils jeden Hauses vorgestellt werden, die zwei gänzlich verschiedene Konstruktionen ha­ ben entstehen lassen: in Europa das Hängewerk, in Japan das Versteckte Dach. In beiden Fällen handelt es sich um äußerst viel­schich­tige, in vielen Entwicklungsschritten ausgeformte Geniestreiche der Zimmermannskunst. Zwei von ihrem konstruktiven Aufbau grundsätzlich zu unterschei­ dende Dachtypen sind in Europa anzutreffen: das Pfettendach (Ill. 378) und das Sparrendach. (Ill. 379) Namensgeber des Pfettendaches wa­ren die Pfetten, die die Dachschräghölzer (Rofen) zu tragen hatten. (Ill. 380; Ill. 381) Die urtümlichsten Rofen könnten von Ästen befreite Stämmchen gewesen sein, die an ihrem untersten Astansatz einfach auf die Firstpfette gehängt wurden. Wesentliches Charakteristikum der Rofen ist, dass sie nicht fixiert sind. Selbst als man dazu überging, je zwei Rofen paarweise über den First zu hängen, hatte ihre Verbindung den alleinigen Zweck, einander am Herunterrutschen zu hindern. Die erste Pfette lag vermutlich in den Gabeln zweier Pfosten. (Ill. 382) Dieses Prinzip wurde mitgenommen in den Hausbau, erwies sich aber zusehends als Störfaktor. (Ill. 383) Selbst die Verbannung des Firstständers in den Dachraum hinein war letztendlich nichts wei­ter als eine Zwischenstufe auf dem Weg zur Entwicklung des Sparrendaches.185 Erst dieses brachte eine tatsächliche Änderung. (Ill. 384)

Rofen Fußpfette

Stuhlriegel, Spannriegel Mittelpfette Kopfband Stuhlsäule Fußpfette

378  Prinzip des einfachsten Pfetten­ dachs und eines solchen mit doppeltem ste­hen­dem Stuhl

Sparren Aufschübling Binderbalken Rähmbalken

Kehlbalken Stuhlrähm Kopfband stehende Stuhlsäule Steigband

Kehlbalken Spannriegel Stuhlrähm liegende Stuhlsäule Kopfstrebe Längsaussteifung

379  Prinzip des einfachsten Sparren­ dachs, eines solchen mit stehendem Stuhl und einem mit liegendem Stuhl

380  Für kleine Gebäude waren eine First­ pfette und zwei Trauf- oder Fußpfetten ausreichend. – Cuneaz/Valle d’Aosta (I)

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381  Hingen die Rofen zu stark durch, weil der Abstand von First zu Traufe zu groß oder die Dachlast zu schwer war, wurden Mittel­ pfetten untergelegt. – Grub/Appen­zell (CH)

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382  Pfostenreihen tragen die Pfetten­ dach­kon­struk­tion im Freilichtmuseum Asparn an der Zaya/Niederösterreich (A).

384  Gehalten hat sich das Pfettendach bis in unsere Tage. Das Beispiel zeigt zwei stehende Stühle, die die Mittelpfetten tragen. Der die Stuhlsäulen gegen den Schub der Rofen auseinanderspreizende Riegel trägt wiederum einen Stuhl als Unterstützung der Firstpfette. – Wien (A)

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383  Mächtigere Ständer konnten zwar ihre Anzahl reduzieren, mussten aber den überdeckten Raum weiterhin nach kon­struktiven Gesichtspunkten unter­tei­len. – Izumo taisha/Shimane (J)

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385  Am Giebel lässt sich ablesen, dass der Dachraum bis unter den First genutzt war. – Rothenburg/Bayern (D)

Im Allgemeinen wird das Aufkommen des Sparrendachs mit dem mittelalterlichen Städtebau und seinen ökonomischen Erfordernissen in Zusammenhang gebracht.186 (Ill. 385) Der konstruktive Auf­ bau basiert darauf, ein unverschiebliches Dreieck herzustellen. Dies ist nur möglich, wenn den paarweise anzuordnenden Dachschräghölzern, hier Sparren genannt, ein drittes, waagrechtes Holz fix verbunden wird. Am Firstpunkt müssen sie ebenfalls fest verbunden sein. (Ill. 386) Die deshalb auch „stehendes Dach“ genannte Kon­struk­tion, im Gegensatz zum hängenden Pfettendach, ermöglichte erst die immer schlanker werdenden Wandkonstruktionen des Fachwerks. Denn der Seitenschub des Daches wird nunmehr von den Bundträmen aufgenommen. An dieser Stelle führte die Entwicklung von der Anblattung über die Schlitz- und Zapfenverbindung, die jeweils vor allem den oder die sichernden Nägel auf Ab­scheren beanspruchten, hin zu den verschiedensten Ausformun­ gen an Versätzen. Die Aufgabe, den Sparrenschub abzufangen, erforderte außer­dem die Berücksichtigung einer entsprechenden Vorholzlänge beim Binderbalken. Ein Aufschübling erlaubte, die Dachhaut über die Traufe zu ziehen. (Ill. 387) In Japan lässt sich eine ähnliche Einteilung feststellen.187 Auch dort ist ein Scher-Sparrendach (sasu-gumi) anzutreffen. (Ill. 388; Ill. 389) Dem Sparrendach stehen in Japan zwei Arten von Pfettendächern gegenüber. Das shinzuka-gumi erhielt seinen Namen von den First­ ständern, die ursprünglich auf dem Boden standen.188 (Ill. 390; Ill. 391) 180

386  Das Sparrendreieck ist eine starre Konstruktion. – Sudbury/Suffolk (GB)

387  Durch den Aufschübling entstand der charakteristische Knick vieler Spar­ren­dächer. – Haus Kammerzell in Stras­bourg/Alsace (F)

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389  Je nach Konstruktionsart, ob Unter­rähm- oder Oberrähmzimmerung, ist der zugespitzte Sparrenfuß mit Keil oder durch den Rähmbalken fixiert.

388  Diese Dachform ist speziell für die Grasdeckung entwickelt worden. – Scheune in Shirakawa mura/Gifu (J)

390  Das shinzuka gumi-Dach ist übli­ cher­­weise mit Gras gedeckt, aber auch mit Ziegeln und Schindeln. Zur Verstär­ kung für die sehr große Spann­weite dieses minka in Kitakata/Fukushima (J) sind die Binder verdoppelt.

391  Die shinzuka oder Firstständer tra­ gen die Firstpfette. Sie stehen auf einem den Bindern aufgelegten längs­ausstei­ fenden Balken.

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392  Wagoya gumi, das japanische Dach, über dem Senjōkaku in Miyajima/ Hiroshima (J)

393  Das Prinzip des wagoya gumi beruht auf der Lastabtragung des Daches auf die Balken. Um ihr Durchhängen zu ver­hin­dern, sind sie oft leicht gebogen aus­ge­wählt. Die pfettentragenden Stüt­ zen werden längs und quer ausgesteift.

Sein charakteristischer Unterschied zum wagoya-gumi-Dach liegt darin, dass es nur einen einzigen Pfettenständer pro Gebinde aufweist. Das wagoya-gumi189 hingegen ist je nach Traufenabstand mit mehreren pfettentragenden Ständern je Gebinde bestückt. (Ill. 392; Ill. 393) Das Erscheinungsbild dieser Dächer kann extrem variieren, je nachdem, ob stark oder dünn dimensionierte Hölzer zur Längsund Queraussteifung der Ständer benutzt werden. (Ill. 394) So oder so fühlt man sich an die Wälder gotischer Dachstühle erinnert. Hinzu kommt eine weitere Dachform, die sich in die in Europa bekannten Systeme nicht so ohne Weiteres einordnen lässt: noboribari-gumi190 ist speziell entwickelt worden, um das Raumangebot zu vergrößern. (Ill. 399) Der Abstand zwischen dem Auflager der noboribari (= zum First aufsteigende Balken; die Dachschräghölzer, die die Pfetten tragen) und dem Ankerbalken entspricht in etwa einem Kniestock.191 (Ill. 396) Sowohl in Europa als auch in Japan gab es eine Unzahl von Misch- und Zwischenformen. 183

395  Firstabwärts müssen von Geschoss zu Geschoss die Stühle vermehrt werden, um die Last aufnehmen zu können. – Kornhaus am Bauhof in Dinkelsbühl/ Bayern (D)

394  Zu kurze Balken werden ange­ stückelt. Dabei kommt immer Zopf- auf Fußende zu liegen! – Kyuhonjin kinenkan bei Hirata/Shimane (J)

Im Laufe der Geschichte wurden zunehmend immer größere Dachkonstruktionen gefordert. Der Kehlbalken, der die dadurch immer länger werdenden Sparren absteifen sollte, wurde nun selbst zum Problem, weil sein Eigengewicht für die Verbindung mit den Spar­ren links und rechts zu groß wurde. Genau dort, an der Verbindungs­stelle, lag es nahe, zu unterstützen. Man vermutet, dass der sogenannte stehende Stuhl in diesem Zusammenhang im Profanbau entwickelt worden war, denn da man die Kehlbalkenlagen aus ökonomischen Gründen vor allem als Spei­cherplatz nutzen wollte, war die Verbindung in diesem Genre noch stärker belastet. (Ill. 395) Die den Kehlbalken zur Entlastung der Verbindungen untergestellten sogenannten Stuhlsäulen konnten aber nur im obersten Dachgeschoss das erfüllen, was man sich von ihnen versprach. Schon im nächst darunterliegenden kumulierten sie bereits das Problem. Denkt man an die vielgeschossigen Dächer mittelalterlicher Stadt­häuser, versteht man das Sprichwort: den Teufel mit Beelzebub aus­treiben. Ein Ausweg lag darin, die Last der Stuhlsäulen über sparren­parallele Streben, sogenannte Steigbänder, von Geschoss zu Geschoss traufenwärts abzuleiten. Dies sollte sich mit der Einführung des liegenden Stuhls ändern. Ein schlauer Kopf muss die Idee gehabt haben, die Last nicht über das Steigband, sondern gleich auf direktem Wege über eine ebenfalls sparrenparallele Stuhlsäule abzuleiten. Ein weiterer Vorteil, der vor allem wieder ökonomischen Interessen im Profanbau zugutekam, war die Entleerung des Dachraumes von Säulen, die schon am Bo­den als Firstständer so störend gewirkt hatten. Über weit gespann­ten Räumen, wie etwa Kirchenschiffen oder Speichern,

396  Unter der Firstpfette wird von Stüt­ zen ein Unterzug unterstützt, der auf den Giebelwänden aufliegt. Dieser trägt die noboribari, die sich ihrerseits auf konsol­ artige Binderbalkenstummel stützen. Auf den „aufsteigenden Balken“ liegen die Pfetten.

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deren Lagergut das Vertrauen in die Tragfähigkeit liegender Stuhlsäulen alleine auf eine denn doch gewagte Probe stellte, verließ sich der Zimmermann allerdings gerne auf eine zusätzliche Unterstützung in der Mitte. (Ill. 397; Ill. 398) Der gewonnene bzw. freier zugängliche Raum scheint den höheren Holzbedarf192 und ebenso die ungleich kompliziertere Verbindungstechnik193 des liegenden Stuhls gerechtfertigt zu haben. Der auch die Kehlbalken der binderlosen Gespärre unterstützende Rähmbalken wurde erst allmählich in die neue Art der Abstützung integriert. (Ill. 400; Ill. 401) Es waren sicher nicht nur ästhetische Gründe, die die Stuhlsäule von der Schwelle bis zum Kehlbalken auf bald doppelte Stärke anschwellen ließen, wie dies beispielsweise bei den Stuhlsäulen des ursprünglichen Dachstuhls im Ulmer Münster der Fall war. In je­dem Fall veranschaulicht diese Verdickung die Sorge und Sorgfalt, die man dem Verbindungsknoten angedeihen ließ. (Ill. 402) Welch ungeheure Bedeutung die neue Konstruktion im Gefüge erlangt hatte, zeigt nicht zuletzt der Sparren selbst, der nicht mehr länger hochkant, sondern gleichsam nur noch die Konstruktion ver­ deckend flach darübergelegt war. Der Aufbau sah nun so aus: Die nicht mehr rechtwinkelige Schwelle, in die die Stuhlsäule eingezapft wurde, war ihrerseits mit einem Schwalbenschwanz auf den Bundtram aufgekämmt. Unmittelbar davor war der Sparren in den Bundtram eingezapft. An ihrem

397  In Kirchendächern wollte man vieler­orts auf Hängesäulen nicht ver­ zichten, nicht zuletzt, weil oft schwere Decken angehängt waren. – Liberk (CZ)

398  In Speichern ließ man, wie es nahe­ liegend war, durch alle Geschosse eine Reihe stehender Stühle als zusätzliche Unterstützung durchlaufen. – Prim­mers­ dorf/Niederösterreich (A)

399  Diese Dachkonstruktion hat in einzigartiger Form den Dachraum ent­leert. Wenn es der Unterzug von Giebel­wand zu Giebelwand zulässt, steht höch­stens eine Stütze im Weg. – Kurashiki/Okayama (J)

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obe­ren Ende trug die Stuhlsäule den Rähmbalken, der mit einem Falz kammartig den Kehlbalken trug, der seinerseits in den Sparren eingezapft war. Gleichsam wie ein Wurmfortsatz griff hinter dem Rähmbalken ein Zapfen sichernd in den Kehlbalken ein. Der waagrechte Riegel unter dem Kehlbalken sicherte die Stuhlsäule gegen ein Umkippen. Verbunden waren die beiden mittels versatztem Zap­fen. Zur winkelstabilen Aussteifung verband ein Kopfband mit mehr­fach abgesetztem Blatt Sparren, Stuhlsäule, aussteifenden Riegel und Kehlbalken miteinander. Dass eine Neuentwicklung eine ältere Konstruktion nicht notwen­ dig immer und überall ablösen muss, lässt sich am Beispiel stehen­ der bzw. liegender Stuhl sehr schön ablesen. So hat das Rathaus in Michelstadt im untersten Dachgeschoss liegende Stühle, im mittle­ren aber stehende.194 Und es kam sogar vor, dass die beiden Kon­struk­tionssysteme zur gleichen Zeit nebeneinander in einem Dach­stuhl errichtet wurden.195 Zur größten Herausforderung wurde das Sparrendach über Kirchen oder kirchenähnlichen Hallenkonstruktionen. Die romanische und vorromanische, ausschließlich senkrechte und waagrechte Verstrebung der Sparrengebinde wurde in der Zeit ab dem 12. Jahrhundert durch einige Neuerungen abgelöst. Zwischen zwei vollständige Spar­ rengebinde, bestehend aus den zwei Sparren und dem Bundtram, wurden nun mehrere binderlose Gespärre zwischengestellt. Die alte Verstrebung wurde durch verschiedene Arten der Diagonalverstrebung abgelöst: scherenartige Verstrebung (Andreaskreuz), sekundäre Sparren (Ill. 403) und erstmals Längsverstrebungen, die über ein bis dahin geübtes bloßes Annageln von Windlatten quer über die Sparren hiausgingen.196 Diese Längsverstrebungen benö­ tigten zunächst einmal senkrechte Hölzer, Stützen oder Stuhlsäu­ len, mit denen sie geeignet verbunden werden konnten.197 Ab dem 13. Jahrhundert begann die Entwicklung in England sich von der auf dem Kontinent abzuspalten. Auf dem Kontinent gewann die Ausbildung eines mittig auf dem Kehlbalken bis zum First reichenden stehenden Stuhls bzw. zweier links und rechts den Kehlbalken untergestellten stehenden Stühle die Oberhand. Dagegen entstand in England eine auf den Bundträmen stehende Stuhlsäulenreihe, die crown posts.198 (Ill. 404) In manchen Fällen war das Problem der Lastabtragung in Kirchen leichter zu lösen als in Profanbauten. Die Zimmerleute errichteten über der Zwischenwand von Mittelschiff und Seitenschiff mehrere Geschosshöhen übergreifende Stuhlsäulen. Je höher der stehende Stuhl wurde, desto mehr musste er verstrebt werden. (Ill. 405; Ill. 406) Generell stiegen mit der Konstruktionsgröße auch die Aus­steifungs­ probleme. Die Anforderungen an die Zimmerleute sind an der zunehmenden Komplexität der Verbindungsknoten abzulesen. (Ill. 407) Die nicht unterstützten Binderbalken mussten mit zunehmender Spannweite immer massiver ausfallen. Irgendwann kam jedoch der Zeitpunkt, da einerseits das Eigengewicht der Balken zum Problem wurde, andererseits das benötigte Holz einfach nicht mehr zur Verfügung stand. Um die Binder wenigstens vom Gewicht allenfalls auf sie gestellter Stützen zu entlasten, ging man nun dazu über, die Stützen aufzuhängen.199 Schon in der Zeit der Romanik gibt es eine ganze Reihe von Kirchen, die Hängesäulen eingebaut hatten.200 Die Zimmerleute packten die Gelegenheit beim Schopf und nutzten die konstruktiven Möglichkeiten der aufgehängten Säule, um den Binderbalken nicht nur zu entlasten, sondern ihn auch gleich noch an die aufge-

400  Entwicklungsgang der Einbindung des Stuhlrähms in die Konstruktion des liegenden Stuhls (nach: Schnell, 1915, fig. 17–19)

401  So wie die Entwicklung des stehen­den Stuhls erst mit der notwen­ digen Ver­strebung abgeschlossen war, ver­langte auch die liegende Stuhlsäule nach einem zusätzlichen Riegel unter dem un­ter­stütz­ten Kehlbalken. – Ver­bin­ dungs­kno­ten der Pfarre St. Peter in Herrnsheim bei Worms/Rheinland Pfalz (D) (aus: ibid., Tafel 31)

402  Konstruktiver Aufbau eines liegen­ den Stuhls (nach: Deinhard, 1962, fig. 8)

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403  Die enorme Sparrenlänge in Great Coxwell/Oxfordshire (GB) von etwa 14 m erforderte ein ausgeklügeltes Unter­stützungssystem. Sekundärsparren steifen die Bindergespärre aus. Neben dem Oberrähm übernimmt eine Vielzahl weiterer pfettenartiger Hölzer die längs­ aussteifende Unterstützung der Sparren. Zwischen den Hauptgebinden sind den Oberrähmen crucks untergestellt. Dar­über wird die Aussteifung wieder Sekun­där­sparren anvertraut, die auf kurzen Stichbalken, hammer beams, stehen.

404  Jedes Sparrenpaar der Kapelle des Pilgrim’s Hospital of St. Thomas in Canter­­bury/Kent (GB) wird durch ein Andreaskreuz und einen Kehlbalken ausgesteift. Die Längsaussteifung über­nimmt ein Unterzug unter den Kehlbal­ken, der von crownposts getragen wird, die ihrerseits auf den Binderbalken stehen.

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405  Allein die Stuhlsäulen der goti­ schen Stiftskirche in Neuberg/Steiermark (A) verschlingen eine Unmenge an Holz.

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406  Der Schnitt zeigt, dass die mäch­ tigen Stuhlsäulen auf Zwischenwänden ruhen. Der dreigeschossige obere Teil des Dach­stuhls hängt zum Teil auf einer Säule, zum Teil wird die Last von den kurzen Stuhlsäulen über sparrenparal­ lele, durch die drei oberen Geschosse durchlaufende Steigbänder in den unte­ ren Konstruk­tions­teil abgeleitet.

407  Ähnlich wie bei der Stiftskirche in Neuberg mussten mehr oder weniger alle Dachstühle solcher Größenordnungen – hier der von der Marktkirche in Hanno­ ver/Niedersachsen (D) – zumindest ihre Spar­ren stückeln. (nach: Maier-Gomolka in: Binding, 1991, fig. 140)

408  Die an ihrem Fußpunkt einge­ zapfte Säule der Kathedrale von Rouen ist noch eine stehende Stuhlsäule. Der Binder ist aber vom Gewicht der Säule befreit. (aus: Ostendorf, 1908, fig. 15)

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409  In St. Piat wird der Binderbalken wirklich aufgehängt. Die Konstruktion bringt dies auch optisch unmissverständ­ lich zum Ausdruck. (aus: ibid., fig. 31)

hängte Stütze anzuhängen. Wie immer in einem solchen Prozess, versuchte man dies zunächst mit bekannten Verbindungen zu bewerkstelli­gen.201 Der Schwalbenschwanz war die Verbindung für Zugbelastung. In dieser Verwendung zwar nicht sehr effektiv, aber umso suggestiver! Bei den frühen Beispielen für Hängesäulen war es zumeist so, dass die Sparren die Firstsäule hielten, indem sie mit Stirn- oder Fersen­ versatz (vgl. Ill. 194, 195) in ihre Spitze eingriffen. Mit der Firstsäule verblattete Kehlbalken halfen mit, die Last auf die Sparren zu verteilen. Teilweise waren die Kehlbalken oder auch die Hängesäulen zusätzlich mit Streben an die Sparren gehängt. Einige Beispiele aus der Geschichte des Dachbaus sollen die Vielfalt der konstruktiven Möglichkeiten aufzeigen, die der Zimmermann aus dem Formenspektrum der bekannten Konstruktionen entlehnte. Bei der Kathedrale von Rouen/Normandie (F) ist die Säule an den scherenartigen Streben und dem Kehlbalken angehängt. Am Fußpunkt ist sie in den Binder eingezapft. (Ill. 408) Ein sehr ähnliches Beispiel wurde in Tewkesbury Abbey/Gloucestershire (GB) geschaf­fen. (Ill. 410) In der Kapelle St. Piat hinter der Kathedrale von Chartres/Eure et Loire (F) umfassten zwei Hölzer, die mit keilförmigen Zapfen links und rechts in die Hängesäule eingriffen, zangenartig durch ihre spe­zielle Ausformung den waagrechten Balken. Nägel sicherten die zwei Zangenarme. Das Vorholz unter dem Balken musste lang ge­nug sein, wenn es nicht abscheren sollte. (Ill. 409) In St. Ouen in Rouen/Normandie (F) wird die Hängesäule von den Sparren und den zwei Kehlbalken getragen. Der Binder wird, wie in Chartres, von zwei Hölzern zangenartig an die Hängesäule gezo­ gen. (Ill. 411) Wieder war es der verdeckte Haken an der Innenseite der Zangenhölzer, der die Last des Balken mittrug. Allerdings hatte der Zimmermann sich in diesem Fall nicht mehr auf das Vorholz der Zangen unter dem Binder verlassen wollen. Mit einem Zapfen unter dem Binder entlastete er die Zangen und unterband ein Abscheren des Vorholzes. Zugleich konnte er durch die gewählte Form­gebung die Zangenhölzer, im Gegensatz zu dem Beispiel in Chartres, zugfest zusammenziehen. Während der obere waagrechte Zapfen keine andere Funktion hatte, als die zwei Säulenhälften um den Binder zusammenzupressen – ein Keil erlaubte wirklich ein strammes Zusammenziehen –, bestand die Aufgabe des unteren Zapfens darüber hinaus in der Entlastung des Vorholzes der Hänge­ säule. Er verteilte die Last des Balkens auf den gesamten Querschnitt der Säule. Damit nicht genug, entlasteten links und rechts zwei weitere zweigeteilte Hängesäulen die mittlere. Ostendorf wollte seine Begeisterung nicht verhehlen: „Die Anordnung ... legt ...

410  Auch in Tewkesbury Abbey trägt nicht mehr der Binder die Stuhlsäule, sondern die Kehlbalken und zwei spar­ renparallele Streben übernehmen diese Aufgabe. (aus: ibid., fig. 143)

411  Im Detail viel eleganter und leich­ ter ist die Lösung in der Kirche St. Ouen. (aus: ibid., fig. 33)

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412  Eine ganz eigentümliche Konstruk­ tion war die über dem Tanzhaus in Rothenburg. (aus: ibid., fig. 90)

Zeugnis ab von der Sorgfalt, die die Zimmermeister jener frü­­hen Zeit bei der Herstellung solchen Dachwerks walten ließen, und von der mit Muße ­betriebenen Ausführung, bei der man jedem Teile gerecht werden wollte.“202 Als obskure Krönung des Ausnutzens der Scherkraft von Holz kann das Dach über dem Tanzhaus in Rothenburg/Bayern (D) gelten. (Ill. 412) Die in nur zwei Gespärren auftretende Hängesäule wird von den Sparren sowie von parallel zu diesen liegenden Streben (Sekun­ därsparren) zum Dachfuß abgestrebt und an zwei angeblatte­ten Hängestreben aufgehängt. Die Hängesäule trägt die den mitt­le­ ren Kehlbalken unterstützende Längsaussteifung und, in beson­ders ­eigenwilliger Weise, auch die Horizontalverstrebung des liegenden Stuhls im ersten Dachgeschoss: Diese hängt am „Knauf“ eines schwert­artig verjüngten Holzes, dessen „Klinge“ im aufgeschlitz­ ten Ende der Hängesäule steckt und dort kraftschlüssig mit verkeilten Zapfen verriegelt ist. Weniger verspielt im Detail mutet das Dach über der Bartholomäikirche in Gdańsk (PL) an. Die über dem dritten Kehlbalken (gezählt wird von unten) geteilte Hängesäule wird an ihrer Spitze von den Sparren eingespannt. Ihr oberer Teil wird ebenso wie ihr unterer Teil nicht nur von den Kehlbalken, sondern vor allem von schräg von den Sparren hängenden Hölzern203 gehalten. Sowohl der Bundtram als auch der dritte Kehlbalken sind mittels Fußbändern an die Hängesäule gehängt. (Ill. 413) Während im vorangegangenen Beispiel der Großteil der Last den Sparren angehängt wurde, waren bei den zuvor angeführten Beispielen aus Rothenburg und aus Tewkesbury die Sparren gänzlich entlastet, weil die Last der Hängesäule über die unter den Sparren liegenden Streben auf die Mauerbank abgeleitet wurde. Eine Art Zwischenlösung kennzeichnet den konstruktiven Aufbau des Doms in Frankfurt/Hessen (D). (Ill. 414) Vier Kehlbalken sowie die Sparren tragen dort die große, mittig angeordnete Hängesäule. Schon der das zweite Dachgeschoss überdeckende Kehlbalken bedarf jedoch selbst einer Aufhängung an den Sparren. Der unterste Kehlbalken erfährt schon eine dreifache Unterstützung: durch einen der Hängesäule verbundenen längsverstrebenden Unterzug, durch zwei seitliche, den Sparren angehängte kurze Hängesäulen und vor al­lem durch zwei die mittlere Hängesäule in halber Höhe fassende Strebehölzer. Diese sind es auch, die ganz entscheidend

413  Das sehr weit gespannte Gespärre der Bartholomäikirche suggeriert schon auf den ersten Blick die Aufhängung der Säule. (aus: ibid., fig. 52)

414  Die ehemalige Dachkonstruktion über dem Dom in Frankfurt am Main kombiniert eine ganze Reihe von Aufhän­ gungsmöglichkeiten für die Hängesäule. (aus: Schnell, 1915, fig. 9)

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415  Der Schwalbenschwanz zeigt deutlich, dass der ( jetzt fehlende) Riegel aufgehängt war. – Suganuma/Toyama (J)

die Kehlbal­ken und damit in der Folge die Sparren entlasten, indem sie einen beträchtlichen Teil der Last auf die Mauerbank ableiten. Nicht überall ist die Konstruktion in gleichem Maße geglückt. So hat wohl die Kirche in Wallhof (PL) mit so manch anderer Landkirche das Schicksal geteilt, die nicht geglückte Hängekonstruktion wenig elegant im Kirchenraum nachträglich unterstützen zu müs­ sen.204 Alle diese hier vorgestellten Lösungen waren gänzlich dem singu­ lären Gesichtspunkt Hängesäule verhaftet. Erst im 17. und 18. Jahrhundert gelang unter Kombination all dessen, was entwicklungsmäßig schon vorbereitet war, und unter Einbeziehung des Eisens als Hilfsmittel der nochmals große Sprung zu jenen Dachkonstruktionen, die unter teilweiser Vorwegnahme von Elementen aus dem Ingenieurholzbau die Aufhängung der schweren und empfindlichen Stuckholzdecken des Barock ermöglichten.205 In Japan ist eine Hängedachkonstruktion nie geschaffen worden.206 Beispiele für Hängekonstruktionen, etwa die Konstruktion der abgehängten Decke,207 sind zwar allerorts zu finden (Ill. 415), aber im Großen nicht weiterentwickelt worden. Das japanische Dach ist in gewisser Weise so verflochten mit der Gesamtstruktur des Baukörpers, dass einige Erklärungen vorweggeschickt werden müssen. Hōryū-ji denpōdō/Ikaruga (J) ist ein geeignetes Beispiel, um den grundsätzlichen Aufbau des japanischen Tempels zu erläutern. (Ill. 416) Die Grundstruktur, ein zentraler Raum, moya genannt, wird festgelegt durch eine aus China stammende Pfosten- und Balkenkonstruktion, bestehend aus zwei hohen Säu­len, die einen Balken tragen. In diesem Beispiel handelt es sich um sogenannte Regenbogenbalken, die in die moya-Säulen eingezapft sind. Hintereinandergestellt lässt sich ein solches Gebinde beliebig oft wiederholen. Um dieser äußerst schwachen Konstruktion Halt zu geben, wurden dem zentralen Raum links und rechts niedrigere Säulenreihen vorgestellt. Der dadurch gewonnene seitenschiffartige Raum wird hisashi genannt. Auf zweierlei Art kann dieser mit den moya-Säulen verbunden sein: Beim denpōdō sind die Höhen der moya- und hisa­shi-Säulen so aufeinander abgestimmt, dass die Rofen208 in einem Schwung vom First über beide Säulenreihen heruntergezogen werden können. In vielen Fällen sind die moya-Säulen jedoch wesentlich höher, so dass sie durch ein eigenes Dach abgedeckt wer­den. Nun müssen die Rofen, ähnlich wie die seitlich ange192

416  Die sehr frühe Konstruktion von Hōryū-ji denpōdō lässt deutlich die Glie­ derung der Gebinde in moya und hisashi ablesen.

hängten Sparren norwegischer Stabkirchen, in die moya-Säulen eingezapft werden. In diesem Fall nennt man den eingeschlossenen Raum nicht hisashi, sondern mokoshi. Damit die Konstruktion aber tatsächlich mit dem norwegischen Stabkirchenprinzip vergleichbar ist, musste die links und rechts angehängte Säulenreihe rundum geführt wer­den. In China hatten offensichtlich die Pfetten als Längsverstrebung ausgereicht. In Norwegen war eine zusätzliche giebelseitige Aussteifung unumgänglich notwendig. Was dem japanischen Tempeldach sein kennzeichnendes Gepräge und seine Würde verleiht, sind neben der Dachneigung und dem zarten Schwung in der Firstlinie vor allem die weit überhängende Traufe und die gekrümmte Traufenlinie. Sie variiert sehr stark zwischen den Stilen wayō und zenshūyō. Erzielt hat man die Krümmung dadurch, dass die Dachkontur an den Ecken hochgezogen wurde. Zu diesem Zwecke haben die Zimmerleute die Gratrofen stufenweise in der Art von Aufschüblingen aufgedoppelt. Um den gewünsch­ten Effekt über die teils enorme Länge der Rofen nicht zu verlieren, erhielten die Rofen auf der Oberseite ihres traufseitigen Endes eine kammartige Auflage. Quasi katapultartig wurden darauf die Flug­rofen209 gelegt. (Ill. 420) Expressive Ziegel, die dem äußersten Punkt des Grates aufgesetzt wurden, halfen den eleganten Eindruck zu verstärken. Wie tief diese Dachform im ästhetischen Bewusstsein der Japaner einst verwurzelt war, kann man an simplen Zweckbauten ablesen. (Ill. 418) Um einen Einblick in die Bedeutung der Dachform zu gewinnen, muss man sich mit der Entwicklung des Versteckten Daches (noyane) auseinandersetzen. Bis zum Ende des 9. Jahrhunderts lag die japanische Dachkonstruktion offen. Zwischen den Rofen konnte man das Material der Dachhaut sehen. Aus Rücksicht auf die klimatischen Bedingungen durfte die Dachneigung nicht zu steil ausfallen, sonst hätte sich der feuch­ tigkeitsbedingte Wasserdampf unter dem Dach sammeln und absetzen können. (Ill. 419) Um diesem Fall vorzubeugen, entwickelte man ein doppelbödiges Dach. (Ill. 417) Noch ein anderer Grund wurde zur treibenden Kraft in der Entwicklung des Versteckten Daches. Früher oder später artikulierte sich der Wunsch nach einer Erweiterung der Raumtiefe der moya. Verschiedene Versuche wurden dazu unternommen. Durch Einbeziehung einer hisashi-Seite in den moya-Bereich wurde die Dachneigung zu wenig steil. Stellte man einfach zwei moyas traufseitig an­einander – 193

417  Die Traufe der Kikunoyo-Brauerei im Meiji mura zeigt das Prinzip. Nach unten zeigen die dem Schönheitsideal ent­spre­chend geneigten sichtbaren Rofen (keshō daruki). Die unsichtbaren (nodaruki) tra­gen die Dachhaut.

418  Die Traufe des aufgeständerten Spei­chers war funktionsbedingt ver­bret­ tert. – Takakura aus Yamatohama/ Okinawa (J)

419  Das Dach zeigt von unten gesehen eine andere Neigung als von oben. – Enjo-ji shōrō-dō in Kaminashi/Toyama (J)

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420  Die expressiven Ziegel, die dem äußersten Punkt des Grates aufgesetzt wurden, verstärkten noch zusätzlich den Eindruck der hochgezogenen Traufen­ ecken. – Shinyodō in Kyoto (J)

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421  Schnitt des Taimadera mandar­ ado/Nara (J) (vereinfacht nach: Parent, 1985, fig. 51b)

es gab einen eigenen minka-Typ, der auf dieser Bauweise basierte –,210 so folgte daraus die Entstehung einer eigenwilligen Regenrinne, die knapp oberhalb der Kopfhöhe mitten durch das Haus lief und optisch wenig angenehm den Innenraum noch stär­ker in zwei Teile trennte, als dies durch die aufeinandertreffenden Dachschrägen ohnedies der Fall war. Als mindestens eben­so stö­rend empfunden wurde aber die nach außen hin sichtbare Zweiteilung des Baukörpers. Hätte der Zimmermann die beiden nach außen weisenden Dachschrägen über deren Firste zu einem gemeinsamen First zusammengeführt, hätte das den Gesamteindruck in negativer Weise verändert. Zu welcher Lösung die Baumeister letztendlich gelangt sind, zeigt ein Schnitt des Taimadera mandarado. (Ill. 421) Der Weg dorthin führte über mehrere Schritte. Zunächst gab man sich mit einer versteckten Rofenkonstruktion über hisashi zufrieden. Nach und nach wagte man es dann später­hin, auch in die Dach­konstruktion über dem Kernbereich einzugrei­fen: Im Beispiel Hōryū-ji daikodō trugen Stützen, die über Lastverteilungshölzer direkt mit den einsehbaren Rofen verbunden waren, die versteckten, die Dachschräge definierenden Pfetten. (Ill. 422) Diese Konstruktion war naturgemäß noch wenig stabil. Das Beispiel Daihoon-ji hondō war den nächsten Schritt gegangen: Ausleger­artige Hölzer (hanegi), die oberhalb der moya-Säulen eingespannt waren, kragten über einen Unterzug, der den sichtbaren Rofen unsichtbar (weil über den hisashi-Säulen geführt) aufgelegt war, bis zur Traufe aus. (Ill. 423) Sie dienten fortan den Stützen, die die Pfet­ten trugen, als Auflager. Darüber hinaus versteiften sie die ganze Konstruktion. (Ill. 424) Mit dieser Entwicklung hatten die Zimmerleute den Weg zur freien Grundrissgestaltung geebnet. Die Säulen konnten beliebig verscho­ben werden, die Tiefe der Bauten war nicht mehr durch die alte ­Einteilung limitiert. (Ill. 425; Ill. 426) Und durch die Einführung der hanegi wurde es möglich, die Rofen nunmehr nach optischen Kri­te­rien zu teilen. (Ill. 427) Das Versteckte Dach war die Antwort der japanischen Kultur auf ihre Anforderungen an das Bauwerk, es war „das Tor zur Freiheit in der Dachkonstruktion ... Der Baukörper wurde nicht mehr vom Dach kontrolliert. Das Dach und der darunter liegende Teil waren schluss­ endlich unabhängig voneinander geworden.“211 Das Versteckte Dach stellt der europäischen Hängekonstruktion eine bewundernswerte konstruktive Meisterleistung gegenüber. An der Stelle, wo Säule, Ankerbalken und Wandpfette zusammentrafen, lag nicht nur ein konstruktiv enorm wichtiger Punkt, der über die Stabilität des Baus mitentschied, sondern auch ein optischer An­ziehungspunkt. Kragkomplexe schufen die Möglichkeit, das Dach zunächst aus Schutzgründen weit über den Baukörper

422  Schnittdetail des Hōryū-ji daikodō/ Ikaruga (J) (von Asano Kiyoshi in: ibid., fig. 37)

196

423  Schnitt des Daihoon-ji hondō/Kyoto (J) (vereinfacht nach: Nihon kenchiku gakai, 1992, p. 47/5)

424  Ein Eckdetail des geöffneten Daches über dem mokoshi-Bereich des Kenchō-ji sanmon in Kamakura/Kanaga­ wa (J) zeigt, um wie viel schwieriger die Struktur der japanischen Dachkonstruk­ tion zu erfas­sen ist.

425  Hodo-ji jikido in Osaka zeigt eine ältere Lösung, erkennbar an den sehr alten hanegi, die noch nicht bis zur Traufe geführt sind. (nach: Parent, 1985, fig. 62)

426  Okura-ji hondō in Nara suggeriert eine wesentlich geplantere Konstruktion des Versteckten Daches. Die hanegi wurden in diesem Fall in die traufseitige Abschlussleiste eingezapft. (nach: ibid., fig. 58)

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427  Mit der Einführung der hanegi als der eigentlichen Tragkonstruktion gewannen die Zimmerleute zunehmend freie Hand für die Anordnung der keshō daruki. – Zuisen-ji in Inami machi/ Toyama (J)

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428  Traufdetail der Ostpagode des Yakushi-ji/Nara (J)

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429  Beim Tō-ji kodō/Kyoto (J) ist das noch sehr einfache Kragsystem aus­ schließlich über den Säulen angeordnet.

200

430  Beim Tō-ji kondō werden die ästhe­ tisch unbefriedigenden Stützsäulen zwischen den Kragblöcken konsequent ausgetauscht.

hinauszuziehen. Während des 7., 8. und 9. Jahrhunderts entwickelte sich das Kragsystem zum Ausdruckselement für die Wertschätzung eines Ge­bäudes.212 Mit dessen Bedeutung stieg die Komplexität des Krag­systems.213 Um an Traufentiefe zu gewinnen, wurde über die quadra­tischen Blöcke (daito), die den Säulen oben aufgelegt waren, über Konsolenarme und diesen wiederum aufgelegte kleinere Konsolen­blöcke (makito) Stufe um Stufe ausgekragt. (Ill. 428) Die Konsolen waren den Blöcken in vielfältigen Variationen aufgekämmt. Dort, wo sie aus der Wandflucht auskragten, waren sie mit den in der Wandflucht liegenden Konsolen überblattet. Die Blöcke selbst ­waren im einfachsten Fall mit Zapfen an ihrer Auflage fixiert. (Ill. 431) Im Gegensatz zum zenshūyō ist für wayō ein zweidimensionales Auskragen charakteristisch. (Ill. 429; Ill. 430) Um die bloß horizontale und vertikale Schichtung des Konsolsystems zu stabilisieren, wurden über jeder Säule aus dem Gebäude­ inneren schräge, rofenartige Hölzer (odaruki) herausgeführt. (Ill. 432)  Diesen setzte man einen kleinen Block auf, der sowohl in seiner Lage eingepasst als auch durch eine schon aufwendigere Verbindung, oft einen Sichelzapfen, am Wegrutschen gehindert wurde. (Ill. 433) Auf diesem kleinen Block wiederum saß ein Konsolholz, das die Fußpfette unterstützen sollte und parallel zu ihr ausgerichtet war. Als Kippgelenk des so entstandenen Hebels fungierte ein weiterer kleiner Block auf der zwei­ten auskragenden Konsole. Den unteren Teil des Hebels belasteten die genannte Fußpfette und die ihr aufgelegten Rofen, denen wiederum ihrerseits Flug­rofen aufgesetzt waren. Ihr Druck wurde ausgeglichen durch

431  Konstruktionszeichnung aus: Suzuki, 1847

201

432  Odaruki des Kenchō-ji sanmon in Kamakura (J)

433  Verschiedene Formen der Auf­lage­ rung der Blöcke (nach: Bunkazai ..., p. 92/6, 159/4, 227/1)

434  Eckdetail der Ostpagode des Yakushi-ji/Nara (J)

435  Aufriss zum Eckdetail

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437  Die einsehbare Dachkonstruktion des Jōdo-ji jōdodō/Hyogo (J)

das Gewicht der auflastenden Wand des darüberliegenden Stockwerks. (Ill. 434; Ill. 435; Ill. 437) Im daibutsuyō ist der Dachraum zur Gänze einsehbar. Parent sieht in der irregulären Kragarmaufteilung ein signifikantes Unterscheidungsmerkmal zum wayō.214 (Ill. 436; Ill. 438) Nicht zum Tragen kam dieses beim Großen Südtor des Tōdai-ji, wo wieder die strenge Aufteilung der Blöcke und die streng regelmäßig zunehmende Aus­kragung vorherrscht. Ein weiteres Charakteristikum dieses Stils ist hin­gegen die nahezu unglaubliche Tiefe der Traufe, die durch sechs­faches Auskragen erzielt wurde. (Ill. 440) Dies war überhaupt nur möglich, weil die Kragarme durch die Säulen durchgezapft und die Kragkomplexe ausreichend horizontal verstrebt wurden. Eine schon zum zenshūyō hinüberleitende Eigenheit des Jōdo-ji jōdodō ist die an den Ecken fächerförmige Anordnung seiner Rofen. (Ill. 439) Gegen Ende des 12. Jahrhunderts gewann einmal mehr chinesischer Einfluss nachhaltig Bedeutung in Japan und sollte für die nächsten Jahrhunderte bestimmend bleiben. Mit ihm konnte sich neben dem sehr kurzlebigen daibutsuyō auch der zenshūyō etablieren. Dass dieser den Japanern im Grunde fremde Stil sich so leicht ausbreiten konnte, liegt darin begründet, dass er nicht nur religiöse Belange abdeckte, sondern als Lebensweise im Japan des 13. Jahrhunderts auf einen äußerst fruchtbaren Nährboden fiel. Die kurvigen Formen des zenshūyō „stellten für den Weg des Zimmermanns genau­

436  Die aufgestapelten Kragarmblöcke schlossen dort, wo sie mit den Rofen zu­sammentrafen, einen dreieckigen Raum ein. Um diesen zu verbergen, wurde eine Decke eingezogen.

203

438  Der Schnitt zeigt, dass alle waagrech­ten Hölzer, Balken ebenso wie Konsolen, durch den Ständer durch­ gezapft sind. (nach: Bunkazai ..., p. 126/1–128/1)

439  Zwar sind die Rofen des Jōdo-ji jōdodō nur in den Ecken fächerförmig verlegt, aber sie lassen bereits erahnen, welche Aufgaben auf die Zimmerleute im zenshūyō zukamen.

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440  Traufenecke des Tōdai-ji nandaimon/Nara (J)

205

441  Für den zenshūyō typische Krag­ komplexe des Zuisen-ji taishidō/Toyama (J)

443  Kragkomplexe des Daishō-in in Miyajima/Hiroshima (J)

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so eine Herausforderung dar wie Zen für den Weg des Kriegers“.215 Die Zimmerleute wurden mit einer baulichen und ästhetischen Vor­stellung konfrontiert, für deren Umsetzung ihnen aber grundlegende Kenntnisse fehlten. Noch viel mehr die Erfahrung! So darf es nicht wundern, dass viele der frühen zenshūyō-Bauten „wunderbar eklektisch im Stil, aber fraglos konservativ in der Konstruktionsmethode sind“.216 Hier hat die Angewiesenheit auf das Hauswissen des Zimmermanns die Entwicklung des Versteckten Daches nicht nur ermöglicht, sondern geradezu verursacht. Nur in der Zwangssituation, Aufgaben bewältigen zu müssen, für die man Lösungen noch nicht kennt, entsteht Neues, Unkonventionelles. Die japanische Baugeschichte ist grundsätzlich von äußeren Einflüs­ sen geprägt. „Kein Bautypus war wirklich in Japan zu Hause.“217 Parent charakterisiert als typisch japanische Vorgangsweise: auswäh­ len, assimilieren und adaptieren dessen, was geeignet erscheint, bzw. eliminieren der Dinge, die den Geschmack nicht trafen. Dar­aus entwickelte die Kultur einen charakteristischen, eigenen Stil.218 Hatte man im daibutsuyō noch seine liebe Mühe mit dem Durchzapfen der Balken, machte es der zenshūyō in der Hinsicht dem Zim­mermann insofern leichter, als die Dimensionen der Hölzer allgemein beträchtlich reduziert wurden. Dafür legte man auf die Aus­führung noch größeren Wert. Die Kragkomplexe wurden kleiner, aber mehr an der Zahl. Auffallend war ihr so anderer Eindruck, den sie beim Betrachter hervorriefen. Der Grund liegt in der räumlichen Auskragung. Aufgetürmt wurden nicht mehr drei, sondern bis zu fünf Konsolen, und das nicht mehr nur in Richtung zur Traufe hin, sondern ebenso in Pfettenrichtung. Dadurch entstanden die charakteristischen dichten Konsolenbündel. (Ill. 441; Ill. 442) In Gemein­schaft mit den schräg abwärts geführten odaruki erreicht der Grad der Komplexität des Gefüges bereits im sichtbaren Bereich einen Punkt, der einen Betrachter über der aufkommenden Assoziation eines Puzzlespiels ganz den konstruktiven Zweck vergessen lässt. (Ill. 443) Die Aufwärtsbewegung in der Dachkurve wurde stärker. Die Rofen verlegten die Zimmerleute im zenshūyō fächerförmig. Bei genaue­ rem Hinsehen wird man dann feststellen, dass vielfach beide Rofen­anordnungen gleichzeitig angetroffen werden konnten: im flache­ren, unteren Dach (über mokoshi) die parallel gerichtete und im oberen, steil hochgezogenen (über moya) die fächerförmige. Ließ sich die Anordnung der parallel liegenden Rofen ganz exakt ausdividieren, wurde die Verzimmerung durch die Traufenkrümmung schon wesentlich erschwert. Die radiale Anordnung machte die Aufgabe unglaublich kompliziert. Das ganze Ausmaß wird dem Betrachter in der Regel gar nicht bewusst. (Ill. 445) Ziel war es, die Rofen in Übereinstimmung mit den Kragbündeln zu verlegen. Dabei kristallisierte es sich immer mehr als anzustrebende Norm heraus, über einem kleinen Block zwei Rofen zu situieren. Die Zwischenräume zwischen den Kragkomplexen mussten natürlich in diese Überlegung miteinbezogen werden. Erschwerend kam das Hochziehen des Grates hinzu, weil dies die Aufteilung der Rofen im Verhältnis zu den Flugrofen nicht gleich beließ. Je stärker die Traufenecken hochgezogen waren, desto mehr verschob sich das Längen­ verhältnis Rofen zu Flugrofen von der Traufenmitte zur Traufenecke hin. (Ill. 444) Die Rofen hatten vermeintlich rechteckigen Querschnitt. Damit sie diesen optisch bewahrten, durfte ihr realer Querschnitt aber gar nicht rechtwinkelig sein!219 (Ill. 446)

442  Ansicht, Untersicht und Explosion einer Ecke des Kibata jinja rōmon/Tochigi (J) (nach: Bunkazai ... p. 302)

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444  Traufenecke des Kenchō-ji butsu­ den in Kamakura/Kanagawa (J)

Wem es gelingt, sich nur einige der hier angedeuteten Überlegun­ gen vor Augen zu führen, die der Zimmermann für die Verbindungs­ findung fächerförmig verlegter Rofen eines zenshūyō-Daches nicht außer Acht lassen durfte, der wird verstehen, warum die Geheimnisse des kiwari jutsu so streng gehütet waren. Der geringste Feh­ ler in der Festlegung der Verbindungen wäre ruinös gewesen für den Meister. Vom Betrachter im Detail bewusst wahrgenommen wurden aber nicht die wunderbaren Lösungen all dieser Probleme, sondern immer nur die nicht gewollten Unregelmäßigkeiten.220 Ohne die Leistungen europäischer Zimmerleute in Frage zu stellen oder gar schmälern zu wollen, kann man sich in der Gegenüberstellung der aufkeimenden Vermutung nicht erwehren, dass jeden europäischen Zimmermann, der zu Recht stolz war auf seine Fertigkeiten, vor allem in der Kunst des Schiftens221, angesichts japanischer Aufgabenstellungen das nackte Entsetzen befiele. Natürlich hinkt der Vergleich, weil die Entwicklung in Europa eine andere war. Die technischen Geniestreiche in Europa waren eben eine andere Antwort auf anstehende Fragen als die Zauberwerke in der Verbindungstechnik Japans.

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445  Die parallel situierten Rofen decken den mokoshi-Bereich, die radial angeord­neten den moya-Bereich des Engaku-ji in Kamakura/Kanagawa (J).

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446  Die Konstruktionsprobleme über dem achteckigen Grundriss des Anraku-ji sanjūnotō/Nagano (J) werden keine grundsätzlich anderen gewesen sein. Erschwerend war sicher, dass polygonale Bauten deutlich in der Minderzahl sind.

