Das dritte Lexikon der Rechtsirrtümer: Die Angst vorm Blaulicht und andere juristische Fehleinschätzungen 3548369928, 9783548369921

Die juristische Aufklärung der Deutschen wird fortgesetzt. So sorgt der Hinweis Das Durchblättern der Zeitschrift verpfl

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Das dritte Lexikon der Rechtsirrtümer: Die Angst vorm Blaulicht und andere juristische Fehleinschätzungen
 3548369928, 9783548369921

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DR . JUR . RALF HOCKER

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LEXIKON DER KURIOSEN

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LEXIKON DER RECHTSIRRTÜMER

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Dr. jur. Ralf Hocker

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Das Buch

Die überwältigende Resonanz, die Ralf Hocker mit seinen ersten beiden Lexika der Rechtsirrtümer hervorrief, beweist, dass der

juristische Aufklärungsbedarf in der Öffentlichkeit nach wie vor hoch ist. Denn immer noch gibt es rechtliche Mythen, die in den Köpfen vieler Menschen ihr Unwesen treiben: Muss man als Gast in einem Restaurant für die Toilettenbenutzung zahlen? Darf man grundsätzlich keine eigenen Getränke auf Konzerte mitbringen? Haben Fahrzeuge mit Blaulicht immer Vorfahrt? Schützt eine hinterlassene Handynummer das falschgeparkte Auto wirklich nicht vorm Abschleppdienst? Darf man Tischreservierungen in Restaurants unentschuldigt verstreichen lassen? In bewährt fundierter und unterhaltsamer Manier beantwortet Ralf Höcker diese und andere juristische Fragen des Alltags. Der Autor

Ralf Höcker, Jahrgang 1971, LL.M. (London) und Dr. jur., arbeitete in internationalen Großkanzleien und betreibt heute eine eigene Anwaltskanzlei in Köln. Er berät Unternehmen und

Künstler in Fragen des Marken- und Medienrechts. Sein Lexi-

kon der Rechtsirrtümer wie auch das Neue Lexikon der Rechtsirrtümer und das Lexikon der kuriosen Rechtsfälle wurden über-

ragende Bestseller. Weitere Informationen: www.ralfhoecker.de. In unserem Hause sind von Ralf Höcker bereits erschienen: Lexikon der Rechtsirrtümer Neues Lexikon der Rechtsirrtiimer Lexikon der kurtosen Rechtsfälle

Dr. jur. Ralf Hocker

DAS DRITTE LEXIKON Ä DER RECHTSIRRTUMER Die Angst vorm Blaulicht und andere juristische Fehleinschätzungen

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet: www.ullstein-taschenbuch.de

Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.

Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch 1. Auflage März 2008 © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2008 Die Angaben und Ratschläge in diesem Buch sind von Autor und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft; dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Umschlaggestaltung: HildenDesign, München Titelabbildung: Anne-Marie von Sarosdy, Düsseldorf Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach Gesetzt aus der Adobe Caslon Druck und Bindearbeiten: Ebner & Spiegel, Ulm Printed in Germany ISBN 978-3-548-36992-1

Inhalt Vorbemerkung

11

Einleitung

13

Allgemeines Adelstitel

Arzttermin verpassen Beschädigung geliehener Sachen Bezahlen mit 500-Euro-Schein? BGB und flotte Bienen

Bonn Regierungssitz?

Doktortitel Namensbestandteil? Domain = Marke? Eigentum an Geldscheinen

Eindeutigkeit des Rechts EU-Verordnung zum Krümmungsgrad von Gurken und Bananen Hitzefrei für Arbeitnehmer Keine Haftung bei Privatverkauf von gebrauchter Ware? Leihe oder Miete?

Leihe, Schenkung, Tausch und Darlehen Strandrecht

21 23 24 26 28 31 33 34 36 37 38 41

44 46 47 48

6 Inhalt

TV-Notare Vertraulichkeit der Bewerbung Wahrsager, Wunderheiler und ihre Honoraranspriiche

50 51 53

Familie und Jugendliche Eheliche Treue

Elterliches Ziichtigungsrecht Erbende Geschwister

Nachtliches Ausgehverbot fiir Jugendliche? Recht an der Fernbedienung Trauung durch den Kapitan?

59 60 62 64 68 71

Gastronomie

Eichstrich beim Bierglas Gewichtsangaben beim Steak Kaution im Hotel Schmeckt nicht gibt's nicht Tischreservierungen Toilettenbenutzung nur gegen Entgelt? Zu schwache Cocktails

75 76 78 79 81 82 84

Gericht und Polizei Herumbrüllen im Gerichtssaal

Kinder als Zeugen Sammelklagen

89 90 92

Inhalt 7

Strafrecht Bierdeckel als Urkunde? Duz-Verbot Erste Hilfe am Unfallort Geldstrafen-Iabellen Kriminalisieren

Rechtfertigender Notstand

Todesstrafe Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Vordrängeln in der Schlange

97 99 101 102 104 106 109 110 112

Straßenverkehr

Alkohol am Steuer verboten? Alkoholtest Ampeln »umgehen« Angst vorm Blaulicht Barfuß Auto fahren Benutzungspflicht für Radwege? Bergfahrt vor Talfahrt? Fahrrad in der Fußgängerzone Freie Fahrt bei »Grünpfeil«? Handy am Steuer I Handy am Steuer II Handynummer als »Abschleppschutz« Hineintasten in den Verkehr »Knöllchen« von Privatleuten

117 118 120 122 123 125 127 129 130 132 133 134 138 139

8 Inhalt

Motor warm laufen lassen

Uberholverbot bei durchgezogener Linie? Unniitzes Hin-und-her-Fahren

Vorfahrt bei griiner Ampel?

141 142 143 144

Verbraucherfragen Anfassen von Lebensmitteln verpflichtet zum Kauf? Angemessener Vorrat an Sonderangeboten Beschädigte Pfandflaschen 300 Meter mit dem Taxi Durchblattern verpflichtet zum Kauf? Eigene Getränke im Kino und bei Konzerten Kinder an Supermarktkassen Nicht passende Kleidung als Reklamationsgrund? Reklamieren von selbst aufgebauten Möbeln Reparaturen und keine Ende? Schäden in Supermärkten

149 152 154 155 156 158 160 163 164 165 167

Wohnen

Fußbälle in Nachbars Garten Maklerprovision Mietwohnung zu klein

171 173 175

Inhalt

9

Miet-Nebenkosten Nächtliches Baden und Duschen

177 180

Preise von Schliisseldiensten

182

Anmerkungen

187

Gesetzestexte

190

Dank

261

Nebenkosten von leerstehenden Wohnungen Vorsicht! Bissiger Hund!

181

185

Vorbemerkung Dieses Buch beriicksichtigt Rechtsprechung und Schrifttum bis Januar 2008. Sollten Sie Hinweise, Anderungsvorschläge oder sonstige Anregungen zu diesem Buch haben, so ist Ihnen der Autor für eine Mitteilung dankbar:

RA Dr. Ralf Höcker, LL. M. www.ralfhoecker.de

Einleitung Die Einleitung möchte ich diesmal dazu nutzen, um einige häufig wiederkehrende Fragen zu beantworten, die mir in den vergangenen Jahren zu den beiden Lexika der Rechtsirrtümer und dem Lexikon der kuriosen Rechtsfälle gestellt wurden. Viele Hinweise von Lesern und von Besuchern meiner Bühnenshow »EINSPRUCH! - Die große Rechtsirrtümershow« — vor allem auf weitere Rechtsirrtümer — sind in dieses Buch eingeflossen. Nicht alle Anregungen konnte ich berücksichtigen und auch nicht alle Fragen beantworten — hierfür bitte ich um Verständnis. Ich hoffe jedoch, dass sich möglichst viele offene Fragen auf den folgenden Seiten und im Hauptteil des Buches klären lassen. Bei allen, die mir geschrieben haben,

bedanke ich mich sehr herzlich!

Fragen an den Autor Warum drucken Sie in Ihren Büchern hinten immer die Gesetzestexte ab? Das Buch wird dadurch doch nur unnötig dick, und wen die langweiligen Gesetze wirklich interessieren, der kann ste auch im Internet nachlesen.

Richtig, alle Gesetzestexte kann man auch im Internet

nachlesen. Sie stehen auch in Gesetzessammlungen, die man in Bibliotheken einsehen oder im Buchhandel er-

14 Einleitung

werben kann. Nur: Hat man immer einen Internetanschluss, eine Bibliothek oder einen Buchladen

zur

Hand, wenn man dieses Buch liest? Also zum Beispiel in der Badewanne, am Strand, im Bus oder im Bett? In der Regel wohl nicht. Ich meine daher, dass es sinnvoll ist, die Gesetzestexte mit abzudrucken. Ich habe zwar immer

streng darauf geachtet, dass man die einzelnen Kapitel auch versteht, wenn man die »langweiligen Gesetze« nicht ‚liest. Viele Leser wollen es aber freiwillig ganz genau wissen. Für sie möchte ich die Möglichkeit zur sofortigen

vertiefenden Lektüre weiter anbieten. Übrigens hat es noch einen weiteren Vorteil, wenn die Gesetze mit abgedruckt sind: Viele nehmen ihre Bücher mit, wenn sie Verkäufern, Vermietern oder Arbeitgebern

beweisen wollen, dass diese einem

Rechtsirrtum

auf-

liegen. Da kann es nicht schaden, wenn man dem Verkäufer, der den DVD-Player nicht gegen einen neuen

austauschen, sondern »erst einmal zum Hersteller ein-

schicken« will, gleich an Ort und Stelle den Wortlaut von § 439 Abs. 1 BGB vorlesen kann (vgl. das entsprechende Kapitel »Herstellergarantie« im ersten Lexikon der Rechtsirrtümer).

Wieso schreiben Sıe Bücher über Rechtsirrtümer?

Mich haben diese juristischen Märchen, mit denen ja auch ich als Verbraucher ständig konfrontiert werde, ganz einfach genervt. Wenn man zum x-ten Mal hört, dass eine Reklamation ohne Kassenbon (den ich so gut wie nie aufhebe) angeblich nicht möglich sein soll, denkt man sich irgendwann: Wer setzt eigentlich diesen ganzen Unsinn in

Einleitung 15

die Welt? Also habe ich mich an die Arbeit gemacht und das erste Lexikon geschrieben. Bekommen Sie eigentlich viele böse Briefe von Händlern, Wirten und Vermietern?

In erster Linie bekomme ich sehr nette Post. Es stimmt

aber, dass immer mal wieder Briefe und E-Mails zum Bei-

spiel von Einzelhändlern dabei sind, die sich darüber beklagen, welche Flöhe ich den Leuten angeblich ins Ohr setze. Darauf kann ich immer nur erwidern: Ich tue nichts

weiter, als den Leuten zu sagen, welche Rechte sie haben.

Wem diese Rechte nicht passen, der mag in eine Partei eintreten und versuchen, die entsprechenden Gesetze zu ändern. Jemanden nur deshalb unaufgeklärt zu lassen, damit es keinen Ärger gibt, kann wohl kaum die Lösung sein.

Ich habe folgendes Problem: ....... Wie ıst denn da die Rechtslage? Habe ich Recht oder mein Vermieter/Arbeitgeber/ Nachbar/Autohändler?

Dies ist ohne Zweifel die häufigste Anfrage, die ich erhal-

te. Ich bin zwar nicht nur Autor, sondern auch - und so-

gar in erster Linie — Rechtsanwalt in einer Kanzlei für Marken- und Medienrecht. In der Tat helfe ich also Mandanten bei ihren rechtlichen Problemen (und in der

Tat sind einige meiner Leser auch schon zu Mandanten geworden). Aber so gerne ich helfe: Natürlich kann ich als Anwalt keine kostenlose individuelle Rechtsberatung anbieten — auch nicht »nur mal eben ganz schnell per E-Mail oder

16 Einleitung am Telefon«, auch nicht »nur in diesem Ausnahmefall von krassem Justizunrecht, der auch fiir die Medien interessant wäre«, und auch nicht, wenn das Thema »doch auch

für das nächste Buch über Rechtsirrtümer genutzt werden könnte«. Einmal abgesehen davon, dass ich von Gesetzes wegen gar keine kostenlose Rechtsberatung anbieten darf, könnte ich meine Kanzlei andernfalls wohl bald dichtmachen. Deshalb: Kostenlosen Rechtsrat kann unsere Kanzlei leider nicht erteilen — bitte haben Sie hierfür Verständnis

und nehmen es mir nicht übel. Reguläre Mandatsanfragen nehmen wir natürlich gerne entgegen: www.hoecker.eu. Gelten

die

Rechtsirrtümer

auch

in

Österreich

und

der

Schweiz?

Jein, denn meine Bücher bilden grundsätzlich nur die Rechtslage in Deutschland ab. Allerdings sind sich die Rechtsordnungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ähnlicher, als viele vermuten. Es gibt gemeinsame Wurzeln, gegenseitige Einflüsse und vor allem eine harmonisierende EU-Gesetzgebung, die bewirken, dass so gut wie alle der in meinen Büchern beschriebenen Rechtsirrtümer sinngemäß auch in Österreich und - trotz fehlender EU-Zugehörigkeit - auch in der Schweiz gelten. Dies haben mir auch ähnliche Sammlungen von Rechtsirrtümern bestätigt, die es in österreichischen und schweizerischen Zeitschriften und Fernsehsendungen gab. Sıe erzählen mir zwar, dass ich Recht habe. Aber wie bekomme ich mein Recht auch durchgesetzt?

Einleitung 17

Recht haben und Recht bekommen - wie jeder weiß, sind das zwei Paar Schuhe. Eine allgemeingültige Strategie, wie man zu seinem guten Recht kommt, gibt es leider nicht. Grundsätzlich gilt aber Folgendes: Bei Kleinigkeiten lohnt es sich oft nicht, gleich einen Anwalt einzuschalten. Man sollte also zunächst freundlich und im Guten versuchen, selbst eine Lösung zu finden. Je besser man dabei über die Rechtslage informiert ist, desto überzeugender kann man auftreten. Es ist also wichtig, gut informiert zu sein. Bücher oder das Internet können dabei helfen, Klarheit in alltäglichen Rechtsfragen zu bekommen. Zu viel Zeit sollte man sich mit diesen Selbsthilfeversuchen jedoch nicht nehmen. Denn es besteht immer die Gefahr, dass man vor lauter Suche nach einer einver-

nehmlichen Regelung beispielsweise wichtige Fristen verpasst, von denen man gar nichts weiß. Bei gravierenden Problemen sollte man dagegen so schnell wie möglich eine anwaltliche Erstberatung einholen. Deren Kosten sind inzwischen in einem gewissen Rahmen verhandelbar, müssen also gar nicht so hoch ausfallen, wie viele immer noch befürchten. Die vermeint-

liche Scheu vor dem Gang zum Awalt ist daher in den meisten Fällen unberechtigt. Kann ıch mich in Ihrer Kanzlei bewerben?

Warum nicht? Wir beschäftigen Rechtsanwälte, Referendare, Studien-Praktikanten und Rechtsanwaltsfachangestellte. Wenn Sie sich also für eine solche Tätigkeit in einer Kanzlei für Marken- und Medienrecht interessieren,

dürfen Sie sich gerne mit den üblichen Bewerbungsunterlagen bei uns melden.

18 Einleitung Ich hoffe, diese Antworten waren hilfreich, und wünsche

nun viel Vergnügen und eine Menge neuer Erkenntnisse

bei der Lektüre dieses Buches!

Allgemeines

Adelstitel Irrtum: Ä Adlıge führen einen Adelstitel.

Richtig ist: Adels-»Titel« sind ein bloßer Namensbestandteil.

