Das Habsburger-Trauma: Das schwierige Verhältnis der Republik Österreich zu ihrer Geschichte 9783205792444, 9783205789178

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Das Habsburger-Trauma: Das schwierige Verhältnis der Republik Österreich zu ihrer Geschichte
 9783205792444, 9783205789178

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Clemens Aigner · Gerhard Fritz · Constantin Staus-Rausch (Hg.)

DA S H A BSBU RGE R-T R AU M A Das schwierige Verhältnis der Republik Österreich zu ihrer Geschichte

2014 Böhl au Ver l ag Wien Köln Weim a r

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Redaktion: Elisabeth Fritz-Hilscher Korrektorat: Michael Supanz Umschlag-Illustration: Prof. Gerhard Gepp Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-78917-8

Inhalt

Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dieter A. Binder Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Rudolf Logothetti »Nicht geschossen ist auch gefehlt« . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Eva Demmerle Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Norbert Leser Die Angst der Sozialdemokratie vor der Rückkehr der Monarchie – oder – Das Habsburgerbild in der österreichischen Gesellschaft und Politik nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . .

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Peter Parenzan Was blieb vom Hause Österreich an Kunst und Kultur  ?. . . . . . . .

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Gerhard Jelinek Das Habsburg-Bild in den Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Roland Girtler Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute. . . . . . . .

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Manfried Welan Österreich und das Haus Habsburg. Betrachtungen eines Dieners der Zweiten Republik. . . . . . . . . .

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Inhalt

Karl Habsburg-Lothringen Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft. . . . . . . . . . . .

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Die Geschichte der K.Ö.L Maximiliana. . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Geschichte der Österreichischen Akademien . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Im Jahr 2018 wird die Republik Österreich ihr 100-jähriges Bestehen feiern, ein Jubiläum, das gleichbedeutend mit dem Gedenken an das Ende jener Staatsform ist, die Österreich seit seinen Anfängen begleitet hat  – die Monarchie  – anfangs unter den Babenbergern, seit der denkwürdigen Schlacht von Dürnkrut und Jedenspeigen 1278 unter den Habsburgern. Vor allem unter der mehr als 600 Jahre dauernden Regentschaft der Familie Habsburg wurde Österreich zu dem, worauf bis heute seine kollektive Identität aufbaut, auf die noch so viele insgeheim stolz sind und durch die der Tourismus nicht zuletzt jedes Jahr beträchtliche Summen in die Kassen der Allgemeinheit einspielt. Dass in der Ersten Republik viele Menschen dieses neuen Landes ein zwiespältiges Verhältnis zur Monarchie und zu den Habsburgern empfanden, mag aufgrund der geringen historischen Distanz verständlich erscheinen. Doch auch in der Zweiten Republik wurde es bis jetzt verabsäumt, den Habsburgern im Selbstverständnis der Republik ihren historisch verdienten Platz zuzuweisen. Wesentlich dazu wäre ein unaufgeregter wissenschaftlicher Diskurs aller Pro und Contra dieser wesentlichen Epoche unserer Geschichte. Ein Abschluss dieses Historisierungsprozesses wäre schließlich erreicht, wenn die Mitglieder der Familie Habsburg (wie dies 1918 eigentlich abgestrebt wurde) weder privilegiert, aber auch nicht  – aufgrund der immer noch nicht aufgearbeiteten Habsburgergesetze  – in Teilen noch immer diskriminiert wären, sondern wie alle restlichen Staatsbürgerinnen und -bürger dieser Republik gleich vor dem Gesetz.1 1 Ein kleiner Durchbruch in letzter Zeit gelang in der durch Dipl.-Ing. Dr. Ullrich HabsburgLothringen »ertrotzten« Aufhebung des im Habsburgergesetz festgeschriebenen, real aber kaum zu handhabenden Kandidaturverbotes für »Mitglieder des Hauses Habsburg und aller ehemals regierenden Häuser«. Um diese Bestimmung korrekt exekutieren zu können, wäre eigentlich von allen Kandidaten ein großer Stammbaum zu verlangen gewesen, um eine evtl. auch dem/der Kandidat/in nicht bekannte Verwandtschaft überprüfen zu können.

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Vorwort

So unsicher und zwiespältig der Umgang der Republik Österreich mit der Familie Habsburg heute noch immer ist (nicht zuletzt hat sich das beim Begräbnis von Dr. Otto von Habsburg deutlich gezeigt, als kein Vertreter des offiziellen Österreich – wohl aus Angst, als Monarchist gelten zu können  – sich getraut hat, dem Europapolitiker Habsburg im Kondukt die letzte Ehre zu erweisen), so wenig scheut selbst das offizielle Österreich davor zurück, sich im Glanz der vergangenen und so sehr durch das Haus Habsburg aufgebaut und geprägten Großmacht zu sonnen. Man kann viele Beispiele finden  : Der Bundespräsident residiert  – in der Nachfolge der Kaiser – in der Hofburg 2, die Regierungen werden von ihm unter dem Bildnis und den strengen Blicken Maria Theresias angelobt, auch das restliche Staatszeremoniell der heutigen Republik unterscheidet sich nur durch wenige »typisch-republikanische« Marginalien von jenem der Monarchie. Die Touristenmagneten, allen voran das Schloss Schönbrunn, aber auch die Spanische Hofreitschule, die Kapuzinergruft und das Sisi-Museum lassen Österreich aus der Sicht der ausländischen Gäste als historisches Disneyland und als Operettenstaat erscheinen, der nur aus einer großen Vergangenheit lebt, aber den realistischen Blick auf die Gegenwart ebenso scheut wie die Entwicklung von Perspektiven für die Zukunft.3 Die Schere zwischen Emotion und Verklärung einerseits und der nüchternen Betrachtung der Realgeschichte andererseits klafft hier immer noch deutlich auseinander. Vor allem die Rolle der Familie Habsburg in der Geschichte Österreichs respektive Mitteleuropas ist weit davon entfernt, sachlich-kritisch diskutiert zu werden. Auch die hervorragenden Bücher von Karl Vocelka, mit Walter Pohl bzw. Lynne Heller 4  – jedes wissenschaftlich fundiert gearbeitet, aber populär geschrieben – konnten nur in geringem Maße zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen. Vielmehr erfreuen sich pseudo-historische Artikel und Teilveröffentlichungen populärer »Geschichten«-Bücher von Georg Markus oder Sigrid Maria 2 3 4

Gibt man im Internet  : www.hofburg.at ein, wird man auf die offizielle Homepage der Präsidentschaftskanzlei weitergeleitet. Sisi- und Franz Joseph-Badeenten, Sisi-Taler und die unvermeidlichen Kaffeehäferl mit Doppeladler müssen leider als »Leitfossilien« dieser skurrilen Entwicklung gesehen werden. Karl Vocelka/Walter Pohl, Die Habsburger. Eine europäische Familiengeschichte, hg. von Brigitte Vacha. Graz-Wien-Köln 1992. Karl Vocelka/Lynne Heller, Die Lebenswelt der Habsburger. Kultur- und Mentalitätsgeschichte einer Familie. Graz-Wien-Köln 1997. Karl Vocelka/Lynne Heller, Die private Welt der Habsburger. Leben und Alltag einer Familie. Graz-Wien-Köln 1998.



Vorwort

Grössing in den überregionalen Boulevardzeitungen größter Beliebtheit. So fügen sie sich wunderbar in das populäre Habsburg-Klischee ein, das in seiner operettenhaften Lieblichkeit keinesfalls von Fachleuten durch harte Fakten dekonstruiert werden soll  – »st  ! quaeso« inquit »ne me e somno excitetis, …« – »Pst  ! Bitte weckt mich nicht aus meinem Schlaf auf …«  !5 Der vorliegende Band stellt den Berichtsband des durch die Katholisch Österreichische Landsmannschaft Ma ximiliana veranstalteten Symposions zum »Habsburger-Trauma der Republik Österreich« dar, das vom 16. bis 18. März 2012 im Schottenstift in Wien stattfand und den Auftakt zu den Feierlichkeiten aus Anlass des 90. Stiftungsfestes war – die Idee zum Thema entwickelte sich letztlich aber aus den verschiedenartigsten Erlebnissen, die die Mitglieder dieser traditionsreichen Wiener Corporation im Zuge der Vorbereitungen und der Durchführung der Beisetzung von Otto von Habsburg im Sommer 2011 gemacht haben. Den Vortragenden der Tagung, denen wir an dieser Stelle ganz herzlich für die Zurverfügungstellung bzw. Überarbeitung ihrer Beiträge für dieses Buch danken, ist es damals vielleicht noch nicht ganz gelungen, dem kollektiven Habsburg-Traum(a) in der bald 100-jährigen Geschichte der Republik Österreich ein jähes Ende zu bereiten. Sie haben aber den Versuch unternommen, aus verschiedensten Blickrichtungen und ihrer subjektiven Sicht mit der Analyse bzw. der Dekonstruktion des vielfach gebrochenen Habsburg-Bildes der Republik Österreich zu beginnen, alles in der Hoffnung, Zuhörerinnen und Zuhörer sowie Leserinnen und Leser zu finden, die  – aus ihren unterschiedlichsten Perspektiven und weltanschaulichen Richtungen – diesen Weg weitergehen wollen. Danke auch an Dr. Peter Rauch und Dr. Ursula Huber vom Böhlau Verlag, Mag. Dr. Elisabeth Fritz-Hilscher für die redaktionelle Überarbeitung und Prof. Gerhard Gepp für die Umschlag-Illustration. Mag. phil. Clemens Aigner, MAS Mag. arch. Gerhard Fritz Constantin Staus-R ausch, BA

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Cicero, De re publica. Liber sextus  : Somnium Scipionis 12

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Dieter A. Binder

Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus

Vom Fresko in Schwarzgelb zum Fresko in Schwarz  : Die Christlichsozialen

Etwas mehr als zehn Jahre vor dem Auseinanderbrechen der Monarchie erzielten die Christlichsozialen bei den ersten Wahlen auf Grundlage des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes für Männer zum Reichsrat einen fulminanten Wahlerfolg.1 Durch die Integration in das »liberalistisch-kapitalistische Herrschaftssystem der Habsburgermonarchie […] wandelte sich die, wenigstens im Ansatz sozialreformatorisch orientierte Partei des Wiener Kleinbürgertums zu einer konservativen Reichs-Partei des deutschsprachigen, besitzenden, katholischen Bauern- und Bürgertums«, die zwar auch in das Milieu der unselbstständigen Handwerker eindringen konnte, jedoch innerhalb des immer noch wachsenden Potentials des Industrieproletariats weitgehend scheiterte.2 Eingebunden in die kaiserliche Regierung über die Minister aus ihren Reihen und in das Schattenkabinett des Thronfolgers Franz Ferdinand wurde aus der zeitweise beachtlich aggressiven Reformpartei eine Stütze der Macht und »Regierungsschutztruppe«.3 1

Zur Geschichte der Christlichsozialen vgl. Helmut Wohnout, Middle-class Governmental Party and Secular Arm of the Catholic Church  : The Christian Socials in Austria, in  : Wolfram Kaiser – Helmut Wohnout (Hg.), Political Catholicism in Europe 1918–1945. London-New York 2004, S. 172–194  ; Anton Staudinger – Wolfgang C. Müller – Barbara Steininger, Die Christlichsoziale Partei, in  : Emmerich Tálos et alii (Hg.), Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918–1933. Wien 1995, S. 160–176  ; John W. Boyer, Culture and Political Crisis in Vienna. Christian Socialism in Power, 1897–1918. Chicago 1995  ; ders., Political Radicalism in Late Imperial Vienna. The Origins of the Christian Social Movement, 1848–1897. Chicago 1981. 2 A. Staudinger – W. C. Müller – B. Steininger, siehe Anm. 1, S. 160  ; H. Wohnout, siehe Anm. 1, S. 181 f. 3 Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Wien 1994, S. 119.

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Dieter A. Binder

Die markante Wahlniederlage in Wien 1911 und das Führungsvakuum, das durch den im Jahr davor erfolgten Tod Luegers sichtbar geworden war, führten zur Dezentralisierung der innerparteilichen Machtausübung. An die Stelle der Wiener Dominanz traten nun die Führungseliten der mehrheitlich deutschsprachigen Kronländer, die weitgehend auf ihre regionalen Interessen fixiert waren und so auch nicht ansatzweise an der Lösung der gesamtstaatlichen Krise mitwirken konnten. Parteiintern machte sich dafür ein »Rekatholisierungsprozess«4 bemerkbar, der neben den eher vage werdenden sozialpolitischen Anspruch als eigentliches ideologisches Ferment einen dogmatischen Katholizismus setzte, der zunehmend die Handschrift der integralistischen Hierarchie trug. Die kämpferischen Kapläne der Frühzeit der christlichsozialen Bewegung waren in die Jahre gekommen und wurden zunehmend empfänglich für wohlwollende Gesten der Bischöfe, über die der Weg zum Prälatentitel führte. Ihnen folgte bereitwillig das charakteristisch schmale Segment der katholischen Akademiker vor allem im Wiener Raum. Bei Kriegsbeginn war die Christlichsoziale Partei also eine verlässliche Stütze von Altar und Thron, zu dem man aber im Verlaufe des sich »ausweitende[n] Kriegsabsolutismus« und den damit verknüpften »Maßnahmen gegen die Interessen der agrarischen und gewerblichen Bevölkerung, dem wichtigsten christlichsozialen Wählerpotential«, durch ­»rigorose Einberufungen zum Militärdienst«, durch »immer höhere Ablieferungsquoten« bei den Agrarprodukten und, damit eng verknüpft, durch die »schonungslose Requirierungspraxis« sowie durch die »zentrale staatlich beaufsichtigte Bewirtschaftung fast aller Grund- und Gebrauchsgüter« vor allem außerhalb Wiens auf Distanz zu gehen begonnen hatte.5 Die dezentralen Kräfte, die seit der Niederlage von 1911 die Partei charakteristisch formten, verlagerten den »Schwerpunkt der Christlichsozialen von der Reichshauptstadt […] auf die Länder, vom Kleinbürgertum zur konservativen Bauernschaft« und ließen 1918 einen »Antagonismus zwischen der Wiener ›Kerngruppe‹, die zunehmend stark von der Persönlichkeit Ignaz Seipels geprägt war, […] und den Bundesländerrepräsentanten« sichtbar werden.6 4 E. Hanisch, siehe Anm. 3, S. 119. 5 A. Staudinger – W. C. Müller – B. Steininger, siehe Anm. 1, S. 160 f. 6 Helmut Wohnout, Bürgerliche Regierungspartei und weltlicher Arm der katholischen Kirche. Die Christlichsozialen in Österreich 1918–1934, in  : Michael Gehler – Wolfram Kaiser – Hel-



Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus

Anfang Oktober 1918 unterstrich der Sprecher der Christlichsozialen, der Tiroler Landeshauptmann Josef Schraffl, bei einer Unterredung der Parteienvertreter mit Kaiser Karl in Schönbrunn noch das Bekenntnis zur monarchischen Regierungsform, während im Vollzugsausschuss der Provisorischen Nationalversammlung der Vorarlberger Jodok Fink, wie Schraffl Repräsentant der Bauernschaft, durchaus an der Hinwendung zur Republik, wie sie nun deutlicher von der Sozialdemokratie artikuliert worden war, mitwirkte. Als Kaiser Karl am 10. November 1918 den Wiener Erzbischof Friedrich Gustav Kardinal Piffl ersuchte, auf den interimistischen Obmann der Christlichsozialen, den Prälaten Johann Nepomuk Hauser, einzuwirken, der Monarchie die Treue zu halten, hatte der langjährige Landeshauptmann von Oberösterreich und Nachfolger Finks im Vollzugsausschuss längst auf den Wandel in der Stimmungslage seiner bäuerlichen Wählerklientel reagiert und trat gegenüber seinem Parteifreund Prälat ­Ignaz Seipel, Sozialminister der letzten kaiserlichen Regierung, für eine Abdankung des Kaisers und damit für einen reibungslosen Übergang zur Republik ein. Seipel stieß mit dieser Forderung beim Wiener Kardinal, den er an diesem Tag aufsuchte, auf Widerstand. Zwischen der kaiserlichen Regierung und der sich etablierenden neuen politischen Macht pendelnd, entschied sich Seipel, der Kaiser Karl durchaus noch bei den künftigen Friedensverhandlungen einsetzen wollte, zur Strategie eines leisen Austritts Habsburgs aus der Geschichte. Während der Entwurf Karl Renners für das letzte kaiserliche Manifest eine klare Abdankung nach dem Vorbild des deutschen Kaisers formulierte, redigierte das kaiserliche Kabinett eine auf Seipel zurückgehende Variante.7 So akzeptierte Karl schließlich ohne Einschränkungen die künftige Entscheidung, »die Deutschösterreich über seine […] Staatsform trifft«, und verband damit gleichzeitig den Verzicht »auf jeden Anteil an den Regierungsgeschäften«8. Charles A. Gulick sieht darin ein »typisches Jesuitenstück« des Prälaten9, da er in dieser weichen Formulierung die Basis für künftige Restaurationsmut Wohnout (Hg.), Christdemokratie in Europa im 20. Jahrhundert. Wien-Köln-Weimar 2001, S. 182 f.   7 Klemens von Klemperer, Ignaz Seipel. Staatsmann einer Krisenzeit. Graz-Wien-Köln 1976, S. 79 f.   8 Kaiserliches Manifest vom 11. November 1918, zitiert nach Christine Klusacek – Kurt Stimmer, Dokumente zur österreichischen Zeitgeschichte 1918–1928. Wien-München 1984, S. 40.   9 Charles A. Gulick, Österreich von Habsburg zu Hitler. Wien 1948, Bd. 1, S. 94.

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bestrebungen zu erkennen meint. Klemperer wendet sich gegen diese Inter­pretation, da er eine spätere Argumentation Seipels aufnehmend festhält, dass »diese Formulierung […] es den konservativen Kreisen ermöglicht« hätte, »den Übergang von der Monarchie zur Republik zu bewäl­ tigen«10. Zweifellos war zu diesem Zeitpunkt vor allem »in den christlichsozialen Kreisen in Wien noch eine gewisse Sympathie für die Habsburger und die monarchistische Staatsform« vorhanden.11 Um die Einheit der Partei zu sichern, griff man auf ein Mittel zurück, das nur deshalb durchschlagend Erfolg versprechen konnte, weil man in den Jahren seit Luegers Tod die Partei eben einem »Rekatholisierungsprozess« unterworfen hatte. Nach Rücksprache mit der Parteiführung ließ Kardinal Friedrich Gustav Piffl den Klerus seiner Diözese wissen  : »Inzwischen hat die provisorische Nationalversammlung Deutschösterreich als Republik erklärt. Über diese vollzogenen Tatsachen sind die Gläubigen entsprechend aufzuklären und zur unbedingten Treue gegenüber dem nun rechtmäßig bestehenden Staate Deutschösterreich zu ermahnen.«12 Seipels Taktik, dass nach der Entscheidung des Kaisers, die künftige Staatsform ohne Einschränkungen anzuerkennen, aus dem Verzicht »auf jeden Anteil den Staatsgeschäften« de facto eine Abdankung wurde, ging damit auf. Piffls Vergatterung der Gläubigen »zur unbedingten Treue gegenüber dem nun rechtmäßig bestehenden Staate« verhinderte vor allem im Großraum Wien eine Zerreißprobe der Christlichsozialen, da damit dem hier möglicherweise noch relativ starken Anteil an monarchistischen Gruppen jeder Rückhalt genommen worden war. Dieser entschiedene Schwenk der Kirchenleitung wurde noch ganz im Sinne einer praktischen Theologie ausgeweitet, indem der Kardinal festhielt dass »für den künftigen Wahlkampf« die »Parole ›Monarchie oder Republik‹ […] grundsätzlich zurückzustellen« wäre.13 Piffls noch vierzehn Tage vorher ausgesprochene Parole »Gut und Blut für unseren Kaiser, Gut und Blut für unser Vaterland  !« war damit hinfällig, 10 K. v. Klemperer, siehe Anm. 7, S. 80. 11 Ch. A. Gulick, siehe Anm. 9, Bd. 1, S. 96. 12 Schreiben Kardinal Piffls an den Klerus der Erzdiözese Wien vom 12. November 1918, zitiert nach Walter Goldinger – Dieter A. Binder, Geschichte der Republik Österreich 1918–1938. Wien-München 1992, S. 24. 13 Schreiben Kardinal Piffls an den Klerus der Erzdiözese Wien vom 12. November 1918, zitiert nach W. Goldinger – D. A. Binder, siehe Anm. 12, S. 24 f.



Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus

der Partei, aber vor allem dem jungen Staat blieb damit eine relevante monarchistische Fundamentalopposition erspart.14 In dieser Situation, in der der Übergang von der Monarchie zur Republik im Staatsrat nur mit drei Gegenstimmen akzeptiert und schließlich am 12. November in der Provisorischen Nationalversammlung einstimmig angenommen worden war, nachdem der spätere Bundespräsident Wilhelm Miklas ein erstes öffentliches Zeugnis seiner Flexibilität abgelegt hatte, galt Piffls Sorge ausschließlich der Sicherung des »Besitzstandes der Kirche«, den er durch den als antiklerikal empfundenen Laizismus der Sozialdemokraten gefährdet sah.15 Rigide reagierte man im christlichsozialen Umfeld, wenn man auf legitimistische Blockbildung in den eigenen Reihen stieß. Als 1922 im ohnehin schmalen Segment katholischer Studenten in Wien eine neue Korporation gestiftet wurde, ihre Anhänglichkeit an die abgetretene Dynastie brachte sie im Namen Maximiliana zum Ausdruck, handelte der Wiener CV, eine verlässliche Stütze von Partei und Altar, ähnlich heftig, wie in den Jahren des universitären »Kulturkampfes« die liberalen Bünde auf die sich formierenden katholischen Korporationen reagiert hatten. Man sprach dieser deklariert legitimistischen katholischen Korporation aus »Platzmangel und wegen der politischen Einstellung« das Recht auf die Teilnahme am »Farbenbummel« im Innenhof der Universität ab, nachdem dies zuvor vom Rektorat genehmigt worden war.16 Andererseits wird bei dieser Gründung noch ein weiteres Phänomen deutlich. Die Gründungsmitglieder kamen aus dem bildungs- und kleinbürgerlichen Milieu17, Repräsentanten der alten feudalen Schicht fehlten hier ebenso 14 Weder während der Ersten Republik noch im sogenannten »Ständestaat« gelang es den weiterhin noch bestehenden legitimistischen Zirkeln politisch gravierend Position zu beziehen. Vgl. dazu Helmut Wohnout, Das Traditionsreferat der Vaterländischen Front. Ein Beitrag über das Verhältnis der legitimistischen Bewegung zum autoritären Österreich 1933–1938, in  : Österreich in Geschichte und Literatur 36 (1992) S. 65–82. 15 Eine vergleichbare Wende vollzog sein Nachfolger Theodor Innitzer angesichts der nationalsozialistischen Machtübernahme im März 1938  ; aus dem bedingungslosen Befürworter und Nutznießer des »autoritären« Österreichs wurde im März der öffentlichkeitswirksame Kollaborateur der Nationalsozialisten. 16 Julius Brachetka, Zum 65. Geburtstag der KÖL Maximiliana, in  : Gerhard Fritz – Gottfried Arnegger – Norbert Fürstenhofer (Hg.), Maximiliana. Zeichen des Widerstandes 1922–1987. Wien 1987, S. 11–13. 17 Von den elf Gründungsmitgliedern entstammten lediglich zwei, ein Geistlicher und ein pensionierter Oberst, nobilitierten Familien, doch gehört dieser »Bagatelladel«, der seit Franz I. treuen

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wie bei dem kurz danach gegründeten schlagenden legitimistischen Corps Ottonen. Seit dem Josephinismus befand sich die österreichische Aristokratie weitgehend im Rückzug ins Private, wobei dieser Prozess noch durch die Ausrufung der Republik beschleunigt wurde.18 Damit fehlten den legitimistischen Zirkeln für nennenswerte Aktivitäten aber die potentiellen Geldgeber und aussagekräftigen Frontmänner.

Zur Funktion des Habsburgergesetzes 1919

Durchforstet man die Handbücher zur österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, so bleibt das Habsburgergesetz19 seltsam konturlos. Goldinger vermerkt die komplexe innenpolitische Situation im Umfeld der Beschlussfassung der Konfiszierung des Vermögens der Habsburger, die »mit dem Prinzip des Rechtsstaates unvereinbar« sei.20 Goldinger stellt seiner maßvollen Kritik an der Form der Exilierung des Kaisers und seiner Familie auch eine vergleichbare Kritik an der Haltung Karls I. gegenüber, die er mit dem Hinweis auf die republikanische Gesinnung der Arbeiterschaft und der monarchiekritischen Sicht eines Großteils der Bauernschaft ergänzt. Goldingers Werk entstand im Umfeld der Bemühungen Karl von Cornides und Heinrich Benedikts, der Darstellung von Charles A. Gulick, Staatsdienern und erfolgreichen Unternehmern in reichem Maße zukam, eindeutig zur sozialen Schicht des Bürgertums. 18 Zweifellos war der kleinbürgerliche Mief der Christlichsozialen nicht dazu angetan, dass dieses Milieu sich dort politisch ernsthaft engagierte. Jene Aristokraten, die sich schließlich innerhalb der unterschiedlichen Heimwehrformationen betätigten, waren weit weniger durch ihre familiäre Herkunft als vielmehr durch ihre Zugehörigkeit zur »Frontkämpfergeneration« geprägt. Diese spezifische Eigenschaft tritt besonders deutlich bei Ernst Rüdiger Fürst von Starhemberg in Erscheinung, der nach dem Ende seiner Offizierslaufbahn in Innsbruck das Studium aufnahm, in Deutschland Freikorpskämpfer wurde, am »Marsch auf die Feldherrnhalle«, also an Hitlers Putschversuch in Bayern 1923 teilnahm, als Führer der Heimwehr entschiedener Repräsentant des Austrofaschismus wurde und schließlich als Angehöriger der französischen Luftwaffe am Kampf gegen Nazideutschland teilnehmen wollte. Erst mit der Flucht seiner Staffel vor den vorrückenden deutschen Armeespitzen 1940 nach England endete dieses Engagement. 19 Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Loth­ringen vom 3. 4. 1919, StGBl 1919 [= Habsburgergesetz], S. 209. 20 Walter Goldinger, Der geschichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich von 1918 bis 1945, in  : Geschichte der Republik Österreich, hg. von Heinrich Benedikt. Wien 1954 (Reprint 1977) S. 49  ; weiters  : W. Goldinger – D. A. Binder, siehe Anm. 12, S. 31.



Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus

die 1948 in den USA21 und nahezu zeitgleich in deutscher Übersetzung 22 in Wien erschien, eine andere Sicht der Dinge gegenüberzustellen. In der äußerst »materialreich[en]«23 Darstellung Gulicks, er recherchierte sein imponierendes Œuvre vor Ort während des ständestaatlichen Regimes unter kräftiger Mitwirkung von Funktionären der sozialdemokratischen Partei, fokussiert der Autor die Ereignisse um das Habsburgergesetz prägnant  : »Nach der Annahme der Gesetze vom 14. März [1919]24 fragte der Staatskanzler Renner Kaiser Karl, ob er bereit sei, sein Versprechen der Anerkennung der künftigen Staatsform zu halten. Der Kaiser weigerte sich und verließ am 23. März das Land. Als Vergeltungsmaßnahme konfiszierte die Konstituierende Nationalversammlung das Eigentum der Habsburger und wies alle habsburgischen Familienmitglieder aus dem Land.«25 Damit folgt Gulick ohne Einschränkungen der Darstellung Otto Bauers in seiner Interpretation von 1923  : »Renner erklärte dem Habsburger [= Karl I.] nun, er könne in Deutschösterreich nur bleiben, wenn er sein Versprechen erfülle, für sich und sein Haus dem Thron entsage. Karl lehnte die geforderte Thronentsagung ab und fuhr am 23. März unter englischem Schutz in die Schweiz. Die Nationalversammlung beantwortete diesen Entschluss des Habsburgers mit dem Gesetz vom 2. April 1919, das alle Habsburger des Landes verwies und deren Familienvermögen zugunsten der Kriegsbeschädigten beschlagnahmte.«26 Auch die Rechtsgeschichtsschreibung folgt diesem Muster, die im Habsburgergesetz eine ad hoc Reaktion auf die Weigerung Kaiser Karls sieht, in der Gesetzgebung der Nationalversammlung eine Willensäußerung des Staatsvolkes von Deutschösterreich über seine »künftige Staatsform« zu sehen.27 Da allerdings die Gesetzgebung der Konstituierenden National21 Charles A. Gulick, Austria from Habsburg to Hitler. Berkeley-Los Angeles 1948. 22 Ch. A. Gulick, siehe Anm. 9, Österreich von Habsburg zu Hitler, 5 Bde. Wien 1948/9 (Reprint 1976, einbändig). 23 Erich Zöllner, Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien 1970, S. 628. 24 An diesem Tage wurden in zwei Verfassungsgesetzen durch die Konstituierende Nationalversammlung die Volksvertretung und die Staatsregierung geregelt, womit die Nationalversammlung die Republik als parlamentarische Demokratie gestaltete. Vgl. Rudolf Hoke, Österreichische und Deutsche Rechtsgeschichte. Wien-Köln-Weimar 1992, S. 464. 25 Ch. A. Gulick, siehe Anm. 9, Bd. 1, S. 140 f. 26 Otto Bauer, Die österreichische Revolution. Wien 1923, zitiert nach Otto Bauer, Werkausgabe. Wien 1976, Bd. 2, S. 655 f. 27 Vgl. Herman Baltl – Gernot Kocher, Österreichische Rechtsgeschichte. Graz 91997, S. 251  ; R.

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versammlung vom 12. März 1919 nur die Bestätigung über die Staats- und Regierungsform vom 12. November 191828 ist, muss auf die Hintergründe eingegangen werden, die die Regierung und die Nationalversammlung veranlasst haben, gerade zu diesem Zeitpunkt, den Landesverweis und die Beschlagnahme des Vermögens des Hauses Habsburg durchzuführen. Dies ist umso notwendiger, wenn man berücksichtigt, dass Karl Renner schon Mitte Jänner 1919 geäußert haben soll, dass »der Kaiser […] zwar ganz unbeachtet und unbeanstandet« in Eckartsau lebe, »es […] jedoch sehr erwünscht« wäre, »wenn er, sobald die Grenzen frei seien, seinen Aufenthalt im Ausland nehme«29. Hanisch konstatierte daher eine »steigende Verlegenheit«, die erst mit der Abreise des Kaisers in die Schweiz beendet wurde.30 Das »Anti-Habsburg-Gesetz« mit seinem Landesverweis ist in dieser Darstellung »ein radikaler Schlussstrich unter die Vergangenheit, ein selbstbewusster Akt der Republik, aber ebenso eine Quelle latenten Unbehagens«. Dass allerdings neben der Exilierung des Kaisers und aller Familienmitglieder, soweit sie nicht ein Treuegelöbnis gegenüber der Republik abgaben, auch eine »Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen«31 erfolgte, wird entweder nur angedeutet oder gar nicht diskutiert. Die »Übernahme« wird im § 5 definiert  : »Die Republik Deutschösterreich ist Eigentümerin des gesamten in ihrem Staatsgebiet befindlichen beweglichen und unbeweglichen hofärarischen sowie des für das früher regierende Haus […] gebundenen Vermögens.« In der Debatte werden im Wesentlichen zwei Bereiche erörtert, mit denen dieser Schritt gerechtfertigt wurde. Einerseits sind es Fragen, die letztlich mit der Auflösung der Monarchie korrespondieren und den damit verbundenen Ansprüchen der Nachfolgestaaten, die diese auf das in der Gesetzesvorlage angesprochene Vermögen erheben und die diese im Zuge der Friedensverträge möglicherweise auch gegen den Willen der Republik Österreich durchsetzen könnten, zum anderen geht es um die aktuelle Zweckbindung für den konkreten Anlass der Unterstützung von Kriegsopfern.

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Hoke, siehe Anm. 24, S. 461. Kaiser Karl hat diese Ablehnung in seinem Manifest vom 24. März 1919 dargelegt. Vgl. Rudolf Hoke – Ilse Reiter, Quellensammlung zur österreichischen und deutschen Rechtsgeschichte. Wien-Köln-Weimar 1993, S. 511 f. Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich, 12. November 1918. Hans Leo Mikoletzky, Österreich im 20. Jahrhundert. Wien 31969, S. 72. E. Hanisch, siehe Anm. 3, S. 269. Gesetz betreffend die Landesverweisung [= Habsburgergesetz], siehe Anm. 28, S. 209.



Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus

Es stellt sich nun die Frage, welche Funktion diese Gesetzgebung in innenpolitischer Hinsicht besaß, die in einem deutlichen Gegensatz zu dem Vorgehen der Weimarer Republik gegenüber den vormals regierenden Häusern stand.32 Folgt man der Debatte, so ist auffallend, dass man einerseits Schuldzuweisungen durch die Entente zurückweist, da man die Republik Deutschösterreich als Nachfolgestaat/Nationalstaat interpretiert und sie so etwa mit der Tschechoslowakei gleichsetzt. In diesem Kontext erscheint der Erste Weltkrieg als ein tragisches Geschehen, dass über die Völker hereingebrochen ist. Nähert man sich allerdings den historischen Ursachen, reduziert man Österreich-Ungarn auf den phantomhaften »Kriegskaiser«, in dem Kaiser Franz Joseph und Kaiser Karl verschmelzen und der völlig undifferenziert für den Krieg und vor allem die Kriegsfolgen verantwortlich gemacht wird. Schließlich erweitert man diese von einer seltsamen Geschichtsschau getragenen Darstellungen noch um das »Haus Habsburg« im Sinne einer Sippenhaftung. Bert Brecht fragt nicht umsonst  : »Caesar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens seinen Koch bei sich  ?«33 Es ist evident, dass angesichts der historischen Komplexität der Vorgänge eine Reduktion auf Kaiser Karl oder Kaiser Franz Joseph völlig unzulässig ist. Eine derartige Reduktion kann nur den Sinn haben, Spuren zu verwischen. Eine differenzierende Darstellung hätte sich mit den politisch relevanten Gruppen zu beschäftigen, nicht zuletzt mit jenem patriotischen Kriegssozialismus, gegen den auch Friedrich Adler protestiert hatte34 und der europaweit das Schlagwort von der Solidarität der Arbeiterklasse 1914 zur Parole für Sonntagsreden degenerieren ließ. Man könnte daher die Theorie vertreten, dass das Habsburgergesetz letztlich bereits ein Bestandteil der Politik der radikalen Phrase war, um so den eigentlich bemerkenswert strukturkonservativen Übergang von der Monarchie auf die Republik als »österreichische Revolution« darzustellen. Zweifellos interpretierte man das Haus Habsburg bereits zu diesem Zeitpunkt als negative Disposition für den angestrebten Anschluss, was 32 Dies ist umso auffallender, da man sonst durch das Einsetzen von bilateralen Kommissionen im Sinne des angestrebten Anschlusses an einer Rechtsangleichung höchst interessiert war. 33 Berthold Brecht, Fragen eines lesenden Arbeiters, zitiert nach Berthold Brecht, Ausgewählte Gedichte. Frankfurt/M. 1971, S. 49 f. 34 J. W. Brügel (Hg.), Friedrich Adler vor dem Ausnahmegericht 18. und 19. Mai 1917. WienFrankfurt/M.-Zürich 1967, S. 33-49.

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man seitens der österreichischen Sozialdemokratie auch hervorhob.35 Für Otto Bauer war rückblickend das Anliegen von 1918/19, die Republik Deutschösterreich an das Deutsche Reich anzugliedern, »von der einheitlichen Überzeugung des ganzen deutschösterreichischen Volkes be­ stimmt«36. Dieses Streben wurde im Einklang mit einer »mechanische[n] Gewalt« gesehen, als eine »moralische Kraft«, »die auf die Dauer durch keine Gewalt zu beugen« wäre. Allerdings konstatierte er die Gegnerschaft der »deutschösterreichischen Bourgeoise«, der »Großindustriellen«, also schlichtweg der »Kapitalisten«, wobei sich in weiterer Folge die »wirtschaft­ lichen Klasseninteressen der Kapitalisten« mit den »politischen Klasseninteressen der entthronten Aristokratie, des hohen Klerus, des seiner Privilegien und seines Berufes beraubten Offizierskorps« vereinigten.37 »Der Anschluss hätte alle ihre Hoffnung auf Habsburgs Wiederkehr begraben  ; Deutschösterreich musste außerhalb Deutschlands bleiben, damit Habsburg heimkehren könne.« So gesehen, ist das Gesetz vom 3. April 1919 auch der Versuch, die Anschlusspolitik von 1918/19, deren Scheitern schon absehbar war38, voranzutreiben. Bauer blieb seiner Ideenwelt auch nach dem März 1938 und angesichts der nationalsozialistischen Realität treu.39

Das Kokettieren des »autoritären Ständestaates« mit der Restauration

Die Konzeption der Politik Kurt Schuschniggs gegenüber dem »Haus Habsburg« im Hinblick auf die Gesetzgebung vom April 1919 muss ebenfalls unter innen- und außenpolitischen Aspekten analysiert werden. Durch die Einführung der neuen Verfassung wurde das Habsburgergesetz von 1919 »zuerst seines konstitutionellen Charakters entkleidet und schließlich 1935 aufgehoben«40. »Als sich im Sommer 1935 die außenpoli35 36 37 38

O. Bauer, siehe Anm. 26, S. 682. Ebenda, S. 681. Ebenda, S. 682. Otto Bauer musste am 26. Juli 1919 als Staatssekretär des Äußeren zurücktreten, um das Abrücken der Regierung von der Anschlusspolitik deutlich zu unterstreichen. 39 Otto Bauer, Nach der Annexion, in  : Otto Bauer, Werkausgabe. Wien 1980, Bd. 9, S. 853–860 [Erstausgabe  : Der Sozialistische Kampf/La Lutte Socialiste vom 16. Juni 1938]. 40 Helmut Wohnout, Das Traditionsreferat der Vaterländischen Front, in  : Österreich in Geschichte und Literatur 36 (1992) S. 66.



Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus

tische Lage nach der Konferenz von Stresa für Österreich günstig darstellte und Schuschnigg Otto von Habsburg eine Erklärung abgerungen hatte, vorläufig nicht nach Österreich zurückzukehren, war der Zeitpunkt für eine legistische Regelung der Frage gekommen.«41 Zweifellos ist in diesem Gesetzeswerk, welches das Verhältnis zum Haus Habsburg durchaus in Analogie zum Verhalten der Weimarer Republik gegenüber den vormals regierenden Häusern regelt, auch der Versuch enthalten, eine umfassende Neugruppierung der antinationalsozialistischen Kräfte voranzutreiben und dadurch gegenüber Hitlerdeutschland Stärke zu demonstrieren. Schuschniggs Aussöhnungsstrategien zielten auf linke Potentiale, auf traditionalistische Kreise und schließlich auch in Richtung deutschnationaler Kreise, wodurch der Eindruck des Zickzackkurses lebhaft unterstrichen wurde.42 Andererseits ist die demonstrierte »Aussöhnung« mit der Dynastie Bestandteil jenes Versuches, durch die Rückbesinnung auf Elemente der österreichischen Vergangenheit die staatliche Identität gegenüber dem Anspruch des Nationalsozialismus zu stärken. Und hier trifft sich Schuschnigg, wenn auch unbeabsichtigt, mit der Volksfrontstrategie der Kommunisten, in deren Rahmen Alfred Klahr 1937 die »österreichische Nation« bejaht.43 Die österreichischen Kommunisten hielten im Gegensatz zur sozialistischen Positionsbestimmung unmittelbar vor dem März 1938 fest, dass in »dieser ernsten Situation […] die Arbeiterklasse mit allen Anhängern der Unabhängigkeit Österreichs jede Regierung unterstützt, die den Kampf gegen die Nazis ernsthaft vorantreibt«.44 Andererseits sah Hitler in einer Mobilisierung des traditionalistischen Potentials zunehmend eine Gefährdung der von Papen entwickelten Politik einer evolutionären Lösung der »Österreich-Frage«. Signifikant dafür ist zweifellos die Ausarbeitung des Generalstabsplanes Sonderfall Otto ab Juni 1937, nachdem für die Habsburg-Orientierten im »Traditionsreferat« der Vaterländischen Front ein organisatorischer Rahmen geschaffen worden

41 Helmut Wohnout, Regierungsdiktatur oder Ständeparlament  ? Gesetzgebung im autoritären Österreich. Wien-Köln-Graz 1993, S. 270. 42 Vgl. Dieter A. Binder, Der »Christliche Ständestaat«, in  : Rolf Steiniger – Michael Gehler (Hg.), Österreich im 20. Jahrhundert. Wien-Köln-Weimar 1997, Bd. 1, S. 203–256. 43 Vgl. Ernst Bruckmüller, Nation Österreich. Sozialhistorische Aspekte ihrer Entwicklung. WienKöln-Graz 1984, S. 156 f. 44 Vgl. Felix Kreissler, Der Österreicher und seine Nation. Wien-Köln-Graz 1984, S. 53.

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war.45 Wenngleich die an den innerösterreichischen Vorgängen interessierten Staaten keine Begeisterung über die Neupositionierung des Hauses Habsburg innerhalb des »Ständestaates« zeigten und eine Restauration grundsätzlich ablehnten, so war es allein Hitlerdeutschland, das in der angesprochenen Politik Schuschniggs gegenüber den Habsburgern und deren Anhängern einen »Bedrohungsfall« sah. Robert Kriechbaumer hat in seiner Binnendarstellung der Vaterländischen Front einen »inneren Vortrag« Theodor (von) Hornbostels46 aus dem März 1936 an die Spitze seines Kapitels über die Außenpolitik des autoritären Ständestaates gestellt.47 Nach einer knappen Replik auf das nationalsozialistische Deutschland, wobei auffallenderweise nicht die politische Struktur des Nachbarlandes thematisiert, sondern dessen Politik auf das traditionelle Spannungsfeld »Preußen – Österreich« reduziert wird, nimmt Hornbostel ausführlich zum Problemkreis »Legitimismus und Restauration« Stellung. »Preußen hat eine Riesenangst, dass sich Österreich soweit konsolidieren könnte, dass es dadurch ein Anziehungspunkt für andere Gebiete wird, die sich in irgendeiner Form an Österreich angliedern oder zusammenschließen könnten und damit die Grundlage für ein großes, katholisches Staatswesen geben könnten. Die Idee Habsburg und Katholizismus sind daher für das Dritte Reich Zielscheiben.«48 Neben dem angesprochenen Antagonismus »Preußen – Österreich« wird ein politisches Potential, ein »katholisches Mitteleuropa« unter habsburgischer Patronanz angedeutet, womit aber der antihabsburgische Affekt des »gottlosen« Nationalsozialismus doppelt provoziert wird. Gleichzeitig bremst Hornbostel überschnelle Rückschlüsse  : »Die Idee ist zu heilig, als dass wir sie zum Gegenstand eines Lottospiels machen. Es wäre untragbar, wenn wir mit 45 Vgl. Erwin A. Schmidl, März 38. Der deutsche Einmarsch in Österreich. Wien 1987, S. 32. Zum Traditionsreferat vgl. H. Wohnout, siehe Anm. 14, S. 65–82. 46 Erich Bielka [von Karltreu], Theodor [von] Hornbostel, in  : Neue Österreichische Biographie 21 (Wien 1982) Bd. 21, S. 37–46  ; weiters  : Rudolf Agstner – Gertrude Enderle-Burcel – Michaela Follner, Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky. Biographisches Handbuch der Diplomaten des Höheren Auswärtigen Dienstes 1918 bis 1959. Wien 2002, S. 255–258  ; zu Erich Bielka ebenda, S. 129–132. 47 Robert Kriechbaumer (Hg.), Österreich  ! und Front Heil  ! Aus den Akten des Generalsekretariats der Vaterländischen Front. Innenansichten eines Regimes. Wien-Köln-Weimar 2005 (Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek 23) S. 346–352. 48 Ebenda, S. 349.



Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus

70, 80 Prozent Unsicherheit in eine solche Sache hineinschlittern wollten und damit erreichen, dass wir in einer Woche die Idee Habsburg, ja vielleicht die Idee Österreich überhaupt aufgeben müssten.« Nachdrücklich betont Hornbostel, dass eine Restauration der Habsburger kein revisionistisches Programm darstelle, denn die »heutigen Grenzen würden auf alle Fälle berücksichtigt.« Die Restauration versucht er eher als ein Vehikel darzustellen, Österreich als Nukleus für ein »wirtschaftliches Zusammenleben im Donauraum« schmackhaft zu machen. Ein daraus kommender, weiterer Schritt, der die »Wirtschaftsunion« zu einer neuen Staatlichkeit führen würde, könne er angesichts des Nachwirkens der »schönen Zeit, die unter Franz Joseph war«, nicht ausschließen. Erhebliche legitimistische Potentiale sieht er innerhalb der Tschechoslowakei, besonders in Mähren und der Slowakei, ebenso wie in Jugoslawien. Nach dieser nostalgischen tour d’horizon kommt Hornbostel zur zentralen Einschätzung einer Restauration der habsburgischen Herrschaft in Österreich  : »Innenpolitisch würden keine Schwierigkeiten vorhanden sein, außenpolitisch ist der Gedanke augenblicklich blockiert. Es ist daher jedes übertriebene Antreiben dieses Problems nicht nur derzeit eine überflüssige Mühe, sondern sogar schädlich.«49 Dieser Abschnitt kann wohl nicht als außenpolitisches Dispositionspapier gelesen werden, er muss angesichts einer euphorischen Welle von Ehrenbürger-Ernennungen für den Thronprätendenten, (Erzherzog) Otto (von) Habsburg-Lothringen als innenpolitischer Warnschuss verstanden werden. Die ausufernde Beschäftigung mit der Frage der Restauration wiederum zeigt, dass ein von der Regierung unternommener Versuch zur Basisverbreiterung, der innenpolitisch ohnehin zum Scheitern verurteilt war, außenpolitisch die Regierung eher unter »verschärfte Beobachtung« stellen würde, da bei allem Respekt vor habsburgischer Nostalgie in einzelnen Bevölkerungsgruppen weder die Regierungen der Tschechoslowakei und Jugoslawiens, noch jene der Partnerstaaten Ungarn und Italien an einer habsburgischen Restauration Interesse haben konnten.50

49 Ebenda, S. 350. 50 Aus diesem Grund referiert R. Kriechbaumer (siehe Anm. 47), S. 351, Anm. 84, ausführlich die Darstellung Hildebrands. Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler. Stuttgart 1996, S. 619 f.

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»Nicht geschossen ist auch gefehlt« Otto von Habsburg und das Militär

Der Ausspruch »Nicht geschossen ist auch gefehlt« zählt zu einem der bekanntesten Sätze von Otto von Habsburg, mit denen er politische (Fehl-) Entwicklungen zu begleiten und zu kommentieren pflegte. Ich selbst habe diesen Satz oft von ihm gehört. Ursprünglich stammt der Satz aus der Jägersprache, wurde aber schon bald ins Sprichwörtliche übernommen, um zögerndes oder zögerliches Verhalten zu charakterisieren, das dann in versäumten Gelegenheiten und Chancen mündet. Noch negativer wird die Aussage des Satzes, wenn es nicht nur um versäumte Chancen, sondern auch um nicht wahrgenommene Pflichten geht, was im Gegensatz zu versäumten Chancen eindeutig ein Fehlverhalten darstellt. Je mehr Pflicht zum Handeln gegeben ist, umso gravierender werden die Folgen des Unterlassens – ob aus Unkenntnis oder aus Feigheit ist dabei unerheblich – in der Politik vielfach mit fatalem Ergebnis und keineswegs auf das Militärische beschränkt. Das gewählte Thema meines Beitrages ist also vielschichtig – es reicht von allgemeinen Erörterungen über Pflicht und pflichtgemäßes Verhalten über die Rolle der Streitkräfte in der Politik, konkrete historische Situationen – eingeschränkt auf das 20. Jahrhundert – bis zur Gegenwart und bis zur Position Otto von Habsburgs zur gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union. Würde man den Satz in seiner Bedeutung umdrehen und das (zu schnelle) Schießen in manchen Situationen in Frage stellen oder zumindest in Zweifel ziehen, so fällt einem als erstes die Situation bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges und deren Interpretation nach Ende des Krieges ein.

Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Ende Österreichs

Die Kriegsschuldthese – »am 1. Weltkrieg sind die Habsburger schuld« – war in der Ersten Österreichischen Republik und vor allem in den Nach-

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folgestaaten der Monarchie ebenso verbreitet wie sie in dieser Verkürzung falsch ist. Diese These soll aber nicht das heutige Thema sein, denn es würde den Zeitrahmen sprengen und bietet Stoff für gleich mehrere Seminare. Wie wir alle wissen, standen sich am kaiserlichen Hof und in der kaiserlichen Regierung, aber auch in den Parlamentsparteien die Kriegs- und die Friedenspartei konfrontativ gegenüber, wobei manchen von Historikern auch ein falsches »Mäntelchen« umgehängt wird, wie zum Beispiel dem unglückseligen Außenminister Graf Berchtold, der heute zu Unrecht zur Kriegspartei gezählt wird. Tatsache ist, dass sowohl die Landesverweisung der kaiserlichen Familie wie auch das zeitlich korrelierende Adelsaufhebungsgesetz1 von 1919 mit der Kriegsschuldthese ursächlich verbunden sind. Vor allem letzteres – das Adelsaufhebungsgesetz – war in diesem Zusammenhang wenig treffgenau. Es traf nämlich in erster Linie den Beamten- und Soldatenadel, der Titel und Privilegien verlor. Das war das Einzige, das der Staat, der in Österreich traditionellerweise nie ausreichend Gelder für Armee und Verteidigung zur Verfügung stellten konnte, für Verdienste und mangels Geld verlieh. Mehr noch, sogar die Verleihung von Titeln kostete den Staat nicht nur nichts, sie brachte in den meisten Fällen Gebühren und Taxen ein – ein höchst effizientes Einnahmesystem. Der alte, traditionellerweise mit Ländereien begüterte Adel der sogenannten Ersten Gesellschaft konnte den Verlust der Titel leichter verschmerzen, verblieb ihm doch wenigstens die Vermögensbasis  – von Ausnahmen der Bodenreform in manchen Nachfolgestaaten wie z. B. der Tschechoslowakischen Republik abgesehen. In der Republik Österreich blieben die Grundvermögen weitgehend unangetastet, das Geldvermögen hingegen verschwand weitgehend in der Inflation der Nachkriegssituationen. Dem Beamten- und Soldatenadel aber brach plötzlich das Einzige, was er für seine Leistungen und Verdienste erhalten hatte – nämlich der Titel – weg. Vor diesem Hintergrund war und ist es erstaunlich, wie loyal das Offizierskorps der Monarchie dem Haus Habsburg auch noch in der Ersten Republik gegenüberstand. Die soziale Rolle der Armee und vor allem des Offizierskorps in der Monarchie  – gekennzeichnet durch Loyalität, durch die Bedeutung des 1 Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden vom 3. April 1919, StGBl. Nr. 211/1919 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008 (1. BVRBG)



»Nicht geschossen ist auch gefehlt«

Eides, durch soziale Integration und erstaunliche Durchlässigkeit in einem eher starren Klassensystem – soll hier nicht erörtert, sondern bloß erwähnt werden, denn sie bildet die Grundlage für das Verhalten ihrer Angehörigen bis weit in die Zweite Republik hinein. Zunächst gingen mit dem Zusammenbruch der Monarchie die Arbeitsplätze der Berufssoldaten verloren. Nur wenige konnten nach 1918 wieder einen Platz in der Volkswehr und später im Bundesheer der Ersten Republik finden. Der im Juni 1920 in Kraft getretene Vertrag von St. Germain billigte Österreich nur ein Berufsheer zu, wobei der erlaubte Höchststand von 30.000 Soldaten bis zum Ständestaat allerdings nie erreicht wurde. Auch das war bezeichnend für die problematische Identitätssuche des neuen, kleinen Österreich. Es versteht sich von selbst, dass der Aufbau des Heeres vornehmlich und fast ausschließlich von jenen Männern getragen wurde, die noch in der Monarchie ausgebildet worden waren oder zumindest die Kadettenschulen noch in dieser Zeit besucht hatten. Als besonderes Beispiel dieser »jüngeren« Generation der Kadettenschüler nenne ich einen der Gründer des zweiten Bundesheeres und späteren Befehlshaber der Heeresgruppe III, den 1984 verstorbenen General der Infanterie, Zdenko von Paumgartten.2 Paumgartten besuchte bis 1918 die Kadettenschule Breitensee und trat als einfacher Soldat in das Heer der Ersten Republik ein. Dort diente er sich zum Hauptmann empor, als der er 1938 das vorläufige Ende der staatlichen Unabhängigkeit Österreichs erleben musste. Die Führungsschicht des ersten Bundesheeres bestand zu der Zeit aber zum größten Teil aus Männern, die schon in der Monarchie als Offiziere gedient hatten. Dieser »älteren« Generation gehörte z. B. der 1883 in Siebenbürgen geborene General der Infanterie Wilhelm Zehner an, der 1934 den Oberbefehl über das Bundesheer übernahm. Aufgrund der vom Völkerbund genehmigten Lockerungen des Vertrages von St. Germain – konkret betreffend die Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht 1936  – konnte die Präsenzstärke von rund 20.000 Mann im Jahre 1935 auf rund 60.000 Mann im Jahr 1938 angehoben werden. Der Mobilmachungsstand betrug 1938 rund 125.000 Mann. Dazu kam die Ermöglichung der Be2 Zdenko Paumgartten (* 24. November 1903 in Mostywielki, Galizien  ; † 27. Oktober 1984 in Salzburg), war ein österreichischer General der Infanterie und von 1961 bis 1968 Befehlshaber der Gruppe III in Salzburg. Aus Stefan Bader  : An höchster Stelle. Die Generale des Bundesheeres der zweiten Republik. Wien 2004, S. 248 ff.

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schaffung moderner Waffen und Geräte, die nach dem Vertrag von St. Germain noch verboten gewesen waren. General Zehner und der überwiegende Teil des noch völlig altösterreichisch geprägten Offizierskorps waren bekanntlich 1938 bereit, die Unabhängigkeit Österreichs auch mit Waffengewalt zu verteidigen, was jedoch durch Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg, der ein sinnloses Blutvergießen vermeiden wollte, abgelehnt wurde. Wilhelm Zehner bezahlte dies mit seinem Leben. Er wurde knapp nach dem Einmarsch der deutschen Truppen wahrscheinlich ermordet (getarnt wurde es als Selbstmord). Zu den (zugegeben geringen) Erfolgaussichten eines militärischen Widerstands des Staates Österreich gegen eine erdrückende und modern ausgerüstete Übermacht ist viel publiziert worden – ebenso zu politischen und völkerrechtlichen Folgen eines auch nur wenige Tage dauernden Abwehrkampfes. Anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel zur Erinnerung an die Offiziere Biedermann, Huth und Raschke, die am 8. April 1945 am Floridsdorfer Spitz von den Nationalsozialisten hingerichtet wurden, meinte Verteidigungsminister Mag. Norbert Darabos am 11. März 2008 in Hinblick auf den deutschen Einmarsch 1938, »dass die damalige Staats- und Heeresführung ihrer Aufgabe, das Militär zur Landesverteidigung einzusetzen, nicht nachgekommen ist«.3 Die schon erwähnten geringen Erfolgsaussichten waren es wohl unter anderem, die die Regierung Schuschnigg bewogen hatten, »der Gewalt zu weichen«. Dieser Satz ist in späterer Zeit – vor allem in der Zweiten Republik – Gegenstand zahlreicher Abhandlungen und Diskussionen geworden. Vor diesem Hintergrund gewinnt jedoch ein anderer Satz, nämlich der titelgebende Ausspruch von Otto von Habsburg  : »Nicht geschossen ist auch gefehlt«, eine besondere Bedeutung. Mit seinem Schreiben vom 17. Februar 1938 hatte Otto von Habsburg Bundeskanzler Schuschnigg aufgefordert  : »Vorerst muss die Befriedung nach links aktiv betrieben werden. Die Arbeiter haben in den letzten Tagen bewiesen, dass sie Patrioten sind. Diese Gruppe kann durch den Nationalsozialismus nicht vergiftet werden, wird daher stets am sichersten für Österreich eintreten, wogegen die Regierung ihr die Möglichkeit geben muss, an der Gestaltung des Vaterlan3

Norbert Darabos, Rede bei der Gedenkveranstaltung für drei militärische Widerstandskämpfer, zitiert nach  : http://www.Bundesheer.at/archiv/a2008/pdf/rede_darabos_widerstandskaempfer. pdf.



»Nicht geschossen ist auch gefehlt«

des – für welches sie sich einzusetzen bereit ist – aktiv mitzuwirken.« Und später heißt es  : »Sollten Sie einem Druck von deutscher oder von betont nationaler Seite nicht mehr widerstehen zu können glauben, so bitte ich Sie, mir, wie immer die Lage auch sei, das Amt eines Kanzlers zu übergeben. Ich bin fest entschlossen, zum Schutze von Volk und Staat bis zum Äußersten zu gehen, und bin überzeugt, dabei Widerhall beim Volke zu finden. Infolge der Lage, die ein langwieriges Anerkennungsverfahren seitens der Mächte nicht erlauben würde, will ich von Ihnen für diesen Anlass nicht die Restauration der Monarchie verlangen. Ich würde Sie nur auffordern, mir die Kanzlerschaft zu übergeben, so dass ohne Änderung der Verfassung, ohne neue Anerkennung  – wenigstens für die entscheidende Lage – die gleichen Vorteile erreicht werden könnten, wie durch den formellen Akt der Wiederherstellung der Monarchie.« Und dann in Anknüpfung an das eingangs Ausgeführte sehr interessant  : »Sie, lieber Herr von Schuschnigg, beschwöre ich im Andenken an Ihren einst geleisteten Offizierseid, im Andenken an Ihre großen Verdienste um den legitimistischen Gedanken, im Andenken an Ihre selbstlose patriotische Arbeit, mir in dieser Bitte entgegenzukommen.«4 Wie die Sache ausging, wissen wir alle. Dutzende Historiker haben diese Aufforderung Habsburgs analysiert, ebenso die Differenzen innerhalb der Sozialdemokratie (siehe die Aussage von Kreisky im schwedischen Asyl »Glaubt man wirklich in diesen Kreisen, dass die Hassgefühle, die mit dem Namen Habsburg verbunden waren, heute schon vergessen sind  ?«5) und innerhalb der Nachfolgestaaten (hier vor allem in Jugoslawien und der Tschechoslowakei »Lieber Hitler als Habsburg«), die möglicherweise einen Mehrfrontenkampf mit geringen militärischen Erfolgsaussichten für Österreich bedeutet hätten. Wir kennen auch die Argumentation des durchaus habsburgfreundlichen und vielleicht sogar kaisertreuen, also der Monarchie verbundenen Kurt von Schuschnigg, der im Antwortschreiben vom 2. März 1938 an Otto von Habsburg seinen Standpunkt so formulierte  : »Ich bitte inständigst, mir jetzt zu glauben, dass unendlich viel, vielleicht alles auf dem Spiele steht und dass jeder Versuch einer Restauration, sei es in den letzten Jahren oder 4 5

Otto von Habsburg an Kurt von Schuschnigg, 17. 2. 1938  ; zitiert in Stephan Baier – Eva Demmerle, Otto von Habsburg. Die autorisierte Biographie. Wien 2002, S. 105–109. Bruno Kreisky zitiert nach Joachim Riedl, Ein letzter Hauch der Monarchie, in  : Die Zeit, Nr.27 (7.7.2011) S. 14.

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der nächsten, absehbaren Zeit, mit hundertprozentiger Sicherheit den Untergang Österreichs bedeuten müsste.«6 Was bedeutete das Ende des (ersten) Österreichischen Bundesheeres und die Eingliederung in die Deutsche Wehrmacht für die Soldaten  ? Gewiss, ein eher geringer Teil sympathisierte mit dem Nationalsozialismus, ein anderer Teil erwartete sich größere Karrierechancen, und für wiederum einen anderen Teil – vor allem für die überzeugten und loyalen Österreicher – bedeutete sie das Ende ihrer militärischen Laufbahn – in einer wirtschaftlich eher schwierigen Zeit war das auch eine Existenzfrage. 126 Berufssoldaten und Beamte legten den neuen Eid nicht ab, 123 davon waren nach den Nürnberger Rassengesetzen »Nichtarier«. Generalmajor Rudolf Towarek, Kommandant der Militärakademie, verweigerte den Eid auf den Führer ebenso wie z. B. Oberleutnant Karl Serschen  – den älteren Paneuropäern noch ein Begriff als legendärer und langjähriger Landesobmann von Oberösterreich. Für beide endete damit ihre militärische Karriere. Bis Ende 1938 wurden aus rassischen und politischen Gründen mindestens 238 Heeresangehörige und 440 Offiziere entlassen (letztere meist aus politischen Gründen). Generalstabchef Feldmarschalleutnant Alfred Jansa, dessen »Jansaplan« die Verteidigung Österreichs gegen den Anschluss vorsah, erlebte den Einmarsch bereits als Pensionist (später mit gekürzter Pension) und wurde nach dem Anschluss nach Erfurt »ausgewiesen«.

Politische Aspekte

Aus heutiger Sicht ist aber Eines unbestritten  : Wäre geschossen und damit der Abwehrwille Österreichs bekundet worden, so wäre die völkerrechtliche Ausgangsposition für die Zweite Republik eine bessere gewesen. Der Einwand, Österreich sei in der Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 ohnehin als erstes Opfer der nationalsozialistischen Aggression genannt worden, greift zu kurz. Gewiss heißt es dort  : »Die Regierungen des Vereinigten Königreiches, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika sind darin einer Meinung, dass Österreich, das erste freie 6 Kurt von Schuschnigg an Otto von Habsburg, Wien, am 2.3.1938  ; zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 3, S. 109–112.



»Nicht geschossen ist auch gefehlt«

Land, das der typischen Angriffspolitik Hitlers zum Opfer fallen sollte, von deutscher Herrschaft befreit werden soll.« Es heißt aber auch weiter  : »Österreich werde aber auch daran erinnert, dass es für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands eine Verantwortung trüge, der es nicht entrinnen könne, und dass anlässlich der endgültigen Abrechnung Bedachtnahme darauf, wie viel es selbst zu seiner Befreiung beigetragen haben wird.«7 Wäre der Abwehrwille – wie von Otto von Habsburg gewünscht, beabsichtigt und gefordert  – deutlicher und auch durch Waffengewalt dokumentiert worden, so wäre völkerrechtlich nicht nur der zuletzt zitierte Absatz der Moskauer Deklaration überflüssig gewesen, sondern auch die damit von Seiten der Sowjetunion bezweckte und von den westlichen Alliierten gebilligte Reparationsleistung der Zweiten österreichischen Republik  – ganz abgesehen davon, dass das Moskauer Memorandum in dieser Form und mit diesem Inhalt so erst gar nicht entstanden wäre. Die Bemühungen von Otto von Habsburg und von Kaiserin Zita im US-amerikanischen Exil für die Wiederherstellung Österreichs sind bereits in einer Publikation der KÖL Maximiliana ausführlich dokumentiert und gewürdigt worden und können nicht hoch genug eingeschätzt werden.8 Sie sollen an dieser Stelle nicht Gegenstand von Erörterungen sein.

Die Zweite Republik

Das Thema »Habsburg und das Militär« in der Zweiten Republik ist gekennzeichnet durch den überzeugten Militärdienst der nachgeborenen Generation und durch die Wertschätzung, die anlässlich seines Todes Otto von Habsburg seitens des Österreichischen Bundesheeres zuteil wurde. In der Einleitung des Anordnungserlasses der Generalstabsabteilung des Österreichischen Bundesheeres zur Teilnahme an den Trauer­ feier­lichkeiten heißt es wörtlich  : »Als Reverenz an die Verdienste des Verstorbenen als großer Österreicher und Europäer beteiligt sich das 7 Moskauer Deklaration vom 30.10.1943, zitiert nach St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 3, S. 178. 8 Helga Erhard  : Emigration in Frankreich und in den USA 1938-43, in  : Gerhard Fritz – Gottfried Arnegger – Norbert Fürstenhofer (Hg.), Maximiliana. Zeichen des Widerstandes 1922–1987. Wien 1987, S. 66–71.

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Öster­reichische Bundesheer als bewaffnete Macht der Republik Österreich an Requiem, Kondukt und Beisetzung am 16. Juli 2011.«9 Auch dieser Aspekt verdient es, ausdrücklich erwähnt zu werden, vor allem vor dem Hintergrund des weiten Weges seit 1918 über 1938 und 1945 bis heute. Der große Österreicher und Europäer, der Otto von Habsburg zweifellos gewesen ist, erlebte die Anfänge der Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik hautnah am Zerfallsprozess Jugoslawiens. Durch die Schwäche der Europäischen Union bedingt war dieser auch so blutig und forderte so große menschliche und materielle Opfer. Bezogen auf das Versagen der Staatengemeinschaft war von ihm in diesen Tagen auch das Motto dieses Beitrages »Nicht geschossen ist auch gefehlt« oft zu hören. Immer dann, wenn die Rede davon war, dass die »europäischen Außenminister« versagt hätten, antwortete Otto von Habsburg  : »Es gibt keinen einzigen europäischen Außenminister  – es gibt nur Außenminister der Mitgliedstaaten« und brachte damit die Misere der Europäischen Union auf den Punkt. Den Weg von der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die mit dem Vertrag von Maastricht 1992 geschaffen wurde, verfolgte er aufmerksam und kritisch, zumal er – nach seinem Dafürhalten – zu wenig europäisch und noch viel zu einzelstaatlich-national war. 1998 schrieb er  : »Eine Vielzahl von Gefahren, aber auch Europas Chancen machen eines deutlich  : Wir brauchen endlich eine europäische Außenpolitik, die diesen Namen verdient. Schon ein Blick auf die Landkarte zeigt uns, wie dringend eine solche gemeinschaftliche Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ist.«10

Von der multinationalen Armee Österreich-Ungarns zur multinationalen Armee der Europäischen Union

Otto von Habsburgs Verhältnis zum Militär als Instrument der Politik führte ihn auch dazu, eine echte gemeinschaftliche Sicherheits- und Ver  9 Österreichisches Bundesheer, Generalstabsabteilung  : Erlass zur Teilnahme des ÖBH an den Begräbnisfeierlichkeiten für Dr. Otto Habsburg, 08 07 2011 10 Otto von Habsburg, Plädoyer für eine europäische Außenpolitik, in  : Rinsche Günter – Friedrich Ingo (Hg.), Weichenstellungen für das 21. Jahrhundert. Erfordernisse und Perspektiven der europäischen Integration. Köln 1998, S. 85–88.



»Nicht geschossen ist auch gefehlt«

teidigungspolitik für Europa zu fordern. Auch wenn er die Diskussion um den letztlich leider gescheiterten Verfassungsvertrag und dessen Ersatz in Form des Reformvertrags von Lissabon nicht mehr als aktives Mitglied des Europäischen Parlaments miterlebte, so verfolgte er die damit verbundenen Diskussionen intensiv. Beide Vertragswerke  – besonders aber der »Reformvertrag« – blieben »auf halbem Wege« stehen und endeten in der Verfestigung der Intergouvernmentalität. Schon längst sind die globalen Herausforderungen für die Sicherheit der europäischen Staaten nicht mehr durch nationale Mittel zu bewältigen. Gemeinsamen und gemeinschaftlichen Herausforderungen begegnen sie nach wie vor intergouvernmental  – ein Luxus, den sie sich nur vor dem Hintergrund der relativen Schwäche aller globalen Akteure und im Vertrauen auf den »großen Bruder jenseits des großen Teichs« leisten können. Angesichts der Vertragslage und des Widerstands der Mitgliedstaaten, das so oft strapazierte Prinzip der »Subsidiarität« in der Europäischen Union endlich ernst zu nehmen, unterstützte Otto von Habsburg jeden kleinen Schritt in Richtung Vergemeinschaftung der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Er unterstützte aber auch das von Hans-Gerd Pöttering, dem ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, anlässlich der 7. Berliner Sicherheitskonferenz zur Diskussion gestellte »SAFE Konzept« (Synchronized Armed Forces Europe). Zur Vorbereitung der Entwicklung Europäischer Streitkräfte sollten dabei die bestehenden mitgliedstaatlichen Armeen soweit »synchronisiert« werden, dass im Falle eines politischen Beschlusses zur Vergemeinschaftung die meiste Vorarbeit bereits geleistet sei. Die Synchronisierung bei Ausrüstung und Bewaffnung, einschließlich Arbeitsteilung durch pooling und sharing, ist angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise und damit verbunden sinkender Haushaltsmittel ein Gebot der Stunde  – auch ohne die Zielvorstellung Europäische Streitkräfte. Gemeinsame Ausbildung und gemeinsame Rechts- und Sozialstandards für die Soldaten werden auch in gemeinsamen Einsätzen notwendig sein. Otto von Habsburg wurde nie müde, das Subsidiaritätsprinzip im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, aber auch innerhalb der Mitgliedstaaten zu betonen. So erklärte er mehrfach, dass so manches, was von der Europäischen Union ein- und durchgeführt wurde, auch durchaus von den Mitgliedstaaten oder sogar von Teilstaaten der Mitgliedstaaten besser geregelt werde könne, dass aber die Mitglied-

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staaten (auch die größten unter ihnen, von den kleineren ganz zu schweigen) angesichts der globalen Konflikte nicht mehr in der Lage seien, diesen Herausforderungen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips zu begegnen. Dies sei Aufgabe der größeren Einheit, nämlich der Europäischen Union, betonte er in zahlreichen Reden und Diskussionen. Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie tatsächlich gemeinschaftlich ist – mit Allem was dazu gehört, mit einer gemeinschaftlichen politischen Struktur, mit europäischen Streitkräften und einem europäischen Bundesstaat. Otto von Habsburg würde vermutlich auch heute diese Forderung vertreten  – wie er es immer getan hat. Nur scheinbar ist dies ein weiter – in Wahrheit aber der einzig folgerichtige  – Weg  : Von der Urkatastrophe des alten Europa, dem Ersten Weltkrieg, zu Europas Chancen im europäischen Bundesstaat der »Vereinigten Staaten von Europa«. Und auf das Militär fokussiert ausgedrückt bedeutet das  : Von der multinationalen Armee der österreichisch-ungarischen Monarchie zur multinationalen Armee der Europäischen Union – und das alles in nicht einmal 100 Jahren und in einem einzigen Menschenleben, jenem von Otto von Habsburg.

Eva Demmerle

Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich

Die Umstände von Vertreibung und Wiedereinreise von Dr. Otto von Habsburg in seine Heimat Österreich waren ein unglaublich unwürdiges Schauspiel. Es war ein jahrelanger Kampf um das Recht eines österreichischen Staatsbürgers, in seine Heimat einreisen zu dürfen – von 1954 bis zum Tag der Einreise 1966. Die Nachwehen, damit meine ich die Debatten und den Streit um die Pässe und Einreise der Kinder von Otto und Regina von Habsburg dauerten noch lange darüber hinaus an.1 Diese Zeit war geprägt von ideologischen Kämpfen, von Misstrauen der politischen Klasse gegenüber Otto von Habsburg wie generell gegenüber der Familie, die über 600 Jahre das Schicksal Österreichs bestimmt hatte. Auf dem Höhepunkt der Wiedereinreisedebatte war Otto von Habsburg Österreichs »Staatsfeind Nummer 1«, speziell im Jahre 1963, im Jahre des Entscheids des Verwaltungsgerichtshofs. Als deutsche Staatsbürgerin kann ich das ganze nur mit großer Verwunderung betrachten und es ist mir bis heute kaum nachvollziehbar, wie ein Staat in so große Turbulenzen geraten konnte, nur weil der ehemalige Thronerbe um die Erlaubnis für seine Einreise angesucht hat. Aber es bestand ein anderes Verständnis zur ehemaligen Herrscherfamilie als beispielsweise in Deutschland oder in Bayern. Wir in Bayern haben bekanntlich ein besonders inniges Verhältnis zum ehemaligen Herrscherhaus. Dazu möchte ich eine berühmte Anekdote wiedergeben  : Als der König im Jahre 1918 im Hofgarten spazieren ging, kam ein Arbeiter auf ihn zu und sagte  : »Majestät, Revolution hamma. Gehn’s ham, sonst possiert eahna no wos  !« Das Verhältnis der bayerischen Staatsregierung zur herzoglichen Familie ist bis heute entspannt und von gegenseitigem Respekt geprägt. Aber das Verhältnis Österreichs (damit meine ich den Staat ab 1918) zu den Habsburgern und der Habsburger zu Österreich ist ein sehr viel1 Eine umfangreiche Darstellung findet sich beispielsweise in  : Stephan Baier – Eva Demmerle, Otto von Habsburg. Die autorisierte Biographie. Wien 2002, S. 186–201 und 252–322.

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schichtiges. Auf der Suche nach den Gründen darf man nicht nur im rein Politisch-Historischen bzw. Juristischen hängen bleiben, sondern muss wohl auch den psychologischen Aspekt in Betracht ziehen. Dieses Verhältnis ist geprägt von Ideologien und Ängsten. Wir kennen alle beispielsweise diese vulgär-marxistischen Plattitüden von »Völkerkerker« und »Kriegskaiser«, mitunter spielte  – vor allem in der Zwischenkriegszeit  – ein nicht ganz klar entwickeltes österreichisches Selbstbewusstsein eine Rolle. Bei vielen war der 11. November 1918 noch immer mit einem Trauma behaftet. Nicht nur einmal ist es mir passiert, dass in Diskussionen mit Habsburg-Gegnern dann am Ende, wenn ich so manches Argument habe entkräften können, noch der Satz kam  : »Ja, aber sie haben doch den Krieg verloren  !« Kurz gefasst  : Die Schuld der Habsburger bestünde also darin, dass sie dafür verantwortlich seien, dass die Österreicher früher »Wer« waren und jetzt »Niemand« mehr sind, nur noch »so ein kleiner Staat« – und das also hätten die Habsburger zu verantworten. Diese natürlich rein historisch nicht seriöse Sicht verweist aber auf den zutiefst psychologischen Hintergrund dieses Themenkomplexes. Trotz dieser hohen psychologischen Komponente, mit der das Thema der Wiedereinreise von Otto von Habsburg besetzt war, muss auch die zeitliche Nähe der 1960er Jahre zu 1938 in Betracht gezogen werden. Im Jahr 1958, als Otto seine erste Loyalitätserklärung abgab, die die Regierung von ihm forderte, war 1938 gerade erst zwanzig Jahre her (vergleichbar mit 1992 aus heutiger Sicht). Die Erinnerung war also noch sehr lebendig, sodass manch einer  – wohl in jedem politischen Lager  – bei der Erinnerung, wo er 1938 gestanden sei, peinlich berührt war. Es hat bei den Sozialdemokraten natürlich viele gegeben, die in den NS-Lagern inhaftiert oder im Widerstand waren, aber auch solche, die den Arm sehr freiwillig gehoben hatten, ebenso sah es im christlichsozialen Lager aus. Also wich man in der Ablehnung des Kaisersohnes nur zu gern auf das Argument aus, man wolle keine Monarchie mehr, obwohl es in Wahrheit nie darum ging. Der Journalist Günther Nenning 2 schrieb 1962 in einem 2 Thomas Dewar Weldon, Kritik der politischen Sprache (The Vocabulary of Politics). Vom Sinn politischer Begriffe. Übertragen von Günther Nenning, mit einer Einleitung und Anmerkungen versehen von Ernst Topisch. Neuwied 1962. Einem breiteren Publikum als Schlagwort bekannt wurde der Begriff jedoch erst aufgrund einer Club 2-Diskussion, in der Nenning der Republik öffentlich »Habsburger-Kannibalismus« vorwarf (und das noch dazu im öffentlich-rechtlichen Fernsehen).



Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich

Buch über den Habsburger-Kannibalismus  : »Der Habsburger-Kannibalismus sei ein Fall, in dem es garantiert nichts mehr ›zu fressen‹ gäbe.« All das ist in Betracht zu ziehen, wenn man die komplexe Problematik des Verhältnisses der Republik Österreich zu den Mitgliedern der Familie Habsburg nach 1945 untersuchen möchte. Aus diesen Gründen wurde Otto von Habsburg auch in der österreichischen Öffentlichkeit anders rezipiert als im übrigen Europa oder in den USA. Er hat sich nach seiner Rückkehr aus den USA sehr stark der internationalen Politik zugewandt – als politischer Kommentator ebenso wie als politischer Schriftsteller. Er wurde weltweit zu einem gefragten Redner und Analysten der Politik, was hier in Österreich relativ wenig wahrgenommen wurde. Diese unterschiedlich ausgeprägte Rezeption ist mir selbst immer wieder aufgefallen, wenn ich ihn begleiten durfte. Auf den vielen Reisen in Länder der ehemaligen Monarchie wurde er natürlich in Bezug auf seine Herkunft und Familiengeschichte wahrgenommen, aber auch und vor allem als Politiker, der sehr viel für diese Länder getan hat. In Österreich wurde Otto von Habsburg in erster Linie aufgrund seiner historischen Position als ehemaliger Kronprinz wahrgenommen, weniger in seinen aktuellen politischen Funktionen und seinen internationalen Aktivitäten. Nur wenigen war bekannt, was er 1938 und in der Zeit des Zweiten Weltkrieges für Österreich getan hat. Und kaum jemand aus der breiten Masse interessierte sich für ihn als Europapolitiker. Aus dieser oft sehr verkürzten und vereinfachten Perspektive heraus wird klar, warum seine Bemühungen um eine Einreise nach Österreich in den 1960er Jahren, zu einer Zeit, als er bereits zum Weltpolitiker geworden war, so große »Wellen« schlugen und längst überwunden geglaubte »Urängste« in gewissen politischen Kreisen wieder wach werden ließen.3

Fakten und Stationen der Rückkehr

Über das sogenannte Habsburgergesetz von 1919 möchte ich hier nicht näher referieren, sondern kann auf den Beitrag von Dieter A. Binder verweisen4. Unter der Regierung Schuschnigg kam es zwar zur Aufhebung 3 4

Zur innenpolitischen Sicht vgl. den Beitrag von Norbert Leser im vorliegenden Band. Dieter A. Binder, Von 1918 bis zum ständestaatlichen Kokettieren mit dem Legitimismus, siehe S.   11–24 im vorliegenden Band.

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dieses Gesetzes, durch die Nationalsozialisten wurde es 1938 aber wieder in Kraft gesetzt. Die Rolle Otto von Habsburgs im Widerstand gegen Hitler und den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland 1938, das Todesurteil in Abwesenheit durch die NS-Justiz und sein Engagement für Österreich während des Zweiten Weltkriegs in den USA kann hier nur gestreift werden, da dies ausreichend dokumentiert und publiziert ist.5 1944 kam Otto von Habsburg wieder nach Europa zurück und hielt sich eine Zeit lang in Frankreich auf. Im Oktober 1945 beschloss er dann, mit seinen Brüdern Robert und Karl-Ludwig nach Österreich einzureisen, um aktiv am Wiederaufbau eines Gemeinwesens mitzuwirken. In Absprache mit der französischen Regierung siedelte er sich in Innsbruck an, unternahm von dort aus verschiedene Reisen, auch nach Vorarlberg, und traf sich mit alten Weggefährten und Freunden. Auf Druck der Regierung Renner und der Sowjets kam es am 21. Januar 1946 zur Ausweisung aus Tirol. Im allerletzten Moment, einige Mitarbeiter Ottos waren bereits verhaftet worden, konnten er und seine Brüder gerade noch ausreisen. Nach der Heirat mit Regina von Sachsen-Meiningen 1951 siedelt sich das Paar 1954 in Pöcking am Starnberger See an. Der Hintergrund für diese Ortswahl war sicherlich, dass die Kinder im deutschen Sprachraum aufwachsen sollten, aber auch die Nähe zu Österreich war entscheidend. Otto von Habsburg hatte immer den Wunsch gehegt, wieder in die Heimat zurückzukehren, das heißt hier wieder seinen Lebensmittelpunkt zu finden. Warum es dann später, nach der faktischen Möglichkeit zur Wiedereinreise nicht mehr dazu gekommen ist, hatte zum Teil praktische Gründe. Schon in den 1950er Jahren unternahm er erste Sondierungen in Richtung legale Einreise  – vorerst mit seinen politischen Freunden und Weggefährten.1954 ging es erst einmal um die Feststellung seiner Staatsbürgerschaft, was sich in der Folge als sehr komplexe Frage herausstellte. Anwalt Alois Streif stellte eine Anfrage an die Stadt Wien, doch in Wien erklärte man sich für nicht zuständig, da der Geburtsort Ottos in Reichenau an der Rax in Niederösterreich liegt. Nun wurde der gesamte Akt an die niederösterreichische Landesregierung weitergeleitet, wo man am 8. Mai 5

Vgl. dazu u. a. St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 85–185 sowie  : Helga Erhard  : Emigration in Frankreich und in den USA 1938-43, in  : Gerhard Fritz – Gottfried Arnegger – Norbert Fürstenhofer (Hg.), Maximiliana. Zeichen des Widerstandes 1922–1987. Wien 1987, S. 66–71.



Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich

1956 feststellte, dass Otto von Habsburg österreichischer Staatsbürger sei. Am 18. Februar 1957 legte Innenminister Helmer 6 (SPÖ) fest, dass der Familienname »Habsburg-Lothringen« lauten sollte. Im Jahr 1958 erklärt sich Otto von Habsburg als getreuer Staatsbürger der Republik, was er wie folgt begründete. »Um in meine Heimat zurückkehren zu können, erkläre ich im eigenen Namen und im Namen meiner Gemahlin und meiner minderjährigen Kinder, als österreichischer Staatsbürger die derzeit in Österreich geltenden Gesetze anzuerkennen und mich als getreuer Bürger der Republik zu bekennen.«7

Im Fokus der österreichischen Innenpolitik

Die Situation war jedoch nun keineswegs geklärt, sondern es begann gerade nach dieser Erklärung ein beispielloses politisches Hick-Hack. Bundeskanzler Julius Raab8 fürchtet bei einer Rückkehr des Kaisersohnes einerseits eine Radikalisierung der Linken und andererseits eine Spaltung der ÖVP. Auch beurteilte er die Erklärung als unzureichend, da sie keinen ausdrücklichen Verzicht auf den Thron enthielt. Ohne es zu wollen geriet Otto von Habsburg nun zwischen die Fronten der österreichischen Innenpolitik, die den »Fall Otto (von) Habsburg« dazu nützte, um gegenseitige politische Rechnungen zu begleichen. Die SPÖ, die qua Klientel gegen eine Einreise Ottos von Habsburgs sein musste, war insgeheim dafür, weil sie damit rechnete, dass er eine eigene Partei in Österreich gründen würde, mit der er die ÖVP fragmentieren und somit ruinieren könnte. Und die ÖVP, die qua Klientel für seine Wiedereinreise sein musste, war insgeheim 6 Oskar Helmer (16.11.1887 – 13.2.1963) zählt zu den führenden SPÖ-Politikern ab 1945, war jedoch schon ab 1919 im Nationalrat bzw. der niederösterreichischen Landesregierung tätig gewesen. 1945–59 war er Innenminister und stellvertretender Vorsitzender der SPÖ. Vgl. Österreich-Lexikon 1 (Wien 1995) S. 497. 7 Zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 259. 8 Julius Raab (29.11.1891 – 8.1.1964) Politiker (ÖVP), war bereits 1927–34 Abgeordneter zum Nationalrat und 1938 Handels- und Verkehrsminister. Nach 1945 war er am Aufbau der ÖVP maßgeblich beteiligt, 1945–64 wiederum Abgeordneter zum Nationalrat, 1952–60 Bundesparteiobmann der ÖVP und 1953–61 Bundeskanzler. Als jener Bundeskanzler, der Österreich den Staatsvertrag »gebracht« sowie mit der Sozialpartnerschaft die Grundlagen für die Prosperität und den sozialen Frieden des heutigen Österreich geschaffen hat, ging Raab in die österreichische Geschichte ein. Vgl. Österreich-Lexikon 2 (Wien 1995) S. 236.

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dagegen, weil sie der gleichen Meinung wie die SPÖ war und die Gefahr einer Spaltung ihrer Wählerschaft sah. Doch Otto von Habsburg hatte auch Probleme mit seinen eigenen Anhängern, die ihm diese Erklärung als »loyaler und getreuer Bürger der Republik« übel nahmen. Eine wichtige Rolle innerhalb der Monarchiebefürworter spielte die MBÖ, die Monarchistische Bewegung Österreichs, unter der Führung von August (Gustl) Lovrek9. Es war kein einfaches Unterfangen, da in diesen Kreisen viele damals hofften, dass Otto von Habsburg insgeheim wieder eine Monarchie vorbereiten wolle – aber daran hatte er niemals gedacht, für ihn war das vorbei. Ich habe ihn einmal gefragt  : »Ab wann wussten Sie genau, dass eine Wiedererrichtung der Monarchie jenseits des politisch machbaren lag  ?« Und dann antwortete er wie aus der Pistole geschossen  : »Im März 1938.« Diese Aussage zeigt den Realitätssinn Otto von Habsburgs. Daher sagte auch Gustl Lovrek bei einer programmatischen Rede im Wiener Konzerthaus  : »Wir wollen keine Restauration der alten Monarchie und wir wollen auch keine Staatsformänderung nach dem Muster der heute bestehenden Monarchien. Beides wäre genauso falsch als wenn man glauben wollte, es müsste das heute bestehende republikanische System verewigt werden. Unser Ziel ist eine neue Staatsform, die vom Naturrecht ausgehend, eine echte, soziale und politische Ordnung gewährleistet, wie sie aus Otto von Habsburgs Schriften hervorgeht.«10 Lovrek versuchte im Zuge der Einreisebemühungen Ottos die Anhänger der MBÖ entsprechend auf jene Linie zu bringen, die Otto von Habsburg in seinen Schriften vorgegeben hat, was aber von einigen (bis heute) nicht mitgetragen werden wollte. Die politischen Differenzen zwischen den Großparteien hielten inzwischen an. Bundeskanzler Raab betonte öffentlich, dass die Erklärung Ottos als loyaler Staatsbürger der Republik unzureichend sei, worauf Minister Otto Probst (SPÖ) am 4. Dezember 1958 erklärte, dass Otto einreisen könne, wenn er die geforderte Erklärung unterzeichne  – das bedeutete,   9 August Lovrek (1911–2003) war eine der tragenden Säulen und einer der engsten Mitarbeiter Otto von Habsburgs über viele Jahrzehnte hinweg. Schon Mitglied in der legitimistischen Bewegung in der Zwischenkriegszeit, wurde Lovrek von den Nazis in Dachau interniert. Später setzte sich Lovrek für die Rückkehr Otto von Habsburgs nach Österreich ein und war enger politischer Berater (siehe auch  : Gerhard Fritz – Gottfried Arnegger – Norbert Fürstenhofer (Hg.), Maximiliana. Zeichen des Widerstandes 1922–1987. Wien 1987, S. 57–65). 10 Zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 259.



Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich

dass er den bestimmten Wortlaut, wie er auch in den Habsburgergesetzen formuliert ist, unterzeichnen solle. Zu diesem Zeitpunkt – 1958 – können wir also feststellen, dass die SPÖ noch nicht völlig in Gegnerschaft zur Wiedereinreise war, die ÖVP allerdings herumlavierte. Noch im Winter 1958 meint Bundeskanzler Raab, dass die Erklärung mit dem gesetzlich geforderten Text unabdingbar sei, dann jedoch könne diese Erklärung den Ministerrat und schließlich den Hauptausschuss des Nationalrats passieren. Beide Parteien erklären gegenüber Otto von Habsburg noch im Winter 1958, dass sie sich wünschen würden, dass eine Rückkehr noch vor den Wahlen 1959 stattfinden könne  – doch das geschah nicht und nach der Wahl war erst einmal keine Rede mehr von der Rückkehr.

Die Vermögensfrage als »Knackpunkt«

Zwischenzeitlich  – das Ganze wurde natürlich auch entsprechend publizistisch von den verschiedenen Organen begleitet – entschied sich die SPÖ doch, gegen eine Rückkehr Otto von Habsburgs Stimmung zu machen. Die Anti-Otto-Propaganda setzte ein, die Verquickung mit der Vermögensfrage ebenso. Dazu ist anzumerken, dass Otto von Habsburg immer den Schwerpunkt in seinen Bemühungen auf die physische Rückkehr gelegt hat und nicht auf die Rückgabe des Vermögens, da für ihn die politische Mission immer wichtiger als die Vermögensfrage war. Das war aber in der Familie durchaus nicht unumstritten. Sein Emissär bei der österreichischen Regierung, Cousin Herzog Max von Hohenberg, war immer der Meinung, man müsse beides miteinander betrachten  – man war sich in dieser Frage zwar nicht einig, es kam deswegen jedoch zwischen beiden zu keinem Konflikt. Ein gewichtiges Argument für die Lösung der Vermögensfrage war aber auch, dass man damit arme Familienmitglieder entsprechend unterstützen hätte können. Für den sogenannten »Familienversorgungsfonds« gab es eine bestimmte Aufteilung, der Hauptlinie fiel ein Drittel zu, den anderen Linien zwei Drittel, welche wiederum nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt wurden. Es war und ist ja nicht so, dass alle Habsburger in hervorragenden Vermögensverhältnissen gelebt haben oder leben, daher ging es auch um die finanzielle Sicherstellung der weniger begüterten Familienmitglieder aus dem ehemaligen Privatvermögen der Familie. So entstand die »Gräuelpropaganda«, die in den folgenden

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Jahren betrieben wurde, dass Otto von Habsburg den Staat Österreich durch Milliardenforderungen in den Ruin treiben werde, würde man die Vermögensfrage zugunsten der Familie Habsburg entscheiden – die Steuern müssten erhöht werden, die Renten gekürzt und so weiter – pointiert ausgedrückt, das arme österreichische Mutterl würde gnadenlos verhungern, wenn Otto von Habsburg jetzt sein Geld zurückbekäme. Im August 1960 kam es schließlich am Rande des Eucharistischen Weltkongresses in München zu einem Treffen Otto von Habsburgs mit Figl11 und Raab (es gibt Gerüchte, die bislang weder verifiziert noch falsifiziert werden konnten, dass Konrad Adenauer dieses Treffen eingeleitet hätte). Hier war nun endlich die Gelegenheit, in einem persönlichen Gespräch die Angelegenheit und das Thema der Rückkehr Ottos nach Österreich zu besprechen. Otto von Habsburg fiel bei diesen Treffen auf, dass sich Bundeskanzler Raab sehr intensiv auf das Thema der Vermögensrückgabe konzentrierte. Die SPÖ hatte sich zwischenzeitlich auf das Feindbild Otto eingeschworen. Ihr Abgeordneter Peter Strasser nannte ihn einen Narren und Fantasten. Auch die Kommunisten brachten sich in Position. Regelmäßig um den 20. November, als die Anhänger Ottos in Österreich Kundgebungen oder Veranstaltungen anlässlich Otto von Habsburgs Geburtstag veranstalteten, kam es zu Anti-Habsburg-Demonstrationen. Diese gipfelten nicht selten in tätlichen Angriffen gegen seine Anhänger. Es mussten sogar Verletzte in Krankenhäuser gebracht werden, die Schuldigen wurden selten belangt.

Der Verzicht

In dieser Situation wurde schließlich am 11. Januar 1961 der ersehnte Erbe – Karl von Habsburg – geboren. In diesen Tagen telefonierte Otto von Habsburg sehr intensiv mit Gustl Lovrek und Anwalt Ludwig Draxler. 11 Leopold Figl (2.10.1902 – 9.5.1965) bereits ab 1934 im niederösterreichischen Bauernbund engagiert, wurde er 1945 zum Mitbegründer der ÖVP, deren Obmann er bis 1951 war. 1945–53 war er Bundeskanzler, 1953–59 Außenminister (und daher Mitunterzeichner des Staatsvertrages) und 1959–61 1. Nationalratspräsident. 1962 bis zu seinem Tod war er Landeshauptmann von Niederösterreich und kehrte damit zu den Wurzeln seiner politischen Laufbahn zurück. Vgl. Österreich-Lexikon 1 (Wien 1995) S. 317 f.



Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich

Jetzt, da sein Sohn geboren war, sah er sich endlich in der Lage, die geforderte Unterschrift zu leisten. In seinem Tagebuch (er führte immer kleine, ganz sachliche Tagebüchlein, in denen er kurz vermerkte, was er gemacht hatte) vermerkte er an diesem Tage  : »Wisch«  – er hat früher in diesen Tagebüchern immer in Englisch geschrieben, aber dieses Papier hat er umgangssprachlich als »Wisch« bezeichnet.12 An dieser Stelle möchte ich noch einmal den Wortlaut der Verzichtserklärung wiedergeben  : »Ich, Endesgefertigter, erkläre hiermit gemäß §  2 des Gesetzes vom 3. April 1919, Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich, Nummer 209, dass ich auf meine Mitgliedschaft zum Hause Habsburg-Lothringen und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschafts­ ansprüche ausdrücklich verzichte und mich als getreuer Staatsbürger der Republik bekenne.«13 Diese Erklärung unterzeichnete Otto von Habsburg am 12. Januar 1961, sie wurde aber später mit einer Datierung vom 31. Mai 1961 der Regierung überbracht. Die SPÖ war von Anfang an entschlossen, die Erklärung nicht gelten zu lassen.14 Bereits vor der Übergabe der Erklärung, nämlich Anfang Februar 1961, polemisiert die Sozialistische Korrespondenz, die Loyalitätserklärung sei nicht das Papier wert, auf dem sie stünde. Und laut Kurier vom 2. Februar 1961 sagt Vizekanzler und SPÖ-Chef Bruno Pittermann vor sozialistischen Abgeordneten  : »Von einem Mann, der sich bei der Taufe seines Sohnes als Majestät bezeichnet hat, muss man annehmen, dass jede Loyalitätserklärung gegenüber der Republik falsch und betrügerisch wäre.«15 Dagegen möchte ich eine Interpretation durch Karl von Habsburg aus dem Jahr 1997 stellen  : »Bevor ich etwas näher auf den Hintergrund dieser Erklärung eingehe, möchte ich bemerken, dass diese auf mich, als in einem Rechtsstaat lebender Bürger, überhaupt keine Auswirkung hat, da, wie wir aus den elementaren Grundlagen der Rechtslehre wissen, eine erzwungene Erklärung keine Rechtsgültigkeit erlangen kann. Die Erklärung meines Vaters war zweifellos erzwungen, da nur sie es ihm ermöglichte, als österreichischer Staatsbürger, das selbstverständliche Recht 12 »Wisch«  : Herabsetzend für »einzelnes und unsauberes Blatt Papier«, oft auch für »Behördenschreiben« gebraucht, vgl. dazu auch St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 272. 13 Zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 272 f. (mit Abbildung des Originals auf S. 273). 14 Vgl. dazu den Beitrag von Norbert Leser im vorliegenden Band. 15 Zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 273.

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auszuüben, in seine Heimat einreisen zu können.«16 Zu der später erfolgten Kampagne, im Speziellen zur Rolle der ÖVP, schrieb Karl von Habsburg  : »Der Grund für Teile der ÖVP, ebenfalls in diese Kampagne, wenn auch etwas verhaltener, einzusteigen, war die Angst, dass mein Vater nach seiner Rückkehr nach Österreich eine eigene Partei gründen könnte, die die Masse ihrer Wählerschaft aus der damaligen ÖVP bezogen hätte. So ging es also darum, meinen Vater zu kriminalisieren und zu diskreditieren und ihm das Recht auf die Einreise in seine Heimat zu nehmen.«17 Otto von Habsburg meinte vierzig Jahre später zu Einreise und Verzichtserklärung mehr als knapp  : »Ich wurde erpresst, aber meine Unterschrift gilt. Ich stelle keine Herrschafts- oder Vermögensansprüche.«18 Die Erklärung von 1961 war natürlich ein tiefer Einschnitt in Ottos Leben – zwar hat sich dieser Schritt abgezeichnet und es war ihm klar, dass er um die Unterzeichnung dieser Erklärung nicht herumkommen könne, aber trotzdem bildete sie eine starke Zäsur im Leben Otto von Habsburgs. Bruno Pittermann blieb weiterhin bei seiner Linie gegen Otto von Habsburg und ereiferte sich beim Parteitag der SPÖ im Juni 1961 über dieses Thema. Die Salzburger Nachrichten schrieben darüber  : »Wie schon Mittwochs, reagierten sich Diskussionsredner und Plenum an der Habsburg-Rückkehr ab. Der Sturm erreichte den Höhepunkt, als Pittermann in seinem Schlusswort aus dem Akt im Bundeskanzleramt bekanntgab, dass Dr. Otto Habsburg im Begleitschreiben zu seiner Loyalitätserklärung mitteilte  : ›Diese werde ihn aber nicht hindern, alle Rechte eines österreichischen Staatsbürgers und auch alle Rechte aus seiner Familienzugehörigkeit, besonders was das Vermögen betreffe, in Anspruch zu nehmen‹. Pittermann wiederholte dann, dass die Rückkehr Dr. Otto Habsburgs am Widerstand der SPÖ in der Bundesregierung scheitern werde.«19 Und das wurde zum Programm für die nächsten fünf Jahre.

16 Karl von Habsburg, in  : Walburga Douglas – Stephan Baier (Hg.), Otto von Habsburg. Ein souveräner Europäer. Wien 1997, S. 20. 17 Ebenda. 18 Kronen-Zeitung, 24. 11. 1997  ; zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 276. 19 Salzburger Nachrichten, 9. 6. 1961  ; zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 277.



Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich

Vom »Fall Otto Habsburg« bis zur Einreise

Die Erklärung Otto von Habsburgs brachte also keineswegs eine Einigung. Sie ging mit Datierung vom 31. Mai 1961 und überbracht durch Anwalt Draxler der österreichischen Bundesregierung zu. Im Ministerrat kam es zwar zu einer Diskussion, doch – und weil ja im österreichischen Ministerrat immer Einstimmigkeit erzielt werden muss – in diesem Fall zu keiner Einigung. Schnell wurde klar, dass die ÖVP dafür war, diese Erklärung als ausreichend anzuerkennen, die SPÖ jedoch dagegen. Es entstand also eine Pattsituation, die sicherlich noch einmal ein interessanter Fall für Staatsrechtler werden könnte. Im Protokoll dieser Sitzung der Bundesregierung vom 13. Juni 1961 wird »festgestellt, dass keine übereinstimmende Auffassung erzielt werden konnte.« Am 21. Juni wird allerdings der Zusatz zugefügt, dass »damit der Antrag als abgelehnt gelte«.20 (Die juristische Beurteilung überlasse ich Juristen, ich persönlich halte dieses Vorgehen zumindest für fragwürdig.) Infolgedessen wurde der Antrag auch nicht an den Hauptausschuss des Parlamentes des Nationalrats weitergeleitet. Die besondere Pikanterie an dieser ganzen Sache ist, dass der Antragsteller von dieser Entscheidung oder Nichtentscheidung nicht einmal benachrichtigt wurde – Otto von Habsburg wusste also offiziell nicht, dass die Entscheidung nicht gefällt worden war. Zwar geschah zuerst einmal nichts, die Habsburger-Frage entwickelt sich in der Folge jedoch zum Sprengstoff für die große Koalition. Nichtsdestotrotz, nachdem erst einmal nichts passierte, reichte Otto von Habsburg Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, doch der Verfassungsgerichtshof erklärt sich am 16. Dezember 1961 für nicht zuständig (mit der lapidaren Begründung, er sei »unzuständig«). Nun ging die Klage weiter an den Verwaltungsgerichtshof. Otto von Habsburg hatte damit gerechnet, dass er den Rechtsweg bis zum Schluss gehen müsse. Er hat sich aber auch für diesen Weg entschieden, um bei eventuell abschlägigen Entscheidungen bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gehen zu können. Natürlich war er über die lavierende Haltung der ÖVP etwas enttäuscht und machte in internen Schreiben darauf aufmerksam, dass es ihm nicht mehr lange gelingen würde, seine Anhänger von einer Gründung einer eigenen Partei abzuhalten  – später bestätigte er 20 Zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 279.

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Stephan Baier und mir gegenüber, dass diese Drohung eher taktischer Natur war. Am 24. Mai 1963 geschah schließlich das Unerwartete  : Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass die Erklärung Otto von Habsburgs vom 31. Mai 1961 ausreichend sei und insofern der Ausstellung eines Reisepasses für ihn ohne den Zusatz »Gilt für alle Staaten, außer Österreich« nichts mehr entgegenstünde. Otto von Habsburg hatte sich dieses Ergebnis gewünscht, aber – ganz ehrlich gesagt – nicht (mehr) damit gerechnet. Nun aber brach das Chaos völlig aus und die Parteien brachten ihre »Truppen endgültig in Stellung«. Vizekanzler Pittermann sprach vom »Juristenputsch« bzw. von »Justizputsch«, die SPÖ stellt im Nationalrat einen Antrag, das Parlament möge diesen Richterspruch außer Kraft setzten. Als Argument musste  – man möge sich das auf der Zunge zergehen lassen  – herhalten, dass der Verfassungsstaat über dem Rechtsstaat stehe. Ein paar Wochen später, im späten Juni 1963, verließ die SPÖ in dieser Frage schließlich den Raum der großen Koalition und einigt sich mit der FPÖ auf eine Entschließung, dass Otto (von) Habsburg in Österreich unerwünscht sei. Zwar war die Frage auf der juridischen Seite gelöst und es stand der Ausstellung eines Passes de jure nichts mehr im Wege, doch politisch galt es noch große Brocken aus dem Weg zu räumen. Zur Illustration der Widersprüche in der österreichischen Politik und dem politischen Klima der damaligen Zeit möchte ich zwei Anekdoten, die sich zwischen den »SPÖGranden« und Simon Wiesenthal21 zugetragen haben sollen, zur Kenntnis bringen. Pittermann soll Simon Wiesenthal gefragt haben, was die Juden von der Stellung der SPÖ zur Habsburger-Frage hielten. Daraufhin soll Wiesenthal gesagt haben, dass die Juden selbstverständlich für Otto seien, weil dieser ein unschuldig Heimatloser sei. Darüber war Pittermann sehr erstaunt und fragte ihn weiter  : »Ja, wenn Sie ein Berater Ottos wären, was hätten Sie ihm denn in dieser Situation vorgeschlagen  ?« Da habe Wiesenthal gesagt  : »Na, ganz einfach, an die Grenze gehen und herein kommen.« »Ja, aber da wäre er verhaftet worden.« Da sagt Wiesenthal ganz glatt  : »Na und  ? Das hätte eine Einspruchsfrist gegeben und er wäre sechs 21 Simon Wiesenthal (31.12.1908 – 20.9.2005), Architekt, arbeitete ab 1945 an der Aufdeckung und Aufklärung der Verbrechen des NS-Regimes. 1947 gründete er das Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstandes und wurde für seine unermüdliche Tätigkeit vielfach im In- und Ausland geehrt. Vgl. Österreich-Lexikon 2 (Wien 1995) S. 644.



Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich

Wochen in Schutzhaft gewesen. Innerhalb dieser sechs Wochen, Herr Vizekanzler, hätte er mindestens eineinhalb Millionen österreichische Wählerstimmen ohne Organisation und ohne Geld auf der Straße gehabt. Und damit wäre genau das passiert, was Sie nicht haben wollen.« Eine weitere Anekdote erzählt, dass Justizminister Broda Wiesenthal angerufen und gefragt hätte  : »Was halten Sie davon, dass ich den Brief Doktor Habsburgs an Schuschnigg 22 in meiner Parlamentsrede verwendet habe  ?« Da sagt der Wiesenthal  : »Na was soll ich sagen, ich hätte Sie sehr schnell zum Schweigen gebracht.« »Ja, wieso  ?« »Na ja, nun sehr einfach, ich hätte Sie gefragt, was Sie im Jahr 1938 für Österreich getan haben.« Die ÖVP war wohl sicherlich auch etwas erstaunt über die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs und ließ über ihr parteieigenes Volksblatt verkünden, dass sich die ÖVP nun in dieser Frage auch nicht mehr weiter engagieren werde – Otto von Habsburg möge sich selbst um die politische Klärung seiner Angelegenheit kümmern. Das war natürlich ein eindeutiges Signal  : Hinaus aus Österreich, zurück nach Pöcking. Die SPÖ organisierte gemeinsam mit der KPÖ eine großflächige Propaganda zur Vermögensfrage, mit der Kernaussage  : Otto möchte Österreich ausplündern. So betitelte die Arbeiterzeitung einen ganzseitigen Bericht mit »Die Milliarde, die Otto Habsburg haben möchte«23, und die SPÖ propagierte »Die Republik ist in Gefahr  ! Über die Rückkehr Otto von Habsburgs kann nur das Volk entscheiden«. Schließlich druckte die KPÖ noch ein Plakat, auf dem Otto von Habsburg und Julius Raab zu sehen sind, darunter war zu lesen  : »Ersatz für Raab, der bei der Wahl des Bundespräsidenten geschlagen wurde, suchen die ÖVP-Scharfmacher. Darum wollen sie Otto Habsburg nach Österreich bringen, der als ›Justizkanzler‹ der Reaktion das entscheidende Übergewicht verschaffen soll. Der Habsburger ist eine schwere Gefahr für Demokratie und Neutralität  ! Otto Habsburg hat in Österreich nichts verloren  ! Kommunistische Partei Österreichs.«24 22 Gemeint ist der Brief, mit dem Otto von Habsburg Bundeskanzler Schuschnigg im Februar 1938 aufforderte, ihm unmittelbar die Kanzlerschaft zu übertragen. Dieser Brief wurde vielfach im Sinne einer Anmaßung Otto von Habsburgs fehlinterpretiert. In Wahrheit aber wollte Otto von Habsburg nichts anderes, als einen bewaffneten Widerstand gegen die Nationalsozialisten organisieren. 23 Vgl. St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 296. 24 Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung (FLU).Sign.  : 16 630.262 (1963/07). Das Plakat kann online angesehen werden.

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Otto von Habsburg hielt sich aufgrund der aufgeheizten innenpolitischen Stimmung sehr zurück und erklärte, dass er von seinem Recht zur Einreise vorerst nicht Gebrauch machen werde. Im Jahr 1964 demissioniert Bundeskanzler Gorbach25, und Josef Klaus26 begann mit den Koalitionsverhandlungen. Die SPÖ fordert wieder ihre alte Bedingung, nämlich die (juristisch nicht haltbare) »unerwünscht«-Klausel im Reisepass von Otto von Habsburg. Als die neue Koalitionsregierung gebildet war, wollte diese eine Wiedereinreiserage weiterhin auf die lange Bank schieben. Die ÖVP laviert jetzt sehr unangenehm und entsandte am 9. Juli 1964 schließlich den Landtagsabgeordneten Grundemann-Falkenberg 27 (Otto von Habsburg hat diesen Namen sehr lange nicht genannt) nach Pöcking. Otto von Habsburg notiert dazu in seinem Kalender  : »ÖVP entschied, nicht das Recht zu unterstützen. Neue Forderungen.«28 Und Grundemann-Falkenberg saß in Pöcking und fragte, ob es wirklich sein müsse, dass Otto nach Österreich hineinwolle  – man könnte ja darüber nachdenken, dass man zuerst eine positive Entscheidung über die Vermögensfrage herbeiführen könnte, wenn er sich im Gegenzug dazu bereit erklären würde, auf eine Wiedereinreise nach Österreich zu verzichten. Das war die Haltung großer Teile der ÖVP und nicht nur die eines Einzelnen. Otto von Habsburg war über diese mangelnde Unterstützung sehr enttäuscht und nahm schließlich – er, der sich öffentlich zu gewissen Dingen 25 Alfons Gorbach (2.9.1898 – 31.7.1972), ÖVP-Politiker, bereits 1933–38 steirischer Landesführer der Vaterländischen Front, 1945–1970 für die ÖVP Abgeordneter zum Nationalrat und 1960–63 Bundesparteiobmann der ÖVP sowie 1961–64 Bundeskanzler. Gorbach galt als Mann des Ausgleichs und Vertreter einer großen Koalition zwischen ÖVP und SPÖ. Vgl. ÖsterreichLexikon 1 (Wien 1995) S. 415. 26 Josef Klaus (15.8.1910 –- 25.7.2001) löste Gorbach 1963 als Bundesparteiobmann und 1964 als Bundeskanzler ab. Er hatte seine Karriere in Salzburg (1949–61 Landeshauptmann) begonnen, war ab 1960 dazu in der Führung der ÖVP tätig und 1962/63 sowie 1966–70 Abgeordneter zum Nationalrat. 1961–63 Finanzminister, löste er 1964 Gorbach als Bundeskanzler ab – bis 1966 in Koalition mit der SPÖ, ab 1966 bis 1970 in einer ÖVP-Alleinregierung. Er gilt als »Reformkanzler« der Nachkriegszeit. Vgl. Österreich-Lexikon 1 (Wien 1995) S. 520. 27 Ernst Grundemann-Falkenberg (1.8.1902 – 19.9.1987) stammte aus einer österreichischen Adelsfamilie, war Land- und Forstwirt und ab 1929 politisch in der christlichsozialen Bewegung engagiert. Ab 1945 in der ÖVP tätig, war er u. a. 1957–1970 Obmann des Österreichischen Gemeindebundes, 1949–1962 Mitglied des Bundesrates und 1962–1970 Abgeordneter zum Nationalrat. Nach der Wahlniederlage sowie aus Altersgründen zog er sich 1970 aus der Politik zurück (http://www.de.wikipedia.org/Ernst_Grundemann-Falkenberg  ; Zugriff  : 14.1.2013). 28 Zitiert in St. Baier – E. Demmerle, siehe Anm. 1, S. 304.



Otto von Habsburg – Vertreibung und Wiedereinreise in Österreich

niemals geäußert hatte  – in einem langen Artikel in der Furche 29 zu der ganzen Sache Stellung. Er erwähnte darin auch den Besuch GrundemannFalkenbergs und setzte ihm damit ein schriftliches Denkmal. »In meiner Bibliothek in Pöcking saß letztlich ein österreichischer Politiker, sein Name tut nichts zur Sache. Ich weiß auch nicht, was bei ihm Auftrag, was persönliche Ansicht war. Äußerlich war er von jenem behäbigen Typus, wie er in unserem öffentlichen Leben oftmals anzutreffen ist. Seitdem es einen ›Fall Habsburg‹ gibt, war er nicht der Erste an diesem Ort. Ich habe mich seither und auch niemals über einen Mangel an guten Ratschlägen zu beklagen gehabt. Ich kenne sie gerade schon alle auswendig.« Im Folgenden skizziert er das ganze Sammelsurium an Appellen, Ratschlägen, vermeintlich freundschaftlich gemeinten Hinweisen, Drohungen und Versprechungen betreffend patriotische Pflichten, notwendigen politischen Opfern, staatsmännischer Klugheit etc. Dezidiert schreibt er dann  : »Aus rechtlichen Erwägungen und aus Respekt vor den Gerichten habe ich bisher ein ganzes Jahr lang geschwiegen. […] Man hat mir öffentlich und privat nahegelegt, über meine seinerzeitige Loyalitätserklärung hinaus zu gehen und sie erneut in erweiterter Form abzugeben. Wenn ich dies nicht getan habe, so vor allem deshalb, weil meine Loyalitätserklärung von einem der höchsten Gerichte der Republik als ausreichend anerkannt wurde. Quod scripsi, scripsi. Ich habe den in früheren Fällen üblichen Text unterschrieben. Es ist eine schwere persönliche Kränkung, um nicht zu sagen eine Beleidigung, wenn man mir a priori die Glaubwürdigkeit abspricht. Für diejenigen aber, die Derartiges tun, werde ich dadurch nicht glaubwürdiger, dass ich dasselbe in verschiedenen Abwandlungen noch hunderte Male wiederhole. Man hält mir vor, dass ich mich vor meiner Verzichtserklärung in diesem oder jenem Sinne geäußert hätte. Ganz abgesehen davon, dass freie Meinungsäußerung zu den Grundrechten jedes Österreichers gehört, ist es doch wohl der Sinn der Loyalitätserklärung und des Gesetzes, dass sie vorschreiben, dass die Angehörigen des ehemaligen Herrscherhauses auf ein Recht verzichten, an dem sie tatsächlich oder angenommener Weise vorher festgehalten haben. Wozu bedürfte es denn sonst einer Verzichtserklärung  ? Ich habe mich selbstverständlich nicht leichten Herzens zu einer Erklärung entschlossen, die unter das, was ich als Vermächtnis meines Vaters übernommen hatte, einen Schlussstrich zieht.«30 29 Die Furche 25 (1964) S. 4 f. 30 Ebenda.

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Die Einreise – Ende gut, alles gut  ?

Am 4. November 1964 beantragt Otto von Habsburg beim österreichischen Konsulat in München einen Pass ohne den diskriminierenden Zusatz »Gilt für alle Staaten, außer für Österreich«. Der Akt ging, wie von Kreisky31 für einen solchen Fall angewiesen, unbearbeitet direkt nach Wien. 1966 versuchte die SPÖ wieder, einen sehr scharfen Wahlkampf mit Hilfe der »Causa Habsburg« zu führen, verlor aber die Wahl am 6. März, die ÖVP errang dabei die absolute Mehrheit. Am 1. Juni 1966 erhielt Otto von Habsburg endlich seinen österreichischen Reisepass ohne den diskriminierenden Passus. Die SPÖ versuchte natürlich sofort einige Störmanöver zu inszenieren, konnte aber die weitere Entwicklung nicht mehr aufhalten. Otto von Habsburg dosiert seine ersten Österreichaufenthalte sehr sorgfältig. Am 31. Oktober 1966 reiste er zum ersten Mal nach Österreich. Er fuhr mit einem Wagen über die Grenze bei Leutasch in Tirol, fuhr danach nach Innsbruck, legte Blumen am Grab seines Onkels Erzherzog Eugen nieder, besuchte noch einige Getreue in Zirl und fuhr noch am selben Tag wieder zurück. Am 27. November 1966 hielt er sich dann für wenige Stunden in Vorarlberg auf. Otto von Habsburgs Einreisen wurden vom österreichischen Sicherheitsdienst genauestens beobachtet. 1967 fanden erste öffentliche Auftritte und Vorträge statt. SPÖ und KPÖ veranstalteten zwar immer wieder einige Störaktionen, und es fanden noch immer Demonstrationen statt, bei denen Otto und Regina von Habsburg mit Farben, mit faulen Eiern etc. beworfen wurden. Aber die Situation beruhigte sich zunehmend, sodass 1968 auch für die Kinder Pässe  – ohne Zusatz  – ausgestellt werden konnten. Otto von Habsburg reiste immer öfter nach Österreich, wobei die allseitige Begeisterung für diese faszinierende Persönlichkeit bald die immer schwächer werdenden Proteste überlagerte.

31 Bruno Kreisky war von Sommer 1959 bis zur Wahlniederlage der SPÖ am 6. März 1966 Innenminister und als solcher für das Passwesen zuständig gewesen. Mit 19. April 1966 nahm die Alleinregierung der ÖVP unter Klaus ihre Arbeit auf.

Norbert Leser

Die Angst der Sozialdemokratie vor der Rückkehr der Monarchie – oder – Das Habsburgerbild in der österreichischen Gesellschaft und Politik nach dem Zweiten Weltkrieg

Als ich ein enger Mitarbeiter von Minister Broda1 war, habe ich Aufsätze von ihm herausgegeben, er hat im Gegenzug für mein erstes Buch Begegnung und Auftrag 2 das Vorwort geschrieben. Zwar hatte ich keinen formellen Status, aber ich bin sozusagen bei ihm aus- und eingegangen, da ich damals noch ein treuer Parteigänger der SPÖ war. Und so habe ich auch Brodas Linie in der Habsburg-Frage (heute muss ich sagen zu meiner Schande  – mea culpa) durch einen Artikel in der Zeitschrift Zukunft 3, dem theoretisch-wissenschaftlichen Organ der SPÖ, publizistisch unterstützt. Aber dann habe ich langsam durchschaut, dass diese ganze AntiHabsburg-Kampagne nur ein Ablenkungsmanöver von der innerparteilichen Krise der SPÖ war, die sich zu diesem Zeitpunkt schon angedeutet hat. Denn Bruno Pittermann4 war zwar ein glänzender Redner und Zwischenrufer, aber ein schlechter Parteiführer, da er weder autoritär noch kollegial in seinem Stil war, sondern einfach alles laufen ließ. Einen gegen den anderen ausspielen, mit dem Ergebnis, dass ein wirklich machtbewusster Mann die Hand nach der Herrschaft ausgestreckt hat – das war

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Christian Broda (12.3.1916 – 1.2.1987), Jurist und Politiker (SPÖ)  ; 1957–59 Bundesrat, 1962– 83 Abgeordneter zum Nationalrat, Justizminister 1960–66 und 1970–83 (Österreich-Lexikon, Bd. 1, Wien 1995, S. 151). 2 Nobert Leser, Begegnung und Auftrag. Beiträge zur Orientierung im zeitgenössischen Sozialismus. Wien u. a. 1963. 3 Vgl. Norbert Leser, Skurrile Begegnungen. Mosaike zur österreichischen Geistesgeschichte. Wien-Köln-Weimar 2011, S. 217. 4 Bruno Pittermann (3.9.1905 – 19.9.1983), Lehrer und Politiker (SPÖ), 1950–57 stellvertretender Wiener Parteiobmann, 1957–67 Parteivorsitzender, 1956–70 SPÖ-Klubobmann, 1964– 76 Präsident der Sozialistischen Internationalen, 1957–66 Vizekanzler (Österreich-Lexikon, Bd. 2, Wien 1995, S. 199).

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Norbert Leser

Minister Franz Olah5 (den ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich kannte). Dass damals, wie ich beobachten konnte, parallel zur Causa Habsburg auch die generalstabsmäßig durchgeplante Kriminalisierung Olahs (wegen Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern) vorbereitet wurde, war kein Zufall und hat mir damals sehr missfallen. Es hat dann ein Parteischiedsgericht gegen Olah gegeben – und als in den Tagen, in denen das Schiedsgericht tagte, eines der Mitglieder des Schiedsgerichtes bei Broda auftauchte, wurde mir klar, dass dieses Schiedsgericht nur eine Farce und ein Vorwand war, Olah aus der Partei auszuschließen6. Gleichsam als Fußnote sei angemerkt, dass Olah die Genugtuung erlebt hat, alle seine Feinde zu überleben. Als nur noch einer seiner ehemaligen Feinde – nämlich Christian Broda  – gelebt hat, kann ich mich an seinen Ausspruch erinnern  : »Diese Lemure werd’ ich auch noch überleben.« Und Olah ist tatsächlich im hundertsten Lebensjahr gestorben (interessant ist, dass drei Persönlichkeiten, die auf ganz unterschiedliche Weise das Nachkriegsösterreich geprägt haben, fast hundert Jahre alt geworden sind  : Otto von Habsburg, Franz Olah und Kardinal König). Ist es eine Form von »göttlichem Wohlgefallen«, dass man diese Würdenträger länger als ihre weltlichen Kontrahenten leben ließ  ? So habe ich nun nicht nur den Fall Olah, sondern auch den Fall Otto Habsburg aus einer anderen Perspektive betrachten gelernt. Aufgrund meiner intensiven wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Geschichte der Sozialdemokratie, kam ich zu der Erkenntnis, dass sie – im Gegensatz zur vorherrschenden Selbstdarstellung der Partei  – eigentlich gar nicht antihabsburgisch und gar nicht für die Republik war. Es gibt kein einziges offizielles Parteidokument, aus dem hervorgeht, dass man die 5

Franz Olah (13.3.1910 – 4.9.2009), Klavierbauer und Politiker (SPÖ), 1949–57 Vorsitzender der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter (1950 maßgeblich an der Niederschlagung des kommunistischen Streiks beteiligt), 1955–59 Vizepräsident und 1959–63 Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, 1945–48 und 1969/70 Abgeordneter zum Wiener Landtag und Gemeinderat, 1948–61 und 1962–64 Abgeordneter zum Nationalrat, 1959–61 2. Nationalratspräsident, 1964–66 freier Abgeordneter, 1963/64 Bundesminister für Inneres (Österreich-Lexikon, Bd. 2, Wien 1995, S. 141). 6 Olah wurde 1964 von der SPÖ ausgeschlossen und aufgrund des Missbrauches von ÖGB-Geldern gerichtlich verurteilt Wie sich viel später herausstellte, war vieles an der »Affäre Olah« konstruiert und gezielt so gelenkt worden, um den einigen Parteimitgliedern zu stark und mächtig gewordenen Politiker gezielt und nachhaltig mundtot zu machen (Österreich-Lexikon, Bd. 2, Wien 1995, S. 141).



Die Angst der Sozialdemokratie vor der Rückkehr der Monarchie

Einführung der Republik wollte, und schon gar keines zur Auflösung des alten Österreich. Nicht von ungefähr kam also der Spitznamen für die Sozialdemokratie, die als »k. k. Sozialdemokratie« bezeichnet wurde. Als im Jahr 1974 ein altösterreichischer Historiker, der in London gelebt hat, Johann Wolfgang Brügel, einen Beitrag geschrieben hat, in dem er behauptete, die Sozialdemokratie war eigentlich immer schon republikanisch und habe sich nur mit Rücksicht auf die Zensur zurückgehalten bzw. sei auch nicht für das alte Österreich eingetreten7, habe ich ihn in der Zukunft 8 aufgefordert (in der ich zehn Jahre zuvor noch Broda verteidigt hatte), ein Dokument namhaft zu machen, aus dem diese Haltung hervorginge, da nicht einmal in Briefen Andeutungen für eine antihabsburgische, eine antimonarchistische Haltung gefunden werden können, ja niemand den alten Kaiser wie die alte Monarchie in Frage zu stellen wagte. Selbst die Tochter von Karl Renner9, die ich gut kannte und in ihrem Haus in Gloggnitz wiederholt besucht habe (so habe ich auch Bruno Kreisky10 rechtzeitig darauf aufmerksam machen können, dass dieses Haus nach dem Tod der Tochter von Renner nicht verloren ginge, sondern als Museum erhalten bliebe), hat mir berichtet, dass ihr Vater immer wieder gesagt habe  : »Ich weiß gar nicht, ob wir uns getraut hätten, die Republik auszurufen, wenn der alte Kaiser noch gelebt hätte.« (Vielleicht wären die Sozialdemokraten dann Habt Acht gestanden und es wäre nicht zu dieser Ablöse gekommen  ? Das sei nur als Scherz dazwischen gestreut.) Die Sozialdemokratie war somit nicht grundsätzlich gegen das alte Österreich. Noch am 21. Oktober 1918 bot Victor Adler11 in der Provisorischen Nati  7 Johann Wolfgang Brügel, Tschechen und Deutsche. Bd.1.  : 1918–1938, Bd. 2  : 1939–1946. München 1967 bzw. 1974.   8 Vgl. Leser, Skurrile Begegnungen, S. 217 f.   9 Karl Renner (14.12.1870 – 31.12.1950), Jurist und Politiker, war einer der Verfechter einer föderalistischen Neuordnung der Monarchie. Schon in der Monarchie für die Sozialdemokratie politisch tätig, zählt er zu den Gründervätern der Ersten Republik ebenso wie zu denen der Zweiten, wobei seine zwiespältige Haltung zum Nationalsozialismus (immerhin auch eine Arbeiterbewegung, wenngleich keine internationale, sondern eine nationale) nicht verschwiegen werden darf. Vgl. Österreich-Lexikon, Bd. 2, Wien 1995, S. 272. 10 Bruno Kreisky (22.1.1911 – 29.7.1990), Politiker, zählt zu den prägenden Persönlichkeiten des Nachkriegsösterreich, v. a durch die lange Periode der SPÖ-Alleinregierung von 1971 bis 1983, der er als Bundeskanzler wie ein »Sonnenkönig« vorstand (vgl. Österreich-Lexikon, Bd. 1, Wien 1995, S. 650). 11 Victor Adler (24.6.1852 – 11.11.1918), Arzt und Politiker, gehörte dem intellektuell-jüdischen Flügel der Sozialdemokratie in den letzten Jahrzehnten der Monarchie an. Gemeinsam mit Karl

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onalversammlung den anderen Staaten bzw. den anderen Völkern der Monarchie an, im gemeinsamen Staatsverband zu bleiben. Doch da hatte bereits ein entfesselter Nationalismus zur Gründung von neuen, »reinen« Nationalstaaten geführt – des SHS-Staates, von Ungarn, der Tschechoslowakei – und auch in den anderen Staaten ist der Nationalismus losgebrochen. Der hatte bereits dem alten Österreich in seinen letzten Jahrzehnten zu schaffen gemacht, nun griff er zügellos um sich. Die Probleme, die ein multinationaler Staat wie das alte Österreich so nicht kannte und nun aufbrachen, werden in dem wunderbaren Theaterstück 3. November 1918 von Franz Theodor Csokor, das selbst im Ständestaat sogar am Burgtheater aufgeführt wurde, aufgezeigt. Interessanterweise wurde bereits zu dieser Zeit eine Szene vorsorglich gestrichen  : Jene, als der jüdische Regimentsarzt Grün als Einziger Erde aus Österreich in das Grab jenes Offiziers wirft, der aus Gram über den Zusammenbruch des alten Österreich Selbstmord begangen hatte, während alle anderen ihm schon Erde ihrer im Entstehen begriffenen Nationalstaaten nachwerfen. Vor allem für die Juden, die zu keinem der neuen Nationalstaaten »passten«, war der Zerfall der alten Monarchie eine Tragödie, da sie mit Kaiser Franz Joseph ihren Schutzherren und mit dem alten Österreich ihre Schutzmacht verloren hatten und daher die Hauptleidtragenden des Zusammenbruches des übernationalen Staatskörpers waren. Aber auch für uns alle wäre es besser gewesen, es wäre zu dem gekommen, was man die »soziale Monarchie« genannt hat. Dieser Wandel lag 1918 bereits in der Luft, hatte doch noch der alte Kaiser das neue Wahlrecht, obwohl es nicht seinem Innersten entsprang (er hat ja auch das Parlamentsgebäude nie betreten), unterzeichnet. Und es wären wohl auch alle anderen Gesetze, die später in der Republik folgten, mit kaiserlichem Segen in Kraft getreten. Also wäre es  – retrospektiv gesehen  – für alle Beteiligten besser gewesen, wenn es diesen Weg zur sozialen Monarchie gegeben hätte. Ich habe mich jedenfalls in einem Beitrag in der Zukunft12 1974 ausführlich mit diesem Aspekt beschäftigt und diesen Text Otto von Habsburg nach Pöcking geschickt. Dieser antwortete mir nicht mit einem allgemein abgefassten höflichen Schreiben, sondern mit einem sehr ausRenner war er für den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1918, doch verhinderte sein Tod in den Gründungswochen der Republik, dass Adler maßgeblich das neue Staatswesen mitgestalten konnte. Vgl. Österreich-Lexikon, Bd. 1, Wien 1995, S. 6. 12 Vgl. Leser, Skurrile Begegnungen, siehe Anm. 3, S. 218 f.