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Einflüsse der klimatischen Bedingungen Zwei kurze Bemerkungen sollen vorbereiten, was in diesem Kapitel dargestellt werden soll. In Japan sind Bedingungen vorgegeben, mit denen Europa in dieser Form nicht konfrontiert ist. Das traditionelle chinesische Ziegeldach, von dem das japanische sich ableitet, wiegt bis zum Vierfachen eines modernen europäischen Daches.222 Die häufigen Erdbeben stellen neben Taifunen mit orkanartigen Regenfällen eine Herausforderung dar, der mit der bloßen Übernahme chinesischer Vorbilder allein nicht Rechnung getragen werden konnte. Neben konstruktiven Änderungen entschied sich der japanische Zimmermann auch für eine Adaptierung der Verbindungen.223 In diesem Lichte besehen können Aussagen nicht unwidersprochen bleiben, die die technisch raffiniertesten und ausgeklügeltesten Verbindun­gen der Japaner in Gegensatz zu den in Mitteleuropa entwickelten stellen, die der Witterung standhalten und hochbelastbar sind; Aus­sagen, die behaupten, „dass Bedingungen, wie hohe Belastbarkeit, [in Japan] gelegentlich als zweitrangig angesehen wurden“.224 Der Vergleich an sich ist problematisch, weil die Bedingungen so unterschiedlich sind. Kawashima beschreibt sehr kleine Häuser auf Amami Oshima/ Kagoshima, die konstruktiv speziell auf ihre exponierte Lage Bedacht genommen haben. Eingeschränkt durch minderes Werkzeug, versahen die Bauern die Ständer ihrer Häuser mit extrem langen, rund­herum abgesetzten Zapfen, auf die alle waagrechten Hölzer, kreuzweise verlegt, mit Zapfenlöchern aufgefädelt waren. Der ­Elatizität dieses Zapfens dürfte die Bewährung der ganzen Konstruktion zuzuschreiben sein.225 (Ill. 447) Im Vergleich mit den durchgesteckten Zapfen der Zapfenschlösser, die oft sogar durch Kopfbänder unterstützt waren und dennoch brachen,226 oder den Zapfen der Haubargständer, die dem Schub der Dachlast nicht standhielten,227 ist interessant festzustellen, wie weit das Einfühlungsvermögen des Bauenden in das Material reichen muss. Der ­japani­sche Ständerzapfen hielt nicht deshalb, weil er technisch raffinierter gewesen wäre. Er war auch nicht deshalb beständiger, weil das Holz geeigneter ausgesucht gewesen wäre. Die Haubargständer machten jahr­hundertelang keine Probleme, solange sie der angreifenden Last mit ihrer Schrägstellung Widerstand geleistet hatten. Erst das Missachten dieser Tradition durch ihre Senkrechtstellung überforderte die Elastizität der Zapfen. Ihr Querschnittsmaß war ein Erfahrungs­maß. Wenn aus Unachtsamkeit oder Unwissenheit einzelne Komponenten eines Konstruktionsgefüges geändert werden, kann das zu scheinbar unerklärlichen oder falsch interpretierten Folgen füh­ren.228 Dies gilt es zu bedenken, wenn im Folgenden von der Rolle des Klimas die Rede sein soll. „Der ursprüngliche Zweck alles Bauens ist, den Menschen, sein Feuer, seine Habe zu schützen gegen die Unbilden der Witterung (Kälte, Hitze, Niederschläge, Wind).“229 Wie der Mensch auf die Natur reagiert, wie er das Scheinen und Nichtscheinen der Sonne erlebt, die Jahreszei­ ten, Wind oder Regen, welche Antworten ihm dazu einfallen, spiegelt sich wider in seinem Bauen. Das europäische Klima wird mitbestimmt von der Ausdehnung des Kontinents zwischen dem 38. und dem 70. Grad nördlicher Breite. Ein vergleichsweise trockenes, warmes Klima im Süden krontrastiert mit einem relativ trockenen, sehr kalten Klima im Norden. Dazwischen gibt es in Abhängigkeit von der geografischen Lage alle Abstufungen, am Meer auch

447  Koune ke jutaku no otoshi koho – das Aussteifungsprinzip dieser Konstruk­ tion im Koune-Haus/Tokushima (J) beruht auf dem Auffädeln der waag­rech­ ten Balken auf dem abgestuft zur Spitze verjüngten tragenden Pfosten. (aus: Tsugi shiguchi kenchiku no kakusareta chie, 1984, p. 51)

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feuchte Gegenden. Alle diese klimatischen Erscheinungsformen fin­den in der regional spezifischen Ausformung der verschiedenen Bau­ten ihre Berücksichtigung. Japan kann mit dieser klimatischen Variationsbreite mithalten. Der Übergang vom feuchtheißen Klima um den 25. Breitengrad bis zum trockenen, kalten Klima am 45. Breitengrad findet seinen deutlichsten Ausdruck in der unglaublichen Diversifizierung der minka.230 Während das europäische Haus in wei­ten Bereichen den Erfordernissen im Winter angepasst wurde, spürt jeder, der es erproben will, dass in Japan der Sommer der bestimmende Faktor war.231 Es sind im Wesentlichen bauliche Maßnahmen, die eine Auseinandersetzung mit der Witterung offenbaren: weit ausladende Dä­cher, sehr tiefe Traufen, Giebelüberstände, bis zum Boden heruntergezogene Dächer, Vorlauben und Laubengänge. (Ill. 448) Sie alle sind in Europa ebenso zu finden wie in Japan. Schneelast kann sehr schwer sein. Was aber dem Dachgerüst mehr als das Gewicht zu schaffen macht, ist die windbedingte, manch­ mal extrem unterschiedliche Verteilung dieser Last. Der „Schneestuhl“, eine Art stehender Stuhl, ist eine europäische Lösung des Problems.232 Nicht die Unterstützung, sondern die Lastverteilung ist der Lösungsansatz im japanischen Dach.233 (Ill. 449) Es gibt nicht viele Holzverbindungen, die als direkte Antwort auf die Frage interpretiert werden können, wie sich Holz vor dem schädigenden Einfluss von Wasser schützen ließe. Eine davon ist das Ständerfußblatt, in der Literatur auch bekannt als Ständer-

448  Die Laubengänge vor bzw. um den Blockbaukörper haben primär Schutz­ funktion. – Bârsana/Maramures˛ (RO)

449  Durch die orthogonale Verschrän­ kung mehrerer Balkenlagen erzielten die Japaner die gewünschte Lastverteilung. – minka in Kitakata/Fukushima (J)

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schale, Schwebeblatt oder Blattzapfen. Es handelt sich dabei um eine Zapfenverbindung, die um ein schützendes Blatt erweitert worden ist. Aus einem Stück Holz herausgearbeitet, überdeckt das Blatt die Zap­fenverbindung des der Schwelle eingezapften Ständers, manch­mal auch noch das Hirnholz eines darunterliegenden Balkenkopfes. Ihre besondere Form gewann diese Verbindung nicht aus der verbindenden Funktion, sondern aus dem ganz im bildlichen Sinn zu verstehenden schützenden Blatt (Ill. 450). Seit der Mensch im Neolithikum gelernt hatte, die Zapfenverbindung herzustellen, war er beständig mit dem Problem konfrontiert, sich unfreiwillig eine Art Regenrinne ohne Ablauf geschaffen zu haben. Je genauer der Zapfen in das Loch eingepasst wurde, desto weniger leicht machte man es dem Wasser. Manchmal aber erzwin­gen konstruktive Bedingungen, das Loch größer zu schneiden als den Zapfen. Die Säulen mancher Stabkirchen waren einfach zu groß und schwer, um mit den Zapfen an ihren Fußenden in die Schwellenlöcher gesteckt zu werden, und die Löcher mussten an der Außen­seite so abgerundet werden, dass die Zimmerleute die Säulen über die Verbindung Zapfen – Zapfenloch an den ihnen bestimmten Platz kippen konnten.234 Verhindern konnte man den Eintritt von Wasser nicht, solange es nicht gelang, den Regen nicht an die Schnittstelle der zwei zu verbindenden Hölzer heranzulassen. In die Verbindung sollte erst gar nicht Wasser eindringen können. Die Lösung fand sich im Blattzapfen, dessen Nützlichkeit seiner weiten Verbreitung entsprach. (Wie weit dann im Einzel-

450  Verandendetail eines Hauses in Øverbø/Telemark (N)

451  Zwei Wächter schützen den Eingang dieses loft in Brunkeberg/ Telemark (N).

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fall tatsächlich die Blatt-Zapfen-Kombination vorliegt, ließe sich in vielen Fällen nur nach Öffnung der Verbindung verifizieren. (Ill. 451) Will man Phleps glauben, und Holan bestätigt ihn,235 handelt es sich bei den norwegischen Beispielen zum Teil um umgedrehte Einhälsungen, also einen Schlitz am Fuß des Ständers, der über die Schwelle gestülpt wird, ohne dass ein Zapfen in sie eindringt.236 Als Schutzkonstruktion vor Regenwasser wird die Ständerschale im Allgemeinen als eine Entwicklung aus dem Ständerbau angesehen. Doch auch in reinen Blockbaugebieten hat man sich ihrer Vorzüge bedient, etwa um eine Blockwand vom Gewicht des Daches zu entlasten. (Ill. 452) Wo immer ein Ständer auf eine Schwelle gestellt wurde, war man mit dem gleichen Problem des Regenwassers konfrontiert. (Ill. 453). Besonders in der Verlängerung des Eckständers muss sich die Ständerschale als besonders vorteilhaft erwiesen haben. (Ill. 454) An dieser Stelle gelang es nämlich, der Ver­ bindung weitere Aufgaben zuzuweisen. Zum einen ließen sich die zwei aufeinandertreffenden Schwellhölzer mit dem Zapfen fixie­ ren, und diese Verbindung dreier Hölzer bewirkte eine beachtliche Verfestigung des Gefüges im Vergleich zum paarweise getrennten Abbund. (Ill. 455) Zum Zweiten war mit einem Schlag das leidige Problem des wetterempfindlichen Hirnholzes aus der Welt geschafft. Als Säule trifft man, besonders häufig in Nordeuropa, den Ständer mit rundem Querschnitt an. Die Ecksäulen des sval, des den Bau­ körper der Stabkirchen schützenden Umgangs, können auf zweier­ lei verschiedene Weise über die Schwellenecke gestülpt werden. Einmal übergreift der kreuzförmig eingeschnittene Ständer die

452  Die Ständerzapfen der Kirche in Tročany (SK) werden durch ein der Schwel­­lenform angepasstes Blatt ver­ borgen.

453  Ganz im Sinne konstruktiven Holz­ schutzes schützt das Blatt Zapfen und Zapfenloch vor Wasser.

454  Der Eckständer des Alten Gerichts in Sulz/Vorarlberg (A) verbindet und schützt die Schwellenenden.

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455  Weit weniger effektiv als die Stän­ derschale war ein Ständerzapfen, der nur in einen Schwellenbalken eingriff. – Niederneunforn/Thurngau (CH)

456  Optimal schützt die Ecksäule des im Obergeschoss ausgekragten sval eines stabbur in Øverbø/Telemark (N) die Eckverbindung der Schwellen.

457  Ständerblatt und die der Schwellen­ecke aufgehälste Stütze schaf­ fen in Kom­bination wieder eine neue Verbin­dung. – Laubengang in Rauland/ Telemark (N)

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überblatteten Schwellen. Fixierung und Schutz gehen hier Hand in Hand, denn die vier Finger des Säulenfußes verhindern optimal, dass Wasser an die Verbindung herankommt. Wir haben diese Verbindung auf p. 135f. im Zusammenhang mit den Speichern vorgestellt. Eine besonders aufwendige Bearbeitung erfährt sie dort, wo die Schwellbalken einen trapezförmigen Querschnitt aufwei­sen, wie es bei den Stabkirchen der Fall ist. Die zweite Form erinnert verblüffend an das Prinzip der Ständerschale an der Ecke. (Ill. 456) Gerade die Tatsache, dass zwei Knotenformen auftreten, macht den konstruktiven Zusammenhang von sval-Ecke der Stabkirchen mit der Ecksäule des dem Obergeschoss des loft oder stabbur vorgelagerten sval augenfällig.237 (Ill. 457) Auch wenn diese Verbindung im 17. Jahrhundert aufgegeben wur­de,238 hatte man sich damit noch nicht des Problems entledigt. Eine recht simple Lösung schien das Durchbohren des Zapfenloches zu bieten. Wenigstens das Wasser, das der Zapfen nicht aufsaugte, konnte so wieder abrinnen, und die geschaffene Belüftungsöffnung ließ das Holz rascher wieder trocknen. Eine wesentlich elegantere Lösung ließen sich die Zimmerleute mit dem Kreuzzapfen einfallen. (Ill. 458) Das von Breymann vorgestellte Beispiel macht seine Erklärung, dass das eindringende Wasser sich nicht festsetzen könnte, sondern wie­ der abliefe,239 nachvollziehbar, aber es suggeriert geradezu, dass aus dieser Idee wesentlich mehr herauszuholen gewesen wäre. (Ill. 459) Ständer, die am Boden stehen, werden von der Feuchtigkeit auch dann in Mitleidenschaft gezogen, wenn sie mit einem Steinsockel

458  Kreuzzapfen (aus: Breymann, 1900, fig. 76B)

459  Hätte man die für den Ständer ausgearbeiteten Zapfen„löcher“ in der Schwelle von der Mitte ausgehend zum Rand hin abfallend gestaltet, hätte das Wasser wirklich abrinnen können.

460  Pfostenfußerneuerung einer ein­fa­ chen Harpfe in Kramsach/Tirol (A)

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461  Die Textur von Zelkova serrata zeigt, wie sorgfältig der Zimmermann das Ersatzstück für eine Säulenbasis des Eingangstors zum Honmon-ji in Tokyo-Ikegami (J) ausgewählt hat.

463  Vergleichsweise primitiv mutet die Sockelfußerneuerung der Kärntner Harpfe (A) im Freilichtmuseum Stübing an.

unterlegt sind. Wesentlich häufiger als bei allen anderen Konstruktionsteilen ist die Erneuerung des Ständerfußes notwendig. (Ill. 460) Sowohl in Europa als auch in Japan hat sich der Zimmermann da­bei auf Altbewährtes verlassen. (Ill. 461) Ein augenfälliger Unterschied zwischen den japanischen und europäischen Lösungen besteht hingegen in der Komplexität der Verbindung und ihrer Aus­füh­rung. (Ill. 462; Ill. 463) In Japan erforderten die klimatischen Bedingungen zudem eine ungleich häufigere Auswechslung als in Europa. (Ill. 466) Mache Holzverbindungen werden von der Witterung unverwend­ bar gemacht. Der schräge Fugennagel beispielsweise war eine eben­ so starke wie weit verbreitete Verbindung.240 Dennoch musste er dem geraden Nagel weichen. Einer der Gründe könnte auch in die­ sem Fall darin liegen, dass der von oben nach unten schräg eingeschlagene Nagel wie ein Trichter wirkt, der alles auftreffende Was­ ser auf kürzestem Weg in das gestemmte Loch leitet. (Ill. 467) An welcher Stelle, wenn nicht am Dach, musste die Witterung besonders deutlich ihre Spuren hinterlassen. Die Entwicklung des Daches hat gezeigt, dass bestimmte Winkel der Dachneigung mit dem Deckungsmaterial korrelieren. Davon hängt die Effektivität und, nicht zuletzt, die Lebensdauer der Dachdeckung ab. (Ill. 464) Ein Charakteristikum aller Dachdeckungen ist ihre Flächigkeit. Zur Herstellung von Flächen bedarf es Breitenverbindungen. Holzschin­ deldächer wurden in Japan wie in Europa verwendet. Eine europäische Spezialität dürfte die Nutschindel gewesen sein. (Ill. 465) Ob

462  Ständerfußerneuerung am Osaka­ jo sakuramon/Osaka (J)

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464  Weil vergleichsweise kurzlebig, auf­wendig und kostspielig, wird auch in Japan das Grasdach immer seltener. – Makino cho-Ari hara/Shiga (J)

466  Ist der Steinsockel am Tempeltor in Hagi/Yamaguchi (J) Ausdruck von Über­ druss oder in seiner perfekt der Holzform angepassten Ausformung Spiegelbild lustvollen Scherzens?

465  Nutschindel an der Kirche in Hronsek (SK)

467  Schräge Fugennägel halten den gestückelten Blockbalken im Gefüge. – Stall/Kärnten (A)

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468  Die Bohlen der Stabwand der Kirche in Torpo/Buskerud (N) sind genau­ so ge­fügt wie Nutschindel.

es Entwicklungszusammenhänge zwischen Stabwänden und Nutschindeln gegeben hat, müsste überprüft werden; ihre Querschnitte sind in der Form jedenfalls absolut identisch. (Ill. 468) Die Funktion und infolgedessen auch die Wirkungsweise von Nutschindeln und Stabkirchenwänden ist die gleiche: Die in die Nut geschobene Fe­der verstärkt die Abdichtung, die bereits dadurch gewährleistet war, dass die Verlegungsrichtung der Schindel nach der Windrichtung orientiert war. Im Gegensatz zu den zwar auch nicht richtungslo­sen Leg- und Nagelschindelbrettern leitet das Nutschindeldach das auftreffende Wasser noch effektiver ab, denn die einzelnen Brettchen können sich nicht aus ihrer Verbindung drehen und garantieren so die Dichtheit. Teilweise von sehr anderen Ansätzen sind japanische Dächer ausge­ gangen. Je glatter die Oberfläche eines Materials ist, desto schnel­ ler fließt Wasser an ihr ab. Diese Tatsache, in Beziehung mit der leich­ten Spaltbarkeit von Bambus gebracht, ergab eine ideale Dach­ deckung. (Ill. 469) Ihre mangelnde Widerstandsfähigkeit, die kurze Lebensdauer und die Unmöglichkeit, größere Dachflächen in die­ ser Weise einzudecken, bewirkten, dass nur Reminiszenzen überlebten. (Ill. 470) Vergessen muss man glücklicherweise diese ge­niale Idee nicht, denn in Kultbauten hatten sie eine Übersetzung in eine uns Europäern geläufigere Sprache gefunden. (Ill. 472; Ill. 473) Eine ganz ähnliche Verbindung wie die japanische begegnet uns im nördlichen Europa.241 Gespaltenen Halbhölzern verlieh man einen

469  In seiner Leichtigkeit unüberbiet­ bar, in seinem Wasserableitungssystem genial einfach, hat das Bambusdach doch zu­viele Nachteile, um sich heute noch zu behaupten. – Yokohama/Kanagawa (J) (Foto: Kawashima Chuji)

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470  Die Giebelverzierung des Mudo-ji/ Hyogo (J) erinnert noch an alte Formen.

471  Beispiele finnischer Dachdeckun­ gen

472  Die Dachdeckung des Nyakuoji jinja/Hyogo (J) transponiert formal die Idee der Bambusdeckung in Holz.

473  Am Hōryū-ji gojūnotō/Ikaruga (J) ist die Ausformung perfektioniert.

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474  Die Luftzirkulation unter dem Haus war mindestens ebenso bedeutend wie im Hausinneren. – Ainokura/Toyama (J)

trogartigen Querschnitt durch Eintiefung in der Längsrichtung. Die Hölzer wurden zweilagig und versetzt verlegt. Die untere Lage hatte ihre Rinne nach oben, die obere überdachte die Zwischenräume. Es handelte sich um das gleiche System wie bei der Bambusdeckung, seine Herstellung war hingegen weit aufwendiger. (Ill. 471) Diverse Verfeinerungen dieser Bauweise betrafen in erster Linie den Übergang vom Halbholz zu Bohlen. Die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit in Japan liegt bei etwa 75 %. Damit überhaupt ein Bauen mit Holz möglich war, musste deshalb das Haus vom Boden hochgehoben werden (Ill. 474), denn selbst die Belüftung durch nach allen Seiten hin zu öffnende und ver­schieb­ bare Wände wäre nicht ausreichend gewesen. Das Haus bedurfte auch der Belüftung von unten. (Ill. 476) In ganz Europa waren Speicher anzutreffen, die nach dem gleichen Prinzip auf Stützen gestellt wurden. (Ill. 475) Wenngleich auch in diesem Fall gilt, dass der Speicherinhalt vor Bodenfeuchtigkeit geschützt wer­den sollte, lag doch ein wesentliches Schwergewicht in der Absicht, das Speicher­gut dem Zugriff ungebetener Gäste zu entziehen. In Japan betraf das Hochstellen den Wohnbereich in gleicher Weise. Die rechtwinkelige Verbindung zweier Hölzer ist zwar zunächst ein­mal ein konstruktives Problem. Je anspruchsvoller und langlebiger der Mensch bauen wollte, desto mehr musste er aber auch zur Kennt­nis nehmen, dass jegliche Ausformung von Zap­fen oder Blättern, Verdübelungen oder Verkeilungen eine bestimmte Holzeigenschaft nicht aus der Welt schaffen konnten: Hirnholz bedarf des besonderen Schutzes. Wollte man sich nicht bloß mit vorgenagelten Schutzbrettern bescheiden, musste man konstruktive Lösungen suchen, die alles Hirnholz ins Innere der Verbindung verlegten. Der Weg dorthin war ein äußerst beschwerlicher; musste doch der konstruktive Teil der Verbindung Platz machen zugunsten einer nach außen weisenden Gehrung. In Japan kommt zur holzschützenden Komponente dieser Entwicklung noch eine ästhetische hinzu. Ihr muss der für europäisches Verständnis nicht vertretbare Aufwand, aber auch die in Jahrhunderten erreichte, gar nicht so ohne Weiteres durchschaubare Komplexität der Holzverbindun­ gen zugeschrieben werden.242 Schritt für Schritt tastete man sich voran, bis man in Europa zu Ergebnissen gelangte, mit denen man leben konnte. (Ill. 478) Nicht

475  Das Hochstellen in Europa mag auch der Belüftung gedient haben. Primär ging es aber um den Schutz des Speichergutes vor Tieren. – Gudbrands­ gard/Buskerud (N)

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476  Wenn aus verschiedenen Gründen der Freiraum unter dem Fußbodenniveau verbrettert war, zeigen dennoch Luft­ schlitze seine Funktion an. – Imai cho/ Nara (J)

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478  Verbindungsknoten einer Hausecke in Rothenburg/Bayern (D)

477  Hausecke in Heppenheim/Hessen (D), die außer den Deckenbalkenköpfen kein Hirn­holz zeigt.

479  Verschiedene europäische Eckver­ bindungen, die versuchen, der Gefähr­ dung des Hirnholzes Rechnung zu tra­gen. (nach: Gerner, 1992)

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480  Beispiele wie dieses aus Tono shi/ Iwate (J) machen sichtbar, dass die ­Ver­bindung auch ästhetische Funktionen zu erfüllen hatte.

oft waren Beispiele zu finden, die nach außen hin nur einen Gehrungsschnitt zeigten. (Ill. 479) Schaut man sich die Lösungsversuche an japanischen Bauten an, muss man den Eindruck gewinnen, dass dort die Verbindungen an einfacheren Bauten anfangen, wo euro­päische Zimmermannskunst endet. (Ill. 477; Ill. 480) Den verdeck­ten Scherzapfen schnitten schon im 1. Jahrtausend die Zimmerleute, die den Daigo-ji in Kyoto errichteten!243 Einige dieser Verbindungen, die letztlich also auf klimatische Umstände reagieren, seien im Folgenden beschrieben. Für die fünfstöckige Pagode des Myoo-in dachte sich der Zimmermann ein Hakenblatt aus. (Ill. 481) Um beide Teile der Verbindung 224

in gleicher Weise gegen ein Auseinanderziehen zu sichern, war der Haken in der Diagonale, in der Verlängerung der Gehrung, angelegt. Auch der Druck auf den Haken war zu minimieren. Speziell der möglichen Hebelwirkung der Gehrung waren zwei weitere Vorkehrungen entgegengestellt: zum einen der kleine Schwalbenschwanz und zum Zweiten der Steckfalz an der Innenkante der Verbindung. Die fünfstöckige Pagode des Kaijusen-ji zeigt zwei Varianten von Blattverbindungen. (Ill. 482) Durch vielfältige Verästelung von Fäl­ zen und Zapfen an den Stirnseiten wurde hier die Aufgabe gelöst. Auffallend ist die ganz besonders aufwendige Gliederung an der äußeren und inneren Ecke der Verbindung. Der Grund für diese den Europäern in der Zimmerei so fremde, ziselierte Ausformung der Verbindung liegt neben der Kräfteverteilung in dem Bemühen, die Gehrung weder verschieben noch klaffen zu lassen. Schon diese beiden Beispiele zeigen, dass bewusst alle Möglichkei­ ten ausgeschöpft wurden, um einem ganz speziellen technischen Zweck zu dienen. Die erste genannte Verbindung war gegen ein Auseinanderziehen konstruiert, die zweite gegen ein senkrechtes Ausweichen der beiden Teile. Der japanische Zimmermann machte es sich zur Aufgabe, nicht nur für die jeweilige Bauaufgabe eine Ver­ bindung herzustellen, sondern in jedem neuen Bauwerk von Bedeu­ tung die gewonnenen Erfahrungen mit neuen Ideen kombiniert auszutesten. Wie es in der Namensgebung mancher Verbindung zum Ausdruck kommt, für welchen speziellen Zweck sie entworfen wurde, so gewinnt sie erst durch ihren Einbau in die Konstruktion ihre letzte Schlüssigkeit: Im ersten Fall die Sicherung gegen senkrechte Verschiebung, im zweiten die gegen waagrechte. Die Rähmecke der dreistöckigen Pagode des Kongorin-ji lässt für das Hakenblatt besonders wenig Raum. (Ill. 483) Da die Gehrung ebenfalls an der Oberseite vorgesehen war, musste das Hakenblatt einseitig einschiebbar angelegt werden. Die extrem lange Gehrung erhielt ihre Sicherung gegen Verkanten durch einen dreieckigen Zapfen. Nicht zufällig liegt er in der Verlängerung der seitlichen Begrenzung der Blattsasse. Dadurch verringert sich der mögliche Hebeldruck auf den Blatthaken. Gegen ein horizontales Auseinanderziehen sichert die Säule, die das innere Eck der Balken einschließt und bis auf Rähmoberkante verlängert ist, mit zwei mächtigen Zapfen. Gemäß ihrer Funktion sind sie unterschiedlich massiv: In der Richtung, in die ein Auseinanderziehen der Eckverbindung mög­lich wäre, wurde der Zapfen nahezu doppelt so stark vorgesehen wie in der anderen. Die zwei Fälze links und rechts der Säulenverlängerung dienen einer gewissen Verwindungssteifigkeit und dar­über hinaus dem Zweck, die Fuge, sollte sie zum Spalt werden, nicht zu auffällig werden zu lassen. Eine vergleichsweise einfache Lösung hat der Zimmermann des Tomyo-ji gefunden. (Ill. 484) Ein Doppelzapfen wird durch einen über die Diagonale schräg eingeschobenen shachi-sen fix verbun­ den. Um die ohnedies recht zarten Zapfen der Schwellenhölzer nicht über Gebühr zu beanspruchen, greifen zwei mächtige Zapfen aus der Säule in die Schwelle ein. In diesem Fall übernehmen nicht Fälze die Aufgabe, die Fuge zu verstecken, sondern der Ständerfuß greift zur Gänze in eine Ausnehmung der Schwelle. An der einzigen Stelle, an der abzulesen wäre, wie die Verbindung aufgebaut ist, übergreift also der Säulenfuß die innere Ecke der Ver­bindung. Die prinzipielle Ungebundenheit in der Ausformung einer Verbindung erlaubte es den Zimmerleuten, jede Aufgabe individuell zu lösen. Gerade das Ausnutzen dieser Freiheit ermög-

481  Rähmecke des Myoo-in gojūnotō/ Hiroshima (J) (nach: Bunkazai ..., p. 231/2)

482  Rähmecke des Kaijusen-ji gojūnotō/Kyoto (J) (nach: ibid., p. 153/1)

483  Rähmecke des Kongorin-ji sanjūnotō/Shiga (J) (nach: ibid., p. 262/1)

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lichte bis­ weilen staunenswert einfache Lösungen – und dann wie­der zeichnerisch gar nicht mehr fassbare geistige Spielereien. Von außen ist jedenfalls manchmal nicht zu erkennen, wie es dem Zimmermann gelungen ist, extrem exponierte Schwellenecken so zu verbinden, dass diese nicht klaffen. (Ill. 485) Reichtum und Knappheit des Holzvorkommens Drei Überlegungen sind von Belang: Welche Auswirkungen hat ein sehr geringes Holzvorkommen, welche ein reichliches und, als drit­ter Punkt, welche Folgen zeigt ein Schwinden der gewohnten Verfügbarkeit? Es ist grundsätzlich interessant festzustellen, dass auch in solchen Gegenden mit Holz gebaut wurde, wo dies von der Ressourcenlage her nicht zu erwarten gewesen wäre. Island, das an der nördlichen Baumgrenze liegt, hat schon zur Zeit seiner Besiedlung im 9. Jahr­hundert n. Chr. praktisch überhaupt kein Bauholz zur Verfügung ge­habt.244 Die eingewanderten Norweger wollten aber auf ihr gewohntes Baumaterial nicht verzichten. Zwei Möglichkeiten boten sich ihnen. Der Golfstrom lieferte zum alleinigen Preis des Fischens erstaunlich wertvolles Holz aus Amerika und dem Mündungsgebiet sibirischer Flüsse im Eismeer.245 Bedingt durch stetes Wenigerwerden dieses Treibholzes, mussten die Isländer in zunehmendem Maße auf die viel kostspieligere Quelle des Imports aus Norwegen zurückgreifen.246 Wer sich das nicht leisten konnte, verdingte sich als Gastarbeiter und ließ sich in Holz auszahlen.247 Darüber hinaus mussten die Bewohner Islands sich mit möglichst sparsam gehaltenen Dimensionen bescheiden.248 Eine reiche Fülle an verschieden­artigen Dachkonstruktionen wider­ legt aber die Behauptung, dass Holz „keinen Anteil am konstrukti­ ven Aufbau des Hauses“249 gehabt hätte. Bedingt durch den Holzmangel, konnte man keine neuen Konstruktionen entwickeln und musste stattdessen das Bekannte bescheiden, aber umso geschick­ ter modifizieren.250 Ausgrabungen belegen, dass die Technik, eine Mantelmauer rund um Reihen freistehender Säulen zu errichten, die ein Dach getra­ gen haben, den Norwegern nicht unbekannt war. Bestanden die Mauern im Heimatland aus Stein oder Lehm, wurden sie in Island durch Grassoden ersetzt.251 So unglaublich es klingt, hat man dabei niemals den Unfug abgestellt, dass Feuchtigkeit zwischen Hauskonstruktion und Sodenwand eindringen konnte, und das, obwohl das Holz so wertvoll war. Es wäre, müsste man annehmen, ein Leichtes gewesen, das Dach über die umgebenden Mauern zu ziehen. Es ist nie geschehen.252 Nicht unähnliche regionale Bedingungen fanden die Lappen vor. Auch sie lebten jenseits der Waldgrenze. Ihre sehr anders geartete Lebensweise erzwang die Entwicklung mitnehmbarer Behausun­gen, die ganz leicht sein mussten und möglichst rasch auf- und abgebaut werden konnten. Weniger beschwerlich wäre vielleicht gewe­ sen, am jeweiligen Standplatz sich das benötigte Holz zu besor­gen, aber da dieses Material nicht zur Verfügung stand, schufen die Lap­pen unter dem Zwang der Umstände eine genial einfache, vollendete und insofern nicht weiter entwicklungsfähige Konstruktion. (Ill. 487) Zwei „Giebelhölzer“ werden scherenartig aneinandergestellt. Am Gelenk wird durch eines der vorgebohrten Löcher eine Firststange gesteckt, die die schräg nach innen geneigten Scheren fixiert. Um die mitgenommene, bewegliche Unterkunft

484  Schwellenecke des Tomyo-ji hondō/Kanagawa (J) (nach: ibid., p. 255/1)

485  Nur das Wissen, dass es anders nicht möglich wäre, und die Zeichnung des Holzes erzwingen die Schlussfol­ gerung, dass die Schwellenecke des Toyoda-Hauses in Imai cho/Nara (J) eine Holzverbindung verbirgt.

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jedem Ge­lände anpassen zu können, besitzen die vier Giebelstangen an ihren oberen Enden mehrere Löcher. Beim Transport werden die un­teren Enden der Stangen über den Boden gezogen. Dadurch wer­den sie im Laufe der Zeit kürzer. Die dank mehrerer Löcher adaptierbare Verbindung wird auch diesem Problem gerecht.253 Zu einer sehr anderen Entwicklung führte die Holzarmut Spaniens im 12. bzw. 13. Jahrhundert unter maurischem Einfluss. Um den kuppelartigen Abschluss, der schon das Kirgisenzelt kennzeichnete, in eine feste Holzkonstruktion zu übertragen, entwickelten die Zimmerleute254 eine sehr eigenwillige Konstruktion aus Brettern und Klötzchen. (Ill. 486) Das so erzielte Ergebnis ist äußerst eindrucksvoll, die Verbindungstechnik selbst hingegen eine seit Langem nicht weiterentwickelte.255 „Im allgemeinen haben wir von der Holzbaukunst früherer Zeiten eine falsche Vorstellung. Wir geben ihr gerne ein rohes Aussehen. Man wird jedoch eines besseren belehrt, sobald man die Wirklichkeit kennenlernt.“256 Auch in Italien ist Holz nur partiell im Bauwesen zum Einsatz gelangt. Dies ist nicht so sehr wie in Spanien im Mangel begründet als vielmehr mit festverwurzelten Traditionen.257 Speziell im länd­ lichen Bereich ist das Holzhaus sehr selten „und nur in einzelnen gebirgigen Gegenden anzutreffen“.258 Mit umgekehrtem Vorzeichen ist die Entwicklung im Erzgebirge und den Sudeten zu lesen. Gerade wegen des reichlichen Vorkommens der benötigten Ressourcen259 und der Übernahme der tra­di­tio­ nellen Bauweise der Umgebung, dem Blockbau, mussten die Bewoh­­ ner eine neue Technik entwickeln. Die mittelalterlichen deut­­schen Siedler waren gewohnt, Fachwerke zu errichten.260 Es müs­sen schon sehr triftige Gründe vorgelegen haben, um sie zur Aufgabe dieser Bauweise zu bewegen. Auf der anderen Seite legt die­ses Wis­sen im Fachwerkbau den Schluss nahe, dass daraus die spezifische Form der Abstützung im Umgebinde entstanden sein könnte. Die Qualität des vorgefundenen Holzes entsprach in dieser Region nicht dem des benachbarten Böhmerwaldes, wo man gewohnt war, so­gar mehrgeschossige Blockbauten aufzuführen. Die Bäume wuch­ sen hier so ausgeprägt pyramidenförmig, dass ein wirklich dichter Verband nicht zu erzielen war. Außerdem war das Holz weniger druck­fest.261 Auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Blockbal­ken zu entlasten, entwickelte sich die Umgebindekonstruktion. (Ill. 488) In den Gegenden Rumäniens, in denen Bauholz größerer Dimension nicht zur Verfügung stand, beharrte man auf dem Rutengeflecht (Ill. 489), nicht nur in der Konstruktion des Wohnhauses. Auch Got­teshäuser wurden so errichtet.262 „Unzählig ist die Zahl der Kirchen, die diesen Namen nur dank ihrer Funktion tragen; ihre architektonischen Elemente kennzeichnen sie aber alle als Wohnhäuser.“ Man­che erhielten nicht einmal mehr einen Turm.263 Sehr anders stellte sich die Situation in jenen Regionen und Zeiten dar, als Holzknappheit kaum vorstellbar war. Der Reichtum war es ja gerade, der die materialspezifische Technologie hat entstehen lassen.264 In Europa verfügt man nur noch vereinzelt über solch eindrucksvolle Zeugnisse wie in Japan. Der Einbau eines 42,50 m langen Rähm­bal­ kens im Wheat Barn in Cressing/Essex (GB) konnte für 1260 nach­ ge­wiesen werden. Es muss eine der längsten Eichen jener Zeit ge­we­sen sein.265 Falls man ganz allgemein den Einbau extrem langer Hölzer als Indikator für eine frühe Entstehungszeit werten kann, weil solches Holz immer schwieriger zu erhalten war, dann lassen auch die Maße der Binderbalken über St. Paul’s/London (GB)

486  Verbindung von Brettern und Holz­ klötzen zu jeder beliebigen drei­dimen­ sionalen Form (aus: Uhde, 1903, Bd. II, fig. 126, 127, 138)

487  Ständerkonstruktion eines Lappen­ zeltes (aus: Sirelius, 1906, fig. 25)

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staunen: Es dauerte Jahre, die 50 mehr als 16 m langen Balken 1696 endlich an die Baustelle zu bekommen.266 Große Tempel mussten aus sehr umfangreichen Bäumen gebaut werden, die besonders dicht gewachsenen Wäldern entstammten. Die Pagode des Hōryū-ji und die östliche des Yakushi-ji sind aus solchen gefertigt, die 2000 bis 2600 Jahre alt waren. Auch die Tempelsäulen gehören einer solchen Spezies an.267 In der neu errichteten Westpagode sind wiederum bis zu 2000 Jahre alte Bäume (aus Tai­wan) eingebaut.268 Den Luxus, die Säulen aus halbierten Stäm­men zu fertigen, hat man sich nicht mehr als Standard geleistet. Der Tōdai-ji gilt heute als das größte Holzbauwerk der Welt. (Ill. 490) Die ursprüngliche Größe des Daibutsuden (Große Buddha-Halle) maß ca. 86 × 50 m bei einer Höhe von 50 m, und die Höhe der beiden flankierenden Pagoden überstieg 100 m.269 Japan ist noch heute ein waldreiches Land, aber von Wäldern, die solche Bäume zur Verfügung gestellt haben, kann es schon lange nur noch träu­men, ebenso wie die Länder Europas. (Ill. 491) Die Jomon-sugi auf Yakushima/Okinawa (J) erinnern noch an solche Exemplare von Bäu­men; nicht umsonst leiten sie ihren Namen von der jungsteinzeitlichen Periode Japans her (10.000–300 v. Chr.). Wenigstens 25 m lang müssen die gerade gewachsenen Eichen gewesen sein, aus der die Kiele der Wikingerschiffe gefertigt wurden.  Für die Anfertigung der Rekonstruktion der Schiffe muss­ ten die Norweger auf kanadisches Holz zurückgreifen.270 Sie haben sich mit dem gleichen Problem konfrontiert gesehen wie die Japa­ ner, die heute in Vietnam und Laos auf Holzsuche gehen müs­sen, nachdem sie auch in Taiwan nicht mehr fündig werden.271 Bei der Rekonstruktion der Wikingerburgen stellte man fest, dass pro Gebäude fünfzig große, alte und makellos gewachsene Eichenbäume erforderlich waren. Die radial aufgespaltenen Stämme stellten Bohlen bis zu einem halben Meter Breite zur Verfügung!272 Bei den Stabkirchen wiesen die die Hauptlast tragenden, über den Kreuzungspunkten der inneren Schwellen aufgerichteten vier Eck­säu­len an ihrem Fußende einen Umfang von bis zu 2 m auf.273 Die Stabbauten mit Holzknappheit in Verbindung zu bringen, was Autoren behauptet haben,274 mutet unverständlich an. Nur die Möglichkeit, auf allerbestes Material275 zurückgreifen zu können, das sich nun einmal nur aus großer Masse auswählen lässt, kann als Voraussetzung für die großartigen Konstruktionen gelten, die dann mit im Grunde verblüffend einfachen Verbindungstechniken ihr Auslan­gen fanden. Ähnliche Beispiele für einen großartigen alten Holzbestand finden sich in vielen Ländern Europas. In Rumänien konnten bis nahezu in unsere Tage Schwellen mit fast einem Meter Durchmesser verbaut werden.276 Panoiu sagt dezidiert, dass „der Holzreichtum die Beibe­ hal­tung und Kontinuität der überlieferten Bauverfahren ermöglichte“.277 Die heute noch stehenden slowakischen Holzkirchen an der Grenze zur Ukraine weisen durchweg Balken von mehr als einem halben Meter Stärke auf. In noch erhaltenen Bauern­häusern Norwegens wurden Blockbalken von 11 m Länge verbaut,278 in solchen Schwedens und Finnlands Fußbodendielen von einem Meter Breite.279 In Russland konnten noch im 17. Jahrhundert Blockbauten errichtet werden, deren Balken bis zu 12 m lang waren und die an ihrem Zopfende einen Durchmesser von über einem halben Meter aufwiesen.280 Die Schwellbalken der Mariä-Himmelfahrts-Kirche im karelischen Kondopoga (RUS) messen 70cm im Durchmesser.281 In der nördlichen Schweiz baute man bis vor nahezu 100 Jahren

488  Unter Ausnutzung der wesentlich größeren vertikalen Druckfestigkeit des Materials stellte man Entlastungsstüt­zen vor den erdgeschossigen Blockteil, die die Last des Daches oder auch eines weiteren Stockwerkes zu übernehmen hatten. – Rozstání (CZ)

489  Dieses Haus bei Cicîrlaˇu/Mara­mu­res˛ (RO) ist noch zur Gänze gefloch­ten. Die Hauswände sind mit Lehm verschmiert.

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490  Auch in der heutigen verkleinerten Version ist der Tōdai-ji daibutsuden/Nara (J) immer noch ein imposantes Gebäude.

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491  Gassho-zukuri-Häuser in Shira­ kawa mura/Gifu (J) eingebettet in reine Waldlandschaft

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Firstsäulenhäuser mit Firstständern bis zu 16 m hoch.282 Für die aus dem Be­ginn des 14. Jahrhunderts stammende Johanneskirche in Freising/Bayern (D) konnte man sich noch den Luxus leisten, den Kaiserstiel, einen Eichenstamm von einem halben Meter Durchmesser, für seine Aufhängung um 87 % seines Querschnittes zu berauben!283 Im Stephansdom in Wien (A) war der Dachstuhl aus 2889 Hauptstämmen errichtet.284 Orte, deren Name darauf hinweist, dass sie an der Stelle früherer Wälder entstanden sind285, können ebenso als Zeichen dafür angesehen werden, dass an Holz kein Mangel herrschte, wie verbriefte Rechte, die eine Entnahme von Bauholz aus dem obrigkeitlichen oder gemeindeeigenen Besitz umsonst oder zu einem sehr gerin­ gen Entgelt gestatteten.286 In wirklich abgelegenen Gegenden kann man sich heute noch erlauben, an Traditionen festzuhalten, die andernorts als Frevel erscheinen müssten: Der „holzfressende Zaun“ ist ein solches Beispiel.287 (Ill. 492) Müsste er aber tatsächlich alljährlich erneuert werden,288 hätte man wohl selbst in waldreichen Gegenden längst mit dieser Tradition gebrochen. Ein reiches Holzvorkommen bedeutete aber nicht grundsätzlich, dass dieses für alle verfügbar gewesen wäre. Am Fuße des Riesenund Adlergebirges (CZ) waren im 19. Jahrhundert die sozial schwä­ che­ren Schichten der Bevölkerung genötigt, für sich sogenannte Scheit­holzhäuser zu bauen.289 (Ill. 493) Ein Beispiel für quasi industrielle Nutzung eines großen Holzreichtums findet sich in den Karpaten. Rumänische Bauern, die besondere Fertigkeit im Zimmern erwor­ben hatten, schlossen sich dorfweise zusammen, fertigten kleine Holzhäuser an und boten sie interessierten Käufern an, die sie dann heimführten. Nach festen Grundrissen wurden so Häuser „von der Stange“ produziert, aber auch jeder individuelle Wunsch konnte deponiert werden, weil der Besteller in der Regel einen bestimm­ten, ihm vom Hörensagen bekannten Zimmermann aufsuchte. Wurde ursprünglich auch für entlegenere Gegenden Rumäniens und Ungarn produziert, so beschränkten sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Absatzmärkte auf die nächste Umgebung. Es wurden offensichtlich auch Kirchen auf Bestellung gebaut und geliefert. Die Inschrift: „Gebaut an Ort und Stelle – Hier in Börvely“ [rum. Berveni]/Siebenbürgen (RO) ist also nicht ganz so kurios, wie sie sich auf den ersten Blick präsentiert.290 Wir sind es gewohnt, Werte in Zahlenvergleichen auszudrücken. Im ausgehenden 16. Jahrhundert hat „ein anständiges Haus auch dort[,] ... wo es nicht so viel Wald gibt“, zwanzig Rubel gekostet.291 Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Preis einer Holzkirche mit dem für einen oder zwei Stiere eingeschätzt.292 Unter solch paradiesischen Umständen muss der Umgang mit dem so preiswerten Material zuweilen schlichtweg als schlampig293 bezeichnet werden. Wenn Scheunen über einer Grundfläche von 57 × 15 m nichts weiter zu tragen haben als das Dach, aber zu ihrer Herstellung 25 Eichen mit einem Alter von 200 Jahren und 100 Kiefern mit einem Alter von 120 Jahren gefällt werden müssen, so ist dies „kaum noch zu verantworten“.294 Es kann nicht verwundern, dass ein Überangebot an Material nicht gerade zu sparsamem Umgang anregt. Und ebenso wenig wird überraschen, dass einmal entwickelte Verbindungstechniken unter diesen Bedingungen keine Veränderung erfuhren. „So ist es in Italien ganz allgemein Brauch gewesen, den Schwierigkeiten, die die Herstellung eines großen Dachwerkes bot, dadurch zu begegnen, dass man unter Beibehaltung einer einfachen Konstruktion Hölzer von

492  Der massiven Erscheinung dieses Zaunes entspricht die große Menge an verbautem Holz. – Obernberg/Tirol (A)

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ge­waltiger Stärke anwandte.“295 Im italienischen Mittelalter baute man noch nach dem „Gesetz des relativen Maßstabes“.296 Je nach Größe eines Bauwerkes variierte die Holzstärke, nicht die Konstruktion. Die Binder der Kathedrale von Messina (I) überspannten die Kirchenhalle über die gewaltige Distanz von 14 m frei von Auflager zu Auflager mit einem entsprechend großen Querschnitt von 80 × 45 cm.297 Erst der drängende Anlass auftretender Verknappung der Materialressourcen nötigte zum Überdenken tradierter Lösungsstrategien. Ge- und Verbote,298 erlassen von einer ihre wirtschaftlichen Interessen bedroht sehenden Obrigkeit, waren jedenfalls nicht aus­reichend. Konnte man zuvor nahezu beliebige Längen verbauen (Ill. 494), musste man nunmehr neue Verbindungen entwickeln, um die gewünschten Längen künstlich herzustellen. Der Zeitpunkt variiert natürlich. In England fand dieser Prozess etwa um 1300 statt.299 Alle Dächer ab einer bestimmten Größenordnung muss­ten wenigstens ihre Sparren zweiteilen. Sowohl in den Kirchen­ dach­stühlen als auch in den großen Scheunen fanden sich rela­tiv leicht Unterstützungsmöglichkeiten für die Verbindungsstelle. (Ill. 495; Ill. 496) An der Wende zum 12. Jahrhundert stand Japan vor dieser Aufgabe. Die Wiedererrichtung des Tōdai-ji um 1200 brachte die Probleme schonungslos zutage: Aus Mangel an gewohntem Bauholz und dem noch fehlenden Wissen, diesem Manko ausgleichend zu begegnen, war man gezwungen, den Bau für mehrere Jahre stillzulegen. Ließ sich das Problem zu jener Zeit noch aussitzen, konnte bei einer neuerlichen Restaurierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur noch Stahl helfen, das gewohnte Aussehen des Tempels für die Nachwelt zu erhalten.300

493  Die kurzen Holzscheite, aus denen die Wände errichtet wurden, führten zur Bezeichnung Scheitholzhäuser. – Vítanov (CZ)

494  Kathedralen des Holzbaus wurden die riesigen englischen Scheunen genannt. – Barley barn/Essex (GB) vom Anfang des 13. Jahrhunderts

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Neu aufgetretene Probleme verlangten nach neuen Ideen. Gerades Holz musste durch immer weniger gerades, leicht spaltba­res durch weniger oder gar sehr schlecht spaltbares Holz, langgewachsenes durch immer kürzere Stücke ersetzt werden. Um das Gleichgewicht zwischen Material- und Arbeitsaufwand zu erhalten, wurden versiegende Materialquellen durch komplizierter werdende Verbindungen ausgeglichen.301 Neben neuen Verbindun­gen führte dies auch zu einem Entwicklungsschub beim Werkzeug.302 Solange Nägel, Schrauben, Bandeisen und dergleichen zu teuer waren,303 war die Intuition des Zimmermanns gefragt. Schon bevor die Holzknappheit dazu zwang, zu kurze Stücke auf das gewünschte Maß zu verlängern, waren die Zimmerleute wenigstens bei den Mittelsäulen der Pagoden mit der Aufgabe konfrontiert, Längsverbindungen zu entwickeln. Längsverbindungen halten kaum Druckbelastung aus. Deshalb wur­den sie oft, wenn es das Bauwerk wert war, durch Eisenbänder gesichert.304 Die mächtigen Mittelsäulen der Pagoden hatten keine andere Aufgabe, als die Pagodenspitze zu tragen. Aber offensichtlich traute man nicht einmal der kai no kuchi-Verbindung zu, allfälligen Lastangriffen in ausreichendem Maß Rechnung zu tragen. (Ill. 497; Ill. 498) Man kannte diese Verbindung, allerdings ohne Steckfälze, auch in Frankreich305 und in Deutschland, wo sie offensichtlich keine ungeteilte Zustimmung genoss: „Der in allen Lehrbüchern gezeichnete Kreuzzapfen ist geradezu ein Musterbeispiel einer schlechten Verbindung.“306 Die Notwendigkeit der Herstellung einer Längsverbindung konnte sich auch daraus ergeben, dass die Zimmerleute schlicht und einfach nicht in der Lage waren, die oft gigantischen Stämme im Ganzen zu handhaben. Während die frühen Pagoden­ säulen angeblich alle aus einem Stück gefertigt waren, hatte man sie beim Hōryū-ji, Hoki-ji und Horin-ji alle zweimal gestückelt.307 Mit diesem Problem hatte man nicht nur in Japan zu kämpfen: Weil die Zimmerleute bei der Errichtung des Freiburger Münsters den Kaiserstiel des Glockenturms nicht an seinem Platz einzapfen konn­ten, wie dies sonst üblich war, mussten sie eine eigene Verbindung entwerfen, die dieser einmaligen Situation gerecht wurde. (Ill. 499) Allerdings fielen europäische Längsverbindungen nur

495  Im Cressing wheat barn (GB) mussten Sparren und Sekundärsparren zwei­ge­teilt werden. (nach: Hewett, 1980, fig. 90) 496  In der Kathedrale von Lincoln (GB) wurde die Sparrenanlängung über dem Angel Choir durch geeignete Verstre­bun­ gen unterstützt. (nach: ibid., fig. 101)

497  Kai no kuchi tsugi (Verbindung in der Art eines Schalentiermundes)

498  Zusammenfügen zweier Teile der Mit­telsäule der wiedererrichteten Yakushi-ji-Pagode/Nara (J) (Foto: Terao­ ka, Fusao in: Nishioka, et al., Soshisya, 1981)

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selten so ein­drucksvoll wie japanische aus. (Ill. 503) Wenn sich in Europa ein Zimmermann den Kopf zerbrochen hatte, um mit neuen Lösungen die ausgetretenen Pfade zu verlassen, musste er schon im 19. Jahrhundert in Kauf nehmen, belächelt zu werden.308 Viel häufiger als bei vertikal verbauten Hölzern sah sich der Zimmer­ mann bei horizontal anzulängenden Hölzern mit der Frage­stellung konfrontiert, wie nicht zur Verfügung stehende Holzlän­gen künstlich hergestellt werden können. (Ill. 500) Die Auf­gabenstellung an die Verbindungen ist dabei eine ganz andere als bei Pfosten und Säulen. Die Anlängung eines Ständers wird nie auf Zug beansprucht und kann grundsätzlich dort vorgenommen werden, wo ein Holz zu kurz ist. Verbindungen horizontal verbauter Hölzer müssen je nach Unterstützung sehr verschieden ausgeformt werden. An vie­len Stellen können sie überhaupt nicht angelegt werden. Das schräge Blatt mit Haken war eine zwar weit verbreitete und wegen ihrer sehr einfachen Herstellbarkeit sehr beliebte Verbindung, konnte aber trotz Haken nicht wirklich auf Zug beansprucht wer­den. Der Widerstand auf Druck war in den Fällen der Anwendung dieser Verbindung ohnedies nicht gefragt. Gegen ein Ausweichen nach der Seite konnte ein Brüstungszapfen wirksam hel­fen. (Ill. 504) Das Japanische trifft keine Unterscheidung in der Bezeichnungsweise, ob diese Verbindung nun mit oder ohne Haken ausgeführt wurde. Beide hießen daimochi tsugi. In gewissem Ausmaß zugfest erweist sich das Hakenblatt mit Steck­ falz. Eine der vielen Ausformungen dieser Verbindung sieht wieder gegen seitliches Ausweichen einen Brüstungszapfen vor, der aber auch in der Mitte des Steckfalzes angebracht sein kann. (Ill. 501) Ihren Wert erhält die Verbindung in jedem Fall erst durch den Keil. In vielen Fällen sind es zwei Keile, die gegeneindergeschoben die zwei Verbindungsteile fest in die Fälze pressen. In Europa nicht üblich war jene Form mit geradem Blatt, die ihre Sicherung aus einem schräg gestellten shachisen bezog. (Ill. 502) Weil die Blätter hier ohne Haken ausgeführt worden sind, ist die Möglichkeit des

499  Um den Kaiserstiel des fast 18 m hohen Glockenturms des Freiburger Münsters/Baden-Württemberg (D) auf­zustellen, musste das Zapfenloch so groß geschnitten werden, dass der Stän­ der­zapfen in den Schlitz gedreht werden konnte. Eingezapfte Holzlaschen füllten das zu große Loch. (nach: Phleps, 1967, fig. 174)

500  Jeder Ständer des Rinshun kaku im Sankeien/Kanagawa (J) hat einen neuen Fuß. Die waagrechten Hölzer, die die Kon­struktion versteifen, sind jeweils an der Stelle angelängt, wo sie durch den Stän­der gezapft sind.

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501  Kanawa tsugi verbindet einen Schwell­balken in Iwate Futsukamachi/ Iwate (J).

503  Anlängung im Turm der Johannis­ kirche in Lüneburg/Niedersachsen (D) (aus: Ostendorf, 1908, fig. 318g)

504  Balken aus dem alten Dachstuhl des Naturhistorischen Museums in Wien (A)

502  Der Brüstungszapfen verhindert ein seitliches Ausweichen. – Iwate Futsuka­machi/Iwate (J)

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wirklich festen Verkeilens verloren gegangen. Diese beiden Beispiele zei­gen, wie relativ labil die Verbindung aufgrund der Material­ eigen­schaft gegen ein vertikales Verkanten ist. Die letztgenannte Ver­­bindung, mit Haken ausgeführt, wird vielfach als Französisches Schloss bezeichnet. (Ill. 505; Ill. 506) Die durchaus auffällige Namensgebung suggeriert schon den Wert, den die Zimmerleute dieser Verbindung beigemessen haben. Als Nachteil wusste man ihr denn in Europa auch nur den mit ihrer Herstellung verbundenen hohen ­Arbeitsaufwand nachzusagen.309 Ein ganz ähnliches Beispiel war der Jupiterschnitt, ein schräg geschnittenes Hakenblatt mit Keilen, dessen Brüstungen ebenfalls schräg nach innen geschnitten wa­ren. (Ill. 507) In Deutschland ersetzten die Zimmerleute eben wegen des Arbeitsaufwandes nicht ungern den Brüstungszapfen durch einen Grat.310 Er erfüllt den gleichen Zweck und ist wenigstens an einer Seite mit nur zwei Schnitten mit der Säge herzustellen. Bei den englischen Beispielen fällt auf, dass sich dort die Zimmerleute keineswegs scheu­ ten, beides zu kombinieren. (Ill. 508) Zeitlich gesehen war der Weg von einer Verbindung, die sich nur auf den Scherwiderstand ihrer zahlreichen Nägel verließ (Ill. 509), bis hin zum „Gipfel englischer Längsverbindungen“, den Hewett am Rähmbalken von Place House in Ware (1295) gefunden haben will311 (Ill. 510), recht kurz. Der auch hier exzessive Gebrauch von Nägeln sticht sofort ins Auge. Gleichgültig wie ausgeformt der Zimmermann seine Verbindung gestaltete, die Sicherheit, die ihm der althergebrachte Gebrauch der Abnagelung versprach, wollte er nicht missen. In manchen Fällen fühlt man sich bereits an Nagelplatten erinnert: Bis zu zwölf Nägel wurden in Blätter mit nur schräger Brüstung geschlagen.312 Die Spezialität der Rähmverbindung von Place House liegt in den Zap­fen, die den Grat in seiner Wirkung verstärken. Zum Haken hin verlaufen sie sich, um das Gegenstück nicht zu sehr zu schwächen. Die Verbindung wäre also ausgelegt auf Zug durch den Haken, auf Druck von oben und unten durch die stirnseitige Hinterschneidung und schließlich gegen seitlichen Druck durch Grat und Zapfen. Jede einzelne dieser Funktionen erfährt wenigstens einmal eine zusätzliche Sicherung durch Nägel. Besonders interessant für die Frage, welchen Überlegungen die Zimmerleute nachgegangen sind, ist ein Vergleich zweier Beispiele von Rähmbalken aus Kent. (Ill. 511) Auf den ersten Blick scheint es einer gestalterischen Laune überlassen, in welcher Richtung die Brüstung abgeschrägt wird. Und verblüffenderweise beschreibt es Hewett auch so.313 Vom rein technischen Standpunkt gesehen, mö­gen die beiden Varianten aufgrund der sichernden Abnagelung tat­sächlich gleichwertig sein. Vergegenwärtigt man sich allerdings die auf das Gefüge einwirkenden Lasten und die daraus schrittweise aufbaubaren, naheliegenden Antworten in Form einer Verbindung, dann drängt sich der Verdacht auf, ein unachtsamer Lehrbub hätte sich beim Anreißen der zweiten Variante geirrt. Eine englische Weiterentwicklung der Längsverbindung stellte ihr Umdrehen um 90° dar.314 Weder Graubner noch Gerner belegen durch ein einziges Beispiel, dass diese Entwicklung auch in Deutschland stattgefunden hätte. In Japan ist die Verbindung in dieser Form aber sehr wohl anzutreffen. Okkake daisen-Verbindungen werden konsequenterweise nicht mehr mit shachisen verriegelt, denn der oder die Keile lägen dann senkrecht und würden äußerst unvorteilhaft belastet. Die Verbindung wurde wieder horizontal gesichert durch die namengebenden daisen (großer Nagel).