In der Regenbogenpresse kann man sich jede Woche aus- führlich darüber informieren, was »Prinzessin Lieselotte

von XY« oder »Graf Erwin von YZ« letztes Wochenende wieder Wildes in St. Moritz oder Marbella getrieben haben. Ganz unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Berichte sind schon die Namen der echten oder gekauften Adligen in der Regel falsch wiedergegeben. Denn Adelsbezeichnungen sind keine Titel im Rechtssinne. Anders als zum Beispiel ein Doktortitel sind sie vielmehr ein ganz gewöhnlicher Bestandteil des Nachnamens — und das schon seit 1919! Deswegen heißt es auch nicht »Prinzessin Lieselotte von XY«, sondern »Lieselotte Prinzessin

von XY«. Der Adels-»Titel« gehört also hinter den Vornamen und nicht davor. Etwas anderes mag allenfalls für unsere Fußball-Adligen »Kaiser Franz« und »Prinz Poldi« gelten. Aber die haben sich ihre Titel schließlich auch hart erarbeitet ...Und wie lautet die juristisch korrekte Anrede? Ganz einfach: Auch in der Anrede wird der Adelstitel nicht als Titel oder als Ersatz für die Bezeichnung »Herr« oder »Frau« verwendet, sondern wie ein gewöhn-

22 Allgemeines

licher Nachname. Adlige sehen das mitunter anders. Sie wollen kein gewöhnlicher »Herr« bzw. keine gewöhnliche »Frau« sein, weil dies traditionell bürgerliche, also unadelige Anreden sind. Sie wollen die Bezeichnungen »Herr« und »Frau« daher gar nicht héren, sondern behaupten mitunter, eine »Prinzessin von XY« sei mit »Guten Tag,

Prinzessin von XY!« und nicht etwa mit »Guten Tag, Frau Prinzessin von XY« anzusprechen. Das ware jedoch genauso falsch wie die Anrede »Guten

Tag, Schulze!« fiir einen Herrn Schulze. Denn wie gesagt:

Die Bestandteile »Prinzessin« oder »Graf« gehéren zum Nachnamen und ersetzen nicht die Anrede »Herr« oder »Frau«. Daher gehören die Bezeichnungen »Herr« und »Frau« zur juristisch korrekten Anrede hinzu, und es muss

zum Beispiel richtig heißen: »Guten Tag, Herr Prinz von Hannover«, und nicht einfach nur »Guten Tag, Prinz von Hannover«. Erst recht haben Adlige keinen Anspruch darauf, mit Bezeichnungen wie »Durchlaucht« oder »Königliche Hoheit« angesprochen zu werden. Dies sind folkloristische Bezeichnungen, die man benutzen darf, wenn man Blaublüter, die darauf bestehen, nicht vor den Kopf stoßen will und die bei offiziellen Anlässen genau aus diesem Grund auch verwendet werden. Einen Benutzungszwang gibt es jedoch nicht. Diese früheren Anreden haben keinerlei namensrechtliche Bedeutung. Bei Interesse siehe hierzu: Art. 109 Abs. 3 8.2 WRV (Weimarer Reichsverfassung), auch heute noch einfachgesetzlich gültig (BGBl. III. 401-2)

Arzttermin verpassen 23

Arzttermin verpassen Irrtum:

|

Arzttermine kann man entschädigungslos versäumen.

Richtig ist: Wer einen Arzttermin

verpasst, kann sich schadens-

ersatzpflichtig machen.

In der Regel machen Ärzte keinen Ärger, wenn Patienten einen Termin verpassen oder sehr kurzfristig absagen. Doch verlassen kann man sich darauf nicht. Wenn absehbar ist, dass die Untersuchung oder Behandlung viel Zeit in Anspruch nehmen wird, muss der Arzt in seinem Ter-

minkalender entsprechend viel Platz schaffen. Er kann für den Behandlungszeitraum keine anderen Termine annehmen. Wenn nun ein Patient nicht erscheint, entsteht dem

Arzt natürlich ein Verlust. Kaum ein säumiger Patient kommt jedoch auf die Idee, dass er für diesen Verlust aufkommen müsste. Denn aus irgendeinem Grund glauben viele Patienten, Arzttermine seien eine eher freiwillige Angelegenheit und jederzeit beliebig stornierbar. Doch da täuschen sie sich. Arzttermine sind durchaus verbindlich. In den Behandlungsverträgen ist zudem häufig eine Klausel enthalten, wonach der Patient Schadensersatz leisten muss, wenn er ohne triftigen Grund fernbleibt. Man sollte also eine gute Entschuldigung parat haben, wenn man nicht erscheint — zum Beispiel eine Krankheit. Wer beim Kieferorthopäden einen Termin für eine Zahnbehandlung ausgemacht hat, sollte die Behandlung allerdings nicht gerade wegen Zahnschmerzen absagen.

24 Allgemeines

Wer keine Entschuldigung vorweisen kann und wem

der Arzt beweisen kann, dass ihm durch den versäumten Termin ein Schaden entstanden ist, der kann vom Arzt er-

folgreich auf Ersatz dieses Schadens verklagt werden — ohne dass Krankenkasse oder Krankenversicherung hierfür später aufkommen müssten. Beachten muss man dabei

jedoch, dass der Schadensnachweis für den Arzt nicht immer einfach ist. Er muss schon sehr konkret darlegen, dass er die Behandlungszeit nicht für andere Patienten genutzt hat, dies aber hätte tun können, wenn er rechtzeitig erfahren hätte, dass der Patient nicht kommen würde.!

Fazit: Arzttermine sollte man ernst nehmen - nicht nur aus gesundheitlichen, sondern auch aus rechtlichen Gründen.

Bei Interesse siehe hierzu:

$ 252 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Entgangener Gewinn« $ 280 BGB, »Schadensersatz wegen Pflichtverletzung« $ 281 BGB, »Schadensersatz statt der Leistung wegen nıcht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung«

Beschädigung geliehener Sachen Irrtum: Wer etwas

Geliehenes beschädı gt, erhält Ersatz

von

seiner Haftpflichtversicherung.

Richtig ist:

Die Haftpflichtversicherung übernimmt keine Schäden an geliehenen Sachen.

Beschädigung geliehener Sachen 25

Eine unangenehme Situation: Man leiht sich zum Bei-

spiel ein Notebook, lässt es fallen und muss dem Verleiher

den nunmehr kaputten Gegenstand zurückgeben. Aber zum Glück gibt es ja Haftpflichtversicherungen, die solch einen Schaden übernehmen. Oder etwa nicht? Haftpflichtversicherungen sind zwar grundsätzlich eine schöne Sache, in der Praxis sind sie jedoch oft zu wenig

nütze. Denn ausgerechnet in vielen Situationen, in denen man besonders Gefahr läuft, einen Schaden anzurichten,

greifen die Haftpflichtversicherungen nicht. Vielen ist das nicht klar. Dass Schäden durch das Freisetzen radioaktiver Strahlung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, wird man als Privatperson sicher noch verkraften können. Ärgerlich ist es jedoch, dass auch jegliche Schäden an gemieteten oder entliehenen Sachen ausgenommen sind. Für unser Beispiel heißt das: Wer ein Notebook fallen lässt, das er sich von einem Bekannten geliehen hat, hat

Pech gehabt. Er muss den Schaden selbst tragen, seine Versicherung tritt nicht ein. Anders wäre es, wenn man sich das Notebook nicht leihen, sondern stolpern und es dabei versehentlich mit zu Boden reißen würde. Dann müsste die Haftpflichtversicherung für den Schaden aufkommen. Schadenssachbearbeiter in Versicherungen wissen ein Lied davon zu singen, wie häufig es aus diesem Grund vorkommt, dass Versicherungsnehmer in Wohnungen von Bekannten »stolpern« und dabei etwas beschädigen, was sie sich vorher selbstverständlich keinesfalls ausgeliehen hatten. Fazit: Es ist vorteilhaft, wenn man Sachen, die man

kaputt macht, nicht zuvor von jemand anderem entliehen hat.

26 Allgemeines Bei Interesse siehe hierzu: Ziffer 7.6 AHB (Allgemeine Versicherungsbedingungen für dıe Haftpflichtversicherung, Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.)

Bezahlen mit 500-Euro-Schein? Irrtum: Geld ıst Geld. Auch 500-Euro-Scheine Zahlungsmittel akzeptiert werden.

müssen

als

Richtig ist: Große Scheine müssen nicht immer akzeptiert werden.

Es ist ja verständlich, dass Kioske oder Tankstellen nicht gerade begeistert sind, wenn man das Päckchen Kaugummi oder die 10-Euro-Tankfillung mit einem 500-EuroSchein bezahlen möchte. Oft kriegt man daher vom Verkäufer zu hören: »Tut uns leid, wir nehmen nur kleine

Scheine!« Doch ist das überhaupt zulässig? Oder sind die Verkäufer verpflichtet, Scheine jeglicher Größe anzunehmen? Grundsätzlich ja. Denn es gilt der Satz: »Geld ist Geld.« Ein 500-Euro-Schein ist immerhin genauso ein gesetzliches Zahlungsmittel wie ein 10-Euro-Schein. Ein Verkäufer, der eine angebotene Kaufpreiszahlung nicht akzeptiert, gerät daher in so genannten »Annahmeverzug«. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen. Der Verkäufer hat tatsächlich die Möglichkeit, in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Annahme großer Scheine auszuschließen. Er kann also ein Schild aufhän-

Bezahlen mit 500-Euro-Schein?

27

gen, auf dem es beispielsweise heißt, dass Scheine nur

bis zu einem Wert von 100 Euro angenommen werden. Selbst wenn ein solches Schild nicht aushängt, kann er die Annahme verweigern, wenn der Schein im Verhältnis zum Kaufpreis unüblich groß ist. Wenn man also versucht, das schon zitierte Päckchen Kaugummi im Wert von einem Euro mit einem 500-Euro-Schein zu bezahlen, wird jeder Verkäufer die Annahme verweigern können, egal ob das in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht oder nicht. Denn es ist ihm nicht zuzumuten, für solch kleine

Einkäufe derart viel Wechselgeld vorzuhalten. Im Umkehrschluss heißt das jedoch: Selbst die kleinste

Tankstelle muss einen 500-Euro-Schein annehmen, wenn

sie unvorsichtigerweise erstens kein Schild ausgehängt hat, auf dem die Annahme solcher Scheine verweigert wird, und wenn zweitens der Preis nicht völlig außer Verhältnis zum gewählten Zahlungsmittel steht. Einen großen Tankstelleneinkauf von etwa 240 Euro wird man also mit einem 500-Euro-Schein bezahlen dürfen. Nimmt der Tankstellenbetreiber die Zahlung trotzdem nicht an, gerät er in Annahmeverzug. Das hat die interessante Folge, dass die so genannte »Gefahr« an dem angebotenen Geldschein nun auf den Tankstellenbetreiber übergeht. Konkret heißt das: Wenn der Schein dem Kunden auf dem Nachhauseweg gestohlen wird, braucht er die Tankstellenrechnung nicht mehr zu bezahlen. Verkäufer sollten also dreimal überlegen, bevor sie sich weigern, einen großen Schein anzunehmen! Bei Interesse siehe hierzu:

$ 293 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Annahmeverzug«

28 Allgemeines § 294 BGB, »Tatsächliches Angebot« $ 300 BGB, »Wirkungen des Gläubigerverzuges«

BGB und flotte Bienen Irrtum: Das BGB regelt ausschließlich wichtige Rechtsfragen.

Richtig ist: Das BGB regelt auch Fragen wie das »Bienenrecht«.

Wenn Jurastudenten im Laufe ihres Studiums des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu den Paragraphen 961 bis 964 vorstoßen, reiben sie sich zunächst verwundert die

Augen, um dann in schallendes Gelächter auszubrechen. Denn in diesen Normen ist allen Ernstes das deutsche »Bienenrecht« geregelt. Rechtswissenschaftler sind sich einig, dass es sich beim Bienenrecht um die mit Abstand irrelevanteste Rechtsmaterie handelt, die je im BGB kodifiziert wurde. Warum eigentlich? Sehen wir uns die Bestimmungen des deutschen Bienenrechts doch einmal an: $ 961 Eigentumsverlust bei Bienenschwärmen Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigentümer ıhn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigentümer die Verfolgung aufgibt.

Mit anderen Worten: Ein Imker, dessen Bienenschwarm

wegfliegt, verliert das Eigentum an den Tieren - es sei denn, er läuft ihnen hinterher. Solange er nicht außer Puste

BGB und flotte Bienen 29

gerät und den Bienen noch folgen kann, gehören sie also weiterhin ihm. Und wenn er nicht mehr kann? Dann werden die Bienen wilde, herrenlose Tiere und jeder andere darf sie sich aneignen. Na, wenn das kein Nutzwert für die Leser dieses Buches

ist! Bienenschwärme, die Sie in freier Natur herumfliegen sehen, dürfen Sie demnächst also einfangen und behalten — es sei denn, ein Mann mit hochrotem Kopf und einem Kescher kommt gleich hinter dem Schwarm hergelaufen und brüllt: »Das sind meine!« Nun ist es für einen gewöhnlichen deutschen Imker natürlich nicht ganz einfach, einen Schwarm ausgebüxter Bienen zu verfolgen, der einfach fliegt, wohin er will. Was soll man zum Beispiel tun, wenn die Bienen über ein Privatgrundstück fliegen, an dessen Jägerzaun es unmissverständlich heißt: »Betreten des Grundstücks verboten!«? Oder noch schlimmer: Auf dem Privatgrundstück befindet sich zufällig ein leerer Bienenstock, in den der flüchtige Schwarm kurzerhand einzieht. Keine Sorge, liebe Imker, natürlich gibt es auch für diese gravierenden Probleme eine ausdrückliche gesetzliche Regelung: $ 962 Verfolgungsrecht des Eigentümers 1Der Eigentümer des Bienenschwarms darf bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. ?Ist der Schwarm in eine fremde nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, SO darf der Eigentümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Er hat den entstehenden Schaden zu ersetzen.

30 Allgemeines

So viel zum Thema Hausbesetzung durch Bienen. Aber

wie sieht es aus, wenn die Bienen auf dem fremden Grundstück nicht in einen leeren, sondern in einen bereits be-

setzten Bienenstock einziehen, also sozusagen eine Wohngemeinschaft mit fremden Bienen gründen? In einem solchen Fall hat der Alteigentümer leider Pech gehabt, denn er verliert seinen Schwarm an den Fremdimker:

$ 964 Vermischung von Bienenschwarmen !Ist ein Bienenschwarm in eine fremde besetzte Bienenwohnung eingezogen, so erstrecken sich das Eigentum und die sonstigen Rechte an den Bienen, mit denen die Wohnung besetzt war, auf den eingezogenen Schwarm. 2Das Eigentum und die sonstigen Rechte an dem eingezogenen Schwarm erlöschen.

Wer jetzt immer noch nicht davon überzeugt ist, dass der Gesetzgeber mitunter Regelungen erlässt, deren praktische Bedeutung zumindest als diskussionswürdig bezeichnet werden kann, dem sei abschließend noch $ 963 BGB ans

Herz gelegt. Diese Norm regelt den Fall, dass am selben Tag gleich mehrere Bienenschwärme unterschiedlicher Imker meinen, es sei mal wieder Zeit für einen Umzug,

und gleichzeitig in die große weite Welt hinausfliegen. Zufällig treffen die Schwärme dann irgendwo aufeinander, finden sich gegenseitig sympathisch und vereinigen sich zu einem einzigen Schwarm. Zwei von, sagen wir einmal, vier Imkern haben es geschafft, ihrem jeweiligen Schwarm über Stock, Stein und allerlei Privatgrundstücke zu folgen. Nun treffen sie aufeinander und fangen den vereinten Gesamtschwarm ein. Da stellt sich doch die Frage: Wem gehört der Schwarm? Die Antwort liefert $ 963 BGB:

Bonn Regierungssitz? 31 $ 963 Vereinigung von Bienenschwärmen Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme mehrerer Eigentümer, so werden die Eigentümer, welche thre Schwärme verfolgt haben, Miteigentümer des eingefangenen Gesamtschwarms; die Anteile bestimmen sıch nach der Zahl der verfolgten Schwärme.

Die beiden konditionsstarken Imker werden also hälftige Miteigentümer des neuen Schwarms und müssen sich dessen Honig künftig teilen. Die weniger laufstarken Imker gehen leider leer aus. Übrigens: In den mehr als 100 Jahren, die seit Inkrafttreten des BGB vergangen sind, hat es — soweit ersichtlich - bisher noch nie eine bienenrechtliche Gerichtsentscheidung gegeben. Bei Interesse siehe hierzu:

$$ 961 bis 964

BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Eigentums-

verlust bei Bienenschwärmen«, »Verfolgungsrecht des Eigentümers«, »Vermischung von Bienenschwärmen«, »Vereinigung von Bienenschwärmen«

Bonn Regierungssitz? Irrtum: Bonn 1st neben Berlin immer noch Regierungssitz, denn dort befinden sich nach wie vor Ministerien.

Richtig ist: Berlin ist alleiniger Sitz des Verfassungsorgans Bundesregierung.

32 Allgemeines

Sechs Bundesministerien haben immer noch ihren ersten Dienstsitz in Bonn: das Bundesministerium der Verteidigung sowie die Bundesministerien für Ernährung, Land-

wirtschaft und Verbraucherschutz, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, für Umwelt, Natur-

schutz und Reaktorsicherheit, für Gesundheit sowie für

Bildung und Forschung. Alle übrigen Ministerien sowie Bundesrat und Bundespräsident haben in Bonn außerdem einen Zweitsitz. Die Tatsache, dass Regierungsfunktionen nach wie vor in Bonn angesiedelt sind, verleitet viele zu dem falschen

Schluss, dass Bonn, wenn auch nicht mehr Hauptstadt, so

doch wenigstens nach wie vor (halber) Regierungssitz ist. Tatsächlich ist Berlin jedoch alleiniger Sitz des Verfassungsorgans Bundesregierung. So ist es ausdrücklich im Berlin/Bonn-Gesetz von 1991 geregelt. Der Umstand, dass Bonn organisatorisch in die Arbeit der Bundesregierung einbezogen ist, ändert hieran nichts. Er rechtfertigt es nicht, Bonn weiterhin als Regierungssitz zu bezeichnen. Aus diesem Grund schmückt Bonn sich auch selbst nur mit dem Titel »Bundesstadt«.