Die Angst der Sozialdemokratie vor der Rückkehr der Monarchie

führlichen Brief, in dem er meinte, es täte ihm leid, dass sein seliger Vater nicht mehr erlebt habe, dass ein so habsburgfreundlicher Artikel in einer sozialdemokratischen Zeitschrift erschienen sei. So entstand bereits zehn Jahre, bevor ich von der Maximiliana eingeladen wurde, als sogenannter Alter Herr und als Ehrenmitglied das Band zu tragen (was ich gerne getan habe, wenngleich es meine Entfremdung zur SPÖ gefördert hat)13, eine Verbindung zur Familie Habsburg. Ich bin frühzeitig gegen das aufgetreten, was Günther Nenning den »Habsburger-Kannibalismus«14 genannt hat. Er war in der SPÖ sehr verbreitet und beherrschend und wurde als Kampfmittel, als Druckmittel eingesetzt, weil man einen Feind aufbauen wollte, gegen den man losziehen konnte. Und so war der ganze Parteitag 1963, an den ich mich noch lebhaft erinnere, eine gekonnte Inszenierung. Aber ein Jahr später ist die Krise, von der man ablenken wollte, in voller Wucht ausgebrochen – und Franz Olah wurde aus der Partei ausgeschlossen. Er hätte im Übrigen gar nicht gehen müssen, hätte er sich nicht einen Jugendtraum15 erfüllen wollen – um diesen Traum kurze Zeit erfüllt zu sehen, hat er seine Stellung als Gewerkschaftsbundpräsident aufgegeben, in der man ihn nicht so leicht absetzen hätte können. In dieser Funktion hätte er diese eine Million, die er für die Kronen Zeitung und für die Finanzierung der FPÖ verwendet hat, von den willfährigen Genossen jederzeit bestätigt bekom13 Vgl. dazu Leser, Skurrile Begegnungen, siehe Anm. 3, S. 220. Ich möchte nicht verschweigen, dass mich die Stunden, die ich hier im Kreise adretter junger Männer mit christlichem Hintergrund verbringen konnte, mich reichlich für die öde Geselligkeit in Parteikreisen entschädigt haben. 14 Dieser Ausdruck ist im Verlauf einer Club-2-Diskussion gefallen und bezog sich darauf, dass die Republik zwar mit den toten Habsburgern und deren Kulturdenkmälern gute Geschäfte (v. a. im Tourismus) mache, aber kein selbstbewusst republikanisches Verhältnis zu den lebenden Habsburgern entwickeln könne, sondern in kleinlichem und nach 1945 unangemessenem Revanchismus verharre, umgeben von der fiktiven Angst-Vision eines monarchistischen Staatsstreiches – ein Szenario, dass Nenning wohl zurecht in den 1980er Jahren als absurd geißelte. Günther Nenning (23.12.1921 – 14.5.2006), Journalist, Publizist und Politiker, war dafür bekannt, über parteipolitische Rücksichten und politische Korrektheit hinweg »heiße« Themen der österreichischen Gesellschaft aufzugreifen und die Finger in Wunden der ab 1945 mühsam gedrechselten österreichischen Identität zu legen  ; vgl. Österreich-Lexikon, Bd. 2, Wien 1995, S. 100 bzw. http://www.de.wikipedia.org/wiki/Günther_Nenning (Zugriff  : 3.1.2012). 15 Nachdem Olah während zweier Regime, dem Ständestaat und dem Nationalsozialismus wiederholt mit der Polizei in Konflikt geraten war, entstand der Wunsch einmal Chef der Österreichischen Polizei zu werden. Ein Wunsch, der für ihn in der Position des Innenministers kurzzeitig in Erfüllung gehen sollte.

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men, aber er war selbstherrlich und hat gemeint, er brauche das nicht, ohne zu ahnen, dass man ihm daraus später »einen Strick drehen« würde. Aber wie gesagt, er hat dann noch die Genugtuung erlebt, dass er all jene, die ihn politisch umgebracht haben, überlebt hat, er hat auch im Scheitern die Erfolgreichen sozusagen überragt. Daran sieht man die Relativität, das habe ich auch in einem Beitrag für die Europäische Rundschau geschrieben.16 Ich habe wiederholt Gelegenheit gehabt, meine einmal eingeschlagene Linie fortzusetzen. Ich erinnere mich, als Kaiserin Zita beigesetzt und das Requiem im Stephansdom zelebriert wurde, ist Helmut Zilk, der als Wiener Bürgermeister daran teilgenommen hat, dafür heftig von der Partei angegriffen worden. Er hat damals einen Vizebürgermeister gehabt  – Hans Mayr17 – der ihm die Partei vom Leibe gehalten hat, denn Zilk war ebenso wenig ein richtiger Sozialdemokrat wie ich, sondern ursprünglich Freimaurer und hat sich dann später auch sehr der Kirche angenähert. Als man Zilk damals angegriffen hat, habe ich ihn Im Journal zu Gast18 – zu der Zeit bin ich noch häufiger in den Medien zu Wort gekommen – verteidigt und habe gesagt  : »Auch wenn Zita nicht mehr Kaiserin ist, sei sie doch Bürgerin der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt gewesen und 16 Europäische Rundschau, Nr. 3/2012, Norbert Leser  ; Anton Benya und Franz Olah, Eine idealtypische Konfrontation, S 43-54. 17 Obwohl aus unterschiedlichen Karrieren kommend, fungierten Helmut Zilk und Hans Mayr 1984–1994 als »Doppelgespann«  : Zilk als Repräsentant der Stadt, Mayr als jener, der die Parteipolitik erledigte und sich um die Machbarkeit und finanzielle Umsetzung der Ideen Zilks kümmerte. Helmut Zilk (9.6.1927 – 24.10.2008), Politiker und Journalist, hatte seine Karriere beim ORF begonnen, dem er von 1955 bis 1974 in wachsender Funktion (bis hin zum Fernsehdirektor) angehörte. Ab 1979 war er in der Wiener Stadtpolitik tätig und wurde nach dem Rücktritt von Leopold Gratz Bürgermeister, als der er eine an Karl Lueger heranreichende Popularität erlangte (zur Biographie vgl. http://www.de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Zilk  ; Zugriff  : 3.1.2013). Hans Mayr (27.6.1928 –25.10.2006) hingegen begann schon in früher Jugend für die Partei zu arbeiten und durchlief die klassische Karriere eines Wiener SPÖ-Kommunalpolitikers. Ab 1963 gehörte er dem Wiener Gemeinderat bzw. Landtag an und war ab 1973 unter Leopold Gratz und Helmut Zilk Finanzstadtrat. Ab 1974 auch Vizebürgermeister erreichte Mayr als Alter Ego von Zilk den Höhepunkt seiner Karriere  ; gemeinsam mit Zilk beendete er 1994 seine aktive Karriere und zog sich aus der Wiener Stadtpolitik zurück (zu seinem Werdegang vgl. http://www. de.wikipedia.org/wiki/Hans_Mayr_(SPÖ)  ; Zugriff  : 3.1.2013 bzw. die entsprechenden Artikel im Österreich-Lexikon, Bd. 2, Wien 1995, S. 35 bzw. 678). 18 Sendeleiste in Ö1, die im Anschluss an das Mittagsjournal gesendet wird  ; für diese Leiste wurden bekannte Persönlichkeiten, Wissenschaftler, Politiker etc. zu aktuellen Themen ausführlich interviewt.



Die Angst der Sozialdemokratie vor der Rückkehr der Monarchie

somit gebühre ihr die Reverenz, die ihr Zilk letztlich auch erwiesen hat.« Daraufhin hat Zilk mich in das Rathaus eingeladen, was zu den schöneren Erinnerungen zählt, die ich habe. Zu diesen zähle ich auch die mehrmaligen Begegnungen mit Otto von Habsburg in Admont. Otto hat dort an der landwirtschaftlichen Fachschule in der Woche vor der Karwoche immer wieder Vorträge gehalten. Auch Senator Brugger19 aus Südtirol war dort  – es waren also erfreuliche Begegnungen. Auch das er mir in sein Buch bei der Feier seines 95. Geburtstag, bei der ich im alten Schüttkasten in Klosterneuburg in seiner Nähe zu sitzen kam und man zwar schon deutlich sein Alter gesehen hat, aber sein Geist noch sehr lebendig war, noch »In alter Freundschaft« hineinschrieb, war mehr, als ich erwarten durfte. Nun, es ist dann letzten Endes doch, trotz aller Plänkeleien und trotz aller Querschüsse zu diesem historischen Handschlag vom 4. Mai 1972 – nicht zufällig bei einer Tagung der Paneuropäischen Union – gekommen  : Hier haben sich die beiden Europäer Kreisky und Otto von Habsburg gefunden  – zu spät für Österreich. Es wäre besser gewesen, man hätte Ottos polyglotte und überragende Persönlichkeit für Österreich einsetzen können, und nicht Franz Josef Strauß20 wäre auf diese Idee gekommen, sie für Bayern zu nutzen. Aber das war eben aufgrund der aufgeheizten Atmosphäre, die ich hier geschildert habe, nicht möglich. Die SPÖ und Otto von Habsburg haben sich dann einigermaßen versöhnt, aber es war zu spät, um daraus eine wirklich fruchtbare Zusammenarbeit für und in Österreich zu ermöglichen. Und jetzt möchte ich noch eine Geschichte erzählen, die mit der Maximiliana zusammenhängt bzw. mit meiner Zugehörigkeit sowie mit dem Farbstudententum und die wohl schon einige kennen, doch ich möchte sie hier wiederholen, damit sie auf diese Weise der Nachwelt erhalten bleibt. Als ich von 1980 bis 2001 Professor an der Universität Wien war, habe ich 19 Peter Brugger (27.4.1920 – 6.4.1986), Südtiroler Politiker, war ab 1947 für die Südtiroler Volkspartei (SVP) tätig und vertrat einen gemäßigten, aber hartnäckigen Kurs gegenüber Rom, um ein Südtiroler Autonomiestatut zu erreichen (zu den biographischen Daten  : http://www. de.wikipedia.org/wiki/Peter_Brugger  ; Zugriff  : 3.1.2013  ; in der Darstellung von Bruggers Südtirol-Politik greift diese Darstellung jedoch zu kurz). 20 Otto von Habsburgs späte politische Karriere wurde durch den bayerischen CSU-Politiker Franz Josef Strauß, der Bayern ab 1978 bis zu seinem Tod 1988 wie ein Prinzregent »regierte«, initiiert – Details dazu können in diversen Büchern über Otto von Habsburg nachgelesen werden.

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Norbert Leser

einen Hörer gehabt, der mir erzählte, dass der ehemalige kommunistische Staatspolizeidirektor, Hofrat Doktor Dürmayer 21, wieder in sein liberales Corps eingetreten sei. Es gibt neben dem CV und neben den schlagenden Burschenschaften auch noch andere kleine, aber feine Gruppen  – eine davon sind auch die katholischen Landsmannschaften. Es ist schade, dass letztere in dem Buch von Magenschab22 nicht einmal ignoriert werden. Es wäre doch der Mühe wert gewesen, zumal die Landsmannschaften für sich in Anspruch nehmen können, als einzige – im Unterschied zum CV – gegen den Anschluss an Deutschland gewesen zu sein und als einzige auch jüdische Mitglieder, natürlich getaufte, aber umso herzlicher willkommen geheißen zu haben (wie zum Beispiel den Komponisten Egon Wellesz23). Und dann gibt es noch, wenn auch nur noch vereinzelt, liberale Corps, die zum Teil sogar schlagend und farbentragend sind, wie dieses Corps Marchia. Wie mir der Hörer das erzählt hat, habe ich es nicht für möglich gehalten, dass ein Altkommunist, Spanienkämpfer  – ich glaube, er war sogar in Auschwitz  – der, wenn Österreich eine Volksdemokratie geworden wäre, ein kleiner Beria24 geworden wäre (und wahrscheinlich später auch liquidiert worden wäre), so einer Gruppe beitreten würde. Also für ihn und für uns zum Glück, ist uns das erspart geblieben. Dieser Hofrat Dürmayer hat um Wiederaufnahme in sein Corps angesucht, und wahrscheinlich gegen eine entsprechende Spende hat man über seine Vergangenheit hinweggesehen. Mir wurde das Bild gezeigt, dass ihn wieder plenis coloribus zeigte. Ich habe daraufhin in der Furche 25 eine Glosse geschrieben, die mich in Couleurkreisen bekannter gemacht hat, als alles, was ich ansonsten geschrieben habe, und die ich daher auch wiederholen 21 Heinrich Dürmayer (10.4.1905 – 22.9.2000), Widerstandskämpfer und Politiker, Spanienkämpfer, im KZ Auschwitz inhaftiert (Lagerältester), ab 1945 in der KPÖ maßgeblich engagiert und 1945–47 Leiter der Staatspolizei (Österreich-Lexikon, Bd. 1, Wien 1995, S. 243). 22 Hans Magenschab, Die geheimen Drahtzieher. Macht und Einfluss der Studentenverbindungen. Graz-Wien-Köln 2011. 23 Egon Wellesz, Komponist und Musikwissenschaftler, musste 1938 als Komponist »entarteter Musik« und aufgrund der Nürnberger Rassengesetze nach England fliehen  ; hier konnte er zwar seine wissenschaftliche Karriere fortsetzen, jedoch als Komponist nicht mehr Fuß fassen. Noch vor seiner Flucht war er – auch als Zeichen eines bewussten Protests gegen den Nationalsozialismus – in die KÖL Maximiliana aufgenommen worden. 24 Lawrenti Beria war ab 1938 Chef des sowjetischen Geheimdienstes und als solcher die Schlüsselperson für die Gräuel der stalinistischen Säuberungen. 25 Vgl. Leser, Skurrile Begegnungen, siehe Anm. 3, S. 219 f.



Die Angst der Sozialdemokratie vor der Rückkehr der Monarchie

und projektieren möchte. Ich habe darin die Frage gestellt  : Was kann einen Altkommunisten gegen Ende seines Lebens dazu bewegen, wieder in ein im Grunde reaktionäres Corps – wenn es auch nicht antisemitisch und deutschnational war, aber es war jedenfalls bürgerlich, und die Mitgliederliste war zum Teil eine Totentafel – einzutreten  ? Und meine Antwort war  : Es sei angesichts des nahenden Todes doch ein besseres Gefühl, Kappe und Band in das Grab nachgeworfen zu bekommen als Hammer und Sichel oder – wie in meinem Fall – drei Pfeile.

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Peter Parenzan

Was blieb vom Hause Österreich an Kunst und Kultur  ?

Um dieses Thema seriös abzuhandeln, würde selbst ein ganzer Vorlesungszyklus nicht ausreichen. Aber ich will versuchen, schlaglichtartig ein paar Anregungen zu geben, damit Sie neugierig werden und vielleicht selber auf Entdeckungsreise gehen, um all das mit wachen Sinnen in sich aufzunehmen, was wir unserer gemeinsamen Vergangenheit mit dem Haus Österreich zu verdanken haben. Dabei stellt sich die Frage  : Ist grundsätzlich alles, das in den circa 600 Jahren unter dem Einfluss der Habsburger entstanden ist, auch ihrem persönlichen Geist, Willen und Wollen zuzuschreiben oder muss zwischen »Staatskunst«, also Kunst als Mittel der Repräsentation und jenen Werken, die explizit von Herrschern oder den Mitgliedern der Familie in Auftrag gegeben wurden, unterschieden werden  ? Wie auch immer, der Umfang würde in jedem Fall das vorgegebene Format sprengen. Es ist jedoch eine Tatsache, dass das heutige Österreich stark von dem geprägt ist, was in den Epochen entstand, in denen die Dynastie der Habsburger die österreichischen Länder regiert hat. Der Österreich- und speziell der Wientourismus hätte ohne dieses Erbe einen völlig anderen Charakter. Als ehemaliger Leiter des Hofmobiliendepots und der Silberkammer möchte ich den Blick, berufsbedingt und ganz persönlich, vor allem auf die Kunstproduktion des 18. und 19. Jahrhunderts werfen. Man sollte nicht global von »den Habsburgern« sprechen, geht es doch immer um einzelne Persönlichkeiten, die je nach Talent und natürlich auch finanziellen Möglichkeiten im kulturellen Bereich prägende Eindrücke hinterließen.

»Habsburg-Rap«

Wenn wir ein paar Persönlichkeiten hervorheben, dann nur, um ein wenig mit den Klischees zu spielen, die einem zu den folgenden Namen einfallen  :

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Karl VI. (1685–1740, reg. 1711–1740) Er führt den Barockstil zum absoluten Höhepunkt. Ihm verdanken wir das Stadtbild, so nachhaltig prägende Stilikonen wie die Karlskirche und die ehemalige Hofbibliothek. Er war noch vom Spanischen Hofzeremoniell geprägt, sollte er doch ursprünglich den Spanischen Thron übernehmen. Er förderte den Merkantilismus. Auch von Bedeutung war, dass er Triest und Fiume als wichtige Handelshäfen des Reiches auszubauen begann. Maria Theresia (1717–1780, reg. 1740–1780), die große »Landesmutter« Ihr verdanken wir nicht nur die Lotterien und Kasinos, um die Staatsfinanzen aufzufüllen, sondern auch die heute noch wichtige Kulturinstitution des Heurigen. Sie zentralisiert die Verwaltung, entwickelte den Beamtenstaat und reformierte Schul- und Gerichtswesen. Sie prägt das Aussehen von Schloss Schönbrunn und der Hofburg in Innsbruck. Joseph II. (1741–1790  ; reg. 1765–1790) Er öffnet die Parkanlagen des Augartens und den Prater für das Volk. Wenn man es positiv sehen will, belebt die Säkularisierung der Klöster den Kunstmarkt. Neben der Abschaffung der Leibeigenschaft verdanken wir ihm aber vor allem die Gründung des »deutschen Nationalsingspiels« im Burgtheater (1776). Nicht vergessen sollten wir die Toleranz gegenüber den Protestanten, den Griechisch-Orthodoxen und den Juden. Leopold II. (1747–1792  ; reg. 1791/92) Der in der Toscana auch heute noch hochgeschätzte »Granduca Pietro Leopoldo« schaffte es in seiner ein Vierteljahrhundert dauernden Herrschaft, die Toscana durch kluge Reformpolitik zum Musterland der europäischen Aufklärung zu formen.



Was blieb vom Hause Österreich an Kunst und Kultur  ?

Die zwei Jahre als Kaiser verliefen dann, auch bedingt durch die französische Revolution, nicht ganz so glücklich. Franz II/I. (1768–1835  ; reg. 1792–1835) Dem Blumenkaiser, ein begeisterter Gärtner und Botaniker, haben wir das Biedermeier zu verdanken, und so bin ich ihm ganz besonders verpflichtet, denn das Hofmobiliendepot besitzt die umfangreichste Biedermeiermöbelsammlung der Welt. Aber auch die Kaiserhymne wurde für ihn komponiert, die schönste aller Hymnen, nach deren Melodie heute leider nur noch das Deutschlandlied gesungen wird. Franz Joseph (1830–1916  ; reg. 1848–1916) Er brachte es auf 68 Jahre Regierungszeit, in der Österreich in die Moderne geführt wurde. Durch die Schleifung der Basteien und die Errichtung der Ringstraße prägte er bis heute das Antlitz Wiens. Zu erwähnen wäre noch seine Ehe mit der Cousine Elisabeth in Bayern, auf die wir später noch zu sprechen kommen. Soweit ein sehr unvollständiger »Wort-Rap« zu den Kaisern des 18. und 19. Jahrhunderts. Lassen Sie mich zu ein paar allgemeinen Überlegungen kommen. Nachdem Wien stets der Regierungssitz war, seit 1620 auch ohne Unterbrechung Sitz des – nun sesshaften – Hofes, konzentrierte sich auch die kulturelle Entwicklung auf die Reichshaupt- und Residenzstadt. Das Kaiserhaus pflegte im 18. und frühen 19. Jahrhundert als wichtigstes »Hobby« die Musik. Während an den unzähligen deutschen Fürstenhöfen Unsummen zur Repräsentation ausgegeben wurden, war man in Wien bei diesem Budgetposten meistens (von durch Repräsentation und Zeremoniell bedingten Ausnahmen abgesehen) eher sparsam bis knausrig. Sparsamkeit war – oft gezwungenermaßen – auch eine Tugend. Die großen Paläste (in der Stadt wie in den damaligen Vorstädten und Vororten) wurden vom Adel erbaut, die Hofburg blieb über die Jahrhunderte ein Pasticcio, welches erst am Ende der Regentschaft, mit der Idee eines Kaiserforums, ein

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einheitliches Erscheinungsbild bekommen sollte  – das aber unvollendet blieb. Wirklich großzügig war man aber, wenn es um üppige Opernproduktionen ging. Kaiser Leopold I. (1640–1705) war nicht nur ein großer Sammler (das Kunsthistorische Museum verdankt ihm besonders wichtige Zimelien), sondern auch ein bedeutender Komponist. Er baute ein erstes eigenes Hoftheater (allerdings auf der Kurtine der Burgbastei und aus Holz, sodass es nach wenigen Produktionen wegen der herannahenden Türken aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden musste). Die Oper und die Festkultur war stets ein hochsubventioniertes Unternehmen, bei dem am wenigsten gespart wurde. Es ist schön zu sehen, dass diese Tradition beibehalten wurde – auch heute noch sind die Oper und das Burgtheater die am besten budgetierten Kulturinstitutionen in Österreich. So sehen wir immer wieder mit großem Vergnügen, dass unsere »deutschen Brüder« leuchtende Augen bekommen, wenn sie an das Burgtheater engagiert werden, um hier zu spielen, Regie zu führen oder gar zum Direktor ernannt werden, denn nirgendwo gibt es eine solche Akzeptanz der darstellenden Kunst wie in Wien – auch das ein Erbe vergangener Zeiten. Dem ausgeprägten Katholizismus des Kaiserhauses verdanken wir auch heute noch die zahlreichen Feiertage, die uns helfen, mit ausgeklügelter »Brückentechnik«, verlängerte Wochenenden zu genießen. Die unterschiedlichsten Ethnien, die der Vielvölkerstaat verwalten musste, lieferten den Sauerteig, dem die Ausbildung der Moderne in Literatur, Musik und Medizin zu verdanken ist. Die durch den Kaiser vorgelebte Toleranz erlaubte durch die Assimilation vor allem des jüdischen Bürgertums eine unglaubliche kulturelle Blüte zu Ende des 19. Jahrhunderts, an deren Ergebnissen wir uns bis heute noch immer erfreuen können. Die Moderne wurde vor allem innerhalb dieser Klientel entwickelt und gefördert – das Kaiserhaus stand diesen Strömungen etwas ratlos gegenüber, aber wahrscheinlich war ihm die Kraft zu einem wirklichen Aufbruch in neue Zeiten nicht mehr gegeben. Tourismus und »Sissis« Folgen

Ein ganz bedeutender Wirtschaftsfaktor für das heutige Österreich ist der Tourismus, und was täte dieser ohne das umfangreiche Erbe aus der Monarchie auf allen Gebieten der Kunst und Kultur  ?



Was blieb vom Hause Österreich an Kunst und Kultur  ?

Ein besonderes Kapitel stellt der Mythos dar, der sich um Kaiserin Elisabeth entwickelt hat. Der spektakuläre Mord am Genfer See war wohl Anlass genug, der Kaiserin besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, die ja zu ihren Lebzeiten auf öffentliche Präsenz keinen Wert gelegt hatte. Aber da gab es den Glücksfall, dass Regisseur Ernst Marischka 1955 auf die Idee kam, ein Singspiel aus der Vorkriegszeit1 in einen Film zu verwandeln und die 17-jährige Romy Schneider mit der Hauptrolle zu betrauen. Von dem enormen Erfolg waren alle überrascht, und bis heute kämpfen wir im Hofmobiliendepot dagegen an, dass das Bild der »Sissi« jenes von Sisi (wie Kaiserin Elisabeth sich selbst unterschrieb) übertüncht. Aus diesem Grunde haben wir dort einen »Sisi-Pfad« installiert, bei dem wir die FilmElisabeth der echten gegenüberstellen. Das Besondere dabei ist, dass wir Szenen aus den Filmen zeigen und daneben das Originalmobiliar stellen, denn die »Sissi«-Trilogie wurde mit Objekten aus dem Mobiliendepot ausgestattet. Es ist erstaunlich, wie sehr diese drei Filme vor allem in Ostasien, Japan und China zum »Kult« gehören. Da ich berufsbedingt damit besonders oft konfrontiert werde, möchte ich ein paar Bemerkungen dazu machen. Seit 1987 werden wir von verschiedenen japanischen Museen und Institutionen gebeten, Ausstellungen über das Haus Habsburg zusammenzustellen. Das Hofmobiliendepot und die Silberkammer bieten naturgemäß reichlich Material zu diesem Thema. Die Japaner sind zwar fasziniert von der Langlebigkeit der Dynastie, ihre wahre Leidenschaft gilt jedoch tragischen Schicksalen. So sind die Themen »Marie Antoinette«, »Kaiserin Elisabeth/ Sissi« und »Kronprinz Rudolf« vorrangig bei der Auswahl der Objekte. Als Ergänzung kommt noch »Maria Theresia« dazu – die Mutterfigur als Regentin ist ebenfalls sehr beliebt, denn man muss bedenken, dass 95 Prozent der Ausstellungsbesucher in diesen Ländern Frauen sind. Eine Spezialität der Japaner ist, historische Themen in Mangas aufzubereiten – jedes japanische Volksschulkind weiß deshalb über Marie Antoinette besser Bescheid als bei uns ein Maturant. Es gibt über Elisabeth, Rudolf und erstaunlicherweise auch über Elisabeth Petznek (die Tochter von Kronprinz Rudolf) ganz hervorragend gezeichnete graphic novels, die 1

»Sissy«, Singspiel in 2 Akten von Fritz Kreisler, Libretto von Ernst und Hubert Marischka (basierend auf dem Lustspiel »Sissys Brautfahrt« von Ernst Décsey und Gustav Holm), Uraufführung  : 23. 12. 1932, Theater an der Wien.

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man vielleicht einmal übersetzen sollte. Diese Ausstellungen  – zeitweise touren gleichzeitig drei durch Nippon  – sind natürlich eine großartige Werbung für unser Land.

Hofmobilien und Hofsilber im republikanischen Alltag

Nach diesem Schwenk in das ferne Japan, möchte ich noch zu einem Erbe kommen, das ich zu verwalten die Ehre hatte. Im Hofmobiliendepot und der Silberkammer konzentriert sich wie nirgendwo sonst das tägliche Leben der letzten 200 Jahre des Hauses Österreich. Aus dem Ärar finanziert, waren die Sammlungen Teil der Hofoffizine, die das tägliche Leben am Hofe erst möglich machten. Von den diversen Küchen über Licht- und Wäschekammern war es vor allem das Mobiliendepot, das für Einrichtungsfragen zuständig war – all dieses Material war ja nicht zum musealen, sondern zum täglichen Gebrauch bestimmt. Nun sind die Gegenstände doch in zwei Museen gelandet und können uns heute zeigen, wie am Hofe gelebt, gefeiert und gegessen wurde. In seiner Geschlossenheit ist dieses kulturelle Erbe einmalig, und man beneidet uns weltweit darum. Daher zeigen wir auch im Saal »Das Erbe« die unglaubliche Fülle an verschiedensten Einrichtungsgegenständen, die sich so im Laufe der Jahrhunderte angesammelt haben, und im »Habsburgersaal« Objekte, welche sich direkt einer Persönlichkeit der Familie zuordnen lassen. Wir versuchen so, die materielle Hinterlassenschaft des Hauses Österreich zu thematisieren. Dieses reiche Erbe wurde von der Republik von Anfang an ganz pragmatisch genutzt, sei es bei der Einrichtung der Büros der höheren Bürokratie oder bei der Verwendung als Tafelgeschirr bei Staatsbanketten. So war es nie ein Problem, dass der Bundespräsident oder der Kanzler seinen Gästen das Mahl auf Porzellan oder Silber anbot, welches mit dem Doppeladler verziert war. *** Wien ist besonders geprägt vom Flair der Vergangenheit, die Atmosphäre ist eher unaufdringlich und ohne hohles Pathos. Es stellt sich natürlich die Frage, wieweit das Herrscherhaus für das Klima verantwortlich war, in dem Handel, Gewerbe, Wissenschaft und Kunst gedeihen konnten – oder



Was blieb vom Hause Österreich an Kunst und Kultur  ?

auch nicht. Manchmal sind auch politisch repressive Zeiten vorteilhaft für die Kunst, weil sie einem Eskapismus förderlich sind. In diesem Zusammenhang wird hier gerne die Ära Metternich genannt. Es ist schon auffallend, dass zu dieser Zeit eine unglaublich qualitativ hochstehende häusliche Kultur entstand. Die bürgerliche Wohnkultur dieser Zeit ist uns heute noch Vorbild, und auch die Kammermusik- und Hausmusikkultur erfuhren erste Höhepunkte. Dieses Erbe soll uns darauf hinweisen, wie sehr das Vorhandensein verschiedener Völker unter einem Dach fasziniert hat und noch immer fasziniert. Dass man dieses Völkergemisch am Ende nicht zusammenhalten konnte, weil der aufkommende Nationalismus alles gesprengt hat, sollte uns heute eine Mahnung sein, denn ähnliche Tendenzen werden im europäischen Raum immer wieder gerne hervorgeholt, um politisches Kleingeld zu wechseln.

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Das Habsburg-Bild in den Medien

Gleich vorweg möchte ich anmerken, dass ich meinen Beitrag nicht als wissenschaftliches Referat verstanden haben will, sondern als in einigen Bereichen durchaus beabsichtigte überzeichnete Provokation eines Journalisten, der seit Jahren die Auseinandersetzung der Republik mit der Familie Habsburg – historisch wie aktuell – beobachtet hat und durch einige Beiträge im ORF auch aktiv mitgestalten konnte.

Wie sieht das Habsburg-Bild in den Medien aktuell aus  ?

Es gibt kein Habsburg-Bild in den Medien. Die Familie ist weder mit ihrer Geschichte und ihren historischen Persönlichkeiten noch in ihren aktuellen Funktionen präsent. Nicht einmal der Tod und das Begräbnis von Otto Habsburg haben nachhaltige Spuren in der Medienlandschaft hinterlassen oder zu einem Diskurs über Habsburg-Bild und Habsburgverständnis der Republik Österreich angeregt. Ich möchte dies an einem für unseren aktuellen Umgang mit Medien charakteristischen Beispiel verdeutlichen  : Wenn man heute den Begriff »Habsburg« in Google oder eine andere der bekannten Suchmaschinen eingibt, bietet sich folgendes, meines Erachtens typisches Ergebnis  : Auf der Homepage der APA (Austria Presse Agentur) finden sich z. B. – von Meldungen zu Tod und Begräbnis Otto Habsburgs abgesehen – Meldungen zur Trachtenmanufaktur »Habsburg« wesentlich häufiger als zum Haus Österreich und seinen Mitgliedern. Natürlich spielt die Familie Habsburg im heutigen Leben der Republik (egal ob Österreich oder Bundesrepublik Deutschland) keine bedeutende politische Rolle mehr, auch keine wirtschaftliche, sodass die Medien ihr von sich aus und aus der Perspektive der Gegenwart notwendigerweise keine Aufmerksamkeit schenken müssten. Einzig wenn historische Themen oder Jubiläen zu bearbeiten sind, sehen sich Medien nicht nur mit der habsburgischen Geschichte sondern auch mit der heutigen Familie Habsburg konfrontiert. Nach der Habsburg-Krise der 1960er Jahre hat die Fa-

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milie Diskussionen über ihre Rolle in den Medien weitgehend vermieden und bewusst ihre aktuelle Rolle ohne permanenten medienwirksamen Rekurs auf die große Vergangenheit gelebt. Ob diese Haltung – vor allem in Hinblick auf die kommenden großen Jubiläen 1914/2014 oder 1918/2018 – sinnvoll scheint, möchte ich näher ausführen.

1914/2014

Das Gedenken an den Beginn Erster Weltkrieg wird eine sehr spannende Zeit werden, in der es wieder eine Aufarbeitung der Geschichte, eine Aufrollung von Geschehnissen geben wird. Da könnte man überlegen, welche Rolle die Familie Habsburg aktiv in diesem Kontext spielen möchte. Das bisherige Geschichtsbild bzw. das allgemeine Bild des »Hauses Habsburg« in den Medien ist zwischen Häme und Kitsch angesiedelt. Kitsch, wie die lieblichen Marischka-Filme bzw. die Produkte der WienFilm der Nachkriegszeit, allen voran die Sissi-Trilogie, spielen mit einer Habsburger-Romantik und der Sehnsucht nach der »Guten Alten Zeit«, die auch Quote bringt und sich gut verkaufen lässt. Denn offen gesagt, wenn man eine Dokumentation zum »Haus Österreich« in die Welt bringen will, so »verkauft« sich derzeit nur die NS-Thematik in allen ihren Varianten noch international, jedoch bereits mit sehr stark abnehmender Tendenz – in ein bis drei Jahre wird jedoch auch dieser Themenkomplex uninteressant sein, der Markt scheint schon heute übersättigt. Für das Thema »Monarchie/Donaumonarchie« und »Habsburger« ist das internationale Interesse noch geringer. Bereitschaft für Koproduktionen und Kofinanzierungen gibt es gerade noch in Österreich, vielleicht in Süddeutschland, ein bisschen in Italien (aber da funktioniert die Zusammenarbeit sehr schlecht) und in den ehemaligen »Kronländer« (aber letztere haben kaum ein Budget für solche Themen, weshalb eine Kooperation marktwirtschaftlich uninteressant ist). Das ist insofern sehr schade, da gerade in jenen Ländern, also Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn etc. ein sehr starkes und wachsendes Interesse an der ehemaligen gemeinsamen Vergangenheit vorhanden ist, dem wir als Österreicher in keiner Weise entgegenkommen. Hier fehlt es an einem echten »Mitteleuropabewusstsein«, freilich nicht nur in den Medien, sondern auch bei den potentiellen Zuseherinnen und Zusehern. Der »wilde Osten« liegt uns viel ferner als



Das Habsburg-Bild in den Medien

der »wilde Westen«. Viele Österreicher kennen zwar jedes Dorf in der »DomRep«, jede zweite Insel der Malediven und die hippsten Restaurants in New York – in Bratislava/Preßburg oder gar in Krakau war noch kaum jemand. Ein Grundproblem des ORF – und das sage ich als Privatmann, nicht als ORF-Journalist – ist eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen den Ansprüchen eines öffentlich-rechtlichen Senders mit gesetzlichem Bildungsauftrag und den für die Werbewirtschaft notwendigen Quoten. Auch wenn ich hier als Leiter der Abteilung »Dokumentation und Zeitgeschichte« spreche, darf man sich dahinter keinen Apparat und kein Budget vorstellen, wie das beispielsweise beim ZDF oder der BBC üblich ist. Guido Knopp1 hatte für seine letzte ZDF-Serie pro Folge ein Budget von 600.000 Euro zur Verfügung, was in etwa unserem Jahresbudget entspricht. Und wer weiß, wie teuer die Arbeit an Dokumentationen ist, kann abschätzen, wie gering unser Handlungsspielraum eingedenk einer solchen Budgetsituation ist. Dabei wäre eine profunde historische Berichterstattung (abgesehen vom Bildungsauftrag) und ein Aufarbeiten der Geschichte, das nie erschöpft ist, da ja immer wieder neue Fakten und Quellen entdeckt werden, die neue Sichtweisen und Perspektiven bringen und Korrekturen des bestehenden Geschichtsbildes notwendig machen, wichtig und notwendig. Das hat aber zurzeit nicht oberste Priorität in den (österreichischen) Medien. Man kann nicht oft genug betonen, dass Geschichte immer wieder neu erzählt werden muss, denn circa alle zwanzig Jahre wächst eine neue Generation heran, die aus einem neuen Blickwinkel, einer neuen Weltsituation heraus Geschichte verstehen und erklärt haben möchte. Für ein so kurzlebiges Medium wie das Fernsehen gilt es, historische Zusammenhänge immer wieder neu zu erarbeiten. Das Wissen um historische Entwicklungen und Fakten ist bescheiden. Würde man heute auf die Straße gehen und von den Leuten spontan wissen wollen, welche Staatsform bis 1918 in Österreich vorgeherrscht habe (Monarchie, Kaiserzeit als tolerable Alternativantwort), bin ich mir sicher, dass mehr als die Hälfte der Befrag1

Guido Knopp, deutscher Journalist und Publizist, arbeitet seit 1978 für das ZDF und leitet seit 1984 dessen Redaktion »Zeitgeschichte«. Knopp wurde durch seine Spieldokumentationen zu Themen der deutschen Zeitgeschichte, v. a. der NS-Zeit, sehr bekannt, doch ist diese Form der Geschichtsaufarbeitung nicht unumstritten. Mit Anfang 2013 geht Knopp in Ruhestand  ; sein letzter Beitrag für das ZDF ist ein Dreiteiler (Weltenbrand) über den Ersten Weltkrieg.

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ten keine Ahnung hätten, geschweige beantworten könnten, wer der letzte österreichische Kaiser war (hier würden wohl die meisten Kaiser Franz Joseph angeben). Und Franz Joseph ist auch immer noch – wenngleich auf die schrullige Figur eines nostalgischen Werbeträgers reduziert  – zumindest in den Auslagen der Wiener Innenstadt und Bad Ischl präsent. Wie problematisch die Beziehung des offiziellen Österreich und der Politik zu den lebenden Mitgliedern des »Hauses Habsburg« ist, konnten wir ab den 1960er Jahren beginnend mit der Diskussion über die Einreise von Otto (von) Habsburg 2 miterleben. Eigentlich reicht diese Diskussion und die Häme, mit der diverse Vorstöße und Äußerungen von Mitgliedern der Familie Habsburg in den Medien bedacht werden, bis in die aktuelle Gegenwart (man denke nur an die Diskussion über die Rückgabe von konfisziertem Privateigentum der Familie Habsburg oder die Aufhebung des Verbots der Kandidatur eines Habsburgers für das Amt des Bundespräsidenten). Es zählt zu den großen Verdiensten Otto (von) Habsburgs, in den letzten zehn Jahren aufgrund seiner souveränen Persönlichkeit diesen Konflikt und dieses mit Ideologie behaftete und schon lange durch die Geschichtswissenschaft korrigierte Habsburger-Bild zumindest in Respekt  – vor seiner Person wie auch den Leistungen des Hauses in der Geschichte – zu wandeln. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, dass sein Begräbnis zu einer großen Inszenierung wurde. Und gerade diese Inszenierung hat wieder den österreichischen Zwiespalt im Umgang mit dem Haus Habsburg gezeigt. Man ist zwar gegenüber der Person Otto Habsburg extrem kleinlich gewesen (sowohl betreffend Namensschreibung, der historischen Rolle oder der Bereinigung von Vermögensfragen), aber beim Begräbnis wollte man sich nicht »lumpen« lassen, da wurde »geklotzt«, und mit 28 Kameras »live« übertragen, weil ja die Wiener Fremdenverkehrswerbung massiv daran interessiert war, schöne Bilder zu bekommen. Was jetzt zynisch klingt, ist Realität. Und man war und ist auf die Inszenierung und Übertragung dieses Ereignisses auch stolz, hat volle sechs Stunden live über Österreich hinaus (in Teile der Welt) übertragen – und die Quote hat gepasst. 2 Hier sei angemerkt, dass im ORF Otto Habsburg immer ohne »von« genannt werden musste, auch in den Inserts, obwohl eingedenk der deutschen Staatsbürgerschaft die Schreibung mit »von« die korrekte gewesen wäre. Man mag das kleinlich finden und als Paradebeispiel für Österreichs Probleme mit seiner Geschichte sehen, aber an diesen Richtlinien ist nicht zu rütteln.



Das Habsburg-Bild in den Medien

Nun stellt sich nach dem Tod des Hauptrepräsentanten des Hauses und nach diesem Medienereignis die Frage, wie es jetzt weitergehen soll  : Will die Familie, wollen die Freunde des Hauses, dass die Familie Habsburg, in irgendeiner Form eine Rolle spielen soll  ? Wenn ja, dann besteht jetzt Handlungsbedarf. Ich denke, dass dieses »Jahr 14«, also 2014, ein gutes Forum wäre. Weltweit wird wieder der gesamte Erste Weltkrieg aufgerollt werden und es wird in große internationale Medienprojekte investiert. Der ORF hat sich entschlossen, an einem Projekt von Arte, ARD und LooksFilm teilzunehmen. Das ZDF produziert eine achtteilige Serie über den »Dreißigjährigen Krieg des 20. Jahrhunderts«, die Franzosen und die BBC zeigen die Geschichte der »Ur-Katastrophe« des 20. Jahrhunderts teuer und 100% in Farbe. Im ARTE-, ARD- und ORF-Projekt wird der Erste Weltkrieg in Tagebuchgeschichten erzählt. Bei einer ersten Durchsicht der Treatments konnte ich feststellen, dass in den ursprünglichen Konzepten ÖsterreichUngarn, von dem der Krieg schließlich ausging, kaum erwähnt wurde. Während wir bei Dokumentationen über den Zweiten Weltkrieg als Österreicher noch froh sein müssen, nicht oder nur am Rande erwähnt zu werden, scheint dieses Ignorieren (oder ist es Ignoranz  ?) der damaligen k. u. k. Großmacht vor dem Hintergrund der historischen Tatsachen doch einigermaßen merkwürdig. Das Argument der deutschen Kollegen war, die Geschichtsschreibung und auch die deutsche Perspektive wäre angelsächsisch geprägt und daher auf die Westfront konzentriert, deren Geschehnisse – auch aus deutscher Sicht – identitätsstiftend seien. Dass es eine Ostfront gegeben hat, ist noch bewusst, wird aber kaum thematisiert, die Südfront gegen Italien hingegen mit den unfassbar grausamen und blutigen Dutzend Isonzoschlachten und dem heroischen Kampf in der Berg- und Eiswelt der Dolomiten existiert jedoch in deren Bewusstsein nicht. Hinweise darauf rufen großes Erstaunen hervor. Dieses Staunen ist auch in einer aktuellen Arbeit des kanadischen Historikers Mark Thompson zu spüren, für den diese Front ebenfalls »terra incognita« war.3 Er schreibt eigentlich aus der Sicht der Italiener, jedoch extrem kritisch gegenüber der italienischen Form der Kriegsführung und gegenüber dem Befehlshaber – ein spannendes Buch, sehr detailliert und nur vergleichbar mit Manfried Rauchensteiners Bü3

Mark Thompson, The White War. Life and Death on the Italian Front 1915-1919. London 2008.

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chern über den Ersten Weltkrieg.4 Es stellt sich nun die Frage, ob die Rolle Österreich-Ungarns und der damaligen Führung, die zweifelsohne in den nächsten Jahren gestellt werden wird, von außen erforscht und medial aufbereitet werden soll, oder ob wir unsere Geschichte nicht selbst »in die Hand nehmen« sollten und uns deren kritische Durchleuchtung ein persönliches bzw. wissenschaftliches Anliegen ist. Es sollte uns auf jeden Fall ein Anliegen sein, wissenschaftlich seriöse und kritische Beiträge für die Medien zu gestalten, die zeigen, dass im europäischen Einvernehmen und durch die diversen katastrophale Fehlentscheidungen der damaligen Eliten dieser Wahnsinn, dem Millionen Menschen zum Opfer fielen, inszeniert, provoziert und angerichtet wurde. Noch im Jahr 1913 fand in Berlin eine große Fürstenhochzeit statt.5 Es war eines der letzten großen Ereignisse, bei denen der europäische Adel zusammengekommen ist und in voller Freundschaft ein Fest feierte, ohne sich auch nur im Entferntesten vorstellen zu können und zu wollen, dass nur ein Jahr später alle völlig sinnlos übereinander herfallen würden. Ich bin überzeugt, dass es notwendig sein wird, das Bild der Habsburgermonarchie in den kommenden Monaten und Jahren neu zu bewerten und ernsthaft zu beschreiben. Es bedarf einer aktiven Herangehensweise und einer eigenen, kritischen Aufarbeitung der Vergangenheit des Hauses Habsburg. Die deutlich schlechtere Alternative wäre, das Erzählen der Geschichte, das wahrscheinlich prägend für die nächsten zwanzig, dreißig Jahre sein wird, irgendjemand anderem zu überlassen  : nationalen »populären« »Geschichterl«-Erzählern oder »internationalen« Experten aus Deutschland oder den USA, die natürlich ihre nationale Sichtweise mitbringen. In anderen Ländern, die keineswegs so prominent in diesen Weltkonflikt involviert waren, wird wesentlich intensiver an der medialen Aufbereitung dieser Ereignisse gearbeitet, Österreich verhält sich hier hingegen wenig eigeninitiativ. Auch für die mediale Darstellung des Wiener Kongresses 1814/15–2014/15 laufen bereits die Vorbereitungen. Dieses Ereignis, immerhin der erste wichtige europäische Friedenskongress, der die Gestalt des Kontinents für Jahrzehnte prägte und eine – wenn auch rückwärts gewandte – Friedens4 5

Hier ist v. a. zu nennen  : Manfried Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg. Graz-Wien-Köln 1994. Am 24. Mai 1913 heirateten in Berlin Prinzessin Viktoria Luise von Preußen und Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg.