505  Französisches Schloss, in Japan kanawa tsugi; die Ausformung dieser Verbindung in Europa und Japan differiert im Detail. Die japanischen Brüstungen und Fälze sind wesentlich schmäler als die europäischen. (aus: Uchida yoshichika, 1993, fig. 4-6-3)

506  Shiribasami tsugi heißt die gleiche Verbindung, wenn der Brüstungszapfen bei sichtbar ausgeführter Verbindung nach innen verlegt ist. (aus: ibid., fig. 4-7-3)

507  Sonderform eines Jupiterschnitts aus dem Dachstuhl des Théâtre d’Argenti­ ne in Rom (aus: Rondelet, 1833–35, Tafel CX)

508  An Scheunen in Essex (GB) ver­wen­ dete Verbindung (nach: Hewett, 1980, fig. 264)

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Tatsächlich sinnvoll wurde diese Drehung der Verbindung erst, als man auch ihre Form adaptiert hatte. Der Brüstungszapfen war nicht mehr sinnvoll, der Steckfalz allein ausreichend. Wenn nun die Verbindungsteile nicht mehr durch shachisen gegeneinandergepresst wurden, mussten die Haken der beiden Blätter dicht an dicht liegen. Deshalb ließ sich nur dadurch, dass die Haken leicht schräg geschnitten waren, beim Zusammenfügen der Verbindung ein Reibungswiderstand verhindern, der sie zerstört hätte. (Ill. 511a) Diese Bedachtnahme dar­ auf, wie eine Verbindung trotz nach menschlichem Ermessen perfekter Passgenauigkeit möglichst leicht zusammengefügt werden kann, ist eine ausgesprochene Spezialität japanischer Zimmerleute. Sie begegnet uns auch bei vielen anderen Verbindungen, wie zum Beispiel der Sichelzapfenverbindung (kama tsugi), deren Kopf sich zur Verbindungsmitte hin konisch verjüngt.315

511a  Der schräg angeschnittene mittige Haken und die konisch zulaufen­ den Steckfälze der okkake daisen tsugi erlauben ein Zusammenfügen ohne den geringsten Reibungswiderstand.

510  Die auffallende Seltenheit dieser Verbindung in Place House in Ware/ Hertfordshire (GB) entspricht ihrer kost­ spieligen Herstellung. (Hewett, 1980, p. 271) Ganz verständlich, dass in späterer Zeit die Verbindungen einfacher waren. (nach: ibid., fig. 252)

511  Längsverbindung des Old Vicarage in Headcorn/Kent (GB), (nach: ibid., fig. 266, 267)

509  Anlängung des Rähmbalkens der Scheune Grönloh/Niedersachsen (D) im Museumsdorf Cloppenburg

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514  Eiserne Zuganker müssen die hammer beam-Konstruktion in St. Wen­dreda in March/Cambridgeshire (GB) fassen.

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Eine Beschreibung japanischer Verbindungen kann am kama tsugi nicht vorbeigehen. Fremd ist er den Europäern nicht (Ill. 512), aber seine Bedeutung in Japan ist unendlich viel größer. Am besten lässt sich diese an der Häufigkeit seines Vorkommens messen. Sogar als chigiri tsugi,316 als Fremdverbinder, hat er Verwendung gefunden. Dem Schwalbenschwanz an Zugfestigkeit weit überlegen, ist sein Hauptproblem der lange Hals. Eine ganze Reihe von Adaptierun­ gen haben diesem Manko abgeholfen. Dazu zählen halbe Blätter, Brüstungszapfen, Steckfälze. Komplexere Verbindungen verteuerten deren Herstellung. Wie wert­voll Holz im 17. Jahrhundert in England schon war, beschreibt Brunskill317: Rinde war bei den Gerbern so gefragt, dass ihr Verkauf den Holzpreis, ja sogar die Kosten für die Schlägerung abdeckte. Die dünnen, zu nichts anderem zu gebrauchenden Äste finanzierten den Holztransport bis zu einer Strecke von 20 Meilen. Die Abfälle aus der Zurichtung des Holzes vergalten diese Arbeit, und falls der Baum vierkantig beschnitten werden sollte, waren die Schwarten der Sold fürs Sägen. Somit stand das Holz für seine Verarbeitung „umsonst“ zur Verfügung, und zu den Kosten für den immer öfter in Anspruch genommenen Zimmermann mussten nicht die für das Material addiert werden.318 Nur in Ausnahmefällen wollte und konnte man es sich leisten, das beanspruchte Holz über große Strecken zu transportieren. Die Schaffhausener Brücke (CH) war es den Bauherren wert gewesen, 400 Tannen im Bregenzer Wald schlagen zu lassen.319 In Russland nahm man die Schwierigkeiten, die mit einer Anlieferung über große Entfernungen verbunden waren, ebenfalls nur in ganz speziellen Ein­zelfällen in Kauf, „wenn es sich um die Errichtung besonders wichti­ger Bauwerke handelte“.320 In Japan war man schon bei der Errichtung des Tōdai-ji bereit gewesen, die Hauptsäulen weit mehr als 50 km herbeizuschaffen. 300 Jahre später hat man es für die Rekonstruktion sogar auf sich genommen, die gewaltigen Stämme viele Hundert Kilometer von der Westküste Honshus nach Nara zu transportieren.321 Wollte man angesichts dieser Situation nicht grundsätzlich vom Holzbau abweichen, musste man auf die geistige Regsamkeit der Zimmerleute bauen. Die Entwicklung des Bundwerks war in ihren An­fängen als Holzsparkonstruktion neben neuen Verbindungen eine andere Antwort auf die Frage: Wie weiterarbeiten? Ein­gelei­tete Notmaßnahmen konnten erst in Generationen Wirkung zei­gen. Ja­pan war das erste Land, das mit systematischen Auf­forstungs­pro­ gram­men begann.322 Auch in Norwegen sollen manche vorausblic­ken­­den Meister die drohende Gefahr erkannt und eigens Kiefernwälder an­gelegt haben, um ausreichend Holz für den Bau von Stab­kirchen zu sichern.323 Von Menschen angelegte unbe­rührte Wäl­ der wären aber ein Widerspruch in sich, sie sind nicht herzustellen. „Je früher eine Zivilisation in ihrer Geschichte ein goldenes Zeitalter der Holzarchitektur erlebt hatte, umso früher verlor sie ihre Wäl­ der.“324 Der Bauboom des Mittelalters forderte in Japan325 ebenso seinen Tribut wie in Europa. In diese Zeit fällt die Etablierung des zenshu-yo in Japan. Dieser neue Holzbaustil kam der aktuell werdenden Notlage durch seine Forderung nach kürzeren und schwächer dimensionierten Hölzern gerade recht. In Europa hätte der Wech­sel zur Gotik, deren stilistische und konstruktive Anforderungen die technischen Möglichkeiten des Holzbaus überstiegen, eine spürbare ­Erleichterung darstellen müssen.326 Aber der Materialverbrauch und -bedarf wird nicht von zwar sehr aufwendigen,

512  Einen Sichelzapfen mit Steckfälzen (mechigai kama tsugi) – McKay nennt die Verbindung hammerheaded key tenon – verwendeten englische Tischler im Türrahmenbau. (aus: McKay, 1946, fig. 77)

513  Hammer beam-Konstruk­tion der Kirche in Woolpit/Suffolk (GB)

515  In einem Stall in Tarrant Crawford/ Dorset (GB) lässt sich die Konstruktion aus nächster Nähe studieren.

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jedoch in ihrer vergleichsweise verschwindenden Anzahl kaum ins Gewicht fallen­den Repräsentationsbauten wie Kirchen oder Tempel bestimmt. Die Spirale wurde laufend enger: Wachsende Bevölkerungszahlen, grö­ßer werdende Städte, die das Transportproblem des benö­tigten Baumaterials immer schwieriger werden ließen, weiter notwendige Rodungen und nicht zuletzt verheerende Kriege machten den Man­gel immer spürbarer. Während des Zweiten Weltkrieges war der Raubbau an Holz in Japan so groß, dass nicht einmal mehr genug Rinde zur Verfügung stand, um die notwendigen Dachreparatu­ren vorzunehmen. In diese Zeit fällt der Beginn der Blechdec­kun­gen.327 Zu einem wesentlichen Aspekt des Holzbaus wurde, wie oben schon angeführt, die Möglichkeit der Verwendung relativ kurzer Stücke. Die hammer beam-Konstruktion, die im 14. Jahrhundert eingeführt wurde,328 zeigte einen wahrhaft virtuosen Umgang mit kurzem Holz. (Ill. 513) In ihren ausdrucksvollsten Beispielen treten die Schwä­­chen dieser Dachkonstruktion in Erscheinung: Je weiter gespannt das Dach ist, desto geringer wird der Effekt des Kehlbalkens, der immer höher angesetzt werden muss. (Ill. 514) Dort, wo Sparren, ham­mer beam, Stützen und die Längsaussteifung übernehmende pfettenartige Hölzer aufeinandertreffen, wird das Gefüge in dem sehr verzweigten Verbindungsknoten stark geschwächt. Die so weite Öff­nung des Konstruktionsgefüges am Dachfuß wird zum Teil wieder eingebüßt für den hammer beam auf der Mauerbrüstung. (Ill. 515) Aufregend in ihrer Vorausschau ist die Erfindung329 von Philibert de l’Orme, die er 1626 vorgestellt hat.330 Indem er mit der Tradition bricht, entwickelt er nahezu prophetisch eine Konstruktion, die der traditionellen Zimmerei insofern noch verhafteter ist als der heutige Leimbinder, als sie auf Leim verzichtet. (Ill. 516) Der Erfinder selbst nennt als Vorzüge: die Verwendbarkeit kurzer Holzstücke und frisch geschlagenen Holzes, die viel billigere Bauweise (geringere Ma­ terial- und Handwerkerkosten), die problemlose Auswechselung schad­hafter Stücke und nicht zuletzt die relative Unabhängigkeit von anderen Gewerken. Die Dachkonstruktionen lassen sich auch auf einem Mauerwerk errichten, das den einwirkenden Kräften einer herkömmlichen Dachkonstruktion keinen Widerstand ent­gegensetzen könnte.331 In dieser Radikalität liegt wohl die Begründung, warum diese Entwicklung nicht einmal in de l’Ormes Hei­mat­land Frankreich Anwendung gefunden hat. Selbst ein eigens ver­fasstes Gedicht reichte nicht aus, um die Bauwilligen zu überzeugen: „... Kleine Hölzer bewundr’ ich, mit denen der Scharfsinn des Künstlers Mächtige Häuser zusammengefügt; Dicke Balken und Sparren, die werden bald nun auf immer Aus den belasteten Häusern verbannt. Bald erbau’n wir mit sparender Hand das erhabne Gebäude Das sonst fürstliche Schätze verzehrt.“332

516  aus: De l’Orme, 1626, Livre X des nouvelles inventions pour bien bastir

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Für das Holz gilt wie für viele andere Dinge, dass gerade das, was nicht oder nur knapp verfügbar ist, die Begierde weckt und zum Statussymbol wird. Der englische König Heinrich VIII. ließ sich den Boden seines Tanzsaals in Leeds Castle (GB) aus Ebenholz legen. Katsura Rikyu ist teilweise geradezu definiert durch den Einbau aus­ schließlich erlesenster Holzarten. Die Ständer im englischen und französischen Fachwerk können gar nicht eng genug333 gestellt wer­ den (Ill. 518), und in Deutschland nutzten Gutsbesitzer den Giebel ihres Wohnhauses, um ihren Reichtum zu präsentieren. (Ill. 517) Im Zuge der Überführung des Wehlburg-Hofes ins Freilichtmuseum in Cloppenburg (D) verifizierte man den überliefer­ten Wett­­streit zwischen diesem und dem benachbarten, ebenfalls 1750 errichteten Wohnunger-Hof: Nachdem dieser abgebunden war, än­derte man bei jenem das nur zum Schein begonnene Konzept für die Giebelfassade mit sechs Ständern und dreifacher Riegelung links und rechts der Einfahrt ab auf das den Sieg bringende mit je acht Ständern und sechsfacher Riegelung.334 Und schwedische Her­renhäuser wurden mit einem Stockwerk ausgestattet, das sich im Winter gar nicht nutzen ließ, weil es kaum beheizt werden konnte.335 Japan war natürlich nicht frei von solchen Eitelkeiten. Je dicker und größer, je seltener die Holzart, desto besser war der daikoku bashira oder die toko bashira geeignet, den Reichtum ihres Besitzers zur Schau zu stellen. Innovative Leistungen waren mit dieser übersteigerten Repräsentation freilich nicht verbunden.

517  Quatmannshof aus Elsten/Nieder­s­achsen (D) im Museumsdorf Cloppen­ burg

518  Die Ausfachung zwischen den Ständern ist nicht mehr breiter als diese selbst. – Upleadon/Gloucestershire (GB)

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Graubner, 1986, p. 40 Schier, 1951, p. 6 Sirelius, 1906–1909 Ahrens, 1990, p. 126 Florin, 1937, p. 24 Schier, 1951, p. 15; Schulz, 1964, p. 10; Meringer, 1898, p. 185 Petrescu, 1974, p. 10; Blaser, 1975, fig. 172; Meringer, 1900, p. 7; Schier, 1966, p. 87f. Schier, ibid., p. 17 ibid., p. 344, 357 Ahrens, 1981, p. 130f. Moser, 1992, p. 42; Erixon, 1953, p. 341 Foltyn, 1960, p. 36 Conrad, 1990, p. 200f. Kawashima, 1990, p. 38ff. Phleps, 1958, p. 15; Reinerth, 1937, p. 79 Zippelius, 1954, p. 27; Phleps, 1914, p. 19f. Erixon, 1925A, 1925B Ihren Namen erhielt die der europäischen Jungsteinzeit entsprechende Periode von dem charakteristischen Schnurmuster, mit dem die Keramik verziert war. (Itoh, 1982, p. 127) Coaldrake, 1990, p. 94; Seike, 1981, p. 8 Soper, 1990, p. 278 Soper behauptet, dass die steinzeitlichen Jäger und Fischer Steinwerkzeug nicht einmal gekannt hätten. (ibid., p. 275) Coaldrake, ibid., 92ff. Gerner lässt erst Astgabeln als „echte Verbindungen“ gelten. (Gerner, 1992, p. 14) Gschwend, 1988, p. 11 ibid. Phleps, 1935, p. 25f. Schier, 1951, p. 17; Moser, 1990, p. 43, 151; Zippelius, 1954, p. 12 Oelmann, 1907, p. 6 Ahrens, 1990, p. 85 Gschwend, 1988, p. 11 Radig, 1937, p. 58 Zippelius, 1958, p. 13 ibid., p. 14f. ibid., p. 17 Gerner, 1992, p. 11 Reinerth, 1929, p. 131ff.; Ahrens, 1990, p. 94; Lissenko, 1989, p. 30; Zippelius, 1954, p. 31 Sirelius, 1909, p. 63 Itoh, 1973, p. 23 Nishi, Hozumi, 1985, p. 54 Watanabe, ibid., p. 110 Zippelius, 1954, p. 34f. und fig. 10c ibid., fig. 10a, b Muramatsu, 1992, p. 22 Schadwinkel, et al., 1986, p. 207 Schier, 1966, p. 104; Riedl, 1953, p. 28; Andō, et al., 1995, p. 136 Muramatsu, ibid., p. 21f. Gerner, 1986, p. 25; Klöckner setzt diesen Zeitpunkt ein Jahrhundert früher an. (Klöckner, 1978, p. 11) Ausst.kat. „Holzbaukunst in Vorarlberg“, 1990, p. 7 Coaldrake, 1990, p. 107 ibid., p. 111 Nihon kenchiku gakai, 1992, p. 99, fig. 1; Coaldrake, ibid., fig. 120; INAX 4/3, 1984, p. 24 Bunkazai ..., 1986 Coaldrake, 1990, p. 107 Schadwinkel, ibid., p. 140 Fletcher, Spokes, 1964, p. 117 Schier, 1937, p. 25 Schier, 1966, p. 100f. Es muss der nicht hinterfragten Tradition zugeschrie­ben werden, dass Kehlbalken in Sparrendachstühlen immer noch – mit herstellungstechnisch nicht we­sent­lich, aber eben doch anfallendem

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Mehr­auf­wand – mit Schwalbenschwänzen angeblattet wur­den. Sinnvoll war diese Verbindung nur für das Ro­fen­dach. Carstensen, 1937, p. 45ff. Holan, 1990, p. 147; Werner, 1978, p. 204ff.; Phleps, 1939, p. 103f.; Bünker, 1897, p. 169, 177, 186f. ibid., p. 187; Moser, 1985, p. 121f. Bergenhus, 1991, p. 15f.; Berg, 1981, p. 356 Erixon, 1937A, p. 11; ders., 1937B, p. 20, 25 ibid., p. 15, fig. 3, p. 20 Nakahara, 1990, p. 58 Phleps, 1958, p. 44, fig. 92; Seesselberg, 1891, p. 69 Ahrens, 1981, p. 176f., fig. 112, 118, 121 Ahrens beschreibt einen festen Wohnsitz aus der Zeit 6500 v. Chr. (ders., 1990, p. 79f.) Coaldrake, 1990, p. 96 Breymann, 1900, p. 3 Lissenko, 1989, p. 217ff. Schepers, 1985, p. 17. Der Begriff Mottenturm ist nach Schepers (ibid.) aus dem Französischen la motte (Erd­hügel) hergeleitet. Ahrens übersetzt motte mit Turmhügelburg. (Ahrens, 1981, p. 126) Hirai, 1980, p. 9 Brunskill, 1985, p. 40 Schier, 1966, p. 345 Moser, 1992, p. 122; Norberg-Schulz, 1979, p. 17 Hauglid, 1992, p. 13; Laws, 1992, p. 15 Phleps, 1939, p. 93; hier zitiert Phleps falsch (vgl. Diet­richson, Munthe, 1893, p. 107) Die hauskundliche Forschung dürfte sich noch nicht wirklich darüber klar geworden sein, worauf die Um­mantelung mit Lehm tatsächlich zurückzufüh­ ren ist. Schier führt dies indirekt vor Augen: Im Kapitel über die Flechtwand beschreibt er den Lehmmantel des Blockbaus als ein Fortleben des alten Flecht­werk- und Lehmbaues. Im Kapitel über den Speicher wird dann die Erhöhung der Feuerbeständigkeit als Grund für die Umhüllung genannt. (Schier, 1966, p. 91, 361) Wenn Mayer neben die Wirkung des Feuerschutzes die des Feuchtigkeitsschutzes stellt, kann man ihr mit Blick auf die Beispiele in Japan nicht folgen. (Mayer, 1986, p. 40) Dietrichson, Munthe, 1893, p. 119; Holan, 1990, p. 89f. Manche Autoren setzen den Zeitpunkt erst im 18. Jahr­hundert an. (Bresson, 1981, p. 92; Bugge, Norberg-Schulz, 1969, p. 19) Keim, 1976, p. 167; Coaldrake, 1990, p. 96; Itoh, 1973, p. 23. Der Ansicht, dass diese Entwicklung im nordi­schen Raum ihren Ursprung hätte (vgl. etwa Phleps, 1940, Text zu Tafel 32, ders., 1942, p. 171), erteilt auch Keim eine ausführliche Absage. (ibid., p. 166ff.) Schweizer Ing. und Arch.-Verein, 1902–04, p. 24; Uhde, 1903, fig. 370; Sirelius, 1908, p. 23; Laws, 1992, p. 14; Blomstedt, Sucksdorff, 1902, p. 78f. und Tafel 18/3 ibid., p. 41, fig. 11 Keim, 1976, p. 66f. und fig. 9 ibid., p. 63 Christie, 1974, p. 43, fig. 31 Ahrens, 1981, p. 127; Christie, 1976, p. 18 Ueda, 1990, p. 85, 90 Die vom Festland eingewanderten Bewohner, die dank ihrer überlegenen Kultur während der Bronzeund Eisenzeit die japanischen Inseln beherrschten. Itoh, 1973, p. 25 Schier, 1966, p. 345f. Eine Vorform des heutigen Schreines soll größer als der Tōdai-ji gewesen sein. Mehrmals war er ein­ge­ stürzt, weil man wegen ihrer Höhe den Verrot­tungs­ prozess der Stützen an ihren oberen Abschnitten schlicht und einfach nicht mitbekam. (Horiguchi, 1961/3, p. 10, 13) Zur Typologie des kura vgl. Itoh, 1973

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Ueda, ibid., p. 37 Itoh, 1973, p. 32 ibid., p. 44 Schier, 1966, p. 89f. Petrescu, 1974, p. 57; Stepan, Varˇeka, 1991, p. 301, 304 Mayer hat ausführlich auf die divergierenden An­schauungen zwischen Kunsthistorikern und Volks­kundlern hingewiesen. (Mayer, 1986, p. 108, Anm. 96) Nishi, Hozumi, 1985, p. 54 Keim, 1976, p. 87; Thiede, 1937, p. 82 Sirelius, 1908, 1909; Schmidt, 1950, p. 107; Haberlandt, 1934, p. 19f. und Tafel I, fig. 1, 4, 5a, 5b Panoiu, 1967/68, p. 99 ibid., p. 98; Wolf, 1979, p. 33, fig. 4 Blomstedt, Sucksdorff, 1902, p. 139; Opolownikow, 1986, p. 27, fig. 18; Lissenko, 1989, p. 71 ibid.; Faensen, Iwanow, 1972, p. 509 Gerner, 1992, p. 155 Faensen, Iwanow, ibid., p. 502 Sirelius, 1909, p. 70f.; Lissenko, 1989, p. 29 Blomstedt, Sucksdorff, 1902, fig. 52; Sirelius, 1908, fig. 104, 105 In vielen Gegenden hat man dieses nie aufgegeben. Im Südosten Schwedens waren auch rechtwinkelige Verbindungskerben gebräuchlich. (Erixon, 1937B, fig. 17, 18, 20) Berg, 1981, p. 358 ibid., ders., 1994, p. 56 Zwei Vermutungen über die Hintergründe solcher Zweigleisigkeit stehen im Raum: unabhängige Entwicklung (Christie, 1976, p. 38ff.) versus Kopie von Steinkirchen (Ahrens, 1981, p. 188). Zu gar nicht wenigen anderen Formen vgl. Lissenko, 1989, p. 34; Schulz, 1964, p. 221, fig. 7, 12; Erixon, 1937B, fig. 3. Norberg-Schulz, 1979, p. 11 Mayer, 1989, p. 39; Daˇncus˛, 1995, p. 26 Bedal, K., 1975B, p. 40 ders., 1975A, p. 29 Murashige, 1991, fig. 1, 34, 38, p. 77–79 Asano, 1959/1, 2, p. 70 Bugge, Norberg-Schulz, 1969, p. 58 Phleps, 1942, p. 69 Phleps, ibid., p. 66ff.; Keim, 1976, p. 85 Gschwend, 1969/6, p. 5, 1988, p. 277; Phleps, 1942, p. 71 Sirelius, 1908, p. 32 Lissenko, 1989, p. 76, 134; Blomstedt, Sucksdorff, 1902, p. 124; Blaser, 1975, p. 49 Sirelius, 1909, p. 72; Uhde, 1903, p. 315, fig. 370 Gschwend, 1972/10, p. 9; 1988, p. 186 Murashige, 1991, p. 33 Christie, 1976, fig. 27A,C; Holan, 1990, p. 159; Berg, 1981, p. 361 vgl.: Eigenschaften von Holz Mit den verschiedenen Ausformungen gleitender Verbindungen, die dem unterschiedlichen Schwund­ verhalten des Materials längs und quer zur Faser Rechnung trugen und schlussendlich den Einbau von Tür und Fenster gemeinsam mit der Blockwand er­möglichten, hat sich Phleps ausführlich aus­ein­an­ der­gesetzt. (Phleps, 1942, p. 158–223) Vorsicht ist gebo­ten bei seinen Schlussfolgerungen über die zeitliche Einordnung der verschiedenen Verbindungen. (vgl. Keim, 1976, p. 138 und fig. 28c) Phleps, ibid., p. 70/1 Moser, 1955, p. 529ff. Strzygowski, 1940, p. 38f.; Ahrens, ibid., p. 193ff., fig. 134–136 Lissenko, 1989, p. 148 Strzygowski, ibid., p. 39 Faensen, Iwanow, 1972, p. 40, 48f., 506

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Blaser, 1975, p. 135; Petrescu, 1974, fig. 146 und p. 40 Horiguchi, 1961/3, p. 10, 13 Watanabe, 1974, p. 158ff. ibid., Faltbeilage 3 Die Zweifel werden genährt, wenn man der älteren Rekonstruktionszeichnung von Fukuyama Toshio seine aktualisierte gegenüberstellt. (ibid., p. 89 und Faltbeilage 3, Horiguchi, ibid., p. 10) Erst in dieser nimmt er nämlich Rücksicht auf die Tatsache, dass während der in Frage stehenden Zeit ein Durch­ zapfen der die Pfosten verstrebenden waagrechten Hölzer noch nicht möglich war. Schepers, 1985, p. 18 Franke, 1936, p. 39 Knesch, 1991, p. 7 Hanftmann, 1907, p. 112 Bedal, A. u. K., 1975, p. 169; Bedal, A., 1985, p. 272 Fletcher, Spokes, 1964, p. 157 Eitzen, 1963, p. 28 Bedal, A., 1985, p. 278 Gerner, ibid., p. 29 Ausst.kat. „Holzbaukunst in Vorarlberg“, 1990, p. 23 Asano, 1985, p. 4 Seinen Namen erhielt der daibutsuyō (GroßerBuddha-Stil) vom Tōdai-ji und Jōdo-ji, zwei giganti­ schen Bauwerken, die große Buddhastatuen beher­ bergen. Christie, 1981, p. 371; Dietrichson, Munthe, 1893, p. 36 Ahrens, 1981, p. 159ff., fig. 106–108 1199 stand noch Holz zur Verfügung, mit dem sich eine Halle von mehr als 50 m im Quadrat abgestützt auf nur vier Säulen überdecken ließ. Kawashima, 1990, p. 83 Eitzen, 1954, p. 37–76; Ostendorf, 1908, p. 4 Klöckner, 1978, p. 22; Kaiser, Ottenjann, 1988, p. 111f.; Gerner, 1979, p. 40 Hewett, 1980, fig. 275, 276 Klöckner, ibid. Eitzen, ibid., p. 67 Großmann, ibid., p. 132 Kawashima, ibid., p. 77 Parent, 1985 Bunkazai ..., 1986 Kawashima, ibid., p. 82 Zur Bedeutung der Firstsäule vgl. Schier, 1966, p. 27f., Lex Alamannorum 94/1, Lex Baiuvariorum 10 Kurata, 1958/5, p. 69 Shachisen ist ein Dübel mit rechteckigem Querschnitt, der in der Regel bei Stabzapfen als Sicherungsstift benutzt wird. Er liegt, genau wie bei unseren verdübelten Balken, orthogonal zur Zugrichtung. vgl. p. 92 Warikusabi ist ein Keil, der in das Hirnholz eines Zap­fens geschlagen wird. Durch das Aufspreizen des Zapfens wird dieser an die Schlitzwände gepresst und so in der Verbindung fixiert. Gleichzeitig verhin­ dern die Wände des Schlitzes ein Aufspalten des ein­gebundenen Holzes durch zu massives Eintreiben des Keils. Daisen ist ein konischer Dübel mit meist quadrati­ schem Querschnitt. Er wird eingesetzt als Sicherung in diversen Längsverbindungen, vor allem Blattver­ bindungen. Im Gegensatz zum shachisen sichert der daisen, wie unser Holznagel, orthogonal zur Holz­faser und zur Verbindung. Itoh, 1973, p. 50 Omori, 1966/5, p. 86ff. Klöckner, ibid., p. 18f.; Eitzen, ibid., p. 75 Phleps, 1951, p. 6 Brunskill, 1985, p. 59f. Binding, et al., 1989, p. 191 Ahrens, 1981, p. 137

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184 Coaldrake, 1990, p. 122. Mit den aus Korea bzw. China neu importierten Stilen ist neben dem daibutsuyō der zenshūyō gemeint, der ebenfalls Ende des 12. Jahr­hunderts nach Japan gelangt ist. Vgl. weitere Details auf p. 203ff. 185 Eitzen, 1963, p. 1–38 186 Schier, 1966, p. 41ff.; Gschwend, 1988, p. 99 187 Kawashima, 1990 188 Statt shinzuka ist regional (Kyoto-Osaka/Kinki-Region) auch odachi gebräuchlich. (Itoh, 1982, p. 72, 84) 189 Seike nennt das wagoya-gumi-Dach kyoro-gumi. 190 Eine andere Bezeichnung ist yojiro-gumi. (Itoh, ibid., p. 72) 191 Um den Dachraum besser nutzen zu können, hat man bisweilen die Mauerbank, das Auflager der Dach­schräge an ihrem Fußpunkt, etwas in die Höhe ge­zogen. Den Abstand Dachgeschossboden – Mauer­bank nennt man Kniestock. 192 Binding, 1991, p. 159ff. 193 Deinhard, 1962, p. 8 194 Winter, 1961, p. 267 195 Eitzen, 1963, p. 23ff. 196 In England nennt man Dachkonstruktionen singleframed oder double-framed, je nachdem ob mit Längsaussteifung oder ohne. 197 Ostendorf, 1908, p. 24. Später erst gelang es, bzw. war es aufgrund der Größe der Dachkonstruktion zusätzlich notwendig, die Längsaussteifung direkt unter die Sparren zu legen. 198 Fletcher, Spokes, 1964, p. 156ff. 199 Brunskill, 1885, p. 148f. 200 Deinhard, ibid., p. 6f.; Ostendorf, 1908. Bekannt war das Hängewerk schon im 4. Jh., wo es bei sehr flach ­geneigten Dächern (etwa 26°) in der Tradition anti­ ker Dächer angewandt wurde. (Conrad, 1990, p. 204) Die Einführung der Hängesäule im steilen Spar­ren­ dach des Mittelalters scheint jedoch keine bewusste Übernahme zu sein, wie die „unsichere Art der Holz­verbindungen ... hinreichend nachweist“. (ibid., p. 208) 201 Deinhard, ibid. 202 Ostendorf, ibid., p. 17 203 Hängebänder werden sie von Ostendorf und Schnell genannt. 204 Dienwiebel, 1938, p. 111 und fig. 51 205 Binding, ibid., p. 191 206 Soper, 1990, p. 307 207 vgl. p. 96 208 Der Begriff Rofen ist im Zusammenhang mit dem japanischen Dach unüblich. Da in diesem Buch aber versucht wurde, die verschiedenen Konstruktionen nach Möglichkeit auch sprachlich zu kennzeichnen, kann hier nicht von Sparren gesprochen werden. 209 Die hier Flugrofen genannten Konstruktionsglieder sind hiendaruki. Parent nennt sie flying rafters in Abgrenzung zu den fly rafters (shigai daruki), den Flugsparren. (Parent, 1985) Dieser Begriffsproble­ ma­tik lässt sich nicht entfliehen. Masuda verwendet den Begriff Sekundärsparren (Masuda, 1969, p. 132), der aber in diesem Buch schon vergeben ist für die in großen Dachkonstruktionen den Sparren zur Aus­stei­fung der Gebinde vorgestellten sparren­ paral­le­len Unterstützungshölzer. (vgl. p. 191 und Ill. 403) Die Einführung des Begriffs Sekundärrofen wäre zwar stringent, aber nicht unbedingt hilfreich. 210 Kawashima, 1990, p. 177ff.; Parent, ibid., p. 22 211 ibid., p. 239 212 ibid., p. 22 213 Nishi, Hozumi, 1985, p. 36ff. 214 Parent, ibid., p. 101 215 Coaldrake, 1990, p. 120 216 ibid., p. 122 217 Soper, 1990, p. 277 218 Parent, ibid., p. 158

19 Masuda, 1969, p. 132ff. 2 220 Seike, 1981, p. 97 221 Unter den Begriff Schiftung fallen die Verbindungen der Dachschräghölzer in Kehlen und Graten. Sie sind insofern komplizierter als die meisten anderen Ver­bindungen, weil die wahren Längen zweidimen­ sio­nal nicht darstellbar sind. Zu ihrer Herstellung muss der Zimmermann über ein ausgeprägtes drei­dimen­sionales Vorstellungsvermögen verfügen. Im Begriff Hexenschnitte (z. B. für die Verbindung der Rofen am Schnittpunkt der Fußpfetten eines Walmdaches) spie­gelt sich sprachlich die Angst und Ehrfurcht der Zimmerleute. 222 Graubner, 1986, p. 35 223 Asano, 1981, p. 2 224 Gerner, 1992, p. 26 225 Kawashima, 1990, p. 167ff. 226 Baumgarten, 1961, p. 86 227 Saeftel, 1931, p. 28 228 ibid., p. 55, Anm. 96 229 Oelmann, 1927, p. 3 230 Kawashima, 1990; Baba, 1978/7, p. 5; Ito, 1961/5, p. 8 231 Japan Architect, 1960/6, p. 90; Taut, 1958, p. 100 232 Moser, 1992, p. 53ff. 233 Kawashima, ibid., p. 83ff. 234 Lindholm, 1968, p. 34; Dietrichson, Munthe, 1893, p. 35 235 Holan, 1990, p. 171, fig. 4.43 236 Phleps, 1967, fig. 14.3; in Differenzierung zu fig. 14.5 und 14.6 237 Phleps, 1958, p. 45ff. Unter loft wird ein im Allgemeinen zweistöckiger Speicher verstanden, der seinen Ursprung in Deutschland haben soll. Wird er auf Stützel gestellt, heißt er stabbur. (vgl. Holan, 1990, p. 89f.) 238 Clausnitzer, 1990, p. 137 239 Breymann, 1900, p. 28 240 Phleps, 1935 241 Lissenko, 1989, p. 72; Blomstedt, Sucksdorff, 1902, fig. 60–62; Norberg-Schulz, 1979, p. 234 242 vgl. p. 250ff. und 257 243 Bunkazai ..., 1986, p. 93 244 Sacher, 1938, p. 1 245 ibid., p. 3 246 Ahrens, 1990, p. 159 247 Sacher, ibid., p. 3 248 Der massivste Querschnitt unter den von Sacher vorgestellten Beispielen misst 18 × 18 cm. (Sacher, ibid., Tafel IV/8) 249 ibid., p. 9; Ahrens hebt ausdrücklich den „hohen Stand der Zimmertechnik im mittelalterlichen Island“ her­vor. (Ahrens, 1990, p. 158) 250 Sacher, ibid., Tafel III 251 Bugge, Norberg-Schulz, 1969, p. 7 252 Ahrens, ibid., p. 129 253 Sirelius, 1906, p. 123ff., 146 254 Es waren dies maurische Zimmerleute. Insofern ist verständlich, warum dieses Beispiel völlig vereinzelt dasteht. 255 Uhde, 1903, p. 95ff. 256 Phleps, 1951, p. 4 257 Castellano, 1986, p. 83 258 ibid. 259 Bernert berichtet von Umgebindesäulen mit einem Durchmesser von bis zu 47 × 47 cm. (Bernert, 1988, p. 83) 260 Helmigk, 1937, p. 17 261 Franke, 1936, p. 33 262 Petrescu, 1974, p. 53f. 263 ibid. 264 Seike, 1981, p. 11; Burger, 1978, p. 21 265 Hewett, 1980, p. 105 266 ders., 1985, p. 68 267 Brown, 1989, p. 28f.

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68 2 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279

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ibid., p. 60 Coaldrake, 1990, p. 93, 113 Sjovold, 1985, p. 63 pers. Mitt. von Ohashi Yoshimitsu Ahrens, 1990, p.151f. Dietrichson, Munthe, 1893, p. 6 Bresson, 1981, p. 100 Ahrens, 1981, p. 131, 139f. Petrescu, 1974, p. 20 Panoiu, 1967/68, p. 89 Bugge, Norberg-Schulz, 1969, p. 89 Bresson, 1981, p. 160. Die Autoren sprechen zwar von einem Meter Länge. Aus dem Zusammenhang muss aber geschlossen werden, dass es sich hierbei um eine Verwechslung handelt. Lissenko, 1989, p. 52 ibid., p. 56 Gschwend, 1968/11, p. 8, 11 Haas, 1983, p. 28ff. Perger, 1970, p. 94 Strzygowski, 1927, p. 35f. Blaser, 1983, p. 80; Österr. Ing.- und Arch.verein, 1906, p. 92; Strzygowski, 1927, p. 36 Eysn, 1898, p. 277f. Swoboda, 1967, p. 15 Stepan, Varˇeka, 1991, p. 48, 346 Gunda, 1986, p. 84ff., 89 Lissenko, 1989, p. 36. Auch wenn uns dieser Vergleich nicht viel sagt, kann es keine große Summe gewesen sein, wenn extra darauf hingewiesen wird. Balogh, 1941, p. 19f. Brunskill, 1985, p. 24; Anthropol. Gesellschaft in Wien, 1895, p. 95 („wenig sorgfältig“); Klöckner, 1978, p. 45 („Verschwendung an Material wurde ... als selbst­verständlich in Kauf genommen.“); Baumgarten, 1961, p. 164 („ ... so wurde in manchem Bau des aus­gehenden 18. Jahrhunderts das Verhältnis zwischen Aufgabe und Verzimmerung schließlich ad absur­dum geführt.“) ibid., p. 165 Ostendorf, 1908, p. 71 ibid., p. 1 ibid., p. 90f. Gerner, 1986, p. 21; vgl. p. 60 Essex County Council, 1990, p. 13 Coaldrake, 1990, p. 127, 153 Hewett, 1980, Appendix 1 Seike, ibid., p. 11; Coaldrake, 1990, p. 127 Brunskill, ibid., p. 38 Parent, 1977/5, p. 80; Ostendorf, ibid., p. 223 Nakahara, 1990, p. 30 Böhm, 1911, p. 33 Parent, ibid. Breymann, 1900, p. 19 Gerner, 1992, p. 90; Graubner, 1986, p. 80. Nicht ein­mal in diesem Fall scheint die Nomenklatur ein­deu­tig zu sein. Graubner nennt auch ein Druckblatt Französisches Schloss, also eine Blattverbindung, de­ren Blattflächen in Längsrichtung schräg

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11 3 312 313 314 315 316

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geschnitten sind, wenn es sich um eine Längsverbindung handelt, oder in beiden Richtungen, in der Art wie die schwalbenschwanzförmige Verschränkung im Blockbau. (Graubner, ibid., p. 124) Gerner, ibid., p. 90ff.; Graubner nennt den Brüstungs­ zapfen einen Nutzapfen und das Zusammentreffen des Nutzapfens mit einem Steckfalz, wie beim Fran­zösischen Schloss, seiner Form wegen einen Kreuz­zapfen. (Graubner, ibid., p. 80) Wer etwa an den Kreuz­­zapfen ( juji mechigai tsugi) denkt, ahnt die ­beschwo­renen Unklarheiten. Graubner hat diesen übrigens auch abgebildet. Der von ihm angeführte japanische Verbindungsname „Jyu-mon-ji-tsugi-te“ lässt vermuten, dass Tanaka Fumio diesen Kreuz­zap­ fen in einem Jyumon-Tempel eingebaut hat. (ibid., p. 63) Hewett, ibid., p. 265 ibid., fig. 245 ibid., p. 268 ibid., p. 271 Als Verjüngungsrichtwert wird ein Zehntel der Ver­bindungstiefe angegeben. (Nakahara, ibid., p. 19) Chigiri ist ein eingelegter Dübel. Kusabi tsugi ist eine andere Bezeichnung für die gleiche Verbin­dung. (Nakahara, 1990, p. 35) Brunskill, ibid., p. 28 ibid., p. 28 Killer, 1941, p. 24 Lissenko, 1989, p. 50 Coaldrake, 1990, p. 127; Coaldrake gibt die Strecke mit dem Zehnfachen an. Dabei muss es sich um einen Irrtum handeln. Die Strecke Nara – KobeRegion ist weder zu Lande noch zu Wasser über 500 km lang. Seike, ibid., p. 12 Holan, 1990, p. 179 Ohta, 1992, p. 34 Der Beginn der Kamakura-Ära (1185–1333) fällt mit dem Beginn des Shogunats zusammen. Die Verle­ gung der Residenz nach Kamakura machte die Stadt auch zu einem religiösen Zentrum. Eine Fülle von Tempel­anlagen legt noch heute davon Zeugnis ab. Mayer, 1986, p. 15 Kawashima, 1990, p. 30ff. Ostendorf, 1908, p. 117 Die Dächer der Stadthallen von Padua und Vicenza aus dem 15. Jahrhundert sollen de l’Ormes Kon­struk­tion vorweggenommen haben. Glaubt man Osten­dorf, so hat diese Technik jedenfalls in Oberitalien durchaus ihre Anhängerschaft gefunden. (vgl. Osten­dorf, ibid., p. 157) Conrad weist darauf hin, dass die Kuppeln von San Marco in Venedig (I) aus dem 13. Jh. sowie die des Felsendomes in Jerusalem aus dem 7. und 11. Jh. ge­nauso erbaut wurden. (Conrad, 1990, Anm. 224) Gilly, 1797, p. 22–28 ibid., p. 7 Brunskill, ibid., p. 49 Kaiser, Ottenjann, 1988, p. 95f. Bresson, 1981, p. 160

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Holzverbindungen als Ausdruck ästhetischer Wertvorstellungen

Holzverbindungen entstanden, weil sie eine Funktion zu erfüllen hatten. Solange Erfahrungen fehlten, standen für die Ausformung ästhetische Kriterien im Hintergrund. Baute man größer als gewöhnlich, griff man auf erprobte Konstruktionsweisen zurück und testete sie auf ihre Tauglichkeit im größeren Maßstab. Vertraute der Zimmermann einer angebrachten Verstrebung nicht, dann musste er eben die Verstrebung noch einmal verstreben. (Ill. 519) Zunächst nahm an solchem Flickwerk niemand Anstoß. Erst als die Zimmerleute die konstruktiven Prinzipien im Griff hatten, nicht mehr das Wie einer Konstruktion zur Diskussion stand, wurde die Ausformung zum unterscheidenden Kriterium.1 Den Handwerker musste es reizen, die Wichtigkeit eines konstruktiven Teils gebührend herauszustreichen. Dennoch war Schönheit nicht Selbstzweck. „Für den mittelalterlichen Menschen war das Kunstwerk ein Gegenstand, der die Aufgabe hatte, zu einem bestimmten Zweck nützlich zu sein.“2 Yanagi geht so weit zu behaupten, dass außer im Nutzen keine Schönheit im handwerklichen Gegenstand läge.3 Schönheit war einer Bestimmung untergeordnet. Thomas von Aquins Vergleich der gläser­nen Säge mit der eisernen bringt dies klar zum Ausdruck. Die aus Glas gefertigte Säge sei zwar angenehmer anzuschauen, erfülle aber nicht ihren Zweck, nämlich zu sägen. Eine solche Schönheit ohne Zweckentsprechung löste die Bindung der Kategorie des Schönen von der Kategorie des Nützlichen. In eine solche Relation gesetzt lässt sich Schönheit bewerten.4 Ganz wesentlich geprägt war sie vom rohen Werkstoff. Die Summe sei­ner Eigenschaften konnte ästhetisch oder falsch eingesetzt wer­ den. In der Unterschiedlichkeit der Eigenschaften liegt die Unter­ scheid­barkeit je zweier Stücke Holz. Je rücksichtsvoller auf die In­divi­dualität des verarbeiteten Materials eingegangen wird, desto ausgezeichneter in ihrer Unterschiedlichkeit sind auch die Werkstücke. Nicht zufällig sagen die Tee-Meister: „Schönheit verliert ihre Kraft, wenn sie wiederholt wird.“5 Kein anorganisches Material kann die­sem Schönheitsbegriff gerecht werden; auch nicht mehr das zuneh­mend seiner organischen Eigenschaften beraubte Holz, wenn es den Namen nur mehr aus Tradition zu tragen scheint. Verbindungen sind als kleinster architektonischer Baustein einer der am besten lesbaren Indikatoren für die stetem Wandel un­ter­ lie­genden Wertvorstellungen über den Begriff des Schönen. Denn auch der Begriff der Nützlichkeit unterlag einer solchen Wandlung. Gerade die Holzverbindungen boten wegen ihrer technischen Ver­pflich­tungen ungeahnte Möglichkeiten, dem oft starren, vor­ge­ schrie­­­be­nen oder angestammten Korsett überlieferter Konstruktionsprinzipien zu entfliehen und sie als Ausdrucksmedium in weit größerem Maße zu benutzen, als dies das Bauwerk als solches zugelassen hätte. Holzverbindungen sind auch Ausdruck der Wertschätzung des verarbeiteten Materials. (Ill. 520) Über dessen Vergänglichkeit det, zumindest nach japanischem Verständnis, nicht der befin­ Mensch. Er hat in den natürlichen Kreislauf von Werden und Vergehen eingegriffen, indem er ein Stück Holz geschlagen hat. Nun muss er al­les dafür tun, um so sorgsam wie nur irgend möglich mit dem Material umzugehen und es zu erhalten. Wir sind gewohnt, ökonomische Kriterien in den Vordergrund zu stellen. Massives Holz ausgewählter Qualität ist zum Statussym-

519  Das untere Kopfband war so lang, dass es oben und unten selbst verstrebt wurde. – Barley barn in Cressing/Essex (GB)

520  Die Wertschätzung für das Mate­ rial musste an diesem einfachen Tor in Hagi/Yamaguchi (J) offensichtlich nicht mit dem ökonomischen Wert menschli­ cher Arbeitskraft konkurrieren.

246

bol geworden, in Europa wie in Japan. Der Gebrauch bestimmter Vokabeln ist ausreichend, Wertvorstellungen zu suggerieren, deren Ba­sis im Wissen des Konsumenten nicht mehr vorhanden ist. Es wird zunehmend leichter, einen Schein als Sein zu verkaufen, je tiefer die Kluft wird zwischen Leben mit der Natur und Leben in der Natur. Vielleicht krasser als irgendwo sonst lässt sich dies am Geschäft mit der tokonoma, der Bildnische (siehe p. 40, Anm. 70) in Japan ablesen. Was könnte besser die Verschiebung der dem Material zugesprochenen Wertigkeit zum Ausdruck bringen? Solange genügend Ressourcen zur Verfügung standen, wurden statische Probleme aber nach Erfahrung und ästhetischem Gefühl gelöst, das wiederum durch Tradition bestimmt war. (Ill. 521) Holzverbindungen wurden zu Trägern ästhetischer Anschauun­gen, zum Ausdrucksmittel subjektiver und objektiver Wertvorstellun­ gen. Diese waren nicht nur nicht voneinander unabhängig, sondern bedingten einander geradezu. Das, was den einzelnen Zimmer­ mann seine Holzverbindung gestalten ließ, war vom „objekti­ven“ ästhetischen Ideal ebenso abhängig wie die allgemeine Vorstellung dessen, was schön ist, vom „subjektiven“ Schönheitsbegriff des einzelnen Handwerkers beeinflusst und weiterentwickelt wurde, wenn auch immer in nur sehr kleinen Schritten. „Handwerker nei­gen in technischen Belangen zu Konservativität.“6 Der durchschnittliche mittelalterliche Handwerker hatte kaum eine Chance, seine nä­here Umgebung zu verlassen und Neues kennenzulernen. Geistige Befruchtung hatte ihre Quelle also primär in geforderten neuen Aufgabenstellungen. „Wie eine Perle in einer Muschel“7 wächst, welche Blüten eine echte Isolation zum Sprießen bringt, zeigt das Beispiel Japan während der Edo-Zeit. Es gibt zahlreiche Holzverbindungen in Europa und Japan, die gleich aussehen und die gleiche Funktion haben. Dass sie deshalb als grund­ sätzlich gleich zu bezeichnen seien, soll in diesem Kapitel noch ein­ mal dezidiert in Abrede gestellt werden. Eine Beurteilung in dieser Hinsicht hängt unter anderem von der Gewichtung ab, die man der unterschiedlichen Herstellungsweise, der unterschiedlichen Einstellung zum Holz, dem anderen Werkzeug und den anderen Bauaufgaben beimisst. Wertvorstellungen werden von so vielen Komponenten geprägt, dass die sie prägenden Faktoren wie Geschichte, Kultur u. a. Gleiches eigentlich von vornherein ausschließen. Anhand von drei Gegen­ überstellungen soll demonstriert werden, dass eine rein technisch-funktionelle Betrachtung der Holzverbindun­gen als Grundlage einer Gegenüberstellung einfach zu kurz greift, dass neben den bislang aufgezeigten Ähnlichkeiten und Differen­zen japanischer und europäischer Beispiele es noch ganz andere Aspekte gibt, die bei solchen Überlegungen in Betracht gezogen werden müssen. In dem Augenblick, wo man gewillt ist, diese Sichtweise zu akzeptieren, wird auch nachvollzieh­bar, dass es kaum möglich ist, in irgendeinem Fall von einer gleichen Verbindung in Europa und Japan zu sprechen. Aus zwei artfremden Samen können nicht zwei artgleiche Bäume wachsen.

521  Dieses gigantische Sattelholz eines Balkenunterzugs in Novo Selo (BG) vermittelt besonders schön über seine Funktion die Wertigkeit des ästhetischen Eindrucks gegenüber ökonomischen Überlegungen.

Das Sichtbare und das Verborgene Die Schwalbenschwanzform bzw. der Haken sollten verhindern, dass das Blatt bei Belastung aus der Sasse gezogen wurde. Der konstruk­ tive Gedanke, der in dieser Verbindung so deutlich ablesbar gestaltet war, reizte die europäischen Zimmerleute zum Spiel mit der

522  Im Extremfall war nicht mehr die Form des Blattes der angestrebte opti­ sche Reiz, sondern die von den Blättern erzeugte Figur. – Rathaus in Esslingen/ Baden-Württemberg (D)

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Form. Über den mehrfach abgesetzten Schwalbenschwänzen und Haken erkannten sie, welche Späße möglich waren, wenn sie auch noch auf die gerade Linienführung verzichteten. (Ill. 522) Da sehr große Bauten sehr starke Hölzer verlangten, die Verbindungen entsprechend monströs ausfallen mussten und dies die Arbeit der Zimmerleute grobschlächtiger aussehen ließ, als sie tatsächlich war, lag es auf der Hand, dort anzusetzen, wo der Eingriff sichtbar war und zugleich dennoch nicht die Konstruktion beeinträchtigte. Sinn­voll und möglich war diese Art der Weiterentwicklung der Verbindung nur, wenn man die ablesbare Gerichtetheit des Materials ausnutzte. Erst dadurch wurde die mühevolle Kleinarbeit überhaupt erkennbar. Mit dem Bau von Städten war zwangsläufig die Uniformierung des Bauholzes verknüpft. Da man aber den dekorativen Aspekt der einst krumm benutzten Hölzer nicht vergessen hatte, stellte man sie nun eben künstlich her. (Ill. 523) Außerdem ließ die Ausfransung der Blattverbindungen an ihren Enden sich mit einem Kniff auch auf das Längsholz übertragen, ohne es ernsthaft zu schwächen. (Ill. 524) Vereinigte man den belebenden Charakter der „krummen“ Streben mit der ihren funktionellen Zweck überspielenden Verfremdung, eröffnete sich vordergründig eine unüberschaubare Variationsbreite – vordergründig deshalb, weil man sehr rasch dazu überging, den Wildwuchs in geordnete Bahnen zu lenken. Das Bedürfnis nach Reglementierung und Sicherheit fand seinen Niederschlag in streng symmetrischen Formen, die mehr und mehr nach Schablonen geschnitten wurden.8 In diesen Zusammenhang gehört etwa jene Form von Verzierung,9 bei der alle Flächen eines Fachwerkhauses, die an der Überkreuzung einer Strebe mit einem Riegel entstanden, bemalt wurden, und zwar ganz exakt das Rhomboid der Überblattung. Der schon von der sichtbaren Anordnung der Streben und Riegel her in Frage zu stellende konstruktive Zusammenhang wird durch diese Bemalung vollends verfremdet. Zusätzliche Unterstützung erfährt die gestalterische Auflösung der Ablesbarkeit der Konstruktion durch die punktuelle Akzentuierung der Holznägel. Sie werden farbig ausgespart und da­durch zum optischen Dekor. In ähnlicher Weise könnte man eine Erscheinung im Blockbau inter­ pretieren, die die Verbindung über das Konstruktive weit hinaus­ gehend hervorhebt.10 In Rumänien findet man noch Blockbau­ten, deren Wände lehmverschmiert und in der Regel farbig gekalkt wa­ren. Nur die Balkenenden, gleichgültig ob an den Ecken oder als aus der Wand herausragende Zwischenwände, blieben unverputzt und ungekalkt. Zwei Überlegungen können dafür ins Tref­ fen geführt werden. Da das Hirnholz wesentlich anfälliger als die Blockbalken im Längsholz ist, mochte man ihm die Möglichkeit ge­ben wollen, so rasch als möglich zu trocknen, wenn es nass gewor­ den ist, so dass es sinnvoller war, die Balkenenden unverputzt zu belas­sen. Andererseits gibt es genügend Beispiele, die auch die Bal­ken­enden mit einem Lehmmantel schützen. Insofern liegt es nahe, Gestaltungswillen als Motiv für die besondere Hervorhebung der Ver­bindung wenigstens in Betracht zu ziehen. Eine grundsätzlich andere, grundlegende Forderung im japanischen Holzbau war es, Verbindungen so anzulegen, dass diese nach Möglichkeit nicht zu sehen waren. Diese Forderung entstand in einer Zeit, als Konstruktionen noch offenlagen und keine Decke den Blick ins Dach versperrte. Das „fertige, zu Ende geführte, klare Erscheinungsbild“ war die an den Zimmermann gerichtete ästhe-

523  Andreaskreuz in Calw/BadenWürt­temberg (D)

524  Gerade so tief wie notwendig war, um eine Putzschicht haltbar aufzutra­gen, wurde das gewünschte Ornament aus dem vollen Holz herausgeschnitten. – Michelstadt/Hessen (D)

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tische Vorgabe.11 Je nach Baustil kann dies beim Betrachter zum Eindruck größter Schlichtheit führen. Bruno Taut verführte eine rein formale Analyse zur irrtümlichen Ansicht der Simplizität des Ise-jingu.12 Der absolut perfekten Ausführung ist es zuzuschreiben, dass ein so kom­petenter Beobachter sich so täuschen ließ. (Ill. 525) Ohne die Verkleidung läge hier eine große Fülle von Details offen: die Brechung einer Ecke der Traufenpfette zur optischen Überleitung des Pfettenquerschnitts zum Winkel der Dachschräge, die Be­rücksichtigung der Fladerzeichnung am Ortgang, die Ausformung der Unterkante der Grasdeckung. (Ill. 526) Wie sehr verinnerlicht im Bewusstsein des Zimmermanns der Auftrag war, die Verbindungs­stelle nicht sehen zu lassen, kann an Verbindungen abgelesen wer­den, de­ren Linienführung in Verfolgung eines neuen Zwecks13 absolut nicht mehr verborgen wurde. Bei senkrechten Anlängungen war der Grundsatz der Unsichtbarkeit besonders schwer realisierbar. Schwierigkeiten machte auch die statische Forderung, „dass die Achsen der zu verbin­denden Hölzer in eine gerade Linie treffen, dass beide Hölzer sich mit möglichst großen Flächen berühren und ein Aufspalten und Splittern verhindert wird“.14 Es erleichterte die Aufgabe, wenn eine oder mehrere Seiten der Verbindung durch die Konstruktion verdeckt wurden. Im Idealfall war die Verbindungsstelle zum Betrachter nur durch eine Linie gekennzeichnet. (Ill. 527) Das Bewusstsein für diese Ästhetik scheint mit der wachsenden Übernahme westlicher Bau­technolo-

525  Der Erscheinung klarer Schlicht­ heit, wie sie dem Ise-jingu unbestreitbar zu eigen ist, liegt ein über Jahrhunderte tradiertes, in absolut allen Details fest­ geschriebenes Konzept zugrunde.