Bei Interesse siehe hierzu: § 3 Abs. 1 Berlin/Bonn — Gesetz, »Sitz der Bundesregterung«

Doktortitel Namensbestandteil?

33

Doktortitel Namensbestandteil? Irrtum: Der Doktortitel ist Bestandteil des Namens, deshalb muss man Promovierte mit threm Titel ansprechen.

Richtig ist: Der Doktortitel ist kein Namensbestandteil, sondern nur ein akademischer Grad, den man in der Anrede weglassen darf.

Dass der Doktortitel Bestandteil des Namens sei, ist ein

sehr weit verbreitetes Gerücht. In der promovierten Akademikern verbreitet, gründung darauf bestehen, dass man ihrem Titel anzusprechen habe. Selbst

Regel wird es die mit dieser sie gefälligst von Doktoren

von Bemit der

Jurisprudenz, die es eigentlich besser wissen müssten, hört

man das Märchen vom Doktortitel als Namensbestandteil immer wieder. Und sogar die Kammer für Disziplinarsachen des Verwaltungsgerichts München meinte in einer Entscheidung aus dem Jahre 1988, dass ein Beamter sich nicht über den ausdrücklichen Wunsch seines Vorgesetz-

ten hinwegsetzen dürfe, mit dem Doktortitel angesprochen zu werden.? Alles andere sei ein Verstoß gegen das »beamtenrechtliche Höflichkeitsgebot«. Dabei stellt sich die Frage, weshalb ausgerechnet dem akademischen Grad des Doktors diese Ehre zukommen soll. Schließlich ist ja auch noch niemand auf die Idee gekommen, die Bezeichnung »Diplom-Ingenieur« sei ein Bestandteil des Namens. In Wahrheit gehören akademische Grade und Berufsbezeichnungen nicht zum Namen. Dies ist höchstrichterlich längst entschieden.” Die Auffassung des Ver-

34 Allgemeines

waltungsgerichts Miinchen war daher falsch, worauf der damalige Vorsitzende Richter am Bundesdiziplinargericht Dietrich Mayer in einer Entscheidungsanmerkung zu Recht hinweist.* Wer einen promovierten Akademiker nicht mit seinem Doktortitel ansprechen möchte, kann also nicht dazu gezwungen werden. Das Weglassen des

Titels ist keine Beleidigung. Dies dürfen Sie künftig jedem Zahnarzt entgegenhalten, der am Kneipentresen von Ihnen verlangt, ihn ehrfurchtsvoll als Herrn Dr. Bollmann anzusprechen. Wenn es Ihnen mehr Spaß macht, könnten

Sie alternativ natürlich auch auf seinen Wunsch eingehen und von ihm mit der gleichen »Berechtigung« verlangen, als »Herr Kälteanlagenbauermeister« oder »Frau DiplomÖkotrophologin« angesprochen zu werden. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 132a StGB (Strafgesetzbuch), »Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen«

Domain = Marke? Irrtum: Mit

einer Domainanmeldung

kann

man

sich einen

bestimmten Namen schiitzen.

Richtig ist: Eine Domain 1st keine Marke.

Mit der Wahl ihres Firmennamens geben sich Jungunternehmer in der Regel besonders viel Mühe. Schließlich ist

die Marke, unter der man im Geschäftsverkehr auftritt,

Domain = Marke?

35

das mit Abstand wichtigste Aushängeschild. Weniger Mühe geben sich jedoch viele mit dem Schutz dieser Marke. Oft wird der Name nur als Domain im Internet angemeldet. Das ist zwar sinnvoll, aber noch lange nicht ausreichend. Anders als viele glauben, gewährt eine bloße Domainanmeldung ihrem Inhaber keinerlei Schutz. Eine Domain ist keine eingetragene Marke! Jeder andere kann sich den Domainnamen ohne weiteres als eingetragene Marke für alle möglichen Waren und Dienstleistungen schützen lassen. Später können es solche Markeninhaber dem Domaininhaber gegebenenfalls sogar verbieten, seine Domain und seinen Firmennamen für seine Waren und Dienstleistungen zu benutzen, falls diese von der Markeneintragung erfasst sind. Deshalb: Eine Internet-Domainanmeldung reicht nicht,

wenn man sich einen Namen schützen lassen will. Ver-

nünftigen Schutz erhält man nur durch eine Markenanmeldung, die gar nicht so teuer ist, wie viele befürch-

ten. 10 Jahre Markenschutz für Deutschland kosten ab 300 Euro (Gebühren des Patent- und Markenamtes). Hin-

zu kommen die Gebühren eines Rechtsanwalts für Markenrecht, den man bei der Anmeldung hinzuziehen sollte. In einfachen Fällen liegen sie ebenfalls nur im mittleren dreistelligen Euro-Bereich. Bei Interesse siehe hierzu: $ 3 MarkenG Zeichen«

(Markengesetz),

»Als Marke

schutzfähige

|

36 Allgemeines

Eigentum an Geldscheinen Irrtum: Eigentümerin der Euro-Scheine und -Münzen 1st die Europäische Zentralbank.

Richtig ist: Das Geld gehört nicht der EZB, sondern den Bürgern. Viele Menschen glauben, die Geldscheine und -münzen

in ihrer Geldbörse gehörten »eigentlich« der Europä-

ischen Zentralbank (EZB), mit der Folge, dass man sie

zwar ausgeben, nicht aber zerstören dürfe. Wer sich seine Havanna-Zigarre also mit einem 500-Euro-Schein anzünde, mache sich strafbar.

Abgesehen davon, dass das Bürgerliche Gesetzbuch kein »eigentliches« Eigentum kennt, muss man sich einmal die Frage stellen, welchen Grund es haben sollte, Menschen das Eigentum an ihrem Geld vorzuenthalten. Weshalb sollte man es irgendjemandem verbieten, sein Vermögen zu zerstören, wenn er Lust dazu hat? Wer so dumm ist, sein Geld zu verbrennen, der mag dies tun. Er

schadet damit niemandem, sondern bremst möglicherweise sogar die Inflation, indem er Geld aus dem Umlauf nimmt.

Selbstverständlich ist die EZB nicht mehr Eigentümerin des Geldes, das sie in den Verkehr bringt. Es ist schwer zu sagen, woher dieses Gerücht stammt. Möglicherweise beruht es auf einer falschen gedanklichen Parallele zu Personalausweisen und Reisepässen, die in der Tat immer Eigentum der Bundesrepublik Deutschland bleiben. Seien Sie also beruhigt: Ihr Geld gehört tatsächlich Ihnen und

Eindeutigkeit des Rechts 37

nicht einer europäischen Institution mit Sitz in Frankfurt

am Main. Sie können damit machen, was Sie wollen, und

müssen keine strafrechtlichen Konsequenzen befürchten,

wenn Sie sich an einem Stanz-Automaten im Freizeit-

park ein Geldstück zu einer Erinnerungsmünze pressen

lassen, Ihre Cohiba mit einem Geldschein anzünden oder Münzen unwiederbringlich in einen tiefen Brunnen wer-

fen, auf dass Ihnen dies Glück bringe.

Bei Interesse siehe hierzu: $ 903 BGB (Bürgerliches

Gesetzbuch),

»Befugnisse

des

E igentümers«

Eindeutigkeit des Rechts Irrtum: Die Rechtswissenschaft ist eine exakte Wissenschaft.

Richtig ist:

Zwei Juristen, drei Meinungen.

Nicht jeder geht gerne zum Rechtsanwalt, wenn er ein Problem hat. Denn erstens sind die viel zu teuer und zweitens geben sie einem sowieso keine klaren Antworten. So jedenfalls sagt man. Dass Rechtsanwälte in Zeiten zunehmenden Wettbewerbs heute gar nicht mehr so teuer

sind, wollen wir einmal beiseitelassen. Aber wie sieht es mit den klaren Antworten aus, die alle von ihnen haben

wollen? Ein eindeutiges »schwarz« oder »weiß« als Antwort wird man in vielen Fällen in der Tat nicht bekommen.

38 Allgemeines

Wer etwas anderes erwartet, unterliegt einem verbreiteten Missverständnis: jenem, dass die Juristerei eine exakte Wissenschaft sei. Wenn jeder Sachverhalt eindeutig, das heißt, von allen Juristen immer exakt gleich beurteilt werden könnte, bräuchte man keine Juristen.

Ein Computer würde genügen. Man müsste ihn nur mit einigen Daten zu einem konkreten Lebenssachverhalt füttern und er würde die korrekte rechtliche Lösung ausspucken.

Zur Enttäuschung vieler Rechtsratsuchender ist der

Graubereich also groß. Aber wozu brauchen wir dann überhaupt Rechtsanwälte? Ganz einfach: Erstens, um einzuschätzen, wo ungefähr

im Graubereich wir stehen — eher bei schwarz oder bei weiß? Zweitens, um zu erfahren, wie wir es schaffen, uns

innerhalb des Graubereichs weiter in Richtung schwarz oder weiß zu bewegen. Und drittens natürlich, um den Gegner oder den Richter im Streitfall davon zu überzeu-

gen, dass man in Wahrheit bereits jetzt ganz eindeutig im schwarzen oder im weißen Bereich steht.

EU-Verordnung zum Krümmungsgrad von Gurken und Bananen Irrtum: Eine EU-Verordnung schreibt den Krümmungsgrad von Gurken und Bananen vor.

Richtig ist: Gurken wollen.

und Bananen

dürfen so krumm

sein, wie sie

EU-Verordnung zum Kriimmungsgrad von Bananen

39

Mit Kritik an der Europäischen Union (EU) kann man eigentlich nie danebenliegen. Briissel ist in der Vorstellung vieler ein bürokratischer Moloch, der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er komplizierte unsinnige Regelungen erlässt wie zum Beispiel eine Verordnung, die den Krümmungsgrad von Gurken und Bananen vorschreibt. Das muss man sich mal vorstellen! Diese EUBürokraten

wollen

uns

tatsächlich vorschreiben,

wie

krumm unsere Lebensmittel zu sein haben! Wahrschein-

lich stecken wieder einmal die Franzosen dahinter, die

sich solche perfiden Regelungen ausgedacht haben, um so mittelbar ihre kümmerlichen Übersee-Bananen vor

unerwünschter Konkurrenz zu schützen, die die hohen

europäischen Krümmungsstandards nicht einhalten können.

So oder so ähnlich kann man die Menschen nicht nur

in Deutschland, sondern überall in Europa schimpfen hören. Was aber hat es tatsächlich mit solchen angeblichen Auswüchsen europäischer Regelungswut auf sich? Fakt ist: Selbstverständlich gibt es keine EU-Norm, die vorschreibt, wie krumm irgendwelche Lebensmittel zu sein haben. Was sollte auch die Rechtsfolge sein, wenn eine Banane einen um 3 Grad zu geringen Krümmungsgrad aufweist? Ein striktes Einfuhrverbot? Oder vielleicht ihre sofortige Vernichtung? Einen solchen Unsinn denkt sich nicht einmal die EU aus. Richtig ist dagegen, dass die EU sich bemüht, das Recht ihrer 27 Mitgliedstaaten zu harmonisieren und die Rechtslage damit nicht zu komplizieren, sondern zu vereinfachen. So gibt es in der Tat EUVerordnungen, die zum Beispiel Industrienormen oder Handelsklassen vereinheitlichen. Die meisten dieser Regelungen sind jedoch keine Erfindung der EU; schon

40 Allgemeines

immer gab und gibt es in den einzelnen EU-Ländern vergleichbare Regelungen. Doch niemand hat etwas davon, wenn jedes Mitgliedsland sein eigenes Regelungssüppchen kocht. Eine europäische Harmonisierung ist also sinnvoll. Und so gibt es tatsächlich auch eine EU-Verordnung zum Krümmungsgrad von Gurken. Sie schreibt jedoch nicht vor, wie krumm die Gurken zu sein haben, son-

dern sortiert sie lediglich in Handelsklassen ein. Gurken der Klasse »Extra« und der Klasse I haben demnach eine

maximale Krümmung von 10 mm auf 10 cm Länge. Sie

sind also praktisch gerade. Natürlich fragt man sich: Wer will denn wissen, wie gerade eine Gurke ist? Den meisten Verbrauchern wird dies vielleicht egal sein. Der Handel jedoch hat sich ausdrücklich die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Handelsklassensystems gewünscht, denn Gurken einer europaweit einheitlichen Handelsklasse lassen sich besser abpacken. So einfach ist das. Abschließend soll noch mit einem weiteren EU-Marchen aufgeräumt werden. Folgender Spruch geistert seit

Jahren hartnäckig im Internet herum:

»Die Zehn Gebote haben 279 Wörter, die amerikanische Unabhängıgkeitserklärung hat 300 Wörter. Die EUVerordnung zur Einfuhr von Karamellbonbons hat 25911 Wörter.«

Einmal abgesehen davon, dass auch die amerikanische Unabhängigkeitserklärung nicht mit 300 Wörtern auskommt — sie hat immerhin 1323 Wörter —, hat dieser hüb-

sche Spruch einen weiteren Haken: Eine Verordnung zur Einfuhr von Karamellbonbons gibt es genauso wenig wie die eingangs zitierte Verordnung zum Krümmungsgrad

Hitzefrei fiir Arbeitnehmer

von Bananen!

Fazit: Ganz

41

so schlimm, wie manches

populistische Gerede uns glauben machen will, ist die EU gar nicht. Wir wollen doch schließlich alle, dass unser Föhn irgendwann in jedem EU-Land in die dortigen Hotelsteckdosen passt. Hoffen wir also auf den Erlass einer EU-Verordnung zur Vereinheitlichung der europäischen Steckdosensyteme, anstatt auf die EU-Bürokratie zu schimpfen, wenn eine solche Regelung eines Tages tatsächlich kommen sollte. Bisher ist sie leider daran gescheitert, dass die Mitgliedstaaten sich nicht auf einen einheitlichen Standard einigen konnten. Bei Interesse siehe hierzu: Verordnung (EWG) Nr. 1677/88 der Kommission vom 15. Juni 1988 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken, Anhang, Ziffer II B

Hitzefrei für Arbeitnehmer Irrtum: Hitzefrei gibt es nur ın der Schule.

Richtig ist: Auch Arbeitnehmer können hitzefrei verlangen.

Hitzefrei hatten die meisten zum letzten Mal in der Schule. Dass man auch am Arbeitsplatz die Arbeit niederlegt, wenn es zu heiß wird, und ganz einfach nach Hause geht — auf diese Idee kommt fast niemand. Es gibt auch nur sehr wenige arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen, die zu diesem Thema geführt werden. Entweder wissen die

42 Allgemeines Arbeitnehmer also nicht um ihre Rechte, oder sie trauen

sich nicht, sie auszutiben. Denn einen Anspruch auf »hitzefrei« gibt es tatsächlich! Das Gesetz schreibt vor, dass in Arbeitsräumen eine

»gesundheitlich zuträgliche Arbeitstemperatur« zu herrschen hat. Grundsätzlich gilt, dass es bei Außentemperaturen bis zu 32 °C im Büro nicht wärmer als 26 °C sein sollte. Wenn die Außentemperatur über 32 °C liegt, sollte es in den Arbeitsräumen mindestens 6 °C kühler sein als draußen.” Gemessen wird direkt am Arbeitsplatz. Der Arbeitnehmer kann also verlangen, dass ihm ein ordnungsgemäß temperierter Arbeitsraum zur Verfügung gestellt wird. Dagegen ist es ein Gerücht, dass Arbeitgeber verpflichtet sein sollen, ab einer bestimmten Temperatur kostenlos gekühlte Getränke bereitzustellen. Sollte der Arbeitgeber die Büros gemietet haben, kann dieser wiederum von seinem Vermieter verlangen, dass der

die erforderlichen Baumaßnahmen trifft. Denn Büromiet-

räume, die sich nicht ausreichend abkühlen lassen, sind

mangelhaft.° Vielleicht lässt sich der Arbeitgeber mit diesem Argument davon überzeugen, freiwillig eine Klimaanlage einzubauen. Immerhin kann er die Kosten dafür auf den Vermieter abwälzen. Eine Lösung ist das jedoch nicht immer. Denn sensibilisiert durch Medienberichte, die jedes Jahr im Sommerloch wieder aus der Schublade geholt werden (»Ärzte war-

nen vor Klimaanlagen!«), schwört ein erheblicher Teil der

deutschen Bevölkerung Stein und Bein, dass er Klimaanlagen »nicht verträgt«, weil sie zu schwerwiegenden Erkrankungen wie steifem Nacken, Halsweh und Augenbrennen führen. Lieber sitzen die Klimaanlagenmuffel freiwillig in brütend heißen Büros und arbeiten durchge-

Hitzefrei fiir Arbeitnehmer

43

schwitzt dem Hitzschlag entgegen. (Dabei haben die Menschen in Landern wie den USA, in denen fast jedes Gebäude klimatisiert ist, erstaunlich bewegliche Nacken, auch hört man dort kein Lamento über Halsschmerzen und Augenbrennen. Es wäre einmal interessant, zu untersuchen, ob das Phänomen der Klimaanlagenüberempfindlichkeit nicht weitgehend auf Einbildung und Panikmache beruht bzw. ob Klimaanlagen nicht bloß reine Gewohnheitssache sind.)