Das Habsburg-Bild in den Medien

ordnung schuf, schreit förmlich nach einer historischen Neubewertung. Über Metternich gibt es zahlreiche Bücher, die wieder vor allem von ­Deutschen geschrieben (»1813«) wurden und werden. Zu Napoleon und Metternich gibt es Filmpläne, die sich wiederum auf die bekannten, »g’schmackigen« Themen (Mätressen und Liebschaften) konzentrieren und die üblichen Klischees bedienen  : Vom »tanzenden Kongress« und den zahlreichen Liebschaften der »hohen Herren« (das habe ich in meinem Buch Affären, die die Welt bewegten leider nicht beschrieben6, aber das kann ja noch in der Fortsetzung kommen). Aufgrund der vielen Jubiläen und Gedenkjahre, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen, sollte uns bewusst werden, dass in den kommenden ein bis zwei Jahren eine intensive Phase der Geschichtsbetrachtung stattfinden wird. Auch das »Haus Habsburg«, das ja in beiden Fällen einer der wichtigsten Akteure war – Erster Weltkrieg wie Wiener Kongress – wird dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Wir  – als geschichtsbewusste Österreicherinnen und Österreicher  – müssen uns nun überlegen, ob wir diesen Prozess aktiv/oder passiv/oder gar nicht gestalten wollen. Natürlich kann man auch den Standpunkt einnehmen, dass eine Familie, die zwar 640 Jahre in der Geschichte Europas (nicht nur Österreichs) eine so große Rolle gespielt hat, nun aber nahezu in die Bedeutungslosigkeit gefallen ist – zumal sich das heutige Österreich neu und anders als über eine Dynastie definiert –, nun nicht mehr von öffentlichem Interesse sei. Das sollte jeder für sich entscheiden. Darin sehe ich auch nichts Unmoralisches. Es steht einer Familie auch frei, von der Bühne der Geschichte abzutreten. In Österreich gibt es heute aber noch immer ein merkwürdiges Verhältnis vieler Österreicher, vieler Medien und vieler Historiker zur Familie Habsburg im Speziellen und zur Aristokratie im Allgemeinen. In England und in anderen Staaten mit regierenden Häusern ist das natürlich ganz anders. Auch die Deutschen haben ein entspannteres Verhältnis zur alten Aristokratie – zu den Hohenzollern und den Bismarcks und zu wem auch immer. Ich plädiere überhaupt nicht dafür, dass jetzt die Habsburger die Klatschspalten bevölkern sollen mit irgendwelchen wilden Geschichten und »Affärchen«. Es gilt aber, die künftige Rolle und die künftigen Auf6 Gerhard Jelinek, Affären, die die Welt bewegten. Ein Seitensprung durch die Geschichte. Salzburg 2011.

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gaben einer Familie zu definieren, die man wahrnehmen möchte aus einer Verantwortung – aus einer Tradition oder aus einer Zukunftsperspektive. In welcher Form das ist, ist mir als berichtender Journalist gleich. Man sollte nur wissen, was man tut bzw. tun möchte und ob man es tut. Aber wichtig wäre jedenfalls, dass man es professionell tut. Wenn man aber – dies gilt sowohl für die Familie Habsburg, die österreichische Wissenschaft wie auch die Medien  – eine Rolle spielen will, muss man jetzt aktiv werden, denn ansonsten nutzen andere diese Chance und das nicht immer in einem sehr positiven und nicht immer in sehr objektivem Sinn. Man wird in diesen Fällen oft gegen den »Mainstream« schwimmen und gegen die üblichen Klischees ankämpfen müssen, um wissenschaftlich korrekt-kritisch zu analysieren, zu erklären und zu beschreiben. Informativ, kritisch auf Fakten basierend, weder hagiografisch, noch in kitschigen Klischees verharrend, aber auch nicht zynisch oder voll Häme sollte unsere Geschichts- und Habsburg-Berichterstattung sein. Hundert Jahre sind eine Zeitspanne, nach der man schon relativ frei von Vorurteilen und ohne Hass ernsthaft die Dinge besprechen und aufarbeiten könnte. Die habsburgische Geschichte wird immer noch mit weltanschaulichen »Brillen« betrachtet und erzählt. Auf der einen Seite die »Habsburger-Fresser«, auf der anderen Seite die »Habsburger«, die die »gute alte Zeit« durch die rosa Brille sehen wollen und Kaiser Franz Joseph als einen lieben alten Mann sehen, der ansonsten nichts angestellt hat. Es war aber eine höchst problematische Zeit mit großen politischen und sozialen Spannungen (mir ist dies bei meinen Arbeiten zur Otto-HabsburgDokumentation bewusst geworden). Als Journalist habe ich aber erfahren, dass es keine wirklich gültige Aufarbeitung seiner Rolle in der Geschichte gab. Hier würde sich für österreichische Historiker – jenseits der peniblen Aufarbeitung der Nazizeit – ein weites Feld öffnen. Mir sind aber kaum österreichische Historiker bekannt, die Fragen in ähnlicher Präzision beantworten wie der Brite Ian Kershaw, der über die Geschichte des Dritten Reichs schreibt, oder Niall Ferguson. In Österreich gibt es durchaus einen Mangel an seriöser Aufarbeitung dieser Zeit. Ich erwarte aber, dass sich dies im Vorfeld des Gedenkens an die Auslösung des Ersten Weltkriegs in einer Vielfalt neuer Publikationen ändern wird. Ich glaube aber, man wird die Rolle von Kaiser Franz Joseph und vor allem von Kaiser Karl neu bewerten müssen. Es darf dabei nicht (nur) um



Das Habsburg-Bild in den Medien

Nostalgie gehen, sondern auch darum, welche gravierenden Fehler in der »Julikrise« 1914 (und vorher) begangen wurden, aus welchen Motiven heraus Entscheidungen getroffen wurden oder welche Chancen genutzt oder nicht genutzt wurden. Jedenfalls scheiterte 1918 ein großer übernationaler mitteleuropäischer Staat, ein großer Raum des Rechtes und einer geordneten Verwaltung. Wir kennen die Folgen des Zerfalls der Habsburgermonarchie und ihrer Aufteilung auf Nationalstaaten und die Destabilisierung großer Teile Mitteleuropas. Der »Dreißigjährige Krieg« des 20. Jahrhunderts (Ian Kershaw) hat dutzende Millionen Tote gefordert, die Führungsrolle Europas in der Welt zerstört und das »kurze Jahrhundert« von 1914 bis 1989 (Eric Hobsbawm) bestimmt.

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Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

Mein Dank gebührt der katholischen österreichischen Landsmannschaft Maximiliana zu Wien, die mich zu einem Vortrag vor einem sympathischen Publikum eingeladen und mich schließlich gebeten hat, meinen Vortrag in schriftlicher Form niederzulegen. Dies tue ich somit und bringe meine zum Teil aus dem Stegreif entstandenen Gedanken zu Papier. Jedenfalls ist es mir eine Ehre, somit meine Ausführungen vorzulegen. In diesen baue ich u. a. auf dem in meinem Buch »Die feinen Leute«1 geäußerten Gedanken auf, dass der Mensch ein »animal ambitiosum« ist, nämlich ein Wesen, das Symbole und Rituale einsetzt, um entsprechenden Beifall zu ernten. Solche Strategien finden sich sowohl bei Aristokraten, großen Bauern und noblen Ganoven. Ich werde daher im Folgenden auch Vergleiche zur Kultur der Bauern anstellen, schließlich wurzelt das Wort Adel im althochdeutschen »uodal«, was soviel heißt wie Heimat, Grundbesitz und Stammgut. Schließlich bitte ich um wohlwollende Aufnahme meiner Ausführungen.

Prolog – Meine Beziehung zur Monarchie der Habsburger – ein mit Wunden bedeckter Krieger und die Tante auf der k. k. Briefmarke

Bevor ich näher auf Habsburger als feine Leute eingehe, gestatte ich mir ein paar Gedanken zu meinen Beziehungen zum Hause Habsburg. Mein Vorfahre Franz Girtler stammt aus Lissa an der Elbe (Lysá nad Labem) in Böhmen, kommt aus einer bäuerlichen Familie und war Verwalter der Güter der Grafen Sweerts und Spork. Er soll Experimente mit dem Anbau besonderer Früchte, so zum Beispiel mit Orangen, durchgeführt haben, hatte aber nicht immer Erfolg und konnte die Orangen in Lissa 1

Roland Girtler, Die feinen Leute. Von der vornehmen Art, durchs Leben zu gehen. 3. Auflage. Wien-Köln-Weimar 2002.

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nicht heimisch machen. Mit seinen Dienstgebern, den Grafen, war er viel unterwegs – bis Rom kamen die beiden. Von seinem Sohn Dominic, Obristlieutenant im Heer gegen Napoleon, besitze ich eine Reihe von Dokumenten, die meine Vorfahren sorgfältig aufgehoben und an ihre Nachkommen weitergegeben haben. So habe auch ich sie von meinem Vater bekommen. Unter diesen Dokumenten sind einige bemerkenswert, wie eines aus dem Jahre 1797, in dem kundgetan wird, dass Hauptmann Dominic von Girtler bei der Belagerung Mantuas durch das napoleonische Heer ohne einen Befehl abzuwarten auf eigenen Antrieb hin, mit seinen Soldaten die Franzosen – zumindest für kurze Zeit – aus der Festung vertrieb. Unterschrieben ist dieses Dokument von sieben Offizieren, gegeben zu Leoben  – dies dürfte der Antrag für den Maria-TheresienOrden gewesen sein. Auch ein anderes Dokument besagt etwas Besonderes  : Nach der Schlacht von Regensburg 1809, als die Österreicher von den Franzosen, an deren Seite die Baiern kämpften, zum Rückzug gezwungen waren, verlangte mein Vorfahre, mit Napoleon persönlich zu sprechen, da die österreichischen »Blessierten« (die Verwundeten) von den Baiern in einem bairischen Lazarett sehr schlecht behandelt würden. Es heißt im Schreiben meines Vorfahren »Obristlieutenant« Dominic Girtler u. a. »[…] da diese Autoritäten [die bairischen] ihren grenzenlosen Hass gegen das durchlauchtigste Haus Österreich sogar auf diese Unglücklichen ausgedehnt hatten, um sie beinahe verhungern haben lassen würden, wenn Unterzeichneter nicht einen entscheidenden Schritt gewagt, und nicht persönlich den Beistand des französischen Kaisers, der nach der Regensburger Schlacht wieder nach Landshut gekommen, angerufen hätte. Mit größter Aufmerksamkeit wurde Unterzeichneter angehört und dem allsogleich einer seiner Adjutanten mitgegeben mit dem Auftrage, die österreichischen Spitäler binnen 3 Stunden bei schwerster Verantwortung mit allem Nötigen zu versehen, und solche in der Folge ohne allen Unterschied von den Franzosen zu behandeln«. Allerdings hatte mein Vorfahre Pech, da ihm die Regimentskassa aus seiner Kalesche gestohlen wurde und er deswegen in größte Schwierigkeiten geriet. Es geht aber aus den Dokumenten nicht hervor, was mit der Kassa geschehen ist. Auch Dominics Bruder, Josef Girtler, brachte es weit  : Er wurde Sekretär des Herzogs Albert Sachsen-Teschen und seiner Frau Erzherzogin Marie Christine. In dieser Funktion wurde er 1795 von Kaiser Franz als »Girtler Ritter von Kleeborn« geadelt. In seinem Wappen ist das



Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

Kleeblatt enthalten, ein Hinweis auf das Interesse seines Vaters Franz Girtler am Ackerbau. Josef Girtler Ritter von Kleeborn wurde 1802 wegen seiner Verdienste um die Erbauung der Wiener Wasserleitung Ehrenbürger von Wien. Sein Name steht auf der marmornen Tafel der Ehrenbürger von Wien im Rathaus vor dem Eingang zum Festsaal. In einem Brief vom Jahre 1814, in dem Josef, der kinderlos war, um Übertragung des Adelstitels an seine Brüder ersuchte, wird mein Vorfahre Dominic Girtler, der Bruder von Josef, als »ein ›mit Wunden bedeckter Krieger‹ geschildert, der zu Fulda als Opfer seines Berufes durch Ansteckung sein Leben endete«. Dominic Girtler dürfte einiges im Heer der Habsburger mitgemacht haben. Eine besondere Beziehung zum Hause Habsburg habe ich schließlich durch meinen Urgroßvater. Verheiratet war er mit der Tochter eines hohen französischen Offiziers, der wegen Frauen in einige Duelle verwickelt war. Meine Urgroßmutter lernte er in Wien unter einem Regenschirm kennen – sie war gerade auf dem Weg zu einem ukrainischen Fürsten. Mein Urgroßvater war im Generalsrang und hatte das Postwesen von Bosnien-Herzegowina über. Angeblich, wie mein Onkel erzählte, habe er den ersten Autobus der Welt in Bosnien eingeführt. Meine Großtante Claire ist als Mädchen in bosnischer Tracht auf einer Briefmarke abgebildet – darauf ist meine Familie besonders stolz. Mein Urgroßvater ließ sich nach dem Ersten Weltkrieg pensionieren, da er unter dem Kaiser vereidigt wurde und nicht der Republik dienen wollte. Nicht nur aus diesen Gründen interessieren mich als Kulturwissenschafter die alte Monarchie und die Habsburger, sondern auch, weil die Damen und Herren der Habsburger feine Leute waren, die ihre Regeln und Rituale hatten. Aber ebenso gab es in diesen noblen Kreisen Damen und Herren, die sich mitunter bewusst über gewisse Normen hinwegsetzten.

Die Familie der feinen Leute – der Stammbaum und das Prinzip der Ebenbürtigkeit

Charakteristisch für den Adel und überhaupt für feine Leute ist – so war es bereits bei den Römern –, dass sie in ihren Familien auf lange Stammbäume zurückblicken und dadurch die Heiligkeit ihrer Abstammung somit

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betonen konnten. In der Antike versuchte man, die Abstammung auf die Götter zurückzuführen, wie in Ägypten, wo der Pharao eine Verkörperung des Himmelsgottes Horus und der Sohn des Sonnengottes Re war. Die göttliche Herkunft des Pharao wurde u. a. dadurch versinnbildlicht, dass der König an der Brust einer Göttin saugend dargestellt wurde. Bei den Griechen war es ähnlich. So galt z. B. Helena, die Königin von Sparta, als Tochter des Göttervaters Zeus. Von Äneas, aus dem trojanischen Königshaus stammend, wird erzählt, dass er der Sohn der Göttin Aphrodite sei. Ein ehrwürdiger langer Stammbaum gibt den feinen Menschen, zu denen auch die Habsburger gehören, die immerhin auf eine bald tausendjährige Geschichte zurückblicken können, Charisma und Ansehen, aber auch Anspruch auf Ehrerbietung. Der edle Name der Familie, der mit dem Stammbaum verbunden ist, gibt ihr ihre Identität und verschafft ihr Respekt. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, dass es Leute gibt, die durch Heirat oder durch Adoption versuchen, in den Besitz eines adeligen Namens oder eines entsprechenden Stammbaumes zu kommen. In meinen Gesprächen mit Angehörigen der Hocharistokratie2 war es daher verständlich, dass das Thema Familie immer wieder angesprochen wurde. So meinte ein alter Aristokrat daher, dass im Adelsstand die Großfamiliengesinnung wichtig sei. Eine große Verwandtschaft verleihe Sicherheit, schließlich seien Hochadelige daran interessiert, jeweils viele Kinder in die Welt zu setzen. Viele Kinder garantieren in diesem Sinn also die Fortführung der Familie, die Tradierung adeliger Lebensformen und auch – das ist vielleicht das Wichtigste  – ein gewisses Maß an gegenseitiger Hilfe und Förderung. In der Tendenz besteht hier eine Ähnlichkeit zu den alten Bauerngeschlechtern, die durch viele Kinder die Existenz von Hof und Familie zu sichern hofften. Der feine Mensch existiert also vorrangig durch die Familie und für die Familie. Die Verwandtschaft hat daher eine immense Bedeutung. Die adelige Verwandtschaft ist demnach weit verzweigt – ähnlich wie bei großen Bauern – und sichert dem Adeligen viele Zugänge. Ich kenne eine fürstliche Prinzessin, die während des Frühjahres regelmäßig bei Verwandten und auf deren Schlössern in Italien lebt. Die Familie besteht sowohl für einen Adeligen als auch für den klassischen Bauern nicht bloß aus Vater, Mutter und Kindern, sondern sie ist sehr weit gespannt. Die große Verwandtschaft feiner Leute ist ein Netz, 2

Siehe Girtler, Die feinen Leute, wie Anm. 1.



Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

das sich über ganz Europa zieht, wie sich vor allem bei den Habsburgern zeigt. Bei Bauern geht die Verwandtschaft ähnlich über ganze Bezirke. Der Angehörige einer solchen feinen Familie kann schließlich mit der Solidarität seiner Verwandten rechnen. Dazu meinte der alte Aristokrat  : »Die Solidarität innerhalb des Adels funktioniert selbst gegenüber verarmten oder verschwenderischen Mitgliedern der Familie. Da sie alle irgendwie miteinander verwandt sind, helfen sie auch einander.« Verwandtschaftliche Bindungen feiner Leute bieten also bedeutenden Schutz, der in Not Geratene wird grundsätzlich nicht im Stich gelassen. Die alte Heiratspolitik der Aristokratie und vor allem der Habsburger, die mit den alten Herrschaftsdynastien ganz Europas eng verwandt sind, verschafft also nicht nur Macht, sondern auch Sicherheit. Als Habsburger ist man auf diese Weise u. a. mit dem deutschen, dem spanischen, dem italienischen, dem französischen und dem englischen Adel verwandt. Wichtige Instrumente, um die Familien- und die Verwandtschaftsbindungen symbolisch zu stärken und sie zu rechtfertigen, sind die diversen Handbücher der »adeligen Häuser«. Wenn Vorfahren in diesen Büchern aufscheinen, kann man sich mit gutem Grund zur Aristokratie zählen und wird auch dementsprechend von »Seinesgleichen« akzeptiert. Ich kannte einen Herrn H. von L., der Name deutet auf alten Adel hin. Ich fragte darauf einen Freund aus meiner Schulzeit in Kremsmünster, Pater Ferdinand Kinsky, ob er diesen Herrn H. v. L., er sei ein bekannter Mann, kenne. Doch der meinte kopfschüttelnd, er habe im »Gotha«, dem Handbuch des Adels, nachgesehen und konnte diesen H. v. L. nicht finden, offensichtlich handle es sich bei diesem Herrn um einen »Adeligen«, der oder dessen Vorfahren den Titel durch Adoption oder Ähnliches erworben haben. Charakteristisch für die Hocharistokratie ist auch, dass es in einzelnen Familien die Einrichtung eines Familienrates gibt, vor allem in Familien, in denen ein reicher Besitz verwaltet und an seine Mitglieder weitergegeben wird. Präsidiert wird ein solcher Familienrat meist durch den an der Spitze der Erbfolge stehenden Mann. Diese Bedeutung der Familie hat auch der vornehme Bürger erkannt, aber ebenso der Bauer. Familienbeziehungen verschaffen Macht und interessante Verbindungen. Eine gewisse Ähnlichkeit zu den aristokratischen Familien findet sich in den Familien der Mafia. Die sizilianische Mafia entstand, als die Spanier zum zweiten Mal, nämlich von 1738 bis 1860, in Süditalien herrschten. Sie setzte sich aus Aufrührern und anderen »ehrenwerten Herren« zusammen und war

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nach Familien organisiert. Die Mafia hatte strenge Rituale, wie den Kuss auf die Wange eines Todeskandidaten oder den Stich in den Finger, um mit dem Blut die unverbrüchliche Loyalität zur »Familie« zu beweisen. Als Vater der sizilianischen Mafia wird Guiseppe Mazzini, Gelehrter und Abenteurer, gesehen. Die »Familien« der Mafia und der Cosa Nostra in den USA bestimmten schließlich den Alkoholschmuggel und andere Geschäfte. Ähnlich wie in der Hocharistokratie ermöglichen »Familien« der Mafia und der Cosa Nostra den eingewanderten Mitgliedern der Familien, sich in einer ihnen fremden Welt zu orientieren. Sie gewähren ihnen Hilfe, Unterkunft und schließlich die Chance, über eine bestimmte Familie zu Prestige und zu Vermögen zu gelangen. Auch hier ist es die »Familie« bzw. eine familienähnliche Organisation, die ihren Mitgliedern Hilfe anbietet. Von der Familie, dies ist genauso wie in der Aristokratie, leitet der einzelne seine würdige Identität ab, er kann sich also hinter dem Namen der feinen Familie verbergen – durchaus ähnlich wie bei Habsburgern und anderen feinen Leuten. In hochadeligen Kreisen und überhaupt in feinen Familien ist man daran interessiert, dass durch die Heirat, wie oben schon festgehalten, Personen in die Familie gelangen, die demselben Stand angehören. Besonders hat man durch die Jahrhunderte hindurch im Hause Habsburg sich am Prinzip der Ebenbürtigkeit orientiert. Auf diese Weise fielen Ungarn, Spanien und Burgund an das Haus Österreich. Es war vor allem Kaiser Franz Josef, der streng darauf geachtet hat, dass Mitglieder des kaiserlichen Hauses sich ebenbürtig verheiraten. So heiratete Thronfolger Rudolf die belgische Prinzessin Stephanie, deren Tochter Elisabeth Marie sich allerdings nicht nach den Regeln der Ebenbürtigkeit verehelichte. Franz Joseph jedenfalls nahm es auch mit Betroffenheit hin, dass sein Neffe Franz Ferdinand, der nach dem Tode Rudolfs zum Thronfolger avancierte, nicht ebenbürtig heiratete. Interessant ist, was dazu der Feldmarschallleutnant a. D. und Adjutant des Kaisers, Albert von Margutti in seinem Buch Vom alten Kaiser 1921 festhielt  : »[…] So auch der in der ganzen Monarchie aufs festlichste begangene 18. August 1900, Franz Josephs siebzigster Geburtstag, welcher ebenfalls den Kaiser durch die am 1. Juli 1900 vom Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand geschlossene Heirat mit der Gräfin Sophie Chotek in einer verdrossenen und deprimierten Stimmung fand  ; begreiflich, denn Kaiser Franz Joseph erachtete sich als den berufenen Hüter des Glanzes und des Ansehens seines mehr als sechshundert



Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

Jahre in Europa den vornehmsten Platz beanspruchenden und wahrenden Hauses. Wie schwer muss es den von Schicksalsschlägen zermürbten Monarchen gefallen sein, seine Einwilligung gerade zu des Thronerben unebenbürtigen [!] Eheschließung zu erteilen und wie hat ihn seither der gramvolle Vorwurf verfolgt, dass er sich der sich die Einwilligung zu diesem morganatischen Bunde hatte abringen lassen, durch welchen auch die legitime Nachfolge auf dem uralten Fürstenstuhle der Habsburger allenfalls gefährdet werden konnte  ! Dieser peinigende Gedanke quälte Franz Joseph während seines ganzen Lebensabends.«3 Kaiser Franz Joseph hat dieses Prinzip der Ebenbürtigkeit derart ernst genommen, dass er sogar Probleme bei der Heirat des späteren Kaisers Karl mit Prinzessin Zita von Bourbon-Parma sah, wie Margutti schreibt  : »[…] Auch die Tatsache, dass Prinzessin Zita einem abgesetzten italienischen Fürstenhause entstammte, erschien Kaiser Franz Joseph keineswegs vielverheißend.« Margutti hält dazu noch etwas Interessantes fest  : »Demnach wurde mit aller Beschleunigung zur Hochzeit gerüstet, welche am 21. Oktober 1911 auf dem Schlosse zu Schwarzau im Steinfelde […] stattfand. Bei der nach der Festtafel durchgeführten photographischen Aufnahme eines Gruppenbildes aller Hochzeitsgäste im Freien, verkühlte sich der greise Kaiser, dem niemand einen Mantel umzuhängen dachte, so stark, dass er einen schweren Rückfall der Bronchitis erlitt. […] Fiebernd und hustend kehrte er nach Schönbrunn zurück und sein Leiden verschlimmerte sich. […] Von schmerzhafter Atemnot geplagt, stöhnte der Kaiser oft auf, mit dem Ausrufe  : ›Ach, dieser Unglückstag von Schwarzau  !‹« Margutti schildert allerdings das erzherzogliche Paar Zita und Karl mit großer Sympathie gerade für dessen noble Zurückhaltung.

Das Abgehen vom Prinzip der Ebenbürtigkeit

Auch unter Habsburgern gibt es rebellische Damen und Herren, die sich nicht dem Diktat der Ebenbürtigkeit beugten und beugen. Dazu gehören Erzherzog Johann und Thronfolger Franz Ferdinand – beide behielten jedoch ihre hohen Adelstitel. Über Erzherzog Johann beklagten sich daher 3 Albert von Margutti, Vom alten Kaiser. Persönliche Erinnerungen an Franz Joseph I. 2. Aufl. Leipzig-Wien 1921, S. 31 f.

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die Wiener Studenten um 1848 und sie meinten, wenn er es ehrlich meine  – mit seiner Sympathie für das »einfache Volk«, dem seine Frau entstamme –, dürfe er sich nicht Johann von Österreich nennen sondern Johann Österreicher. Eine Freude hätten die Studenten jedoch mit Johann Orth gehabt, der als Erzherzog Johann Salvator, Sohn von Großherzog Leopold II. von Toskana, wegen seiner liberalen und fortschrittlichen Einstellung mitunter Schwierigkeiten mit der österreichischen Regierung hatte und 1889 um Entlassung aus dem Kaiserhaus bat. Er nahm den Namen Johann Orth an und heiratete Ludmilla »Milli« Stubel, eine Tänzerin der Hofoper, durfte aber nun aufgrund der strengen habsburgischen Hausgesetze den Boden Österreich-Ungarns zeitlebens nicht mehr betreten. In Hamburg kaufte er einen Dampfer und reiste mit seiner Frau nach Südamerika. 1890 ging das Schiff in einem Sturm unter. Sein Tod ist bis heute nicht ganz geklärt. Ebenso rebellisch war die Enkelin des Kaisers, Elisabeth Marie, die einen Prinzen zu Windisch-Graetz heiratete. Angeblich soll, wie Albert von Margutti schreibt, Kaiser Franz Joseph den Wunsch gehegt haben, seine Enkelin Elisabeth Marie, das einzige Kind seines Sohnes Rudolf, als Gattin des Deutschen Kronprinzen zu sehen. Es entsprach jedoch nicht seinen dynastischen Vorstellungen, dass seine Enkelin einen Fürst Windisch-Graetz heiratete. Der Kaiser dürfte sich darüber gekränkt haben, wie sein Adjutant Margutti andeutet  : »Nach ihrer [Elisabeth Maries] Verehelichung mit einem unebenbürtigen [!] Prinzen, welche der Denkungsweise des Kaisers nicht ganz entsprach, lösten sich die unmittelbaren Beziehungen zwischen dem Herrscher und seiner Enkelin einigermaßen. […].« Die Ehe von Elisabeth Marie mit Otto zu Windisch-Graetz, der in den Fürstenstand erhoben wurde, verlief nicht glücklich. Untreue und Eifersucht bestimmt das Leben der beiden   ; man entfremdete sich. 1921 lernte sie den Lehrer und sozialdemokratischen Politiker Leopold Petznek kennen. Geheiratet hat sie ihn erst 1948, in dem Jahr, in dem ihre Ehe mit Windisch-Graetz geschieden wurde. 1925 war Elisabeth der Sozialdemokratischen Partei Österreichs beigetreten. 1934 engagierte sie sich mit Leopold Petznek für sozialdemokratische Familien, deren Angehörige 1934 inhaftiert worden waren. Sitzungen der Sozialdemokratie, an denen Elisabeth teilnahm, sollen mit ungefähr folgenden Worten vom Vorsitzenden eröffnet worden sein  : »Kaiserliche Hoheit, liebe Genossen  !« Nach Elisabeth, der »roten Erzherzogin«, ist seit 1998 die Elisabeth-Petznek-Gasse im 14. Wiener Gemeindebezirk Penzing benannt.



Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

Der Urenkel des Kaisers und die Bauerntochter

Zu den jüngeren Habsburgern, die dem alten Prinzip der Ebenbürtigkeit widersprechen, gehört u. a. mein Freund Markus von Habsburg. Kennengelernt habe ich den Erzherzog vor über zehn Jahren. Ich bin an einem Augusttag mit dem Fahrrad von Spital am Pyhrn über den Pyhrnpass und den Pötschenpass nach Bad Ischl geradelt, um im Gasthof Zur Molke mit meinem Freund Martin Haidinger dessen Geburtstag zu feiern. Es war ein netter Abend, aber ich hatte Sorge, kein Quartier in Ischl zu bekommen. Zunächst hatte ich gedacht, Martin Haidinger hätte mir eines besorgt. Doch dem war nicht so. Als ich mich aufmachen wollte, um in einem Ischler Hotel nach einem Zimmer zu fragen, meinte ein liebenswürdiger Herr, der mitfeierte, zu mir, ich könne bei ihm nächtigen, er würde mir kein Zimmer sondern einen ganzen Trakt zur Verfügung stellen. Ich war über dieses Angebot überrascht und erfreut und nahm es sogleich dankend an. Bei dem Anwesen, in dem dieser Herr wohnte und heute noch wohnt, handelt es sich um die berühmte Kaiservilla, dem Jagdschloss von Kaiser Franz Joseph, und der Herr, der die großzügige Einladung ausgesprochen hatte, war der Urenkel des Kaisers, Mag. Markus Habsburg, den ich in der Folge ganz im Stile des früheren höfischen Zeremoniells mit »Kaiserliche Hoheit« ansprach. Nachdem das Geburtstagsfest zu Ende war, wanderte ich mit Seiner Kaiserlichen Hoheit zur Kaiservilla, wo mir der Hausherr den rechten Trakt der Villa zuwies. Ich durfte dort nächtigen, wo der Kaiser 1914 die Kriegserklärung unterschrieben hat. Ein Jahr später war ich mit unserem Dackel Dr. Waldi in Bad Ischl, wo ich an einer Veranstaltung in der Kaiservilla teilnahm. Markus Habsburg lud mich aufs Neue ein, wieder in der Kaiservilla zu nächtigen und zwar gemeinsam mit unserem Hund, dem ich erklärte, welche Ehre es sei, in der Kaiservilla nächtigen zu dürfen. Seit damals habe ich guten Kontakt zu Markus Habsburg. Ich war sehr erfreut, als er einige Jahre später Sympathien für das Wilderermuseum in St. Pankraz, das ich wissenschaftlich betreue, zeigte – obwohl gerade die Wildschützen des Salzkammergutes darauf stolz waren, dem Kaiser eine Gams oder einen Hirschen weggeschossen zu haben. Der Kaiser dürfte mit den Wilderern nicht viel Freude gehabt haben, dennoch besorgte Markus Habsburg für unser Museum ein Krickerl von einer Gams und zwei Geweihe von Hirschen, die der Kaiser selbst geschossen hat. Eines

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dieser Geweihe hängt über der Kassa des Wilderermuseums mit diesem Text  : »Dieses Geweih stammt von einem Hirschen, den Kaiser Franz Josef geschossen hat, er ist wahrscheinlich einem Wildschützen zuvor gekommen«. Zwischen Markus Habsburg und mir entwickelte sich eine Freundschaft, und eines Tages bat ich ihn, mir für mein Buch Eigenwillige Karrieren aus seinem Leben zu erzählen.4 Eine gute Kameradin von Markus Habsburg ist dessen Frau Mag. Hilde Jungmayr. Sie ist eine hübsche Dame, die aus einer wohlhabenden Bauernfamilie aus Alkoven an der Donau stammt. Ihre Vorfahren dürften beim großen oberösterreichischen Bauernkrieg von 1626 auf der Seite des Bauernführers Stefan Fadinger gekämpft haben. Dieser Bauernkrieg richtete sich letztlich gegen den Kaiser aus dem Hause Habsburg, man kämpfte für Freiheit und Menschenrechte. Im Sinne des Habsburger Kaisers war es schließlich, dass dieser Bauernkrieg blutig niedergeschlagen wurde. Die Frau von Markus kann also auf eine verwegene oberösterreichische Bauerntradition zurückblicken. Bei den Kindern der beiden verbindet sich also rebellisches bäuerliches Blut mit altem kaiserlichen. Die Frau von Markus hat an der Wiener Universität studiert und den Beruf einer Gymnasiallehrerin ergriffen. Ich kenne sie von meinen Besuchen in der Kaiservilla. Mich interessierte, wie Markus seine Frau kennenlernte. Er erzählte  : »Bei einer Hochzeit in Oberösterreich habe ich sie kennengelernt. Sie kommt aus einer Bauernfamilie in Alkoven, aus einer Familie, bei der man das Gefühl hat, dass dort gutes Familienleben existiert und man ein gewisses Standesbewusstsein hat. Ich habe mich in der Familie auch gleich wohlgefühlt. […] Sie ist die erste Tochter eines Bauern, sie durfte daheim immer etwas zu sagen gehabt haben. Ich aber als 13. Kind sollte zu Hause lieber nichts sagen, weil da noch zwölf andere vor mir etwas sagen wollten. Ich war daher immer mehr der Zurückhaltende. So geht es mir auch in der Ehe.« Ich füge lachend ein, dass es mir in der Ehe ähnlich gehe. Außerdem sei meine Ehe das größte militärische Ereignis seit dem Zweiten Weltkrieg. Markus lacht herzlich, und wir philosophieren über die Ehe.

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Roland Girtler, Eigenwillige Karrieren. Wer seinen eigenen Weg geht, kann nicht überholt werden. Wien-Köln-Weimar 2011.



Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

Die originelle Grossmutter Valerie

Die Großmutter von Markus – die Mutter seines Vaters – war Erzherzogin Marie Valerie, eine Tochter von Kaiser Franz Joseph. Sie muss eine originelle Dame gewesen sein. Eine Geschichte über sie bezieht sich auf das vor der Kaiservilla gelegene Ischler Schwimmbad, das Parkbad. Dieses Bad hatte bereits um 1890 Kaiser Franz Joseph für seine Frau Elisabeth errichten lassen. Nach dem Ersten Weltkrieg war das Bad im Jahr 1924 zeitgemäßen Anforderungen angepasst worden. Damals bat die Stadtgemeinde seine Großmutter  – sie war nun nicht mehr Erzherzogin sondern bloß Frau Habsburg-Lothringen –, das Parkbad erwerben zu dürfen, denn man sah es als wichtig an, dass die Menschen in der schwierigen Nachkriegszeit Sport betreiben können. Nach dem Ersten Weltkrieg hat man es nicht mehr zeitgemäß gefunden, dass nur Frau Habsburg da alleine schwimmen dürfe und sonst niemand, denn die Ischler durften nur um das Bad herumgehen. Damals hatten die Leute kaum Fahrräder oder Motorräder, um an den Wolfgangsee zu fahren und wollten daher in Ischl schwimmen gehen. Das Schwimmen ist nach dem Ersten Weltkrieg sehr propagiert worden. Turnvater Jahn war sehr für die sportliche Erziehung, das ist bis in die kleinen Gemeinden durchgesickert. Daher wollte man erreichen, dass die Leute schwimmen gehen konnten und hat die Großmutter Habsburg gebeten, das Bad zu verkaufen. Sie hat das Bad jedoch mit der Auflage verkauft, dass man das Bad an heißen Tagen um 12 Uhr schließen möge, damit sie, die Großmutter, eine Stunde alleine in dem Bad schwimmen könne. Um dreizehn Uhr könne das Bad wieder für die Allgemeinheit geöffnet werden – diese eine Stunde würde ihr zum Schwimmen genügen. Dieses Recht war aber nur ein persönliches Recht für sie und galt nicht für ihre Nachkommen (dieses Recht ist nicht verdinglicht worden, wie der Rechtsbegriff heißt). Die Stadt Bad Ischl hatte das große Glück, dass die Großmutter schon 1924, im Verkaufsjahr, verstarb. Daher hat sie dieses Recht, alleine zu baden, kaum ausgenützt. Dieses Recht wurde leider nicht vererbt, doch die Stadtgemeinde weiß darum und ist daher so freundlich zu der Familie von Markus, sie ohne Eintrittsgeld in das Bad einzulassen (sie gehen aber nicht dort baden, sie fahren lieber zum Wolfgangsee in das Gemeindebad von Strobl zum Schwimmen).

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Sympathie für Wilderer und Rebellen

Die Kaiservilla, in der Markus mit seiner Familie wohnt, ist Zeugnis für die Jagdleidenschaft seines Urgroßvaters Franz Joseph. Markus ist also beständig mit dem Phänomen Jagd konfrontiert, schließlich ist die Kaiservilla voll mit Geweihen und Krickerln. Spannend ist seine Sympathie für unser Wilderermuseum in St. Pankraz, dem er, wie schon erwähnt, Geweihe aus der Kaiservilla zukommen hat lassen. Ich fragte ihn, wie es dazu gekommen ist, dass er für Wildschützen Verständnis zu haben scheint. Markus meinte  : »Bei so vielen Krickerln und Geweihen in der Kaiservilla denkt man, wo sind da die Grenzen für den Jäger und ab wann wird der Jäger sozusagen ein Wilderer, wenn er so viel schießt, wie er will und kann. Dem Kaiser standen die ganzen Staatsforste offen, eine ganze Organisation der Jagd konnte er sich leisten, sie stand ihm die ganze Zeit zur Verfügung. Fragen wir, ab wann beginnt seine Leidenschaft und ab wann geht es nur mehr um das Schiessen. Franz Josef hat über 2.000 Gämsen geschossen, 1.000 Hirsche, aber nicht soviel wie z. B. Franz Ferdinand oder die ostdeutschen Diktatoren nach dem Zweiten Weltkrieg. Die haben grenzenlos alles geschossen.« Dieses regelrechte »Abknallen« des Wildes, wie es manchmal typisch für die alte Aristokratie war, ist nicht im Sinne von Markus, der der Jagd eher skeptisch gegenüber steht. Er freute sich daher, unser Wilderermuseum bereichert zu haben. In diesem Sinn meinte er  : »Zunächst freut es mich, wenn nicht so viele Krickerln zum Abstauben sind, da in der Kaiservilla. Außerdem sollen diese im Wilderermuseum ein bisschen an den Kaiser erinnern. Es gibt ja die Frage  : wo ist der Kaiser Wilderer und wo ist er Jäger  ? Diese Frage soll durch die Krickerln im Museum stimuliert werden. Das Wildern ist zu verstehen, da im Salzkammergut soviel Wald Staatsforst war, der dem Kaiser zugeordnet war. Den einfachen Leuten im Salzkammergut war es natürlich egal, wie der Kaiser geheißen hat, ob Ferdinand, Franz Joseph oder Karl, sie haben nur gewusst, dass das Jagdgebiet dem Kaiser gehöre. Überall, wohin sie gegangen sind, haben sie gehört, der und der Wald gehöre dem Kaiser. Der Kaiser darf überall schießen, nicht aber der Bauer und der Knecht. Man muss daher verstehen, dass der Reizfaktor zum Wildern daher ein sehr großer war. Man war auch stolz, dem Kaiser etwas wegzuschießen.« Die Oberösterreicher waren schon seit jeher Rebellen, nicht nur als Wilderer, sondern auch als Bauern, die im 16. Jahrhundert evangelisch



Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

wurden, weil sie sich von der katholischen Kirche und dem Kaiser unterdrückt und ausgebeutet sahen, erzählte ich. Nachfahren dieser Bauern, die sich weigerten, die katholische Religion anzunehmen, wurden mit Gewalt nach Siebenbürgen verbannt, wo sie wegen ihrer oberösterreichischen Herkunft als »Landler« bezeichnet wurden. Markus Habsburg sympathisiert offensichtlich mit diesen altösterreichischen Landlern, vielleicht weil deren Vorfahren einen ehrlichen Kampf gegen seine kaiserlichen Vorfahren geführt haben. Er hatte sogar einmal die Absicht geäußert, mich bei einem meiner Forschungsaufenthalte  – ich fahre regelmäßig mit Studenten der Universität Wien zu den Landlern, um die alte Bauernwelt zu studieren – zu begleiten. Markus bestärkte mich in meinen Überlegungen  : »Die Bauern waren damals im 17. Jahrhundert sehr mutig, da sie zu ihrer eigenen, evangelischen Religion gestanden sind. Zu seiner Religion zu stehen, ist auch heute eine schwierige Sache.« Als ich behauptete, dass auch die Vorfahren der Frau von Markus rebellische Bauern gewesen sein könnten, die tapfer gegen Graf Herberstorff, der den Bauernkrieg 1626 niedergeschlagen hatte, gekämpft haben, antwortet Markus  : »Der Bauernaufstand ist für mich ein sehr interessantes Thema beim Problemlösen zu Hause. Wenn meine Frau etwas streng ist, da schaltet sich mein Hinterkopf ein und sagt  : Halt, da ist jetzt ein Bauernkrieg entstanden.« Markus lachte freundlich. Er versuchte, das Handeln des Habsburger-Kaisers etwas zu mildern, indem er meint, dass Graf Herberstorff bei der Niederschlagung des Bauernaufstandes möglicherweise deswegen besonders brutal vorgegangen sei, um dem Kaiser zu imponieren. Die Untaten von Graf Herberstorff, der die rebellischen Bauern aufhängen ließ5, bezeichnet Markus klug als »Grenzgänge des Kampfes«. Ich hielt noch fest, dass manche Habsburger, wie eben auch Maria Theresia, nicht zimperlich waren bei der Verbannung von Leuten, die ihren Vorstellungen widersprachen. Dazu gehören die Landler, aber auch die Dirnen, die auf Wunsch von Maria Theresia mit dem sogenannten »Temeschwarer Wasserschub« auf Schiffen in das Banat gebracht wurden, ebenso wie die Wildschützen.

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Hier wird Bezug auf das sogenannte Frankenburger Würfelspiel genommen, ein drakonisches Strafritual, das der bayerische Statthalter im Lande ob der Enns, Adam Graf Herberstorff, 1625 an den aufständischen Bauern der Herrschaft Frankenburg vollzog.