527  Über dem Ständer der kakezu­ kuri-Konstruktion des Ishiyama-dera hondō/Shiga (J) ist zum Betrachter hin nur eine Stoßfuge der verbundenen Balken gezeigt.

526  Den Traufabschluss bilden zwei abge­stuft übereinandergelegte Reihen von Reetgrashalmen, die Stück für Stück zusammengenäht werden. Etwa 20 Stück bilden eine Matte. Die Halme sind so abgeschnitten, dass das nach vorne schauende Ende, das Nodium, geschlos­ sen ist.

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gie in zuneh­men­­dem Maße abhandenzukommen. Wie sonst wäre zu erklären, dass der Ausstellungsarchitekt im alten Reis­speicher des Takayama-jinya just den Ständer der Trennwand herausnehmen ließ, der eine Verbindung verstecken sollte. Noch einmal verbessern ließ sich die Längsverbindung, wenn der die Verbindungsstelle markierende Stoß in seiner Richtung dem Faserverlauf der verbundenen Hölzer angenähert wurde. Die Verbindung hatte somit zwei Funktionen zu erfüllen, die in ihrer Aus­füh­rung zum Ausdruck kamen: Für den Beschauer hatte der Zim­mermann die ästhetische Forderung der Unsichtbarkeit zu erfüllen (Ill. 528), für die Konstruktion musste die Verbindung den auftreten­ den Lastangriffen gewachsen sein. Der Zimmermann teilte den zur Verfügung stehenden Holzquerschnitt für die Herstellung der Verbindung in zwei Teile. Der sichtbare Teil wurde so ausgeformt, dass er möglichst nicht zeigte, dass überhaupt verbunden wurde. Im Inneren bzw. an der nicht einsehbaren Rückseite der verbundenen Höl­zer war der funktionelle Teil der Verbindung angeordnet. (Ill. 529) Neue Verbindungen mussten nicht erfunden wer­den. Das vorhandene Repertoire reichte aus, um eine Unzahl an Kombinationen zu schaffen, die der Aufgabe gerecht werden konn­ten. (Ill. 530) Faszinierend ist, auf welch engem Querschnitt alle not­wendigen Funktionen erfüllt wurden. Besonders beachtenswert sind dabei die Vorkehrungen, die ein Klaffen des Verbindungsspal­tes wegen seitlichen Druckes, dem vor allem traufseitige, waag­rechte Hölzer unter dem Druck der Rofen ausgesetzt waren, verhindern soll­ten. Einzelne Aspekte dieser spezifisch japanischen Verbindungen las­ sen sich auch in Europa nachweisen. So stellt Gerner zwei Beispiele von zweigeteilten Verbindungen vor, die ihre Form der Überlegung

530  Zweigeteilte Längsverbindung am Enkyo-ji jogyodo/Hyogo (J) und am Kyuan-ji rōmon/Osaka (J) (nach: Bunka­ zai ..., p. 288/2, 320/3)

529  Eine der Verbindungsmöglichkei­ ten zeigt die Zeichnung (aus: Suzuki, 1847)

528  Anlängung des Balkens zwischen Basisrofen und Flugrofen mit geradem Stoß und des Balkens oberhalb der Flug­ rofen mit schrägem Stoß beim Ishiyama­ dera tahoto/Shiga (J)

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des Zimmermanns verdankten, auf welche Weise die Feuchtigkeit am besten von der Verbindung ferngehalten werden konnte.15 In England entdeckte man Blattverbindungen mit versteck­tem Ha­ken, die, trotz kostspieligerer Herstellung, das Hakenblatt weitgehend er­setzten.16 In Wells Cathedral/Somerset (GB) kamen noch versteckte Schwalbenschwänze dazu.17 Schenkt man Brunskill Glau­ben, stand in England bei Verbindungen dieser Art der Gedanke des Verstec­kens im Vordergrund. Diese Form des „secret joint­ing“ soll durchaus üblich gewesen sein.18 Zusätzlich zu den grundlegenden Unterschieden in der Auffassung erläutert ein Vorbehalt in einem deutschen Lehrbuch hinreichend, warum sich zweigeteilte Verbindungen, wie sie uns in den japanischen Beispielen begegnen, in Europa nie hätten entwickeln las­ sen: In verdeckt ausgeführte Verbindungen sähe man nicht hinein. Der Zimmermann könne also nie wissen, ob seine Verbindung ge­nau genug geschnitten wäre, um ihre Aufgabe zu erfüllen.19 An anderer Stelle ist der in Japan so weit verbreitete zweigeteilte Aufbau der Verbindungen schon angesprochen worden, wenngleich unter einem anderen Aspekt. Bei der Eckverbindung der Schwellen hatten wir Gründe des Holzschutzes in den Vordergrund gestellt,20 so wie hier grundsätzlich die These vertreten wird, dass funktionelle Überlegungen für die Entwicklung der Verbindungen die Initial­ zün­dung waren. Die Verknüpfung technischer Notwendigkeit mit der Klarheit der Ausführung war der Katalysator für die weitere Verfeinerung der ästhetischen Ansprüche, die in der Unverletztheit der Textur des Holzes gipfelte. Folgerichtig musste beispielsweise die Verbindungsstelle der Ortgangbretter am Dachfirst zum einen so verbunden sein, dass sie als Verbindung funktionierte. Zum zweiten musste der besonderen Verletzlichkeit des Hirnholzes Rechnung getragen werden, woraus sich als Synthese eine Form ergab, die unter zusätzlicher Berücksichtigung ästhetischer Anforderungen nur einen Gehrungsschnitt in Erscheinung treten ließ. (Ill. 531; Ill. 532; Ill. 533) Auf die besonderen Schwierigkeiten dieser Verbindung wegen der sukzessive zunehmenden Dachlast während der Errichtung des Baus ist schon hingewiesen worden.21 (Ill. 534) Die für den Betrachter am schwersten zu entdeckenden Verbindun­ gen dieser Art fügen ganz zarte Leisten im Innenausbau aneinan­ der. Allfällige shachisen sind schon mehr Reminiszenzen als funktionelle Bestandteile der Verbindung. Ihre Ausarbeitung lässt den Europäer eher an Ebenisten denn an Tischler denken; sicher aber nicht an Zimmerleute. Eine ganz eigene Kategorie von Verbindungen, die unter dem Eindruck des Schönheitsideals entwickelt wurden, waren die isuka tsugi.22 (Ill. 535) Graubner nennt sie Schäftungen.23 In ihrer einfach­sten Form waren sie nicht geeignet, Zugkräfte aufzunehmen. Es kam fast nur noch auf ihr Aussehen an. Je nach Maßgabe, wie viele Sei­ten einsehbar waren, wurde die Schnittlinie der zu verbindenden Teile angelegt. Gekrönt wird diese Verbindungsgruppe von der Miyajima tsugi, die ihren Namen nach dem Ort erhielt, an dem sie entdeckt wurde (Miyajima/Hiroshima). Die Idee zu dieser Verbindung hat der Schöpfer niemals weitergegeben – sie ist sonst nirgends zu finden. Die kulturelle Bedeutung der isuka tsugi übt noch heute ihren Einfluss auf Zimmerleute aus. Ogawa Yukio griff die Form auf, um sie, ganz in der Tradition der Edo-Zeit, spielerisch umzuformen und ihr einen neuen Bedeutungsinhalt zu übertragen. (Ill. 536)

531  Verbindung der Ortgangbretter (nach: Graubner, 1986, p. 115)

532  Rückseite einer Ortgangverbin­ dung (nach: Nakahara, 1990, p. 203)

533  (nach: Uchida Yoshichika, 1993, fig. 4.33.5)

534  Die charakteristischen Unterschie­ de des japanischen Entwurfs stechen im Vergleich mit einer europäischen Muster­­ lösung ins Auge. (aus: Opder­becke, 1909, Tafel 11)

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535  Isuka tsugi, sumi isuka tsugi, sumikiri isuka tsugi (Das Wort isuka besteht im Japanischen aus drei Zeichen mit der Bedeutung: gekreuzter Vogel­ schnabel. Sumi isuka tsugi wird einge­ setzt, wenn die ästhetischen Ansprüche durch isuka tsugi noch nicht befriedigt werden kön­nen. Sumikiri isuka tsugi – funktionell die gleiche Verbindung wie Miyajima tsugi – hält sogar geringer Zugbelastung stand.)

536 Tōshi bari no katame isuka tsugi von Ogawa Yukio: Verbindung eines durch­gehenden Balkens zur Verstärkung in Form eines Vogelschnabels (aus: Jutaku Kenchiku, 1985/1, p. 167)

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Schutz und Repräsentation Der europäische Holzbau ist ohne Holznägel (Dübel) nicht denkbar. Jede Blattverbindung, jede Zapfenverbindung musste gegen ein Her­ausziehen des einen Teiles aus dem anderen abgenagelt wer­den. Nicht im gleichen Ausmaß wie im Ständerbau war der Dü­bel im Blockbau von Bedeutung, wo er in der Regel unsichtbar blieb. Im Stän­derbau musste der Nagel so angeordnet sein, dass er unter Umständen nachgeschlagen werden konnte. Das bedingte ein beträcht­liches Herausstehenlassen aus der Fläche. Auf diese Weise verrie­ten die Holznägel unmissverständlich die Konstruktion. (Ill. 537) Wie hätte man sich nicht ihrer schmückenden Funktion bedienen sollen? Wenn die Lust an der Ausschmückung den Geist des Handwerkers über ein gewisses Ausmaß hinausgehend okkupiert, kann die Konstruktion allerdings Gefahr laufen, in den Hintergrund gedrängt zu werden oder ganz in Vergessenheit zu geraten. Im günstigen Fall tat der Zimmermann nur des Guten zu viel. Ob es der Schatten war, den die im Streiflicht liegenden Holznägel auf die Wand warfen? In dem Moment jedenfalls, als die Nägel in den Blickpunkt der Betrachtung gerückt waren, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der erste Zimmermann ihrer intensiver annahm, als dies ihre konstruktive Funktion verlangt hätte. (Ill. 538) Er erhielt die Möglichkeit, sein Talent als Schnitzer unter Beweis zu stel­len.24 (Ill. 539) Angesichts solcher Ausformungen wundert es gar nicht zu hören, dass Holznägel auch gedrechselt wurden.25 Für den Zimmermann waren die Holznägel ursprünglich von rein technischer Bedeutung. Nicht jede Holzart taugte zu ihrer Herstellung. Der Nagel musste trockener sein als die zu verbindenden Holz­teile. Wenn er eingeschlagen wird, werden durch die nie exakt auftreffenden Hammerschläge seine Ränder arg in Mitleidenschaft gezogen. Im Extremfall würde das Hirnholz fächerförmig auseinandergeschlagen. Ist der Nagel an sich durch seine exponierte Lage schon sehr stark der Witterung ausgesetzt, käme dies seiner mutwil­ligen Zerstörung gleich. So wie der Nagel an dem Ende angespitzt werden musste, das ins Holz getrieben wurde, um den Rei­bungs­widerstand zu verringern, verfuhr man daher auch am an­deren Ende. Im Blockbau war die Möglichkeit zur Gestaltung von Hirnholz für den Zimmermann viel größer. Jeder Balken hatte zwei Enden, die sich zu spezieller Bearbeitung anboten. Vor allem konnten neue oder ungewöhnliche Formen auf größere Distanz zur Betrachtung locken. Auch im Blockbau waren es zunächst ganz pragmatische Gründe, die das Augenmerk auf die Balkenenden lenk­ten: Zur Konservierung war es üblich, sie zu kalken.26 Wie es weitergegangen sein könnte, zeigen noch heute wenige einzelne Bauten. (Ill. 540) Schon die Verschränkung mittels schwalbenschwanzförmiger Verbindungsformen war nicht einfach gewesen, weil der Schwalbenschwanz ja dreidimensional angelegt werden musste. Noch kom­plizier­ter war die Herstellung des Klingschrotes,27 weil keine der La­gerflächen eben war.28 Für die Errichtung eines mit Klingschrot abgebundenen Speichers war ein beachtlicher Zeitaufwand zu veranschlagen. Vier Männer sollen in einem Tag gerade einmal zwei Kränze fertiggestellt haben.29 Wenn Zimmerleute behaupten, dass der doppelte zeitliche Aufwand bei der Herstellung des Klingschro­ tes gegenüber demjenigen bei schwalbenschwanzförmigen Verbindungsflächen dadurch gerechtfertigt wäre, dass ihre Arbeit doppelt so lange hielte,30 so ist dies zumindest nicht

537  Der Holznagel ermöglichte, auf den ersten Blick abzulesen, ob einander kreu­zende Hölzer mit einem Blatt verbunden waren oder ob es sich um eine Zapfenver­bindung handelte. – Museumsdorf Clop­penburg (D)

538  Sockelzone des Rathauses in Esslin­gen/Baden-Württemberg (D)

539  Holznägelköpfe (aus: Gladbach, 1897, fig. 65)

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der einzige Grund für diese Wahl gewesen. Schon die Verwendung solch aufwendiger Verbindungen ausschließlich an Wohnhäusern und Speichern macht deutlich, dass es um Repräsentation ging. (Ill. 541) Welcher Bauer wäre nicht ebenso froh gewesen, wenn auch der Stall doppelt so lange gehalten hätte? Eine andere Blockbauverbindung, die in konsequenter Entwicklung die­ser Tendenz nur noch aus dem Wunsch entstanden zu sein scheint, eine noch nicht dagewesene, ausgefallene Verbindung zu schaf­fen, war das Kugelschrot.31 (Ill. 544) Das Balkenende vor Augen wäre die Bezeichnung H-Schrot wesentlich suggestiver. Vielleicht noch dekorativer als an den Ecken zeichnete sich das Hirn­ holz an eingebundenen Zwischenwänden ab. Nicht annähernd von der gleichen konstruktiven Bedeutung wie die Verbindungen an den Ecken, lag es nahe, diese einfach zu übertragen. Auch im Falle komplexerer Formen war in der Regel eine Adaptierung unproblematisch. (Ill. 542) Sobald sich aber der Zimmermann die untergeordnete Rolle bewusst gemacht hatte, die den Verbindungen der Zwischenwände tatsächlich beizumessen war, brach die Barriere der Funktionalität. (Ill. 543) Im Rausch des Gestaltenwollens wurde jede Form in Holz übertragen, die nur herstellbar war. In manchen Fällen zeigte der Zimmermann keine Hemmungen, die letzten Reminiszenzen an konstruktive Hintergründe vergessen zu lassen. Das Malschrot, „das im Kleingefüge das Kühnste darstellt, was die Holzbaukunst hervorgebracht hat“,32 musste so gestaltet sein, dass sich in der Abfolge des Abbunds Balken über Balken senkrecht in das Kranzgefüge einlegen ließ. Musste schon das Kreuz über einem Kreis, ein sehr beliebtes Motiv, waagrecht eingeschoben werden, kamen auch Ausformungen vor, die nach Einsetzen der Zwischen­ wandbalken von außen ausgeflickt werden mussten.33 (Ill. 546) Un­ge­zügelte Ornamentierungswut wusste auch in diesem Fall die Schran­ken material- und konstruktionsgerechter Verarbeitung zu durchbrechen. Anders als im Fall der Eckverbindungen sind Superla­ tive zimmerungstechnischen Ausdrucksstrebens an Innenwänden auch bei Wirtschaftsräumen anzutreffen.34 Angesichts mancher Verbindungsformen wird der Ausdruck Zierschrot oder auch Figurenschrot einleuchtend.35 (Ill. 547) In Oberbayern (D) ist ein Beispiel erhalten, das die zwei geschilderten Mög­­ lichkeiten, Hirnholz besonders hervorzuheben, kombiniert hat; dort werden die figürlichen Hirnholzenden noch durch Bemalung in ihrer Auffälligkeit unterstrichen bzw. in eine malerische Ausgestaltung eingebunden, die jeden noch an die Konstruktion gebunde­ nen Rahmen sprengt.36 (Ill. 545; Ill. 548) Es ist bekannt, zu welch fantastischen Schnitzereien die Balkenkopfverzierung Anlass gegeben hatte, von ganz einfachen Beispie­ len37 (Ill. 549) bis hin zu wahren Meisterwerken.38 Jeder Handwer­ker hat damit zu kämpfen, dass oft der schwierigste Teil seiner Ar­beit dem Laien nicht erkennbar wird. Die Selbstlosigkeit, bescheiden hin­ ter seinem Werk im Schatten stehen zu bleiben, ist nur wenigen in die Wiege gelegt. In seltenen Fällen gelang es einem Zimmermann, sich von solchem Verdacht der Selbstdarstellung freizuspie­len, indem er gerade durch suggestive Ausgestaltung der Verbindung auch dem Unbedarften den konstruktiven Zusammenhang im Gefüge bildhaft vermittelte. (Ill. 550) Die moralische Schuld, die der japanische Zimmermann innerhalb seines ethischen Systems mit der Fällung des Baumes auf sich geladen hatte, musste er durch Verbauungsweisen sühnen, die die fortdauernde Existenz des Baumes sicherstellten.39 Die durch die

540  Jeder Balkenkopf erhielt wie ein Dominostein fünf farbige Punkte auf das Hirnholz gemalt. – Ždiar (SK)

541  Sechsfacher Klingschrot eines Getreidespeichers aus Saureggen/ Kärnten (A) im Freilichtmuseum Stübing

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542  Mit doppeltem Klingschrot einge­bundene Wand in Hasleiten/ Nieder­­österreich (A)

545  Bemalter Zierschrot in Surheim/ Bayern (D)

543  Zusammenstellung verschiede­ ner Zierschrotformen eines Wirtschafts­ gebäudes in Ellmau/Tirol (A) (aus: Deinin­ger, 1903, 1. Abt., Heft 7)

544  Warum das Kugelschrot so genannt wurde, erscheint nicht wirklich einsich­ tig; im Langholz ist sein Querschnitt halbtonnenförmig, im Hirnholz halb­ kreisförmig. – Grafenbach/Kärnten (A)

546  Man machte auch vor solchen For­ men nicht Halt, die ganz offen­sicht­lich die Natur des Materials vergewal­tig­ten. – Oberaurach/Tirol (A)

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547  Dieses Beispiel aus Trautenfels/ Steiermark (A) erinnert schon fatal an die Einlegearbeiten der Tischler.

548  Ein durchaus häufiges Zeichen war die Katze. Sehr selten war sie allerdings in bemalter Ausführung zu sehen. – Haus/Steiermark (A)

549  Die auskragenden Konsolen der Kirche in Caˇlines˛ti/Maramures˛ (RO) enden in Form stilisierter Pferde­köpfe.

550  Hinter dem expressiv ausgestal­te­ ten Sparrenknecht der Kirche St. Nicolas in Beaune/Burgund (F) versinnbildlicht der geschnitzte Drachenkopf unnach­ ahmlich die Aufgabe des Binderbalkens, die aus­einanderstrebenden Dach­schrä­ gen zu­sammenzuhalten.

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Verarbeitung am meisten gefährdete Stelle war das Hirnholz. Falls die vorangegangenen Beispiele aus Europa den Eindruck erweckt haben sollten, dass die zugegebenermaßen dem Holz weit weniger schädlichen europäischen klimatischen Bedingungen das Hirnholz der Bauten unbeschadet gelassen hätten, so wäre das sicher falsch, denn auch hier hatte man mit dem gleichen Problem zu kämpfen.  In der Gegenüberstellung mit japanischen Lösungen lässt sich an europäischen Bauten das sehr andere ästhetische Empfin­den an dilettantisch und oftmals provisorisch wirkenden Schutzmaßnahmen nachweisen. Besonders deutlich vermittelt die Analyse solcher Beispiele den Eindruck, dass Verbindungen vom europäischen Zimmermann nur dann liebevoll behandelt wurden, wenn sie dem beeindruckten Betrachter ein Ah und Oh entlocken konn­ten. Die konstruktiven Lösungen, die von europäischen Zimmerleuten zum Schutz von Schwellenecken entwickelt wurden, können im Ver­gleich zur Arbeit der japanischen Kollegen bestenfalls als Ansätze gewertet werden.40 Diese machten im Laufe der Zeit die technische Forderung zu einer ästhetischen und erhoben sie zur Norm. Hirnholz muss versteckt werden. Was bei der Fügung der Ortgangbretter noch vergleichsweise einfach zu lösen war, nämlich die Verleugnung jeglicher konstruktiver Schwierigkeiten, wurde mit der Zunahme sichtbarer Flächen zu einer immer größeren Herausforderung für den japanischen Zimmermann. Die Vorgabe des ästhetischen Wertes, kein sichtbares Hirnholz zu dulden, erzwang an den Traufenecken noch ausgefeiltere Überlegungen als an den Schwellenecken, die in der Regel zu einem Gutteil von einem Ständer abgedeckt waren. (Ill. 551) An der Traufe waren grundsätzlich wenigstens zwei Seiten voll einsehbar, durften also im abgebundenen Zustand nur den Gehrungsschnitt zeigen. Die gefundenen Lösungen hätten jedem europäischen Tisch­ler zu höchster Ehre gereicht. (Ill. 552) Es gab auch davon noch eine Steigerung. Die in der langen, fried­ lichen Periode der Edo-Zeit möglich gewordene Entwicklung des Kunstschaffens brach alle gekannten und vorstellbaren Barrieren. Was Zimmerleuten zu anderer Zeit ihr Einkommen gesichert hatte, stand ihnen in dieser Periode nicht offen: der rasche Wiederaufbau nach kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Zimmerleute der Edo-Zeit mussten sich, wollten sie besser verdienen, gegenüber den durchschnittlichen ganz besonders auszeichnen. Wenn das Haus keiner gröberen Reparaturen bedurfte, musste sich das Schwergewicht notgedrungen nach innen verlagern. Hauptanziehungspunkt wurde die tokonoma. Eines der wesentlichsten Details dieser Nische war die ein Eck definierende Säule, die toko bashira. Scheinbar schwebende Regale sind ein Ausdruck dieser Suche nach Unver­gleich­lichem, die nicht mehr am Boden stehende Säule ein anderer. Da die Japaner am Boden saßen, erzwang ihre Haltung aber den Blick von unten auf die unten abgeschnittene toko bashira. Was sich die Zimmerleute nun haben einfallen lassen, um auch dieses Hirnholz zu verstecken, muss als ein Gipfelpunkt japanischer Zimmer­ manns­ kunst bezeichnet werden. Koguchi kakoshi (verstecktes Hirn­holz) ist eine letztendlich sehr einfache Verbindung, die zu kreieren aber gehörig Kopfzerbrechen bereitet haben muss. (Ill. 553)

551  Traufenecke des Enjo-ji hondō/ Nara (J) (nach: Bunkazai ..., 1986, p. 348/1)

552  Traufenecke eines Vollwalmdaches (nach: Graubner, 1986, p. 133)

553  Modell einer koguchi kakushi – Verbindung des Nihon minka en

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Konstruktion und Ornament Zunehmende Sicherheit im konstruktiven Aufbau erlaubte zunehmende Freiheiten im gestalterischen Bereich. Immer weniger lie­ßen sich rein ornamentale Attribute von konstruktiv notwendigen Teilen unterscheiden. Die Schönheit eines Gebäudes wuchs mit der erfolgreichen Verwischung seines ablesbaren konstrukti­ven Aufbaus. (Ill. 554) Dafür war man bereit, beachtliche Mengen an wahrlich nicht mehr reichlich zur Verfügung stehen­dem Material zu opfern. Jede Maßnahme, die dem Zimmermann geeignet erschien, das Konstruktionsgefüge zu überspielen, fand nun Eingang in die Fassadengestaltung. Konstruktive Glieder waren in gleicher Weise betroffen wie bloß flächenfüllende. (Ill. 555; Ill. 556) Gefachfüllungen beispielsweise, die unvergleichlich ökonomischer aus einem einzigen, die Fläche füllenden Brett zu schneiden gewesen wären, wollten durch die nur noch dank ihres regelmäßigen Aufbaus erträgliche Unruhe der ständig wechselnden Holzrichtung ihren genetischen Hintergrund geradezu vergessen machen. Trifft man solche Entwicklungen schon auf dem Land an, erwartet man sie umso mehr in der Stadt. (Ill. 557) Die Infragestellung der möglichen Ausführbarkeit exakter Holzverbindungen wird dort zur Farce, wo sie Voraussetzung der angestrebten Wirkung ist. Wenn etwa der Vorteil der Zapfenverbindung gegenüber der Blattverbindung damit gerechtfertigt wird, dass das Blatt wesentlich exaktere Arbeit erfordert, oder der mehrfache Versatz für überholt betrachtet wird, weil er nicht genau genug geschnitten würde, andererseits aber die Überschneidungen verschiedenst geformter Zierverstrebungen an den Fassaden der Fachwerke Zeugnis able­ gen, wie präzise Zimmerleute arbeiten konnten, dann erhebt sich der Verdacht, dass primär für das Auge gearbeitet wurde. Beispiele sol­chen Zierstrebens haben keinen anderen Autor so gereizt wie Phleps, der schreibt, sie „künden den Verfall der Holzbaukunst an“.41 Die Entwertung der Holzverbindung haben sie jedenfalls klar gemacht, wenn sie diese auch unserer Meinung nach nicht verursacht haben. Die Verbindung hatte in manchen Fällen mehr oder weniger ihre ursprüngliche Funktion verloren. Sie war zum bloßen Hilfsmittel auf der Spielwiese der um Ausdrucksmöglichkeiten ringenden Zimmerleute degeneriert, diente bestenfalls noch als Bindeglied zur Erinnerung an frühere Aufgabenstellungen. Um den Schnitzkünstlern ihr Betätigungsfeld noch zu vergrößern, ließ man keine Gelegenheit ungenutzt, die beschnitzbaren Flächen zu erweitern. Flächenschnitzereien, die ja ebenfalls auf Distanz gesehen werden wollten, durften nicht durch die Oberflächentextur anderer Materialien unterbrochen werden, weil ihre Wirkung sonst verloren gegangen wäre. Der Kontrast zwischen Holzrahmen und Gefachfüllung hätte die Schnitzerei genauso erstickt wie der Kontrast zwischen musterartig wechselnden Holzrichtungen. Schon die Fächerrosette zeigt die ganz bewusste Hinwegsetzung über den konstruktiven Aufbau.42 (Ill. 558) Die eroberte Gestaltungsfreiheit tatsächlich auskosten konnte aber erst ein Künstler, der nicht nur willens war, alte Zwänge abzuschütteln, sondern diesen tatsächlich unwissend gegenüberstand. Gerade bei winkelversteifenden Verstrebungen suggerierte die Form­ gebung die Irrelevanz ihres Querschnitts und damit im Grunde auch der Art ihrer Einbindung. (Ill. 559) Ob beispielsweise ein Fußband flächenfüllend erweitert oder ein Kopfband prak-

554  Noch lässt sich die Konstruktion neben dem Ornament herauslesen. – Coburg/Bayern (D)

555  Das Deutsche Haus in Dinkelsbühl/ Bayern (D) ist ein Musterbeispiel für den Repräsentationsdrang des reichen Städters.

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558  Die Fächerrosette, hier über die aus Stützen und Fußständern gebildeten Drei­ecke geschnitzt, war eine sehr dezen­ te Form der Konstruktions­verleug­nung. – Brümmerhof aus der Lüneburger Heide/ Niedersachsen (D), im Museums­dorf Hösseringen

556  Das Kammerzellsche Haus in Stras­bourg/Alsace (F) lässt wirklich kein Stück Holz mehr unbeschnitzt. Selbst die weni­gen verputzten Wandfüllungen sind noch reich bemalt.

557  Die nur für das Auge angelegten Putz­flächen verbergen die eigentlich flächige Füllung der Gefache. – Stras­bourg/Alsace (F)

559  Wer denkt angesichts solcher Flä­chen­­füllungen eines Fachwerks in Potterne/Wiltshire (GB) noch an Winkel­ aussteifung?

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tisch belie­big verdünnt wurde, war eine Frage der gewünschten Erscheinungs­weise, nicht der konstruktiven Notwendigkeit. Wel­che Formen von Versätzen waren nicht entwickelt worden, um die durch Kopfbänder zu verbindenden Hölzer möglichst wenig zu schwä­chen? Solche statischen oder materialtechnischen Überlegungen schei­ nen zunehmend bewusst negiert worden zu sein. Auch in Japan gab es eine Entwicklung, die den konstruktiven Charakter der Verbindung in Frage stellte. Und wie bei den vorangegangenen Beispielen könnten auch in diesem Fall die Äußerungen dieser vordergründigen Parallelität europäischer und japanischer Beispiele nicht unterschiedlicher ausfallen. Fehlende neue Aufgabenstellungen haben in Europa wie in Japan den Zimmermann in einer Zeit der Beharrung zur Umstellung seines Betätigungsfeldes gezwungen. Die Kreativität verlagerte sich zusehends auf die Ausgestaltung – gemäß den unterschiedlichen ästhetischen Wertvorstellungen in Japan ganz anders als in Europa. Die daraus hervorgegangenen Produkte entlocken dem nach heutigen Wertbegriffen urteilenden Europäer nur allzu leicht die Bewertung: unsinnig. Und auch in Japan selbst gibt es heutzutage nicht allzu viele, die bereit sind, aus der Entstehungszeit heraus das Phänomen angemes­sen zu beurteilen. Die schon angesprochene selbstverordnete Isolierung des Inselreiches durch die Tokugawa zwischen 1603 und 1868 war kein Nährboden für Impulse setzende Neuerungen. „Die Kunst dieser Zeit ... scheint sich in einer Art Sackgasse zu bewegen.“43 Fehlende Anregungen von außen, gepaart mit unterdrückten Neuerungsversuchen im Inneren, zwangen den Zimmermann zu Ausdrucksweisen, die auf den ersten Blick fremd erscheinen. Mit der Entwicklung noch heute vorbildhafter Muster im SukiyaStil, beispielsweise zur Dekoration der shoji und fusuma oder der ranma (einer Blende zwischen Sturzbalken und Deckenbalken)44, und deren während der Edo-Zeit erfolgenden Umsetzung auch in der Formgebung der Holzverbindungen schienen die Zimmerleute eine Nische gefunden zu haben, die es erlaubte, das schon so lange gültige Gesetz der Verschleierung der Verbindungsstelle zu unterlaufen. (Ill. 560) Westlichem Denken nicht wirklich nachvollziehbare Spielereien, wie etwa die Verdoppelungen traditioneller Verbindungsformen mochten dazu ein Vorspiel gewesen sein. (Ill. 561) Hatte ein Zimmermann erst einmal unter Beweis gestellt, dass nichts unmöglich war, rückten selbst ryusui tsugi (Ill. 562) und unka tsugi (Ill. 563) in den Bereich des Vorstellbaren.45 Ruft man sich noch ein­mal die auf p. 99 vorgestellte Definition der Holzverbindung in Erinnerung, die von „dauerhaft und unverschieblich“ spricht, dann kann man den sich jede künstlerische Freiheit nehmenden Gedankenflug eines Handwerkers, der den Versuch unternimmt, ewig Bewegliches festzuschreiben, in statische Form zu zwingen, gar nicht hoch genug einschätzen. Die Erneuerung von Ständerfüßen war wohl die häufigste Aufgabe des japanischen Zimmermanns. Hier hatte er tagtäglich die Chance, Individualität zu zeigen. (Ill. 564) Dem Betrachter drängt sich der Vergleich zu den europäischen Verbindungsbeispielen auf, die die Funktion immer weiter hinter sich gelassen haben. Das Moment des Spielerischen tritt zunehmend in den Vordergrund. (Ill. 565) Der Zimmermann versucht den Mangel an neuer konstruktiver Aufgabenstellung selbstständig zu kompensieren. Nichts könnte anschaulicher seinen Zwiespalt demonstrieren als Verbindungen, die plötzlich wesentlich mehr zu zeigen schienen, als statthaft war.

560  Detail eines Fensters im Sumiya in Kyoto (J) und die formal quasi abgeleitete Verbindung shiho matsu kawa

561  Stabzapfenverbindung im Fumonji hojo/Osaka (J) (nach: Bunkazai ..., p. 501/2)

562  Ryusui tsugi – Wasserlauf­verbin­ dung – verrät im Namen und im Aus­se­ hen eine Wunsch- oder Traum­­vorstellung eines Zimmermanns. (aus: Suzuki, 1847)

563  Unka tsugi – Wolken- bzw. Nebel­ verbindung – zeugt genauso vom Stre­ ben nach Überwindung aller Schranken.

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In dem Drang, sich vom Kollegen zu differenzieren, sich auszuzeich­ nen gegenüber dem Konkurrenten, wurde zum Beispiel eine Zierlinie zum Blickfang.46 Ein Blickfang wie so viele Beispiele in Europa – hier jedoch nicht um seiner selbst willen: Während in Europa der Zimmermann mit Stolz darbot, was er zeigte, zwang in Japan der Zimmermann zum Hinschauen. (Ill. 567) Verfolgt man das Linienband rundherum auf allen Seiten, wird man gewahr, dass der Zimmermann die zu fügenden Holzteile in einer Weise verbunden hat, wie es dem ersten Verstehen nach gar nicht möglich ist. (Ill. 566) Genau darauf wollte der Schöpfer der Verbindung hinführen. Der gefangene Blick des Betrachters ist in der Regel nicht in der Lage, das Rätsel zu lösen, und selbst der Kollege steht ratlos vor den Rätselverbindungen. So erfahren sie eine vage Rechtfertigung für ihre Unbotmäßigkeit gegenüber dem ästhetischen Grundwert, dass die Verbindungsstellen nicht zu sehen sein sollten. Solche Rätselspiele waren in Europa nicht unbekannt. Sogenannte Meisterwitze sind „nicht mögliche“ Verbindungen. Was sie dennoch herstellbar macht, ist einerseits das Wissen um die Materialeigenschaften und andererseits die Fähigkeit, die Barriere gewohnter Denkmuster zu überspringen. Insofern erinnern sie an Gedanken­ gänge japanischer Zimmerleute. In Europa blieben solche Beispiele jedoch stets auf Tischlermuster beschränkt. Was so knapp über dem Erdboden begann, sprang in Augenhöhe weit eher ins Blickfeld, auch in Japan, trotz der dort im Vergleich zu Europa sehr anderen Beziehung zum Boden. (Ill. 568) Wichtig war nun natürlich, die Verbindung von allen Seiten einsehen zu kön­nen. Erst in der Umkreisung des Ständers ließ sich Gewissheit er­langen, das Unmögliche möglich gemacht vor sich zu sehen. Eine Rönt­genaufnahme war nötig, um eine notwendige Ständerfuß­ erneuerung des Otemon zum Himeji-jo zerstörungsfrei vorneh­ men zu können.47 Die Genialität dieser einmaligen Verbindung liegt in ihrer Simplizität. (Ill. 569) Grundprinzip dieser Rätselverbindungen ist die Überwindung gewohnter Vorstellungskategorien über die Art und Weise des Zusam­menfügens zweier Hölzer. Vereinfacht kommt diese Überlegung schon bei den shiho-Verbindungen zum Tragen. (Ill. 570) Sie lassen sich vermeintlich nach keiner der vier Seiten öffnen. So lange man nicht dahinter kommt, dass alle Verbindungen dieses Typs nur über die Diagonale zu öffnen sind, steht man ratlos vor ihnen. Selbst­ verständlich ist diese Öffnung nur nach einer Richtung möglich, das heißt die Verbindung ist so genau gearbeitet, dass sie nach einer Seite unmerklich konisch verjüngt ist. Ein Schwalbenschwanz nach allen vier Seiten, die shiho ari-Verbindung, ist nur eine der zahllosen Möglichkeiten dieses Spiels. Grund­ sätzlich lässt sich jede der Grundformen auf ihre Einsetzbarkeit als shiho-Verbindung austesten. Selbst wenn ihre Fügung nicht lange ein Geheimnis geblieben sein sollte, war der Anspruch, den eine perfekte Herstellung an das Können des Zimmermanns darstellt, offensichtlich Anlass genug, eine Vielzahl von Varianten auszuprobieren. (Ill. 571) Ein schönes Beispiel dafür ist die shiho matsu kawa-Verbindung. (Ill. 572) Ihre formale Beziehung zur Formensprache der Edo-Zeit ist oben bereits gezeigt worden.48 Eine andere Möglichkeit, sich der formalen Ausformung dieser Verbindung zu nähern, liegt in der sprachlichen Analyse. Matsu ist die überall in Japan anzutreffende Kiefer. Kawa hat zweierlei Schreibweisen, woraus sich zwei verschie­ dene Bedeutungen ableiten. Zum einen handelt es sich um Rinde. 261

564  Ständerfußverbindung am Imanishi-Haus in Imai cho/Nara (J) 565  Zierverbindung am Sumiya in Kyoto (J)

566  Zierverbindung, die sich nach her­kömmlichen Denkschemata nicht lösen lässt: Nachbau eines Modells des Takenaka daiku dogu kan in Kobe (J)

567  Das Verlegen der funktionellen Aufgabe der Holzverbindung nach innen war mit den zur Schau gestellten Zier­bän­dern an der Oberfläche in keiner Weise aufgegeben worden. – Sumiya in Kyoto (J)

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569  Das geöffnete Modell dieser Verbin­dung

568  Die jeweils gegenüber­liegende Seite des Torpfostens des Osaka-jo otemon/Osaka (J) ist genau gleich wie die im Blick­­feld befindliche.

571  Shiho ari (aus: Suzuki, 1847)

570  Shiho ari-Verbindung am Tor zum Honmon-ji in Tokyo (J)

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Mit ein bißchen Fantasie lässt sich sicher aus der Verbindungsform die bildliche Vorstellung von Kiefernrinde assoziie­ren.49 Aber auch das Schriftzeichen auf der Abbildung lässt sich als kawa lesen, in diesem Fall in der Bedeutung von Fluss. Die Verbindung wäre dem­ gemäß als eine künstlerische Interpretation von Kiefer und Fluss aufzufassen. Nur im ersten Moment erscheint diese Interpretation viel weiter hergeholt als die vorhergehende. Tat­sächlich klingt sie für das japanische Ohr wesentlich poetischer. (Ill. 573) Schlussendlich bietet sich noch eine dritte Variante als Deutung an. Matsukawa könnte der Name eines Zimmermanns sein, der solcherart der Anonymität entfliehen wollte.50 Träfe diese Interpretation zu, dann würde sich an diesem Beispiel noch einmal zeigen, was der hinter uns liegende Gang durch die Entwicklungen und Formen von Holzverbindungen immer wieder erwiesen hat: dass aus der Einheit von Persönlichem und Sachlichem die ganze Kraft und der besondere Reiz des kulturell geprägten Umgangs des Menschen mit dem Material Holz erwächst.

572  Shiho matsu kawa (aus: ibid.)

573  Zahllos sind die Darstellungen im japanischen Kunstschaffen, deren Inhalt um die Synthese von Kiefer und Wasser kreist: fusuma – Bemalung in Nagoya-jo/ Aichi (J)

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vgl. Dietrichson, Munthe, 1893, p. 35, Anm. Assunto, 1987, p. 24 Yanagi, 1989, p. 197 ibid., p. 111 Taut, 1958, p. 215 Smith, 1965, p. 126 Masuda, 1969, p. 5 Opderbecke, 1909, Tafel 14 Schier, 1937, p. 22, 24, fig. 13, 14; Frolec, Varˇeka, 1983, p. 187 Panoiu, o. J., p. 60f. Bunkazai ..., 1986, p. 587 Taut, 1958, p. 145f. vgl. p. 260ff. Breymann, 1900, p. 19f. Gerner, 1992, p. 94f. Quiney, 1990, p. 51; Essex County Council, 1990, p. 14f.; Hewett, 1980, p. 91 Hewett, 1985, p. 12 Brunskill, 1986, p. 37 Breymann, ibid., p. 26, 30f. vgl. p. 221ff. vgl. p. 62 Nakahara, 1990, p. 26f.; Sumiyoshi, Matsui, 1991, p. 24ff. Graubner, 1986, p. 53ff. Ostendorf, 1908, p. 9, Anm. 2 Bernert, 1988, p. 103 Romstorfer, 1892, p. 202 Moser, 1985, p. 121f. Glockenschrot ist ebenfalls ein gebräuchlicher Begriff. (Pöttler, 1984, p. 47) Phleps, 1942, p. 62f. ibid. Bünker, 1897, p. 187 Moser, 1985, p. 126; ders., 1992, p. 39 Phleps, ibid., p. 64. Zum Begriff Malschrot und seiner teilweise in der Literatur vorgenommenen Differen­ zierung vgl. Werner, 1978, p. 209, Anm. 6

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

43 44 45 46 47 48 49 50

Haiding, 1980, p. 150; Phleps, ibid. Haiding, ibid. ibid. Werner, 1978, p. 206ff. Gschwend, 1969/6, p. 4, fig. 5 ders., 1988, p. 31, fig. 81, p. 179; Phleps, ibid., p. 26 Brown, 1989, p. 21 vgl. p. 223 Phleps, 1951, p. 42 Gerner kritisiert eine Sichtweise, die hinter solchen Gestaltungen nur Verzierungen sehen will, mit dem Hinweis auf den entstehungsgeschichtlichen Hin­tergrund der verwendeten Zierformen. (Gerner, 1985, Einführung zur Wiederauflage von Issel, 1900) Die aus den Formen herauszulesende tief verwurzelte heidnische Symbolik wird aber dadurch, dass sie nicht ausdrücklich hervorgehoben wird, noch nicht in Frage gestellt. Sie zeigt lediglich, dass die geschicht­lich sehr kurze Periode des Christentums es nicht ver­mocht hatte, dem Menschen die Lust zu nehmen, sich Abbilder zu schaffen. Was Issel tatsächlich in Frage stellt, ebenso wie Phleps es verurteilt, ist die Überschreitung der konstruktiv vorgegebenen Grenze für ornamentale Ausgestaltung. (Issel, 1900, p. 100f., Phleps, ibid., p. 9f.) Ienaga, 1979, p. 151 Japan Architect, 1960/4, p. 73–75; Nishi, Hozumi, 1985, p. 131 INAX, vol. 4, No.3, 1984, p. 38 Zwerger, 1994, p. 287–289 INAX, ibid., p. 56f.; Sumiyoshi, Matsui, 1991, p. 44 vgl. Ill. 560 Diese Namensinterpretation verdankt der Verfasser einer pers. Mitt. von Dr. Minamoto. Dieser Fall stünde nicht einmalig da. (Sumiyoshi, Matsui, ibid., p. 57)

265

Konstruktive Holzverbindungen in China „Das chinesische Gebäude ist eine in hohem Maße ‚organische‘ Struktur. Es wuchs als ein autochthones Wesen, das in ferner, vorhistorischer Zeit erdacht und geboren wurde, seine ‚Adoleszenz‘ in der Han-Dynastie (um den Anfang der christlichen Ära) erreichte, zu voller Pracht und Kraft in der Tang-Dynastie (siebentes und achtes Jahrhundert) reifte, seine Abklärung mit Liebreiz und Eleganz in der Sung-Dynastie (elftes und zwölftes Jahrhundert) erlebte und dann ab dem Beginn der Ming-Dynastie (fünfzehntes Jahrhundert) begann, Zeichen von Alter, Entkräftung und Erstarrung zu zeigen.“1 Liang Sicheng, ein Pionier der Erforschung der traditionellen chinesischen Architektur und Vater der chinesischen Architekturgeschichtsschreibung, resümierte in diesen Worten 1946 seine Erkenntnisse nach vielen Jahren Feldforschung. Seine sicherlich subjektive Beschreibung könnte das Bild eines ehrgeizigen Zimmermanns zeichnen, der zunächst mutig probiert, ob er zu einer Lösung kommt, nach einigen Versuchen eine brauchbare gefunden hat, diese immer weiter verfeinert, bis er von äußeren Umständen gezwungen seine Individualität zu verleugnen beginnen muss und schlussendlich widerspruchslos das macht, was von ihm verlangt wird, routiniert, emotionslos, distanziert. Die folgende Beschreibung und Deutung der konstruktiven Aspekte des Holzbaus in China wird immer wieder auf solche Entwicklungslinien stoßen und Gelegenheit bieten, ihnen nachzuspüren. Anders als in Japan wurde in China mit allen erdenklichen Materialien gebaut, abhängig von ihrer lokalen Verfügbarkeit. So wurden schon vor Jahrtausenden Bauten aus Stein errichtet, die in ihrer technologischen Raffinesse in nichts jenen der Griechen und Römer nachstehen. Nicht zuletzt der Beständigkeit des Materials Stein verdanken wir unschätzbare Hinweise auf Bauformen in Holz, die ansonsten nicht mehr nachweisbar wären. (Ill. 574) Kriege, Brände, die sogenannten Buddhistenverfolgungen und zuletzt die Kulturrevolution zerstörten unschätzbare Denkmale historischer Konstruktionsgeschichte. Manche Lücken in der Entwicklungsgeschichte historischer chinesischer Architektur werden heute von Bauten in Japan geschlossen, die dort erhalten geblieben sind. Vielleicht darf das als ein – wenn auch nicht intendierter – später Dank für den einstigen Kulturexport interpretiert werden. China produzierte schon im 5. Jahrhundert v. Chr. Ziegel.2 Ungebrannter Lehm war das Baumaterial für die Wohnbauten breitester Bevölkerungsschichten. Unter der Erdoberfläche wurden Wohnungen in den Lößboden gegraben, mit faszinierenden ökologischen Kennwerten.3 Oberirdisch wurden Bauten aus Lehmziegeln oder mit Stampflehmwänden errichtet. Dennoch war Holz das dominierende Baumaterial. „Kein chinesisches Haus konnte ein richtiges Wohnhaus für die Lebenden sein oder ein richtiger Anbetungsort für die Götter, wenn es nicht aus Holz gebaut war.“4 Man hatte sich an seine Vorzüge gewöhnt, solange es unbegrenzt verfügbar war: Seine Gewinnung verursachte im Vergleich zu anderen Baumaterialien kaum Probleme; Holzkonstruktionen waren einfach zu errichten; sie waren leicht zu erweitern; und sie ließen sich auch in schwierigstem Gelände in Bergregionen errichten.5 Selbst Felswände waren kein Hindernis. (Ill. 575) Holz als Baumaterial hatte noch weitere herausragende Vorzüge: Nicht länger benö­ tigte Bauten waren sehr leicht abzubrechen; die Möglichkeiten, Wand­ öffnungen in Form von Türen und Fenstern einzuschneiden, waren

574  Die Chengling-Pagode des Linji si in Zhengding wurde während der JinDynastie (1125–1234) errichtet.

575  Das im 6. Jahrhundert erbaute Hängende Kloster bei Hunyuan/Shanxi

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nahezu unbegrenzt; die Unterteilung des Baukörpers in Joche bot jede Möglichkeit der Variation; und nicht zuletzt sind die erdbebenresistenten Eigenschaften eindrucksvoll. Zum Verständnis des Folgenden muss zuvor der Begriff Joch erläutert werden. Dabei handelt es sich um jenes Volumen, das von vier Säulen definiert wird, die in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander ein Rechteck aufspannen. Die Größenangabe chinesischer Bauten über die Anzahl der Säulenabstände, die die Längsseite (zumeist West-Ost-orientiert) definieren, multipliziert mit jenen, die die Tiefe eines Gebäudes aufspannen, ist kein absolutes Maß. Die Größe der Joche hängt von der Größe eines Gebäudes ab. Sie kann auch innerhalb eines Gebäudes variieren. Die an einer Fassade ablesbaren Stützen zeigen jedenfalls klar die – im Allgemeinen ungerade – Anzahl der Säulenzwischenräume. Symmetrisch zur Nord-Süd-orientierten Zentralachse sind die Joche links und rechts dieser Achse gleich groß. Die von außen nicht sichtbaren, im Inneren aufgestellten Säulen müssen nicht dem von den äußeren Säulen suggerierten Säulenraster entsprechen. Damit ändern sich dann innen auch die Jochabstände. Im Übrigen ist die chinesische Nomenklatur der einzelnen Bauteile insofern recht schwierig, weil funktionsgleiche Elemente je nach dem Ort ihrer Verwendung unterschiedliche Namen tragen. Für den Handwerker selbst war das ein großer Vorteil, weil so etwa der Rähmbalken zwischen Stützen, die den Gebäudeumfang definieren, sprachlich klar von den Rähmbalken unterschieden wird, die die inneren Stützen und alle kurzen Stützen einer tailiang-Konstruktion verbinden. Die Namen wurden zudem teilweise im Laufe der Zeit durch neue ersetzt: Die dou mit einander kreuzenden Nuten hießen dou, jene mit einer Nut in der Qing-Zeit sheng, die gong parallel zur Wand hießen qiau, jene orthogonal zur Wand gong.6 Liang Sicheng, der sich als einer der Ersten im 20. Jahrhundert intensiv mit dem Yingzao fashi (Abhandlung über Architekturmethoden) von 1103 auseinandersetzte, verzweifelte fast an dem scheinbaren Widerspruch des so vielversprechend logischen Aufbaus der „Baustandards“ und der in ihnen benutzten, nicht durchschaubaren technischen Begriffe: „Im Lauf meiner eigenen Arbeit kostete es mich die meiste Kraft und empfand ich es als am schwierigsten, die Bezeichnungen und Formen jener komplizierten Strukturteile zu unterscheiden, zu behalten und zu verstehen.“7 Er löste das Problem für sich mit Hilfe der Einsicht, dass „die einzig verlässlichen Informationsquellen die Bauten selbst und die einzig verfügbaren Lehrmeister die Handwerker sind“.8 Freilich war in den 1930er Jahren, als er dies schrieb, das tradierte Wissen der Handwerker noch abrufbar.9 576  Die Vierseithöfe der Mosuo setzen sich aus der eingeschossigen Groß­ mutterhalle und nach den anderen drei Seiten aus zweigeschossigen Gebäuden zusammen. – Lijiazui/Sichuan

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Bauweisen: Blockbau und Ständerbau Wir treffen in China, wie in Europa und Japan, auf Blockbauten und Ständerbauten. Der Blockbau konnte sich zwar auch hier über flächenmäßig große Gebiete ausbreiten, gelangte aber nicht annähernd zu vergleichbaren technischen Ausformungen. Vorzufinden ist er einzellig und eingeschossig in den Provinzen Xinjiang10 und Tibet11, größer und zweigeschossig in Yunnan und Sichuan. (Ill. 576) Diese Gebiete sind erst vergleichsweise spät ins chinesische Reich integriert worden, so dass die dort beheimateten Minderheiten ihre eigenständige Kulturtradition lange bewahren konnten, zu der unter anderem die Baukultur des Blockbaus gehört. Den Han-Chinesen, die gar nicht so freiwillig dort siedelten, war sie fremd, doch sie erkannten rasch, dass sie ihre angestammten Bauweisen adaptieren oder ganz aufgeben mussten, wenn sie nicht an den klimatischen und topografischen Bedingungen sowie an der Ressourcenlage verzweifeln wollten. Zwei grundlegende Voraussetzungen beförderten die Entwicklung des Blockbaus. An erster Stelle steht ein ausreichendes Vorkommen an dicht gewachsenen Nadelwäldern. (Ill. 577) Weiterhin brauchen Blockbauten ein vergleichsweise trockenes Klima und entwickelten sich dort, wo es sinnvoll war, sich vor großer Kälte zu schützen und Wärme zu speichern. Dagegen wären die Überschwemmungen und die Luftfeuchtigkeit im unmittelbaren Einzugsbereich alljährlicher Monsunregen für Blockbauten fatal. Daher hat sich beispielsweise im Siedlungsgebiet der Dong-Minderheit im Grenzbereich der Provinzen Guizhou, Guangxi und Hunan, gesegnet mit einem für China erstaunlichen Holzreichtum, kein Blockbau entwickelt. Im Zusammenhang mit den animistischen Religionen vieler Minderheitenvölker hat es bei ihnen nie Bedarf an wirklich großen Kultbauten gegeben, wie sie etwa durch den Buddhismus oder den Taoismus gefördert wurden. Benötigt wurden Wohnhäuser, Ställe und Scheunen in Dimensionen, die die kleinbäuerliche Wirtschaftsweise widerspiegelten. Dementsprechend einfach waren die Bauten und ihre Konstruktion. Balken mit einem Durchmesser von selten mehr als 15 cm wurden in der einfachstmöglichen Art angelängt, wenn sie zu kurz waren. (Ill. 578) Um diese primitive Verbindung zu sichern, wurde sie mit der Einbindung von Zwischenwänden kombiniert. (Ill. 579) Auch die Dachkonstruktion zeigt, wie wenig wichtig die Nutzer eine intensivere Auseinandersetzung mit bautechnologischen Verbesserungen genommen haben. Sie blieb entweder eine so einfache Konstruktion, wie wir sie auch aus dem europäischen Blockbau kennen, (vgl. Ill. 578) oder aber eine Entlehnung aus der Skelettbauweise.12 (Ill. 580) So ist es kein Wunder, dass in der Literatur dem Blockbau selbst kaum mehr als ein stiefmütterliches Dasein vergönnt ist.13 Ein ganz anderes Bild bietet sich jedoch, wenn man den konstruktiven Aufbau von unterschiedlichsten Bauwerken genauer betrachtet, wie dies weiter unten im Abschnitt „Konstruktiver Aufbau von Tempelbauten“ beispielhaft geschieht. Die alles beherrschende Rolle im chinesischen Holzbau nimmt der – zumeist rechteckige – Ständerbau ein. Zwei grundverschiedene Konstruktionen, chuandou und tailiang, müssen unterschieden werden, beide in Gebindebauweise: Giebelparallele Gebinde werden in Längsrichtung hintereinander aufgestellt, durch Balken und Pfetten verbunden und so in ihrer Aufstellung fixiert, dass eine

577  Die massive Abholzung zwang auch die Bewohner jener Gebiete, in denen nur in Holz gebaut wurde, mehr und mehr Wände aus Lehm zu errichten. – Zhebo/ Yunnan

578  nach: Xiao, 1999, Bd. 2, fig. 14-21

579  Eingebundene Zwischenwand eines Blockbaus in Sanjia cun

580  Die Pfetten des Daches dieser Groß­mutter­halle in Zhebo werden teilweise von am Boden stehenden Säulen getra­gen, teilweise von solchen, die mehreren Blockbalken aufgehälst sind.