Jedenfalls haben Arbeitnehmer Anspruch darauf, nicht

in einem Backofen zu arbeiten. Wenn der Arbeitgeber es versäumt, die Arbeitsräume vernünftig zu temperieren,

muss der Arbeitnehmer dort nicht arbeiten. Er kann sich »hitzefrei« nehmen und hat dennoch weiterhin Anspruch auf ungekürztes Gehalt.” Auch nacharbeiten muss er die ausgefallene Zeit nicht. Wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, hat dieser im Falle gesundheitsgefährdender Raumtemperaturen ein Mitbestimmungsrecht. Auch hier kann der Arbeitnehmer sich also Hilfe holen.

Bei Interesse siehe hierzu:

$ # Nr.

1 ArbSchG

(Arbeitsschutzgesetz),

»Allgemeine

Grundsätze« $ 3 ArbStättV (Arbeitsstättenverordnung), »Einrichten und

Betreiben von Arbeitsstätten« (Anhang 3.5: Raumtemperaturen) Abschnitt 2 Nr. 3.3 $ 87 Nr. 7 BetrVG mungsrechte« $ 536 Abs. 1 BGB rung bet Sach- und $ 618 Abs. 1 BGB,

ASR 6 (Arbeitsstätten-Regel 6), a. F. (Betriebsverfassungsgesetz), »Mitbestim(Bürgerliches Gesetzbuch), »MietmindeRechtsmängeln« »Pflicht zu Schutzmaßnahmen«

44 Allgemeines

Keine Haftung bei Privatverkauf von gebrauchter Ware? Irrtum: | Wer Gebrauchtgegenstände verkauft, haftet nıcht.

Richtig ist: Auch Private haften beim Ware.

Verkauf von gebrauchter

Wer auf dem Flohmarkt oder über Ebay einen gebrauchten DVD-Spieler verkauft, wird sicher reichlich verwundert dreinblicken, wenn sich der Käufer drei, vier Monate später wieder meldet, sich darüber beklagt, dass das Gerät

nicht mehr funktioniert, und von seinen gesetzlichen Gewährleistungsansprüchen Gebrauch machen will. Gewährleistungsansprüche bei Verkauf von privat an privat? Und dazu noch bei gebrauchten Gegenständen? So etwas gibt es doch gar nicht ... Doch, so etwas gibt es sehr wohl! Auch bei Privatverkaufen und auch bei gebrauchten Gegenständen gilt eine gesetzliche Gewährleistungsfrist von immerhin zwei Jah-

ren! Der Käufer kann defekte Ware also zwei Jahre lang zurückbringen und vom Verkäufer wahlweise die Reparatur oder den Austausch gegen eine intakte Kaufsache verlangen. Wenn der Käufer die Ware innerhalb der ersten sechs Monate ab Übergabe reklamiert, spricht für ihn sogar eine so genannte Beweislastumkehr: Der Verkäufer muss demnach beweisen, dass die Ware bei Übergabe an den Käufer in Ordnung war. Das wird ihm in den seltensten Fällen gelingen, so dass eine Reklamation innerhalb der ersten

Keine Haftung bei Privatverkauf von gebrauchter Ware?

45

sechs Monate für den Käufer im Allgemeinen ein Kinderspiel ist. Erst während der folgenden anderthalb Jahre kehrt sich die Beweislast zugunsten des Verkäufers um. Nun muss der Käufer beweisen, dass die Ware schon beim

Kauf einen Fehler aufwies. Dies wird nun wiederum ihm in der Praxis sehr schwerfallen. Gibt es für den Verkäufer eine Möglichkeit, die Ge-

währleistung auszuschließen? Ja, die gibt es in der Tat. Für Verkäufer empfiehlt es sich immer, einen schriftlichen Gewährleistungsausschluss zu vereinbaren. Es genügt folgender Satz: »Die gesetzliche Gewährleistung

ist ausgeschlossen.«

Bei privaten Autoverkäufen sind solche Klauseln bereits die Regel und auch bei Verkäufen über Internethandelsplattformen wie Ebay sind sie häufig zu finden. Sinnvoll sind sie jedoch — aus Sicht des Verkäufers — auch bei allen anderen Verkäufen. Bei Interesse siehe hierzu: $ 433 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag« $ 437 BGB, »Rechte des Käufers bet Mängeln« $ 439 BGB, »Nacherfüllung« $ 440 BGB, »Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz«

46 Allgemeines

Leihe oder Miete? Irrtum: Bei Autovermietern gibt es Leihwagen.

Richtig ist: Bei Autovermietern gibt es Mietwagen.

Zugegeben: Die Welt geht nicht unter, wenn jemand

einen Mietwagen falschlich als Leihwagen bezeichnet.

Juristen bekommen bei dieser Bezeichnung trotzdem Zahnschmerzen. Deshalb sei im Interesse der Berufskollegen folgender Hinweis gestattet: 1. Wenn man eine Sache für eine bestimmte Zeit unentgeltlich überlassen bekommt, dann hat man einen Leihvertrag geschlossen. . Man leiht sich etwas. 2. Wenn man eine Sache für eine bestimmte Zeit überlassen bekommt und dafür etwas bezahlen muss, dann hat man einen Mietvertrag geschlos-

sen. Man mietet sich etwas. Da Sixt & Co. ihre Fahrzeuge nicht umsonst zur Verfügung stellen, handelt es sich dabei also um Mietwagen und nicht um Leihwagen. Nicht anders sieht es bei einem Fahrrad-, Boots- oder

DVD-»Verleih« aus: Wenn jemand solch ein Schild aufhängt, dann nehmen Sie den vermeintlichen Verleiher doch einmal beim Wort und versuchen Sie, Fahrrad, Boot

oder DVD kostenlos zur Verfügung gestellt zu bekommen!

Bei Interesse $ 535 BGB Pflichten des $ 598 BGB,

siehe hierzu: (Bürgerliches Gesetzbuch), »Inhalt und HauptMietvertrages« »Vertragstypische Pflichten bei der Lethe«

Leihe, Schenkung, Tausch und Darlehen

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Leihe, Schenkung, Tausch und Darlehen Irrtum: Wer sich vom Nachbarn Salz, Mehl und Eier geben lässt, letht ste sich aus.

Richtig ist: Uber Salz, Mehl und Eter schließt man mit seinem Nachbarn im Allgemeinen einen Sachdarlehens-, Tausch- oder Schenkungsvertrag.

Im vorigen Kapitel wurde erklärt, dass manche Leihe in Wirklichkeit eine Miete ist. Aber eine vermeintliche Leihe kann bei genauer Betrachtung auch ein Darlehen, ein Tausch oder eine Schenkung sein. Wer sich zum Beispiel bei seinem Nachbarn Salz, Mehl und Eier »leiht«, um ein

paar Pfannkuchen zu machen, der kann alle möglichen Verträge geschlossen haben, aber sicher keinen Leihvertrag. Denn eine echte Leihe liegt nur vor, wenn man die ausgeliehene Sache - und zwar exakt dieselbe Sache anschließend wieder zurückgibt. Das ist bei Salz, Eiern und Mehl jedoch im Allgemeinen nicht der Fall. Denn aus diesen Grundstoffen sind inzwischen schließlich Pfannkuchen geworden. Man wird also - wenn überhaupt - am. nächsten Tag Salz, Eier und Mehl gleicher Art, Menge und Güte zurückbringen. Damit hätte man dann aber einen Sachdarlehensvertrag geschlossen — ganz ähnlich einem Gelddarlehen, bei dem man ja auch nicht verpflichtet ist, exakt die überlassenen Geldscheine wieder zurück-

zubringen. Alternativ kann es natürlich auch sein, dass man sich gar nicht verpflichtet, irgendetwas zurückzubringen. Dann hat man sich die Pfannkuchenzutaten erst

48 Allgemeines

recht nicht geliehen und auch keinen Sachdarlehensvertrag geschlossen; vielmehr liegt ein Schenkungsvertrag vor. Schließlich ist es noch denkbar, dass man dem Nachbarn verspricht, ihm zum Ausgleich für seine Hilfsbereitschaft später ein paar Pfannkuchen abzugeben. Das wäre dann auch keine Leihe, denn man bringt die Zutaten ja schließlich nicht im Rohzustand, sondern in Form von Pfann-

kuchen zurück. Und so etwas nennt man juristisch korrekt Tauschvertrag. Sie sind nun der Meinung, die Juristen tickten alle nicht mehr ganz sauber? Vielleicht haben Sie recht. Leihen Sie sich Ihre Eier also ruhig weiterhin aus! Bei Interesse siehe hierzu: $ 480 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), » Tausch« $ 516 Abs. 1 BGB, »Begriff der Schenkung« $ 535 BGB, »Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrages« $ 598 BGB, »Vertragstypische Pflichten bei der Lethe« $ 607 BGB, »Vertragstypische Pflichten beim Sachdarlehensvertrag«

Strandrecht Irrtum: Strandgut ıst herrenlos.

Richtig ist: Angeschwemmtes Strandgut ist eine gewöhnliche Fundsache.

Über Jahrhunderte galt angeschwemmtes Strandgut in Deutschland als herrenlos. Nach der Schleswig-Holsteini-

Strandrecht 49

schen Strandordnung von 1712 durften selbst gestrandete Schiffe gepliindert werden, sobald die Mannschaft von Bord gegangen war. Die Menschen beteten damals um einen »gesegneten Strand«, das heißt um möglichst viel Strandgut, das sie ganz legal einsammeln durften. Erst 1874 verbot eine Strandungsordnung im gesamten Deutschen Reich das Einsammeln und Behalten von Strandgut. »Seeauswurf und strandtriftige Gegenstände« mussten nun beim zuständigen Strandamt abgegeben werden, das dann den Eigentümer ermitteln sollte. Die jahrhundertealte Idee, dass Gegenstände, die das Meer an den Strand spült, herrenlos sind, ist trotzdem nie ganz aus den

Köpfen der Deutschen verschwunden. Viele empfinden den Gedanken als arg konstruiert, dass Dinge, die im Meer schwimmen, noch irgendjemandem gehören sollen. Auch die Strandungsordnung von 1874 konnte an diesem verbreiteten Rechtsempfinden nicht viel ändern. 1990 wurde die Strandungsordnung schließlich wieder abgeschafft. Seither wird Strandgut wie eine normale Fundsache behandelt. Und das bedeutet, dass »Strandräuberei«

in kleinem Rahmen wieder legal ist - ähnlich wie vor 1874. Anders als vor 1990 ist es heute nämlich erlaubt,

Strandgut zu behalten, ohne es der zuständigen Behörde zu melden - allerdings nur dann, wenn es nicht mehr wert ist als 10 Euro und man den Eigentümer nicht kennt. Zumindest Letzteres dürfte ja der Regelfall sein. Bei Interesse siehe hierzu: $ 965 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Anzeigepflicht des Finders«

50 Allgemeines

TV-Notare Irrtum: TV-Notare erbringen eine sinnvolle Tätigkeit.

Richtig ist: TV-Notare sind ein reines Show-Element.

TV-Notare haben im deutschen Fernsehen eine lange

Tradition. Schon in den 70er Jahren wachte der Notar und Oberschiedsrichter Dr. Eberhard Gläser darüber, dass in

der Quizshow »Der große Preis« mit Wim Thoelke alles mit rechten Dingen zuging. Auch heute noch machen

TV-Notare

in Spielshows darauf aufmerksam, dass der

Kandidat XY geschummelt hat, so dass sein Punkt nicht gewertet werden kann. Ferner haben sie die verantwortungsvolle Aufgabe, den Moderatoren von Casting-Sendungen gegen Ende der Show einen verschlossenen Briefumschlag mit den Ergebnissen des Televotings, also eine Liste mit den Namen der ausgeschiedenen Kandidaten zu überreichen. TV-Notare

wenn

kommen

also immer

es den Fernsehmachern

dann zum

Einsatz,

darauf ankommt,

ıhren

misstrauischen Zuschauern zu signalisieren: »Seht her, hier ist ein Notar. Hier wird nichts getürkt!« Ob im deutschen Fernsehen wirklich nie etwas getürkt

wird, wollen wir mal dahinstehen lassen. Eines ist zumin-

dest klar: Der Notar wäre jedenfalls der Letzte, der es mitbekommt. Denn wie, bitte schön, soll der arme Kerl

die Richtigkeit des Abstimmungsergebnisses überprüfen?

Alles, was er hat, ist ein Briefumschlag mit einem Stück

Papier, den ihm mutmaßlich die Assistentin des Aufnahme-

Vertraulichkeit der Bewerbung 51

leiters in die schwitzige Hand drückt, während er gerade

hinter den Kulissen mit einem Mikrofon verkabelt wird

und nervös auf seinen großen Auftritt wartet. Drei Minuten später darf er dann auf die Bühne, seine Grußformel loswerden und dem Moderator den Umschlag geben. Genauso gut könnte man einen Postboten einsetzen. Irgendein triftiger Grund dafür, weshalb ausgerechnet Notare solche Zustellungstätigkeiten übernehmen müssen, ist jedenfalls nicht erkennbar. Mit den üblichen Aufgaben eines Notares hat das, was TV-Notare tun, nicht

viel zu tun.

Bei Interesse siehe hierzu:

$$ 20-24 BNotO keit«

(Bundesnotarordnung), »Die Amtstätig-

Vertraulichkeit der Bewerbung Irrtum: Sperrvermerke in Bewerbun gen müssen beachtet wer-

den.

Richtig ist: Sperrvermerke sind in der Regel rechtlich unbeachtlich.

Wer sich aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis heraus bei einem anderen Arbeitgeber bewirbt, möchte in der Regel, dass der derzeitige Arbeitgeber nichts davon mitbekommt. Viele versehen ihre Bewerbung daher mit einem so genannten Sperrvermerk, also einem Hinweis, dass die Bewerbung gegenüber dem bisherigen Arbeitge-

52 Allgemeines

ber unbedingt vertraulich zu behandeln ist. Damit seien sie dann rechtlich abgesichert. So meinen sie jedenfalls. Doch so einfach ist es leider nicht. Wenn der mögliche neue Arbeitgeber in seiner Stellenausschreibung nicht gerade Vertraulichkeit zugesagt hatte, ist er nicht verpflichtet, eingehende Bewerbungen vertraulich zu behandeln. Der Personalchef darf also durchaus beim Vorgesetzten des Bewerbers anrufen und ihn zum Beispiel fragen, was. dem Bewerber an seinem bisherigen Arbeitgeber nicht gefällt - oder umgekehrt.

Wer diese Gefahr so weit wie möglich ausschließen

will, dem bleibt nichts anderes übrig, als den bisherigen

Arbeitgeber ganz einfach nicht zu nennen, sondern ihn lediglich zu umschreiben (»Ich bin stellvertretender Ver-

triebsleiter in einem mittelständischen Wellpappenwerk«). Nicht ungefährlich kann es natürlich auch sein, sich auf eine anonyme Chiffre-Anzeige zu bewerben, die neben der ausgeschriebenen Position nur die Branche des Inse-

renten nennt. Mit etwas Pech landet die Bewerbung als Assistent der Geschäftsleitung bei einem »führenden süddeutschen Damenoberbekleidungshersteller« dann drei Türen weiter auf dem Schreibtisch des eigenen Chefs. Da hilft es natürlich nur wenig, wenn man nur seinen Arbeitgeber geheim gehalten hat. In solchen Fällen bietet es sich daher an, die Zeitung, in der die Stellenanzeige erschienen ist, ausdrücklich darum zu bitten, die Bewerbung nicht an

den eigenen, namentlich genannten Arbeitgeber weiterzuleiten.

Wahrsager, Wunderheiler und ihre Honoraranspriiche

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Wahrsager, Wunderheiler und ihre Honoraranspriiche Irrtum: Rechnungen von Wahrsagern, Heilern und sonstigen esoterischen Dienstleistern muss man in jedem Fall bezahlen.

Richtig ist: In vielen Fällen muss man esoterische Leistungen nıcht bezahlen.