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Das Treffen mit Ederl, dem früheren Bordellbesitzer

Im August 2010, als ich Markus Habsburg in Linz traf und mit ihm über sein Leben für mein Buch Eigenwillige Karrieren6 sprach, war auch Herr Ederl Höbaus zufällig in Linz, ein früherer Zuhälter und Bordellbesitzer, dem ich auch ein Kapitel in meinem Buch Eigenwillige Karrieren gewidmet habe. Ederl ist heute Großgrundbesitzer und Biobauer bei Linz. Ich rief ihn am Mobiltelefon an, und wir vereinbarten, einander im Café am Bahnhof zu treffen. Ich zitiere aus meinem Bericht über dieses Treffen  : »Markus dürfte der alte Zuhälter und jetzige Grundbesitzer interessieren. Markus und ich wandern zum Bahnhof. Wir betreten das obere Kaffee, links vom Haupteingang. Ederl sitzt alleine an einem Fenstertisch. Seine Freundin Ingrid ist noch nicht da. Ich begrüße Ederl freudig und mache ihn mit Markus bekannt. Der alte Herr des Straßenstrichs hat gute Manieren. Ich mache die beiden Herren bekannt. Ederl dürfte imponieren, dass Markus der Urenkel des Kaisers ist. Ich habe das Gefühl, die beiden verstehen sich. Ich möchte diese beiden Herren, die aus vollkommen unterschiedlichen sozialen Schichten kommen, zusammenbringen. Beiden dürfte diese Idee von mir gefallen. Ederl lädt uns auf Getränke und Essen ein. Ich trinke einen naturtrüben Apfelsaft, Markus bestellt Tee und ein Brot mit Mozzarella und Paradeisern. Als die Kellnerin ihm das Brot bringt, fragt sie, ob er Messer und Gabel dazu benötige. Er antwortete ihr freundlich, er könne das Brot nicht anders essen. Als ich Ederl nach ein paar Tagen anrufe, meinte er, diese Geste von Markus Habsburg habe ihm gefallen, sie würde auf seine noble Erziehung und Lebensart hinweisen. Die beiden reden über Grund und Boden und schimpfen über das Finanzamt. Wir kommen ganz allgemein auf Vereine zu sprechen. Ich frage Markus, ob er in Bad Ischl einem Verein angehöre. Er nickt  : ›Ich bin nur in einem Verein, aber nicht bei der Feuerwehr. Ich bin beim Männergesangsverein. Dort singe ich seit ungefähr vier Jahren. Es ist sehr schwierig dort für mich, nicht nur das Singen – ich habe nicht die beste Stimme.‹ Ederl ist angetan vom noblen Markus. Beide freuen sich, einander kennen gelernt zu haben.«7

6 Siehe Girtler, Eigenwillige Karrieren, wie Anm. 4. 7 Siehe Girtler, Eigenwillige Karrieren, wie Anm. 4.



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Angebliche Nachfahren von Habsburgern – märchenhafte Stammbäume und Vorfahren

Der Mensch ist ein eigentümliches Wesen, er möchte sich als ein würdiges und hochachtbares Wesen präsentieren oder von der Welt gesehen werden. Eine Möglichkeit, um sich als edel zu zeigen, ist, wie schon erwähnt, auf edle Vorfahren oder einen edlen Stammbaum verweisen zu können. Wenn man nun keinen direkten und durch Taufpapiere und Ähnliches bestätigten Nachweis einer noblen Herkunft hat, so besteht die Möglichkeit, zu behaupten, ein unehelicher Nachkomme von feinen Leuten zu sein. Damit wurde Markus von Habsburg, der Herr der Kaiservilla, bisweilen konfrontiert. Er meinte dazu sinnierend  : »Ich habe schon mindestens fünf Personen kennengelernt, die behaupten, sie sind uneheliche Nachkommen eines Habsburgers. Man kann sich vorstellen, wenn Leute ein Manko in der Herkunft ihrer Familie haben, dass sie sich eine bestimmte Person als Vorfahren wünschen. Da gibt es natürlich ein erhöhtes Interesse an bekannten Personen als mögliche Vorfahren. Man würde auch gerne sagen, man sei der Sohn vom Maler Hundertwasser. Wenn jemand gut malt, will er vielleicht gerne sagen, mein malerisches Interesse stammt vom Hundertwasser. Das muss man sehr verstehen. Es gibt zum Beispiel Leute in Norwegen, die behaupten, dass Johann Orth, mein Urgroßonkel Johann Salvator, der wegen seiner Geliebten seinen Adelstitel aufgegeben hat, ihr Großvater oder Urgroßvater sein soll.«

Der alte Wildschütz und Holzknecht als Nachkomme von Habsburgern

Mein Freund Erwin Degelsegger aus Spital am Pyhrn wuchs auf einem Bauernhof auf, arbeitete als Holzknecht und betätigte sich sogar als Wildschütz. Erwin erzählte mir aus seinem Leben und dazu gehört das Geheimnis um seinen Großvater mütterlicherseits, der aus dem Hause Habsburg kommt, wie Erwin erzählte  : »Geboren wurde ich am 15.März 1934. Aufgewachsen bin ich beim Holzer in der Au in Spital am Pyhrn. Meine Mutter war Salzburgerin, sie war Köchin im Gasthof Grundner. Die Mutter meiner Mutter, also meine Großmutter, war Köchin beim Erzherzog Josef Ferdinand in der Nähe des Hintersees, nicht weit vom Fuschlsee.

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Dort hatte der Erzherzog sein Jagdschloss. Bei ihm war die Großmutter im Dienst. Wenn man meine Mutter gefragt hat, wer ihr Vater sei, hat sie immer gesagt, der Langreith Sepp sei ihr Vater. Sie wollte nicht haben, dass wir das wissen. Wir haben immer geglaubt, der Langreith Sepp wäre ein Bauernbub gewesen. Eines Tages, als ich schon in Pension war, wollte ich einmal nachfragen, wer dieser Langreith Sepp überhaupt war. Daher bin ich nach Vordersee bei Fuschl zum Gasthaus ›Steinbräu‹ gefahren. Die Wirtsleute dieses Gasthauses waren die Godenleut [Paten] meiner Mutter. Im ›Steinbräu‹ sind alte Männer am Stammtisch gesessen, denen habe ich gesagt, wer ich bin und habe von der Großmutter und dem Langreith Sepp erzählt. Ich habe sie nun gefragt, wer dieser Sepp gewesen sei. Da haben sie gesagt  : ›Den Sepp kenn wir eh.‹ Sie meinten zuerst den Bruder meiner Mutter, der auch Sepp geheißen hat. Ich habe noch einmal gefragt, ob sie einen Langreith Sepp kennen, weil meine Mutter hat immer gesagt, der sei ihr Vater. Darauf haben die alten Männer gelacht und gesagt  : ›Den Langreith Sepp, den kennen wir schon. Das ist der Graf, der Erzherzog Josef Ferdinand Salvator.’ Dieser Erzherzog war Sohn des Großherzogs von Toskana aus dem Haus Habsburg. Sie haben ihn jedoch immer den Grafen genannt (obwohl er eigentlich Erzherzog war). Den Besitz, den er dort hatte, war die Langreith [circa 15 Kilometer südlich vom Fuschlsee]. So bin ich dahinter gekommen, wer der Vater meiner Mutter eigentlich war, nämlich der Erzherzog Josef Ferdinand. Die Mutter hat nie darüber gesprochen, sie wollte eigentlich diese Leute nicht, bei denen die Großmutter im Dienst war. Meine beiden Schwestern haben auch nichts davon gewusst. Die ältere, die Loisi, sie ist drei Jahre älter als ich, hat mit einem schwarzen amerikanischen Besatzungssoldaten ein liebes Mädchen.« Dieses Mädchen ist heute eine hübsche, sympathische dunkelhäutige Dame, die ich seit meiner Kindheit kenne und die im Dorf sehr beliebt war. Sie ist die Tochter eines amerikanischen Besatzungssoldaten, aber ebenso, wie Erwin meint, ein Spross des Habsburgers Josef Ferdinand Salvator. Erwin ist also nobler Herkunft und bezeichnet sich als einzigen adeligen Knecht der Gegend. Einmal meinte er zu mir  : »Auf der einen Seite bin ich beinahe mit der Hälfte der Bauern von Spital am Pyhrn verwandt, und auf der anderen Seite mit der Aristokratie der halben Welt.«



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Die noble Frau

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Lebenswelt der Aristokratie, historisch betrachtet, patriarchalisch bestimmt war, das heißt die Frau, obwohl geachtet und verehrt, grundsätzlich weniger Rechte als die männlichen Mitglieder der feinen Familie genoss. Die Frau als Gegenstand der noblen Verehrung vermag, wenn sie geschickt ist, ihre Position trefflich zu ihrem Vorteil zu nutzen. Eine junge Angehörige der Hocharistokratie, die mit der traditionellen Frauenrolle nicht einverstanden ist, meinte vor einiger Zeit zu mir  : »Die Frauen werden bei uns zwar nicht unterdrückt, aber sie werden als minder angesehen. Es haben sich zum Beispiel die Lichtensteins für das Wahlrecht der Frauen in Lichtenstein eingesetzt, aber in der eigenen Familie haben die Frauen es noch nicht. Würde ich ein uneheliches Kind bekommen, so hätte ich größte Schwierigkeiten, meinen adeligen Familiennamen weiterzuführen. Ein Familienrat würde darüber entscheiden. Bekommt also eine Frau von uns tatsächlich ein uneheliches Kind, hat sie es nicht leicht. So war es mit der Schwester meiner Mutter [eine Habsburgerin]. Als sie schwanger war, wurde sie für vier Monate nach Frankreich geschickt. Niemand hat davon etwas gemerkt. Sie hat dort das Kind bekommen und hat nachher deswegen aber nicht geheiratet. Sie nahm einen anderen Namen an, das wollte die Familie. Heute ist ihr unehelicher Sohn 20 Jahre alt. Sie arbeitet als Sekretärin in einer Firma unter einem Fantasienamen. Auch eine andere Verwandte bekam ein uneheliches Kind. Allerdings hat der Vater dann das Kind adoptiert. Das sind Probleme. Wenn ich plötzlich ein uneheliches Kind bekommen würde, so wäre dies ein kleiner Skandal. Eine Tante von mir hat bewusst mit einem Herrn, einem Konditormeister, zwei uneheliche Kinder, sie war sehr stark. Sie hat Schwierigkeiten mit der Verwandtschaft gehabt.« Die Frauen feiner Leute sind zwar hochgeachtet, aber dennoch, ähnlich wie auch in alten bürgerlichen und bäuerlichen Familien, ist der Mann derjenige, der die Familie nach außen vertritt und auch mehr Freiheitsrechte zu genießen scheint.

Die vornehme Mahlzeit – die Tradition des Kaiserhauses

Vornehme prunkvolle Mahlzeiten sind wichtige Gelegenheiten, um Großzügigkeit zu demonstrieren. Gute Beispiele dafür sind die Staatsbankette,

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die  – zumindest in Österreich  – in der Tradition der alten kaiserlichen oder hocharistokratischen Festessen stehen. Eine farbenfrohe Beschreibung kaiserlicher Festtafeln gibt der Adjutant von Kaiser Franz Joseph, Albert von Margutti  : »Eine besondere Art der Hoftafeln bildeten die Galatafeln. Dieselben fanden gelegentlich bei Besuchen fremdländischer Souveräne statt. Bei diesen entfaltete der kaiserliche Hof den höchsten Prunk, über den er verfügte. […] Anlässlich der Galatafeln, ob dieselben in der Wiener Hofburg, im Schönbrunner Schlosse oder in der königlichen Burg zu Ofen stattfanden, wurden die dafür bestimmten Säle mit den einzigartigen Gobelins, mit kostbaren Vorhängen […] ausgestattet. […] Die Tafel selbst, mit schwerstem Damaste gedeckt, […] bot ein Bild dar, an welchem selbst das verwöhnteste Künstlerauge seine Freude finden musste. Die eigentliche Weihe erhielt ein solches Galadiner naturgemäß erst durch die Tischgäste. Die Damen erschienen in dekoltiertem Prunkkleide […] die Herren trugen Galauniform. […] Aufs genaueste, nach dem Range der Eingeladenen, waren die Tischplätze festgesetzt. […] Bei Galatafeln trug auch die sehr zahlreiche Dienerschaft das Hofgalakleid  : goldbestickten roten Frack nach altem Schnitt. […] Zumeist hielt der Kaiser einen Trinkspruch. Nach Genehmigung des Textes durch den Monarchen wurde der Toast in großen, der Sehweite des Kaisers entsprechenden Lettern reingeschrieben und vom Kaiser während des Mahles, zumeist zwischen dem zweiten und dritten Fleischgang, nachdem der Champagner in die Gläser gefüllt worden war, vorgelesen. Diese Galatafeln waren die wohl glänzendsten und distinguiertesten Tischgesellschaften, welche der als Muster der Vornehmheit allseits anerkannte Kaiser Franz Joseph um sich vereinte.«8

Die Rangordnung des Bestecks

Eine solche Einladung durch den Kaiser demonstrierte die Noblesse des Einladenden und sollte offensichtlich bei den Gästen so etwas wie Hochachtung vor der Großzügigkeit des Einladenden erzeugen. Der Gastgeber zeigte in aller Demut an, dass es für ihn selbstverständlich sei, einen Gast hohen Ranges vornehm zu empfangen. An den kaiserlichen Einladungen 8 Margutti, Vom alten Kaiser, wie Anm. 3, S. 214 ff.



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orientierte sich der Adel, aber auch die »kleinen Leute« und feine Ganoven wissen, großzügig zu feiern und sich gegenüber dem Gast als »nobel« darzustellen. Grundsätzlich gliedert sich die noble Mahlzeit, auch die beim alten Kaiser, in mehrere Phasen. Eine noble Mahlzeit dieser Art erlebte ich zu einer Zeit, als ich über »feine Leute« forschte. Bei dieser Forschung war mir eine liebenswürdige Prinzessin, ihre Mutter ist eine Habsburgerin, eine freundliche Begleiterin. Sie hatte übrigens Interesse an der Wiener Unterwelt, und so nahm ich sie einmal zum verbotenen Glückspiel in den 15. Wiener Gemeindebezirk mit. Grundsätzlich dürfen Frauen bei diesem Spiel nicht anwesend sein, bei ihr machte der Chef der Spielpartie eine Ausnahme  : Sie dürfe zusehen, weil sie eine Prinzessin sei. Sie war begeistert. Mir war es also gelungen, alte Aristokratie und Wiener Ganoventum miteinander zu verbinden. Jedenfalls lud die noble Familie mich zu einem Mittagessen in durchlauchtem Kreise ein. Darüber ist nun zu erzählen  : In der vornehmen Wohnung empfing mich der Vater der Prinzessin. Dann erschien die Prinzessin und grüßte herzlich. Nun wurde ich zu einem Tisch gebeten, an dem die Mutter, eine geborene Habsburgerin, saß. Ich durfte mich zu dieser setzen und dankte für die Einladung. Noch ein anderer Herr, ein hoher geistlicher Würdenträger, war eingeladen. Wir tranken zunächst ein Gläschen guten Alkohols (was es genau war, war nicht zu erraten). Dann wurde ich zum Tisch im großen Speisezimmer gebeten. Eine Angestellte des Hauses hatte nach allen Regeln der Tischkultur den Tisch gedeckt. Die Dame des Hauses bot mir den Sitz an ihrer linken Seite an, ihr Herr Gemahl nahm mir gegenüber Platz. Der geistliche Würdenträger wurde an die Breitseite des Tisches zwischen den noblen Herrschaften platziert. Die Prinzessin durfte links von mir sitzen. Dann wurde eine Vorspeise, keine Suppe, sondern ein kleiner Fisch, serviert. Die Dame des Hauses, die Kaiserliche Hoheit, wünschte einen »guten Appetit«. Das Wort »Mahlzeit«, das für gewöhnlich der Wiener Bürger verwendet, hat nicht die Sympathie ganz nobler Leute, wie ich schließlich erfahren durfte. Nun, als die Dame zum Essen aufrief, kam ich in Bedrängnis, denn mich verwirrten die sechs Essensgeräte, die um meinen Teller gelegt waren. Ich erinnerte mich an gewisse Regeln, zum Besteck zu greifen, doch sie fielen mir nicht ein. So versuchte ich mich an meinen Gastgebern zu orientieren, doch dies verschaffte mir auch keine Klarheit, denn die Dame griff zu dem äußeren Löffel zur rechten Seite des Tellers

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und ihr Mann, der Prinz, benützte den obersten Löffel vor dem Teller und erfreute sich an der Vorspeise. Jeder der beiden verwendete also ein anderes Besteck. Ich dachte mir, es könne nicht falsch sein, wenn ich es wie der Prinz mache und griff nach dem Löffel vor dem Teller. Ein paar Tage später fragte ich die Prinzessin, ob es richtig wäre, wie ich es getan hatte. Sie lachte und meinte, ihr Vater würde es immer falsch machen. Dies gefiel mir, denn der Vater hatte seine Vornehmheit bewahrt, obwohl es ihm vollkommen egal war, welches Gerät er für seinen Genuss benützt. Der Vorspeise folgte ein schön zubereitetes Fleischgericht mit Gemüse, von dem ich allerdings als Vegetarier nur letzteres genoss. Ich entschuldigte mich dafür. Man nickte gnädig. Das Gespräch kreiste um meine Forschungen und über Wälder der Familienbesitzung, denn der Prinz handelte mit Holz. Als Nachspeise servierte die Hausangestellte eine schön zubereitete Puddingspeise. Mit einem Glas Wein prosteten wir uns noch zu. Dabei wird »Zum Wohl« gehaucht. Das in Wien übliche Wort des Zutrinkens »Prost« gilt offensichtlich als unfein. Charakteristisch für diese Tischkultur nobelster Leute – in der Tradition des kaiserlichen Hofes – ist schließlich, dass das Personal die Symbole und Rituale kennt und sich an diese hält, dazu gehört das traditionelle Auflegen des Besteckes und die Herstellung eines noblen Umfeldes im Speisezimmer. Die noblen Herrschaften selbst finden es mitunter nicht notwendig, sich an Regeln dieser Art zuhalten.

Sitzordnung, Beginn und Beendigung des noblen Mahles – Kaiser und Moar-Knecht

Für das feine Mahl, dies sei noch angefügt, ist auch typisch, dass bei diesem die Rangordnung der Teilnehmer durch das Zeremoniell dargestellt wird. Dazu gehört eine spezifische Sitzordnung und Regeln darüber, wer zuerst mit dem Essen beginnt, wer damit wann aufhört und Ähnliches. Von der kaiserlichen Tafel wird darüber berichtet  : »Während der Tafel wurde eine ruhige Konversation in gedämpftem Tone, zumeist allerdings nur von Nachbar zu Nachbar geführt  ; dank der musterhaft eingeübten und mit erstaunlicher Präzision ineinander greifenden Bedienung erfolgte das Servieren der Gerichte ungemein rasch. […] Wenn sich dann der Kaiser vom Tisch erhob, taten es sofort auch die Gäste.« Vom Kaiser hing es



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also ab, ob die Gäste noch weiter tafeln konnten oder nicht, er bestimmte, wann die Anwesenden satt zu sein hatten. Auf diese Weise wurde seine hohe Stellung und Macht symbolisch zum Ausdruck gebracht. Ganz ähnlich, was den Beginn und die Beendigung des Mahles anbelangt, ging es auf den alten Bauernhöfen zu, wo die Dienstboten, gemeinsam um einen Tisch sitzend aus der gemeinsamen Schüssel aßen. Der ranghöchste Knecht war der »Moar« (Meier). Dazu erzählte mir ein alter ehemaliger Knecht  : »Ist nun die Schüssel zu uns getragen worden, hat der Moar, der erste Knecht, zu essen begonnen, dann sind die anderen Knechte drangekommen. Wenn der Moar zum Essen aufgehört hat, haben alle anderen zum Essen aufhören müssen. Die Schüssel hat voll sein und die anderen Hunger haben können, trotzdem wurde sie weggetragen.« Der autoritäre Stil des Moars am Bauernhof wurde also beim gemeinsamen Essen allen Teilnehmern symbolisch und eindrucksvoll vor Augen geführt, in ganz ähnlicher Weise wie die Allmacht des Kaisers beim kaiserlichen Mahl. Als prächtige und mächtige Symbolfiguren demonstrierten Kaiser und Moar in jeweils anderen sozialen Umfeldern ihre Vornehm- und Besonderheit, die schließlich noch durch ein edles Getränk unterstrichen wurde. Auf bäuerlichen Hof war es entweder der Most oder der im eigenen Weinberg gewachsene Wein, auf dem kaiserlichen Hof lediglich der Wein.

Einladung bei feinen Ganoven – Erinnerung an Schönbrunn

Noble Großzügigkeit beim Essen weiß auch der Ganove zu zeigen. Der Ganove hat also beim Feiern von Festen etwas Aristokratisches an sich. Auch ich erlebte dies. Einmal lud mich einer der Großen in der Welt der Wiener Prostitution und Herr über einige Bordelle gemeinsam mit anderen Herren und Damen zu sich ein. Der Mann hatte mit einer ehemaligen Dirne vom Wiener Strich ein großes Bauerngut erworben. Sein Wunschtraum seit seiner Kindheit war, am Lande vornehm zu leben. Er, der in der Nachkriegszeit in Armut aufgewachsen war, sah in der Prostitution die einzige Chance, zu jenem Geld zu kommen, das er für den Erwerb eines solchen Gutes benötigte. So wurde er zum Zuhälter und erwarb Bordelle in Wien. Schließlich gelang es ihm, den Strich in einer bestimmten Gegend Wiens zu kontrollieren. Die Einnahmen aus diesem Gewerbe sind beträchtlich. Auf den zum Hof gehörenden, etwas abseits gelegenen Wie-

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sen grasen Pferde und Hochlandrinder, seinen kleinen Wald bevölkern Hirsche, und in zwei Teichen schwimmen teure japanische Karpfen. Auf der Wiese beim Hof pflanzte er einen Garten mit seltenen exotischen Bäumen, dazwischen versprühen Springbrunnen Wasser, und in einem geräumigen Käfig schwirren bunte Vögel. Man hatte das Gefühl, sich in einem kleinen Schönbrunn zu befinden, denn auch die alten Habsburger liebten solche Gärten mit seltenen Tieren. In diese noble Welt war ich von diesem Herrn des Wiener Strichs an einem warmen Sommertag zu einem Essen eingeladen worden. Neben mir waren auch sein Rechtsanwalt, ein Steuerberater und ein Frauenarzt, beide mit Frauen, erschienen. Nach einer kleinen Wanderung durch den Garten hin zu einem kleinen Waldstück und entlang der Pferdeweide zurück, wurden wir zum Essen gebeten. Vor dem Haus wirkte der Koch eines nahen Gasthauses mit zwei Mädchen. Die Mädchen reichten uns, die wir an einem großen, aus schweren Hölzern bestehenden Tisch saßen, je nach Wunsch Bier oder teuren Wein. Die Platte des Tisches soll bei zwei Tonnen gewogen haben. Es wurde zunächst Lachs als exquisite Vorspeise serviert. Dazu gab es beste Salate, die der erfahrene Koch vorbereitet hatte. Auf einem Spieß drehte sich vor uns ein großes Spanferkel, von dem die Gäste  – außer mir, ich bin wie schon erwähnt Vegetarier – sich etwas später mit Genuss knusprige Stücke abschnitzelten. In dieser noblen Atmosphäre eines Wiener Ganoven erlebten wir Eingeladene eine Esskultur, die mich an die mittelalterlichen Raubritter erinnerte. Jedenfalls zeigte uns der Herr des Strichs, dass er über dem »gewöhnlichen« Wiener Bürger stehe, der uns wohl ein derartiges Essen in einer derart kühnen Umgebung nicht bieten mag. Diese Distanz zum »gewöhnlichen« Bürger wurde übrigens noch dadurch unterstrichen, dass unser Gastgeber sich sogar ein prächtiges Wappen schnitzen hat lassen, auf das er mit gediegener Bescheidenheit aufmerksam machte.

Die Bälle und Empfänge am Hof des Kaisers und ihr Weiterleben

Tanzveranstaltungen und vornehme Bälle gehören zum Leben der feinen Leute. Der gute Bürger orientiert sich dabei an kaiserlichen Veranstaltungen wie an den »Hofbällen« am Wiener Kaiserhof. Dazu schreibt der Adjutant des Kaisers, Albert von Margutti  : »Zu den Hofbällen wurden die Hofwürdenträger, die Minister, die Spitzen der Geistlichkeit, der Militär-



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und Zivilbehörden, die Angehörigen des diplomatischen Korps, prominente Funktionäre der öffentlichen Anstalten und Betriebe, Männer der Kunst und Wissenschaft und solche, die sich auf irgendeinem Gebiete hervorragenden Ansehens erfreuten, nach und nach eingeladen, damit der Kaiser Gelegenheit fände, mit ihnen in Berührung zu treten und sie länger ins Gespräch zu ziehen, als dies bei den allgemeinen Audienzen möglich gewesen wäre. Hierzu bot allerdings die Faschingszeit noch eine andere Gelegenheit in den Hofbällen, welche alljährlich in Wien und in Budapest stattfanden. In Wien wurden dieselben in der Hofburg abgehalten, zwei im Laufe jeder Karnevalssaison. Der eine, der erste, war der Hofball, der darauf folgende andere der Ball bei Hofe. Ersterer war in seiner Art der glänzendere  ; eine Unzahl von Einladungen wurden dazu ausgegeben, wobei, was die Herren betraf, schon das Moment, einen österreichischen Orden zu besitzen, die Einladungsmöglichkeit involvierte. Bei den Damen war der Maßstab ein bedeutend strengerer und an die Hoffähigkeit gebunden, welche durch adelige Geburt, hervorragende Stellung des Gatten oder sonstige Vorzugsprärogativen gegeben sein musste. Das diplomatische Korps hatte über dies das Recht, gerade in Wien anwesende Konationale von entsprechender sozialer Qualifikation zur Einladung für den Hofball unter dem Titel Fremde von Distinktion vorzuschlagen.  – Der Ball bei Hof war der intimere, die Einladung zu demselben weitaus beschränkter und tatsächlich an eine besondere Stellung der damit zu Bedenkenden zum Hofe gebunden. Dieser Ball bei Hof fand auch nur im Zeremoniensaal der Hofburg statt, während für den Hofball die Redoutensäle, als weitläufige Repräsentationsräume der Wiener Burg, in ihrer Gesamtheit zur Verfügung gestellt wurden. Auch der Umstand, dass beim Hofballe von den Herren die Galauniform und alle in- und ausländischen Orden angelegt wurden, während beim Ball bei Hofe die Inhaberuniformen sowie ausschließlich die österreichisch-ungarischen Auszeichnungen zu tragen waren, dokumentierte eine Differenzierung zwischen den beiden Veranstaltungen. […] Die Hofbälle boten ein wahrhaft märchenhaftes Bild von Pracht und Glanz. Man konnte sich nicht satt sehen an den herrlichen Toiletten der Damen, an ihrem Millionenwerte repräsentierenden Schmuck, an den verschiedenartigsten, mit Sternen und Kreuzen übersäten Uniformen der Herren, an den ernsten, aber prächtigen Gewändern der Kirchenfürsten. […] Als dann der Hof in den großen Tanzsaal einzog – voran der Kaiser mit der Herzogin von Cumberland oder der sonst

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im höchsten Dynastenrang stehenden Dame am Arme  – begann die Hofmusikkapelle. Vom temperamentvollen Meister Strauß, späterhin vom weltbekannten Ziehrer dirigiert, den Auftakt zu spielen, dem sodann die Tanzmusik folgte. Es wurden Rundtänzen und Gesellschaftstänze von den Damen des Adels und der Diplomatie mit den Kämmerern und jüngeren Herren der hiezu berufenen Kreise durchgeführt. […] Während der dem Tanze gewidmeten Zeit ging der Kaiser von einem zum anderen Erschienenen und hielt unermüdlich Cercle, so dass man die physische Leistungsfähigkeit des alten Monarchen staunend bewundern musste. Wenn die Tanzfolge über die Programmhälfte gediehen war, begaben sich der Hof und die höheren Kreise in die Säle, in welchen das Souper serviert wurde, während die sonstigen Anwesenden sich in den großen Buffettraum verfügten, wo auf hufeisenförmig eingerichteten Tafeln eine schier unermessliche Fülle der köstlichsten Leckerbissen ausgebreitet lag und von Hofbediensteten dargereicht wurde, gleichzeitig schenkten Hofbedienstete den Buffetgästen Bier, Wein und Champagner ein […].«9 Die Bälle am Kaiserhof brachten also noble Leute zusammen. Der Kaiser erfreute sich an der Vielzahl von Symbolen, wie Orden und Kleidungsformen. Diese zeigten Stand und Ansehen der Gäste sowie ihre Nähe zum Kaiserhaus an. Die Hofbälle waren jedoch nicht bloß zeremonielle Zurschaustellungen der eigenen hervorragenden Bedeutung der geheiligten Person, sondern sie boten auch Anlass zur Hoffnung, von würdigen und sakralen Personen kontaktiert zu werden. Feste dieser Art wurden in der Republik – nun von feinen Republikanern – in all ihrer luxuriösen Pracht fortgeführt. Noble festliche Traditionen werden also ungebrochen weitergetragen.

Der noble Tod – die prachtvolle Bestattung

Die feinen Leute achten nicht nur sorgsam darauf, ihre Lebensjahre nobel zu führen, sondern auch den Tod zu einer vornehmen Angelegenheit zu machen. Völkerkunde und Volkskunde zeigen, wie vielfältig die Strategien sind, um toten vornehmen Menschen ein würdiges Jenseits zu ermöglichen. Bereits zu Lebzeiten bauen feine Menschen für ihr künftige Existenz Mausoleen, legen Grüfte an, kaufen Grabplätze, lassen von Künstlern 9 Margutti, Vom alten Kaiser, wie Anm. 3, S. 218 ff.



Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

Grabdenkmale herstellen und sparen für ein würdiges Begräbnis. Feine Menschen sollen auch in ihrem Tod als von herausragender Bedeutung gezeigt werden. In den alten Totenkulten, zumindest seit der Bronzezeit im europäischen Raum, bemühten sich Häuptlinge, Priester und Adelige, durch die Ausgestaltung ihrer Grabstätten sich auch im Jenseits vom gewöhnlichen Volk zu unterscheiden. Besonders deutlich wurde dieser Drang zur unsterblichen Vornehmheit im alten Ägypten. Die Pyramiden der Pharaonen waren weithin sichtbare Symbole für die Heiligkeit ihrer Personen. In der Tradition der Pyramiden stehen alle Kulte der feinen Menschen, die ihren Körper nicht der bloßen Erde überlassen wollen. Insbesondere tritt diese Tradition in der Kapuzinergruft in Wien hervor. Die Kapuzinergruft beherbergt die meist prunkvollen Sarkophage der Mitglieder des österreichischen Herrscherhauses. Den Toten wurden hier reich verzierte Denkmale in Zinn und Stein gesetzt. Den Barocksarg Karl VI. schmückt ein Totenkopf mit der römischen Kaiserkrone. Prachtvoll ist der Gruftraum von Maria Theresia. Man spürt in dieser Gruft die Macht, die von diesen toten noblen Leuten einmal ausgegangen war. Typisch für die feinen Leute ist, dass ihr Körper im Allgemeinen nicht der Erde übergeben wurde  ; in die Erde kommt der gewöhnliche Mensch. Die Heiligkeit der bestatteten Person wurde noch dadurch herausgestrichen, dass man ihre Körper kunstvoll einbalsamierte, eine Technik, die schon im alten Ägypten bekannt war. Der Tote kann also nicht zu Staub zerfallen und zu Erde werden. Ein solches Ritual der Einbalsamierung in Verbindung mit einer separaten Aufbewahrung von Herz wie der übrigen Innereien, wie es für die toten Habsburger üblich war, wurde auch bei Kaiserin Zita durchgeführt – die noble Tote erhält so den Schein der Unsterblichkeit. Die Beisetzung in einer Gruft hält sie fern von der Erde, in die der gemeine Mensch in seinem Tode überzugehen hat. An den alten noblen Ritualen orientiert sich der noble Bürger, wenn er seine Angehörigen als feine Leute nicht der Erde überlässt, sondern in einer noblen Gruft bestatten lässt.

Noble Grosszügigkeit – das Edelweiss des Kaisers

Mein Großvater war während des Ersten Weltkrieges Oberleutnant der Kaiserschützen. Er erzählte, dass die besten Soldaten und Bergsteiger die Wildschützen gewesen seien. Dies war u. a. auch der Grund, warum ich ein Buch

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über die Wildschützen, die auf eine lange Geschichte zurückgreifen können, schrieb. Auch verfasste ich mit Frau Eva Bodingbauer ein Wildschützenkochbuch »mit Durchschuss«.10 Dieses Kochbuch zeigte ich zufällig einmal Hartmut Rochowanski, dem Inhaber des Antiquitätengeschäftes Zum Doppeladler. Dieser war von dem Buch derart begeistert, dass er mich bat, ihm ein Exemplar dieses Buches gegen ein Edelweiß, das Kaiser Karl für die Frau seines Ordonanzoffiziers gepflückt hat, einzutauschen  ; über eine Erbschaft sei dieses Edelweiß in seinen Besitz gekommen. Ich willigte sofort ein. Herr Rochowanski bestätigte mir schriftlich, dass dieses Edelweiß vom Kaiser sei. Von Herrn Rochowanski erfuhr ich auch, dass Kaiser Karl es liebte, manchen Damen und Mädchen Blumen, die er spontan pflückte, zu überreichen, und so pflückte er auch für die Frau seines Ordonanzoffiziers dieses Edelweiß. Anlässlich meines Vortrages bei der »Maximiliana« zeigte ich den Zuhörern dieses Edelweiß und erzählte die Geschichte vom Kaiser, der diese Blume selbst gepflückt habe. Dies gefiel den Anwesenden. Man bat mich schließlich, diese Geschichte bei der Eröffnung der Sonderausstellung Kaiser Karl I. im Heeresgeschichtlichen Museum am 12. April 2012 zu erzählen und das Edelweiß samt Text als Leihgabe dem Museum zu überlassen. Tatsächlich wurde ich an das Rednerpult gerufen, nachdem Direktor, der Vizedirektor und SKH Karl von Habsburg gesprochen hatten. Ich erzählte nun die Geschichte von den tapferen Wildschützen bei den Kaiserschützen und die Geschichte vom Kaiser Karl, der der Frau eines Schützen ein selbstgepflücktes Edelweiß geschickt habe. Dieses Edelweiß samt der Bestätigung, dass der Kaiser es gepflückt habe, übergab ich dem Museum gemeinsam mit einem Foto vom Umschlag des Wildererkochbuches, in der Hoffnung, dass es einen würdigen Platz im Museum bzw. in der Ausstellung bekommen würde.

Abschliessende Gedanken

Die Habsburger als feine, aber auch höchst originelle und mitunter liebenswürdige Leute waren Gegenstand meiner Betrachtungen. Der gute 10 Roland Girtler – Eva Bodingbauer, Wilderer. Kochbuch mit Durchschuss. Rezepte von Ava Bodingbauer. Wien-Köln-Weimar 2004. Durch das gesamte Buch ist rechts oben ein als »Durchschuss« gestaltetes Loch gestanzt.



Habsburger als feine, rebellische und eigenwillige Leute

Bürger verdankt, was Symbole und Rituale bei Festen und ähnlichen Angelegenheiten anbelangt, einiges der klassischen Lebensart der Habsburger. Anderseits orientierte sich der noble Habsburger auch am liberalen Bürger, überhaupt dann, wenn es um Rebellion gegen starre Normen ging. Habsburger genießen daher grundsätzlich auch Respekt bei Bürgern, Bauern und ebenso feinen Ganoven.

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Manfried Welan

Österreich und das Haus Habsburg Betrachtungen eines Dieners der Zweiten Republik

Die Monarchie in der Republik

Von den fast ein Dutzend Nachfolgestaaten des habsburgischen Vielvölkerstaates ist Österreich am stärksten »Altösterreich« geblieben. In allen anderen Nachfolgestaaten der Donaumonarchie sind Kontinuität und Tradition durch mindestens zwei radikale Brüche unterbunden worden. Dafür haben insbesondere die kommunistischen Regime nach 1945 gesorgt, während sich Österreich auch nach zwei Diktaturen keine neue Verfassung gegeben hat. Die Republik ist in die Verfassung von 1920 in der Fassung von 1929 zurückgekehrt. Und die Verfassung von 1920 war in wesentlichen Teilen die Anpassung und Fortschreibung des Verfassungsrechts der Monarchie. So ist auch das Staatsgrundgesetz von 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger Teil der Verfassung der demokratischen Republik geworden, weil sich die verfassunggebenden Parteien nicht auf einen neuen Grundrechtekatalog einigen konnten (das konnten sie sich im Übrigen bis heute nicht). Das große Gesetz für den menschlichen Alltag, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, wurde 2011 200 Jahre alt. In diesem ältesten und ehrwürdigsten österreichischen Gesetzbuch findet sich die schönste Bestimmung der österreichischen Rechtsordnung  : »Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als eine Person zu betrachten […].« Das ist der kürzeste und weiseste Grundrechtskatalog, den wir kennen. Das ist das österreichische Urrecht. Es ist aber kaum jemandem bewusst und wird in der politischen Bildung zu wenig weitergegeben. Im Staatsrecht sind die Kontinuitäten am stärksten  : Von den neun Bundesländern gehen die meisten bis ins Spätmittelalter zurück. Die Gliederung in Verwaltungsbezirke, von Maria Theresia begonnen, hat

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sich von 1868 bis heute erhalten. Auf der lokalen Ebene waren nach Aufhebung der Grundherrschaft 1848 die Gemeinden als Selbstverwaltungskörper und Verwaltungssprengel geschaffen worden. Auch die Handelskammern gehen auf diese Zeit zurück. Der konstitutionelle Staat zog sich von der Bevölkerung zurück und schuf die lokale Selbstverwaltung in den Kommunen und die Staatsverwaltung erster Instanz in den Bezirkshauptmannschaften. Beide Konzepte sind im Grundsatz geblieben. Die 1962 eingeführte neue Gemeindeverfassung hat an den Grundsätzen der Gemeindeverfassung der Monarchie aus 1862 wenig geändert, insbesondere blieb der – jetzt meist direkt gewählte – Bürgermeister »Haupt der Gemeinde« mit mehreren Funktionen. Bürgermeister sind nach wie vor die beliebtesten Politiker und den Satz »einmal Bürgermeister, alleweil Bürgermeister« findet man oft bestätigt. Für die »Bürgermeisterei« dürften die Österreicher besondere Begabung besitzen. Im Gegensatz zu den Bundesländern haben die Gemeinden zwar keine Bestandsgarantie in der Bundesverfassung, aber die Gemeindezusammenlegungen sind zur Ruhe gekommen. An eine Aufhebung der Bezirkshauptmannschaften denkt man selten. Anders ist es bei der Gerichtsorganisation. Aber hier zeigen sich ebenfalls Widerstände, und die alten Strukturen werden bleiben. Von Zeit zu Zeit wollen manche die Länder oder Landesorgane »abschaffen«, politisch aber sind die Länder und Landeshauptleute stärker denn je. Der Beitritt zur EU hatte freilich so viele und große Konsequenzen, dass man seit dem 1. Jänner 1995 von einer Dritten Republik sprechen kann. So wurde das in Österreich geltende EU-Recht mengenmäßig zu mehr als der Hälfte der insgesamt geltenden Rechtsmasse. Dieses Gemeinschaftsrecht hat Anwendungsvorrang. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass durch den EU-Beitritt die seit der Monarchie bestehende Hegemonie der Regierung verstärkt wurde. Die Minister, insbesondere der Kanzler, wurden »potenzierte Organe«  : Sie sind aufgrund ihrer nationalen Organstellung auch supranationale Organe. Dieser Aufwertung steht im Ergebnis eine Abwertung des Bundespräsidenten gegenüber. Er ging bei der Verteilung von supranationalen Zuständigkeiten leer aus. Während die nationale Exekutive Teil der supranationalen Legislative und die hier wirkende Ministerialbürokratie zur mitwirkenden »Legiferokratie« Europas wurde, blieb der Bundespräsident Staatsoberhaupt im konservativen Sinn. Da mehr als die Hälfte seiner Zuständigkeiten formal denen des



Österreich und das Haus Habsburg

Kaisers gleicht, ist er zwar »kein Kaiser in der Republik« – so ein Buchtitel von mir1 –, wohl aber wie ein Kaiser in der Republik. Die seit 1848 bestehenden Minister, jetzt Bundesminister, verkörperten immer schon die »Hegemonie der Regierung« im Verhältnis zum Parlament. Diese seit der Monarchie bestehende Vorherrschaft der Exekutive wurde durch den Parteienstaat noch verstärkt.

Vom Staatsrecht zum Rechtsstaat

Republik, Demokratie, Bundesstaat waren 1920 neu. Deshalb sind sie auch ausdrücklich proklamiert. Der Rechtsstaat dagegen war schon in der Monarchie vorhanden. Grund- und Freiheitsrechte, Gewaltentrennung, Unabhängigkeit der Gerichte, die verschiedenen Formen der Selbstverwaltung, die Weisungsgebundenheit der Verwaltung, die Ministerverantwortlichkeit, Verwaltungs- und Staatsgerichtsbarkeit und noch mehr – das alles gab es schon in der Monarchie und setzte sich in der Republik fort. Deshalb hat mein Lehrer René Marcic von einem »beredten Schweigen der Verfassung« gesprochen und damit die Rechtsstaatlichkeit gemeint. »Justitia Regnorum Fundamentum« steht am Heldentor. Die Formel ist auch im Justizpalast zu lesen. In diesen Worten schwingen Plato, Augustinus, aber auch das burgundische Staatsrecht und die Tradition der Fürstenspiegel mit – Franz I./II. wählte diesen Satz als Leitspruch. »Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden« – dieser Satz steht in der Verfassung (Artikel 18 Abs. 1 B-VG), aber die »Garantien der Verfassung und Verwaltung«, nämlich den Reichsgerichtshof (seit 1867) und den Verwaltungsgerichtshof (seit 1876) gab es schon in der Monarchie. Der Rechnungshof ist noch älter – er feierte 2011 sein 250. Bestandsjubiläum. (Anmerkung  : Besondere institutionelle Fortsetzungen der Monarchie in der Republik sind auch ihre großen Museen und die Stätten der Hochkultur wie Staatsoper, Burgtheater und Wiener Philharmoniker, auf welche auch die Republik stolz ist.) Das wichtigste kontinuierliche und stabilisierende Element der Monarchie im Dienst der Republik war und ist das Berufsbeamtentum. Es ver1

Manfried Welan, Der Bundespräsident. Kein Kaiser in der Republik. Wien 1992

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bindet die Elemente der Expertise, der Stabilität und der Kontinuität mit einem besonderen Berufsethos. Das frühe »In-Gang-Kommen« der Staatsverwaltung auf Bundes- und Landesebene nach 1918 bzw. 1945, der Wiederaufbau der rechtsstaatlichen Verwaltung, der reibungslose Übergang und die gute Folgeleistung waren ihr Verdienst. Ob die Verwaltungsreformen der letzten Zeit auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene und der sukzessive Abbau der öffentlich Bediensteten, die Ausgliederungen, die Privatisierungen und Deregulierungen, die Pragmatisierung als Ausnahme und nicht als Regel einen Fortschritt und den Übergang von der »Republik der Mandarine« zu einer »Republik der Unternehmer« bringen, bleibt abzuwarten. Es war jedenfalls eine große Veränderung, die man – und das spricht vielleicht für sie – nicht überall und nicht immer deutlich merkt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass unsere politischen und rechtlichen Institutionen zum großen und wichtigen Teil aus der Monarchie stammen. Es sind freilich nicht die originären Einrichtungen des dynastischen Absolutismus und Neoabsolutismus, sondern die des Konstitutionalismus und Liberalismus, wie sie in der Monarchie durchgesetzt wurden und letztlich mit ihr eine rechtliche Einheit bildeten.