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grundsätzlich immer fortgesetzte Erweiterung in der Längsrichtung möglich wird. Die chuandou-Konstruktion wird in der englischsprachigen Literatur üblicherweise mit „post-and-tie“ oder „through-jointed type“ bezeichnet. (Ill. 581) Beide Formulierungen sind unbefriedigend, weil sie keinerlei Vorstellung erlauben. Die Konstruktion ist durch klare Charakteristika ausgezeichnet und lässt sich damit gut beschreiben. Die sichtbar dominante Rolle spielen die vertikalen Elemente, Pfosten oder Säulen, die an ihrem oberen Ende die Pfetten aufnehmen. In der Grundform wird jede Pfette von einer am Boden stehenden Stütze unterstützt. Die Stützen werden untereinander mit durchgezapften Balken zu einem Gebinde verbunden. Im Idealfall ist es ein einziger solcher Ankerbalken, der durch alle Stützen durchgestoßen wird. Sind die Ankerbalken zu kurz, müssen sie in der Stütze gestückelt werden. Die Stützen werden je nach Dachneigung von der Traufe bis zum First zunehmend länger. Der bestechende Vorteil dieser Konstruktion liegt darin, dass die verwendeten Hölzer von sehr schlankem Querschnitt sein dürfen. Andererseits ist der Grundriss stark determiniert. Das führte zu verschiedenen Abwandlungen, die im Wesentlichen darauf beruhen, dass nicht mehr alle pfettentragenden Stützen auf den Boden gestellt wurden, sondern in verschiedenen Höhen querlaufende Ankerbalken mit einer Schlitzverbindung aufgesetzt wurden. Nebenbei verringerte das auch den Holzbedarf. Bisweilen dienten diese querlaufenden Ankerbalken zusätzlich auch als Sicherung gegen ein Aufreißen der geschlitzten Säulen. (Ill. 582) Ihr hauptsächliches Verbreitungsgebiet fand die chuandou-Konstruktion im Tal des Changjiang und in den Gebieten südlich des Flusses. Sie lässt sich an den Bauten der Dong-Minderheit exemplarisch studieren.14 Die Dong errichteten ihre Wohnbauten mit bis zu vier, typischerweise mit drei Geschossen. Das Basisgeschoss wird durch die Stützen definiert. Es ist oft mit Brettern wandartig geschlossen und durch Bretterverschläge unterteilt. Kleintierställe, der Abort, Werkzeug, Brennholz und anderes sind dort vor der Witterung geschützt untergebracht, manchmal auch kleingewerbliche Werkstätten. Das Geschoss darüber dient dem Wohnen. Zentraler Raum ist die Küche mit der offenen Feuerstelle, das familiäre Kommunikationszentrum in der kalten Jahreszeit, während in den vielen warmen Monaten eine nach einer oder mehreren Seiten offene Veranda diese Funktion übernimmt. Das dritte Stockwerk beherbergt die Schlafräume für die Kinder und die Vorratsräume. (Ill. 583) Die Bauten der Dong, wie vieler anderer Minderheiten im Süden, sind also aufgeständert. Diese sogenannten ganlan-Häuser sind in den subtropischen Gebieten ganz Südostasiens weit verbreitet, wo eine beträchtliche Sonneneinstrahlung, hohe Niederschlagsmengen und feuchtheiße Luft vor allem während der Regenzeit vorherrschen. Dann schwellen die Flüsse zu reißenden Strömen an. Die ganlan-Häuser bieten Schutz gegen Nässe und Überschwemmungen, aber auch gegen Reptilien und alle Arten von Stech­ mücken, deren Lebensraum sich angeblich auf Höhen unter der Wohnebene konzentriert. Darüber hinaus ermöglichen die aufgeständerten Bauten eine ausreichende Belüftung der Holzkonstruktion und durch die spezifische, sehr offene Bauweise auch eine optimale Durchlüftung der bewohnten Etagen.15 Mit ihrer nach außen offenen Bauweise unterscheiden sich diese Wohnhäuser signifikant von den Han-chinesischen Hofhäusern. Sie sind dank

581  Am unfertigen Bauskelett lässt sich ablesen, wie gezielt die unbeschlagenen Tannenstämme bebeilt wurden, um möglichst viele Stützen mit einem horizontalen Balken zu verbinden. – Pingpu/Guangxi

582  Vergleichbar mit den Anfängen der Hochrähm­konstruktion wurden die Querbalken so bearbeitet, dass sie in die geschlitzten Stützen eingesetzt werden konnten. Das Vorholz behielt zur Sicherung den vollen Querschnitt. Dieser Balken dient nicht nur als Ankerbalken, sondern sichert die für die Pfette geschnittene Ausnehmung am Zopfende der Stütze gegen ein Aufreißen.

583  Die vielen nach außen nicht geschlossenen Wände verweisen auf die Bedeutung der Belüftung. – Pingliu/ Guangxi

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dieser Eigenschaft auch nach allen Richtungen offen für bauliche Erweiterungen. Eine Sonderform sind die diaojiaolou, Hängefußhäuser. (Ill. 584) Die Dong siedelten, wann immer möglich, an Flüssen als wichtigen, in der Regenperiode oft sogar einzigen Transportwegen und Garanten der Wasserversorgung. Fließendes Wasser kühlt auch die Luft in der nächsten Umgebung, und je näher man die Wohnhäuser an die Flüsse baute, desto mehr konnte man von dieser Tatsache profitieren. Wenn man das Wohngeschoss über den Fluss auskragen ließ, (Ill. 585) war zudem der darunterliegende Raum vor Sonneneinstrahlung und Regen geschützt. Bautechnisch wurde die Auskragung durch ein weites Vorziehen der waagrechten Balken erreicht, die die Trennung von Erdgeschoss und erstem Obergeschoss bildeten. Sie waren an ihrem auskragenden Ende abgesetzt und griffen als Zapfen in die passend zugeschnittenen Löcher der Hängefüße, eine Konstruktion, die wir von den europäischen mittelalterlichen Fachwerkhäusern kennen. Im Laufe der Geschichte wurden die Dong aus den einfach zu bebauenden Tallagen von den in immer entlegeneren Gebieten siedelnden Han-Chinesen Zug um Zug in höhere Regionen verdrängt. Dort fanden sie zwar einen sicheren Rückzug, mussten aber ihre Anbautechniken stark modifizieren. Um Nassreisbau im Bergland betreiben zu können, war die Anlage von Terrassenfeldern unabdingbar, künstlich ebene Flächen, die unter allen Umständen der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten blieben. Die Wohnhäuser wurden daher weitgehend in Hanglage errichtet. Auch darin ist ein Grund zu sehen, warum Blockbauten trotz des immensen Holzreichtums und des mit der chinesischen Spießtanne eigentlich für Blockbauten bestgeeigneten Baumaterials nicht in Frage kamen. Waren die Hänge selbst für Ständerbauten zu steil, wurden Stützmauern aus losen Flusssteinen aufgeschichtet. Eine höchst spektakuläre Sonderform der chuandou-Konstruktion tritt uns in den Trommeltürmen der Dong gegenüber. (Ill. 586) Sie sind die Kommunikations- und Versammlungszentren eines jeden Dorfes. Ihre Anzahl demonstriert weithin sichtbar die Zahl der in einem Dorf lebenden Familienklans. Ihrer kulturellen Bedeutung entspricht die bauliche Ausgestaltung, im Konstruktiven wie im Dekor. Nach sehr klaren Regeln wetteiferten die Klans darum, wer den eindrucksvollsten Turm ins Dorf stellt. Die ausgesuchtesten Baumstämme waren für die tragende Grundkonstruktion reserviert. Typischerweise legen vier Säulen einen quadratischen, sechs einen regelmäßig sechseckigen oder acht einen regelmäßig achteckigen Grundriss fest. (Ill. 587) Es gibt auch Trommeltürme über rechteckigem Grundriss, die nur zwei Geschosshöhen hoch gebaut wurden, und sehr selten versuchen sich Zimmerleute an „einbeinigen“ Trommeltürmen, einer konstruktiv besonders anspruchsvollen Aufgabe, weil es nur eine – zentral aufgestellte – tragende Säule gibt, in die die Verstrebungen nach allen Richtungen eingezapft werden mussten. Die untereinander mit waagrechten Balken verbundenen Hauptsäulen werden durch einen rundum gestellten Säulenkranz abgestützt. Den Zopfenden dieser Nebensäulen werden Pfetten aufgelegt, die das unterste Pultdach mittragen. Die Fußpfette liegt auf dem äußeren Ende des Verbindungsbalkens zwischen Haupt- und Nebensäulen. Die Logik dieser Konstruktion erlaubt kein Dach über den Hauptsäulen, das weit genug auskragen würde, um die Säulen effektiv zu schützen. Daher kam es zu der Lösung mit stufenförmig versetzten Pultdächern, die für

584  Die frei hängenden Fußenden der auskragen­den Geschosse gaben der Konstruktion ihren Namen „Hängefuß­ häuser“. – Pingqiu/Guangxi

585  Ein Siedeln direkt am Wasser hatte viele Vorteile. – Gaozeng/Guizhou

586  Der Trommelturm in Mapang/ Guangxi ist zwar plump in seiner Form, aber einer der mächtigsten.

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optimalen konstruktiven Holzschutz sorgen, indem das Tragwerk gegen Regen perfekt geschützt wird und der Wind, der zwischen den Pultdächern durchstreichen kann, die in der Monsunzeit extrem hohe Luftfeuchtigkeit so rasch als möglich auf ein für das Holz unbedenkliches Maß reduziert. Die oberhalb folgenden weiteren Pultdächer werden von Stützen getragen, die in klassischer chuandou-Bauweise den horizontalen Verbindungsbalken aufgestellt sind. Die dadurch auf die Verbindungsbalken ausgeübte Last wird innenseitig vom Zapfen in der Hauptsäule und außen von der eine Etage tiefer stehenden Stütze abgefangen, durch welche der Balken durchgezapft ist. Planung und Umsetzung der Trommeltürme liegt in der Hand erfahrener Zimmerleute. Während die Hölzer der Wohnhäuser von herumziehenden Trupps von Zimmerleuten so weit vorgefertigt werden, dass sie von der Dorfgemeinschaft innerhalb eines Tages zum rohen Hausskelett abgebunden werden können, werden die Trommeltürme auch von den Zimmerleuten aufgestellt. Traditionell gibt es dazu keine Zeichnung und kein Modell. Damit bleibt dem verantwortlichen leitenden Zimmermann mehr oder weniger die Freiheit, wie er die geforderte Größe und Höhe erzielt. Es ist faszinierend, tatsächlich niemals auf zwei gleiche Konstruktionen zu treffen. Die Bezeichnung der tailiang-Konstruktion, wortwörtlich „Hochheben der Balken“, bezieht sich darauf, dass auf je zwei korrespondierende Stützen ein horizontaler Balken aufgelegt wird, der an seinen Enden in Ausnehmungen die Pfetten aufnimmt. Auf diesen Balken werden, im notwendigen Ausmaß nach innen versetzt, links und rechts je eine kurze Stütze gestellt. Sie finden mit einem oder zwei Zapfen im Balken ihren Halt. (Ill. 588) Diesen beiden Stützen wird nun wieder ein waagrechter Balken aufgelegt. Dieser Prozess wird so lange fortgesetzt, bis nur noch eine Stütze in der Mitte Platz findet, die dann als Unterstützung der Firstpfette fungiert. Die Längen der Stützen in der Dachkonstruktion bestimmen die Neigung des Daches. Es liegt auf der Hand, dass diese Konstruktion zwar ein im Vergleich zur chuandou-Konstruktion großes stützenfreies Volumen zur Verfügung stellt, wobei aber die Dimensionierung der Stützen und noch viel mehr jene der Balken der Belastung Rechnung tragen muss. Die Chinesen bezeichnen diese Balken je nach ihrer Länge als Vier-, Fünf-, Sechs-Rofen-Balken und nehmen damit Bezug auf die Anzahl der von der Firstpfette über die Zwischenpfetten bis zur Fußpfette verlegten Dachschräghölzer. Die chinesischen Zimmerleute entwickelten verschiedene konstruk­ tive Varianten zu den Querbalken tragenden Stützen in der Dachkonstruktion. Sie spielten im Detail mit den Möglichkeiten, die ihnen aus Block- und Ständerbau vertraut waren. Die Bilder (Ill. 595, Ill. 597 und Ill. 600) zeigen drei Möglichkeiten, jene Höhe zu gewinnen, in die die Querbalken gehoben werden sollten. Im ersten Beispiel ruht der mittige Vier-Rofen-Balken auf übereinandergeschichteten Bal­ken, im zweiten sind es ein Vier- und Sechs-Rofen-Balken auf kamel­höckerförmigen Unterstützungen und im dritten ein Zweiund Vier-Rofen-Balken auf schlanken Säulen. Die tailiang-Konstruktion war eher nördlich des Changjiang zuhause. Ihre wirklich herausragende Bedeutung lag in ihrer Anwendung in den großen Repräsentationsbauten. In Tempelhallen sollte weder die Bewegungsfreiheit um aufgestellte Buddhastatuen noch der freie Blick darauf beeinträchtigt werden. Auch Paläste konfrontierten die Zimmerleute mit der Bauaufgabe, möglichst

587  Der Schnitt des Trommelturms in Mapang zeigt die einfache, aber höchst effektive und mit einfachem Werkzeug herzustellende Konstruktion.

588  nach: IHNS, 1986, p. 158, fig. 5-9-46

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große Räume stützenlos zu halten. Der bis heute älteste bekannte Tempel in China, der Nanchan si von 782, (Ill. 589) entging der Zerstörung während der Buddhistenverfolgung nur dank seiner extremen Abgelegenheit in den Wutai-Bergen und seiner mutmaßlich untergeordneten Bedeutung. Zwölf Säulen spannen den Grund­riss auf und schließen einen Raum von 3 × 3 jian (Joch) ein. (Ill. 590) Verschiedene Charakteristika kennzeichnen ihn als ein Bauwerk der Tang-Zeit (617–907): die Entasis der Säulen, die von der Gebäudemitte zu den Ecken hin in der Länge wachsenden Säulen sowie zwei kamelhöckerförmige Abstandshalter über einem Unterstützungsbalken, der direkt auf dem mächtigen Querbalken aufliegt. Was den Nanchan si als eher untergeordneten Tempel ausweist, sind das gänzliche Fehlen von Säulen im Inneren sowie fehlende Kragkomplexe zwischen den Säulen. Der Vergleich mit einem anderen sehr kleinen, ebenfalls der Zerstörung jener Zeit entgangenen Tempel, dem Tiantai'an in Ping­shun, zeigt eine interessante Variante, die in Details auf konstruktive Unsicherheiten schließen lässt. (Ill. 591) Ebenfalls 3 × 3 jian groß, ist der Tiantai'an mit etwa 7 × 7 m bedeutend kleiner als der Nanchan si mit seinen etwa 11 × 10 m. Dennoch erhielt er traufseitig über dem Tor eine Zwischenkonsole. Um die nach außen offenen Giebeldreiecke zwischen Firstpfette und Zwei-Rofen-Balken zu schließen, wurden sie ausgemauert. Das Gewicht der Ausmauerung belastete offensichtlich den Querbalken im Laufe der Zeit über Gebühr, so dass er unterstützt werden musste. (Ill. 592) Die nunmehr drei Stützen auf dem Vier-Rofen-Balken erzwangen auch dessen nachträgliche Abstützung gegen die Schwerkraft. Die jeweils drei Entlas-

589  Der Nanchan si ist der älteste bekannte Tempel Chinas.

590  nach: IHNS, 1986, p. 76, fig. 5-4-3c und d 591  Der Tiantai’an wurde in der Zeit der Fünf Dynastien und Zehn Reiche errichtet.

593  nach: Fu, 2001, Bd. 2, p. 501, fig. 3-7-24 und 25

592  Die zahlreichen Stützen im Innen­ raum sind so sicher nicht intendiert gewesen.

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tungsstützen dominieren den ursprünglich stützenfrei gedachten Innenraum. (Ill. 593) Die Stützen unter den Zwischenpfetten sind richtige Säulen, ganz anders als die viel Volumen einnehmenden kamelhöckerförmigen Unterstützungen im Nanchan si aus nur wenig früherer Zeit. Einen ganz anderen Eindruck vermittelt die Osthalle (Dong da dian) des Foguang si von 857. Zwar gilt auch dieser Tempel mit 34 × 17,70 m als einer von mittlerer Größe, mit seiner Konstruktion und Ausarbeitung zählt er aber zu den Gustostücken aus der TangZeit. (Ill. 594) Wieder werden aus dem von 7 × 4 Joch gebildeten Stützenraster die vier mittleren Säulen weggelassen, um dem Altar ausreichend Platz zu geben. (Ill. 595) Im Querschnitt fällt auf, dass die Säulen des inneren und des äußeren Säulenkranzes gleich hoch sind. Die über den Säulen aufgetürmten Konsolenkomplexe erreichen hier eine einzigartige Dimension. Die die Traufe zwischen den Säulen unterstützenden Konsolen sind zwar bescheidener als jene, die den Säulen aufgesetzt sind, aber ihre eigenständige Form und ihre Größe verweisen auf die Bedeutung, die ihnen zugemessen wird. Die spezifischen Details der tailiang-Konstruktion sind in der Halle durch abgehängte Decken verborgen. Die Unterstützung der Firstpfette wird hier nicht von der typischen, jeweils einzelnen Stütze, sondern allein von den schrägen Strebehölzern übernommen.16 Die Halle Shengmu dian des Ahnentempels Jinci in Taiyuan stammt in ihrer heutigen Form aus der Song-Dynastie (960–1279). (Ill. 596) Sie macht schon einen sehr freien Gebrauch von der Stützenstellung. Den hier sehr hohen Stützen tragen zwei übereinanderliegende Traufen Rechnung. Das vordere Viertel der im Querschnitt viergeteilten Tempelhalle wird durch eine Säulenreihe vom hinteren Teil getrennt. (Ill. 597) Diese Säulenreihe eröffnet die Möglichkeit, den Binderbalken über den Säulen in einen Zwei-Rofen-Balken und einen Sechs-Rofen-Balken zu teilen. Während auf der Rückseite eine niedrige Säulenreihe die Last des Pultdaches trägt, ist die Hauptfassade in sehr eigentümlicher Weise mit der Haupthalle verbunden: Die mit Drachen verzierten niedrigen Säulen der Hauptfassade werden direkt an der erwähnten inneren Säulenreihe angehängt. Die fassadenseitig fehlende Säulenreihe unter der oberen Traufe lässt Raum für eine sehr tiefe Veranda. Dieser Raum schließt auch den angehängten Umgang konstruktiv mit ein. Der Innenraum ist nach wie vor durch die massive Wand deutlich abge-

594  Nur dank seiner abgeschiedenen Lage dürfte der Foguang si der Buddhistenverfolgung während der Tang-Zeit entkommen sein.

595  nach: IHNS, 1986, p. 79, fig. 5-4-7

596  Jinci Shengmu dian

597  Querschnitt durch die Hauptachse von Jinci Shengmu dian (nach: IHNS, 1986, p. 103, fig. 5-6-12)

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trennt, aber ein Blick in die Dachkonstruktion zeigt sehr anschaulich das Prinzip der tailiang-Konstruktion und ihren Spielraum, auch sehr große Höhenunterschiede zu integrieren. (Ill. 598) Während der Yuan-Herrschaft wurde 1262 die Halle Sanqing dian des taoistischen Tempels Yongle gong in Ruicheng errichtet. (Ill. 599) Auffallend ist, wie enorm die Kragkomplexe unter den Traufen gegenüber jenen des Foguang si geschrumpft sind (siehe p. 273) (Ill. 600) Des Weiteren ist die Dachschräge steiler geworden; eine ästhetische Neuerung, die konstruktiv keine gravierende Änderung darstellt, weil ja nur die vertikalen Stützen unter den pfettentragenden Querbalken verlängert werden mussten (Ill. 588). Es gibt aber eine ganze Reihe signifikanter Details, die eine Weiterentwicklung in der Konstruktion zeigen. Die inneren und äußeren Säulen unterscheiden sich in ihrer Höhe zwar weiterhin nur minimal, allerdings hat ihre Länge insgesamt enorm zugenommen. Geübte Praxis bis dahin war, dass die Länge der Säulen nicht größer als ihr Abstand zueinander war. Die Innenneigung der äußeren Säulen hat genauso zugenommen wie die graduelle Verlängerung der Säulen von der Mitte zu den Ecken hin, ein für die Statik bedeutsamer Aspekt, auf den noch einmal zurückzukommen ist (siehe p. 279–280). In diesem Zusammenhang ist auch der größere Durchmesser der Ecksäulen gegenüber jenem der anderen von Bedeutung:17 Die Auflast auf die Ecksäulen ist aufgrund der Konstruktion der Dach­ecke und des daraus resultierenden Gewichts größer. Für alles hier Beschriebene gilt, dass sich viele Konstruktionen nicht immer eindeutig oder nicht ohne Weiteres in das eine oder das ­andere Schema fassen lassen.18 Übereinanderliegende, untereinander mit Dübeln verbundene und überdies mit Balken in Längsrichtung verschränkte Querbalken sind ungleich wider­ stands­ fähiger gegenüber den in Yunnan häufig auftretenden Erdbeben. In Repräsentationsbauten verwehren oftmals eingezogene Decken

598  In der Untersicht kann man studieren, welche Konstruktionsteile welche Traufen der Hauptfassade tragen.

599  Yongle gong Sanqing dian 602  Die enorme Fassadenlänge des Taihemen/Beijing von mehr als 45 m lässt die beschriebene horizontale Zonierung nicht mehr leicht erkennen.

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den Blick in die Dachkonstruktion. In Wohnhäusern war das höchst selten der Fall. Wenn aber die konstruktiven Balken sichtbar waren, hat man sie gerne dekorativ überformt (Ill. 601) Auch braucht es oft einen zweiten Blick: Die Auflage der Fußpfetten direkt auf der Säule spricht auf den ersten Blick für eine chuandou-Konstruktion, doch bei genauerer Analyse erkennt man, dass die Pfette von einem unmittelbar darunterliegenden Rähmbalken unterstützt wird, der die Säulen auf Zug in der Längsrichtung verbindet – charakteristisches Baudetail einer tailiang-Konstruktion. Konstruktiver Holzschutz: erhöhte Plattform und auskragendes Dach Große chinesische Tempel- und Palastbauten sind horizontal klar zoniert. Auf einem Podest stehen rasterartig verteilte Säulen, die ihrerseits ein mächtiges Dach tragen. (Ill. 602) Zwei bauliche Elemente springen besonders ins Auge, die erhöhte Plattform und das weit auskragende Dach. Beide Elemente entstanden aus der Not, ein in seiner Errichtung äußerst kostspieliges und zeitaufwendiges Holzbauwerk nicht mutwillig den mitunter zerstörerischen Kräften der Natur preiszugeben. Plattform und auskragendes Dach reagieren auf die weitgehend kalkulierbaren Kräfte von Sonne, Wind und Regen; weiter unten wird auf die unkalkulierbare Einwirkung von Erdbeben eingegangen (siehe p. 292–293). Holzsäulen dürfen nicht am Erdboden stehen, wenn sie vor Wasser geschützt sein sollen. Aber auch eine Steinplatte als Säulenbasis ist noch kein ausreichender Schutz gegen Spritzwasser. Die Lösung, die die Chinesen gefunden haben, ist ein Podest, das ein bedeutsames Gebäude gleich auch in seiner Würde unterstreicht. Ihrer Bedeutung entsprechend machte die Plattform als Fundament eines Bauwerks eine stete Weiterentwicklung durch.19 In gewissem Ausmaß ist diese mit der gesellschaftlichen Entwicklung verknüpft. In Erlitou in der Provinz Henan, der frühesten Hauptstadt Chinas, fanden Archäologen eine aus Erde gestampfte Plattform in einer Größe von 108 × 100 m mit einer Stärke von 0,80 m. Nur Sklaven können vor mehr als 3000 Jahren zu einer solchen Arbeit gezwungen worden sein, bei der Lagen von jeweils 4 bis 10 cm Dicke mit einem Stein- oder Holzstampfer, dessen Kopf einen Durchmesser von 3 bis 6 cm aufwies, Schicht über Schicht aufgebracht wurden. Die Zerstörung der Kapillargefäße des Erdbodens durch den intensiven Stampfprozess soll die Plattformen wasser­undurchlässig gemacht haben.20 Darüber erhebt sich eine weitere Plattform von 36 × 25 m mit einer Stärke von insgesamt 3,10 m. Sie soll das Fundament der Haupthalle gewesen sein. Für die Unterstützung der Säulen gab man sich damit noch nicht zufrieden. In 50 bis 70 cm Tiefe wurden unter den Säulen ein massiver Stein oder ein paar einzelne Steinblöcke als Säulenbasis im Fundament eingegraben.21 Die Beständigkeit einer Holzkonstruktion ist von der Güte der Plattform abhängig, auf der sie steht. Grabungsbefunde zeigen das suchende Ringen um die Qualität der Plattformen: Unter ihren Oberflächen fand man diverse Materialien, die ihre Festigkeit erhöhen sollten, wie Kieselsteine, Bauschutt und Kohlestücke. Sie wurden nicht als Zuschlagstoffe der Erde beigemengt, sondern in Schichten alternierend mit Erde eingebracht und gestampft. Bei der Plattform der Zhuanlungzang-Halle des Longxing si in Zhengding wurde jede Säule für sich fundamentiert. Das lässt sich am

601  Die unverkleidete Dachkonstruktion dieses alten Hauses in Baisha San Yuan Cun zeigt, wie liebevoll die die Dachschräge formenden Balken an ihren Enden bear­beitet wurden.

600  Querschnitt durch die Sanqing-Halle des Yongle gong (nach: IHNS, 1986, p. 116, fig. 5-8-3)

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Wechsel von Erdschichten und Ziegelsplittschichten ablesen, die bei allen Säulen in Anzahl und Höhe unterschiedlich waren.22 Im Zuge der Restaurierung des Nanchan si hat man festgestellt, dass die Überlegungen auch in eine andere Richtung liefen. Seine Plattform weist vom Zentrum zu den Kanten ein Gefälle von 3 ‰ auf. 23 Wann die Entwicklung eingesetzt hat, die Erde in ihrer Tragfähigkeit zu optimieren, kann bis jetzt nicht datiert werden. Die schon erwähnte Sanqing-Halle steht auf einer Plattform in 2,39 m Höhe. Das Fundament unter den Ecksäulen ist 3 m tief, jenes unter den äußeren Säulen 2,47 m, während die Umfassungsmauern 2,13 m tief fundamentiert sind. Das bedeutet, dass die Fundamente der Säulen alle unter der Erdoberfläche unterhalb der Plattform liegen, jene der Säulenzwischenräume aber nicht. Es wird angenommen, dass auf diese Weise Frostschäden verhindert werden sollten.24 Tatsächlich ist das Fundament heute, nach 750 Jahren, unbeschädigt. In der Ming-Zeit (1368–1644) begann man für die Fundamente Erde in einem bestimmten Verhältnis mit Kalk zu mischen und verwendete je nach Größe des Stampfgeräts zwei verschiedene Mischverhältnisse. Während der Qing-Zeit (1644–1911) wurden zunehmend detailliertere Arbeitsabläufe festgeschrieben, welche schlussendlich in Fundamentfestigkeiten mündeten, die weit über das notwendige Maß hinausgingen.25 Die Holzsäule überträgt das auf ihr lastende Gewicht über einen Steinsockel auf das Fundament. (Ill. 603) Der Steinsockel soll das auflastende Gewicht möglichst gleichmäßig auf das Fundament übertragen, er soll das Holz vor aufsteigender Feuchtigkeit aus dem Boden schützen und er soll als Messpunkt bei der Errichtung des konstruktiven Gerüsts und der Ausführung des Bodens fungieren. Wie umsichtig die Zimmerleute ans Werk gingen, beweist der Einschub eines Holzsockels zwischen den äußeren Holzsäulen und den Steinsockeln: Wenn es doch zu Fäulnisbildung an der Säulenbasis kam, konnte dieser Holzsockel, in den die Holzsäule eingezapft war, ohne größere Probleme ausgewechselt werden.26 Der Holzschutz der Wände und Wandstützen wird in unterschiedlichem Maß auch von den Dächern mit ihren unterschiedlichen Formen geleistet. Bei Walmdächern schützt die Traufe rundum die darunterliegenden Wände; Fußwalmdächer wirken expressiver, sind aber als Wandschutz gleich wirksam wie die Walmdächer. Walmdächer aber waren der Nobilität vorbehalten.27 Entsprechend häufig trifft man Wohnhäuser mit Satteldächern. Sie stehen entweder mit den Giebeln so nahe beieinander, dass sie sich gegenseitig schützen, oder es werden giebelseitig ein oder mehrere Pultdächer angehängt. (vgl. Ill. 583) Denn Satteldächer belassen die Giebelwände ungeschützt, wenn sie nicht extrem weit vorgezogen werden. Daher wird man kaum einen Tempel mit Satteldach finden, dessen giebelseitige Stützen nicht komplett bis in eine gewisse Höhe in einer aus Lehm oder Ziegel gemauerten Wand versteckt sind. (Ill. 604) Wie massiv auch immer diese Wände in Erscheinung treten, sie haben doch keinerlei tragende Funktion und könnten theoretisch ähnlich wie Schutzverkleidungen aus Brettern oder Schindeln bei Bedarf ausgewechselt werden. (Was natürlich nicht geschieht, weil viele Tempelwände auf ihrer Innenseite mit kultur- und kunstgeschichtlich unschätzbar wertvollen Malereien versehen sind). Ein solches Ummanteln widerspricht allerdings einer grundlegenden Vorgehensweise des Holzschutzes, weil damit jegliche Belüftung verhindert wird. Beim Nanchan si

603  Steinsockel einer Säule des Kaiyuan si Zhonglou aus der Tang-Zeit in Zhengding/Hebei

604  Nur die dougong der Tian Wang dian des Zhenguo si in Pingyao/Shanxi ragen aus der gemauerten Ummantelung der tragenden Säulen heraus. Der Tempel wurde während der Ära der Fünf Dynastien errichtet.

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sind deshalb die traufseitigen Säulen nur teilweise eingemauert, und beim Kaiserpalast in Beijing wurden die Säulen an den Stellen, wo sie aus der Ummauerung herausschauen, von perforierten Ziegeln geschützt, die für die notwendige Ventilation sorgen.28 Mit dem Begriff eines historischen chinesischen Daches assoziiert geradezu jeder eine deutlich konkave Krümmung nebst einer geschwungenen Trauflinie und oftmals auch Firstlinie. Für die Dächer großer Repräsentationsbauten trifft das tatsächlich zu. Unbestreitbar ist diese besondere Silhouette für die ästhetische Wahrnehmung von großer Bedeutung. Der funktionelle Hintergrund, die Ursache ihrer Entstehung, ist aber weitgehend anerkanntermaßen ganz woanders zu suchen, nämlich im konstruktiven Holzschutz und dem Bedürfnis, natürliches Licht ins Innere zu bringen.28A Am besten lässt sich das in Absetzung gegen einfache Wohnbauten verdeutlichen, deren Dachschrägen auch in China ebenflächig oder höchstens kaum wahrnehmbar konkav ausgebildet sind.29 Hofhäuser, eine sehr verbreitete Wohnform, sind nach innen orientiert. Im Hof spielt sich das Leben ab, in den Hof hinein sind die nach außen so hermetisch abgeschlossenen Bauten der Bevölkerungsmehrheit sehr offen. (Ill. 605) Ob im Haus des Beam­ten oder des einfachen Bauern, überall war es notwendig, die mit Türen und Fenstern durchbrochenen Wände gegen Regen und sommerliche Sonne zu schützen. Am effektivsten bewerkstelligte das ein weit vorgezogenes Dach. Dem Bauern wird es bei seinem Vierseithof wohl auch um einen geschützten Arbeitsbereich oder die gedeckte Erschließung der nebeneinanderliegenden Räume gegangen sein. (Ill. 606) Die sogenannten Großmutterhallen, sehr primitiv anmutendes familiäres Zentrum des Hofes der Mosuo-Minderheit,30 erscheinen ins Hofinnere oft wie Skelettbauten. (Ill. 607) Neben der offenen Feuerstelle hat die „Großmutter“ ihre Schlafstatt. Vor dem Blockbau ist das Dach so weit vorgezogen, dass es durch eine Stützenreihe unterstützt werden muss. Dadurch entsteht ein Korridor. (Ill. 608) Aus klimatischen Gründen und zur Unterstreichung der besonderen Geborgenheit der Großmutterhalle sind diese Stützen zumeist zu einer Wand geschlossen, so dass undichte Stellen im Dach die einzige Lichtquelle im Inneren bilden, wenn nicht gerade ein Feuer brennt. Tempel oder Palastbauten sind aber viel höher als Wohnhäuser. Daher muss auch das Dach viel weiter vorgezogen werden, wenn die Wand geschützt werden soll und zugleich die Schar der Gläubigen unter dem schützenden Dach Platz finden will. Die Traufe des frühen Nanchan si kommt noch ohne Flugrofen aus, jene des später entstandenen Foguang si überdeckt mehr als 4 m vor der Säulenreihe der Fassade. Nun sind Tempelbauten aber sehr oft nur nach der Südseite hin geöffnet, nur wenige haben zusätzlich eine vergleichsweise kleine Öffnung auch an der Nordseite. Je tiefer das Dach gerade an der Südseite heruntergezogen wird, desto weniger Licht gelangt ins Innere des Tempels, wohin die Gläubigen gehen, um die aufgestellten Statuen oder prächtigen Wandmalereien zu sehen. Die Baumeister mussten also nach einer Lösung suchen, die einerseits den Wasserablauf vom Dach sicherstellte und andererseits dem Bedarf nach Lichteinfall Rechnung trug. Die Verlegung von kurzen Rofen nur von Pfette zu Pfette war die Lösung. Denn wenn die Dachschräghölzer nicht vom First bis zur Traufe reichen mussten, dann konnten auch die Pfetten in genau der Höhe eingebaut werden, wie man sich die Kontur des Daches wünschte. (Ill. 609) Der sich mit der Zeit ändernde Geschmack bezüglich der

605  Blick vom Obergeschoss in einen der vielen Höfe der Wang-Residenz in Jing­sheng/Shanxi. Dieses Anwesen aus der Qing-Ära erstreckt sich über eine Fläche von 4,5 ha.

606  Blick aus einer Großmutterhalle in den von vier Gebäuden gebildeten Innenhof in Dacun/Yunnan

607  Die Großmutterhallen selbst waren immer eingeschossig. – Dazui/ Sichuan

608  Eine in den Hof vor die Blockwand gestellte Schutzwand schafft einen breiten Korridor vor der Großmutterhalle. Die Eingänge sind immer versetzt in die Wände geschnitten. – Luoshui/Yunnan

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Formgebung kann an den Vorschriften in den Bauhandbüchern Yingzao fashi aus der Song-Zeit und Gongbu gongcheng zuofa (1734 in der Qing-Zeit herausgegeben) abgelesen werden.31 Die gekrümmte Dachfläche erlaubte nicht nur die geringere Höhe des Daches, sondern bot auch noch den statischen Effekt, dass der laterale Winddruck geringer ausfiel – ein sehr wichtiger Vorteil, weil die Säulen nur auf Fundamentsteinen ruhten und nicht einmal durch Fußschwellen verbunden waren.32 Mehrgeschossige Bauten fanden jedoch auch mit einem noch so weit vorgezogenen Dach keinen ausreichenden Witterungsschutz. Die für sie gefundene Lösung birgt auch die Erklärung für eine verwirrende und zunächst unverständliche Inkompatibilität zwischen Wahrnehmung und Konstruktion: Pagoden und Türme werden nach der Anzahl ihrer Dächer als zwei-, drei-, fünfstöckig bezeichnet. Das ist jedoch nur bedingt in der Fassade ablesbar! Yakushi-ji sanjūnotō ist dreistöckig, hat aber sechs Dächer übereinander. Dule si ­Guanyin ge erscheint zweigeschossig, ist aber dreigeschossig. Yingxian muta hat sechs Dächer, setzt sich aber aus zehn konstruktiven E ­ inheiten zusammen. Des Rätsels Lösung liegt darin, dass die Fassaden zwischen den durchkonstruierten Dächern bestmöglich geschützt werden sollten, indem in manchen Fällen zusätzliche Pultdächer, in anderen Fällen Balkone angehängt wurden, so dass das Erscheinungsbild nicht länger den Gegebenheiten des Tragwerks entspricht.

609  Das Modell von Yongle gong Sanqing dian zeigt die abschnittsweise Verlegung der Rofen, insbesondere die den Grat bildenden, und die keilförmigen Balken auf den Fußpfetten zum Anheben der Traufecken.

Materialwahl Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Beständigkeit eines Bauwerks spielt die Qualität des Materials, aus dem es gebaut ist. Spezifische Holzarten haben spezifische Qualitäten. Die Zimmerleute wussten darum Bescheid und gaben ihr Wissen weiter. Kiefer beispielsweise, so wurde in der Jin-Zeit niedergeschrieben, sei „besonders für die Herstellung von Booten und Särgen geeignet“.33 Eine wahre Fundgrube bezüglich der Materialqualitäten stellt der Kaiserpalast in Beijing dar. Nanmu34 ist nicht nur sehr beständig, sondern von ausgesucht attraktivem Farbenspiel zwischen Oliv­ braun und Rotbraun. Teak und Kiefer aus Nordostchina wurden bevorzugt zu Säulen verarbeitet, die chinesische Spießtanne35 zu Pfetten, Rofen und Dachbrettern als Auflage des Lehmbetts für die Dachziegel. Für Eckbalken, Tür- und Fensterrahmen suchten die Zimmerleute das Holz des Kampferbaums. Im Lu Ban jing wird seine Verwendung für Bewässerungsräder beschrieben.36 Die Peking Gazette berichtete Anfang 1877 von den immens gestiegenen Kosten für dieses Holz. Der Umstand, dass Kampferbäume dort, wo sie wuchsen, vielfach als fengshui-Bäume verehrt wurden, stand in krassem Gegensatz zur intendierten Nutzung als Bauholz für den Schiffsbau. In Zeitungsartikeln schimpfte man über diesen Aberglauben.37 Zypresse war das Holz der Wahl für Konstruktionshölzer direkt unter dem First. In jahrhundertelanger Erfahrung kristallisierte sich heraus, dass die Spießtanne konkurrenzfähiger war als alle anderen Holzarten, wenn es darum ging, den Verrottungsprozess unter normalen Bedingungen hinauszuschieben. Musste Holz in feuchter Erde eingegraben werden, gaben die Zimmerleute Zypressen, koreanischen Kiefern und Weiden den Vorzug.38 Im Norden des Landes musste man weniger wählerisch sein: „Bäume, die von Bewohnern im Süden niemals benützt würden, wie Maulbeerbaum, Weide, Robinie und Kiefer, wurden im Norden

610  Die chinesischen Zimmerleute entwickelten diverse Methoden, die konstruktiven Holzschutz mit ästheti­ schen Ansprüchen in Ein­klang brachten: Nach Möglich­keit verdecktes Hirnholz, schräge Lagerfugen oder durchgestoßene Zapfen sorgen für raschen Wasser­ abfluss; schräge Verbindungsanschnitte zur Sichtseite lassen kein unschönes Klaffen der Verbindung unter dem Einfluss von Trocknungs­schwund aufscheinen. (nach: Wei, 1999, fig. 6.33-40)

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unterschiedslos verwendet. Daher sind ihre Balken und Pfetten oft gekrümmt, und ihre Werkzeuge und Holzutensilien gerissen ...“39 Bereits in der Shang-Dynastie (1600–1100 v. Chr.) wurden Steinund Bronzesockel unter Holzsäulen gestellt.40 Zur Imprägnierung wurden in Ming- und Qing-Palästen Balken- und Pfettenenden, die auf Mauern auflagen, auch Verbindungen von Balken und Säulen sowie die untersten Stufen von Stiegen mit Tung-Öl behandelt. Auch die Dong-Minderheit, in deren Siedlungsgebiet der TungÖlbaum41 heimisch ist, nutzte dessen resistenzerhöhende Eigenschaft.42 Trotz allem kam der Integration von Lüftungsöffnungen im konstruktiven Gefüge die größte Bedeutung für den konstruktiven Holzschutz zu. Und nicht zuletzt spielte die Gestaltung der Holzverbindungen eine große Rolle. Die Eigenschaft des Materials, seinen Feuchtigkeitsgehalt stets der Umgebung anzupassen, lässt es quellen bzw. schwinden. Wenn aber zwei miteinander verbundene Hölzer schwinden, dann beeinträchtigt das unter Umständen nicht nur die Qualität der Verbindung, sondern stört auch das Erscheinungsbild. Diesem Problem widmeten die Zimmerleute große Aufmerksamkeit. Sie wandelten viele Verbindungen so ab, dass Trocknungsspalte möglichst nicht sichtbar waren. Die entwickelten Lösungen haben zudem alle den Nebeneffekt, dass der funktionelle Teil der Verbindung durch schrägen Anschnitt der nach außen zeigenden Teile der zu verbindenden Hölzer verdeckt und damit geschützt wurde. (Ill. 610)

611  Explosionsaxonometrie der strukturellen Dreiteilung des konstruktiven Aufbaus eines Tempels aus der Tang-Zeit (nach: Guo, 1995, p. 69, fig. 35)

Konstruktiver Aufbau von Tempelbauten Wegen ihrer Unvergleichbarkeit mit Konstruktionen, wie sie sich im Westen entwickelt haben, üben die Kraggebälke (dougong) eine besondere Faszination aus. Als Bauelement verbinden sie konstruktiv die Säulen und das Dach. Ihre Aufgabe liegt zunächst in der Ableitung der von den horizontalen Balken übertragenen Last des Daches auf die Säulen und in der Bildung einer möglichst weiten Auskragung der Dachtraufe. (Ill. 611) Während die Säulen kranzweise zugfest an ihrem Zopfende miteinander verbunden waren, verbanden die dougong den inneren und den äußeren Säulenkranz durch ihren kreuzweise geschichteten Raster, der stark an das Gefüge von übereinandergeschichteten Balken in einem Blockbau erinnert. Die derart gebildete horizontale Scheibe ermöglichte den Zimmerleuten, für die Dachkonstruktion selbst nicht allzu massive Hölzer zu verwenden. Auch in der Ming-Zeit und vor allem in der Qing-Zeit blieben die dougong ein klar erkennbares Zwischenglied zwischen Säulen und Dach, aber sie waren nicht mehr Verbindungsglied. (Ill. 612) Stattdessen wurden nun die tragenden Säulen in Querrichtung viel stärker untereinander verbunden. Die Dimension der horizontalen Balken des Dachgerüsts war nun so massiv, dass die Balken selbst auch die Dachauskragung übernahmen. Die dougong leiteten zwar immer noch die Last des Daches in die Säulen ab, aber sie steiften nicht mehr aus. Was dem Betrachter aus dem Westen bei Tempelbauten immer sofort auffällt, ist der weitgehende Verzicht auf Diagonalaussteifungen. Das wird durch verschiedene konstruktive Maßnahmen ermöglicht. Die Säulen des äußeren Säulenkranzes sind leicht nach innen geneigt und steigen zu den Ecken hin in der Höhe leicht an, so dass eine gezielte Verlagerung der Last ins Gebäudezentrum erfolgt, die bei mehrgeschossigen Bauten noch deutlicher in

612  Vergleichszeichnung eines Tempels aus der Ming-Qing-Zeit (nach: Fu, 1984, p. 23, Tafel 1.8)

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Erscheinung tritt. Die Grundrissfläche nimmt daher nach oben hin stetig ab. Auf diese Weise haben die Bauten mit einer Dachlast von bis zu 400 kg/m2 43 viele Jahrhunderte lang auch schweren Stürmen und sogar Erdbeben standgehalten. Dieses enorme Gewicht kommt unter anderem dadurch zustande, dass die glasierten Keramikziegel als Dachziegel in einem dicken Lehmmörtelbett verlegt werden, das die Knicke der Rofenlagen zu einer kontinuierlich gekrümmten Dachfläche ausgleicht. Einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Anteil an der vertikalen Aussteifung haben die Wandfüllungen zwischen den Säulen. War um das Gebäude herum ein Säulengang geplant, wurde der obere Balkenkranz durch einen zweiten, tiefergelegten ergänzt, der als innenseitige Auflage für das Pultdach über dem Säulengang genutzt wurde. Ein zusätzlicher Balkenkranz erhöht auch die Stabilität des Skeletts. Gestalterische Eingriffe und die visuelle Betonung funktionell notwendiger konstruktiver Maßnahmen standen durchaus im Zusammenhang mit der Statik des Bauwerks. An­dererseits verfolgten sie den Zweck, der Konstruktion dort die Schwere zu nehmen, wo sie am stärksten fühlbar wird. Zwei äußerst erfolgreiche und ins Auge springende Maßnahmen sollen das erläutern. Die Anzahl der traufseitigen Säulen ist immer geradzahlig, um die Bedeutung der Zentralachse herauszustreichen. Mit Ausnahme der Liao-Bauten, die aus kulturhistorischen Gründen ihre Bauten nach Osten orientierten,44 öffnen sich die meisten Hauptbauten nach Süden. Diese Vorgangsweise lässt die Sonne im Winter tief in den Raum fallen und spendet im Sommer Schatten, motiviert ist sie aber durch eine andere Überlegung. „Der Norden galt als Himmelsrichtung der Überlegenheit. Der wichtigste Gebäudeteil lag hinter dem mittleren Säulenzwischenraum. Bei einem Tempel befand sich in diesem zentralen Bereich der Raum der Gottheit, bei einem Palast der Herrscherthron und in einem Regierungsamt der Sitz der Ältesten.“45 Das Zentraljoch war ab der Song-Zeit immer am breitesten, die Joche an den Ecken waren ent­sprechend am schmalsten. (siehe Ill. 596) Denn dem Haupttor gegenüber, am Zentrum des Altars, erschien es opportun, die Stützen möglichst weit auseinanderzustellen. Zu den Ecken hin dagegen war das Gewicht des Daches am größten, und daher war es sinnvoll, die tragenden Säulen enger aneinanderzurücken. Die zweite Maßnahme betraf die Dachkante. Ästhetisch erscheint ihre Kontur durch die zu den Gebäudeecken hin höher werdenden Säulen bedingt. Tatsächlich müssen aber konstruktive Überlegungen mitgedacht werden. Der abfallende Gratfirst wird von der Gratrofe unterstützt. An dieser Kante stoßen zwei Dachflächen zusammen. Der Grad ihrer jeweiligen konkaven Krümmung folgt festgelegten Maßverhältnissen. Um die beiden Dachflächen dennoch möglichst gleichmäßig aufeinanderstoßen zu lassen, wurden die Rofen stufenweise mit keilförmigen Stützhölzern hochgehoben.46 Das Ergebnis war, dass die Rofen zu den Gebäude­ ecken hin an ihren traufseitigen Enden höher auflagen. Dieser so charakteristische Dachschwung, der das Dach visuell dort entlastet, wo es am schwersten ist, hat recht expressive Ausformungen hervorgebracht. (Ill. 613) Es erscheint nahezu unglaublich, wie viele Aspekte in diesem Konstruktionsdetail zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt wurden: konstruktive Aufgabenstellungen, statische Bedingungen, ästhetische Ansprüche, illusionistische Bilder. In Japan gab es drei Arten, die Rofen zu verlegen: parallel, fächerförmig und im daibutsuyō parallel mit Auffächerung

613  Traufdetail des Dongyue miao Feiyun lou in Wanrong/Shanxi

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nur in der Ecke. In China wurde die parallele Rofenlage verwendet, praktisch trifft man aber vor allem auf die letzte Form. (Ill. 614) Zunehmendes technologisches Wissen bzw. Wissen um die mechanischen Eigenschaften von Holz führte zu sichtbaren Fortschritten in der Bautechnologie. In der Sui-Zeit (581–618) waren die tragenden vertikalen Hölzer noch eingegraben und selbst aus der darauffolgenden Tang-Epoche gibt es Belege für Pfostenbau,47 doch sagt diese „primitive“ Bauweise nichts über den generellen Entwicklungsstand der Architektur der Tang-Zeit aus: Linde dian, die Halle des tugendhaften Einhorns, wurde trotz ihrer Ausmaße von 222 × 127 m in nur zwei Jahren erbaut. Der Dabei-Pavillon des Longxing si in Zhengding aus der späteren Song-Zeit hat einen Säulenabstand von mehr als 7 m, und man begann bei der Aufstellung der Säulen freier zu agieren. (siehe Ill. 596) Ihre Verteilung gerade im Inneren war nicht von den äußeren Säulen bestimmt und sie wurden oft in den nördlichen Teil verschoben, damit den Gläubigen ausreichend Platz für ihre Rituale vor dem Altar blieb. Auch die Verbindungstechnologie machte in der Song-Zeit einen großen Schritt vorwärts. Während der Sui- und Tang-Zeit wurden die Säulen ausschließlich durch eingezapfte Schwellbalken und ebensolche Zugbalken am oberen Säulenende verbunden. Fallweise gab es noch Zwischenbalken. Stürmen hatten diese Verbindungen nicht viel Widerstand entgegenzusetzen. (Ill. 615) Die an ihrem Fußpunkt nicht eingespannten Säulen widerstanden nur dank des Gewichts des Daches.48 Die Zimmerleute der Song-Zeit integrierten in ihre Konstruktionen Balkenkränze von flach-rechteckigem Quer-

614  Beide Traufen des Dule si Guanyin ge zeigen zur Ecke hin die Rofen aufge­ fächert. Um das möglich zu machen, wurden sie an ihrem nicht sichtbaren Ende keilförmig zugeschnitten.