Der Markt für esoterische Waren und Dienstleistungen ist riesig. Da gibt es Seher, Hexen und Wunderheiler, die ihre

Künste und natürlich allerlei entsprechendes Zubehör anbieten, das zum Beispiel gegen Erdstrahlen, Handystrahlen oder Ähnliches schützen soll. Wer sich einmal auf einschlägigen »Messen« oder Internetseiten umgesehen und das Ausmaß dieses Marktes staunend zur Kenntnis genommen hat, kommt nicht umhin, am Verstand eines Teils der deutschen Bevölkerung zu zweifeln. Nun ist ja gar nichts dagegen zu sagen, wenn sich leicht alkoholisierte Familienväter in gelöster Stimmung auf der Kirmes mal von einer lustig verkleideten Wahrsagerin mit einem furchtbar geheimnisvoll klingenden Namen die Karten legen oder aus einer Glaskugel die Zukunft vorhersagen lassen. Man setzt sich hin, hört sich das alles an, grinst in sich hinein und hat noch eine halbe Stunde später großen Spaß, wenn man seinen Freunden berichtet, was die

Dame gesehen zu haben meint. Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, der »Seherin« für diese Unterhaltungsdienstleistung ein Honorar zu zahlen. Sie hat es sich schließlich

54 Allgemeines

redlich verdient. Denn beide Seiten wissen schließlich (hoffentlich), dass hier nicht wirklich die Zukunft vorher-

gesagt, sondern ganz einfach eine witzige Show abgezogen wird. Doch längst nicht immer gehen Kunden esoterischer Dienstleister mit der nötigen amüsierten Distanz an die Sache heran. Viele glauben tatsächlich fest daran, dass irgendwelche selbst ernannten »Hexen« ihre Ehe retten und den entlaufenen Partner »zurückzaubern« können. Oder sie schwören Stein und Bein, dass die angebliche »Wasserader«, die ein Wünschelrutengänger unter dem Bett gefunden haben will, schädliche »Erdstrahlen« aussendet, die

nur durch ein 1000 Euro teures Erdstrahlenabsorptionsgerät aufgehalten werden können. Bei derartigem Unfug hört der Spaß natürlich auf. Aber kann man in rechtlicher Hinsicht eigentlich noch etwas tun, wenn man solchen Scharlatanen aufgesessen ist? Viele lassen sich von dem

Umstand

täuschen, dass der Eso-

terikmarkt real existiert und funktioniert, und kommen gar nicht auf die Idee, dass ein Großteil der »Leistungen«, die

auf diesem Markt angeboten werden, gar nicht bezahlt werden müssten. Zum Beispiel ist man nicht verpflichtet, für unmögliche Leistungen zu bezahlen. Vieles spricht daher dafür, dass Rechnungen über Erdstrahlenabsorptionsgeräte nicht beglichen werden müssen, denn die angeblichen Wasseradern und Erdstrahlen existieren bekanntlich nicht.? Und da es auch nicht möglich ist, entlaufene Ehepartner ein-

fach wieder zurückzuhexen, bleiben auch die Anbieter

eines solchen Angebots auf ihrer Rechnung sitzen, wenn der Betrogene sie nicht bezahlen will. Anbieter von derlei parapsychologischem Humbug wurden schon mehrfach

Wahrsager, Wunderheiler und ihre Honoraranspriiche

55

von Gerichten zur Riickzahlung des erhaltenen Honorars verurteilt.?

In Fallen, in denen die vermeintlichen Magier und

Psychosekten auf psychisch labile Opfer Druck ausüben, kann der mit ihnen geschlossene Vertrag auch wegen Sittenwidrigkeit nichtig und das bereits gezahlte Honorar aus diesem Grund zurückzuzahlen sein. Und auch »Heiler«, die ihren Kunden ohne Zulassung als Arzt oder Heilpraktiker ernst gemeinte esoterische Heilbehandlungen angedeihen lassen, verstoßen gegen gesetzliche Verbote und können schon aus diesem Grund für ihr rechtswidriges Tun kein Honorar verlangen. All dies sollte sich jeder klar machen, der in einer schwachen Stunde oder einer psychisch labilen Phase viel Geld fiir unsinnigen Hokuspokus ausgegeben hat. Der Gang zum Anwalt kann sich in solchen Fallen lohnen! Bei Interesse siehe hierzu:

$ 134 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Gesetzliches Verbot« $ 138 BGB, »Sittenwidriges Rechtsgeschäft, Wucher« $ 275 BGB, »Ausschluss der Leistungspflicht« $ 326 BGB, »Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht« $ 812 BGB, »Flerausgabeanspruch« $ 814 BGB, »Kenntnis der Nichtschuld« $ 817 BGB, »Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten«

Familie und Jugendliche

Eheliche Treue Irrtum: Eine Rechtspflicht zur Treue in der Ehe gibt es seit den

70er Jahren nıcht mehr.

Richtig ist: Auch heute ıst die eheliche Treue eine Rechtspflicht.

Müssen Ehepartner einander eigentlich treu sein? Oder besteht die eheliche Treuepflicht, wenn überhaupt, nur auf dem Papier und hat keine rechtliche Bedeutung? Bis 1977 wusste jeder in Deutschland, dass Eheleute einander treu sein mussten. Es war allgemein bekannt, was Fremdgehern blühte: Im Scheidungsrecht galt das so genannte Verschuldensprinzip. Ein Ehepartner konnte sich scheiden lassen, wenn der andere eine schwere Verfehlung begangen hatte. Dazu zählte vor allem das Fremdgehen. Es wurde also geprüft, welcher der beiden Ehepartner die Trennung verschuldet hatte. Doch 1977 wurde das Verschuldensprinzip abgeschafft. Heute gilt nur noch das Zerrüttungsprinzip, wonach eine Ehe auch geschieden werden kann, ohne dass geprüft wird, auf wessen Seite die »Schuld« hierfür liegt. Die Zerrüttung der Ehe genügt als Scheidungsgrund. Viele glauben seither, dass die eheliche Treuepflicht nur noch ein Papiertiger ist und Fremdgehen keine negativen rechtlichen Folgen mehr haben kann. Doch das ist ein Irr-

60 Familie und Jugendliche

tum! Denn nach wie vor ist es eine Rechtspflicht, dass Ehepartner einander treu sind. Wer diese Pflicht verletzt, riskiert, dass seine Unter-

haltsansprüche gekürzt oder sogar ganz gestrichen werden.!® Der untreue Partner muss gegebenenfalls sogar die Detektivkosten ersetzen, die nötig waren, um seine Seiten-

sprünge aufzudecken."

Bei Interesse siehe hierzu:

$ 1353 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Eheliche Lebensgemeinschaft« $ 1579 Nr. 6 BGB,

»Beschränkung oder Wegfall der Ver-

pflichtung«

Elterliches Züchtigungsrecht Irrtum: Eltern steht gegenüber ihren Kindern ın einem gewissen Rahmen ein Züchtigungsrecht zu.

Richtig ist: Das elterliche Züchtigungsrecht schafft.

wurde 2000

abge-

»Schwarze Pädagogik« werden Erziehungsmethoden genannt, die auf Einschüchterung und Gewalt beruhen und häufig mit Sprüchen wie »Mir hat's damals auch nicht geschadet« gerechtfertigt werden. Häufig wird auch auf ein angebliches elterliches Züchtigungsrecht verwiesen. Danach sei es nicht strafbar, wenn Eltern gegenüber ihren Kindern »mal die Hand ausrutscht«.

Elterliches Ziichtigungsrecht 61

Man kann es gar nicht deutlich genug sagen: Selbstver-

ständlich haben Eltern kein Recht, ihre Kinder zu schla-

gen. Die Züchtigungsrechte des Dienstherrn gegenüber seinem Gesinde, des Ehemannes gegenüber der Ehefrau, des Meisters gegenüber dem Lehrling und des Lehrers gegenüber dem Schüler sind alle schon lange abgeschafft. Und

auch das bisschen, was von dem früher tatsächlich

existierenden elterlichen Züchtigungsrecht noch übrig war, ist seit dem Jahr 2000 endgültig Rechtsgeschichte. Wer sein Kind schlägt, hat nicht nur keine Ahnung von Erziehung, sondern macht sich auch strafbar, nämlich wegen Körperverletzung oder Misshandlung von Schutzbefohlenen. Wer das immer noch nicht begreifen will, für den lohnt es sich, den Gesetzeswortlaut in $ 1631 Ab-

satz 2 BGB einmal genau zu studieren:

»Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdıgende Maßnahmen sind unzulässig.«

Verboten sind danach nicht nur Schläge, sondern auch Einsperren, unnötig festes schmerzhaftes Zupacken und Festhalten und auch mündliche Äußerungen der Verachtung. Wer gegen diese Verbote verstößt, kann sich nicht nur wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung oder Beleidigung strafbar machen, sondern riskiert auch zivilrechtliche Sanktionen, in Extremfällen bis hin

zur Entziehung der elterlichen Sorge. Dem geschlagenen Kind können darüber hinaus Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen seine Eltern zustehen. Das Gesetz stellt jedoch nicht nur Verbote auf, sondern

hilft auch Eltern, die sıch nicht anders zu helfen wissen als

62 Familie und Jugendliche

durch das Schlagen ihrer Kinder. Wer mit seinem Nachwuchs nicht mehr klarkommt oder lernen will, wie man

Kinder gewaltfrei erziehen kann, der sollte sich vertrauensvoll und angstfrei an das zuständige Jugendamt wenden — und zwar so früh wie möglich. Dort gibt es praktische Hilfe, auch beim Erlernen des Einsatzes von positiven Erziehungsmaßnahmen wie Lob und Belohnung oder von zulässigen Sanktionen wie Taschengeldentzug, Ausgeh- oder Fernsehverbot. Bei Interesse siehe hierzu: $ 1631 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Inhalt und Grenzen der Personensorge« $ 1666 Abs. 1 BGB, »Gerichtliche Maßnahmen bet Gefährdung des Kındeswohls« $ 223 StGB (Strafgesetzbuch), »Körperverletzung« $ 225 StGB, »Misshandlung von Schutzbefohlenen«

Erbende Geschwister Irrtum: Geschwister sind gegenüber erbberechtigt.

Geschwistern gesetzlich

Richtig ist: Geschwister erben gar nichts, wenn nicht ausdrücklich 1m Testament des Bruders oder der Schwester steht, dass sie erben. Immer wieder erscheinen Menschen bei Rechtsanwälten für Erbrecht und schildern Situationen wie diese:

Erbende Geschwister 63

Kürzlich ist der 93-jahrige Bruder gestorben. Er hatte vor 25 Jahren das schöne große Elternhaus allein geerbt, weil er die gemeinsamen Eltern dort bis zu deren Tod betreut hatte. Die anderen Geschwister hatten zum Ausgleich damals nur ein wenig Geld bekommen. Nun war der Bruder bis ins hohe Alter durchaus lebenslustig gewesen und hatte sich noch kurz vor seinem Tod in die reizende 24-Jährige verguckt, die ihm immer das Essen auf Rädern brachte. Und wie das Leben so spielt: Die junge Dame erwiderte die Gefühle des wohlhabenden, kinder-

losen Senioren sogar! Ein halbes Jahr vor seinem Tod heirateten die beiden und alle waren glücklich. Na ja, fast alle. Die überlebenden Geschwister treibt nun nach dem Tod ihres Bruders nur eine Sorge um: Es würde sich wohl nicht verhindern lassen, dass zumindest ein Teil des Ver-

mögens, bestehend aus dem Elternhaus und 500000 Euro in bar, an die böse Erbschleicherin fallen würde. (Man

muss dazu sagen, dass Personen, die andere kurz vor deren Ableben ehelichen, per se böse Erbschleicher sind, jedenfalls wenn man die übrigen Verwandten des Verstorbenen fragt.) Ganz leer würde die Dame also nicht ausgehen. Aber könnte man wenigstens verhindern, dass sie das Elternhaus bekommt, in dem immerhin auch die Ge-

schwister aufgewachsen waren? Und wie hoch Pflichtteilsanspruch der Geschwister in Bezug Barvermögen? Nach sechs Monaten Ehe kann Person doch allenfalls mit einem Bruchteil dieser rechnen. Oder, Herr Rechtsanwalt?

ist der auf das so eine Summe

Dem Herrn Rechtsanwalt kommt in dieser Situation die unangenehme Aufgabe zu, den Geschwistern zu erklären, wie viel sie bekommen - nämlich gar nichts. Dass Geschwister pflichtteilsberechtigt sind, ist ein er-

64 Familie und Jugendliche

staunlich weit verbreiteter Rechtsirrtum. Natürlich rührt er daher, dass es kein engeres Verwandtschaftsverhältnis gibt als zwischen Geschwistern. Tatsächlich sind jedoch nur Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Eltern und

Abkömmlinge (Kinder, Enkel) pflichtteilsberechtigt, Ge-

schwister und sonstige Verwandte jedoch nicht. Elternhaus und Barvermögen gehen im vorliegenden Fall also vollständig an die trauernde Witwe. Bei Interesse siehe hierzu: $ 2303 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Pflichtteilsberechtigte; Höhe des Pflichtteils«

Nächtliches Ausgehverbot für Jugendliche? Irrtum:

Jugendliche unter 16 Jahren dürfen nachts nicht ohne Aufsichtsperson unterwegs sein.

Richtig ist:

Es gibt keine nächtliche Ausgehsperre für Jugendliche.

Es ist gut und richtig, dass 12-Jährige nachts zuhause im Bett liegen und schlafen, anstatt sich auf der Straße herumzutreiben. Es ist auch richtig, dass die Eltern als Erziehungsberechtigte hierauf Acht geben. Falsch ist allerdings die Begründung, die Kindern und Jugendlichen häufig für das nächtliche Ausgehverbot präsentiert wird: Nach 22 bzw. 24 Uhr sei es Kindern und Jugendlichen gesetzlich gar nicht mehr erlaubt, ohne Begleitung einer Aufsichtsperson aus dem Haus zu gehen. Tatsache ist jedoch: Kin-

Nächtliches Ausgehverbot für Jugendliche?

65

der und Jugendliche dürfen viel mehr, als die meisten

Eltern wissen (oder wissen wollen). So gibt es auch keine

gesetzliche Ausgangssperre für Kinder und Jugendliche nach 22 oder 24 Uhr. Sie dürfen also auch nachts auf der Straße herumlaufen. Verboten ist lediglich der Aufenthalt an bestimmten jugendgefährdenden Orten wie Kneipen oder Clubs. Was genau dürfen sie also? Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren dürfen sich

zwischen 5 Uhr und 23 Uhr ohne Aufsicht in Gaststätten aufhalten, wenn sie dort etwas essen oder trinken wollen.

Allerdings dürfen sie nur so lange bleiben, wie sie zuhause für die Mahlzeit oder das Getränk gebraucht hätten. Nach etwa einer Stunde müssen sie also wieder gehen. 16- und 17-Jährige dürfen dagegen bis 24 Uhr bleiben und müssen nach einem Getränk oder einer Mahlzeit auch nicht schon wieder gehen. Von diesen Regelungen gibt es eine Ausnahme, die kaum jemand kennt: Für Kinder und Jugendliche, die sich auf Reisen befinden, gelten alle diese Beschränkungen nicht. Sie dürfen also auch mitten in der Nacht ohne Begleitung einer Aufsichtsperson in Kneipen herumlungern. Und was ist unter einer Reise zu verstehen? Die »Durchführungshinweise zum Jugendschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen« wissen es ganz genau. Sie gelten sinngemäß auch in den anderen Bundeslandern: »Eine Reise im Sinne des § 4 Abs. 2 ist die nicht nur unerhebliche Fortbewegung von der Wohnung.«

15-Jährige, die sich »nicht nur unerheblich« von der Wohnung fortbewegen, dürfen sich also die Nacht in Kneipen

66 Familie und Jugendliche

um die Ohren schlagen. Und es kommt noch »besser«: Unter einer Reise ist nicht nur die erste Mofa-Iour mit Rucksack und Zelt zu verstehen, sondern sogar der Schulweg! Den Gastwirten wird in den oben zitierten Durchführungshinweisen auch ein Tipp an die Hand gegeben, worauf sie achten müssen, wenn Jugendliche ihnen nachts

um drei erzählen, sie seien gerade auf dem Weg zur Schule und hätten gerne ein Pils:

»Bei Kontrollen muss es unter Betrachtung der Umstände und des persönlichen Verhaltens glaubhaft sein, dass sich die

Person auf Reisen befindet (z.B. Mitführen von Reisegepäck oder Schultasche. Besitz einer Fahrkarte).« Also, liebe Kinder: Wenn der Wirt Euch das nächste Mal

nachts aus der Kneipe schmeißen will, dann zeigt ihm einfach Euren Schulranzen und eine Fahrkarte und erklärt ihm, dass Ihr auf dem Weg in die weit entfernte Schule seid. Oder Ihr habt einen Rucksack dabei und er-

zählt, dass Ihr das erste Mal ohne Eure Eltern Urlaub

macht. Natürlich müssen diese Geschichten aber auch stimmen! Wenn der Wirt sie Euch abnimmt, bekommt er

keine Probleme, falls seine Kneipe gerade in dieser Nacht kontrolliert wird. Wenn die »Reise-Ausnahme« nicht greift, muss ein Erziehungsbeauftragter her, der die Kinder und Jugendlichen begleitet. Aufsichtsperson kann prinzipiell jeder über 18 Jahren sein, dem die Eltern auferlegen, dass er sich in dieser Nacht um die Kinder und Jugendlichen kümmern und auf die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen achten soll. Wenn es in einer Gruppe 16- bis 19-jähriger Jugendlicher also einen Volljährigen gibt, der Lust hat, »Mama für eine Nacht« zu

Nächtliches Ausgehverbot für Jugendliche?