Vom Haus Habsburg zum Fall Habsburg

Der langjährige Präsident des Verfassungsgerichtshofes Ludwig Adamovich schreibt in seinen Erinnerungen eines Nonkonformisten  : »Ich bekenne mich zur demokratischen Republik und zum Rechtsstaat. Aber man komme mir nicht damit, dass die Habsburger-Monarchie die Quelle allen Übels gewesen sei. Sie war nicht schlechter als die anderen Monarchien zu ihrer Zeit. Das monarchische Prinzip hat sich in Europa überlebt, außer in Großbritannien, den skandinavischen Staaten, den Benelux-Ländern, in Liechtenstein und in Spanien. Man kann darüber philosophieren, warum gerade dort. Jedenfalls hat das monarchische Prinzip für sich, das der Monarch nicht der Gunst der Populisten und der Medien nachlaufen muss. Aber menschliche Schwächen zeigen sich dort wie in einem Ver­grö­ ßerungsglas.«2 Adamovich ist zuzustimmen. 2

Ludwig Adamovich, Erinnerungen eines Nonkonformisten. Wien 2011, S. 170.



Österreich und das Haus Habsburg

Formell verlief der Übergang von der Monarchie zur Republik in mehreren rechtlichen Akten, die leichter darzustellen sind als die damit verbundenen wechselnden tatsächlichen Lagen. Kaiser Karl war ein Friedenskaiser. Schon sein Thronbesteigungsmanifest am 22. November 1916 enthielt einen ausdrücklichen Friedensvorsatz. Darauf folgten mehrere Friedensinitiativen Karls. Er strebte einen allgemeinen Frieden an, wie ihn auch Papst Benedikt XV. am 1. August 1917 vorschlug. Aber Frankreich wollte einen Siegfrieden, die USA erklärten Österreich den Krieg, und die Oberste Heeresleitung des Deutschen Reiches war gegen einen Frieden. Leider wurde Österreich-Ungarn von ihr immer abhängiger. Karl war für einen Friedensbund der Völker, für einen Völkerbund des Friedens und zu jeder international geordneten Abrüstung bereit. Als aber die Öffentlichkeit von Karls Friedensbemühungen erfuhr, wurde ihm vorgeworfen, einen Separatfrieden anzustreben und dadurch Verrat am Bundesgenossen Deutschland zu begehen. Schließlich wurde am 3. November 1918 zwischen Österreich-Ungarn und der Entente in der Villa Giusti bei Padua der Waffenstillstand besiegelt. Der Krieg war zu Ende. Die Auflösung des Reichs in National- und Nachfolgestaaten hatte schon vorher begonnen. Karls großes Programm einer nationalen Autonomie im Rahmen einer Staatenunion des Reiches war wirkungslos verhallt. Wenn er eine nationalböhmische Politik und die Unantastbarkeit des Königreiches proklamierte, protestierten die deutschen Abgeordneten wegen dieser »Preisgabe Deutsch-Böhmens«. Wenn er die Vereinigung von Kroatien, Dalmatien, Bosnien und Herzegowina mit einer Bindung an die ungarische Krone, ergänzt durch eine weitgehende Autonomie für die Slawen propagierte, war der ungarische Widerstand zu groß. Wenn er auf ein demokratisches Wahlrecht in der ungarischen Reichshälfte drängte, ebenso. Mit Galizien als Kronland konnte nicht mehr gerechnet werden. Eine austropolnische Lösung scheiterte an Deutschland. Noch am 12. Juli 1918 hatte Ministerpräsident Clam-Martinic ein Reformprogramm entwickelt, das nach den drei Hauptpunkten der österreichischen Staatsidee Karls ausgerichtet war  : nach einer Einheit des Reiches, nach den historischen Rechten der Länder und nach der freien nationalen Entwicklung der gleichberechtigten Völker. Er wurde vom Kaiser beglückwünscht, aber bald darauf gestürzt. Mit seinem »Völkermanifest« vom 16. Oktober 1918 rief Kaiser Karl zu einer bundesstaatlichen Neuordnung der Donaumonarchie auf. Danach

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sollte die österreichische Reichshälfte in einen Bundesstaat umgestaltet werden, »in dem jeder Volksstamm auf seinem Siedlungsgebiet sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet.« Dieser Aufforderung leisteten aber nur die »Deutsch-Österreicher« Folge. Sie beschlossen am 16. Oktober 1918, sich am 21. Oktober 1918 im Sitzungssaal des Niederösterreichischen Landtages im Landhaus in der Wiener Herrengasse zu versammeln. Diese Abgeordneten hatten kein Mandat mehr, es war längst abgelaufen. Sie leiteten aus Karls Manifest ihre fragliche Legitimation ab, die aber keine demokratische war. Die Abgeordneten konstituierten sich am 21. Oktober 1918 als »provisorische Nationalversammlung für Deutsch-Österreich« und beschlossen die Bildung eines selbstständigen Staates Deutsch-Österreich. Weiters wurden drei den drei großen Parteien entsprechende Präsidenten und ein Vollzugsausschuss gewählt. Damit war ohne förmliche Abschaffung der Monarchie, aber doch unter Bruch der Rechtskontinuität und der Verfassung 1867 eine neue Verfassung erlassen worden. Revolution auf Österreichisch  ? Eine Revolution in Raten  ! Am 30. Oktober 1918 fasste die Provisorische Nationalversammlung den »Beschluss über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt«. Das war noch deutlicher Staatsgründung und Rechtsbruch zugleich. Der Bruch der Verfassungskontinuität bedeutete noch stärker Revolution im Rechtssinn. Dieser Akt wurde allgemein als »Staatsgründungsbeschluss« bezeichnet, ist als erste Verfassung der Republik anzusehen und der 30. Oktober 1918 gilt als Geburtstag des parlamentarischen Systems Österreichs. Über die Staatsform war aber noch kein förmlicher Beschluss gefasst worden. Nur die Sozialdemokraten hatten sich schon auf die Staatsform der Republik festgelegt. Die beiden anderen Parteien neigten eher zur Monarchie, insbesondere die Christlichsozialen. Sie wollten die Entscheidung einer zu wählenden Konstituante, allenfalls einer Volksabstimmung, vorbehalten. Auch die katholische Kirche hielt an der Monarchie fest. Am 9. November 1918 dankte Kaiser Wilhelm II. ab, und die Republik Deutschland wurde proklamiert. Am 11. November 1918 erging von Kaiser Karl ein Manifest an das Deutsch-Österreichische Volk. Nach wie vor von unwandelbarer Liebe für alle seine Völker erfüllt, wolle er ihrer freien Entfaltung seine Person nicht als Hindernis entgegenstellen. Im Voraus erkenne er die Entscheidung an, die Deutsch-Österreich über seine zukünftige Staatsform treffen sollte. »Das Volk hat durch seine



Österreich und das Haus Habsburg

Vertreter die Regierung übernommen. Ich verzichte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften. Gleichzeitig enthebe ich die österreichische Regierung ihres Amtes.« – Einen förmlichen Thronverzicht leistete Kaiser Karl nicht. Die provisorische Nationalversammlung beschloss am 12. November – nicht mehr im Niederösterreichischen Landhaus, sondern schon im Parlamentsgebäude  – das Gesetz über die Staats- und Regierungsform von Deutsch-Österreich  : »Deutsch-Österreich ist eine demokratische Republik. Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volke eingesetzt.« Damit war der neue Staat ausdrücklich als Republik konstituiert. Danach folgte ein politisches Bekenntnis und Postulat. »Deutsch-Österreich ist Bestandteil der deutschen Republik.« So wurde der 12. November 1918 zum Geburtstag der Republik und der Bekundung des Anschlusswillens. Es war auch der Tag der ersten Todesopfer der Republik. Als nach der Beschlussfassung die Ausrufung der Republik vor dem Parlamentsgebäude erfolgte, kam es zu Unruhen, die zwei Todesopfer und viele Verletzte forderten. Hans Karl Zeßner-Spitzenberg, mein Vorgänger als Professor der Rechte an der Universität für Bodenkultur – über den Helmut Wohnout und ich ein Buch verfassen – war leidenschaftlich für die Beibehaltung der Monarchie und ebenso leidenschaftlich gegen den Anschluss an Deutschland. Er gehörte zu jenem Teil der Christlichsozialen, welche die Monarchie und die Selbstständigkeit Österreichs verteidigten. Aber er gehörte zu einer Minderheit. Für sie war eine »Demokratie ohne Dynastie« – der sogenannte Republikanismus  – nur dem Namen nach demokratisch. Eine solche Demokratie habe keine authentische Beziehung zur österreichischen Vergangenheit und sei auch keine legitime Führerin in die kulturelle Zukunft des Landes. Der neue Führer der Christlichsozialen Ignaz Seipel war viel zu sehr Realpolitiker, um sich der allgemeinen Entwicklung nicht anzuschließen. Mitte November 1918 erklärte er in der Parteizeitung »Reichspost«, warum Katholiken die neue Republik akzeptieren sollten. In den Augen Zeßners muss diese Politik ein Verrat gewesen sein. Seiner Meinung nach hatten sich die Christlichsozialen von den Sozialdemokraten schon vor dem 12. November 1918 überrumpeln lassen. Er sah die Schlussfassung über die Republik als das Sacrilegium intellectus der Christlichsozialen an. Die Habsburgkarte konnten sie in der Ersten Republik nie mehr wirklich ins Spiel bringen. Seipel hielt noch an dieser Möglichkeit fest, Dollfuß

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auch, für Schuschnigg war es schon zu spät. Zeßner war freilich viel zu sehr Idealist, um in solchen Kategorien zu denken. Für ihn brach mit dem Übergang zur Republik eine Welt – seine Welt – zusammen. Kaiser Karls Lebensgeschichte war eine Leidensgeschichte  – memoria passionis. Ihm und seiner Familie blieb zwar das grausame Schicksal der Zarenfamilie erspart, aber er erlebte die legalistische und bürokratische Grausamkeit der Republik Österreich und die demütigenden Behandlungen durch Ungarn und die Entente, die Ungarn zu einem Dethronisierungsgesetz zwang. Das sogenannte Habsburgergesetz Deutsch-Österreichs vom 3. April 1919 (StGBl. 1919/209) betrifft die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen. Es hebt alle Herrscherrechte des Hauses Habsburg-Lothringen sowie seiner Mitglieder auf. Damit wurde Karl auf Dauer des Landes verwiesen, alle anderen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen solange, als sie nicht offiziell auf ihre Zugehörigkeit zum Haus Habsburg-Lothringen, also zur Dynastie mit ihren Herrschaftsansprüchen, verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt hatten. Die habsburgischen Familienfonds, ausgenommen nachweislich persönliches Privatvermögen, wurden ohne Entschädigung enteignet. Dieses Gesetz wurde durch Art. 149 B-VG rezipiert und als Bundesverfassungsgesetz weiter geltend erklärt. Durch den Staatsvertrag von Wien BGBL 1955/152 wurde die Republik zur Aufrechterhaltung des Habsburgergesetzes verpflichtet. Auch diese Regelung ist eine Verfassungsbestimmung. Die Bestimmung des Art. 60 Abs. 3 der Bundesverfassung, wonach vom passiven Wahlrecht zum Bundespräsidenten die Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben, ausgeschlossen sind, wurde durch das Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 aufgehoben. Die Aufhebung einer fast ein Jahrhundert andauernden Diskriminierung trat am 1. Oktober 2011 in Kraft. Dieser Rechtsakt hat sicherlich zur Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Haus Habsburg und der Republik beigetragen. Noch mehr wurde mit der Teilnahme des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers und vieler anderer Spitzenpolitiker an den Begräbnisfeierlichkeiten für Otto von Habsburg das Ende einer Geschichtsdeutung manifestiert, welche das Haus Habsburg für alles Übel verantwortlich gemacht hatte.



Österreich und das Haus Habsburg

Der Fall Dr. Otto Habsburg-Lothringen

Österreich ist auch, was jeweils »der Fall« ist. Ein solcher Rechtsfall war der »Fall Dr. Otto Habsburg-Lothringen«. Dieser hatte sich 1961 entsprechend dem Habsburgergesetz gegenüber der Bundesregierung als getreuer Staatsbürger der Republik bekannt und als »Otto Habsburg-Lothringen« eine Verzichtserklärung hinsichtlich der Mitgliedschaft zum Haus Habsburg-Lothringen und der daraus gefolgerten Herrschaftsansprüche abgegeben. In der Bundesregierung herrscht bis heute das Prinzip der Einstimmigkeit. Die Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ konnten sich über diese Erklärung und ihre Folgen nicht einigen. Vizekanzler Bruno Pittermann und Justizminister Christian Broda hielten diese Erklärung im Sinne des Habsburgergesetzes nicht für ausreichend. Es kam daher zu keiner Entscheidung der Bundesregierung. Somit lag die Säumnis einer Verwaltungsbehörde, nämlich der Bundesregierung, vor. Dr. Habsburg brachte gegen diese Säumnis beim Verwaltungsgerichtshof eine »Säumnisbeschwerde« ein. Dieser gab ihm Recht und sah seine Erklärung als ausreichend an. Dieser Entscheid wurde aber von den Sozialisten nicht akzeptiert. Es gab Demonstrationen und Resolutionen gegen den von manchen sogenannten »Juristenputsch«. In diesem Zusammenhang sprach Günther Nenning vom »Habsburgerkannibalismus« der Sozialsten, und Rechtswissenschaftler wie Günther Winkler schrieben über »Fußtritte für den Rechtsstaat«. Die Sozialdemokraten setzten den Nationalrat ein, um den Spruch des Gerichts nicht akzeptieren zu müssen und beschlossen mit Hilfe der Freiheitlichen Partei eine authentische Interpretation des Habsburgergesetzes. Die Volkspartei verteidigte das Gericht, das rechtsgültig entschieden habe. Aber SPÖ und FPÖ hatten die Mehrheit im Parlament. Otto Habsburg konnte trotz des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes nicht nach Österreich einreisen, denn Außenminister Bruno Kreisky (SPÖ) und Innenminister Franz Olah (SPÖ) verhinderten dies. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes findet sich der zum Merken schöne Satz  : »Es steht im Rechtsstaat kein Mensch über dem Recht und keiner außerhalb des Rechts.« Rund 20 Jahre später beendete Bruno Kreisky mit einem Handschlag den Streit mit Otto von Habsburg. Ludwig Adamovich hat mir erzählt, dass Bundeskanzler Kreisky Otto von Habsburg sogar unter Hinweis auf eine Intervention des spanischen Königs den Auftrag gegeben haben soll, einen Weg zur Rückkehr der Kai-

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serinwitwe Zita zu suchen. »Der Weg fand sich auf der Basis der Auslegung, die der Verwaltungsgerichtshof […] dem Begriff »Haus HabsburgLothringen« im Habsburgergesetz gegeben hatte. Demnach war die Kaiserin nicht Mitglied des Hauses. Einerlei, ob diese Rechtsauffassung nun zutreffend ist oder nicht, für den Wunsch Bruno Kreiskys bot sich eine Grundlage.«3 Darüber kann man philosophieren und es erhebt sich die Frage, ob die Republik nicht noch mehr mit dem Haus Habsburg Frieden schließen könnte und sollte.

Die unvollendete Republik

Erhard Busek hat den Begriff »Die unvollendete Republik« geprägt und darüber schon 1968 ein Buch geschrieben.4 Die Republik ist seither nicht vollendet worden, aber reifer geworden. Freilich herrschte lange eine Untertanen- und Lagermentalität vor – und man hat sich mit Brot und Spielen zufrieden gegeben. Zu lange wurde der Staat von vielen als Selbstbedienungsladen zur privaten Bereicherung angesehen, zu lange wurden Staat, Wirtschaft, Medien und Öffentlichkeit von den Großparteien und der Politik kolonisiert und feudalisiert, zu lange wurde die res publica als res privata verstanden. Strafprozesse und Untersuchungsausschüsse, Reportagen und Berichte zeigten und zeigen zu oft demokratische Untugenden auf. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche wurde ein besonderes Hindernis für republikanische Tugenden. Jetzt werden sie gesucht, und die Suche nach einem Code of conduct ist Beweis dafür, dass es zu wenig der republikanischen Tugenden gibt. Wie Gerald Stourzh ausgeführt hat, sind die Österreicher »mehr Demokraten als Republikaner« (darüber kann man philosophieren). In der Zweiten Republik ist viel auf demokratischem Wege erreicht worden, vor allem materiell. Wir sind zu einem der friedlichsten und reichsten Staaten der Welt geworden. Sozialer Friede und soziale Gerechtigkeit sind auch Ergebnis unserer Demokratie. Aber wurden wir eine Republik  ? In Österreich ist es nämlich nicht Allgemeinwissen, dass Republik mehr und anderes ist als eine formelle »Nicht-Monarchie«. Der Begriff definiert 3 4

Ebenda, S. 60. Die unvollendete Republik, hg. von Erhard Busek und Meinrad Peterlik. Wien 1968.



Österreich und das Haus Habsburg

das Gemeinwesen aller Bürger. Als solche ist die res publica immer auch res populi. Die Ämter und der Staat als Ämterordnung sind keine res privata, sondern res publica. Der einzelne soll sich als pars rei publicae, als Teil und Träger des Ganzen verstehen, das die gemeinsame Sache aller und jedes Menschen ist. Jeder muss sich selbst als Souverän verstehen und seine Pflicht und Verantwortung als Souverän wahrnehmen. Jeder ist Privatmensch, wo er in Ruhe gelassen sein will und Citoyen, wenn er tätig für das Gemeinwesen ist. Republikanisch ist es, Gemeinsinn und Freisinn in sich zu vereinigen. Republik ist eine Rechtsgemeinschaft von Freien und Gleichen zum Ziele des Gemeinwohls. So ist es. Ist es so  ? Die Architektur des Staatsrechtes setzt republikanisches Verhalten voraus. Aber die Architektur der Gebäude, in denen der Staat mit seinen Amtsträgern sitzt, ist monarchisch und diese Gebäude wirken monarchisierend, nicht zuletzt auch für ihre Nutzer. Fast alle unsere Kulturbauten und Denkmäler sind monarchischer Herkunft  – nur wenige Museums-, Universitäts-, Amts- und Schulgebäude stellen Ausnahmen dar. Und auch im Allgemeinen ist die Selbstdarstellung der Republik nicht gerade visionär-repräsentativ zu nennen. Das Republikdenkmal führt eine marginale Existenz am Wiener Ring, vom »Staatsgründerdenkmal« im Schweizergarten im Dritten Wiener Gemeindebezirk ganz zu schweigen. Die Republik selbst hat es nie zu Repräsentationsbauten gebracht. So wie der Bundespräsident in allen Werken des österreichischen Staatsrechts die Republik als »Nichtmonarchie« charakterisiert und auszeichnet, kann man mit Erhard Busek ironisch bemerken, »dass lediglich die Bundespräsidentengruft am Zentralfriedhof als Zeichen der Republik bleibt.« Die neuen Machthaber haben sich weder 1918 noch in den folgenden Jahrzehnten durch eine Volksabstimmung die direkte Legitimation vom Volk und durch das Volk geholt. Sie haben sich der Technik des Einsiedlerkrebses bedient und alle politischen Institutionen und Gebäude besetzt. Die politischen Parteien haben als faktische Machtnachfolger den neuen Staat »gemacht«. Die normative Kraft des Faktischen hat zwar gewirkt, aber eine Volksabstimmung fand nie statt. Die Volksabstimmungen, die stattfanden  – 1938, 1978, 1994  – waren nicht Volksabstimmungen zur Legitimation einer demokratischen Republik. Je länger man Österreich kennenlernt, desto mehr kommt einem zu Bewusstsein, wie viel die Republik Österreich den Habsburgern verdankt und wie kleinlich und undankbar sie sich gegenüber der Familie Habsburg

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verhält. Je besser man Österreich kennt, desto mehr wird einem andererseits bewusst, dass sich die Machtträger durchaus wie »kleine Monarchen« verhalten. Die Monarchie setzt sich in der Republik nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch in vielfacher Weise fort. Aber wollen wir diese Transformation der Republik in »viele kleine Monarchien«  ? Wollen wir eine solche Polyarchie  ? Oder ist die Poly(mon)archie die Republik auf österreichisch  ? Gott sei Dank haben wir keinen »Führer«, aber Gott sei’s geklagt, viele kleine »Kaiser«.

Karl Habsburg-Lothringen

Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft

Das Thema »Das Habsburger-Trauma der Republik Österreich«, das für diese Akademie gewählt wurde, zählt – in guter alter Tradition der KÖL Maximiliana  – zu den »heißen Eisen« in Österreich und den meisten Nachfolgestaaten der ehemaligen Monarchie. Betrachtet man dieses Thema genauer und unter unterschiedlichen Aspekten, verliert selbst dieses »heiße Eisen« an Hitze, lässt sich dieses emotional hochaufgeladenes Thema ruhig und sachlich diskutieren. Die Ergebnisse dieser Diskussionen zu drucken, ermöglicht uns, auf lange Sicht eine Richtschnur zu erhalten und für diese Themenstellungen die richtigen Argumente zu finden. Meine Verbindung hat mir diesmal die nicht leichte Aufgabe gestellt, über »die Zukunft der Familie Habsburg und ihre Rolle in und für Europa« zu sprechen. Ich werde mehrere Aspekte ansprechen, um die mögliche Rolle der Familie in der Zukunft zu skizzieren. Als ich begonnen habe, mir darüber Gedanken zu machen, was ich hier sagen möchte, fiel mir ein Lied der Gruppe Wir sind Helden ein, »Wir sind gekommen, um zu bleiben«. Dieser Titel, meine ich, passt sehr gut auf die Rolle meiner Familie (er könnte fast als Motto genommen werden) und die Aufgaben, die sie sich – in der Vergangenheit, in der Gegenwart und der Zukunft – gestellt hat.

Tradition und Zukunft – ein Beispiel

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt hinzufügen, den ich in Form einer kleinen Erzählung meinen Ausführungen voranstellen möchte, da sich darin in sehr bildhafter und fasslicher Form darstellt, worin die Rolle der Familie Habsburg tatsächlich liegen kann  : Ich habe vor circa drei Wochen vor diesem Symposium einen Anruf des Bischofs von Haarlem erhalten, jenem Bischof, der zuständig für die Stadt Amsterdam ist. Er hat mich gebeten, zu einer Feierlichkeit nach Amsterdam zu kommen und sich gleichzeitig für die Kurzfristigkeit der Einladung entschuldigt. Die Feier-

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lichkeit fand in der Vorwoche in Amsterdam statt. Für gewöhnlich kann ich so kurzfristige Einladungen nicht annehmen, aber diesmal war es dennoch möglich, und auch die wenigen Informationen, die er mir vorab gab, waren so interessant, dass ich an dieser Veranstaltung teilnehmen wollte. Ich wusste aus der Geschichte, dass es eine Verbindung zwischen Kaiser Maximilian und Amsterdam gegeben hat, auch über ein Wunder, das bis heute in Amsterdam sehr verehrt wird und mit Maximilian I. in Verbindung stehen soll. Der Legende nach soll der kranke Maximilian 1498 ein Gelübde abgelegt haben, dass er bei schneller Heilung einerseits der Kirche, die das Gedächtnis an dieses Wunder pflegen werde, entsprechende Schenkungen zukommen lassen werde, anderseits es der Stadt Amsterdam erlauben werde, ihr Wappen mit der Kaiserkrone aufzuwerten.5 Erst bei meinem Besuch ist mir dann aufgefallen, dass dieses Wappen und somit unsere alte Hauskrone dort jeden Kanaldeckel ziert und dass sich auf der Spitze der Hauptkirche von Amsterdam – was allerdings erst jetzt nach der Renovierung wirklich deutlich sichtbar wurde – ebenfalls zwei Kaiserkronen befinden. Auch die neueste katholische Kirche in Amsterdam verfügt über ein Altarbild mit einem Relief Kaiser Maximilians, das darunter und drüber mit der Kaiserkrone verziert ist. Aber nicht nur Denkmale im weitesten Sinne erinnern an diese habsburgische Tradition, es gibt auch seit dieser Zeit in Amsterdam eine Prozession zu Ehren des genannten Wunders. Die dem Hl. Nikolaus, dem Stadtpatron von Amsterdam, geweihte Kirche und die Prozession haben über die Jahrhunderte eine Entwicklung durchgemacht, die nicht nur für die wechselvolle Geschichte der Katholiken in diesem Land steht, sondern auch für die meiner Familie stehen kann. Die ursprünglich katholische St. Nikolaus Kirche (auch als Nikolaus I bezeichnet, heute Oude Kerk) wurde in eine reformierte Kirche umgewandelt und ihrer spätmittelalterlichen katholischen Pracht weitgehend beraubt (heute wirkt sie noch eher kahl, wenngleich sie derzeit mit großem Aufwand restauriert wird). Die Katholiken der Stadt gründeten somit eine zweite St. Nikolaus-Kirche, die vorerst im Untergrund wirken musste (wobei diese Untergrundkirchen in einer Stadt, die eigentlich im Wasser steht, nicht selten auf Dachböden untergebracht waren – wie auch 5

Soweit die Legende  ; in Wahrheit erhielt die Stadt dieses Privileg, da sie den Kaiser in der Verteidigung der burgundischen Interessen gegen die aufständischen holländischen Adeligen mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt hatte.



Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft

die sehr große »St. Nikolaus II«-Kirche). Erst mit der Verkündigung der Religionsfreiheit im Königreich der Niederlande im Jahr 1848 und der Wiederherstellung der katholischen Bistümer 1853 war an eine öffentliche Demonstration katholischen Glaubens wieder zu denken. In diesem Sinne wurde 1884–1887 eine weitere St. Nikolauskirche (III), die Sint Nicolaaskerk, erbaut – eben jene, die Kaiser Maximilian mit den Kaiserkronen auf dem Hochaltar zeigt. Die Feierlichkeit, zu der ich nun eingeladen wurde, war ein sogenannter »Stiller Umgang«. Der »Stille Umgang« ist ein Relikt aus der Zeit der Reformation und des Verbotes der katholischen Konfession. Mit dem Verbot jeglicher Demonstration katholischer Gesinnung waren auch alle Formen von Prozessionen verboten worden, doch wir wissen, dass die Holländer sehr pragmatisch sein können. Und so beschloss man für sich  : Wenn es irgendwo doch eine katholische Kirche geben sollte, ist sie zwar verboten, man darf sie nicht sehen, es darf keine Türme geben und kein Geläut, aber die Katholiken müssen Steuern zahlen – und wenn sie ordentlich Steuer bezahlten, wurden sie vom Staat nicht weiter angegriffen oder verfolgt. Dieses System hat wunderbar funktioniert. Zum Symbol der katholischen Gemeinschaft in Holland wurde dieser »Stille Umgang«, eine Prozession ohne geistliche Gewänder, ohne laute Gebete, einfach nur ein stiller Umgang einer unglaublich großen Anzahl von Menschen, die aus ganz Holland kamen. Im 17. und 18. Jahrhundert waren dies Quellen zufolge um die 50.000 Personen, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen zum Teil mehr als 100.000 Teilnehmer. Und auch heute noch – und das finde ich sehr erstaunlich und sehr positiv  – nehmen oft 10.000 Personen an diesem »Stillen Umgang« teil, dies tun sie oft als öffentliche Demonstration ihres Glaubens und ihres Bekenntnisses zur katholischen Kirche, aber auch um zu zeigen, dass die Katholiken in Holland auf eine lange Tradition zurückblicken können. Was ist nun die Quintessenz dieser langen Erzählung  ? Die Idee des Bischofs von Haarlem/Amsterdam war, dass er ein Mitglied jener Familie als Teilnehmer bei einem »Stillen Umgang« gewinnen wollte, die ursächlich daran beteiligt war, dass es zu diesen ganzen kirchlichen Paternalia, dieser Verehrung gekommen ist und diesen »Stillen Umgang« und die Prozession entstehen ließ. Sein Ziel war es, durch die Anwesenheit eines Mitgliedes dieser Familie bei dieser Feierlichkeit, den vielen Menschen, die gar nicht mehr wissen, worauf diese Prozession sich gründet, die historische Verbindung mit dieser Tradition zu zei-

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gen, einer Tradition, die genauso lebendig ist, wie die Familie, die sie mitbegründet hat. Und darin habe ich eine wichtige Aufgabe der Familie gesehen (die jedes andere Mitglied ebenso hätte erfüllen können)  : diese Verbindung zwischen Geschichte und Gegenwart transparent zu machen – ich werde auch in Zukunft Wert darauf legen, dass bei dieser Feierlichkeit meine Familie entsprechend präsent sein wird. Gerade in einem Land wie Holland, in dem es vor der Reformation eine große katholische Tradition gegeben hat, ist es sehr wichtig, Präsenz zu zeigen, sodass die Familie dort zweifellos in der Zukunft eine Aufgabe hat.

Habsburg heute – Habsburg morgen

Ich habe dieses Beispiel des »Stillen Umgangs« relativ ausführlich geschildert, weil ich glaube, dass ihm etwas Zeitloses innewohnt. Es ist dieses Einstehen für Wertvorstellungen, für Traditionen, im dem meines Erachtens eine zentrale Aufgabe der Familie in der Zukunft liegt. Natürlich kann kein Mensch vorhersagen, was genau die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft sein wird, doch das reduziert keineswegs die Aufgabe, die die Familie hat. Dass sich diese Aufgabe in einer sich rasch wandelnden Welt (man nehme die EU und die Eurokrise als Beispiele) ebenfalls wandeln wird, wandeln muss, liegt auf der Hand. Auch die Situation der Familie an sich ist einem großen Wandel unterworfen, doch bedingt eine zunehmend instabile Welt, dass man gerade in der Familie Kontinuität, Stabilität und Sicherheit sucht, also nach Werten, die Bestand haben und zeitlos gültig sind. Natürlich ist die Situation meiner Familie eine ganz Eigene – nicht zuletzt deshalb, weil meine Familie sehr durch die große Persönlichkeit meines Vaters im öffentlichen Bild dominiert und determiniert wurde (das war auch gut und richtig so und ist nicht als Kritik zu verstehen). Ich bin ihm unglaublich dankbar, weil ich weiß, dass er mit seinem Wirken einen Übergang in eine neue Zeit geschaffen und damit eine Positionierung der Familie erreicht hat, wie es außer ihm wahrscheinlich kaum jemandem geglückt wäre. Doch ich glaube, dass man dabei nicht übersehen darf, dass sehr viele Mitglieder der Familie sich ebenfalls in vielen für die Familie neuen Bereichen positioniert haben. Ich meine hier in erster Linie gar nicht meine Geschwister, denn meine Familie wurde schon immer und wird auch in Zukunft als europäische Familie



Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft

gesehen werden. Wenn man bedenkt, dass eine meiner Schwestern eine Abgeordnete zum Schwedischen Reichstag, eine andere Georgische Botschafterin in Berlin und mein Bruder in Ungarn aktiv ist, sieht man, dass die europäische Dimension in der Familie auch heute von großer Bedeutung ist. Nicht nur im politischen Bereich und im politischen Umfeld ist es zu einer Neumanifestation in der Familie an sich gekommen, sondern die Familie hat sich auch in sehr vielen anderen, sehr guten und interessanten Positionen verankert  – es gibt sowohl engagierte Frauen in der Kirche wie auch Biobauern, Museumsmitarbeiter, Geografinnen, Bundespräsidentschaftskandidaten, Bischofssprecher, Filmschaffende und Schriftsteller – nicht zuletzt muss man aber auch auf die wichtige Rolle der vielen Mütter hinweisen. In der Familie Habsburg gibt es also, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Größe, die verschiedensten Berufe. Die Familie, und das möchte ich betonen, darf nicht biografisch eingeschränkt gesehen werden. Vor einigen Monaten ist mir die Dimension meiner Familie wieder ganz bewusst geworden, als ich im Rahmen einer Veranstaltung eine Rede zum politischen Erbe meines Vaters und mit besonderem Blickpunkt auf sein politisches Wirken und seine Außenpolitik halten sollte. Anfangs dachte ich, das sei eine leichte Aufgabe, doch bei der Vorbereitung kam mir die Erkenntnis, dass eigentlich alles, was er gemacht hat, Außenpolitik war – er hat sich ja fast zeitlebens im Exil befunden, aber für Österreich gearbeitet. Das war so, wenn er beispielsweise im außenpolitischen Ausschuss des Europäischen Parlamentes gesessen ist, aber auch als er sich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg für eine stärkere Allianz eingesetzt hat. Das waren zweifellos Aspekte der Außenpolitik, genauso als er sich in Osteuropa im Kampf gegen den Kommunismus engagiert hat – im Grunde genommen war bei ihm alles Außenpolitik. Mir ist dadurch klar geworden, dass man auch heute den Aufgabenbereich der Familie nicht geografisch einschränken kann oder darf, weil die Familie durch die geschichtliche Entwicklung nicht nur auf Österreich konzentriert war  – und es auch heute nicht ist. Die Familie ist für mich eine zutiefst europäische Familie, geprägt von einer europäischen Grundeinstellung, in ihr haben die europäischen Grundwerte große Bedeutung, die meine Familie zweifellos bisher manifestieren und auch entsprechend darstellen kann. Diese Grundwerte sind die europäischen Grundwerte und wurden sicherlich durch meinen Vater stark nach außen kommuniziert. Seine Überzeugung war, dass wir bewusst und ohne zu zögern (in diesem Sinne ist auch der oft

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zitierte Leitspruch meines Vaters, »Nicht geschossen ist auch gefehlt«, zu verstehen) mit beiden Füßen fest in der Geschichte stehen müssen, wenn wir die Gegenwart verstehen und die Zukunft meistern wollen. Die Zukunft der Familie konnte mein Vater weder voraussehen noch planen – das kann auch ich nicht, aber aus der langen Geschichte verstehend und in einem Kontinuum mit der Geschichte eingebettet können die Aufgaben und Positionen für die Familie und ihrer einzelnen Mitglieder definiert werden. Die Basis und die Leitbilder für die Zukunft sind dabei die Grundwerte von langfristiger Gültigkeit. Sie binden aber nicht nur die unmittelbare Familie und ihre Mitglieder, sondern auch das größere Umfeld – hier darf keiner aus der Verantwortung entlassen werden, jeder muss sich persönlich für diese Grundwerte einsetzen.

Der Wertekanon

Das Burgundische Erbe In diesem Zusammenhang möchte ich  – wieder einmal, man möge mir das entschuldigen, doch es scheint mir sehr wichtig – auf die Bedeutung des Burgundischen Erbes für die Familie eingehen. Dieses Erbe kann nicht nur auf den Orden vom Goldenen Vlies reduziert werden, sondern hat weit darüber hinaus die Identität meiner Familie und nicht zuletzt das europäische Denken geprägt und prägt es weiterhin. Obwohl die Geschichte (des souveränen) Burgunds und seiner Herzöge an der Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit nur wenige Generationen umfasste, prägte sie nicht nur die Region, sondern auch das Denken in meiner Familie nachhaltig. Zwei Aspekte möchte ich an dieser Stelle hervorheben  : einerseits die Verwaltungsreform Herzog Philipps, in der das erste Mal ein Schritt vom Absolutismus hin zu einem Prinzip der Subsidiarität gemacht wurde. Dieses juristische Kodifizieren neuer Gedanken hat nicht nur den politischen Weg an der Zeitenwende beschleunigt, sondern hat uns auch als politische Idee bis heute geprägt. Diese Idee der Subsidiarität, weg von der zentralen Steuerung hin zu regionaler Verantwortung und Entscheidung zählt schließlich zu den Grundpfeilern der EU und ist eine ihrer zukunftsweisenden Leitlinien. Meines Erachtens  – und ich schlage hier einen großen Bogen in das 19. Jahrhundert – liegt hier ein Fundament für jenes vaterländisch-gesamt-



Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft

staatliche Denken, das so sehr das Österreichische Kaiserreich und die Doppelmonarchie prägte. Im Gespräch mit Nicht-Österreichern weise ich immer wieder mit Stolz darauf hin, dass der Text der Volkshymne in allen Sprachen der Monarchie gesungen wurde, weil es nicht nur eine Staatssprache gab. Um die Dimension dieser Aussage zu schärfen, möchte ich Sie einladen, sich vorzustellen, was geschehen würde, wenn man den Text der Marseillaise beispielsweise auf das in Algerien gebräuchliche Arabisch übersetzen würde. Das könnte eine Revolution auslösen  ! Bei uns zählt dieses dezentrale Denken, dieses Verständnis für die Volksgruppen, für die Minderheiten und die Unterstützung der kulturellen Vielfalt zu den historisch gewachsenen Selbstverständlichkeiten staatlichen und politischen Denkens – in anderen Teilen Europas hingegen wäre das undenkbar. Der zweite Aspekt, der aus dem burgundischen Erbe bis in die Gegenwart nachwirkt und wohl auch in die Zukunft hineinwirken wird, wurde mit der Schaffung des Ordens vom Goldenen Vlies begründet. Meines Erachtens ist er nicht nur ein Ritterorden mit einem entsprechenden geistlich-ritterlichen Hintergrund, sondern war von Beginn an auch als politisches Instrument konzipiert. Der Orden ging von dem zwar sehr reichen, jedoch sehr kleinen und militärisch nicht sehr starken Herrschaftsgebiet aus. Er wurde aber für ein weit über das eigene Regnum hinausgehendes Gebiet geschaffen, in dem man nicht nur selber Primus inter pares  – mit der Betonung auf »pares«– war, sondern in dem auch die Machthaber der Nachbarstaaten eingeladen wurden, daran teilzuhaben, um aus dem so erweiterten Erfahrungshorizont Entscheidungen zu fällen– auch unter Einbeziehung der potenziellen Gegner. Eines der Rechte, die Philipp der Gute den Vlies-Rittern zubilligte, war jenes der Entscheidung über Krieg und Frieden, eigentlich ein zentrales Herrscherrecht und Teil des Souveränitätsbegriffes. Er hat mit dieser politischen Komponente des Ordens bereits im »Herbst des Mittelaltes« ein Gremium geschaffen, dessen Grundzüge in modernen übernationalen Beratungsgremien, beispielsweise der EU, wiedergefunden werden können. Heute kann man dort beobachten, wie Staats- und Regierungschefs gemeinsam beraten und manchmal gute, manchmal weniger gute Entscheidungen fällen, dass der gemeinsame Wille zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit aber immer vorhanden ist. Trotz aller durchaus berechtigten Kritik an diesen Gremien dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass hier Instrumentarien geschaffen wurden, die uns eine der längsten Friedensperioden in Europa gebracht

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haben. Diese Gremien sind etwas, was sich für mich aus dieser burgundischen Gedankenwelt heraus entwickelte und in der europäischen Geschichte manifestiert hat. Reichsidee und Subsidiarität Ein weiteres Element, das im Wertekanon meiner Familie weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird ist die Reichsidee. Auch hier ist es wichtig, die Reichsidee nicht nur als Begriff zu betrachten, sondern in einen größeren Kontext zu stellen. Ich möchte betonen, dass ich unter Reichsidee den alten deutschen Begriff des Heiligen Römischen Reiches verstehe. Dieser Begriff darf auch nicht einfach übersetzt werden, denn die Idée Impériale oder die Imperial Idea gehen von einem völlig andersgearteten Herrschaftsverständnis aus  – letztere bezeichnet das System der Maharadjas auf den Elefanten, erstere die Grande Nation unter Napoleon. Die Reichsidee, über die ich hier spreche, ist unter anderem die Idee einer übernationalen Rechtsordnung, in der es Institutionen auf Reichsebene gibt, in denen Dinge entschieden werden, die in den einzelnen souveränen Herrschaftsgebieten des Reiches alleine nur unbefriedigend gelöst werden können. Aus der Erfahrung der mehr als 1000 Jahre dauernden Geschichte des Heiligen Römischen Reiches und seiner ganz spezifischen Struktur können wir die Erkenntnis gewinnen, dass die alte Reichsidee mit ihrem Wechselspiel aus verbindenden Reichsinstitutionen und fürstlicher/eigenstaatlicher Souveränität auch das heutige Europa prägen sollte, also eine neuerliche translatio imperii in der EU von Vorteil wäre. Damit könnte tatsächlich eine Struktur geschaffen werden, die  – basierend auf diesem bewährten Modell der Vergangenheit – auch in der Zukunft funktionieren kann. So würde man auch politische Institutionen schaffen, die sich um diesen Grundgedanken der Reichsidee herum gruppieren und so eine tragfähige Grundstruktur für die Zukunft bilden. Subsidiarität Eines der Grundelemente der alten Reichsidee war das Prinzip der Subsidiarität. Ich bin davon überzeugt, dass die Grundgedanken der Subsidiarität in Zukunft politisch umgesetzt werden müssen, sonst würden die politischen Institutionen, wie wir sie heute kennen, in absehbarer Zeit



Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft

nicht mehr funktionieren. Daraus wird auch verständlich, dass das Prinzip der Subsidiarität als Grundprinzip in der Europäischen Union verankert und im Vertrag von Maastricht kodifiziert wurde. Diese Umsetzung ist freilich eine Sache, die erst in den Kinderschuhen steckt und Aufgabe künftiger Generationen sein wird. Woher kommt nun der Begriff der Subsidiarität  ? Der Ursprung liegt wie vieles in der christlichen Soziallehre, wurde aber dann in die Staatslehre übernommen. Diesen christlichen Ursprung des Begriffs sollten wir immer berücksichtigen, auch wenn man ihn heute meist im rein politischen Kontext kennt. Ich möchte nochmals betonen, dass ich davon überzeugt bin, dass ohne diese beiden Grundprinzipien Reichsidee und Subsidiarität die europäischen Institutionen, wie wir sie heute sehen, in Zukunft nicht funktionieren können. Kontinuität Ich möchte noch einen weiteren Begriff einführen  : den der Kontinuität. Es liegt auf der Hand, dass Kontinuität zu den Grundbedürfnissen des Menschen zählt, doch Kontinuität kann nur in einer stabilen, tragfähigen Struktur funktionieren. Wenn ich mich hier für Kontinuität einsetze, meine ich keineswegs, dass die Monarchie die einzige Staatsform sei, die Kontinuität garantiere, wenngleich historische Fakten dafür sprächen. Es gibt auch andere Staatsformen mit hohen Kontinuitäten – ich bin in dieser Beziehung sicherlich ein Legitimist – und ich werde mich genauso für legitime Staatsformen in anderen Ländern einsetzen (auch abseits der Monarchie). Trotz des Grundbedürfnisses des Menschen nach Kontinuität auch der politische Strukturen müssen diese so viel an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten besitzen, um langlebig bestehen zu können. Konservativismus Als nächsten Begriff innerhalb des Wertekanons möchte ich hier den Konservativismus  – im Sinne eines Wertekonservativismus  – nennen (wenngleich ich vor diesem Forum »Eulen nach Athen« trage, da die KÖL Maximiliana sich mit diesem Begriff bereits sehr intensiv auseinandergesetzt hat). Dieser Begriff wird oft falsch verstanden, mit einem abwertenden Beigeschmack des »Ewiggestrigen« gleichgesetzt. Es ist mir jedoch wichtig,

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diesen Begriff in einem positiv besetzten Kontext zu sehen, egal ob es sich um Wertekonservativismus oder Verhaltenskonservativismus handelt. Ich möchte diese beiden Begriffsfelder getrennt sehen, wenngleich es Überlappungsbereiche gibt. Wichtig ist, dass Verhaltenskonservativismus – unser Tragen des Couleur in der Öffentlichkeit ist ein Zeichen dafür  – durch einen entsprechenden Wertekonservativismus getragen ist, mit diesem übereinstimmt. Die Grundausrichtung der Werte muss stimmen und stimmig sein, da man nur dann im Leben diese Ideen auch glaubhaft nach außen signalisieren und umsetzen kann. In dem Augenblick, in dem man nur eine konservative »Show«, eine »Operette« nachspielt, hat man bereits an Glaubwürdigkeit verloren  – wenn die Werte nicht mehr im Vordergrund stehen, passt das ganze Umfeld nicht mehr, wenn die Werte hingegen stimmen und man die Werte auch zeigen kann, kann ruhig auch einiges an Konservativem mit hereingenommen werden. Besonders wichtig ist es, dass wir uns unsere Leitwerte nicht wegnehmen und schlechtmachen lassen, wie es schon oft versucht wurde (ich erinnere mich gut an die Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion, als in den Medien immer von den »Konservativen im Kreml« gesprochen wurde und man damit unvorstellbar alte und verkalkte »Betonköpfe« gemeint hat). Doch unser Begriff von »konservativ« meint etwas Anderes. Der Begriff ist viel zu wertvoll, als dass man ihn von anderen mit negativem Inhalt füllen lassen darf, man muss ihn pflegen und mit Leben erfüllen und mit unserer Lebenshaltung dafür einstehen. Multikulturalismus und Vielvölkerstaat Die beiden letzten Begriffe, die ich ansprechen möchte, hängen in mehrfacher Beziehung eng mit der Geschichte meiner Familie zusammen. Der Vielvölkerstaat prägte nicht nur die Identität des alten wie des neuen Österreich, sondern ist auch gelebter Teil meiner Familiengeschichte. In diesem Vielvölkerstaat wurden viele Probleme des Zusammenlebens unterschiedlicher Volksgruppen in einer Weise gelöst, wie man sich das heute nur wünschen kann. Mich selbst bewegt dieses Thema sehr, doch ich werde versuchen, meine Gedanken in wenigen Sätzen zu skizzieren. Das Prinzip des Vielvölkerstaates, wie es von Graf Stadion für das Österreichische Kaisertum entworfen wurde, war, jede Kultur in ihrer Eigenart zu erkennen und zu fördern und sie als Bereicherung des Gesamten zu sehen.