615  Bei der Osthalle des Foguang si fehlen aussteifende Schwellbalken. (Detail aus: Liu, 2005, fig. 86-6)

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616  Diese Detailskizze eines mehrge­ schossigen Bauwerks zeigt, dass jedes Geschoss von einem eigenen Säulen­kranz getragen wurde. Die in der Song-Dynastie neu eingeführten flachrecht­eckigen Balken unter den großen Blöcken sind herausgezeichnet. (nach: IHNS, 1986, p. 108, fig. 5-6-23)

schnitt direkt über den Säulen. (Ill. 616) Jeder dieser Balken reichte nur von Joch zu Joch. Untereinander waren sie mit verschiedenen, teilweise recht komplizierten Verbindungen gefügt. (Ill. 617) Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, dass die Zopfenden der Säulen durch die aufgelegten Balkenkränze hindurch mit den Basisblöcken der Kraggebälke fix verbunden waren. Die vormals nur eingezapften Zugbalken wurden nun durchgezapft in der Form, dass die von beiden Seiten in die Säule eingeschobenen Zapfen so weit verlängert wurden, dass sie in der Säule als gerade oder schräge Hakenblätter49 oder auch in anderer Form (Ill. 618) zugfest verbunden waren. Die Bauten der Jin-Dynastie (1115–1234) ersetzten in großem Maßstab die kamelhöckerförmigen Verstrebungen der pfettenunterstützenden Säulen durch Unterstützungshölzer. (siehe Ill. 588) Das hat eine Gewichtsreduktion zur Folge und entlastet somit die Querbalken. Unter der bis 1368 währenden Mongolenherrschaft unter der von Kublai Khan 1271 proklamierten Yuan-Dynastie kam es zwar zu keinen grundlegenden Änderungen im Baugeschehen, aber ihr Bemühen, das Bauen zu vereinfachen und mehr an praktischen Überlegungen zu orientieren, führte zu einer deutlichen Akzentuierung von schon früher eingeführten Neuerungen. Dazu zählten insbesondere eine sehr freie Säulenstellung, die sich nicht mehr den Geboten eines regelmäßigen Balkenrasters unterwarf,

617  Varianten von längsverbundenen Balken aus der Song- und Yuan-Zeit (nach: IHNS, 1986, p. 106, fig. 5-6-19; Guo, 2002, p. 39; Guo, 2002, p. 77; IHNS, 1986, p. 106, fig. 5-8-33)

618  Pfettenanlängung über einer Säule mit Unterstützung gegen Durchbiegung und Balkenanlängung in einer Säule mit eingesetzter Sicherung (nach: Ma Bingjian, 2003, p. 122, fig. 3-4 und p. 124, fig. 3-9)

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sondern sich ausschließlich an den aufzustellenden Statuen orientierte. Damit Stützen weggelassen oder verschoben werden konn­ten, mussten die oberen Zugbalken der verbleibenden Säulen teilweise recht massiv ausgeführt werden. Sowohl der Guang­ sheng si in Hongdong als auch der Yongle gong in Ruicheng (siehe Ill. 600) sind dafür ausgezeichnete Beispiele. Die vordere Halle des oberen Guangsheng si zeigt noch ein anderes konstruktives Detail, das eindrucksvoll den hohen Grad der Holzbautechnologie vorführt: den schrägen Balken. Er stellt eine Weiterentwicklung der Hebelarme dar, die schon in den Konstruktionen der Song und Liao gebräuchlich waren und dort das Gewicht der Traufe mit dem einer höheren Pfette zum Ausgleich brachten. (Ill. 619) Der schräge Balken ist aber sicher auch als eine Weiterentwicklung der tuojiao zu interpretieren – jener schrägen Streben, die die Pfetten gegen die darunterliegenden Balken abstützen. An seinem unteren Ende liegt der schräge Balken auf dem Kraggebälk über der äußeren Säule auf, mit seinem oberen Ende auf dem inneren Zugbalken. Seine Funktion ist es, in einem bestimmten Dachabschnitt die Rofen zu tragen. Während der Hebelarm punktuell als Lastverteiler wirkt und der tuojiao der vertikalen Aussteifung dient, kommt es im schrägen Balken zur Vereinigung und Erweiterung dieser Funktionen. Seine Lastverteilung wirkt flächig. In Fußwalmdächern bauten die Zimmerleute während der Yuan-Zeit übereck verlegte Balken ein. (Ill. 620) Diese horizontale Aussteifung der vier Ecken eines Daches trug über eine bislang nicht zum Einsatz gebrachte Biegesteifigkeit zur Stabilität des gesamten Bauwerks bei. Ganz auf der Linie baulicher Vereinfachungen lag eine weitere Innovation. Vor der Yuan-Zeit war es Usus, mehrgeschossige Bauten konstruktiv Geschoss für Geschoss abzubinden. Die Säulen eines aufgesetzten Geschosses standen auf den Balken des darunterliegenden. Das machte die Konstruktion höchst anspruchsvoll und schwächte darüber hinaus zugleich die Stabilität. Die durchlaufenden Säulen, wie sie nun im Ciyun ge in Dingxing verbaut wurden, veränderten komplett das während der Liao- und Song-Periode übliche konstruktive System. Zwei konstruktiv absolut herausragende Bauten aus der Liao-Zeit (907–1125) können neben den bislang vorgestellten konstruktiven Elementen das weit verbreitete Klischee, dass es keine Diagonalverstrebungen im ostasiatischen Bauen gegeben habe, eindrucksvoll zurückweisen. Der Dule si Guanyin ge in Jixian ist das ältere von zwei erhaltenen mehrgeschossigen Bauwerken aus dieser Zeit. (Ill. 621) Chinesische Hallenkonstruktionen sind in der Regel immer

619  Die Schnitte der Amithaba-Halle des oberen Guangsheng si in Hongdong zeigen den Einbau und die Wirkungs­ weise der schrägen Balken im konstruk­ tiven Gefüge. (nach: IHNS, 1986, p. 123, fig. 5-8-17 und 18)

620  Untersicht der Dachkonstruktion des Xia si Shanmen in der unteren Guangsheng si-Anlage

621  Dule si Guanyin ge aus dem Shanmen gesehen

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622  Errichtet zur Behausung einer monumentalen Buddha­statue, ist der dreigeschossige Pavillon auch aus architek­tonischer Sicht ein herausragendes Monument.

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623  Die Auflösung der Konstruktion des Dule si Guanyin ge in Schichten enthüllt eine unvermutet dichte und konse­quente Diagonalaussteifung. (aus: Yang, 2007, p. 39, fig. 15)

eingeschossig. Großzügigkeit wurde in der Horizontale zur Schau gestellt, während ein In-die-Höhe-Bauen zunächst einmal als Ausdruck von Platzmangel zu interpretieren ist. Schon aus diesem Grund ist die Liao-Architektur exzeptionell.50 Der Pavillon, selbst über 22 m hoch, beherbergt eine 16 m hohe Avalokitesvara-Statue, daher auch der Name Avalokitesvara-Pavillon. Seine drei Geschosse sind von außen nicht wirklich ablesbar, weil sich das zweite hinter der Veranda verbirgt und nur von innen zu erkennen ist. (Ill. 622) Die einzelnen Geschosse sind jeweils unabhängig für sich abgebunden, ihre Verbindungen untereinander werden von Konsolenbündeln hergestellt. Um die vielen bereits vorgestellten Maßnahmen zur Stabilisierung der Konstruktion noch zu unterstützen, wurden die äußeren Säulen des zweiten und dritten Geschosses um Säulenstärke nach innen versetzt und jene, die hinter einem Lehmmantel verschwanden, durch Diagonalstreben unsichtbar ausgesteift.51 (Ill. 623) Auch in der nicht einsehbaren Dachkonst285

624  Dule si Guanyin ge, Schnitt (nach: IHNS, 1986, p. 90, fig. 5-5-14, p. 91, fig. 5-5-15)

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ruktion bauten die Zimmerleute viele schräge Streben ein. (Ill. 624) Doch konnten alle diese Maßnahmen die schon angesprochene grundsätzliche Schwäche der stockwerksweise abgebundenen Konstruktion nicht ausreichend aufwiegen. Als besonders problematisch musste sich die mangelhafte horizontale Aussteifung der Ebene zwischen ­erstem und zweitem Geschoss erweisen. Diese Ebene war so großflächig durchbrochen, dass der sonst gegen horizontalen Lastanfall wirksame Raster aus blockbauartig übereinandergeschichteten Balken diese Aufgabe nicht mehr erfüllen konnte. Im Jahr 1753 war es nötig, im Zuge einer Restaurierung die innere gegen die äußere Säulenreihe im „unsichtbaren“ zweiten Geschoss mit ­geschoss­hohen Diagonalverstrebungen aus­zusteifen.52 Im Zuge dieser Restaurierung wurden auch Stützen unter die Traufen gestellt.53 Mit dem Wissen um diese spätere Entwicklung erscheint es rückblickend unverständlich, warum die inneren Säulen auf den verschiedenen Geschossen, die exakt übereinander platziert sind, nicht jeweils aus einem durchgehenden Stück Holz gefertigt wurden. Der Gewinn an Stabilität wäre trotz der ringförmigen Konstruktion der einzelnen Geschosse um die Statue herum unvergleichlich gewesen. Übrigens schlossen die Zimmerleute im oberen Deckendurchbruch die vier rechten Winkel zu einem Hexagon, eine in ihrer Ungewöhnlichkeit auffallende Maßnahme. Ob sie die kommenden Schwierigkeiten schon vorausgeahnt hatten? Eines der faszinierendsten Holzbauwerke in der chinesischen Architekturgeschichte ist die Shakyamuni-Pagode des Fogong si in Yingxian: aufgrund ihres Alters, aufgrund ihrer Höhe von 67,31 m und ganz besonders aufgrund ihrer Konstruktion. (Ill. 625) Die Bauzeit der auch Yingxian muta genannten Pagode wird derzeit in einem Zeitrahmen von 1056 bis 1093 oder 1095 angenommen.54 Zwei ineinandergesetzte Säulenkränze definieren ihren Aufbau. Das innere Oktogon wird von acht Säulen festgelegt, das äußere von 24. Der Durchmesser der Pagode an der Basis beträgt gewaltige 35,47 m und die Säulen des Basisgeschosses verschwinden in unglaublich massiven Mauern. Zu ihrem Schutz gegen die Witterung ist im Erdgeschoss ein rundum laufendes Pultdach ange­ hängt, das von weiteren 24 Säulen unterstützt wird. Der vom inneren Säulenkranz definierte Raum dient der Aufstellung von buddhistischen Statuen. (Ill. 626) Der Raum zwischen dem inneren und dem äußeren Säulenkranz bildet einen Korridor, von dem aus auch die der Pagode vorgelagerte Veranda zu erreichen ist. Yingxian muta ist sichtbar fünfgeschossig, doch vergleichbar mit Dule si Guanyin ge gibt es auch hier zwischen jedem nach außen sichtbaren Geschoss ein verstecktes. Ebenso ist jedes Geschoss für sich abgebunden. Die Säulen jedes Säulenkranzes sind durch eine Fußschwelle und einen hochkant gestellten Zugbalken, der von einem flach-rechteckigen darüber in seiner Wirkung unterstützt wird, an ihrem Zopfende verbunden. Untereinander sind innerer und äußerer Säulenkranz eines jeden Stockwerks durch radiale Zugbalken und Kragkomplexe verbunden. Die Säulen zeigen eine markante Neigung nach innen. Die äußeren Säulen der außen sichtbaren Geschosse liegen genau über den Achsen jener der ­verbor­genen Zwischengeschosse, doch um die statisch günstige ­Verjün­gung der Pagode zu optimieren, wurden die Säulen der nächsthöheren Zwischengeschosse jeweils um eine halbe Säulenstärke nach innen verschoben. Fixiert wurden sie durch Aufhälsung auf dem Kragkomplex darunter, der seinerseits die Verbindung zur unter ihm gelegenen Säule herstellte. (Ill. 627)

625  Fogong si Shijia ta in Yingxian

626  In den begehbaren Etagen der Pagode sind Buddha­statuen aufgestellt.

627  Der Teilschnitt gibt einen Einblick in die Komplexität der Konstruktion. (Detail aus: Chen, 2001, Tafel 16)

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In den früheren Epochen bauten die Zimmerleute Pagoden über quadratischem Grundriss, deren gesamte Konstruktion um eine zentrale vom Boden bis zur Spitze durchgehende Säule aufgebaut war. Die demgegenüber bei Yingxian muta erzielten Verbesserungen sind extrem aufwendig, aber überzeugend. Der Wechsel von viereckiger zu achteckiger Grundform half lateral einwirkende Kräfte besser aufzunehmen und zu verteilen. Der innere Säulenkranz anstelle einer singulären Säule erhöhte fraglos die Aussteifung. Durchgehende Säulen standen angesichts der Höhe der Pagode nicht zur Diskussion und ihre beim Dule si Guanyin ge noch so schmerzhaft fehlende aussteifende Wirkung wurde durch eine Reihe sehr überlegter, spezifischer Maßnahmen ersetzt und tatsächlich überflüssig gemacht. In allen Geschossen wurden zusätzliche Verstrebungen eingebaut. In den nicht sichtbaren (und auch, wenn man die Pagode erklimmt, kaum wahrnehmbaren) Etagen sind das geschosshohe Diagonalverstrebungen in den beiden vertikal betroffenen Richtungen, also tangential in Richtung der Säulenkränze und radial von innerem zu äußerem Säulenkranz. (Ill. 628) So wie manche der Verstrebungshölzer sehr grob belassen sind, fallen auch einige der uneinsehbaren Verzimmerungen extrem aus dem Rahmen: Die Hölzer wurden an ihrem Ende einfach zugespitzt und in einen entsprechend vorbereiteten Balken „eingezapft“.55 In den verborgenen Geschossen gleicht der Raum, der dem Korridor in den sichtbaren entspricht, einem Hindernisparcours. Aber auch in den begehbaren Etagen bauten die Zimmerleute zusätzliche konstruktive Sicherheiten ein. Beiderseits der inneren Säulen wurden von der zweiten bis zur fünften Etage Stützsäulen unter die Kragkomplexe gestellt und vom zweiten bis zum vierten Geschoss erhielten die Konsolen an der Innenseite der äußeren Säulen zusätzlich aufgestellte quadratische Säulen zur Unterstützung. (Ill. 629) Was dem heutigen Blick wie eine nach­träglich eingefügte Notmaßnahme erscheint, hat sich im Zuge einer Radiokohlenstoffdatierung als ein Konstruktionsdetail entpuppt, das zeitgleich mit der Errichtung der Pagode ausgeführt wurde.56 Die horizontale Aussteifung wird bei Yingxian muta unverändert von dem horizontalen Netz der miteinander verbundenen Kragkomplexe einer Ebene geleistet. (Ill. 630) Sie bilden eine spezifische Konfiguration zweier Ringe aufgestapelter Balken, die von radialen Balkenstapeln in Blockbaufügung zusammengebunden werden.

628   Die nicht begehbaren Zwischengeschosse dienen der konstruktiven Aussteifung des jeweils zugeord­neten begehbaren Geschosses, aber letztlich auch der gesamten Pagode. (aus: Chen, 2001, p. 49, fig. 25)

629  In den offenen Geschossen sind die links und rechts des Laufgangs eingestellten Stützsäulen zu sehen. Ab und zu geben Löcher in der Decke den Blick auf Details der nicht begehbaren Geschosse frei.

630  aus: Ledderose, 2009, p. 41, fig. 49

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Der Vorteil dieser Konstruktion liegt in der Unverschieblichkeit des Gefüges im Gegensatz zu den in rechtwinkeligen Bauten eingebauten rechtwinkeligen Blockbaufügungen. Auch rechtwinkelige Blockbaufügungen erzeugen eine Scheibe. Ihre Rigidität gegen­ über Verschiebung beruht aber mehr auf der großen Anzahl an Verbindungsstellen, die lateralen Lastanfall weitgehend absorbieren. Die übereinander angeordneten konstruktiven Ringe wurden zu Recht mit der genialen Konstruktion der Wirbelsäule von Säugetieren verglichen, in der die Kombination von Wirbel und Bandscheibe Robustheit mit Flexibilität in Einklang bringt, bei gleichzeitiger Minimierung von Material und Gewicht.57 Diese unglaubliche Fülle an konstruktiven Sicherungen macht das lange Überleben von Yingxian muta plausibel. Und doch klingt es unglaublich, dass die Pagode zwischen ihrer Errichtung und dem Ende des 16. Jahrhunderts sieben Erdbeben heil überstanden hat. Während des Bebens unter der Regentschaft von Kaiser Shundi (1333–1368) soll die Erde sieben Tage lang nicht zur Ruhe gekommen sein. Die Pagode ist offensichtlich stehen geblieben.58 Einen nicht geringen Anteil daran haben die Kragkonsolen, denen wir uns nun zuwenden wollen. Konstruktionsprinzipien der Kragkonsolen Die Technologie der Schichtung von orthogonal verlegten horizontalen Balken erzeugt in Abhängigkeit von vielen Komponenten (Anzahl der übereinandergelegten Balken, Qualität des Holzes, Art der Verbindung, Art der Fixierung der Balken jenseits ihrer Enden usw.) ein mehr oder weniger belastbares Auflager für die Auflasten, wie beispielsweise das Dach über einer Blockbauhütte. Prinzip dieser Konstruktion ist also die Schichtung von Balken bis zu einer gewünschten Höhe, in der sie unter vertikaler Belastung auch lateralem Druck Widerstand entgegensetzt. Dank seiner Belastbarkeit auf Zug und Druck ist Holz für Auskragungen hervorragend geeignet. Wir haben diese Eigenschaft an diversen Blockbauwänden erläutert. Dort war es aus nutzungstechnischen Gründen gar nicht anders möglich, als an Schnittstellen zweier aufeinandertreffender Wände die jeweils höher liegenden Balken weiter über die Wandflucht hinaus zu verlängern und damit ein konsolenartiges Auflager zu erzeugen. Ein solches Beispiel kann ein Brückenpfeiler sein. (Ill. 631) Bei einem Brückenpfeiler eingesetzt, kommt noch eine weitere Eigenschaft dieser Konstruktion zum Tragen: die Möglichkeit der Verwendung von Konterbalken. Lateraler Druck auf einen Kranz blockbauartig verbundener Balken kann diesen ja leicht aus seiner Lage verschieben. Je mehr Lagen übereinanderliegen, je schwerer also das auflastende Gewicht ist, desto wirkungsvoller kann der Blockbaukörper dem Druck Widerstand entgegensetzen; jedoch nur ­so lange, als nicht die Übereinanderschichtung der Balken den gegenteiligen Effekt, nämlich ihre Tendenz, unter dem Gewicht auszuweichen, zu unterstützen beginnt. Bei den blockbauartigen Konsolen über Brückenpfeilern von Auslegerbrücken (Ill. 632) werden Balken in der Breite der Brücke orthogonal zur Fließrichtung des Wassers nebeneinandergelegt und anschließend untereinander verbunden. Stufenweise, um die freie Auskragung nicht zu überfordern, werden Schicht für Schicht weitere Balkenlagen immer größerer Länge darübergelegt, so lange, bis zur Verfügung stehende Stämme die Brückenpfeiler überspannen können. Um

631  Die Auslegerbalken der Brücke in Menggu in Aba/Sichuan finden ihren Halt in einem blockbauartig geschichteten Geviert, das mit Steinen aufgefüllt ist.

632  Brückenpfeiler einer Auslegerbrücke in Chengyang/Guangxi

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sie in ihrer Lage zu fixieren, werden sie in der Art einer luftigen Blockbauverzimmerung verbunden: In Fließrichtung des Wassers verlegte Balken in Länge der Brückenbreite sperren die auskragenden Bal­ken. Diese kurzen Konterbalken erlauben die ungehinderte Belüftung der Konstruktion und vermögen auch ungleiche Balkenstärken auszugleichen. Ihr Abstand voneinander ist vor allem der optimalen Unterstützung der Zug- und Druckverteilung der in Brückenrichtung liegenden Balken verpflichtet. Die in dieser Art entstehenden Konsolen kragen nach links und rechts in einer festgelegten Breite aus, bei dem gewählten Beispiel in der Breite der Brücke. Eine grundsätzlich denkbare Variation dieses Prinzips setzt nun daran an, dass die unterste Balkenlage nicht unbedingt dieselbe Breite haben muss wie die letztendlich daraufgestellte Last. Rein theoretisch genügt ein einzelner Balken, von dem aus nach allen vier orthogonalen Richtungen ausgekragt wird, um denselben Effekt zu erzielen. Das kann bei Brücken klarerweise nicht funktionieren, weil der geringste Windstoß das Gefüge aus dem Gleichgewicht brächte. Sehr wohl funktioniert diese Überlegung jedoch bei den dougong, den Kragkonsolen, die eingespannt in einer Wandflucht nach innen und außen gleichgewichtig Belastung übernehmen.

633  Zur Unterstützung der Traufpfette wird ihr ähnlich wie im Tempelbau ein Unterstützungsholz untergelegt, das seinerseits von einem kurzen Sattelholz gestützt wird. – Dazui/Sichuan

Dougong Bei den chinesischen Holzbauten dominiert auf große Distanz gesehen das Dach, jedenfalls beim Repräsentationsbau. Aus der Nähe stechen die dougong59, die Kragkonsolen, ins Auge. Ihre Verwendung galt als Statussymbol und war dem Kaiserhaus, offiziellen Bauten des Staates, großen Tempeln und den Anwesen hoher Beamter vorbehalten.60 Lastverteilende kurze Balken als Glieder zwischen Stütze und Balken sind schon bei den einfachsten Bauten zu finden. (Ill. 633) Sie werden ihrerseits von Balken getragen, die als queraussteifende Zugbalken aus der Wand ragen, um durch ihre Einspannung in der Wandsäule das Gewicht der auskragenden Traufe in die Säule abzuleiten. Erst diese Sattelhölzer ermöglichen die problemlose Stückelung allzu kurzer Balken und verkürzen die je nach auflastendem Gewicht möglichst kurz zu haltende Spannweite. (Ill. 634) Diese sehr einfachen Beispiele lassen uns anschaulich die Gedanken­ gänge bei der Entwicklung der dougong nachvoll­ziehen.61 Die frühesten Belege für dougong sind Grabbeigaben aus der östlichen Han-Zeit (25–220). Hausmodelle aus gebranntem Ton zeigen ein- und mehrgeschossige Bauten, deren Traufen und Balkone von aus der Wand auskragenden Balken getragen werden. Um die Last besser zu verteilen, sitzen auf den äußeren Enden der auskragenden Balken Holzblöcke (dou), die in Traufrichtung, also orthogonal zu den aus der Wand kragenden Balken, kurze Balken (gong) aufgelegt bekommen. Sie unterstützen die Traufpfette oder den Schwellenkranz des auskragenden Obergeschosses. Sie können nun selbst wieder Auflage für zwei oder drei Holzblöcke sein, um auf diese Art die Auflagefläche des zu tragenden Balkens stufenförmig immer weiter nach oben zu vergrößern und die Last besser zu verteilen. (Ill. 635) Trotz fehlender archäologischer Belege neh­men Forscher an, dass die ersten Blöcke auf Säulen als Lastverteilungshölzer in die West-Zhou-Epoche (11. Jh.–771 v. Chr.) zu datieren sind.62 Die dougong der Han-Zeit gab es in verschiedensten Größen und Ausformungen. Ihre Entwicklung als lastverteilende Konstruktions-

634  Reich verziert präsentieren sich die Verandastützen dieses Bauernhauses in Lijiazui vor dem Eingang zum Hausaltar. Die Säulen tragen einen großen Block sowie ein kurzes und ein langes Sattelholz.

635  Das Tonmodell aus der Han-Zeit im Metropolitan Museum of Art (New York) zeigt zwei Varianten von dougong. © bpk/The Metropolitan Museum of Art

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elemente steckte noch in den Kinderschuhen. Am klarsten ist das an den Gebäudeecken abzulesen, wo die Last des vorgezogenen Daches kulminiert. Erinnern wir uns an das Beispiel Hōryū-ji aus Japan (siehe p. 175) oder werfen wir einen Blick auf Dule si Guanyin ge (siehe p. 283): Das Gewicht ihrer (zu weit) auskragenden Dächer musste von untergestellten Stützen an den Ecken abgefangen werden. Die Grabbeigaben aus der Han-Zeit zeigen, wie die Zimmerleute um eine Lösung gerungen haben. Vier völlig unterschiedliche Lösungsansätze lassen sich anhand von Modellen aus dem Museum von Henan beschreiben. Ein viergeschossiges Modell eines Wohnhauses mit Speicher löst die Unterstützung der Ecke im obersten Geschoss folgendermaßen. (Ill. 635a) Der in der Wand eingespannte Balken ragt diagonal genau aus der Gebäudeecke. Ihm ist ein Block aufgelegt. Der darübergelegte gong ist genau über dem Block geknickt, so dass er nach links und rechts traufparallel verläuft und eine Auflage für drei kleine Blöcke liefert, jeweils einen an den beiden Enden des Balkens und einen genau über der Mitte. Darüber liegen jeweils weiter auskragend in gleicher Weise eine zweite und dritte Stufe. In der zweiten ist der Abstand zwischen dem mittigen und den beiden Randblöcken größer, in der dritten sind es dann fünf kleine Blöcke. Sie tragen die Traufpfette. Völlig offen lässt dieses Keramikmodell, wie die im 90°-Winkel geknickten gong gestaltet sind.63 Ein zweites Modell, wieder ein Wohnhaus mit Speicher, diesmal viergeschossig mit aufgesetzter begehbarer Laterne, bietet eine besser nachvollziehbare Lösung. (Ill. 635b) Im dritten Obergeschoss kragen aus den Ecken diagonal zu den Wänden die tragenden Balkenenden mit dem ihnen jeweils aufsitzenden großen Block. Der erste gong ist ihnen aber orthogonal zum auskragenden Balken aufgesetzt, also im 45°-Winkel zu den Wänden. Erst die (hier nur an den Enden) darauf verlegten kleinen dou sind so gedreht, dass sie wieder wandparallel ausgerichtet sind. Wandparallel tragen an jeder Ecke zwei kurze gong jeweils an ihren Enden weitere dou als Unterstützung für längere gong mit jeweils drei dou. Der unterste, im 45°-Winkel zu den Wänden verlegte gong ist lang genug, dass die obersten dou regelmäßig aufgeteilt werden können, ohne einander in der Ecke in die Quere zu kommen.64 Ein drittes Lösungsmodell zeigt einen zweigeschossigen Speicher. Über dem Obergeschoss kragen traufseitig je fünf, giebelseitig je zwei Balken in regelmäßigen Abständen aus den Wänden. (Ill. 635c) Die Distanz von Balken zu Ecke ist nur halb so groß wie jene von Balken zu Balken. Den auf die Balken gelegten Blöcken liegen wandparallel gong auf, die jeweils drei kleine Blöcke als unmittelbare Unter­stützung eines ungewöhnlich massiven, rundum laufenden Balkenkranzes tragen. Diese vergleichsweise so viel einfachere dougong-Konstruktion verblüfft insofern, als sie auf ein Walm- oder Fuß­walmdach verweist, tatsächlich aber ein Satteldach trägt.65 Bei dem letzten hier herangezogenen Modell, einem Tempel aus der Sui-Zeit, kragen die Balken nicht mehr aus einer konstruktiv völlig unbestimmten Wand. (Ill. 635d) Der Umriss wird von zwölf Säulen bestimmt, vier Ecksäulen und trauf- wie giebelseitig je zwei Säulen dazwischen. Ein Balkenkranz schließt die Säulen nach oben hin ab. Die Wandsäulen sind signifikant kürzer als die Ecksäulen. Sie stehen auf großen dekorierten Fundamentblöcken, die ihrerseits auf einem Fundamentbalken aufliegen. An ihrem oberen Ende tragen sie einen winzigen wandparallelen lastverteilenden Arm, dem drei kleine Blöcke aufgesetzt sind. In die Fußpunkte der

635a  Wohnturm 1. Jh. AD, Henan Museum (Zeichnung: Liu Yan)

635b  Wohnturm 2. bis 3. Jh. AD, Henan Museum (Foto: Liu Jiangling)

635c  Warenlager 2. Jh. AD, Henan Museum (Zeichnung: Liu Yan)

635d  Tempel der Sui-Zeit, Henan Museum (Foto: Liu Jiangling)

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Ecksäulen sind die Fundamentbalken eingezapft. Die Zopfenden der Ecksäulen scheinen direkt die Verbindungsstellen des oberen Balkenkranzes zu unterstützen. In der gedachten Verlängerung jeder Säule kragt ein Komplex von übereinanderliegenden gong aus der Wand, über den Ecksäulen in der Diagonale des Tempels. Die gong tragen an ihren äußersten Enden jeweils einen Block, auf dem dann der nächste Kragarm aufliegt. Die Auskragung erfolgt ausschließlich in einer Richtung, in vier Etagen über den Wand­säulen und erstaunlicherweise in nur drei Etagen über den Eck­säulen, obwohl die Dachtraufe zu den Ecken hin hochgezogen erscheint. Die Massivität der Kragarme über den Ecken trägt der größeren Last, ihrer geringeren Anzahl und der geforderten Stapelhöhe sichtbar Rechnung.66 Die vorgestellten Beispiele zeigen zweierlei. Einmal, dass die Lösung einer gänzlich von der Wand losgelösten Schichtung der dougong recht labil gewesen zu sein scheint. Die Aufgabe, den enormen Druck des Daches auf die Kragarme zu übertragen, kann über diese Formen der dougong, die an ihrem äußersten Ende ein Lastableitungssystem trugen, das so frei aufgetürmt selbst höchst stützbedürftig war, nicht zufriedenstellend gelöst worden sein. Andererseits bot die aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzte Kragkonsole die Möglichkeit, einzelne Elemente, die gebrochen oder wurmstichig waren, auszuwechseln. Untereinander waren sie verkämmt, teilweise mit verdeckten Dübeln gesichert.67 Ob Objekte, die nach diesen Modellen gebaut worden sind, bereits Erdbeben standgehalten haben, wissen wir nicht. In der Tang-Zeit hat ein enormer Entwicklungssprung stattgefunden. Die angesprochene Schwäche der dougong der Han-Zeit war zur Gänze ausgemerzt. (Ill. 636) Dem großen Block waren nun die zwei untersten gong einander im rechten Winkel überblattet in kreuzförmig ausgesparten Nuten eingelassen. Sie schufen Auskragungen nach vier Richtungen, zwei in der Wandebene, eine nach außen, eine nach innen. An den Enden erhielten die gong kleine, mit Dübeln fixierte Blöcke aufgesetzt, die ebenfalls genutet waren, nur einfach, weil sie nur für einen gong eine Auflage schaffen ­mussten. Die gong der zweiten Stufe, die über die darunterliegenden auskragten, waren ebenfalls einander in der Mitte überblattet. Diese Struktur konnte durch Wiederholung erweitert werden. Die Überlegung hinter dieser Konstruktion war, die auskragenden gong so weit vorzuziehen, wie man die Traufe vor die Wand ziehen wollte. Das traufseitig auflastende Gewicht wurde innenseitig durch das entsprechende Gegengewicht ausgeglichen. Gelenkpunkt war der große Block. Eine wichtige Stabilisierung der dougong bewirkten in der Wandebene liegende kreuzende gong. Die Einführung von Schrägarmen, den ang, bedeutete noch einmal eine deutliche Verbesserung der Kragkomplexe. (Ill. 637) Erinnern wir uns an die tuojiao, jene schrägen Streben in der Dachkonstruktion, die die vertikale Aussteifung in Querrichtung innehatten (siehe p. 283). Wenn deren Fußpunkt nicht mehr in den untersten queraussteifenden Zugbalken eingezapft wurde, sondern weiter nach außen in die dougong über den Wandsäulen eingriff, war ein erster Schritt in der Entwicklung zu den ang getan. In der Folge mussten sie nur noch durch die dougong durchgestoßen und nach außen verlängert werden. (Ill. 638) Diese Entwicklung lief zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert ab.68 Recht anschaulich abzulesen ist sie in der Dachkonstruktion des Zhuanlunzang dian des Longxing si in Zhengding aus der nördlichen Song-Dynastie (960–1127).69

636  Das Traufdetail zeigt die zwei dougong-Varianten der Osthalle des Foguang si in der Wandebene, über den Säulen und dazwischen.

637  dougong über einer Wandsäule des Foguang si Dongda dian (nach: Pan, 2004, Bd. 1, p. 19, fig. 12)

638  dougong vom Kaihua si in Gaoping, vom Longxing si Moni dian in Zhengding und vom Yongshou si in Yuci (Shanxi) (nach: Pan, He, 2005, p. 89, fig. 3-15 und 3-16)

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Im Gegensatz zu den japanischen odaruki, die im rechten Winkel abgeschnitten sind, sind die chinesischen ang alle zu einem sogenannten Schnabel zugespitzt. Die ang wurden als „climax of bracketing science“, als „Höhepunkt in der Wissenschaft der Auskragung“ bezeichnet.70 Sie waren Hebelarme: Die Last der Traufe wurde innenseitig über den Hebel gegen die Unterseite eines querlaufenden Balkens gepresst oder von einer Zwischenpfette aufgefangen. Ihre konstruktive Bedeutung lag in ihrer aussteifenden Wirkung der horizontalen Schichtung der ineinander verschränkten gong. Ihre funktionale Bedeutung lag darin, dass die Trauflinie des Daches nicht so stark hochgezogen werden musste, wie es mit ausschließlich horizontalen gong notwendig gewesen wäre. Die Dachkontur wurde in der Folge weniger stark gekrümmt. Die Anzahl der Stufen, die durch gong oder ang gebildet werden, variiert zwischen eins und fünf.71 Die Zimmerleute entwickelten dougong für drei verschiedene konstruktive Anforderungen: über den Wandsäulen, über den Ecksäulen und als zusätzliche Unterstützungen zwischen Wandsäulen, letzteres beispielsweise beim Foguang si in zunächst kleinerer und deutlich anderer Form als über den Säulen. (Ill. 639) Dabei ist der während der Song-Dynastie errichtete relativ kleine Chuzu an auf dem Gelände des Shaolin si in Henan ein Beispiel dafür, dass die Größenverhältnisse auch umgekehrt werden konnten: (Ill. 640) Zwar sehen nach außen hin alle dougong des Chuzu an identisch aus, tatsächlich sind aber die Zwischen-dougong deutlich größer. Ihre ang stützen innen eine Zwischenpfette, wohingegen die vermeintlichen ang der Kragkomplexe über den Wandsäulen bloßer Zierrat sind. Der sehr einseitig nach außen ausgerichtete Kragkomplex der Säulen-dougong erfährt sein Gegengewicht durch einen querlaufenden Zugbalken. Die Zwischen-dougong hatten eine wichtige Funktion. Dank ihrer zusätzlichen Unterstützung konnte der Querschnitt der Trauf­ pfette reduziert werden. Da sie wie alle dougong vor der Wand­ ebene durch einen oder mehrere waagrechte Balken verbunden waren, sorgten sie für eine erhebliche Aussteifung der Traufe. Während die dougong über den Wandsäulen und jene dazwischen zumindest nach außen hin gleich aussehen können – die spätere Entwicklung führte genau dorthin –, nehmen die dougong über den Ecksäulen schon im Erscheinungsbild eine Sonderstellung durch ihre Ausrichtung nach zwei Seiten ein. Ihr Aufbau zeigt sehr klar, dass die Entwicklung anders verlaufen ist, als das beschriebene Sui-Tempelmodell vorschlug. Bei diesem war die Anzahl der über­einandergeschichteten Stufen im dougong über der Ecksäule geringer als in jenen über den Wandsäulen. Die Konsole über der Ecksäule des Foguang si zeigt das genaue Gegenteil: (Ill. 641) Um die größere Last zu tragen, liegt auf dem großen Block zwischen den orthogonal überblatteten gong ein zusätzlicher gong genau in der Diagonale der Ecke. Die Anzahl der darüber aufgebauten Stufen übertrifft die der gong über den Wandsäulen, nicht zuletzt um die ästhetisch erwünschte Überhöhung der Dachkontur an der Gebäudeecke zu erzielen. Man muss einen Kragkomplex in seine Einzelteile auseinanderdenken, wenn man einer Erklärung für die Erdbebenresistenz dieser extrem sorgfältig, aber doch weich gefügten, vielfach kolossalen Bauten näherkommen will. (Ill. 642) Wissenschaftlich wirklich erforscht ist das Phänomen bis heute nicht.72 Das liegt nicht zuletzt darin, dass erdbebensimulierende Versuche an rechneri-

639  dougong zwischen den Wandsäulen des Foguang si Dongda dian (nach: Pan, 2004, Bd. 1, p. 22, fig. 15)

640  Die dougong des Chuzu an sind in zweierlei Weise außer­gewöhnlich. Sie unterscheiden sich formal nur nach innen und die Zwischen-dougong sind mächtiger als jene über den Säulen. (nach: Liang, 1984, p. 89, fig. 40c)

641  Die dougong über den Ecksäulen sind aufgrund ihrer viel größeren Belastung und Auskragung ungleich größer als die anderen. – Foguang si Dongda dian

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schen Modellen den rein handwerklichen Aufbau der dougong nur ansatzweise erfassen können. Und solche Versuche an von Zimmerleuten errichteten Modellen können letztendlich nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass im bislang aufwendigsten Fall ein 1:5-Modell gebaut worden ist – zwar aus dem gleichen Material wie das Original, aber das Material ist ein organisches, was die Frage aufwirft, ob der fünffache Querschnitt einer Holzkonstruktion wirklich mit einem Faktor hochgerechnet werden kann, um sein Verhalten zu analysieren. Ähnlich kritisch sollte man Untersuchungen an anderen einzelnen Konstruktionselementen gegen­überstehen. So interessant sie sind, so klar erscheint unter der angestellten Überlegung, wie problematisch Rückschlüsse auf das gesamte Gefüge sind. Soll die Funktion einer Holzverbindung erfüllt werden, nämlich einwirkende Kräfte möglichst ohne Verluste zu übertragen, so muss sie berührungsschlüssig ausgeführt sein. Verkämmungen, Überblattungen, Dübelverbindungen sind technisch einfach herzustellende Verbindungen. Sollten aber einseitige Setzungen ausgeschlossen werden, mussten die Zimmerleute mit respektwürdiger Exaktheit arbeiten. Sie sicherten sich zusätzlich ab; manche dougong wurden mit langen Dübeln, die alle übereinanderliegenden horizontalen Elemente durchstießen, in ihrem Zusammenhalt fixiert.73 Die Auflast des Daches verhinderte endgültig jegliches lotrechte Ausweichen. Und doch: Sollte der Anspruch, einen dougong wie den anderen aussehen zu lassen, auch noch erfüllt werden, dann mussten die Handwerker mit einer kaum vorstellbaren Präzision ans Werk gehen, die als Handwerk kaum zu wiederholen sein dürfte. 1679 bebte im unmittelbaren Umfeld des Dule si-Pavillons die Erde mit der Stärke 8, noch einmal 1976 mit der Stärke 7,8. So mancher Tempel im näheren Umkreis stürzte ein.74 Es besteht die Vermutung, dass gerade die Weichheit der Verbindungen ihr Nachgeben gegenüber den Erdbebenstößen erlaubt und die Vielzahl der Verbindungen die Heftigkeit der Stöße sofort stark reduziert. Den Schwingungen wird weder der Widerstand einer absolut steifen Konstruktion entgegengesetzt, noch können sich die Schwingungen ungehindert in einer Richtung ausbreiten. Auch der andauernde Richtungswechsel der Gefügeteile von Lage zu Lage sowie die Diagonalverstrebungen und nicht zuletzt das schon für sich genommen elastische Material Holz dürften dämpfend wirken. Sicherlich sind nicht die Kragkomplexe allein für Erdbebenbeständigkeit verantwortlich; dem würden schon allein die vielen Tempel und Paläste aus der Ming- und Qing-Zeit widersprechen, deren dougong kaum noch eine oder gar keine konstruktive Funktion mehr hatten und die auch viele Erdbeben heil überstanden haben. Es ist die Summe von immer wieder überprüften konstruktiven Adaptionen, wie die schon angeführten Schrägstellungen der Säulen (im Yingxian muta nimmt der Neigungswinkel nach oben hin zu) oder die scheibenbildende Wirkung von Bretterböden als horizontale Trennung von Erdgeschoss und Obergeschoss, die als Erfahrungswissen von Generation zu Generation tradiert und geänderten Anforderungen und Moden Rechnung tragend mit immer neuen Erfahrungen angereichert wurden. Wenn die geschossweise abgebundenen mehrgeschossigen Bauten aus der Liao-Zeit sich als erdbebenresistent herausgestellt haben, dann sicher nicht, weil sie mit geschossweise abgebundenen Säulen gebaut waren. Durch alle Geschosse in einem durchlaufende Säulen erzeugen nun einmal ein unvergleichlich stabileres Gebilde. Aber die Zimmerleu-

642  Schemazeichnung eines Zwischen­ dougong im eingebauten Zustand und als Explosionsaxono­metrie (nach: Glahn, 1981, p. 138 und 139)

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643  Die charakteristisch monumental dimen­sio­nierten dougong der Tang-Ära blieben auch späterhin noch eine Weile stilbildend. – Der Zhenguo si Wanfodian wurde im Jahr 963, also in der Zeit der Fünf Dynastien und Zehn Reiche aufgebaut.

te hatten sich jeweils an die zeitgebundene Konstruktionsweise herangetastet und nur das weiter bearbeitet, was sich als erfolgreich erwies. Das für den heutigen Forscher Schwierige ist, dass sich Handwerker niemals den Kopf darüber zerbrochen haben, welche ihrer Maßnahmen spezifisch der Erdbeben­resistenz dienten. Insofern kann es klarerweise auch keine Aufzeichnungen darüber geben. Das heißt nicht, dass es nicht durchaus brauchbare Rezepturen gibt, die als Volkswissen kursieren.75 Sich an sie beim Bauen zu halten, war nie ein Nachteil. Wissenschaftliche Erklä­run­gen liefern sie nicht. Sehen wir uns den weiteren Verlauf der Entwicklung der dougong an. Die Tempel der Tang-Dynastie und auch noch jene aus der Zeit der Fünf Dynastien (907–960) sind durch ihre extreme Kopflastigkeit der Konstruktion charakterisiert. (Ill. 643) Das Höhenverhältnis von Säule zu dougong verleiht letzteren ein enormes Gewicht. Das änderte sich ab der Song-Zeit. Das Beispiel des Jinci Shengmu dian (siehe Ill. 596) lässt erkennen, dass die dougong im Verhältnis zur Höhe der Säulen zu schrumpfen beginnen. Weniger augenfällig ist, dass im Bemühen, die dougong dekorativer zu gestalten, jene über den Wandsäulen und jene zwischen den Säulen in ihrem Erscheinungsbild angeglichen wurden. Tatsächlich wurden bei den Kragkomplexen zwischen den Säulen die ang durch sogenannte falsche ang ersetzt, bei denen es sich gar nicht mehr um schräge Kragarme handelte. (siehe Ill. 597) Liao-Bauten zeichnen sich generell durch große Innovation aus. Die „Kragkomplexe der Liao-Periode waren komplexer als alle davor und facettenreicher als alle, die folgen sollten“.76 Dule si Guanyin ge hat 24 verschiedene dougong. (Ill. 644) Auffallend bei Bauten aus dieser Zeit sind vor allem schräg aus der Wand wachsende Kragarme. Ausgebildet wurden verschiedene schräge gong: in einem Winkel von 30° links und rechts der Hauptachse, auch in Winkeln von 45°77 und in 67,5°, wenn es sich um dougong an Ecken achteckiger Pagoden handelt, wie etwa Yingxian muta.78 Während der Jin-Dynastie (1115–1234) wurden die dougong vielleicht noch expressiver zur Schau gestellt. An den dougong zwischen den Wandsäulen des Shanhua si Sansheng dian lässt sich das besonders deutlich ablesen. (Ill. 645) Unter der Herrschaft der Jurchen wurden die schrägen Kragbalken zu einem modischen Accessoire. Die Überlegung war, dass die Auffächerungen der dougong die Traufpfetten zusätzlich unterstützen. Gerade das Beispiel des Sansheng dian zeigt aber deutlich, wie schnell die Grenzen des Sinnvollen überschritten werden. Die äußersten gong waren so lang geworden, dass sie sich zur Aufnahme von Lasten nicht mehr eigneten.

644  Schon ein flüchtiger Blick in die Traufen des Yingxian muta lässt eine Vielzahl unterschiedlicher dougong erkennen.

645  Fächerförmige Zwischen-dougong des Shanhua si in Datong/Shanxi

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In der Yuan-Zeit manifestierte sich eine Entwicklung, die den dougong ihre einstige Bedeutung gänzlich entzog. Ein nicht unbedeutender Zwischenschritt in dieser Entwicklung war die Einführung von horizontal verlegten Streben in den Gebäudeecken. (Ill. 646) Sie bewirkten eine deutliche Stärkung der Aussteifung der Ecken und damit des ganzen Gebäudes. Im Gegenzug wurden die dougong immer kleiner und die ang fast zur Gänze durch falsche ang ersetzt. Echte ang kamen nur noch in dougong zwischen den Säulen vor. Die Tragkraft der Gesamtheit der dougong war stark reduziert. Sie entwickelten sich zunehmend zu einem dekorativen Element. Im Ganzen gesehen wurde die Konstruktion einfacher, aber stabiler. Dieser Prozess wurde durch die Einführung zusätzlicher horizontaler Verstrebungen zwischen den Säulen, die diesen durchgezapft wurden, unterstützt. In der Ming-Zeit sieht Liang Sicheng, wie eingangs zitiert, den Beginn einer Periode der Erstarrung. Es kommt zu einer ausgeprägten Abkehr von der Bautradition der Song- und Yuan-Zeit. „Der Wechsel verläuft so, [...] als ob eine überwältigende Kraft die Gesinnung der Baumeister zu einem gänzlich neuen Proportionsempfinden gewandelt hätte.“79 Im Dule si Guanyin ge war ein Proportionsverhältnis von 2:1 anzutreffen: Zwei Höheneinheiten der Säule entsprechen einer Höheneinheit der dougong. Dieses Verhältnis verschob sich in der Ming-Zeit auf 5:1. Waren früher maximal zwei dougong zwischen Säulen anzutreffen, stieg diese Anzahl in der Folge auf bis zu acht. (Ill. 647) Ihre einstige Funktion, die dougong über den Säulen zu entlasten, verkehrte sich ins Gegenteil. Sie waren ihrerseits zur gewichtsmäßigen Belastung für den

646  Die Halle Moni dian des Longxing si in Zhengding (Shanxi) wurde 1052, also in der Song-Zeit errichtet. Sie zeigt mit den horizontal diagonal verstrebten Ecken schon früh ein in der Jin- und YuanZeit verwendetes konstruktives Detail.

647  Ein Fassadenausschnitt des Tors der Höchsten Harmonie (Taihe men) in der Verbotenen Stadt macht klar, dass die dougong zum reinen Dekor geworden sind. Die acht Zwischen-dougong unterscheiden sich von jenen über den Säulen nur noch kaum wahrnehmbar.

sie tragenden Balken geworden. Konsequenterweise waren die (Rähm-)Balken, die funktionell eher Zugbalken als Träger waren, zu immer größerer Stärke angewachsen. Die Pfetten wurden nicht mehr von dougong, sondern unmittelbar von massiven Balken getragen, die Firstpfette von kräftigen Firstsäulen. Die tuojiao verschwanden vollends. Sie wurden als Aussteifung für ein Tragsystem, das seine Rigidität zunehmend aus einer Vergrößerung der Balkenquerschnitte und der Verdoppelung der Balkenlagen bezog, nicht mehr benötigt. Die dougong selbst waren zum konstruktiv funktionslosen Dekor geworden. (Ill. 648) Fu Xinian charakterisiert die Epoche der Ming- und Qing-Dynastie noch deutlicher wertend:

648  Dachuntersicht eines Garten­ pavillons in der Verbotenen Stadt

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„Aus Reife verfiel sie [die Architektur] in Dekor, um schließlich in Standardisierung anzukommen. Die Bauweise veränderte sich von Entwicklungsfähigkeit und Ungezwungenheit hin zu Verfeinerung, Sorgfalt und Präzision, von Gewicht auf größtmöglicher Wirkung hin zur Tendenz überzu­dekorieren. Die Grundkonstruktion verfiel, ursprünglich leicht und ­flexibel und aus passenden Materialien gebaut, zuletzt steif und schwerfällig.“80 (Ill. 649) Ökonomie im Bauen Die dougong, genauer der Blockmund, doukou81, gab das Maß vor, nach dem alle anderen Bauteile zu bemessen waren: Querschnittsdimensionen und Abstände von Bauelementen bis hin zu ihren Längen. Dieser Konstruktionsteil bezeichnet die Breite der in den Basisblock geschnittenen Nut zur Aufnahme des untersten gong, ein Maß, das naturgemäß identisch ist mit jenem der Breite des Querschnitts des untersten gong. Aufgrund dieses gemeinsamen Nenners wurde es möglich, das konstruktive System auf dem Jochabstand, der Säulenhöhe oder dem Säulenquerschnitt aufzubauen:82 Der Säulenquerschnitt war als das Sechsfache des doukou fixiert.83 Es gibt für all dies keine absoluten Größen. Das chinesische Bausystem beruht auf Proportionsverhältnissen. Jahrhundertelange Beobachtungen, welche Maßverhältnisse statisch günstig und sinnvoll sind, paarten sich mit einem gewachsenen Verständnis davon, welche Proportionen ästhetisch ansprechend sind. Das von Li Jie zusammengestellte Yingzao fashi (Abhandlung über Architekturmethoden), 1103 vom kaiserlichen Hof herausgegeben, ist die älteste erhaltene Schrift, in der ein solches Proportionssystem als Grundlage des Bauens niedergeschrieben ist. Bei seiner Abfassung stützte sich Li Jie auf die Durchsicht zahlreicher einschlägiger Dokumente und die intensive Befragung von Zimmermannsmeistern.84 Die Motivation für die Publikation dieses Werkes waren ökonomische Erwägungen. Die Zusammenstellung dieses Erfahrungsschatzes sollte die Arbeit der Bauenden beschleunigen. Es ging nicht darum, ihr Einkommen zu verbessern. Ziel war, ein kosteneffizienteres und schnelleres Bauen in Gang zu setzen. Immer wieder hatten einzelne weitsichtige Beamte und Gelehrte ihre Herrscher vor Maßlosigkeit im Bauen gewarnt. So beschrieb Hong Mai während der Song-Zeit Umstände des Baus von Palästen des Sui-Kaisers Yangdi. Mangels geeigneten Bauholzes im benachbarten Bergland hatte man Baumstämme aus weit entfernten Gegenden herbeischaffen lassen. Je 2000 Mann sollen eine Säule gezogen haben. Die Herstellung und Instandhaltung von Holzrädern mit Eisennaben, die alle Augenblicke durchglühten, zum Transport erforderte eine so immense Anzahl an Arbeitskräften, dass sich der Aufwand pro transportierter Säule letztendlich mit einem Einsatz von einigen Hunderttausend Mann zu Buche schlug.85 Bei seiner Reformpolitik während der Nördlichen Song-Zeit schreckte Wang Anshi (1021–1086), der Berater von Kaiser Shenzong, vor keinen Tabus zurück. Gegen massiven Widerstand konservativer Kreise wurde das alte System der Dienstverpflichtung für öffentliche Bauprojekte bzw. Abgabe von Naturalien durch die Einführung einer Geldsteuer ersetzt. Solcherart konnten professionelle Handwerker aus der Staatskasse bezahlt werden und die Bauern wurden nicht mehr von ihrer Arbeit abgehalten. Wang mag hinter der ersten Fassung des Yingzao fashi gesteckt haben.86

649  Die Residenz der Familie Wang in Jingsheng ist eine Fundgrube für das Studium eines in dieser Richtung nicht weiterzuentwickelnden Handwerks.