67

spielen, sollte sich dieser Folgendes von den Eltern der Minderjährigen schriftlich geben lassen: »Als die personensorgeberechtigten Eltern von Jessica Blaschke übertragen wır Herrn Kevin Kaczmarek als Erziehungsbeauftragtem für die Nacht vom 31.12.08 auf den 01.01.09 die Aufsicht über unsere Tochter und ver-

Pflichten thn hiermit zur Überwachung der Jugendschutzbestimmun gen.«

Eine mündliche Übertragung reicht zwar grundsätzlich

aus. Ein schriftliches Dokument ist aber besser, weil ein

Wirt sich damit eher überzeugen lässt. Selbstverständlich muss Kevin sich dann allerdings auch seinem Erziehungsauftrag entsprechend verhalten und sollte die Jugendschutzbestimmungen in Bezug auf Alkohol, Tabak usw. tatsächlich kennen. Denn wenn der Wirt den begründeten Eindruck gewinnt, dass Kevin sich als Autoritätsper-

son nicht durchsetzen will oder kann, darf Jessica nicht.

bleiben und muss die Kumpels alleine weiterfeiern lassen. In Diskotheken gilt eine schärfere Regelung. Unter 16-Jährige dürfen sich hier ohne Aufsichtsperson gar nicht aufhalten. 16- bis 17-Jährige dürfen — so wie in Gaststätten — bis 24 Uhr bleiben. Die »Reise-Ausnahme« gilt in Diskotheken nicht. Denn auch auf Reisen gibt es keinen vernünftigen Grund, Kindern und Jugendlichen den Aufenthalt in Clubs zu gestatten. Sie müssen nachts in jedem Fall eine geeignete Aufsichtsperson dabeihaben. Bei Interesse siehe hierzu: $ 4 JuschG (Jugendschutzgesetz), »Gaststätten« $ 5 JuschG, » Tanzveranstaltungen«

68 Familie und Jugendliche

Recht an der Fernbedienung Irrtum: Die Familie bestimmt in demokratischer Abstimmung, welches Fernsehprogramm geguckt wird. Im Zweifel

entscheidet derjenige, der den Fernseher zuerst angestellt hat.

Richtig ist: Die

erziehun gsberechtigten Eltern

bzw.

der E ıgen-

tümer des Fernsehers bestimmt das Programm.

Samstagabend, 18:30 Uhr. Papa kommt nach Hause und

schaltet die Sportschau ein. Mutter möchte sich viel lieber

in einem Boulevardmagazin über die jüngsten Fehltritte und Affären des europäischen Hochadels informieren und - um das Klischee zu komplettieren — Justin, Jacqueline,

Jason und Jennifer würden gerne Mario Barth gucken.

Wem diese Vorliebenverteilung allzu stereotyp erscheint, der mag die bevorzugten Sendungen in Gedanken gerne zwischen den einzelnen Charakteren austauschen. Was dennoch bleibt, ist die alte Frage, die seit jeher in deutschen Wohnstuben zu Auseinandersetzungen führt: Wer bestimmt eigentlich, was im Fernsehen geguckt wird? Wer hat also die Verfügungsmacht über die Fernbedienung? In manchen Familien entscheidet in alter Tradition der Familienvater, welcher Sender eingeschaltet wird. Andernorts wird demokratisch abgestimmt und die Mehrheit entscheidet. Eine Rolle spielt es häufig auch, wer den Fernseher als Erster eingeschaltet hatte, denn viele empfinden es als unzumutbar, umschalten zu müssen, bevor

der »angefangene« Film zu Ende ist. Derlei Regeln, die in

Recht an der Fernbedienung 69

der Praxis zur Lösung solcher Konflikte angewendet wer-

den, fördern zwar ein harmonisches Zusammenleben und

haben also durchaus ihre Berechtigung. In juristischer Hinsicht sind sie jedoch völlig bedeutungslos. Denn weder ist eine Familie ein Parlament, in dem rechtswirksame

Abstimmungen stattfinden, noch gibt es einen Rechtsanspruch darauf, das Ende von Filmen zu erfahren.

Klar ist zunächst einmal, dass die erziehungsberechtigten Eltern bestimmen können, was ihre minderjährigen Kinder sehen dürfen und was nicht. Dass eine Horde Teenager ihre Eltern nicht ganz einfach »demokratisch«

überstimmen und sich ansehen darf, was sie will, versteht

sich daher von selbst. Die Eltern dürfen ganz allein festlegen, was im Fernsehen läuft. Und wie sieht es aus, wenn die Kinder volljährig sind,

aber trotzdem noch im »Hotel Mama« wohnen? Erziehungsberechtigt sind die Eltern dann nicht mehr. Rechtlich entscheidend ist jetzt eine überraschend einfache Frage, nämlich: Wem gehört der Fernseher? Der Eigentümer darf mit einer ihm gehörenden Sache so verfahren, wie er will. Und Eigentümer ist derjenige, der den Fernseher im eigenen Namen erworben und dann in der Regel auch selbst bezahlt hat. War dies zum Beispiel der Familienvater, so gehört ihm das Gerät und er kann anderen Familienmitgliedern vorschreiben, was geguckt wird und was nicht. Das gilt zum Beispiel gegenüber erwachsenen Kindern oder gegenüber den Großeltern, falls diese auch noch mit im Haushalt leben.

Eine wichtige Ausnahme gilt allerdings gegenüber dem Ehegatten und auch gegenüber dem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. An gemeinsam genutzten Hausratsgegenständen (und dazu gehört auch ein Fern-

70 Familie und Jugendliche

seher) haben beide Partner ein Besitzrecht. Gegentiber dem Partner kann man sich also nicht auf das Eigen-

tumsrecht berufen.!? Partner, ob verheiratet oder nicht,

müssen sich also wohl oder übel auf ein Fernsehprogramm einigen. Wenn sie das nicht können, muss der Fernseher im Zweifel ausgeschaltet bleiben. Zusammengefasst heißt das: Minderjährige Kinder müssen sich in jedem Fall den Fernsehwünschen ihrer erziehungsberechtigten Eltern beugen; volljährige Kinder (oder andere Personen, die mit im Haushalt leben), denen

der Fernseher nicht gehört, müssen sich ebenfalls der Programmwahl der Eltern unterordnen, falls diese die Eigentümer des Fernsehers sind; Ehegatten und Partner

einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft müssen sich auf

ein Programm einigen, andernfalls muss der Fernseher aus bleiben. Nun wird mancher einwenden, dass die Frage der Herrschaft tiber die Fernbedienung doch keine Rechtsfrage sein könne. Solche Angelegenheiten würden schließlich

nicht durch Richter, sondern einvernehmlich durch die

Beteiligten geklärt. Das ist natürlich richtig. Vermutlich

hat in der Tat noch niemand seine Tochter verklagt, weil

sie sich während der Live-Übertragung des Endspiels der Fußballweltmeisterschaft (mit deutscher Beteiligung) strikt weigerte, die Fernbedienung aus der Hand zu geben und auf den parallel laufenden Rosamunde-Pilcher-Film zu verzichten. Dass noch nie jemand eine solche Klage eingebracht hat, bedeutet jedoch nicht, dass sie rechtlich nicht möglich wäre. So absurd es klingt: Durchsetzungsschwachen

Eigentümern

von Fernsehgeräten,

die mit

guten Worten nichts erreichen, bliebe als letztes Mittel tatsächlich die Drohung mit einer Unterlassungsklage, ge-

Trauung durch den Kapitän 71

richtet auf die Verurteilung zur Unterlassung künftiger Eigentumsbeeinträchtigungen. Allerdings könnte man sich für die dabei anfallenden Kosten sicher auch einen zweiten Fernseher kaufen und so jedem Streit aus dem Weg gehen. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 903

BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Befugnisse des Eigen-

tumers«

$ 1004 BGB, »Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch« $ 1353 BGB, »Eheliche Lebensgemeinschaft« $ 1626 Abs. 1 BGB, »Elterliche Sorge«

Trauung durch den Kapitän Irrtum: Kapıtäne auf hoher See dürfen Trauungen vornehmen.

Richtig ist: Nur Standesbeamte können Paare verheiraten.

Das Märchen von den Schiffskapitänen, die angeblich Trauungen durchführen dürfen, ist so alt, wie es falsch ist. Weshalb auch sollte der Käpt'n eines Fischkutters, eines Öltankers oder einer Rheinfähre Menschen verheiraten dürfen? Piloten, Trucker, Straßenbahnfahrer oder sonstige

im Personenbeförderungs- und Transportwesen tätige Arbeitnehmer können schließlich auch niemanden trauen. »Das ist mir auch klar«, werden viele jetzt sagen. » Aber so ein richtiger Hochseekapitän mit schicker weißer Uni-

form, der mit dem Traumschiff über die Ozeane kreuzt,

72 Familie und Jugendliche der muss so etwas doch können, oder nicht?« Jedenfalls

meint man eine solche Szene schon 100 Mal in irgendwelchen Schnulzen gesehen zu haben. Tatsächlich jedoch haben auch Traumschiffkapitäne anderes zu tun, als Leute zu verheiraten. Und selbstver-

ständlich haben sie hierzu auch kein Recht. Die Zivilehe wird vom Standesbeamten und die kirchliche Ehe vom Pfarrer geschlossen. Alles andere sind romantische Geschichten ohne jeden Realitätsbezug. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 11 Ehegesetz, »Eheschließung«

Gastronomie

Eichstrich beim Bierglas Irrtum: Wenn das Bierglas nicht ganz bis zum Exchstrich voll ist, kann der Gast nichts machen.

Richtig ist: Biergläser müssen bis zum Eichstrich gefüllt sein, sonst muss man sie nicht annehmen.

Natürlich ist es für einen Wirt schwer, ein Glas immer genau bis zum Eichstrich vollzumachen. Mal wird es etwas mehr, mal wird es etwas weniger, als der Eichstrich vor-

gibt. Bei manchen Wirten wird es jedoch fast immer etwas weniger, und man gewinnt den Verdacht, das Methode dahintersteckt. Doch wie ist eigentlich die Rechtslage, wenn die Kellnerin auf dem Münchner Oktoberfest 10 Maßkrüge in die hinterste Ecke des Zeltes schleppt, kassieren will und sich dann von einigen prinzipientreuen, mit Maßbändern bewaffneten Preußen sagen lassen muss, dass bei 4 der 10 Gläser der Eichstrich nach Abschöpfen des Schaums bis zu 3 Millimeter unterschritten ist und sie doch bitte noch einmal zurückgehen und ein klein wenig nachschenken möge? Nun, die Rechtslage ist eindeutig: Die Preußen haben recht. Wer eine Maß, das heißt einen Liter Bier, be-

stellt, der hat auch Anspruch auf einen Liter und muss sich nicht mit 0,98 | plus sehr viel Schaum zufriedenge-

76

Gastronomie

ben. Denn der Schaum zählt nicht mit! Wenn der Liter nicht erreicht ist, muss also nachgeschenkt werden. Ob man hierauf auch tatsächlich in jeder Situation besteht, ist natürlich jedem selbst überlassen. Wer keine Lust auf mürrische Reaktionen hat, nimmt das nicht ganz volle Bier vielleicht trotzdem an und spart stattdessen am Trinkgeld. Bei Interesse siehe hierzu: $ 433 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag« $ 437 BGB, »Rechte des Käufers bet Mängeln« $ 439 BGB, »Nacherfüllung« $ 440 BGB, »Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz«

Gewichtsangaben beim Steak Irrtum: Es genügt, wenn im Restaurant ein 250-GrammSteak dieses Gewicht im Rohzustand erreicht.

Richtig ist: - Im Restaurant muss ein 250-Gramm-Steak nach der Zubereitung 250 Gramm wiegen.

Wer im Supermarkt 250 Gramm Fleisch kauft, der weiß,

dass damit das Rohgewicht gemeint ist. Denn er sieht ja, wie das Fleisch im Rohzustand gewogen wird. Aber wie sieht es aus, wenn man ım Restaurant ein 250-Gramm-

Steak bestellt? Ist dann auch das Rohgewicht gemeint?

Gewichtsangaben beim Steak 77

Oder müssen die 250 Gramm tatsächlich auf den Teller kommen? Der Garverlust bei einem Steak kann je nach Fleischsorte und Zubereitungszeit über 30% betragen. Die Frage ist also von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung. Zu beantworten ist sie aus Sicht des Restaurantbesuchers. Anders als im Supermarkt bestellt und erwartet der nämlich kein rohes, sondern ein gegartes Stück Fleisch. Also müssen sich alle Angaben in der Speisekarte auch auf ein gegartes und nicht auf ein rohes Steak beziehen. Genauso wenig wie der Gastwirt bei der Abrechnung sagen kann, dass sich die Preisangabe in der Speisekarte nur auf den Rohzustand des Fleisches bezieht und für gegartes Steak ein Zuschlag zu zahlen sei, kann er sich rechtswirksam auf den Standpunkt stellen, dass sich die Gewichtsangabe nur auf das rohe Fleisch beziehe und es auf dem Teller ruhig etwas weniger wiegen dürfe. Konkret heißt das: Wer ein 250-Gramm-Steak bestellt, der hat auch An-

spruch darauf, dass 250 Gramm Steak auf seinem Teller landen. Ob er sein Steak »englisch«, »medium« oder »durchgebraten« bestellt, spielt dabei keine Rolle. Selbst im letzteren Falle - bei dem natürlich der höchste Garverlust auftritt - muss das Steak am Ende so viel wiegen wie in der Speisekarte angegeben. Der Wirt muss daher von vornherein ein schwereres

wenn der Gast es gern möchte. Für Liebhaber er im Rohzustand auf greifen. Übrigens sind lich aus diesem

Stück Fleisch wählen,

durchgebraten serviert bekommen der »englischen« Garvariante kann ein etwas kleineres Stück zurückeinige Steakhäuser zwischenzeit-

Grund

dazu übergegangen,

in ihren

Speisekarten darauf hinzuweisen, dass sich alle Gewichtsangaben auf den Rohzustand beziehen. Wenn dieser Hin-

78

Gastronomie

weis wirklich deutlich wahrnehmbar angebracht ist, ist er auch wirksam und der Restaurantbesucher kann das Steak nicht als »zu leicht« reklamieren, wenn bei ihm etwas we-

niger als angegeben ankommt. Die Betonung liegt dabei auf »deutlich wahrnehmbar«. Ein winziges Sternchen hinter der Gewichtsangabe, das auf einen versteckten kleingedruckten Hinweis irgendwo am Ende der Speisekarte hindeutet, reicht nicht unbedingt aus. Bei Interesse siehe hierzu: § 307 Abs. 1 S. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen« § 433 Abs. 1 BGB, » Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag«

§ 434 Abs.

3

BGB, »Sachmangel«

Kaution im Hotel Irrtum: Hotels dürfen beim Einchecken eine Kaution fir dıe Minibar und sonstige Zusatzleistun gen verlangen.

Richtig ist: Eine »Vorkasse auf Verdacht« ıst unzulässig.

In Hotels erlebt man es immer wieder, dass die Empfangskraft beim Einchecken in das gebuchte Zimmer verlangt, man möge doch bitte eine Kaution hinterlegen — für die Minibar oder sonstige Zusatzleistungen, die man eventuell in Anspruch nimmt. In solchen Situationen

denkt man sich: Wenn die ihren Gästen nicht trauen, sol-

Schmeckt nicht gibt’s nicht 79 len sie ihnen halt keine Minibar auf das Zimmer stellen!

Selbstverständlich hat ein Hotel keinen Anspruch darauf, dass man eine Kaution für Leistungen hinterlässt, die man möglicherweise nie in Anspruch nehmen wird. Man kann also den Schlüssel für das bereits gebuchte Zimmer verlangen, ohne eine Kaution zu hinterlegen. Das Hotel ist ausreichend dadurch gesichert, dass es die Personalausweisdaten des Gastes kennt. Wenn es entgeltliche Zusatzleistungen (wie zum Beispiel Hemdenbügeln) nicht auf Kredit erbringen will, hat es schließlich die Möglichkeit, diese Zusatzleistungen entweder gar nicht zu erbringen oder abzukassieren, wenn der Gast diese Leistung tatsächlich abruft. Ein schutzwürdiges Bedürfnis für »Vorkasse auf Verdacht« gibt es jedenfalls nicht. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 307 Abs. kontrolle«

1 BGB

(Bürgerliches Gesetzbuch), »Inhalts-



Schmeckt nicht gibt’s nicht Irrtum: Essen, das mir nicht schmeckt, muss der Wirt zurücknehmen.