Die Rolle der Familie Habsburg in der Zukunft

Aus der Vielfalt, nicht aus Gleichmacherei, entstand so der Reichtum der Monarchie. Heute hingegen haben moderne Kommunikations- und Transportmittel, aber auch Migranten, die dem (mittel)europäischen Denken und ihren Kulturen fremd sind, neue Fragen des Umgangs zwischen Vertrautem und Fremdem aufgeworfen. Eine große Gefahr sehe ich in einem falsch verstandenen Multikulturalismus, wie er von den Vereinigten Staaten von Amerika vorgelebt wird. Dort wird der tatsächliche Wert darin gesehen, Kulturen zu vermischen, während es eigentlich unsere Aufgabe sein sollte – und es historisch auch war – danach zu trachten, Kulturen in ihrer Eigenart zu fördern, die Interaktion zwischen Kulturen als Spiel gleichwertiger Partner zu sehen und uns um ein vernünftiges und gutes Zusammenleben der verschiedenen Kulturen zu bemühen. Dieses Verhalten für sich genommen ist bereits Kultur, nicht auf Konfrontation zu gehen, sondern verschiedene Kulturen tatsächlich zu fördern, weil diese Kulturen ja gleichsam »Eigentum« von uns allen sind. Mit jeder Kultur, die wir zu sehr mit einer anderen vermischen, reduzieren wir die kulturelle Vielfalt. In diesem Sinn ist Multikulturalismus ein Feind kleinräumiger kultureller Strukturen. Und daher sollte unser Bestreben sein – und nicht nur die Artenvielfalt bei Tieren sollte uns ein Anliegen sein, sondern auch die der Kulturen – diese kulturellen Eigenheiten zu erhalten, zu fördern und zu unterstützen, genauso wie wir es hier in unserem eigenen Bereich mit unserer Kultur machen. Wenn ich nun den Wertekanon, den ich soeben skizziert habe, Revue passieren lasse, so habe ich einen langen und komplexen Katalog entworfen. Es sind Forderungen, die jeder an seinem Platz – wo auch immer er hingestellt wird – tatsächlich erfüllen soll oder zumindest bemüht sein soll anzuwenden. Das ist ein Auftrag, den zweifellos die Mitglieder meiner Familie haben, der aber auch an uns alle geht, die wir für eine gewisse geistige Grundhaltung stehen. Hier möchte ich noch einmal das eingangs erwähnte, wenngleich für uns ungewöhnliche Lied der deutschen Popband Wir sind Helden zitieren, wo es in der letzten Strophe heißt  : »Dann sagt ihr  : Schau  ! The end is near now, bitte face your final curtain. Aber wir sind schlau, wir bleiben hier für die Gesichter, die empörten. Diese Geister singen schief und sind nicht einfach auszutreiben. Entschuldigung, ich sage  : Wir sind gekommen, um zu bleiben.«

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Die Geschichte der K.Ö.L Maximiliana

Die katholisch-österreichische Landsmannschaft M a x imiliana ist eine akademische, nichtschlagende Studentenverbindung. Sie wurde am 11. Oktober 1922 gegründet und ist die älteste Mitgliedscorporation im Dachverband Akademischer Bund katholisch-österreichischer Landsmannschaften, in dem sich Studentenverbindungen nach dem ersten Weltkrieg vereinten, die eine besondere Verbundenheit mit dem Haus Habsburg und der Österreichischen Idee pflegen und in starkem Gegensatz zu deutschnationalen und schlagenden Corporationen stehen. Dem Prinzip der Lebensfreundschaft entsprechend wird man als junger Student in die Verbindung aufgenommen und ist mit dieser bis ins hohe Alter verbunden, daher sind die Mitglieder in ganz Europa und Übersee zu finden. Unter den Mitgliedern findet man so Angehörige aller akademischen Berufe, aber auch Priester, Beamte, Offiziere und Künstler. Man erkennt sie an der Liebe zur Österreichischen Idee, an der aktiven Auseinandersetzung mit dem katholischen Glauben und der Kirche, das Prinzip Scientia hält schließlich zum lebenslangen Lernen und zum Austausch zwischen den Generationen an. Das alte Österreich hatte den Ersten Weltkrieg verloren und zerfiel in der Folge in seine Bestandteile. George Clemenceau höhnte Österreich als den »Rest, der übrig bleibt«, die politischen Führer nannten es »DeutschÖsterreich« und wollten eine Provinz der Deutschen Republik daraus machen. Vehementester Gegner dieser Politik war Kaiser Karl, der am 11. November 1918 zwar nicht auf seinen Thron, aber auf die Beteiligung an den Regierungsgeschäften verzichtet hatte. Der 12. November 1918 gilt zwar als Gründungstag der Republik Österreich, eigentlich wurde aber die Republik Deutsch-Österreich ausgerufen. Nachdem das Volk über seine Staatsform nicht befragt worden war, war die Ausrufung der Republik vom Standpunkt der »Legitimisten« illegal. Kaiser Karls Anhänger wollten vor allem die Unabhängigkeit Österreichs  ; sie hatten als einzige keine Nationalitäts- oder Identitätsprobleme und

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Die Geschichte der K.Ö.L Maximiliana

wollten die Idee des übernationalen »abendländischen, römischen oder europäischen Reiches« retten. Am 1. April 1922 starb Kaiser Karl I. im Exil in Madeira. Nur einige Wochen später gründeten Realschüler aus dem Wiener Arbeiterbezirk Ottakring, die die Situation des neuen Staates als erdrückend empfanden, die Studentenverbindung »Ma ximiliana«. Sie verwendeten für die Corporation die Bezeichnung »Österreichische Landsmannschaft«, einen Begriff, der lateinisch als »natio austriaca« schon im Mittelalter an den Universitäten von Bologna, Paris, Prag, Krakau die studentischen Angehörigen der habsburgischen Erblande umfasste. Damit weichen die katholisch-österreichischen Landsmannschaften vom territorialen Begriff der schlagenden Landsmannschaften ab. Parallel dazu wurde trotz aller Anfeindungen 1923 die katholisch-österreichische Verbindung »Habsburg-Lothringen« gegründet. Sie bekannten sich eindeutig zur österreichischen (übernationalen) Idee und zum Haus Österreich. Habsburg-Lothringen und Ma ximiliana fusionierten und nannten sich fortan Katholisch Österreichische Landsmannschaft Ma ximiliana. Die landsmannschaftlichen Verbindungen wuchsen heran und gründeten Tochterverbindungen, zunächst 1925 die KÖML Tegetthoff, dann KÖL Starhemberg, KÖL Austria-Salzburg, KÖL Carolina, und KÖL Ferdinandea. Der akademische Bund KÖL wurde am 12. September 1933, dem 250. Jahrestag der Entsetzung Wiens, gegründet. Die Landsmannschaften waren kraft ihrer monarchistischen Einstellung stets überparteilich. So war der sozialistische Bezirksrat von Hietzing, Gustav von Szabo, Mitglied bei Maximiliana, er wurde 1938 gemeinsam mit Freiherr Hans Karl Zessner-Spitzenberg mit einem der ersten Transporte österreichischer Legitimisten ins Konzentrationslager Dachau deportiert, letzterer wurde auch als einer der ersten Österreicher dort umgebracht. Der christlich-soziale Ernst Karl Winter veröffentlichte erstmals sein Hauptwerk »Die soziale Monarchie« in der Zeitschrift der Landsmannschaften »Österreichische Akademische Blätter«. Heute trägt einer der ersten Denker der Sozialdemokratie in Österreich, Norbert Leser, das Band der Maximiliana. Es ist auch kein Zufall, dass weitere große Theoretiker der »Österreichischen Aktion«, Alfred Missong, August Maria Knoll und Wilhelm Schmidt Mitglieder der Maximiliana waren. Missong verfasste bereits 1927 einen »Nazispiegel« (erschienen im Wiener Verlag Gsur & Co) – eine der frühesten und gründlichsten Analysen des Natio-



Die Geschichte der K.Ö.L Maximiliana

nalsozialismus. Wie übrigens alle Studentenverbindungen wurden auch die Landsmannschaften nach der Okkupation Österreichs am 12. März 1938 aufgelöst. Danach waren besonders diejenigen, die sich wissenschaftlich und publizistisch betätigt hatten, der heftigsten Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Die Zahl der Opfer einerseits und die der Widerstandskämpfer andererseits aus dem Kreis der KÖL war angesichts der geringen Anzahl von Mitgliedern enorm. Noch im Jahre 1945 wurden die Landsmannschaften wieder aktiv und es erfolgten 1947, 1952 und 1982 Neugründungen, sodass sich die Anzahl der Verbindungen in der Zweiten Republik verdoppelte. Die Studentenverbindungen wurden der »intellektuelle Teil« der monarchistischen Bewegung Österreichs und nahmen Anteil an der Hochschülerschaft. Es war wieder Alfred Missong sen., der als erster gleich nach 1945 die Neutralität Österreichs forderte und die Formel »nach Schweizer Vorbild« prägte. 1968, im Jahr der Studentenrevolten, gelang es Maximiliana gegen heftigen Widerstand – auch von Teilen des »offiziellen« Österreichs -, das erste öffentliche Auftreten Otto von Habsburgs in Wien durchzusetzen (Otto v. Habsburg konnte davor – trotz Besitzes eines österreichischen Passes – bis 1966 Österreich nicht betreten). Am Tag nach dem Auftreten in Wien erteilte der österreichische Nationalrat die endgültige Genehmigung zur Ausstellung von Pässen mit Einreisegenehmigungen an die Kinder Otto von Habsburgs. 64 Jahre nach dem Ende der Österreichisch-Ungarischen Monarchie erkannte Österreich auch, dass die Gemahlin des letzten Kaisers keine Gefahr für das Bestehen der Republik bedeutete. Zu ihrem 90. Geburtstag (9. Mai 1982) wurde Kaiserin Zita die Einreise nach Österreich ohne Verzichtserklärung gestattet. Am 13. November 1982 dankt die Kaiserin (mit etwa 10.000 Menschen) im Stephansdom für ihre Heimkehr nach Wien. Am selben Abend ehrt sie die Landsmannschaften durch ihre Anwesenheit beim 60. Stiftungsfest Maximilianae. Die Chargierten stachen spontan einen »Landesvater« – seit Menschengedenken das erste Mal in Anwesenheit einer gekrönten Person. Die Kaiserin dankte in einer berührenden Ansprache den Landsmannschaften für ihre jahrelange Treue. Im Oktober 1987 statteten Maximiliana und Josephina Ungarn einen Besuch ab, wobei mit Karl Habsburg erstmals seit 1921 wieder ein Mitglied der Primogenitur das Land betrat und Erzherzog Karl in Budapest bei Maximiliana rezipiert wurde.

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Die Geschichte der K.Ö.L Maximiliana

Einige bekannte Mitglieder der K.Ö.L  : Maximiliana (o. T)  : Julius Brachetka, Direktor des Tiergarten Schönbrunn 1945–1958 Franz Xaver Brandmayr, Rektor der Anima Karl Habsburg-Lothringen, Chef des Hauses Österreich Otto Habsburg-Lothringen, Ältester Sohn von Kaiser Karl I. Ulrich Habsburg-Lothringen, Politiker – Die Grünen August Maria Knoll, Universitätsprofessor Clemens Lashofer, Abt des Stiftes Göttweig Norbert Leser, Universitätsprofessor Horst Friedrich Mayer, Journalist Alfred Missong sen., Gründer der ÖVP Alois Mock, österreichischer Vizekanzler und Außenminister Wilhelm Schmidt, Ethnologe Otto Scholik, Berufsoffizier, österreichischer Widerstandskämpfer Helmut Schüller, Priester, Pfarrer von Probstdorf Ernst Karl Winter, Wiener Vizebürgermeister der 30er Jahre Willibald Plöchl, Universitätsprofessor Egon Wellesz, Komponist und Musikwissenschaftler Hans Karl von Zessner-Spitzenberg, Universitätsprofessor

Die Geschichte der Österreichischen Akademien

Neben den in katholischen Hochschulverbindungen üblichen couleurstudentischen Aktivitäten sind die sogenannten Österreichischen Akademien als wichtigste akademisch-wissenschaftliche Aktivität der Katholisch Österreichischen Landsmannschaften zu betrachten. Die ersten drei »Österreichischen Akademien« fanden in Salzburg 1936, in Linz 1937, und wieder in Salzburg 1937 statt. Das Thema der ersten Akademie war einfach die Diskussion der Österreichischen Idee und ihre Vertiefung, was zu dieser Zeit ein heute nur schwer verständliches Risiko war. Das führte zu der Publikation von J. Wolf, K. J. Heilig und H. M. Görgen  : Österreich und die Reichsidee (Wien 1937). In Linz sprach man über soziale Themen. Die dritte Akademie in Salzburg befasste sich mit dem Thema »Rom und der Orient«, einem damals ebenfalls ungewöhnlichen und neuen Wissensgebiet. Aus den erhalten gebliebenen Programmen und den nachfolgenden Berichten und Publikationen ist zu schließen, dass es gelungen war, die höchstqualifizierten Vortragenden, die zu dieser Zeit zum Thema in Europa zu haben waren, zu gewinnen. Die bereits in Gründung begriffene katholische Universität in Salzburg, eine beabsichtigte Folge der Akademien und eine bereits geplante Fortsetzung der Reihe wurde 1938 durch die Okkupation Österreichs durch das Dritte Reich zunichte gemacht. Immerhin erfüllt es doch mit Befriedigung, dass nach dem Krieg sowohl in Salzburg als auch in Linz Universitäten gegründet wurden. Die Linzer sozial- und gesellschaftswissenschaftliche Universität befasst sich vielleicht nicht zufällig mit dem Thema der Linzer »Österreichischen Akademie«. Im Mai 1989 organisierte die KÖL Maximiliana die erste »Österreichische Akademie« nach dem 2. Weltkrieg zum Thema »Betrachtungen über die Französische Revolution«. Die Vortragenden kamen aus Schweden, Ungarn, Deutschland, der Schweiz, aus Kolumbien und natürlich auch aus Österreich. Mehrere Tage wurde das Thema von den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet und diskutiert. Es gab eine eigene Kunstausstellung, ein Konzert mit einer Uraufführung und ein feierliches Pontifikalre-

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Die Geschichte der Österreichischen Akademien

quiem in Gedenken an die Opfer der Französischen und der dadurch inspirierten Revolutionen. Die Ergebnisse der Akademie wurden in einem Berichtsband publiziert (vgl  : H. Schuschnigg, D. Gutsmann (Hg.)  : Von der Humanität zur Bestialität. Eine Bilanz der Französischen Revolution, Wien/München 1989). 1991 fand in Eferding die nächste Österreichische Akademie mit dem Thema  : »Die Demokratie im Wandel der Zeit« statt. Es wurden verschiedene Ansätze aus der Geschichte, der Antike, dem Mittelalter sowie die Spielarten der Demokratie der letzten zweihundert Jahre (nach der Französischen Revolution) betrachtet (vgl. H. Schuschnigg, D. Gutsmann, H. Starhemberg (Hg.)  : König und Volk. Die Demokratie im Wandel der Zeit, Wien/München 1992). Im Oktober 1996 wurde anlässlich der Millenniumsfeiern zur ersten Erwähnung Österreichs in Klosterneuburg eine Österreichische Akademie unter dem Motto »Auf der Suche nach der österreichischen Identität« veranstaltet. Die Beiträge behandelten allerdings die gesamte Geschichte Österreichs vom Königreich Noricum bis zur Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der spezifisch österreichischen kulturellen Leistungen (vgl. H. Schuschnigg (Hg.)  : Mit des Geistes heit’ren Waffen … Österreich im Wandel der Zeit, Wien/München 1997). Aus Anlass des 90. Geburtstages von Otto von Habsburg wurde 2002 in Innsbruck eine Akademie mit dem Titel »Die Dämmerung der Kaiserreiche im 20. Jahrhundert« organisiert. Dabei wurden der Verfall bzw. die Demontage des Osmanischen Reiches, des Ostkirchlichen Staatskirchentums, des Äthiopischen Kaiserreiches, des Habsburgerreiches sowie die Auswirkungen des Reichsgedanken vom antiken Rom bis in die heutige Zeit unter die Lupe genommen und anschließend publiziert (vgl. H. Haselsteiner (Hg.)  : Die Kaiserreiche  : Roms Erben, Wien 2004). Die jüngste Österreichische Akademie fand schließlich vom 16.  – 18. März 2012 im Schottenstift zu Wien unter dem Thema »Das HabsburgerTrauma der Republik Österreich« statt. Hier haben prominente Wissenschaftler und anerkannte Fachleute die verschiedensten Aspekte des Verhältnisses zwischen der Republik Österreich und dem Haus Habsburg referiert und dabei versucht, Fakten, Mythen und Befindlichkeiten zu klären und zu analysieren, da die letzten Jahre im Verhältnis der Republik Österreich zu Staatsbürgern, die den Namen Habsburg-Lothringen tragen, einige Veränderungen brachten. 2007 lud Bundespräsident Heinz Fischer



Die Geschichte der Österreichischen Akademien

Otto von Habsburg in die Hofburg ein, 2008 hielt der Sohn des letzten Österreichischen Kaisers eine viel beachtete Rede im alten Reichsratssitzungssaal, 2011 fiel auf die Initiative von Ulrich Habsburg-Lothringen hin mit dem Beschluss fast aller im Nationalrat vertretenen Parteien die Diskriminierungsklausel im Wahlrecht zur Bundespräsidentschaft, und an den Beisetzungsfeierlichkeiten von Otto von Habsburg in Wien nahmen neben 10.000 Trauergästen auch viele heimische Spitzenpolitiker teil. Dennoch blieb bis heute manches unverständlich oder zumindest bizarr  : Die »Habsburg-Krise« Anfang der 1960er-Jahre, die Bewertung der Bemühungen und Erfolge Otto von Habsburgs für Österreich und für Europa oder etwa das mediale Dauerreizthema des dzt. Chef des Hauses Karl Habsburg. Auf der anderen Seite vermarktet die Tourismuswirtschaft seit Jahrzehnten die äußerlichen Zeichen des Glanzes der »guten, alten Zeit« und auf offiziellen Fotos des Bundespräsidenten darf das Bildnis von Kaiserin Maria Theresia auch nicht fehlen (vgl. C. Aigner, G. Fritz, C. Staus-Rausch [Hg.]  : Das Habsburger-Trauma. Das schwierige Verhältnis der Republik Österreich mit seiner Geschichte, Wien 2014).

Schriftenreihe der KÖL Maximiliana

Bisher erschienene Titel  : G. Fritz, G. Arnegger, N. Fürstenhofer [Hg.]  : MA XIMILIANA. Zeichen des Widerstandes 1922–1987, Wien/München 1987 H. Schuschnigg, D. Gutsmann [Hg.]  : Von der Humanität zur Bestialität. Eine Bilanz der Französischen Revolution, Wien/München 1989 H. Schuschnigg, D. Gutsmann, H. Starhemberg [Hg.]  : König und Volk. Die Demokratie im Wandel der Zeit, Wien/München 1992 H. Schuschnigg [Hg.]  : Mit des Geistes heit’ren Waffen. Österreich im Wandel der Zeit, Wien/München 1997 H. Schuschnigg, H. Haselsteiner [Hg.]  : Die Kaiserreiche  : Roms Erben, Wien 2004 Bestellungen für noch verfügbare frühere Erscheinungen bitte per E-Mail an [email protected] zu richten.

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Dieter A. Binder Geboren 1953. Dieter A. Binder promovierte nach Studienaufenthalten in Wien und Bonn 1976 in Graz (1978 Leopold-Kunschak-Preis für seine Dissertation). Seit seiner Habilitation 1983 lehrt er am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität. 1991 erhielt er den Karl-von-Vogelsang Staatspreis für seine Arbeiten zur Geschichte der Freimaurerei. Seit 2003 lehrt er überdies an der Andrássy Universität Budapest. Unter anderem war er Lehrbeauftragter der State University of New York at Binghamton (1979 bis 1992), Gastprofessor an der Université Cheikh Anta Diop in Dakar (1989), an der Diplomatischen Akademie in Wien (1997– 1999) und an der Fachhochschule Joanneum in Graz (2009–2011) und von 2006 bis 2011 Dekan der Fakultät für Mitteleuropäische Studien. Er ist ordentliches Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Member of the Journal of Austrian Studies Editorial Board, Mitglied der Restitutionskommission der Gemeinde Wien, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Dr. Wilfried Haslauer Bibliothek, stellvertretender Vorsitzender des Karl-von-Vogelsang-Instituts zur Erforschung der christlichen Demokratie und Vorsitzender der Militärhistorischen Denkmalkommission des BMLVS. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderen im Bereich der neueren österreichischen Geschichte, der Sozialstrukturen und Kulturanthropologie der Stadt, der Geschichte der Freimaurerei, des mitteleuropäischen Judentums, der Kulturgeschichte und Kulturanthropologie Mitteleuropas im 19. und 20. Jahrhundert sowie in übergreifenden Themen zur mitteleuropäischen Geschichte und Identität (»Pluralität – ein mitteleuropäisches Kennzeichen«, »Erfindung der Nation in Mitteleuropa«). Rudolf Logothetti Geboren 1949 in Oberndorf/Salzach. Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, Politik- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Wien und Salzburg, 1973 Promotion zum Dr. iur. 1974–1976 Postgraduale

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Studien an der Johns Hopkins University, Washington DC und Bologna, 1979 Rechtsanwalts-Prüfung am OLG Linz. 1980 bis 1991 selbständiger Rechtsanwalt in Salzburg, 1992 bis 1994 tätig im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zur EG, 1994 bis 1999 Europäisches Parlament, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Büroleiter von Otto von Habsburg, MdEP, 2000 bis 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationale Politik, Sicherheitspolitik, Wehr-, Völker- und Europarecht und Leiter der Forschungsstelle zivil-militärische Beziehungen, Universität der Bundeswehr, München. Seit 2004 Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, Direktion für Sicherheitspolitik. 1981 bis 1985 wissenschaftl. Mitarbeiter Paneurop. Institut für Europarecht und Internat. Beziehungen, Salzburg – München, 1985 bis 2009 Direktor, 1991 Lehrauftrag für Europarecht an der Universität Brünn, 1996 bis 2006 Lehrauftrag für Europarecht, Europapolitik, Völkerrecht und Wehrrecht an der Universität der Bundeswehr München, 2004 bis 2007 Lehrauftrag für Grundzüge der Europäischen Integration, Hochschule für Politik München. Seit 2008 Lehrauftrag Europapolitik, Völker- und Europarecht, Universität Olmütz, 2009 bis 2010 am Institut für Sicherheitsforschung, Sigmund Freud Privatuniversität Wien, seit 2010 Präsident der Akademie Schloss Triebenbach, Zentrum für Europäische und Internationale Studien. Gastdozent an der Diplomatischen Akademie Zagreb, NATO School, Johns Hopkins University und verschiedenen Summer Universities in San Marino, Dubrovnik, Bozen, 1992 bis 2000 Vizepräsident der Paneuropabewegung Österreich. Eva Eleonor a Demmerle Geboren 1967. Studium der Geschichte, Politik, Wirtschaft und Katholische Theologie in Bonn, Siegen und Paris. Von 1995 bis 2011 engste politische Mitarbeiterin von Dr. Otto von Habsburg, zunächst im Europäischen Parlament (bis 1999), danach persönliche Pressesprecherin, Organisatorin und Beraterin für seine umfangreichen außenpolitischen Aktivitäten. Autorin mit Schwerpunkt auf der Geschichte und dem Wirken des Hauses Habsburg. Aufgrund ihres gesellschaftspolitischen Engagements und ihrer Kenntnisse über die Familie Habsburg immer wieder Einladungen zu Vortragsveranstaltungen.



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Norbert Leser Geboren 1933 in Oberwart. Norbert Leser studierte Rechtswissenschaften und Soziologie an der Universität Wien und promovierte 1958 zum Dr. iur. Seine Habilitation erfolgte 1969 für Rechts- und Staatsphilosophie an der Universität Graz. Danach war er von 1971 bis 1980 erster Ordinarius für Politikwissenschaft in Österreich, an der Universität Salzburg, von 1980 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2001 lehrte er als Ordinarius für Gesellschaftsphilosophie an der Universität Wien. Ab 1984 leitete er das Ludwig Boltzmann-Institut für neuere österreichische Geistesgeschichte. Er ist Mitglied des PEN-Clubs. Seine Bedeutung erlangte er vor allem durch seine kritische Auseinandersetzung mit der österreichischen Sozialdemokratie und dem Austromarxismus. Seine Habilitationsschrift zu diesem Thema mit dem Titel »Zwischen Reformismus und Bolschewismus« ist als Standardwerk anerkannt. Ein Anliegen ist ihm auch die speziell in Österreich schwierige Annäherung zwischen Sozialdemokratie und christlichem Glauben. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Beiträge. Seine philosophischen Schriften umfassen die Geschichte der politischen Ideen, Zeitgeschichte, Rechts- und Staatsphilosophie, Marxismus und Sozialdemokratie, Christentum und Katholizismus, Gottesfrage etc. Die interdisziplinäre Breite seines Werkes wird speziell in der von seinem früheren Mitarbeiter Erwin Bader besorgten Festschrift deutlich, an der 38 namhafte Wissenschaftler von 16 Fachrichtungen und 14 Universitäten unterschiedlicher Staaten mitwirkten. Auszeichnungen   : Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis des Österreichischen Journalisten-Clubs, Theodor-Innitzer-Preis, Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse, Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften. Seit 1992 Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Peter Parenzan Geboren 1939, Studium der Kunstgeschichte in Wien. 1973 Eintritt in das damalige Bautenministerium mit dem Zuständigkeitsbereich kulturhistorisch bedeutender Bauten wie Hofburg Wien und Innsbruck, Schönbrunn, Schloss Hof etc. mit Schwerpunkt Leitung des Hofmobiliendepots und der Hofsilber- und Tafelkammer in der Wiener Hofburg. Ausbau beider

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Sammlungen zu modernen Museen mit gleichzeitiger erster wissenschaftlicher Grundlagenforschung zu den Beständen, die bis dahin als reines Gebrauchslager geführt wurden. Gerhard Jelinek Geboren 1954 in Wien, begann er nach dem rechtswissenschaftlichen Studium an der Universität Wien seine journalistische Laufbahn in der Innenpolitik-Redaktion der Tageszeitung »Die Presse«, anschließend wechselte er zum Magazin »Wochenpresse«. Seit 1989 ist er beim ORF tätig, u. a. leitete und moderierte er den »Report« und war für die Diskussionssendungen »Pressestunde« und »Offen gesagt« verantwortlich. Derzeit ist Gerhard Jelinek Leiter der Abteilung »Dokumentation und Zeitgeschichte« im Österreichischen Fernsehen. Sein zeitgeschichtliches Interesse bewies er unter anderem mit der Gestaltung von zahlreichen TVDokumentationen, darunter die Serie »Unser Jahrhundert«, Porträts über Jörg Haider, Alois Mock und Bundespräsident Heinz Fischer sowie die Serie »Menschen und Mächte«. Daneben ist er als freier Buchautor und tätig. Seine journalistische Arbeit wurde mit dem Leopold-Kunschak-Preis und 2009 mit dem »Fernsehpreis der Erwachsenenbildung« gewürdigt. Roland Girtler Geboren 1941 in Wien-Ottakring. Von 1951 bis 1959 besuchte er das humanistische Gymnasium des Klosters Kremsmünster, an dem er auch maturierte. Ab 1967 studierte Girtler an der philosophischen Fakultät der Universität Wien Ethnologie, Urgeschichte, Philosophie und Soziologie. Während des Studiums heiratete er und arbeitete als Bierausfahrer, Arbeiter am Naschmarkt und als Filmkomparse. 1971 wurde er zum Doktor der Philosophie promoviert, 1979 habilitierte er sich an der Universität Wien. Er ist u. a. Mitglied des Österreichischen Alpenvereins, der Naturfreunde und der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Anfang der 1970er Jahre betrieb er Feldforschung in Indien über Die »demokratische« Institution des Panchayat in Indien, deren Ergebnisse er 1971 im gleichnamigen Buch veröffentlichte. Seine abwechslungsreiche Forschertätigkeit führte ihn in die Bauerndörfer von Gujarat (Indien) und in die Slums von Mumbai (damals Bombay), aber auch zu »feinen Leuten« (Aristokraten, Politiker, Jäger), in städtische Randkulturen (Dirnen, Sand-



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ler, Ganoven), zu Bergbauern, Schmugglern, (damals ausschließlich städtischen) Polizisten, den Landlern in Siebenbürgen, zu Landärzten, Klosterschülern und zu Wilderern. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind die Kultursoziologie, Randkulturen und der Bauernstand in Österreich und Siebenbürgen. Als Forscher und akademischer Lehrer unkonventionell, hat Girtler auch als Leitbild für soziologische Untersuchungen 10 Gebote der Feldforschung aufgestellt, in denen er Hinweise zum Verhalten des Forschers im Feld im Umgang mit den untersuchten Menschen gibt. Seine in der Sonntagsausgabe der Kronen Zeitung erscheinende Kolumne, in der er sich selbst als »vagabundierenden Kulturwissenschaftler« bezeichnet, beginnt er oft mit dem Hinweis, dass er sein im Text beschriebenes Ziel mit Bahn und/oder Fahrrad erreicht hat. Roland Girtler ist außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Soziologie der Universität Wien (Institutsmitglied seit 1972). Zwischen 1973 und 1975 lehrte er an der Universität München. Seit 2000 leitet er das Museum »Wilderer im Alpenraum – Rebellen der Berge« in St. Pankraz bei Hinterstoder, Oberösterreich. Manfried Welan Geboren 1937 in Wien, ab 1955 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien, gleichzeitig Tätigkeiten als Hauslehrer, Komparse in Burg- und Akademietheater bis 1961  ; Vorleser. 1961 Promotion zum Dr. iur., Verwaltungsjurist an der Technischen Universität Wien, ab 1962 Schriftführer und Sekretär im Verfassungsgerichtshof  ; Repetitor in Rechtskursen und Privatlehrer für Dienstprüfungen, Sprachlehrer  ; 1967-1969 Wissenschaftskonsulent der Wirtschaftskammer Österreich  ; 1969-2005 Universitätsprofessor für Rechtslehre an der Universität für Bodenkultur Wien  ; Vertrauensdozent für ausländische Studierende, Disziplinaranwalt, Dienststellenausschussobmann. 1975/76 Prorektor  ; 1977-1981 und 1991-1993 Rektor, bis 2001 Vizerektor  ; 1979-81 Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz  ; Präsidium des Fonds der Wissenschaftlichen Forschung. 1982-1986 Präsident der Akademie für Umwelt und Energie in Laxenburg, Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz (ÖGNU) bis 2001  ; bis 1995 der Österreichischen Gesellschaft für Ökologie.

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1976/77 Stadtrat und Mitglied der Landesregierung, von 1983-1991 Gemeinderat und Landtagsabgeordneter der Bundeshauptstadt, davon 198791 Dritter Präsident des Landtages  ; 1986-1993 Präsident des Club Wien. 1991–2001 Vizepräsident der UNESCO-Österreich  ; Gastprofessor für Politik an der Europäischen Journalistenakademie in Krems und Wien bis 1990-2000  ; seit 1993 Präsident der UNESCO-Gemeinschaft Wien. Herausgeber und Mitherausgeber von Fachzeitschriften und der »Studien zu Politik und Verwaltung« (seit 1981). Träger zahlreicher Auszeichnungen, darunter Dr. hc. der Westungarischen Universität  ; Wissenschaftspreis der Bundeshauptstadt Wien 2003 für Geistes- und Sozialwissenschaften. Festschrift »Die Kultur der Demokratie« hg. von Chr. Brünner, W. Mantl, A.J. Noll und W. Pleschberger, 2002. Derzeit Schriftsteller und so vom Finanzamt seit Jahrzehnten geführt. Arbeitsgebiete  : Verfassungs- und Verwaltungsrecht  ; Regierungssystem und politische Kultur  ; Verhältnis von »Kultur« und »Natur«  ; Demokratie und Zivilgesellschaft  ; »Wien«. K arl Habsburg-Lothringen Geboren 1961, ältester Sohn von Otto von Habsburg, aufgewachsen in Pöcking, 1981 Ausbildung zum Milizoffizier im Österreichischen Bundesheer, Studium der Rechtswissenschaften und Philosophie an der Universität Salzburg, 1993 Hochzeit mit Francesca von Thyssen-Bornemisza, 3 Kinder (Eleonore 1994, Ferdinand Zvonimir 1997, Gloria 1999) Von 1996 bis 1999 für die ÖVP Mitglied des Europa-Parlamentes. Seit 2000 Chef und Souverän des Ordens vom Goldenen Vlies, am 1. Januar 2007 überträgt ihm Otto von Habsburg auch die Funktion als Chef des Hauses Habsburg. 2002–2003 Generaldirektor der UNPO (Unrepresented Nations and Peoples Organisation), seit 2008 Präsident der Association of National Committees of the Blue Shield (Den Haag).

Personenverzeichnis A Adamovich, Ludwig 110, 115 Adenauer, Konrad 42 Adler, Friedrich 19 Adler, Viktor 53 Albert, Herzog von Sachsen-Teschen 80 B Baier, Stephan 46 Bauer, Otto 17, 20 Benedikt, Heinrich von 16 Papst Benedikt XV. 111 Berchtold, Leopold Graf 26 Bonaparte, Napoleon, Kaiser der Franzosen 75, 80 Brecht, Bert 19 Broda, Christian 47, 51, 52, 53, 115 Brügel, Johann Wolfgang 53 Brugger, Peter 57 Busek, Erhard, Vizekanzler 116

Figl, Leopold, Bundeskanzler 42 Fink, Jodok 13 Fischer, Heinz 136 Franz II/ I., Kaiser von Österreich, etc. 63, 80, 109 Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, . 19, 23, 54, 63, 72, 75, 84, 85, 87, 88, 89, 96 Franz Ferdinand, Erzherzog-Thronfolger von Österreich, etc. 11, 84, 85, 89 G Goldinger, Walter 16 Gorbach, Alfons, Bundeskanzler 48 von Grundemann-Falkenberg, Ernst 48, 49 Gulick, Charles 13, 16, 17

E Elisabeth, Kaiserin von Österreich, etc. 65 Eugen, Erzherzog von Österreich 50

H Habsburg- Lothringen, Karl 42, 43, 44, 104, 133 Habsburg-Lothringen, Markus 87, 90, 91 Habsburg-Lothingen, Ulrich 7, 137, von Habsburg, Otto 7, 21, 23, 25, 28, 29, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 50, 52, 54, 57, 69, 72, 75, 114, 115, 133, 136, 137 von Habsburg, Regina, geb. Prinzessin von Sachsen-Meiningen 35, 38, 50 Hanisch, Ernst 18 Hauser, Johann Nepomuk 13 Heller, Lynne 8 Helmer, Oskar 39 Herberstorff, Adam Graf 90 Hobsbawm, Eric 75 Hohenberg Maximilian, Herzog 41 Hohenberg, Sophie, Herzogin 84 von Hornbostel, Theodor 22, 23

F Fadinger, Stefan 88 Ferguson, Niall 75

I Innizer, Theodor, Kardinal, Erzbischof von Wien 15

C Carl-Ludwig, Erzherzog von Österreich 38 Clemenceau, Georges 131 von Cornides, Karl 16 Czokor, Franz Theodor 54 D Darabos, Norbert 28 Dollfuß, Engelbert, Bundeskanzler 113 Draxler, Ludwig, 42, 45 Dürmayer, Heinrich 58

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Personenverzeichnis J Jansa, Alfred, Feldmarschall-Leutnant 30 Johann, Erzherzog von Österreich 85, 86 Johann Salvator, Erzherzog von Österreich 86, 93 Joseph II., Kaiser HRR, etc. 62 Josef Ferdinand, Erzherzog von Österreich 93, 94 K Karl I., Kaiser von Österreich 13, 16, 17, 19, 75, 85, 89, 104, 111, 112, 113, 114, 131, 132 Karl VI., Kaiser HRR, etc. 62, 103 Kershaw, Ian 75, 77 Klahr, Alfred 21 Klaus, Josef, Bundeskanzler 48 von Klemperer, Karl 14 König, Franz, Kardinal, Erzbischof von Wien 52, Kreisky, Bruno, Bundeskanzler 29, 53, 57, 115, 116 Kriechbaumer, Robert 22 L Leopold I., Kaiser HRR, etc. 64 Leopold II., Kaiser HRR, etc. 62 Lovrek, August 40, 42 Lueger, Karl, Bürgermeister von Wien 12, 14 M Magenschab, Hans 58 Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich, Königin von Böhmen und Ungarn, etc 8, 62, 90, 103, 137 Marie Antoinette, Königin von Frankreich, Erzherzogin von Österreich 65 Marie-Christine, Erzherzogin von Österreich 80 Marie Valerie, Erzherzogin von Österreich 88 Marcic, René 109 von Margutti, Albert 84, 85, 86, 96, 100 Marischka, Ernst 65 Mayr, Hans 56 Maximilian I., Kaiser HRR 120, 121 Metternich, Clemens Wenzel, Fürst 75 Miklas, Wilhelm, Bundespräsident 15

N Nenning, Günther 36, 55, O Olah, Franz 52, 55, 115 P Petznek, Elisabeth, vorm. Erzherzogin von Österreich 65, 84, 86 Petznek, Leopold 86 Piffl, Friedrich Gustav, Kardinal, Erzbischof von Wien 13, 14, 15 Pittermann, Bruno, Vizekanzler 43, 44, 46, 51, 115 Philipp der Gute, Herzog von Burgund 124 Pohl, Walter 8, Pöttering, Hans-Gert, Präsident des Europäischen Parlaments 33 von Papen, Franz 21 von Paumgartten, Zdenko 27 Probst, Otto 40 R Raab, Julius, Bundeskanzler 39, 40, 41, 42, 47 Rauchensteiner, Manfried 72 Renner, Karl, Bundeskanzler, Bundespräsident 13, 17, 18, 38, 53 Robert, Erzherzog von Österreich 38 Rudolf, Erzherzog von Österreich 65, 84 S Schneider, Romy 65 von Schuschnigg, Kurt, Bundeskanzler, 20, 21, 22, 28, 29, 37, 47, 114 Schraffl, Josef, Landeshauptmann von Tirol 13 Seipel, Ignaz, Prälat, Bundeskanzler 12, 13, 14, 113 Serschen, Karl 30 Stadion, Johann Philipp, Graf 128 Stephanie, Erzherzogin, Kronprinzessin von Österreich 84 Strasser, Peter 42 Stourzh, Gerald 116 Strauß, Franz Josef, Bayer. Ministerpräsident, 57 von Szabo, Gustav 132



Personenverzeichnis

T Thompson, Marc 72 Towarek, Rudolf 30

Wilhelm II., Deutscher Kaiser, etc. 112 Winkler, Günther 115 Wohnout, Helmut 113

V Vocelka, Karl 8

Z Zehner, Wilhelm, General 27, 28 Zeßner-Spitzenberg, Hans Karl 113, 114, 132 Zilk, Helmut, Bürgermeister von Wien 56, 57 Zita, Kaiserin von Österreich, etc. 31, 38, 56, 85, 103, 116, 133

W Wellesz, Egon 58 Wiesenthal, Simon 46, 47 Windisch-Graetz, Otto, Fürst 86

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