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Für die Bauhandwerker war das Buch nicht geschrieben. Sie wuss­ ten, wie man baut. Die detaillierten Beschreibungen, wie der Bedarf an Material und Arbeitskräften zu berechnen ist, zielten eindeutig darauf ab, den Mitarbeitern der Baubehörde den Weg zu weisen, wie Baukosten zuverlässig berechnet werden konnten. Eine der angesprochenen Reformmaßnahmen Wangs bestand darin, mit höheren Bezügen die Bestechlichkeit und Erpressbarkeit der niedrigsten Beamten in den Griff zu bekommen. Im vierten Kapitel des Yingzao fashi werden dann alle öffentlichen Gebäude nach ihrer Größe in acht Kategorien eingeteilt. Li Jie gab für die einzelnen Bauteile genaue Abmessungen an. Sie waren in cai (einfache Einheit) und fen (Abschnitt) angegeben, wobei 15 fen äquivalent zu einem cai sind. Der Autor erläutert anhand eines gong und des dazu passenden Verstärkungsholzes die praktische Umsetzung. (Ill. 650) Höhe und Breite der Elemente stehen in allen Gebäudekategorien im Verhältnis 3:2. Der Breite des gong von 10 fen entspricht daher eine Höhe von 15 fen. Dieselbe Verhältniszahl ist auf das Verstärkungsholz anzuwenden. Die Höhe des gong entspricht einem cai, einer einfachen Einheit, während die Summe der Höhen von Konsolenarm und Verstärkungsholz eine vollständige Einheit genannt wird. Um dieses Proportionssystem in handfeste Zahlen umwandeln zu können, wird der Querschnitt eines Konsolenarms eines Gebäudes der Kategorie 1 – die größten Bauten mit zehn bis zwölf Säulen in Ost-West-Richtung umfassend – mit 9 × 6 Zoll angegeben, ein cai der kleinsten Kategorie mit 4,5 × 3 Zoll (das Zoll der Song-Zeit entspricht etwa 3,20 cm). Die Maßangabe in cai und fen ließ sich damit auf jedes Gebäude unabhängig von seiner Größe oder Nutzung anwenden. Im Ying­ zao fashi gibt es allerdings keine Erläuterung dafür, warum 3:2 als Verhältniszahl für die Dimensionen von Bauelementen angegeben wurde. Guo Qinghua hat darüber nachgedacht. Bezogen auf die Biegefestigkeit eines Balkens, der aus einem Stamm herausgesägt wird, liegt das optimale Maßverhältnis bei √2:1, recht nahe von 3:2, wobei 3:2 als gute Annäherung leicht zu merken, leicht zu berechnen und in der Erscheinung ansprechend ist. In Schweden hatten Zimmerleute bei ihren Blockbalken zu Querschnittsproportionen von 14:10 gefunden, noch etwas näher am Idealmaß.87 Bei den chinesischen Bauhandbüchern können zwei Kategorien unterschieden werden. Die einen streng technisch – sie behandeln zumeist den Bereich der öffentlichen bzw. Repräsentationsbauten; die anderen mischen technische Aspekte mit Angaben zu Ritualen, Geomantik und Weissagung – sie beschäftigen sich eher mit den Volksbauten. In die erste Gruppe gehören das Yingzao fashi und das Gongbu gongcheng zuofa (Methoden für Bauprojekte des Ministeriums für öffentliche Arbeiten) von 1734. Das Zweitere legt die Betonung auf Wirtschaftlichkeit und Finanzierung.88 In der Qing-Zeit war die Standardisierung weit fortgeschritten, damit war Präfabrikation in großem Maßstab möglich, standardisierte Bauteile konnten durch Kombination zu unterschiedlichen Gebäudetypen zusammenmontiert werden.89 Die künstlerische und technische Qualität waren genau festgelegt, Einheitlichkeit und Übereinstimmung der Bauprojekte wurden gepflegt. Technologisches Wissen ließ sich über Rezitation gereimter Baurezepte einfach weitertragen. Wenn einmal die Länge der Gebäudeachse und die doukou festgelegt waren, ließ sich ein Gebäude sogar ohne Zeichnung bauen.90 Das Yingzao fashi quillt noch förmlich über von erläuternden Zeichnungen, (Ill. 651) wohingegen im Gongbu

650  Ein einfacher gong war die Basis­ einheit, von der sich alle anderen Maße eines Gebäudes ableiten ließen. Je nach Größe des Gebäudes gab es acht Kategorien, deren Größe durch voneinander abhängige Einheiten und Abschnitte festgelegt war. (nach: Glahn, 2009, p. 15)

651  Zeichnungen aus dem Yingzao fashi, Kap. 30, fig. 42, 43, 56 (aus: Guo, 1995, p. 251, 255)

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gongcheng zuofa gerade 27 Schnitte von verschiedenen Gebäuden abgebildet sind, die keinerlei Details zeigen. Zum zweiten, inhaltlich viel breiter gefächerten Typ von Bauhandbüchern gehört das Lu Ban jing (Der Klassiker des Lu Ban), das im 15. Jahrhundert verlegt wurde. Lu Ban war ein legendärer Meister-Zimmermann aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., der heute als Schutzpatron der Zimmerleute verehrt wird. Dieses Handbuch behandelt die eher bescheidenen Bauten: einfache Wohnhäuser, Speicher, Ställe, auch einmal einen Familienschrein, und ist für Zimmerleute und Bauhandwerker geschrieben. Man darf bezweifeln, dass sie es tatsächlich studiert haben. Sie erwarben ihr Wissen bei einem Meister durch Zuschauen und Nachahmen. Das Lu Ban jing ist ein Kompendium des Wissens von Zimmerleuten. In ihm werden selbst von kleinen Elementen genaueste Details festgelegt. In I–78 wird sogar die Zapfenlänge eines Balkens genau bemessen.91 In der Ming-Zeit, als das Feudalsystem zu erodieren begann, erschien es den Herrschern umso nötiger, dem Volk einen Status vorzugaukeln, der von ihren Problemen ablenken sollte. Dazu ge­hörten Architekturen, die in ihrer Monumentalität auf sehr frühe Zeiten rekurrierten. Um solcherart Bauvorhaben zu verwirklichen, musste das Bauholz aus so entlegenen Provinzen wie Yunnan und Sichuan herbeigeschafft werden.92 Der Holzmangel und die enor­ men Kosten zwangen zu immer strikterer Ökonomisierung des Bauens. Der Mangel an wünschenswertem Bauholz ist an weniger prominenten Bauten ganz unmittelbar ablesbar, (Ill. 652) doch für erstklassige Tempel, Paläste und Residenzen war die Verwendung krummer Balken als Ausweg keine Option. Die Säulen als die massivsten konstruktiven Elemente hatten multifunktionale Aufgaben zu erfüllen. Sie mussten das Gewicht des Daches in das Fundament ableiten. Dieses Gewicht inkludierte die Konstruktion, deren Aufgabe es nicht zuletzt war, trotz bisweilen enormer Oberflächen, Windangriffen standzuhalten. Die Konstruktion trägt eine Dachhaut aus glasierten Ziegeln, die im Lehmbett verlegt sind. So können sich mehrere Hundert Kilo pro Quadratmeter Dachfläche kumulieren. Zwischen dem Dach und den Säulen sind die dougong als Mittler eingefügt. Sie bündeln die in sie eingeleiteten Lastanfälle und lenken alles Gewicht aus der Horizontale in die Vertikale um. Da war ein Schwindel ausgeschlossen. Konnte das benötigte Bauholz nicht aufgetrieben werden, musste der erforderliche Querschnitt künstlich hergestellt werden. (Ill. 653) Schon im Yingzao fashi kann man nachlesen, wie in den früheren Epochen Säulen aus zwei, drei oder vier Teilen mit Hilfe von Schwalbenschwanzdübeln zusammengesetzt wurden. Die Haupthalle des Baoguo si in Zhejiang zeigt ein Beispiel aus der südlichen Song-­Dynastie. Aber erst während der Ming- und Qing-Zeit wurden zusammengesetzte Säulen Standard. Leicht taten sich die Zimmerleute bei Säulen, die in Giebelmauern eingebaut waren, hier wurden zwei oder drei Säulenabschnitte mit Zapfen verbunden übereinandergestellt und mussten nicht einmal weiter bearbeitet werden. Eine andere Methode sah vor, einen durchgehenden Kern mit kleinen Holzstücken zu ummanteln. Dies war äußerst arbeitsaufwendig, weil die Holzstücke, die dem Kern aufgenagelt wurden, seiner Oberfläche perfekt angepasst werden mussten. Zusätzlich wurden sie von außen durch Eisenbänder93 fixiert. Waren Säulen besonders lang, mussten sie auch entsprechend stark dimensioniert sein. Dann wurden beide Methoden kombiniert. Diese Säulen waren zwar

652  Der kleine Tempel Youxian si in Gaoping baut Balken ein, die durch ihre Ungleichheit in Dimen­sion und Form das Können des Zimmermanns heraus­fordern. Bemerkenswert ist die eigen­willige Erweiterung der Zwischen-dougong in der Zentral­achse, die ausschließ­lich dem Gedanken der Spar­samkeit verpflichtet zu sein scheint.

653  Zusammengesetzte Säulen aus dem Yingzao fashi, Kap. 30, fig. 62 (nach: Guo, 1995, p. 256), im Baoguo si (nach: IHNS, 1986, p. 107, fig. 5-6-21) und aus der Ming- bzw. Qing-Zeit (nach: IHNS, 1986, p. 135, fig. 5-9-5a)

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druckresistent gegen Auflasten, aber vergleichsweise schwach gegen Durchbiegung. Ganz ähnlich verfuhr man mit den Balken von zumeist rechteckigem Querschnitt. Auch sie wurden auf zweierlei Art zusammengesetzt; entweder aus mehreren balkenlangen Teilstücken oder aus einem balkenlangen Herzstück, das wieder von vielen kleinen Holzstücken ummantelt wurde. Bei den horizontalen Balken war die Fixierung mit Eisenbändern unabdingbar. Um diese gänzlich neue Oberfläche der am stärksten belasteten und am schwersten auszutauschenden Elemente der Konstruktion gegenüber Witterungseinflüssen angemessen zu schützen, mussten geeignete Hüllen entwickelt werden. Es hätte sich wohl auch niemand mit einem solchen Aussehen abfinden wollen. Ergebnis des Entwicklungsprozesses war die Umwicklung der tragenden Struk­tur mit mehreren Lagen von Hanfgeweben, die mit einem speziellen Kitt bzw. Mörtel befestigt wurden und eine glatte Oberfläche erzeugten. Diese Oberfläche wurde mit Lack gedichtet und schluss­endlich sehr dekorativ bemalt. Diese Maßnahmen deckten nur einen Teil des möglichen Einsparungspotenzials ab. An der Dachkonstruktion der Longhu-Halle des Yongle gong in Ruicheng kann man feststellen, dass schon 1294 weitere Ideen ausgetestet wurden, die in der Ming- und QingZeit standardisiert wurden. Indem in der Längsachse mittig eine Säulenreihe untergestellt wurde, konnten die 6-Rofen-Querbalken durch zwei 3-Rofen-Querbalken ersetzt werden. (Ill. 654) Wer sehr genau schaut, erkennt auch, dass die Balken recht roh behauen waren und alle in Nuancen unterschiedlich sind. In der Yuan-Dynastie hatte man anscheinend kein Problem damit, auch im einsehbaren Bereich offensichtliche Sparmaßnahmen nicht zu verbergen. Davon lernten die Baumeister späterer Generationen. Die Verwendung kleinerer Konstruktionselemente machte es möglich, dass die Zimmerleute mit kleineren Dimensionen und kürzeren Längen arbeiten konnten, dass kleinere Bäume genutzt werden konnten und die Abfallmenge signifikant reduziert wurde. Kleinere Elemente hatten auch ein geringeres Gewicht, was sich wiederum positiv auf die Dimensionierung der tragenden Teile auswirkte. In summa gelang es den Baumeistern der späten Dynastien, mit der gleichen Menge an Bauholz größere und mehr Bauten zu errichten. Der arbeitsmäßige Mehraufwand durch die Produktion der viel größeren Anzahl an Teilen wurde durch zunehmende Standardisierung und Präfabrikation kompensiert. Ökonomie im Bauen hängt nicht zuletzt auch mit der Verwendung von Werkzeugen zusammen. Wie in den vorangegangenen Betrachtungen über Europa und Japan gezeigt, wurden auch in China die frühesten Verbindungen als reine Schnürverbindungen mit Steinwerkzeugen hergestellt. Sie waren verblüffend präzise, aber solche Bauten, die wir uns heute unter chinesischen vorstellen, wären auch mit noch so großem Zeitaufwand auf diese Weise nicht zu realisieren gewesen. Das Bauen jener Zeit war sicher ökologisch, ökonomisch war es nicht. Als ein Zwischenglied in der Entwicklung von den Schnürverbindungen der Frühzeit (wenigstens 5000 v. Chr.) zu den Zapfenverbindungen aus der Zeit der Streitenden Reiche (475–221 v. Chr.)94 werden Bronzeobjekte gesehen, die aus dem Ende der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen (6.–5. Jahrhundert v. Chr.) stammen und die Holzbalken miteinander verbunden haben. Als Antrieb für diese Entwicklung wird der Übergang von der Dachdeckung mit Stroh zur

654  An vielen Details lässt sich in der Dachkonstruktion des Torgebäudes Longhu dian des Yongle gong die Tendenz zur Verwendung zarterer Querschnitte ablesen.

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Deckung mit Ziegel während der westlichen Zhou-Zeit genannt. Das viel größer gewordene Gewicht des Daches habe die Verstärkung der Holzkonstruktion notwendig gemacht.95 Es ist denkbar, dass Bronzehülsen als Sicherung von zu schwachen Verbindungsstellen gedient hätten, doch logisch erscheint eine solche Mutmaßung nur dann, wenn die Metallteile tatsächlich die Verbindung zweier oder mehrerer Konstruktionselemente übernommen hätten, wie es ein winkelförmiges Fundstück aus Yaojiagang (Shaanxi) zeigt.96 Eine Rekonstruktionszeichnung zeigt mehrere gerade Bronzehülsen, (Ill. 655) von denen zwei einzelnen Balkenköpfen aufgeschoben wer­den, so dass nur noch der rundum abgesetzte Zapfen vorsteht, und eine weitere einer Stütze aufgeschoben wird, in die die beiden horizontalen Balken eingezapft werden sollen. Die Zeichnung zeigt sehr klar, dass die Hülsen die ihnen zugeschriebene Aufgabe nicht erfüllen können. Ganz im Gegenteil: Die Hülse über der Stütze bildet keine Auflage für die Zapfen. Die Zapfen der horizontalen Balken werden durch das zusätzliche Gewicht noch stärker belastet. Es erscheint auch wenig glaubhaft, dass es seit der Hemudu-Kultur (5000–4000 v. Chr.), aus der rechteckig beschlagenes Bauholz sowie verschiedenartig ausgeformte Zapfenverbindungen erhalten sind,97 keine Weiterentwicklung im Holzbau gegeben haben soll, während die Keramik- oder Metallbearbeitung auf faszinierende Fortschritte verweisen können. Der Weg zum Verständnis dieser Konstruktion führt über die Beobachtung, dass die gefundenen Bronzeobjekte eigenwillig bearbeitet sind. Die nach außen weisende Seite der Hülse überdeckt den Balken vollflächig und ist reich dekoriert. Die anderen drei Seiten umschließen die Balken mit einem Rahmengerüst aus fest verbundenen Bronzebändern so zart als nur möglich. Dazu lässt sich zweierlei assoziieren. Den Zimmerleuten war noch nicht bewusst, wie massiv Metallhülsen einen Holzkern schädigen können. Die größte Metalloberfläche zeigt just nach der Seite, an der die unterschied­ lichen Wärmeleitkoeffizienten von Holz und Metall die stärkste Temperaturdifferenz verursachen und dadurch am meisten Kondenswasser produzieren. Die zweite Überlegung greift eine schon mehrmals bei anderen Beispielen geäußerte Mutmaßung auf, dass Verbindungsstellen als konstruktive Schlüsselelemente besonders hervorgehoben wurden. Es besteht eine unübersehbare Verwandtschaft mit der in späteren Dynastien immer überbordenderen Bemalung der konstruktiven Bauteile (Ill. 656).98 Die Fähigkeit, Bronze zu verarbeiten, hat also keinen wirklichen Beitrag zur Entwicklung der Verbindungstechnologie geleistet. Darauf muss man zumindest angesichts dieser Beispiele schließen. Für die Entwicklung des Werkzeugs war der Fortschritt hingegen bedeut­sam. Die in Eisen nachgebauten Werkzeuge waren viel leistungsfähiger als ihre bronzenen Vorbilder. Ihre gesteigerte Effektivität beflügelte zugleich die Entwicklung spezialisierterer Werkzeuge.99 Es handelt sich hier um die schon mehrmals angesprochenen tasten­den Versuche oder auch Irrwege, die technologische Entwicklungen notwendigerweise begleiten. Die übliche historische Darstellung geradliniger, stetig weiterführender Verbesserungen ist irrefüh­rend. Dagegen erweisen sich viele Entwicklungsprozesse gerade in ihren zufälligen Neben- oder Abfallprodukten als durchaus rentabel. Aus der Han-Zeit sind dann mehrgeschossige Bauten belegt. Das bedeutet einen gewaltigen technologischen Fortschritt. Wesentliches Bauelement waren die ersten einfachen dougong. Sie muss­

655  nach: Ledderose, Schlombs, 1990, p. 156, fig. 115

656  Die farbenprächtige Bemalung eines Eckdetails aus der Verbotenen Stadt lässt auf den ersten Blick die kon­ struktiven Glieder zur Gänze verschwin­ den. Erst die genauere Betrachtung erlaubt Details zu erkennen, die verblüf­ fend den beschriebenen Metallhülsen ähnlich sehen oder an Schutzplättchen aus Metall erinnern, die auf die Rofenenden genagelt wurden.

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ten so genau gearbeitet sein, dass sie lastverteilend wirken konnten. Die Rekonstruktionszeichnung der Tempel­ anlage aus der Han-Zeit in Xi'an, der Hauptstadt Shaanxis, hat mit dem besonderen Detail aufzuwarten, dass alle Ecksäulen verdoppelt waren. (Ill. 656a) Das ruft zunächst in Erinnerung, dass an dieser Stelle die Last des Daches besonders groß ist. Interessanterweise waren aber auch jene Ecksäulen doppelt bestückt, die nach innen weisende Ecken bilden. Dort kann das Argument des größeren Gewichts nicht vorgebracht werden. Es besteht die Vermutung, dass in jede Säule in einer Höhe nur jeweils ein Balken nach links und rechts eingezapft werden konnte.100 Dort, wo an den Ecken im Winkel von 90° zwei Zapfenlöcher geschnitten werden sollten, war offensichtlich das zur Verfügung stehende Werkzeug noch nicht von einer solchen Qualität, dass sich die Zimmerleute an diese Aufgabe herangetraut hätten. Wir treffen in China kein unbekanntes Zimmermannswerkzeug an. Auffallend ist die große Varietät der Sägen. Aus der Jungsteinzeit stammen Funde von Sägen aus Knochen, Stein und Muschelschalen.101 Gestellsägen, die wie unsere Absetzsägen aussehen, werden bis heute verwendet. In China gab es sie auch ungerichtet gezahnt, so dass sie von zwei Arbeitern zum Aufschneiden von Stämmen verwendet werden konnten. Sie konnten so lang sein, dass sie zwei Spannstöcke benötigten.102 Die Regel waren aber Sägeblätter, deren Zähne von der Mitte ausgehend nach außen wiesen. Damit arbeiteten die Säger an beiden Enden mit gleicher Anstrengung, eine sehr beschwerliche Arbeit, denn die von zwei Männern bediente Grubensäge „ist ein völlig unausbalanciertes Werkzeug“.103 Bemerkenswert ist der Gegensatz zu Europa wie zu Japan. In Japan wurde der Stamm von einem Mann, der unter dem aufgebockten Stamm stand, aufgeschnitten. In Europa führte der top-notcher die Säge, die schweißtreibende Arbeit oblag dem Partner in der Sägegrube. Im Englischen wurde der Begriff top-notch dann zum Synonym für besondere Erfahrung.104 Die Einmann-Sägen waren auf Stoß zu arbeiten. Nur die kleinen Handsägen wie unsere Nutsäge, Stichsäge oder Furniersäge funktionierten auf Zug. Mit dem Buddhismus importierte Japan auch die Bauweise aus China. Der zeitweise sehr rege kulturelle Austausch zwischen China und Japan bezog sich auch auf Arbeitstechniken. Alle chinesischen Werkzeuge waren den Japanern bekannt. Verblüffend bleibt, dass sie die Nutzung einiger verändert haben. Hochentwickeltes Werkzeug war die Voraussetzung für die Entwicklung der durchgezapften Balken, für die Möglichkeit, in immer kleineren Querschnitten immer mehr Schlitze und Löcher zu schneiden, die von immer größerer Komplexität waren. Das war aber die Vorgabe, wie wir gesehen haben, um mit immer weniger Material immer mehr und Größeres zu produzieren. Xiao muzuo (die kleine Zimmererarbeit) wird im Yingzao fashi erstmals von da muzuo (die große Zimmererarbeit) unterschieden.105 Beim Handwerker unterscheidet die chinesische Sprache nicht zwischen Zimmermann und Tischler, alle sind Holzarbeiter (mu jiang).106 Xiao muzuo sind die Kleinteile in der Zimmerei: Türen, Fenster, Balkonvergitterungen usw. Sie sind jene Teile, die aus nächster Nähe betrachtet werden. Die Verbindungen sind nicht extrem kompliziert, sondern sie sind extrem überlegt. Der Möbelbau ist ein unmittelbarer Ableger von xiao muzuo. Die schlichte Eleganz der Möbel, die sich in der Zartheit der Querschnitte und in der unaufdringlichen Perfektion der Verbindungsstellen zeigt,

656a  aus: Thilo, Klassische chinesische Baukunst, p. 119; nach: Kaogu, Jg. 1963/9, Tafel 20 bzw. 10-12

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657  aus: Lu Ban jing, in: Ruitenbeek, 1996, 2/15b

wäre ohne die befruchtende Wechselwirkung mit da muzuo nicht denkbar. Eine winzige Besonderheit der kleinen chinesischen Handsägen ist ein Erklärungsdetail, wie so exakt gearbeitet werden konnte. Die jeweils hintersten drei bis fünf Zähne ließen sich die Zimmerleute entgegengesetzt richten.107 Am eindrucksvollsten bringen die angesprochene Wechselwirkung die Himmelbetten oder Alkoven zum Ausdruck. Sie „können vollständig verschlossen werden um in einem Raum eine private Welt zu schaffen“108. (Ill. 657) Handler nennt diese Betten „ein Miniaturhaus, wo Söhne gezeugt werden“ 109. Die Söhne stehen für den Fortbestand der Familie, für Tradition, aber auch für Vergänglichkeit. Vergänglichkeit ist ein Zentralpfeiler im Buddhismus. Die Bewohner eines Hauses spiegeln somit die Vergänglichkeit der schützenden gebauten Hülle. Nicht Fatalismus ist die Konsequenz; die gezeigten Beispiele beweisen, dass ein Streben nach Vollendung im jeweils zeitbedingt Möglichen das Handeln geleitet hat.

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1 Liang, 1984, p.3. Sung ist eine heute veraltete Umschreibung für Song. 2 IHNS, 1986, p. 61 3 Golany, 1992, p. 123–125; Knapp, 1986, p. 30, 36; Sibert, Loubes, 2003, p. 116–117 4 Needham 2006 (1971), p. 65. Den Toten wurden Bauten aus Stein errichtet. 5 IHNS, 1986, p. 62 6 Wei, 1999, p. 150–151. Der Begriff dougong wird in einem eigenen Abschnitt erläutert. (vgl. p. 290) 7 Liang, 1948, Vorwort, p. 2, nach Thilo, 1977, p. 56 8 Liang, 1984, p. XV 9 Glahn, 1982, p. 27 10 Knapp, 1986, p. 64, fig. 3_24; p. 67 11 Ma, Li, 2002, fig. 736–796 12 vgl. Xiao, 1999, Bd. 1, p. 133, fig. 1_32, 1_33 und 1_34 13 In der chinesischen Architekturgeschichte Xiao, 1999, ist auf 1260 Seiten dem Blockbau eine einzige Seite gewidmet. Blockbauten wurden zwar nur im östlichsten Teil Tibets errichtet (vgl. Ma, Li, 2002, ibid.). Dennoch fällt auf, dass sie in Xu, 2004, überhaupt nicht thematisiert werden. Liang Sicheng bringt immerhin eine sehr anschauliche Zeichnung. (Liang, 1984, p. 121, fig. 62) 14 vgl. zur Architektur der Dong-Minderheit Zwerger, 2006, Zwerger, 2013 15 Si, 1992, p. 154 16 Liang Sicheng nennt ein paar Vergleichsbeispiele für diese alte chinesische Konstruktionsmethode. Das prominenteste, weil 1:1 in einem Holzbau anzu­treffen, ist die Überdachungskonstruktion des Um­gangs um den inneren Tempelbezirk des Hōryū-ji in Ikaruga (J). (Liang, 1984, p. 43) 17 IHNS, 1986, p. 117, und Steinhardt, 1984, p. 134, nennen unterschiedliche Maße für die Durchmesser der Säulen. 18 vgl. Sun, 2004, p. 326–330 19 IHNS, 1986, p. 170–172 20 Wickede, 1990, p. 151 21 ibid. 22 IHNS, 1986, p. 170 23 Steinhardt, 1984, p. 104 24 IHNS, 1986, p. 170–171 25 ibid., p. 171 26 Glahn, 1981, p. 138 27 Walmdächer waren schon vor der Song-Zeit weit verbreitet. Schrittweise wurde ihre Verwendung in der Ming- und Qing-Zeit zum Distinktionsmerkmal. Durchsetzen ließen sich die Verbote allerdings nur um die Hauptstadt. Fern der imperialen Kontrolle, speziell in von Minderheiten besiedelten Gebieten, waren Walm- und Fußwalmdächer weit verbreitet. (vgl. Knapp, 2000, p. 140) 28 IHNS, 1986, p. 304 28A Der Autor hat im Zuge des ATTCAT 2022 workshops eine bislang nie thematisierte Überlegung neu ins Spiel gebracht. Die vorgestellte Idee des Einflusses der Materialeigenschaften von Holz soll in einem Artikel tiefgehender behandelt werden. 29 vgl. Sun, 2004, p. 335 30 Die Mosuo sind eine staatlich nicht anerkannte matrilinear organisierte Minderheit, die im äußersten Nordwesten Yunnans und im daran angrenzenden Sichuan beheimatet ist. 31 Liang, 1984, p. 16, 19 32 Needham, 2006, p. 102 33 IHNS, 1986, p. 303 34 Nanmu (lat. Phoebe zhennan), endemisch in Südwestchina, ist ein immergrüner Baum aus der Familie der Lorbeergewächse, der sehr gerade wächst und Höhen bis über 30 m erreicht. 35 Cunninghamia lanceolata 36 Ruitenbeek, 1996, p. 14

37 Feuchtwang, 1974, p. 128 38 IHNS, 1986, ibid. 39 Xie, 1935, Bd. 2, p. 60, zitiert nach: Ruitenbeek, 1996, ibid. 40 Liu, 1980, p. 46 41 Vernicia fordii. Auch die Samen anderer Bäume sind geeignet, aus ihnen Tung-Öl auszupressen. 42 IHNS, 1986, p. 303–304 43 Glahn, 1981, p. 132 44 Das nomadisch lebende Volk der Qidan hatte seine Yurten nach Osten ausgerichtet, weil sie den ersten Morgen jeden Mondmonats anbeteten. Auch wenn sie sich zu Versammlungen trafen, setzten sie sich nach Osten gerichtet. Als Liao-Dynastie beherrsch­ ten sie von 907–1125 einen Teil des nordöstlichen China. Zur Orientierung vieler, aber nicht aller Liao-Bauten nach Osten vgl. Steinhardt, 1997, p. 139–140 45 Glahn, 1981, p. 138 46 Fu, 1984, p. 13 47 IHNS, 1986, p. 73 48 Glahn, 1981, p. 132 49 IHNS, 1986, p. 106 50 Steinhardt, 1997, p. 42 51 Liang, 1982, p. 76, fig. 26 52 vgl. Liang, 1982, p. 99, fig. 51 53 ibid., p. 43 54 Ledderose, 2009, p. 39 55 vgl. Chen, 2001, Foto 106 56 IHNS, 1986, p. 97 57 Ledderose, 2009, p. 40 58 Steinhardt, 1997, p. 112 59 Dougong stammt als Begriff aus der Qing-Zeit. In der Literatur aus der Song-Zeit war puzuo der Name gleichen Bedeutungsinhalts. 60 Thilo, 1977, p. 58 61 vgl. Needham, 2006, p. 95 62 Man beruft sich auf Motive auf Bronzegeschirr. De Bisscop, 2007, p. 71 63 ibid., p. 50, cat. 35 64 ibid., p. 70, cat. 37 65 ibid., p. 136, cat. 91 66 ibid., p. 234, cat. 159 67 ibid., p. 72 68 Guo, 1995, p. 54 69 vgl. Liang, 1982, p. 129 70 Soper 1942, p. 100 71 Liang, 1984, p. 15 72 Fujita Kaori hat diese Aussage im Rahmen eines Vortrags am 20.4.2010 an der Tokyo-Universität zwar auf japanische Pagoden bezogen, meines Wissens ist sie aber verallgemeinerbar auf alle großen historischen Gebäude. 73 Wei, 1999, p. 152 74 IHNS, 1986, p. 311 75 ibid., p. 317 76 Steinhardt, 1997, p. 173 77 Pan, 2004, p. 41, fig. 34 78 Chen, 2001; Tafel 6, 8-15 und weitere 79 Liang, 1984, p. 103 80 Fu, 1984, p. 33 81 Auch für diesen Begriff aus der Qing-Epoche gibt es einen Parallelausdruck aus der Song-Zeit. vgl. Guo, 2002, p. 21, 33 82 vgl. Guo, 1995, p. 11 83 Fu, 1984, p. 32 84 Guo, 1995, p. 30 85 Thilo, 1977, p. 213 86 Glahn, 2009, p. 14 87 Guo, 1995, p. 60 88 Ruitenbeek, 1996, p. 27–28 89 Wei, 1999, p. 15 90 Fu, ibid. 91 Ruitenbeek, 1996, p. 193

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92 IHNS, 1986, p. 133 93 IHNS spricht von Eisenbändern (ibid., p. 135), Wei von Stahlbändern (Wei, 1999, p. 123). 94 vgl. Liu, 1981 95 Wickede, 1990, p. 156–157 96 ibid., p. 157, fig. 116. vgl. dazu auch die Abbildung Tafel CXXXVI bei Needham, 2007 (1965), p. 70, fig. 376b. 97 Li, 2004, p. 23, fig. 1-6 98 Darauf weist auch Barbara von Wickede hin. Wickede, 1990, p. 158. Auch die zitierte Ansicht Yang Hongxuns, dass die Bronzeteile in der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen ihre ursprüngliche Funktion zugunsten reiner Dekoration bereits eingebüßt hätten, lässt die Vermutung der verstärkten Holzkonstruktion nicht plausibler erscheinen. 99 IHNS, 1986, p. 40 100 Thilo, 1977, p. 121 101 Li, 2004, p. 80, fig. 3_12 102 ibid., p. 111, fig. 3_32 103 Hommel 1969, p. 227 104 Noble, 2007, p. 117 105 Ruitenbeek 1996, p. 76 106 Eberhard, 1966, p. 41 107 vgl. Hommel, 1969, p. 238, fig. 347 108 Handler, 2005, p. 63 109 ibid., p. 67

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Dank Das geduldige Verständnis meiner Frau und meiner Kinder war die erste Voraussetzung und wichtigste Unterstützung für das Zu­stande­­kommen dieses Buches. Ihnen gebührt der erste Dank. Darüber hinaus möchte ich mich bei folgenden Personen und Insti­ tutionen namentlich für ihre Hilfestellung herzlich bedanken: Amino Yoshiaki, Andō Kunihiro; Aoki Hisako; Japan Society for the Promotion of Science; Li Yonglin; Liu Wenjie; Minamoto Aihiko; Nihon minka en in Kawasaki; Ohashi Yoshimitsu; Sakamoto Isao; ­Takenaka daiku dogu kan in Kobe; Uchimura Miyoko; Wu Yifang. Besonderen Dank schulde ich meinen Übersetzern, die für die Verbreitung des Buches eine herausragende Rolle spielen. Das sind der mir mittlerweile recht vertraute Julian Reisenberger und der langjährige Freund Liu Yan mit einer gemeinsam mit Wu Chao ausgeführten erstmaligen Übersetzung ins Chinesische. All jenen, deren Hinweise und Anregungen ich zumeist namenlos erhalten habe, gilt mein Dank in gleicher Weise. Dem beharrlichen Nachfragen des Lektors Andreas Müller verdanken die LeserInnen, dass auch schwierige Textpassagen noch verständlich und lesbar sind. Seiner Einfühlsamkeit verdanke ich das Gefühl, einen Text vorzulegen, den ich trotz vieler Eingriffe und sprachlicher Änderungen als meinen empfinde. Bei der aktuellen Ausgabe hat mich Henriette Mueller-Stahl vorbildlich betreut. Heike Strempel-Bevacqua danke ich für ihre Geduld mit meinen Layout-Wünschen für die Bebilderung.

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Über den Autor

Dr. Klaus Zwerger, *1956 in Wien, seit 1975 handwerkliche Beschäftigung mit dem Material Holz, Studium der Gestal­ tungs­ lehre, ausgedehnte Feldforschungen in den meisten Ländern Europas und während vieler Aufenthalte in China und Südostasien, mehrere Forschungsstipendien an der University of Tokyo, Habilitation an der Technischen Universität Wien zum Professor für das Fachgebiet Historischer Holzbau, Gastprofessur in Tokyo, Professur an der Southeast University in Nanjing.

Länderkürzel A Österreich BG Bulgarien CH Schweiz CRO Kroatien CZ Tschechien D Deutschland F Frankreich FIN Finnland GB Großbritannien GR Griechenland H Ungarn I Italien J Japan N Norwegen PL Polen RO Rumänien RUS Russland S Schweden SK Slowakei SLO Slowenien

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Register der Personen und Bauten Kursive Seitenzahlen verweisen auf Abbildungen

Ahrens 80, 132, 160, 175 Altes Gericht 214 Amithaba-Halle 283 Ando 85, 86, 146 Anraku-ji sanjūnotō 210 Artushof 128 Asano 196 Auferstehungskathedrale 62 Avalokitesvara 285 Baoguo si 299 Bartholomäikirche 191 Barton Farm 52 Baumgarten 98 Bedal 8, 127 Binding 44, 57, 129, 189 Bischof Wulfila 59 Bjerknes 132 Breymann 98, 216, 216 Brøndsted 47 Brown 62, 87 Brümmerhof 259 Brunskill 170, 171, 239, 251 Bryggen 32 Bugge 148, 151, 151 Bunkazai kenzo butsu hozon gi jiutsu kyokai 96, 110, 146, 156, 159, 169, 202, 207, 225, 250, 257, 260 Chengling-Pagode 266 Chiba-Haus 30 Chion-in 138 Chogosonshi-ji 146 Christie 137, 138 Chuzu an 293, 293 Ciyun ge 283 Coxe 61 Cressing barley barn 160, 232, 246 Cressing wheat barn 160, 227, 233 Daigo-ji 224 Daihoon-ji hondō 196, 197 Daishō-in 206 Deinhard 186 Deininger 255 De l’Orme 240, 240 Deutsche Brücke 49, 49, 65 Deutsches Haus 258 Deutsches Museum 65 Diderot 71 Dongyue miao Feiyun lou 280 Dule si Guanyin ge 278, 281, 283, 283, 285, 286, 287, 288, 294, 296 Dule si Shanmen 283 Eiho-ji kannondo 43 Eitzen 160 Engaku-ji 209 Enjo-ji hondō 257 Enjo-ji shōrō-dō 194 Enkyo-ji jikido 110, 110

Enkyo-ji jogyodo 250 Erixon 131, 142 Fletcher 23 Fogong si Shakyamuni-Pagode (siehe: Yingxian muta) Fogong si Shijia ta (siehe: Yingxian muta) Foguang si 273, 274, 277, 293, 299 Foguang si Dongda dian, F. Osthalle 273, 273, 281, 292, 293 Freiburger Münster 233, 234 Freilichtmuseum Asparn a. d. Zaya 178 Freilichtmuseum Bardejovské Kúpele 118 Freilichtmuseum Bygdøy 131, 139, 152 Freilichtmuseum Maria Saal 85 Freilichtmuseum Seurasaari 151 Freilichtmuseum Shikoku minzoku hakubutsukan 24, 37 Freilichtmuseum Stübing 18, 46, 121, 217, 254 Freilichtmuseum Toyonaka minka shuraku 28 Fukuyama 153 Fumon-ji hojo 260 Funkenberg 47 Geier 105, 106 Genoveven-Kirche 133 Gerner 60, 91, 92, 97, 98, 99, 223, 236, 250 Gierth 76, 174 Gilly 10 Gladbach 253 Goekmanns Spieker 170 Goten 59 Graubner 63, 91, 92, 94, 99, 167, 236, 251, 251, 257 Grubenmann 18, 34, 60, 61, 63, 63, 64, 65 Gruber 47 Guangsheng si 283, 283, 295 Häberle 62, 105 Hachiman-jingu haiden 93 Hanftmann 108 Hängendes Kloster 266 Haus Foeth 50 Haus Kammerzell 72, 181, 259 Heinrich VIII 241 Hewett 79, 168, 208, 209, 233, 236, 237 Heyn 45, 128 Himeji-jo 168 Himeji-jo otemon 261, 263 Hirose ke jutaku 33 Hodo-ji jikido 197 Hof Deddens 51 Hōkai-ji 156 Hoki-ji sanjūnotō 233 Holan 62, 214 Hong Mai 297 Honmon-ji 50, 263 Horin-ji sanjūnotō 233 Hōryū-ji 10, 32, 39, 63, 69, 127, 175 Hōryū-ji daikodō 196, 196 Hōryū-ji denpōdō 192, 193

Hōryū-ji gojūnotō 175, 175, 220, 228, 233 Hōryū-ji kōfūzō 24 Hōryū-ji kondō 175 Hōryū-ji tōin denpōdō 156 Hozumi 121 Imanishi-Haus 262 Ise-jingu 20, 22, 23, 23, 36, 55, 65, 70, 249, 249 Ishiyama-dera hondō 157, 249 Ishiyama-dera tahoto 250 Itsukushima-jinja 42, 42, 59 Izumo-honden 153 Izumo taisha 137, 179 Jinci Shengmu dian 273, 273, 295 Jizōbu-ji hondō 110, 110 Jōdo-ji 93 Jōdo-ji jōdodō 158, 159, 159, 203, 203, 204 Johanneskirche 231, 235 Jungfrauenkirche 128 Kahnt 44 Kaihua si 292 Kaijusen-ji gojūnotō 225, 225 Kaiser Shenzong 297 Kaiser Shundi 289 Kaiser Yangdi 297 Kaiserpalast 277, 278, 296, 301 Kaiserpalast Taihe men 296 Kaiserpalast Wumen 275 Kaiyuan si Zhonglou 276 Kamosu-jinja 153, 153 Kathedrale von Ely 168 Kathedrale von Lincoln 233 Kathedrale von Rouen 190 Katsura Rikyu 241 Kawashima 45, 211, 219 Kenchiku bunka 66 Kenchō-ji butsuden 208 Kenchō-ji sanmon 60, 126, 197, 202 Kibata jinja rōmon 156, 207 Killer 64 Kintai-Brücke 42 Kirk 55 Kiyomizu-dera 26 Klöckner 34 Kongorin-ji sanjūnotō 225, 225 Kornhaus am Bauhof 184 Kosmas- und Damianskirche 86 Koune-Haus 211 Koyama-Haus 45 Kruke-Hof 55 Kubelbrücke 61, 64 Kublai Khan 282 Kükelhaus 58, 78 Kurfürstliche Reitbahn in Mainz 106 Kyuan-ji rōmon 169, 250 Kyuhonjin kinenkan 66, 108, 184 Leeds Castle 241 Li Jie 297, 298 Liang Sicheng 266, 267, 293, 296 Liebfrauenkirche 11, 107 Linde dian 281 Linji si 266 Lissenko 48, 99, 126, 128, 141, 149 Loewe 14 Longxing si Dabei-Pavillon 281

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Longxing si Moni dian 292, 296 Longxing si Zhuanlungzang dian 275, 292 Lord Bacon 32 Lu Ban 278, 299, 303 Maier-Gomolka 189 Maihaugen 39, 121, 150 Mariä-Himmelfahrts-Kirche 62, 228 Masaharu 71 Matsui 167 Matsuzaki tenjin engi emaki 70 Mayflower 11 Mc Kay 239 Mechmann 44 Meiji mura 38, 131, 194 Morse 67 Moser 124 Mudo-ji 220 Muramatsu 67 Muro-ji hondō 20 Museumsdorf Hösseringen 259 Muzeul Satului 85 Myoo-in gojūnotō 224, 225 Nagoya-jo 264 Nakahara 166, 251 Nanchan si 272, 272, 276, 277 Nasjonalmuseet – Arkitektur 132 Neumeister 62, 105 Niedersächsisches Freilichtmuseum – Museumsdorf Cloppenburg 50, 51, 162, 236, 241, 241, 253 Nihon minka en 14, 33, 96, 165, 194, 217, 257 Nijo-jo 72 Nikko Tosho-gu 37, 72 Nikolaikirche 25 Nishi 121 Nishi Hongan-ji 72 Nishioka 16, 22, 26, 36, 39, 63, 65, 70, 233 Nohara-Haus 165 Nyakuoji jinja 220 Ogawa 251, 252 Okura-ji hondō 197 Old Vicarage 237 Opderbecke 28, 104, 251 Osakajo sakuramon 217 Osebergschiff 72 Ossenberg 44 Ostendorf 57, 57, 58, 160, 189, 190, 191, 191, 235 Pagode des Hōryū-ji (siehe: Hōryū-ji gojūnotō) Pagode des Kaijusen-ji (siehe: Kaijusen-ji gojūnotō) Pagode des Kongorin-ji (siehe: Kongorin-ji sanjūnotō) Pagode des Myoo-in (siehe: Myoo-in gojūnotō) Pagode des Yakushi-ji (östliche) (siehe: Yakushi-ji sanjūnotō) Pagode des Yakushi-ji (westliche) (siehe: Yakushi-ji sanjūnotō) Paine 175 Panoiu 228 Parent 196, 197, 201, 207 Petrescu 39

Phleps 63, 75, 98, 142, 148, 173, 214, 234, 258 Pilgrim’s Hospital of St. Thomas 187 Place House 236, 237 Pundt 160 Quatmannshof 241 Rathaus in Michelstadt 186 Reimers 143 Reinerth 116 Reuss 10 Reutlingersches Haus 47 Richards 151 Rinshun kaku 62, 234 Rondelet 45, 133, 236 Rümlangbrücke 63 Rumpf 162 Sakuta-Haus 14 Sankeien 62, 234 Schaffhausener Brücke 18, 61, 239 Schepers 134 Schier 98, 99, 129 Schloss Pöckstein 104 Schnell 107, 184, 191 Schoberhaus 44, 48 Schübler 44, 106, 133 Seike 23, 66 Senjō kaku 12, 183 Shanhua si 295 Shanhua si Sansheng dian 295 Shaolin si 293 Shigi-san engi 146 Shikoku minzoku hakubutsukan 37, 39, 46 Shimoki ke no jutaku 46 Shinyodō 195 Shokei-yashiki-Haus 94 Shoren-in 12 Sirelius 148, 227 Soper 175 Sophienkirche 59 Soribashi 42, 42 St. Cyriak 57, 57 St. Nicolas 256 St. Ouen 190, 190 St. Paul’s 227 St. Piat 190, 190 St. Wendreda 238 Stephansdom 231 Strzygowski 151 Sumiya 260, 262 Sumiyoshi 157, 166, 167 Suzuki 71, 201, 250, 260, 263 Taimadera hondō 96 Taimadera mandarado 196, 196 Taisan-ji hondō 110, 110 Takayama-jinya 250 Takenaka daiku dogu kan 262 Tanaka 20, 66, 66, 166 Tanzhaus in Rothenburg 191 Taut 21, 67, 249 Teraoka 233 Tewkesbury Abbey 190, 190 Théâtre d’Argentine 236 The Chantry in Sudbury 173 Thomas von Aquin 246 Tian Wang dian 276 Tiantai’an 272, 272 Tōdai-ji 32, 65, 175, 232, 239

Tōdai-ji daibutsuden 174, 175, 228, 229 Tōdai-ji honbo kyoko 146 Tōdai-ji hondō 96 Tōdai-ji kaisando 110, 110 Tōdai-ji nandaimon 33, 109, 203, 205 Tōdai-ji shōsōin 23, 137, 137 Tō-ji kodō 24, 200 Tō-ji kondō 25, 201 Tomatsu-Haus 38 Tomyo-ji hondō 225, 226 Tōshōdai-ji kyōzō 146 Toyoda-Haus 226 Toyonaka minka shuraku 124 Trotzig 80 Uhde 227 Ulmer Münster 185 Verbotene Stadt (siehe: Kaiserpalast) Verklärungskirche 62 Viollet-le-Duc 134 Vitruv 36, 45 Walker’s Manor House 109 Wang Anshi 297, 298 Wang-Residenz 297 Warth 103 Watanabe 153 Wehlburg-Hof 241 Wells Cathedral 251 Werner 99 Wikingerschiffmuseum 48, 72 Winter 107, 170 Wohnunger-Hof 241 Xia si Shanmen 283, 295 Yakushi-ji 16, 22, 26, 36, 70 Yakushi-ji sanjūnotō 17, 199, 202, 228, 233, 278 Yanagi 246 Yingxian muta 278, 287, 287, 288, 289, 294, 295 Yongle gong 283 Yongle gong Longhu dian 300 Yongle gong Sanqing dian 274, 274, 278 Yongshou si 292 Youxian si 299 Zeniarai benten 23 Zhenguo si 276 Zhenguo si Wanfo dian 295 Zippelius 98, 99, 119, 120 Zuisen-ji hondō 21 Zuisen-ji taishidō 72, 206

Ortsregister Ainokura 221 Amami Oshima 28, 211 Åmotsdal 14 Appenzell 10, 61 Astrup 162 Aurach 127 Ayaori 44 Baisha San Yuan Cun 275 Bamberg 169 Bârsana 145, 212 Beaune 256 Beijing 275, 277, 278 Berga 31 Bergen 21, 49, 49, 143 Berveni (Börvely) 231 Bithälm 63 Bogdan Vodaˇ 27, 140 Böhönye 50 Børgo 119 Borgund 159 Bouttencourt 125 Bradford on Avon 52 Bras˛ov 34 Brunkeberg 213 Budal 131 Caˇlines˛ti 152, 256 Calw 248 Canterbury 37, 171, 187 Changjiang 269, 271 Chartres 190 Chengyang 289 Cicîrlaˇu 228 Ciucea 74 Coburg 258 Coulommiers 114 Cressing Temple 108, 160, 161, 233, 227, 246 Cuneaz 176 Dąbrówka ŁŁubiańska 124 Dacun 277 Daigo machi-Kamigo 147 Datong 295 Dazui 277, 290 Dingxing 283 Dinkelsbühl 184, 258 Dresden 10 Dunaszekcsö 115 Ebnat 63 Eggen am Kraigerberg 85 Eidsborg 30 Ellmau 255 Elsten 241 Ely 168 Erlitou 275 Ernstbrunn 168 Esslingen 128, 172, 247, 253 Evolène 86, 147 Fantoft 21 Farnham 109 Feld 148 Ferenci 46 Forsthof 154 Fortun 124 Frankfurt am Main 107, 170, 191, 191 Freiburg 234

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Freising 231 Frička 124 Frindsbury 55 Fujimi 24 Galgenuel 24 Gaoping 292, 299 Gaozeng 270 Gaschurn 24 Gdan´sk 45, 128, 191 Gemünden an der Wohra 153 Geschinen 135 Gjellerud 136 Gossau 63 Gössl 14 Grafenbach 255 Great Coxwell 187 Greensted-juxta-Ongar 78, 79 Greschitz 53 Grönloh 162, 237 Grub 63, 64, 177 Gudbrandsgard 221 Hagi 26, 29, 164, 218, 246 Hannover 189 Hasleiten 61, 255 Haus bei Schladming 256 Haus bei Tengling 105 Häverö 151, 151 Headcorn 237 Heddal 17, 18, 20, 49 Helle 149 Heppenheim 103, 223 Herisau 64 Herˇmanice 154 Herrnsheim 186 Hervartov 34, 98, 102, 145 Hidis˛elu de Jos 144 Himeji 263 Hindseter 148 Hirata 66, 108, 184 Hirschfelde 31 Hola 43 Hongdong 283, 283 Hopperstad 137, 138 Hronsek 27, 218 Hundwil 28 Hunyuan 266 Hurum 159 Huta 148 Ichiu mura 46 Ikaruga 24, 156, 175, 192, 196, 220, 304 Imai cho 222, 226, 262 Inami machi 21, 37, 72 Inovce 26 Iwakuni 39, 42 Iwate Futsukamachi 30, 118, 126, 235 Iwate Kamigo 155 Javorina nad Rimavicou 151 Jingsheng 277, 297 Jixian 283 Jordans 11 Jurici 87 Kamakura 23, 60, 126, 202, 208, 209 Kaminashi 194 Kaupanger 80, 159 Kawagoe 47 Kawasaki 33

Keihoku cho 47 Kent 236 Kezˇma­rok 34, 35 Kibitsu 49 Kimsha 128 Kindthalgraben 123 Kiscsány 11 Kishi 62 Kitakata 100, 135, 182, 212 Köfels 30, 81 Kola 62 Komothini 114 Kondopoga 62, 228 Kramsach 216 Kurashiki 45, 185 Kyoto 12, 24, 25, 26, 72, 137, 138, 195, 200, 201, 224, 260, 262 Ladomirová 28 Lago Varano 114 Längenfeld 136 Langesthei 123 Laufen 76 Liberk 185 Lijiazui 267, 290 Lillehammer 39, 121, 150 Lincoln 233 Lindau 60 Lisieux 154 Ljawlja 141 Lomen 159 London 227 Loucˇná Hora 144 Lübeck 129 Lüneburg 235 Lüneburger Heide 259 Lukov-Venecia 86 Luoshui 277 Mainz 106, 107 Makino cho-Arihara 218 Malé Ozorovce 16, 56, 101 Mapang 270, 271 March 238 Maria Saal 39 Marienburg 58, 107 Markgröningen 122, 173 Marthalen 44, 45 Menggu 289 Menslage 50 Messina 232 Michelstadt 186, 248 Mixnitz 141 Miyajima 12, 94, 183, 206, 251 Molzegg 145 München 11, 65 Murau 18 Muro mura 20 Nagasaki 113 Nagoya 38, 264 Nara 16, 17, 20, 23, 33, 96, 97, 109, 110, 137, 137, 146, 174, 175, 196, 197, 199, 202, 205, 222, 226, 229, 233, 239, 245, 257, 262 Neuberg an der Mürz 59, 188 Niederneunforn 215 Nottuln 170 Novo Selo 247 Nowgorod 59

Oberaurach 255 Obercunnersdorf 31 Oberglatt 63 Obernberg 231 Osaka 217, 263 Oslo 11, 48, 72, 132 Øverbø 63, 213, 215 Øye 123 Peper Harow 153 Petäjävesi 32 Petrová 134 Pfullendorf 44 Pihlajavesi 151 Pingliu 269 Pingpu 269 Pingqiu 270 Pingshun 272 Pingyao 276 Potoky 29 Potterne 163, 259 Primmersdorf 13, 185 Quedlinburg 165 Rauland 215 Reichenbach 81 Ringebu 106 Rom 236 Rothenburg 154, 180, 191, 191, 223 Rouen 189, 190 Rozstání 228 Ruicheng 274, 283, 300 Ruská Bystrá 22 Sádek 150 Sakaide 37 Sanjia cun 268 Sat S˛ugatag 112 Saureggen 254 Schaffhausen 61, 65 Schapdetten 100 Schlatt 10 Schleusingen 174 Schwende 29 Selo 81 Shanxi 266, 276, 277, 280, 292, 295 Shirakawa mura 15, 31, 82, 117, 182, 230 Shizuoka 36 Sibiu 34, 116 Sieu 36 Sighetu Marmat˛iei 21, 85 Silte 80, 80 Slavoˇnov 57 Sodoshima 24 Sogn Giusep 125 Solvorn 20 St. Corona 119, 130 St. Gallen 63 Stall 218 Stará Halicˇ 43, 102 Steinheim am Main 107 Strasbourg 72, 181, 259 Strengen 29 Sudbury 173, 181 Suganuma 192 Sulz 214 Sulzburg 57, 57 Sˇumiak 30 Surheim 255

Taiyuan 273 Tamugimata 102 Tarrant Crawford 239 Taubried am Federseemoor 118, 120 Tewkesbury 190, 190, 191 Thürntal 12 Tokyo 50, 54, 54, 95, 263 Tokyo-Ikegami 217 Tono shi 224 Topola 36, 147 Toro 36 Torpo 19, 48, 132, 219 Trautenfels 256 Trocˇany 34, 214 Tscherwen 82 Tsuruga 124 Tusa 152 Überlingen 47 Ulm 185 Umhausen 16 Unterried-Lehn 149 Upleadon 241 Urnes 27, 36, 73, 82 Uvdal 118 Vågåmo 150 Velká Ledhuje 140 Vinaders 125 Vítanov 232 Wädenswil 61, 63, 64 Wallhof 192 Wanrong 280 Ware 236, 237 Wasungen 105 Werdenberg 120, 152 Westendorf 130 Wettingen 34 Wien 178, 231, 235 Woolpit 53, 239 Wutai-Berge 272 Xanthi 112 Xi’an 302 Xinjiang 268 Yakushima 228 Yamatohama 194 Yaojiagang 301 Yingxian 287, 287 Yokohama 62, 219 Yuci 292 Zábreˇzž 140 Zaunhof 10, 11 Zˇdiar 254 Zhebo 268 Zhengding 266, 276, 281, 292, 292 Zuberec 11, 140 Zwischenwässern 104

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Sachregister 2-Rofen-Balken 272, 273 3-Rofen-Balken 300 4-Rofen-Balken 271 6-Rofen-Balken 271, 273, 300 Abbey 190, 190 Abbund 22, 42, 55, 59, 61, 62, 62, 100, 104, 214 kranzweiser A. 99, 254 stockwerkweiser A. 168 geschossweiser A. 169, 170 Abflusslöcher, Abflussrinnen 26, 27 abgehängte Decke 96, 155, 185, 192 abholzig 52 abscheren (siehe: Scher­festig­ keit) Abschnitt (siehe: fen) A-frame-Bauweise (siehe: cruck) Ahorn 21 aigaki 92, 95 amado 26 ambar 49 Anblattung, anblatten 57, 89, 153, 180, 191 Andreaskreuz 186, 187, 190, 248 ang 292, 293, 295, 296 falscher ang 296 Ankerbalken (Konstruktion) 108, 125, 160, 162, 162, 165, 169, 170, 183, 196, 269, 269 Ankerbalkenkopf 26 Anlängung 106, 148, 150, 233, 234, 234, 235, 237, 250, 274, 282 Ansdach 27, 141, 141 Apsis 140, 140 ari kake 95 ari kake shiguchi 100 ari shiguchi (shiguchi ari) 95 ari tsugi 92 Astgabel 44, 119, 120, 120, 121 Astgeflecht 114 Asuka-Periode 71 Aufforstungsprogramm 239 Aufhälsung (siehe: Einhälsung, umgedrehte ) Aufhängung der Rofen (siehe: Rofen) Aufhängung der Säule (siehe: Hängesäule) aufkämmen (siehe: Verkäm­ mung) Aufschübling 180, 181, 193 ausbauchen 147 Ausfachung (siehe: Gefach) auskragen, vorkragen 26, 31, 49, 62, 63, 88, 120, 123, 134, 151, 152, 153, 154, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 201, 203, 207, 215, 270, 270, 275, 279, 289, 290, 291, 292, 293, 293 Auslegerbrücke 289, 289 Aussteifung (siehe: Verstrebung) Auswechslung 168, 168 Axt 18, 26, 52, 53, 54, 67, 70, 71, 76, 119, 121, 123, 127, 147 azeki sumi kumite 146 azekura 122, 137