Richtig ist:

Der eigene Geschmack ist kein objektiver Maßstab. Hat’s geschmeckt? So fragen Kellner in der Regel, wenn

es ans Bezahlen geht. Doch manchmal kommt es gar nicht so weit, denn schon nach wenigen Bissen merkt der

80 Gastronomie

Gast, dass ihm das Essen nicht schmeckt, und er lässt es

in die Küche zurückgehen. Viele Restaurants sind in einer solchen Situation kulant, entschuldigen sich und servieren anstandslos ein neues, hoffentlich besser mun-

dendes Essen. Denn der Kunde ist König, und wenn es

ihm nicht schmeckt, dann schmeckt es ihm eben nicht.

Aber vertrauen sollte man auf diese Kulanz nicht. Denn »Schmeckt nicht gibt’s nicht«, könnte man in Anlehnung an eine bekannte Kochshow sagen. Dass dem Gast die Speise nicht mundet, gibt ihm noch lange keinen Anspruch, das Essen ohne Bezahlung zurückgehen zu lassen. Denn: Geschmack ist etwas Subjektives. Was der eine mag, ist dem anderen zuwider. Die Aussage: »Das schmeckt mir aber nicht!« reicht daher nicht aus, um das

Essen zu reklamieren. Es muss schon einen objektivierbaren Grund dafür geben, dass das Essen nicht schmeckt. Wenn also die Suppe kalt, das Schnitzel verbrannt oder

die Pommes frites versalzen sind, dann muss man das ser-

vierte Mahl nicht akzeptieren. »Da ist mir zu viel Knoblauch im Essen« wäre dagegen kein hinreichender Reklamationsgrund. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 433 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag« $ 437 BGB, »Rechte des Käufers bei Mängeln« $ 439 BGB, »Nacherfüllung« $ 440 BGB, »Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz« $ 651 BGB, »Anwendung des Kaufrechts«

Tischreservierungen 81

Tischreservierungen Irrtum: Tischreservierungen sind unverbindlich.

Richtig ist: Wer einen Tisch reserviert und nicht im Restaurant er-

scheint, kann sich schadensersatzpflichtig machen.

Ein Tisch im Restaurant ist schnell reserviert. Ebenso schnell läßt sich die Reservierung in der Regel auch wieder stornieren, wenn man sich entschließt, doch lieber wo-

anders zu essen. Zum Leidwesen der Wirte sagen viele Gäste Reservierungen jedoch nicht ab, sondern bleiben ganz einfach kommentarlos weg. Dem Wirt entsteht auf diese Weise möglicherweise ein Schaden. Denn vielleicht hat er andere Gäste, die den reservierten Tisch genommen hätten, nach Hause geschickt und auf diese Weise Umsatz verloren. Und wenn der nicht erschienene Gast gleich mehrere Tische reserviert hatte, hat der Wirt eventuell so-

gar zusätzliches Personal beschäftigt und mehr Lebensmittel eingekauft. Zu Recht fragt er sich dann: Wer bezahlt mir das? Das Landgericht Kiel hat die Frage beantwortet: Der Gast muss für den Schaden aufkommen,

der dem Wirt im Vertrauen auf die Reservierung entstanden ist.!? Und das gilt nicht etwa nur dann, wenn der Gast den großen Festsaal für die hundertköpfige Hochzeitsgesellschaft gebucht hat, sondern auch bei der Reservierung eines kleinen Tisches für zwei Personen. Für die Gäste heißt das: Reservierungen sollte man auf jeden Fall so früh wie möglich absagen, wenn man sie nicht in Anspruch

nehmen möchte. So verhindert man vielleicht noch, dass

82

Gastronomie

dem Wirt ein Schaden entsteht, den man ihm ansonsten ersetzen müsste.

Bei Interesse siehe hierzu: $ 241 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Pflichten aus dem Schuldverhältnis« $ 280 Abs. 1 BGB, »Schadensersatz wegen Pflichtverletzung« $ 311 Abs. 2 BGB, »Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse«

Toilettenbenutzung nur gegen Entgelt? Irrtum: Gaststätten dürfen für die Toilettenbenutzung Geld verlangen.

Richtig ist: Louletten müssen tn aller Regel kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Immer wieder kommt es vor, dass Gaststätten für die Toi-

lettenbenutzung ein Entgelt verlangen. Resolute Toilettenfrauen oder -männer wachen mit Argusaugen darüber, dass auch ja jeder 50 Cent in die Untertasse auf dem

wackligen Holztisch neben dem Eingang wirft, bevor er

sich erleichtern kann. Aber ist das überhaupt zulässig? Oder müssen die Toiletten kostenlos angeboten werden? Bis vor einigen Jahren gab es zu dieser Frage in allen Bundesländern glasklare Regelungen. In Gaststätten, in denen Alkohol ausgeschenkt wurde, mussten jedenfalls die Gäste des Hauses eine Mindestanzahl von Toiletten

Toilettenbenutzung nur gegen Entgelt? 83

pro Gaststätte kostenlos benutzen dürfen. Lediglich von

Passanten, die die Gaststätte — ohne etwas zu verzehren — nur zum Besuch der Toiletten betraten, durfte schon im-

mer ein Entgelt für die Nutzung des WCs verlangt wer-

den. In der Tat erscheint es unfair, wenn Gastwirte ein

Getränk doppelt abrechnen: einmal, wenn es herein-

kommt, und ein zweites Mal, wenn es wieder heraus-

kommt. Manch einen würde dies vielleicht auch dazu verleiten, Geld zu sparen und seine Notdurft schnell vor der Kneipentür am nächsten Baum zu erledigen. Auch dies wäre nicht ım öffentlichen Interesse. Die Verpflichtung, kostenlose Toiletten anzubieten, ist also durchaus sinnvoll. | Inzwischen wird in Deutschland jedoch kräftig dereguliert. Überflüssige Gesetze werden ganz einfach abgeschafft. Dazu gehören auch die Gaststättenverordnungen, die früher unter anderem vorschrieben, wie viele Toiletten

es in einer Kneipe zu geben hat und dass diese kostenlos

sein müssen. Lediglich in Hamburg und Berlin gibt es

solche Verordnungen derzeit noch, es steht allerdings nicht fest, wie lange noch. Durch das Abschaffen dieser Gesetze sollte sich an der Rechtslage jedoch nichts Wesentliches ändern. So sehen es jedenfalls die Ordnungsbehörden, die nun in jedem Einzelfall entscheiden müssen, ob sie von einer Gast-

stätte die Bereitstellung kostenfreier Toiletten verlangen. Und dies tun sie in aller Regel. Fazit: Selbst wenn es heute nicht mehr ausdrücklich im Gesetz steht, kann man nach wie vor überall in Deutsch-

land davon ausgehen, dass man als Gast eines Restaurants oder einer Kneipe die Toilette kostenlos benutzen darf. Das sollte jedoch niemanden davon abhalten, der netten

84

Gastronomie

Klofrau oder dem netten Klomann dennoch 50 Cent für eine sicherlich nicht immer angenehme Arbeit zu gönnen. Bei Interesse siehe hierzu: $5 GaststG (Gaststättengesetz), »Auflagen« $ 4 Abs. 4 GastV Berlin (Gaststättenverordnung Berlin), » Toiletten« $ 7 Abs. 2 GastV Hamburg (Gaststättenverordnung Hamburg), »Abortanlage für Gaste«

Zu schwache Cocktails Irrtum: Gegen schlecht gemixte

Cocktails kann

man

nichts

fun.

Richtig ist: Man hat Anspruch auf ordentlich gemixte Cocktails.

»Happy Hours« erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit. Zu bestimmten Uhrzeiten kosten Getränke - zum Beispiel Cocktails - in vielen Bars nur die Hälfte. Nicht selten hat man als Gast aber gerade während der Happy Hour das Gefühl, dass Zombie, Mai Tai und Co. ver-

dächtig fruchtig schmecken und dass selbst nach dem vierten Cocktail noch nicht die beabsichtigte Wirkung eintritt. Hat der Barmixer etwa am Alkohol gespart?

In einer solchen Situation wagt es nicht jeder, das Ge-

tränk beim

Kellner zu reklamieren - schon

gar nicht,

wenn er das Kapitel »Schmeckt nicht gibt's nicht« in die-

Zu schwache Cocktails

85

sem Buch gelesen hat. Doch wie viel Alkohol in einem alkoholischen Getrink zu sein hat, ist keineswegs eine

reine Geschmackssache, die dem jeweiligen Wirt überlas-

sen bleibt. Wenn es zu schwach gemixt ist, stellt das durchaus einen Reklamationsgrund dar. Das Amtsgericht Flensburg bestätigte daher zum Beispiel, dass der berühmte friesische »Pharisäer« — ein Rum-Kaffee-Mischgetrank — mindestens 4 cl Rum zu enthalten habe. Ein Pharisäer mit nur 2 cl sei fehlerhaft, weil man den Rum

nicht vernünftig herausschmecke. Er könne deshalb zu Recht reklamiert werden.!* Nichts anderes gilt bei Cocktails. Natürlich steht den Barmixern ein gewisser kreativer Entfaltungsspielraum zu. Wenn ein Long Island Ice Tea in der Happy Hour aber fast nur noch aus Cola und Oran-

gensaft besteht und die Zutaten, auf die es den meisten

Gästen eigentlich ankommt, nur in homöopathischen Dosen im Getränk enthalten sind, ist das nicht zulässig. Der Gast kann also einen neuen, diesmal ordentlich gemixten Cocktail zum Happy-Hour-Preis verlangen. Da man den Mixern in den meisten Bars bei der Arbeit zusehen kann, lässt sich die ordnungsgemäße Zubereitung auch ohne weiteres überprüfen. Man muss sich natürlich gut vorbereiten und sich vorher ein Cocktailrezept aus dem Internet ausdrucken und einstecken. Wer so weit geht, sollte sich allerdings fragen, ob er nicht vielleicht lieber gleich zuhause bleibt. Besonders viel Spaß wird er vermutlich nicht haben - egal wie gut seine Cocktails gemixt sind. Bei Interesse siehe hierzu: $ 433 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag«

86

Gastronomie

§ 437 BGB, »Rechte des Käufers bet Mängeln«

§ 439 BGB, »Nacherfillung« § 440 BGB,

»Besondere Bestimmungen für Rücktritt und

Schadensersatz« $ 651 BGB, »Anwendung des Kaufrechts«

Gericht und Polizei

Herumbrüllen im Gerichtssaal Irrtum: Angeklagte, Zeugen und sonstige Prozessbeteiligte brüllen sich während der Hauptverhandlung gerne einmal an.

Richtig ist: Herumbrüllen in Hauptverhandlungen gibt es nur in Gerichtsshows.

Gerichtsshows leben davon, dass die Zuschauer ein biss-

chen »Action« geboten bekommen. Die Zahl der in voller Kampfausrüstung im Gerichtssaal erscheinenden Dominas ist daher im Fernsehen signifikant höher als im wirklichen Leben. Doch nicht immer reichen die optischen

Anreize dazu aus, den Zuschauer zum Dranbleiben zu

animieren. Aus diesem Grund ist es ein typisches Cha-

rakteristikum deutscher Gerichtsshows, dass sich die Pro-

zessbeteiligten spätestens fünf Minuten nach Beginn der Verhandlung in den Haaren liegen und sich gegenseitig nach Leibeskräften anbrüllen. Richter beklagen nun, dass manche reale Prozessbeteiligte Fiktion und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten können und mittlerweile glauben, auch in echten Gerichtsprozessen herumkrakeelen zu dürfen. Und Strafverteidiger, die es ihren TV-Pendants nicht gleichtun und sich im Gerichtssaal nicht auch mal ordentlich daneben-

90

Gericht und Polizei

benehmen,

werden

von

ihren Mandanten

als durch-

setzungsschwache Luschen betrachtet. Sicherlich zu Unrecht. Denn jedem sollte klar sein, dass ein realer Richter es niemals dulden würde, dass jemand in seiner Verhandlung herumbrüllt (außer vielleicht der Richter selbst).

Wer es dennoch tut, kann wegen ungebührlichen Verhaltens aus dem Gerichtssaal entfernt, mit saftigen Ordnungsgeldern belegt oder gar in Ordnungshaft genommen werden, die noch an Ort und Stelle vollstreckt werden kann.

Zur Ehrenrettung mancher Gerichtsshows sei erwähnt, dass auch die Fernsehrichter mitunter solche Ordnungsmittel androhen. Viel bringt das allerdings nicht, denn

spätestens in der nächsten Sendung geht die Brüllerei

schon wieder los.

Bei Interesse siehe hierzu:

$ 177 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz), »Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung« $ 178 GVG, »Ordnungsmittel wegen Ungebühr«

Kinder als Zeugen Irrtum: Kleine Kinder kénnen nicht als Zeugen aussagen.

Richtig ist: Es gibt keine Altersgrenzen für Zeugen.

Eine Autofahrerin, die mit ihrem fünfjährigen Sohn unterwegs war, wurde von einem Polizeibeamten angehalten.

Kinder als Zeugen 91

Sie sei bei Rot tiber die Ampel gefahren. Die Frau war der Auffassung, das stimme nicht. Ihr Sohn pflichtete ihr bei. Er habe genau gesehen, dass die Ampel noch auf Griin gewesen sei.

Den Polizeibeamten interessierte dies jedoch nicht. Er verwies darauf, dass die Aussage eines Kindes vor Gericht nichts wert sei. Die Autofahrerin glaubte dem Polizisten und akzeptierte das Bußgeld, das anschließend gegen sie

verhängt wurde.

|

Möglicherweise zu Unrecht. Denn selbstverständlich gibt es vor Gericht keine pauschale Altersgrenze für Zeugen. Es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Auch ein Fünfjähriger kann also prinzipiell aussagen. Ob seiner Aussage vor Gericht Glauben geschenkt wird, hängt wie bei jedem anderen Zeugen nur davon ab, wie glaubhaft er sie präsentiert. Ein Fünfjähriger wird in der Regel von seinen Eltern zum Beispiel darüber aufgeklärt

worden sein, dass man bei Rot warten muss. Wenn er in

einem ähnlichen wie dem oben geschilderten Fall plausibel erklärt, was er beobachtet hat, wird das Gericht ihm

also möglicherweise glauben und die Autofahrerin ohne Bußgeld davonkommen lassen. Bei Interesse siehe hierzu: $ 286 ZPO (Zivilprozessordnung),

»Freie Beweiswürdi-

gung« $ 261 StPO (Strafprozessordnung), »Freie Beweiswürdigung«

92

Gericht und Polizei

Sammelklagen Irrtum: Es gıbt Sammelklagen.

Richtig ist: Es gibt keine Sammelklagen.

Eines der zahlreichen juristischen Märchen, die uns der übermäßige Konsum amerikanischer Filme und Fernsehserien beschert hat, ist die vermeintliche Möglichkeit,

»Sammelklagen« einzulegen. Fast jeder Anwalt dürfte in seiner Praxis schon einmal Mandanten begegnet sein, die ihn beauftragen wollten, gemeinsam mit anderen eine solche »Sammelklage« zu erheben. Denn: Gemeinsam ist man schließlich stark — und natürlich wird es dann auch nicht so teuer. So jedenfalls stellen die verhinderten Sammelklager es sich vor. Der Anwalt wird sie dann darüber aufklären, dass

es die »class action« des US-amerikanischen Rechts in Deutschland schlichtweg nicht gibt. In den USA ist es tatsächlich so, dass sich eine Reihe

von Klägern zusammenschließen und einen Musterprozess führen können, dessen Ergebnisse dann selbst für Personen bindend sein können, die sich der Sammelklage

nicht angeschlossen haben, weil sie zum Beispiel gar nicht wussten, dass es sie überhaupt gibt.

Ein bekanntes Beispiel für eine erfolgreiche Sammelklage war das Verfahren von Nachkommen der Opfer des Flugzeugabsturzes im schottischen Lockerbie gegen die Republik Libyen. Es wurde in den USA geführt, weil

»Schurkenstaaten«, die den Terrorismus unterstützen, dort

Sammelklagen 93

seit 1996 problemlos verklagt werden können, während »anständige« Länder weitestgehende Immunität genie-

ßen. Zu den Schurkenstaaten zählte auch Libyen, das sich

schließlich in einem Vergleich dazu verpflichtete, den Nachkommen der Bombenopfer von Lockerbie immerhin 2,7 Milliarden US-Dollar zu zahlen.