Backstein 82 Balken (siehe: Binder) Balkenkopf 14, 31, 62, 88, 98, 147, 172, 173, 213, 254, 254, 301 Balkenkranz 130, 135, 280, 282, 291, 292 Bambus 37, 118, 219 Bambusboden 39 Bambusdach 219 Bambusdeckung 221 Bambusgeflecht 39 Bambuszaun 113 Bandeisen 233 Barock 30, 57, 106, 192 Bauernhaus 54, 62, 290 Bauhandbuch 278, 298, 299 Bautischler 92 Beil 26, 70, 71, 121, 130, 130 Belagerungsturm 153 Belastbarkeit der Verbindung auf Druck 107, 110, 143, 225, 233, 234, 236, 250 auf Zug 55, 105, 107, 110, 110, 123, 129, 154, 157, 157, 162, 166, 166, 168, 190, 225, 233, 234, 236, 239 Belastbarkeit von Holz auf Abscherung (siehe: Scher­ festigkeit) auf Biegung 10, 11, 33, 36, 42, 54, 108 auf Druck 10, 10, 11, 33, 62, 227, 228, 289 auf Zug 10, 33, 166, 289 Belüftung 23, 24, 26, 30, 131, 135, 216, 221, 221, 269, 269, 277, 279, 290 Binder, Binderbalken, Balken, Bundtram 11, 12, 48, 55, 57, 62, 100, 109, 124, 155, 160, 162, 166, 170, 170, 172, 173, 175, 180, 182, 183, 186, 187, 189, 190, 190, 191, 192, 227, 232, 256, 269, 269, 270, 271, 272, 273, 279, 281, 282, 283, 287, 290, 292, 293, 296 Bindergespärre (siehe: Gespärre) Birke 34, 37 Birkenrinde 37, 39 Blatt, Blattverbindung 68, 79, 88, 90, 91, 92, 95, 97, 102, 102, 105, 106, 110, 122, 127, 134, 153, 154, 154, 155, 213, 214, 221, 225, 247, 253, 258 Abnagelung des B. 68, 123, 253 gerades B. 88, 234 gerades B. mit Schwalben­ schwanzzapfen 89 mehrfach abgesetztes B. 186, 248 mit Haken 154, 247 mit schräger Brüstung 236 mit verstecktem Haken 251 schräges B. 88, 129 schräges B. mit Haken 234 schwalbenschwanzförmiges B. 102, 129, 154, 247 überkreuztes B. 100 zugfestes B. 88 Blatthaken 225 Blattsasse 11, 88, 123, 128, 129, 129, 155, 225, 247

Blattverbindung im Blockbau 91 Blattzapfen 91, 213 Bläuepilz (siehe: Schädlingsbefall) Blauglockenbaum 37 Block (siehe: Konsolenblock) Blockbalken 20, 21, 24, 30, 31, 62, 63, 85, 86, 135, 146, 147, 148, 149, 150, 150, 227, 228, 268, 289, 298 Blockbau, Blockhaus 20, 21, 22, 23, 30, 34, 36, 43, 55, 57, 62, 72, 78, 78, 81, 90, 91, 97, 98, 102, 102, 116, 118, 121, 122, 122, 123, 124, 129, 133, 135, 137, 140, 146, 147, 148, 149, 149, 151, 151, 152, 212, 218, 227, 228, 228, 248, 253, 268, 268, 270, 277, 279, 289 mehrgeschossiger B. 86, 227 polygonaler B. 140, 141 blockbauartig geschichtet 287, 289 Blockbauecke 61, 97 Blockbaugebiet 214 Blockbaukirche 29, 143, 144, 150, 151 Blockbauverbindung (siehe: V. des Blockbaus) Blockkranz 22, 98 Blockpfeiler 151 Blockwand 21, 27, 61, 119, 122, 214, 277 Bodenfeuchtigkeit 221 Bohlenfüllung 80, 81 Bohlenständerbau 81, 149 Bohrer 67, 68, 71, 123 Bohrloch 123 Brand 43, 55, 135, 266 Brandgefahr 21, 49 Brandverhalten 21 Breitenverbindung 89, 91, 96, 113, 129 Brettsäger 54 Brettverbindung 92, 95 Bronze, Bronzewerkzeug 121, 122, 300, 301 Bronzehülse 301 Bronzesockel 279 Bronzezeit 75, 113, 121, 129 Brücke 10, 10, 16, 18, 29, 34, 42, 49, 61, 61, 63, 63, 64, 65, 133, 137, 239, 289, 289, 290 Brückenmodell 65 Brückenpfeiler 289, 289 Brustblätter 165 Brüstung 108, 110, 110, 152, 236, 236 Brüstungszapfen 88, 110, 165, 234, 235, 236, 237, 239 Buddhismus 32, 268, 302, 303 Buddhistenverfolgung 266, 272, 273 Bundaxt 71, 127, 128 Bundbalken (siehe: Binder) Bündigkeit 90, 91, 95 Bundtram (siehe: Binder) Bundwerk 154, 239 Bundwerkgiebel 154 Bundwerkstadel 105 cai 298, 299 chigaidana 65 chigiri tsugi 239

chuandou 268, 269, 270, 271, 275 chona 70, 71, 119, 121, 127 crownpost 186, 187 cruck-Dach, cruck-Konstruktion 47, 50, 51, 52, 160, 187 da muzuo 302 Dachhaut, Dachdeckung 43, 48, 53, 180, 193, 194, 217, 219, 220, 300 Dachkonstruktion 45, 46, 57, 57, 60, 64, 106, 125, 125, 126, 155, 165, 175, 184, 185, 192, 193, 196, 197, 203, 231, 240, 268, 271, 274, 275, 275, 279, 283, 292, 300, 300 doppelschalige D. 134, 193 Dachlast (Last des Daches) 55, 62 Dachneigung, Dachschräge 193, 274, 275, 277 Dachschräghölzer 48, 52, 99, 116, 120, 165, 176, 183, 271, 277 Dachschwung, Dachkontur 280, 293 Dachstuhl 34, 57, 59, 61, 64, 104, 106, 129, 133, 185, 186, 189, 231, 235, 236 daibutsuyō 155, 157, 159, 159, 174, 175, 203, 207, 281 daikoku bashira 165, 165, 166, 241 daiku 58 daimochi tsugi 234 daisen 166, 167, 236 daito 201 Danzigtanne 34 Dauerhaftigkeit 32 Dechsel 70, 71, 121 Deckungsmaterial (siehe: Dachhaut) Dekor, Dekoration (siehe: Verzierung) Dendrochronologie 8, 165 Deutschhaken 144 Diagonalaussteifung, -verstrebung 279, 283, 285, 285, 287, 288, 294 diaojiaolou 270 Dichtheit der Rinde 37, 39 Dichtheit der Wand 82, 97, 142, 143, 219 Dingungsschreiben 61 Dippelbäume 26 dogu 68 Dong-Minderheit 268, 269, 270, 279 dou (siehe: Konsolenblock) dougong 276, 279, 290, 290, 291, 292, 292, 293, 293, 294, 295, 295, 296, 296, 297, 299, 299, 301 doukou 297, 298 Doppelrundhäuser 113 Doppelwand, geflochtene 113 dozuki 92, 95 dragjärn 130 Drehwüchsigkeit (siehe: Holz, drehwüchsig) Druckblatt 88 Dübel 34, 68, 145, 148, 155, 166, 253, 274, 292, 294 Dübelsicherung 150

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Dübelverbindung 294 durchzapfen (siehe: Zapfenverbindung) Ebenholz 241 Eckausbildung mit oder ohne Vorkopf 99 Eckkamm 97, 98 Eckpfosten 79 Ecksäule, -stab, -stiel, -ständer 11, 20, 72, 79, 86, 122, 132, 138, 156, 173, 214, 214, 215, 216, 228, 274, 276, 291, 292, 293, 293 verdoppelte Ecksäule 302 Eckverbindung 89, 91, 95, 95, 129, 142, 215, 223, 225, 254 bündige E. 90 gezinkte E. 58 Eckvorkragung 107, 173 Edelkastanie 36, 37 Edo-Zeit 33, 36, 65, 76, 247, 251, 257, 260, 261 Eibe 34 Eiche 23, 32, 33, 34, 36, 36, 37, 44, 55, 78, 227, 228, 231 Eigengewicht der Balken 142, 146, 186 Einbinden einer Zwischenwand 76, 148, 148, 150, 150, 255 Einbindung der Änse 149 Einfirsthof 16 Einhälsung 89, 110, 121, 153, 162 umgedrehte E. 214, 215, 287 Einheit (siehe: cai) Einhof 18 Einzapfung (siehe: Zapfenverbindung) Eisen 57, 57, 85, 122, 130, 192 Eisenbänder 55, 96, 233, 299, 300 Eisennagel 64, 233 Eisenwerkzeug 128 Eisenzeit 36, 121, 122, 134 engawa no keta 92, 157, 157 Entlastung der Verbindung 184 Entlastungssäulen 34, 35, 228 Entwässerungsprinzip 48 Entwicklung der Mehr­ geschossig­keit 170 Entwicklung vom Pfosten- zum Ständerbau 79 Erdbeben 44, 100, 155, 211, 274, 275, 280, 289, 292, 293, 294 Erle 32, 36 Eschenholz 119 Fachwerk, Fachwerkbau, Fach­ werk­haus 11, 14, 30, 31, 33, 37, 44, 79, 80, 82, 88, 128, 180, 227, 241, 248, 258, 259, 270 Fachwerkträger 154 falscher ang (siehe: ang) Falz, fälzen 89, 92, 123, 225, 234, 236 Farbabweichung 10 Farbkasten 71 Faserrichtung, Faserverlauf 16, 26, 52 Fasersättigungsfeuchte 21 Fassade 30, 45 Feile 67 fen 298, 298

fengshui-Baum 278 Fersenversatz (siehe: Versatz) Feuchtigkeit 23, 23, 30, 54, 80, 251 Feuchtigkeitsgehalt 20, 279 Feuchtigkeitsschutz 80, 136, 276 Feuer (siehe: Brand) feuerfest 118, 134 Feuersteinaxt 121 Fichte 16, 33, 34, 35, 37 Fichtenrinde 39 Figurenschrot 254 findalslaft 143 First 52, 122, 170, 176, 177, 180, 192, 251, 269, 277, 278 Firstabdeckung 102, 124, 125, 126 Firstlinie 193, 277 Firstpfette 59, 94, 120, 124, 126, 147, 149, 176, 176, 178, 182, 184, 271, 272, 273, 296 Firstsäule, Firstständer 149, 149, 165, 176, 182, 183, 185, 190, 231, 296 Firstsäulenhaus 170, 231 Firststange 226 Firstträger 64 Flächenverbindung 91 Flechten, Flechttechnik 82, 113, 116, 140, 140, 149 Flechtfüllung, -werk, Geflecht 36, 36, 82, 82, 112, 120, 227 geflochtene Doppelwand (siehe: Doppelwand) geflochtener Giebel 115 geflochtenes Haus 115, 228 geflochtener Rauchfang 118 unverputztes Geflecht 116 verputztes Geflecht 116, 118 Flechtwand 78, 112, 116, 140, 141 zweischalige F. 140 flößen 23, 68 Flugrofen 92, 193, 201, 207, 250, 277 Föhre (siehe: Kiefer) Fortifikationsbau 134 französisches Schloss 236, 236 Fugenkeil 123 Fugennagel 123, 123 schräger F. 123, 217, 218 fügen 89, 130 Fundament, Fundamentstein 23, 24, 130, 131, 275, 276, 278, 291, 292, 299 fusuma 260, 264 Fußband 82, 102, 154, 154, 176, 191, 258 Fußende des Holzes (siehe: Wurzelende) Fußpfette 48, 57, 64, 80, 92, 120, 196, 201, 249, 270, 271, 275, 278, 290, 290, 291, 293, 295 Fußwalmdach 276, 283, 291 Gabelhölzer, Gabelpfosten, Gabelstütze 42, 50, 50, 51, 89, 120, 120, 135, 176 Gabelstützenverbindung ganlan 269 Gebälk 108 Gebinde 52, 160, 160, 162, 183, 192, 193, 268, 269 Gebindebauweise 160, 160, 268

Gefach, -füllung 37, 80, 82, 82, 116, 241, 258, 259 Geflecht (siehe: Flechtfüllung) Geheimhaltung, Geheimniskrämerei 61 Gehrung, Gehrungsstoß 22, 62, 95, 95, 224, 225, 251, 257 Geißfuß 72, 72 gekrümmte Wand 78, 141 Gerber 239 Gerüst 133 Gerüstbau, Skelettbau 78, 80, 109, 116, 133, 268, 269, 277 geschäftete Verbindungen, Schäftung 90, 92, 251 geschnürte Verbindungen (siehe: verschnüren) Geschossbau 170 Gespärre, Vollgespärre 45, 57, 107, 128, 181, 186, 187, 191, 191 binderloses G. (siehe: Leergespärre) gesperrte Sparverschränkung 99 Gestellsäge 128, 302 Getreidespeicher 49, 85, 108, 168, 254 Giebel 49, 62, 62, 64, 148, 172, 180, 241 geflochtener G. 148 Giebelbretter 62 Giebeldreieck 122, 148, 149 Giebelstangen 227 Giebelüberstand 212 Gitterträger 154 Glockenturm 16, 56, 101, 102, 138, 151, 153, 233, 234 gong 267, 290, 291, 292, 293, 295, 297, 298 Gongbu gongcheng zuofa 298, 298 Gotik, gotisch 53, 57, 183, 188, 239 Grassoden 39, 226 Grat 193, 195, 236 Hochziehen des G. 207 Gratabdeckung 20 Gratleiste 89, 96 Gratrofen 193, 280 Großmutterhalle 267, 268, 277, 277 Grubensäge 129 grün verbautes Holz 18, 20, 22, 34, 106 Gurtbogen 64 H-Schrot 254 hagi 96 Hainbuche 44 Haken 98, 144, 145, 225, 234, 236 nicht sichtbare H., verdeckter H. 102, 102, 145, 190 Hakenblatt 16, 88, 106, 110, 224, 225, 237, 251, 282 mit Brüstungszapfen 234 mit Steckfalz 92, 234 schräges H. mit Keilen 236 Hakenblattüberkämmung 97, 129 mit einseitigem oder zwei­ seitigem Ausschlag 98 Halbholz 20, 78, 79, 219, 221 halbierte Stämme 228

Hallenhaus, Hallenhausgerüst 160, 165 Hals (siehe: Verbindungshals) Hammer 54, 67 hammer beam 187, 240 hammer beam roof 52, 53, 238, 239, 240 hammerheaded key tenon 239 Han-Dynastie 266, 268, 270, 290, 290, 291, 292, 301, 302 Handsäge 75 Handsäger 54 hanegi 196, 197, 198 Hängebock 134 Hängefuß (siehe: diaojiaolou) Hängekonstruktion, Hängewerk 176, 192, 196 hängendes Dach 180 Hängesäule 10, 12, 56, 57, 57, 58, 63, 103, 104, 106, 154, 185, 186, 189, 190, 191, 191, 192 Hänge-Sprengwerkkonstruktion 63, 106, 107 Hängestreben 191 Harpfe 216, 217 Hartholz 33, 36, 67, 68, 75, 76 Hartholzbearbeitung 125 Haselnuss 36 Haspel 71 Haubargständer 211 Hausgerüst 160 Hebelarm 283, 293 Heidenbalken 149 Hemudu-Kultur 301 Heuberg (siehe: Rutenberg) hinoki 35 Hirnholz 23, 25, 26, 46, 89, 122, 141, 145, 149, 213, 214, 221, 223, 248, 251, 253, 254, 254, 255, 257, 278 verstecktes H. 257 Hirnholz der Nägel 125 Hirtenhütte, Hirtenunterstand 114 hisashi 192, 193, 193, 196 hisashi-Säulen 192, 196 Hobel 59, 67, 68, 70, 70, 72, 129 Hochmittelalter 127 Hochrähmkonstruktion 55, 62, 160, 161, 162, 162, 165, 269 Hochwasser 49 Hofhaus 270, 277 Hohleisen 127, 130 Hollerbaum 39 Holz aufschneiden 12, 129 beschlagen 98 drehwüchsig 10, 16, 16, 102 geradwüchsig 16 gehackt 26, 26, 37, 52, 53 gesägt 26, 26, 52 gespalten 16, 18, 39, 219 handgehobelt 26 liegend verbaut 11, 22 linksgängig 16 maschinengehobelt 26 mitsonnig 16 nachsonnig 16 radial gespalten 228 rechtsdrehwüchsig 16 schlägern 18, 23 spaltbares 233 stehend verbaut 11, 22 Holz und Wasser 21, 23, 26, 27, 31, 46, 80, 80, 135, 142, 143,

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212, 213, 214, 216, 216, 217, 219, 264 Holzanker 125 Holzbrücke (siehe: Brücke) Holzdichte 16 Holzfäller 76 Holzfasern 129 Holzfaserverlauf (siehe: Holzrichtung) Holzkirche (siehe: Kirche) Holzlängen 232, 234 Holznagel (siehe: Nagel) Holznagelverbindung 20, 104, 122 Holzoberfläche 72 Holzrichtung 17, 26, 70, 94, 149 Holzschutz (siehe: Schutz) Holzskelett 120 Holzsockel 276 Holzsparkonstruktion 239 Holzstärke 232 Holzzaun (siehe: Zaun) Holzzelle 26 hozo-sashi 95 hygroskopisches Gleichgewicht 104 inago zashi 96, 96 Insektenbefall (siehe: Schädlingsbefall) Isolationsschicht (siehe: Dichtheit der Rinde) isuka tsugi 75, 251, 252 itakura 137 Jahresringe 11, 33 Japanischer Stil 155 Japanisches Dach 183 jian 267, 272, 280, 282, 297 Jin-Dynastie 266, 278, 282, 295 Joch (siehe: jian) Jomon-Periode 119 Jomon-sugi 228 Jungsteinzeit 36, 79, 116, 119, 120, 120, 132, 138, 213, 228, 302 Jupiterschnitt 97, 236, 236 Jurchen 295 kabuto ari kake 92 kai-no-kuchi tsugi 92, 233, 233 Kaiserstiel 231, 233, 234 kake 92 kakezukuri 157, 249 kakikomi 95 kakushi ari 95 kakushi kanawa 261 kama 95 kama tsugi 92, 165, 237, 239 Kamm, Kammverbindung (siehe: Verkämmung) Kampferbaum 12, 278 kanawa tsugi 235, 236, 261 Kantholz 54 Kantholzverbindung 92 kara matsu 35 Kathedrale 62, 154, 168, 186, 189, 232, 233 Kathedralen des Holzbaus 232 kawa 261, 264 kayaoi-no-tsugite 92 Kegelwand 148, 149, 150 Kehlbalken 45, 47, 52, 55, 88, 106, 129, 184, 185, 186, 186, 187, 190, 190, 191, 192, 240

Keil 57, 68, 108, 123, 124, 126, 157, 162, 165, 182, 190, 234, 236 verdeckter K. 87 Keilbohle 80, 81, 82 Keilzinkenverbindung 90 Kernholz 16, 19, 20, 34 Kernholzzellen 21 Kernseite 20 keshō daruki 194, 198 keyaki 37, 37 Kiefer, Föhre 17, 32, 33, 34, 35, 55, 121, 231, 239, 261, 264, 278, 279 Kiefernrinde 264 kinning 143, 143 Kirche 11, 22, 26, 27, 34, 35, 42, 53, 55, 57, 59, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 78, 79, 82, 86, 86, 96, 98, 125, 128, 128, 134, 140, 140, 141, 141, 144, 145, 147, 150, 152, 185, 186, 192, 214, 227, 228, 231, 235, 239, 240, 256 Kirchenbau 42, 55, 57 Kirchenburg 63 Kirchendachstuhl 85, 134, 154, 183, 185, 186, 188, 189, 190, 191, 232 Kitayama sugi 16 Kitting 124, 134 kiwari 58 kiwari jutsu 61, 208 Klaue 89, 91 Klebedach 27 Klingeisen 130 Klingschrot 61, 97, 130, 130, 145, 253, 254, 255 Klöpfel 67, 71 Knagge 37, 48, 48, 108, 132, 159, 165, 172, 173 Knaggenbündel 173 Knaggenverriegelung 173 Kniestock 184 knut timra 119 kodama 12 koguchi kakushi 257, 257 komisenkama 157 Kondenswasser 301 konehozo shachisen 166, 167 Koniferen 33 Konsole 58, 72, 151, 152, 173, 175, 196, 197, 201, 204, 207, 256, 272, 273, 288, 290, 292, 293, 298 Verschneidung dreier K. 173 Konsolenband 173 Konsolenblock 62, 62, 94, 95, 201, 202, 203, 267, 290, 291 Konsolenbündel, Konsolkomplex 17, 196, 200, 201, 201, 206, 207, 273, 285, 289, 290 Aufteilung der K. 203 Kopfband 50, 50, 51, 82, 89, 154, 154, 162, 164, 165, 172, 186, 211, 246, 258, 260 Kopfschrot 135 koshikake kama tsugi 100 Kräfteverteilung 225 Kraftübertragung 160 Kragarm (siehe: Konsole) Kragkomplex, Kragsystem (siehe: Konsolkomplex) Kreissägeblätter 76 Kreuzaxt 125

kreuzförmiger Einschnitt 135, 137, 214 Kreuzverbindung 89, 91 Kreuzzapfen 216, 216, 233 krumm gewachsenes Holz, Krümmling 10, 14, 14, 33, 44, 44, 47, 48, 49, 50, 52, 53, 247 kuchihiki 130 Kugelschrot 254, 255 Kulturrevolution 266 künstliche Trocknung 20 kura 136, 137, 155 kuri 36 kverke 143 kyoro gumi 160 langfaseriges Holz 33, 68 Langholz 89, 103, 104, 162, 255 Längsverbindung 89, 91, 92, 217, 233, 234, 236, 237, 250, 262 zweigeteilte L. 250, 250 Lappenzelt 487 Lärche 20, 34, 35, 37 Lärchenrinde 37 Last der Stuhlsäulen 184, 189 Last der Traufe 175 Last der Wand 201 Last des Balkens 190 Last des Daches (Dachlast) 46, 177, 183, 189, 214, 251 Lastabtragung 186 Lastverteilung 103, 212, 283 Lastverteilungshölzer 196, 290, 291, 302 Laubengang 212, 212, 215 Laubholz 33, 36 Leergespärre 45, 57, 185, 186 Legschindelbrett 219 Lehm, Lehmziegel 37, 82, 116, 226, 266, 268, 276, 278, 280 Lehmbau 148 Lehmmantel 30, 134, 134, 135, 248, 285 lehmverputzt 30, 228, 248 Licht 277 liegender Stuhl (siehe: Stuhl) linksgängig (siehe: Holz, l.) Loch 11, 72, 75, 100, 217, 270, 302 Loch- und Zapfenverbindung 121, 123, 213 loft 14, 63, 85, 136, 149, 213, 216 Lößboden 266 Lot 71 Lu Ban jing 278, 299, 303 Luftfeuchtigkeit 21, 23, 104, 221, 268, 271 luftige Verzimmerung 30, 30, 123, 142 Lufttrocknung 20, 22 Lüftungsöffnung (siehe: ­Belüftung) Luftzirkulation 23, 221, 222 ma 58 mado 58 magusa 58 ma-ki 36 makito 201 Malschrot 254 Mannfigur 154 Mantelmauer 226 Mark 20, 21, 21 Maserung 37, 39

matsu 34, 261 Mauerbank 191, 192 Maulbeerbaum 278 mawari amado 85 mechigai kama tsugi 239 medrag 130 Meiji-Ära 65, 69, 133 Meisterwitz 261 Memeltanne 34 Messer 70 Ming-Dynastie 266, 279, 294, 296, 299, 299, 300 minka 15, 31, 33, 34, 39, 43, 48, 76, 80, 102, 116, 126, 165, 182, 196, 212 mitsonnig (siehe Holz, m.) Mittelalter 43, 58, 79, 102, 106, 113, 116, 128, 155, 170, 175, 184, 227, 232, 239, 246 Mittelpfette 177, 178 Mittelsäule der Pagode 22 miyadaiku 59 Miyajima-tsugi 92, 251 Möbelbau 302 Modell 63, 65, 132, 257, 262, 263, 271, 278, 290, 290, 291, 294 mokoshi 193, 197, 207 Mongolenherrschaft 282 Monsunregen, Monsunzeit 268, 270, 271 Mosuo 267, 277 moya 192, 193, 193, 196, 207, 209 moya-Säulen 192, 193, 196 mu jiang 302 mune fuda 59, 60 Münster 185, 233, 234 Muromachi-Zeit 70 Mustervorlage 174 nachsonnig (siehe: Holz, n.) Nadelholz 16, 35, 36 Nagel 34, 46, 57, 68, 104, 104, 122, 123, 123, 124, 126, 154, 155, 162, 165, 180, 190, 217, 236, 248, 253, 253 gedrechselte N. 253 Nagelschindeldach 219 naijin keta yuki gagyou tsugite 95, 96 nanmu 278 Neolithikum (siehe: Jungsteinzeit) Niederschlag (siehe: Witterung) nimaikama 157 noboribari 184 noboribari-gumi 183 nodaruki 194 Nordseite des Holzes 16, 20 noyane 193 nusumi geiko 69 Nut, nuten 14, 20, 26, 31, 48, 53, 62, 72, 80, 80, 86, 100, 129, 149, 150, 150, 267, 292, 297 V-förmige Querschnitt 20 W-förmiger Querschnitt 150 Nut- und Federverbindung 89, 91, 219 Nut- und Zapfenverbindung 80 Nutenzieher 14, 129 Nutschindel 129, 217, 219, 219 Nutschindeldach 219

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Oberrähmkonstruktion, Oberrähmzimmerung 160, 161, 165, 182, 187 odaruki 175, 201, 202, 207, 293 oire 95 oire ari kake 92 ōkabe 118 okkake 92 okkake daisen 236, 237 okuri-tsugi 94 orioki gumi 160 Ornamentik (siehe Verzierung) Ortgang(bretter) 62, 249, 251, 257 Ortgangverbindung 251 osa-jogi 130 Pagode 22, 92, 168, 175, 224, 225, 228, 233, 266, 278, 287, 287, 288, 288, 289, 295 Pagodensäulen 233 Palast, Palastbau 271, 275, 277, 279, 280, 294, 297, 299 Palisadenwand 78, 79, 133 Pappelholz 37 Pfette 43, 157, 176, 183, 193, 196, 207, 268, 268, 269, 269, 270, 271, 272, 273, 275, 277, 278, 278, 279, 282, 283, 293, 296 zweigeteilte P. 157 Pfettendach 47, 176, 176, 178, 180 Pfosten 21, 23, 23, 79, 79, 80, 108, 118, 135, 136, 153, 154, 160, 165, 178, 211, 234, 269 Pfosten- und Balkenkonstruktion 192 Pfostenbau 80, 89, 137, 281 Pfostenfußerneuerung 216 Pfostenloch 23 Pfostenspeicher (siehe: Speicher) Pfosten-Stangenwand 119, 120 Pilzbefall (siehe: Schädlingsb.) Plattform 275, 276 Plotnik 116 Podest (siehe: Plattform) polygonale Bauten 43, 140, 141, 151, 210 Powal 27, 141, 141 Präfabrikation 298, 300 Proportion 10, 61 Proportionsgesetz 58 Pultdach(aufhängung) 27, 132, 270, 271, 273, 276, 278, 280, 287 Putzträger 39, 123, 124 Quellen des Holzes 37, 54 Querverbindung 91 Querschnitt 18, 60, 98, 107, 148, 250, 269, 269, 273, 273, 274, 282, 293, 294, 296, 297, 298, 299, 300, 300, 302 dreieckiger Q. 145 halbkreisförmiger Q. 255 halbtonnenförmiger Q. 255 korbartiger Q. 141 quadratischer Q. 145 rechtwinkliger Q. 160 runder Q. 160, 214 sechseckiger Q. 145 trapezförmiger Q. 137, 216 trogartiger Q. 221

vermeintlich rechteckiger Q. 207 Querschnittsdimensionierung, -maß 10, 166, 232, 297, 298 Querschnittsreduzierung, -schwächung 103, 110, 173 qiau 267 Qing-Dynastie 267, 276, 277, 278, 279, 279, 294, 297, 298, 299, 299, 300 Radiokohlenstoffdatierung 288 Rähm, Rähmbalken, Rähmholz 22, 25, 55, 55, 79, 88, 92, 109, 110, 132, 137, 153, 155, 160, 160, 162, 162, 165, 170, 170, 182, 185, 186, 227, 236, 237, 267, 275, 296 Rähmecke 225, 225 Rahmenbauweise 160, 160 Rähmkranz 122 Rähmverbindung 110, 236 ranma 260 Rätselverbindung 261 raulandslaft 143 Regenbogenbalken 192 Regenperiode (siehe: Monsun­ regen) Regentür 26, 85 Reibungswiderstand 142, 253 Reparaturverbindung 91 Repräsentationsbau 271, 275, 277, 290, 298 Resonanzfichte 37 Riegel 25, 27, 79, 82, 155, 157, 157, 166, 178, 186, 186, 192, 241, 248 Riegelwand 116 Rigatanne 34 Rinde 17, 20, 239, 240, 261 ringeln von Holz 17, 18 Risse 102 Robinie 279 Rofen 24, 43, 58, 99, 176, 177, 192, 193, 196, 201, 203, 207, 250, 277, 278, 278, 280, 281, 283, 301 Aufhängung der R. 124 fächerförmig (radial) verlegte R. 203, 204, 207, 208, 209 nicht sichtbare R. 194, 196 paarweise angeordnete R. 122, 176 parallel verlegte R. 207, 209 sichtbare R. 92, 194, 196 Romanik 186 Römerzeit, römisch 71 rumänische Kammer 86 runde Bauten (siehe: polygonale B.) Rundholz 54 Ruten 82 Rutenberg 87, 87 Rutengeflecht (siehe: Flechtfüllung) ryokan 44, 45 ryusui-tsugi 92, 260, 260 saftfrisch verzimmern (siehe: grün verbautes Holz) Säge 26, 26, 52, 53, 54, 67, 69, 70, 74, 75, 76, 121, 128, 129, 130, 147, 236, 302 Absetzsäge 302

Einmann-Säge 302 Furniersäge 302 geschränkte S. 70, 75 gläserne S. 246 Grubensäge 302 Handsäge 302 Nutsäge 302 Stichsäge 302 ungerichtete S. 302 ungeschränkte S. 75 Säger 54 Sägezähne 75 Samurai-Klasse 36 Samuraischwert 68 sanpo zashi 165, 166, 167 saobiki dokko 166, 166 sao tsugi 165, 166, 166 sashizuke gumi 160 Sasse (siehe: Blattsasse) sasu-gumi 180 Satteldach 141, 149 Sattelholz 247 Säule 10, 20, 23, 30, 33, 35, 37, 58, 61, 93, 96, 103, 110, 110, 130, 132, 153, 154, 157, 158, 159, 160, 166, 168, 184, 189, 192, 196, 200, 201, 203, 213, 214, 225, 226, 234, 239, 257, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 276, 277, 278, 279, 280, 281, 282, 282, 283, 285, 287, 288, 288, 290, 290, 291, 292, 293, 293, 294, 295, 296, 296, 297, 298, 299, 299, 302 Neigung der Säule 274, 287, 294 zusammengesetzte Säule 299, 299 Säulenabstand, Säulenzwischen­ raum 267, 276, 280, 281 Säulenbasis, Säulenfuß 216, 275, 276 Säulenkapitell 61 Säulenkranz 270, 273, 279, 282, 287, 288 Säulenquerschnitt, Säulenstärke 285, 287, 297, 299 Säulenraster, Säulenstellung 267, 282 Säulenreihe 159, 192, 193, 273, 277, 287, 300 Säulenstabkirche 132 Säulenzapfen (siehe: Ständerzapfen) Schädlingsbefall 18, 20, 23, 32 Schäftung (siehe: geschäftete Verbindungen) Scheitholzhäuser 231, 232 Scherfestigkeit 10, 89, 102, 103, 190, 191 Scherfestigkeit von Holznägeln 104, 105, 180, 236 Scherfläche des Zapfens 103 Schersparrendach 44, 180 Scheune 11, 11, 20, 24, 30, 52, 55, 55, 80, 82, 100, 109, 140, 162, 182, 232, 232, 237, 268 Schiften 208 Schilfrohr 112 Schindel 20, 26, 27, 37, 182, 276 Schindeldach 91, 217 Schindeleisen 129 Schindelerzeugung 37

Schindelholz 16, 37 Schindelmacher 16, 129 Schlägerungszeitpunkt 18 Schleifstein 67 Schließen 26 Schlitz 100, 157, 157, 214, 269, 269, 302 Schlitz- und Zapfenverbindung 89, 119, 121, 123, 180, 269 Schloss 12, 168 Schmied 57 Schnabel 293 Schneelast 212 Schneestuhl 212 Schnitzer, Schnitzkünstler 72, 253, 258 Schnitzmesser 72 Schnürtechnik (siehe: verschnüren) Schrägarm (siehe: ang) schräge gong 295 schräger Balken 283 schräges Strebeholz 273 Schrägverbindung 89, 91, 94 Schrank der Säge 52 Schrauben 233 Schrein 10, 11, 36, 37, 58, 70, 87, 95, 136, 153, 154 Schreindach 43 Schrotsäge 76 schrumpfen, Schrumpfungs­ prozess (siehe: Schwinden des Holzes) Schub der Rofen 120, 178 der Sparren 162, 180 des Daches 55, 150, 180, 211 des Eckständers 16, 101 Schutz, Schutzverkleidung 22, 23, 24, 26, 27, 27, 28, 29, 30, 30, 38, 39, 49, 78, 80, 80, 82, 135, 141, 141, 157, 171, 201, 212, 214, 214, 216, 221, 257, 268, 269, 270, 271, 275, 276, 277, 277, 278, 278, 279, 302, 303 Schwalbenschwanz, -verbindung 61, 89, 92, 92, 97, 107, 110, 110, 122, 129, 132, 135, 155, 169, 186, 190, 192, 225, 239, 253 dreidimensionaler Sch. 253 einseitiger Sch. 102, 110 versteckter Sch. 95 Schwalbenschwanzdübel, zweiseitiger 21, 299 schwalbenschwanzförmige Balkenenden 62, 145 Schwalbenschwanzspundung 122 Schwalbenschwanzverblattung 129 Schwalbenschwanzzinken 95 Schwarten 239 Schwebeblatt 213 Schwellbalken 26, 33, 37, 49, 101, 102, 123, 135, 138, 145, 171, 173, 215, 216, 228, 235, 281, 281, 299 Schwellbalken-Ständer­konstruk­ tion 80 Schwelle 16, 25, 27, 34, 65, 79, 80, 80, 87, 106, 121, 137, 153, 154, 160, 172, 185, 213, 214,

320

214, 215, 216, 216, 225, 228, 278, 287 Schwellenecke 90, 214, 214, 215, 226, 226, 251, 257 Schwellenkranz 122, 136, 137, 290 Schwerthölzer (siehe: Verschwertung) Schwertkeilsicherung 148 Schwertschmied 68 Schwinden des Holzes 16, 21, 22, 37, 46, 55, 62, 62, 80, 104, 106, 135, 136, 137, 142, 143, 279 secret jointing 251 Sekundärsparren 187, 186, 191, 233 Senkelschere (siehe: Sparrenschere) Setzluft, Setzrecht, Setzung 21, 22, 22, 62, 62 shachisen 157, 165, 166, 225, 234, 236, 237, 251 Shang-Dynastie 279 sheng 267 shibori maruta 16 shiguchi 92, 94, 95, 166 shiho ari 261, 263 shiho kanawa 261 shiho matsu kawa 260, 261, 263 shiho-Verbindungen 261 shiho zashi 165, 166 shinkabe 108 Shinto-Heiligtum 20 Shintoschrein (siehe: Schrein) shinzuka-gumi 45, 182, 182 shiribasami tsugi 236 shoin-Stil 33 shoji 260 Sichelzapfen 89, 92, 95, 110, 201, 237, 239 sinkelaft 143 Skelettbau (siehe: Gerüstbau) slowakische Kammer 86 sogi 92 Sohlbänke 26 Sommerkirche 30 Song-Dynastie 266, 273, 278, 280, 281, 282, 283, 292, 293, 295, 296, 297, 298, 299 Spannriegel 47, 64 Spanschindel 53 Spanten 49 Sparren 11, 44, 45, 48, 52, 88, 99, 129, 129, 132, 132, 162, 180, 184, 185, 186, 187, 189, 190, 191, 192, 193, 232, 240 Sparrenanlängung 233 Sparrendach 176, 176, 180, 181, 186 Sparrendreieck (siehe: Gespärre) Sparrenfuß 182 Sparrengebinde (siehe: Gespärre) Sparrenknecht 61, 256 Sparrenkopf 28 Sparrenpaar (siehe: Gespärre) Sparrenschere 89 Spätgotik 20 Speicher 11, 13, 30, 116, 122, 134, 141, 185, 216, 253, 254, 291, 299 aufgeständerter S., hoch­ gestell­­ter S., Pfostens., Stützels. 46, 131, 134, 135, 135,

136, 136, 137, 153, 215, 216, 221, 221 Speicherstütze 137 Spießtanne 270, 278 Splint(holz) 19, 20, 20 Splintholzzelle 21 Splintseite 20 Sprengwerk 63 Spritzwasser 23, 275 Spundsäule 150 Spundung 80, 81 Stab (siehe: Ständer) Stabbau 22, 80, 228 stabbur (siehe: Speicher, aufgeständerter ) Stabkirche 10, 17, 18, 19, 20, 21, 26, 27, 30, 36, 48, 48, 49, 72, 80, 80, 89, 106, 123, 132, 132, 137, 137, 138, 139, 159, 160, 193, 213, 214, 216, 219, 219, 228, 239 Stabpolygon 63, 64 Stabwand 34, 82, 91, 219, 219 Stabzapfenverbindung 110, 157, 165, 166, 260 S. mit Keilsicherung 166 S. mit Steckfälzen, Brüstung und Keilsicherung 166 Stahl 68, 72, 75, 128, 232 Staken 82 Stall 10, 43, 123, 124, 239, 268, 269, 299 Stampflehmwand 266 Ständer 11, 12, 12, 13, 18, 19, 23, 24, 32, 35, 46, 46, 47, 49, 49, 55, 55, 78, 79, 80, 81, 94, 100, 100, 108, 109, 121, 122, 131, 135, 136, 137, 138, 139, 149, 150, 153, 153, 155, 155, 157, 157, 160, 160, 162, 165, 166, 169, 170, 171, 172, 173, 179, 183, 183, 184, 185, 186, 196, 204, 211, 213, 214, 215, 216, 216, 234, 234, 240, 241, 241, 249, 250, 257, 261 aufgeschlitzter St. 162, 269 Ständerbau 43, 46, 50, 79, 80, 81, 89, 123, 128, 141, 151, 153, 160, 214, 253, 268, 269, 270, 271 Ständerbohlenbau 137, 149, 150 Ständerbohlenwand 80 Ständerfuß 24, 153, 225, 262 Ständer(fuß)blatt 212, 215 Ständerfußerneuerung 217, 217, 260, 261 Ständergerüst, Ständer­konstruk­ tion 26, 82, 100, 122, 138, 227, 269 Ständerkopf 162 Ständerreihe 155 Ständerschale 212, 214, 215 Ständerschale an der Ecke 216 Ständerschlitz 157 Ständerzapfen 55, 110, 214, 215, 234 Standrofen 80 Stangenzaun 119 Stechbeitel (siehe: Stemmeisen) Stechzirkel 71 Steckfalz 89, 110, 165, 225, 233, 237, 239, 239 stehender Stuhl (siehe: Stuhl) stehendes Dach 180

Steigband 89, 184, 189 Stein 82, 226, 270 Steinbeil 119 Steinsockel 216, 275, 276, 276, 279 Steinwerkzeug 119, 121, 275, 300, 302 Steinzeit 34, 116, 121 Stemmeisen 67, 68, 70, 71, 72, 75, 121, 125, 127, 130 Stichbalken 187 Stichgebälk 170, 170, 171 Stiel (siehe: Ständer) Stockwerkbau 171 Stollenbauweise 58 Strebe 44, 82, 103, 190, 192, 248, 273, 283, 285, 287, 292, 296, 296 scherenartige S. (siehe: Andreaskreuz) sparrenparallele S. 184, 189, 190 Stroh, Strohdach, Strohdeckung 55, 182, 218, 249, 300 Stufenhobel 70 Stuhl doppelt stehender S. 176 liegender S. 55, 107, 176, 184, 186, 186, 191 stehender S. 55, 176, 178, 184, 184, 185, 186, 212 Stuhlrähm 186 Stuhlsäule 89, 100, 107, 178, 184, 185, 186 liegende S. 185, 186 stehende S. 188, 189, 190 Stuhlsäulenreihe 186 Sturz 121 Stütze (siehe: Ständer) Stützel 81 Stützelspeicher (siehe:Speicher) Stützenfinger 136 Stützenfuß (siehe: Ständerfuß) Stützenraster, Stützenstellung 273 Stützmauer 270 Südseite des Holzes 16, 20 sugi 35 Sui-Dynastie 281, 291, 293, 297 suitsuke zan 96 sukiya 14 sukiya daiku 59, 60 sukiya-Stil 33, 260 sumi isuka tsugi 252 sumikiri isuka tsugi 252 sumi tome ari 95 sumitsubo 71, 71 sval 27, 30, 82, 106, 137, 214, 216 tailiang 267, 268, 271, 273, 274, 275 Taisho-Ära 60 takakura 28, 194 Tang-Dynastie 272, 272, 273, 273, 276, 279, 281, 292, 295, 295, 299 Tanne 32, 33, 34, 35, 37, 239 Taoismus 268 Tatami 54, 61 Teehaus-Stil 14, 37, 59 Tempel, Tempelhalle 10, 11, 16, 17, 43, 58, 60, 70, 71, 72, 87, 95, 137, 164, 192, 218, 228, 232, 240, 268, 271, 272, 272,

273, 274, 275, 276, 276, 277, 279, 279, 280, 290, 290, 291, 292, 293, 294, 295, 299, 299, 302 Tempelbau 20, 62 Tempeldach 43, 193 Tempelsäule 20, 62, 127, 159, 228 Tempelschwelle 87 tenchi gongen zukuri 119 tenjo-no-sarubou-saobuchi-notsugite 92 teradaiku 59 Termitenbefall 21 Textur des Holzes 12, 35, 36, 37, 39, 70 Tiroler Haken 144 Tischler 57, 92, 95, 99, 125, 239, 251, 256, 257, 302 todasuke 95 toko bashira 241, 257 tokonoma 65, 247, 257 Tokugawa-Ära 65, 68, 260 tome 95 top notcher 302 torii 23 Transport von Häusern 11 Traufe 43, 47, 87, 174, 177, 177, 193, 194, 196, 197, 199, 203, 207, 212, 249, 257, 269, 272, 273, 274, 274, 275, 277, 279, 280, 280, 281, 283, 287, 290, 291, 292, 292, 293, 295 Traufenbrett 48, 92 Traufenecke 195, 205, 207, 208, 257, 257, 278 Traufenkante 43 Traufenkrümmung 207 Traufenlinie, gekrümmte 193, 277, 293 Traufenmitte 207 Traufentiefe 201 Traufhaken 48 Traufpfette (siehe: Fußpfette) Trocknung(sprozess) 16, 17, 20, 21, 21 Trocknungsschwund, Trocknungsspalt 278, 279 Trommelturm 270, 270, 271, 271 Tropenhölzer 33, 37 Tropfnase 28, 63 tsugi 92, 166 tsugite 92 tsukami-ari 95 Tungölbaum 279 tuojiao 283, 292, 296 Türrahmen(ständer) 21, 150 Überblattung 97, 99, 122, 154, 201, 216, 248, 292, 293, 294 Überdimensionierung 10, 21 Übergang vom Pfosten- zum Ständerbau 80 Überkämmung 97, 99, 136 Überzug 57 Ulme 32, 36 Umgebinde 26, 31, 227 Umgebindesäule 154 unka tsugi 260, 260 Unterrähmkonstruktion 127, 160, 161, 162, 162, 165, 182, 227 Unterstützungsholz 282

321

Unterzug 13, 47, 165, 170, 184, 185, 191, 196, 247 Ventilation (siehe: Belüftung) Veranda 27, 138, 213 Verbindung Abnagelung der V. 236 bündige V. (siehe: Bündigkeit) dreidimensionale V. 160 geschnürte V. (siehe: verschnüren) lösbare V. 92 männlicher Teil der V. 94, 165, 166 nichtbündige V. (siehe: Bündigkeit) unlösbare V. 87, 92 unsichtbare V. 100 weiblicher Teil der V. 89, 165, 166 winkelstabile V. (siehe: Winkelaussteifung) zweigeteilte V. 250 Verbindung auf Stoß 88, 90, 91, 92, 95 Verbindung des Blockbaus 91, 98, 121, 121, 122, 129, 130, 131, 142, 254, 288, 289, 290 Verbindung des Stabbaus 91 Verbindung des Tischlers 92 Verbindung für Zugbelastung 89, 190 Verbindung mit kurzen Zapfen 92 Verbindung mit langen Zapfen 92 Verbindung von Rähm und Binder 162 Verbindung Zapfen – Zapfenloch (siehe: Loch- und Zapfen­ verbindung) Verbindungsart 89, 91, 92, 95 Verbindungsform 89, 91, 92 Verbindungsfuge 130 Verbindungshals 91, 143, 146 Verbindungsknoten 102, 106, 107, 109, 159, 169, 185, 186, 186, 223, 240 Verbindungsknoten StänderRähm-Balken 161 Verbindungsknoten von Ständer und Rähm 55, 108, 109 Verbindungslage 90, 91 Verbindungsmodell 92 Verbindungsquerschnitte 110 Verbindungsrichtung 91 Verbindungswange 142 schräge V. 143 Verblattung 97, 98, 99, 137, 138, 190 verbrettern (siehe: Schutz) verdeckte Scherzapfen 224 verdrehen 16, 17, 20, 34, 54, 102, 104, 108 Verdübelung 63, 103, 221 Verformungswiderstand 32 Verfügbarkeit 32, 42 Verhakung 97, 98 Verkämmung 88, 91, 95, 97, 98, 132, 162, 172, 173, 174, 186, 201, 292, 294 Verkeilung 103, 221, 236 Verkleidung, Verschalung (siehe: Schutz) Verlegungsrichtung der Schindel 219

Versatz 89, 91, 102, 103, 104, 180, 260 Fersenv. 103, 103, 190 Stirnv. 103, 103 Stirnv. mit Zapfen 94 vervielfachter V. 102, 258 Verschalung (siehe: Schutz) verschindeln (siehe: Schutz) verschnüren 37, 116, 117, 118, 120, 121, 300 Verschränkung 78, 90, 97, 98, 99, 102, 122, 135, 141, 151 Verschränkung mit dichter Fuge 98 dichte V. mit Vorkopf 98, 99 dichte V. ohne Vorkopf 98 hakenblattförmige V. 144, 144 schwalbenschwanzförmige V. 143, 144, 144, 253 Verschwertung 82, 153, 153, 154, 170 versteckte Rofenkonstruktion (siehe: Rofen, nicht sichtbare) verstecktes Dach 11, 176, 193, 196, 197, 207 Verstrebung 10, 11, 44, 50, 82, 104, 148, 153, 154, 155, 156, 159, 173, 186, 211, 233, 246, 246, 270, 282, 288, 296 Diagonalv. 100, 155, 165, 186, 283, 287, 288, 294 Fußbandv. 153, 170 Horizontalv. 158, 159, 165, 191, 212, 234 kamelhöckerförmige V. 271, 272, 273, 282 Kopfbandv. 170 Längsv. 63, 106, 109, 110, 125, 160, 182, 183, 183, 186, 187, 191, 193, 240 Querv. 55, 107, 109, 110, 125, 126, 132, 160, 168, 183, 183 scherenartige V. 186 Zierv. 258 Verstrebung der Sparrengebinde 129, 186 Vertiefung 62 Verwindungssteifigkeit 162, 225 verzahnte Balken 63, 64, 102, 103 Verzahnung 103, 145 Verzapfung (siehe: Zapfenverbindung) Verzierung 26, 37, 44, 72, 72, 74, 105, 155, 171, 248, 248, 253, 254, 258, 258, 260 Verzinkung 97, 99 verdeckte V. 95 V. mit Schwalbenschwänzen 99 V. mit Vorholz 99 Verzinkungsbalken 149, 150 Viertelblattverband 99 Vollgespärre (siehe: Gespärre) Vollholz 20 „Vollholz“ 90 Vorholz 102, 108, 122, 142, 190 Vorholzlänge 180 Vorkopf 24, 102, 122 Vorlaube 27, 212 Wacholder 34 Wachstumsbedingungen 16 wagoya-gumi 109, 183, 183

wakare-tsugi 94, 95 Walmdach 274, 276 Wandfüllung 80, 82, 122, 280 Wandpfette (siehe: Fußpfette) Wandsäule 290, 291, 292, 292, 293, 293, 295 Wandschutz 276 Wandsicherung 150 warikusabi 166, 167 Warmkirche 30 Wasser (siehe: Holz und Wasser) Wasserdampf 193 watari-ago 95 wayō 155, 159, 175, 193, 201, 203 Weichholz 33, 67, 68, 76 Weide 36, 39 werfen (siehe: verdrehen) Wetterdächer 27 wetterfest (siehe: Witterungs­ beständigkeit) Wetterschutzbaum 27 Wetterseite 29 Wikingerburg 228 Wikingerschiff 48, 72, 228 winddicht (siehe: Witterungs­ beständigkeit) Winddruck 132 Windschirm 78, 113 Winkel der Dachneigung 217 Winkelaussteifung, winkelstabil 105, 106, 132, 132, 137, 155, 186 Winkeleisen 71, 71 Winkelverbindung 89, 91 Winterkirche 30 Witterung, Witterungseinflüsse 16, 23, 25, 27, 27, 28, 33, 55, 135, 141, 212, 217, 269, 287, 300 Witterungsbeständigkeit 37, 118, 157, 278, 287 Wohnhaus 266, 268, 269, 270, 271, 275, 276, 277, 291, 299 Wuchsanomalie 14 Wurzelende des Holzes 18, 19, 94, 184, 270 xiao muzuo 302 yariganna 70, 70, 71 yayoi 136 yayoi-Ära 137, 140, 146 Yingzao fashi 267, 278, 297, 298, 298, 299, 299, 302 yose-ari 96 Yuan-Dynastie 274, 282, 282, 283, 296, 296, 300 yukiai-tsugi 94 Zange (als Werkzeug) 67 zangenartig einbinden 118, 119, Zangensicherung 147, 148 132, 155, 159, 190 Zapfen 55, 57, 72, 86, 87, 89, 91, 100, 102, 103, 104, 104, 107, 110, 110, 121, 127, 128, 129, 132, 150, 155, 156, 162, 166, 173, 186, 190, 201, 214, 214, 216, 221, 225, 236, 270, 271, 278, 282, 299, 300 abgesetzter Z. 89, 127, 127, 211, 301 Doppelz. 225

dreieckiger Z. 225 durchgesteckter Z. 108, 123, 125, 160, 162, 211 Elastizität des Z. 211 keilförmiger Z. 190 schräger Z. 89 schwalbenschwanzförmiger Z. 155 stirnseitiger Z. 173, 225 verkeilter Z. 191 versatzter Z. 166, 186 Zapfenblatt 91 Zapfenkeil 125 Zapfenlänge 299 Zapfenloch 89, 125, 211, 214, 216, 234 Durchbohren des Z. 216 Zapfenohr 108, 162 Zapfenschloss(prinzip) 89, 108, 108, 109, 123, 124, 125, 128, 147, 162, 211 Zapfenverbindung 45, 55, 63, 68, 79, 80, 89, 95, 119, 121, 122, 125, 127, 132, 135, 153, 154, 154, 155, 158, 159, 165, 165, 185, 186, 189, 190, 197, 203, 204, 207, 213, 233, 234, 253, 258, 300, 320 Abnagelung der Z. 68, 253 schräg angeschlossene Z. 103, 103 versatzähnliche Z. 165 Zaun 36, 44, 46, 50, 118, 118, 119, 120, 121, 231, 231 Zeder 16, 35, 36 Zehentscheune (siehe: Scheune) Zeichnung (siehe: Textur des Holzes) Zeit der Frühlings- und Herbst­ annalen 300 Zeit der Fünf Dynastien 276, 295 Zeit der Streitenden Reiche 300 Zeltdach 37, 149 zenshūyō 43, 193, 201, 203, 204, 206, 207, 239 zenshūyō-Dach 208 Zentralachse 267, 280, 299 Zhou-Dynastie 290, 301 Ziegel 266, 267, 277, 280, 301 Ziegelfüllung 82 Ziehmesser 129 Zierschrot 254, 255 Zierverbindung 262 Zimmermannshaar 102 Zimmermannslehrbücher 65 Zimmermannszeichen 59, 59 Zirbelkiefer 37 Zopfende des Holzes 18, 19, 21, 94, 184, 228, 269, 270, 279, 282, 287, 292 Zugbalken 281, 282, 283, 287, 290, 292, 293, 296 Zunft 59, 60 zushi dodai sumi shiguchi 95 zweischalige Flechtwand (siehe: Flechtwand) zweischaliges Dach (siehe: Dachkonstruktion) Zwetschge 39 Zwiebelturm 141, 149 Zwiesel (siehe: Gabelhölzer) Zypresse 32, 35, 36, 278 Zypressenrinde 37, 38

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KL AUS ZWERGER

CEREAL DRYING RACKS CULTURE AND T YPOLOGY OF WOOD BUILDINGS IN EUROPE AND EAST ASIA

Klaus Zwerger, CEREAL DRYING RACKS. CULTURE AND T YPOLOGY OF WOOD BUILDINGS IN EUROPE AND EAST ASIA, mit einem Vorwort von Hermann Kaufmann, 2020, 360 Seiten, 24 × 30 cm, ISBN 978-3-0356-1930-0.