Hierzulande sind Sammelklagen nach US-Vorbild undenkbar. Nach deutschem Recht muss grundsätzlich jeder Kläger seine persönliche Betroffenheit von einem schädigenden Ereignis beweisen. Es ist also nicht möglich, dass andere ohne seine Zustimmung oder sogar ohne sein Wissen ein Verfahren führen, das auch für ihn Bindungswirkung entfaltet, weil eine Sach- oder Rechtsfrage für jedermann verbindlich entschieden wird. Jeder hat in Deutschland die Möglichkeit, seine Ansprüche selbst und unbeeinflusst von anderen Anspruchsinhabern einzuklagen. Nur in engen Grenzen können Prozesse in Deutschland von mehreren Klägern gemeinsam geführt werden. Die Fälle der so genannten Streitgenossenschaft oder der Prozessverbindung sind jedoch nicht im Entferntesten mit Sammelklagen nach US-Vorbild vergleichbar. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 59 ZPO (Zivilprozessordnung), »Streitgenossenschaft bet Rechtsgemeinschaft oder Identität des Grundes« $ 60 ZPO, »Streitgenossenschaft bei Gleichartigkeit der Ansprüche«

$ 147 ZPO, »Prozessverbindung« Federal Rules of Civil Procedure, Title 28 United States Code Appendix Rule 23

Strafrecht

Bierdeckel als Urkunde? Irrtum: Nur förmliche Dokumente von hoher Wichtigkeit sind Urkunden im Rechtssinne.

Richtig ist: Selbst Bierdeckel können Urkunden sein.

Die viel diskutierte Steuererklärung auf dem Bierdeckel ist zwar leider nie Realität geworden, dennoch darf man die Bedeutung dieses scheinbar profanen Stückes Filz für den Rechtsverkehr nicht unterschätzen. Den wenigsten Menschen ist klar, dass es sich bei Bierdeckeln um echte

Urkunden im Rechtssinne handelt. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie auf einem Kneipentisch liegen und dem Kellner dazu dienen, darauf die Zahl der getrunkenen Biere zu notieren. Nun sind die Bleistiftstriche, mit denen dies geschieht,

manchmal recht dünn. Wenn man nur ein bisschen über den Bierdeckel reibt, kann es sein, dass sie wie von Zau-

berhand verschwinden - vor allem, wenn der Deckel be-

reits durch heruntergelaufenen Schaum triefend nass ist. Wer dem Kellner ganz bewusst einen derart manipulierten Bierdeckel vorlegt und auf diese Weise einen Teil der Zeche prellt, macht sich selbstverständlich wegen Betruges strafbar. Das dürfte noch jedem einleuchten. Die wenigsten wissen jedoch, dass bereits das bloße Herum-

98

Strafrecht

manipulieren an dem Bierdeckel eine Straftat, nämlich eine Urkundenfälschung ist. Schon bevor man dem Kellner

den Bierdeckel gibt, hat man sich also strafbar gemacht. Denn es ist ein Irrtum, zu glauben, dass nur hochförmliche Dokumente wie Zeugnisse oder notariell beurkunde-

te Kaufverträge Urkunden sind. Es braucht auch keine Stempel, Siegel, Unterschriften oder Ähnliches, um aus

einem Stück Papier — oder eben Filz - eine Urkunde zu machen. Vielmehr ist jeder Schmierzettel dann eine Urkunde, wenn

er eine »allgemein verständliche verkörperte

Gedankenerklärung, die zum Beweis 1m Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt«, dar-

stellt. Diese reichlich sperrige Definition umfasst auch Bierdeckel, denn auch sie sind dazu geeignet und be-

stimmt, im Rechtsverkehr einen Beweis zu erbringen —

nämlich über die Zahl der Getränke, die jemand bestellt hat und somit bezahlen muss. Und ihr Aussteller ist auch erkennbar - nämlich der Wirt der Kneipe. Wer also ein solches Dokument fälscht, begeht eine Urkundenfälschung, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf

Jahren bestraft werden kann. Und wenn alle am Tisch mitmachen, und zwar in großem Stil und immer wieder,

dann können sogar bandenmäßige Urkundenfälschung und bandenmäßiger Betrug vorliegen, für die man zwischen sechs Monaten und zehn Jahren hinter Gitter wandert. Darüber sollte man sich im Klaren sein, wenn man

das nächste Mal scheinbar gedankenverloren auf seinem Bierdeckel herumreibt. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 263 StGB (Strafgesetzbuch), »Betrug« $ 267 StGB, »Urkundenfälschung«

Duz-Verbot

99

Duz-Verbot Irrtum: Unerlaubtes Duzen ist eine Beleidigung.

Richtig ist: Es gibt kein generelles Duz-Verbot.

Immer wieder hört man, unerlaubtes Duzen - vor allem

von Polizisten — sei in jedem Fall eine strafbare Beleidigung. Tatsache ist jedoch: Es gibt kein generelles DuzVerbot, auch nicht in Bezug auf Polizisten. Unerwünschtes Duzen kann also keineswegs immer bestraft werden. Zu einer Beleidigung wird es erst dann, wenn man dem Angesprochenen gerade durch die Verwendung der Anrede »Du« seine »Missachtung oder Nichtachtung kundtun« will. Denn das ist die juristische Definition einer Beleidigung. Für die Praxis heißt das: Der Ton macht die Musik. Wer einen Polizisten bei der Verkehrskontrolle abschätzig von oben herab anblickt und ihn mit gerümpfter Nase fragt: »Was willst DU denn?«, wird zu Recht eine Bestrafung wegen Beleidigung des Beamten (nicht wegen »Beamtenbeleidigung«; vgl. hierzu das erste Lexikon der Rechtsirrtümer) zu befürchten haben. Wem das Du jedoch im Rahmen einer nicht allzu unfreundlichen Konversation herausrutscht, ohne dass der Eindruck entsteht, der

Polizist solle dadurch angegriffen werden (»Och, kannste nicht noch mal’ne Ausnahme machen? Ich tu’s auch nicht

wieder!«), wird auf mehr Verständnis hoffen können. Ein Vorteil kann es auch sein, wenn die Unterhaltung im Dia-

lekt geführt wird. Denn in vielen Mundarten ist das »Du« die übliche Anrede und daher per se nicht beleidigend ge-

100

Strafrecht

meint. Einfacher haben es auch Menschen, die prinzipiell

jeden duzen. Quasi einen Freifahrtschein zum straflosen

Duzen hat daher Musikproduzent Dieter Bohlen attestiert bekommen. Er wurde vom Amtsgericht Hamburg freigesprochen, nachdem er sich bei einem Polizisten per Du über ein Knöllchen am falsch geparkten Auto aufge-

regt hatte. Das Gericht meinte:

»Das Duzen des Polizeibeamten ıst unter Berücksichtigung des Umstands, dass Herr Bohlen augenscheinlich eın gleiches Verhalten bei öffentlichen Auftritten an den lag legt und das Duzen zu seinen normalen Umgangsformen gehört, nur als Unhöflichkeit ohne ehrverletzenden Inhalt zu werten.«

Auch im Job gilt übrigens: Ein Arbeitnehmer hat nicht unbedingt Anspruch darauf, gesiezt zu werden. So unterlag ein 45-jähriger Abteilungsleiter beim Textilhandelsunternehmen H&M vor dem Landesarbeitsgericht Hamm. Das Gericht entschied, dass er sich von seinen Kollegen weiter duzen lassen müsse. Weder liege eine Beleidigung noch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor. Immerhin habe die gesamte Belegschaft mit Zustimmung des Betriebsrats das generelle »Firmen-Du« beschlossen. Dies habe auch der Abteilungsleiter zunächst

22 Monate lang akzeptiert."

Damit ist klar: Ob ein »Du« als Beleidigung zu werten

ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob der Geduzte die

Anrede als störend empfindet. Entscheidend ist nur, ob das »Du« auch tatsächlich als Beleidigung gemeint ist. Daher kann man in rechtlicher Hinsicht auch niemandem das »Du« wieder entziehen. Wer jemanden duzt, der

Erste Hilfe am Unfallort 101

nicht geduzt werden will, ist nur unhöflich, aber nicht in

jedem Fall gleich ein Straftäter. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 185 StGB (Strafgesetzbuch), »Beleidigung« Erste Hilfe am Unfallort Irrtum: Wer keine Erste-Flilfe-Ausbildung hat, muss bet einem Unfall nicht helfen.

Richtig ist:

Jeder muss bei einem Unglücksfall helfen.

Wenn es im Straßenverkehr zu einem Unfall kommt, glau-

ben erstaunlich viele Menschen, sie seien nicht zur Hilfe

verpflichtet, weil sie nicht über eine Erste-Hilfe-Ausbildung verfügen. Sie meinen also, ihr Nichtwissen, was bei einem Unfall zu tun ist, befreie sie von jeder Verantwortung. Dieser Rechtsirrtum kann nicht nur zu einer Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung führen, sondern er ist vor allem auch gefährlich für den Verunglückten. Selbstverständlich ist jeder Mensch verpflichtet, anderen Menschen in Unglücksfällen zumutbare Hilfe zu leisten. Zumutbar

wird es immer sein, den Notruf 112 zu wählen und auf

diese Weise professionelle Hilfe herbeizuholen. Darüber hinaus ist man jedoch auch ohne Erste-Hilfe-Ausbildung verpflichtet, dem Verunglückten auch vor Ort die Hilfe zu leisten, die man leisten kann. Und das ist oft mehr, als man-

cher ahnt. Jegliche Scheu ist hier also fehl am Platze.

102

Strafrecht

Ubrigens ist Erste Hilfe gar nicht so schwierig zu erlernen. Im Internet - zum Beispiel auf der Internetseite des

Deutschen Roten Kreuzes (www.drk.de) — sind die wich-

tigsten Mafsnahmen übersichtlich erklärt. In wenigen

Minuten kann man hier das Wissen erwerben, mit dem man vielleicht einmal ein Leben retten kann — eventuell

sogar das Leben eines Angehörigen.

Bei Interesse siehe hierzu: $ 323c StGB (Strafgesetzbuch),

»Unterlassene Htlfelets-

Zung«

Geldstrafen-Tabellen Irrtum: Tabellen in Zeitungen, die die Hohe der Strafen für bestimmte Delikte auflisten, sind sinnvoll.

Richtig ist: Die üblichen Geldstrafen-Tabellen in Zeitungen sind nichtssagend.

Immer wieder drucken Zeitungen und Zeitschriften Tabellen, in denen aufgelistet wird, welche Strafen es zum Beispiel für Beleidigungen gibt. Dort heißt es dann, dass ein »Stinkefinger« im Straßenverkehr 800 Euro kosten kann, während »Vogelzeigen« mit nur 400 Euro zu Buche schlägt. Als Beleg werden Urteile genannt, in denen genau diese Strafen ausgeworfen wurden. Die Berichte erwecken so den Eindruck, man könne in diesen Tabellen nachse-

hen, mit welcher Bestrafung man für welche Beleidigung

Geldstrafen-Tabellen

103

rechnen muss und dass ein Stinkefinger doppelt so schlimm ist wie Vogelzeigen. Man kann es gar nicht deutlich genug sagen: Solche Tabellen sind zwar lustig, aber unsinnig! Denn niemals werden in Strafurteilen konkrete Euro-Beträge als Strafen festgelegt. Die Höhe der Strafe bemisst sich vielmehr nach ‘Tagessitzen. Ein Tagessatz entspricht dabei der Summe, die ein Angeklagter am Tag verdient. Denn es soll sichergestellt sein, dass jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Rechenschaft gezogen wird. Geringverdiener mit einem Tagessatz von nur 20 Euro müssen also 1800 Euro zahlen, wenn gegen sie eine Strafe von 90 Tagessätzen verhängt wird. Besserverdiener mit einem Tagessatz von 500 Euro kommen dagegen schon bei lediglich 30 Tagessätzen auf 15000 Euro Strafe. Wenn nun ein solcher Besserverdiener für einen Stinkefinger 15000 Euro Strafe kassiert hat, ein Geringverdiener fürs Vogelzeigen dagegen nur 1800 Euro, dann ist es also keineswegs so, dass der Stinkefinger härter bestraft wurde. Ganz im Gegenteil ist die Strafe für das Vogelzeigen in Wahrheit dreimal so hoch ausgefallen (90 Tagessätze statt 30). Nur: Das lässt sich den Euro-Summen nicht entneh-

men. Und deshalb ist es auch vollkommen überflüssig, diese Euro-Summen in einer Tabelle zu veröffentlichen. Aussagekräftig würden solche Tabellen erst dann, wenn auch die Zahl der verhängten Tagessätze und die sonstigen Strafzumessungskriterien daraus hervorgingen. Denn ein Stinkefinger von jemandem, der schon fünfmal wegen Beleidigung verurteilt wurde, wird natürlich härter bestraft als der Stinkefinger eines Ersttäters. Diese Information braucht man beispielsweise, um die Höhe der Strafe einordnen zu können. Und wichtig wäre es zum Beispiel

104

Strafrecht

auch, zu wissen, ob der Täter alkoholisiert war oder zur

Tat provoziert wurde. Denn all dies und noch viele weitere individuelle Kriterien spielen bei der Strafzumessung eine Rolle. Zugegebenermafen wiirde die Tabelle ziem-

lich unübersichtlich, wenn sie all diese Informationen ent-

hielte. Es ist daher zu befürchten, dass wir auch künftig in grober Vereinfachung lesen müssen: »Stinkefinger kostet 800 Euro, Vogelzeigen nur 400 Euro.« Mit solchen Statistiken ist es demnach ein bisschen wie mit ZeitschriftenHoroskopen: Wen sie amüsieren, der soll sie lesen. Einen konkreten Nutzwert haben sie leider nicht. Bei Interesse siehe hierzu:

§ 40 StGB (Strafgesetzbuch), »Verhdngung in Tagessätzen« $ 46 StGB, »Grundsätze der Strafzumessung«

Kriminalisieren Irrtum: Viele Menschen werden zu Unrecht kriminalısiert.

Richtig ist: Der Begriff des »Kriminalisierens« wird fast immer in völhg unsinniger Weise verwendet.

Unter Kriminalisierung versteht man das Strafbarmachen

bestimmter Verhaltensweisen, die früher nicht strafbar

waren. Zum Beispiel ist die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 eine Straftat. Auch gab es früher keine Umweltdelikte. Umweltverschmutzung war also nicht schon immer strafbar. Derartige Verhaltensweisen wurden erst

Kriminalisieren

105

im Laufe der Zeit kriminalisiert. Das Gegenteil von Kriminalisierung ist die Entkriminalisierung. Ein Beispiel hierfür ist der berühmte § 175 StGB (Strafgesetzbuch),

der früher homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte. Er wurde in den 90er Jahren abgeschafft. So viel zum korrekten Gebrauch des Wortes »Kriminalisieren«. Leider wird es in der öffentlichen Diskussion jedoch so gut wie nie korrekt gebraucht, sondern vielmehr fast immer

missbraucht. Irgendein Straftäter fand vermutlich einmal, dass sein Verhalten doch eigentlich ganz o.k. sei und dass der eigentliche Skandal darin liege, dass er für sein - vermeintlich — akzeptables Verhalten überhaupt vor den Kadi gezerrt werde. Seither jammert jeder illegale Hausbesetzer, der wegen Hausfriedensbruch angeklagt wird, dass er »kriminalisiert« werde. Das Gleiche hört man regelmäßig von gewalttätigen politischen Demonstranten, die wegen Körperverletzung oder Sachbeschädigung angezeigt werden, weil sie meinen, ihren weltanschau-

lichen Vorstellungen dadurch Ausdruck verleihen zu müssen, dass sie irgendetwas oder irgendjemanden kaputt schlagen. Falsch! Solche Leute werden nicht von irgendwelchen bösen Mächten »kriminalisiert«, sondern sie sind aus eigenem Entschluss Kriminelle. Nicht andere stülpen ihnen den ungerechtfertigten Vorwurf einer Straftat über, sondern sie selbst begehen eine solche aus freien Stücken. Der Begriff des Kriminalisierens wird hier also ın völlig unsinniger Weise gebraucht. Er passt einfach nicht und dient lediglich dazu, ein strafbares Verhalten zu verharmlosen, indem der Spieß umgedreht und der Ankläger in die Position des Angeklagten gebracht wird. Mit der gleichen Berechtigung könnten ein Dieb, ein Vergewaltiger

106

Strafrecht

oder ein Mörder beklagen, dass sie vom Staat »kriminalisiert« würden. »Das kann man doch nicht vergleichen — Mord und Haus-

friedensbruch«, wird jetzt mancher empört einwenden. Doch, das kann man sehr wohl! Denn es geht nicht darum, ob der Vorwurf eines Hausfriedensbruchs genauso

schwer wiegt wie der Vorwurf eines Mordes (was natür-

lich nicht der Fall ist). Es kommt nur darauf an, dass beide

Taten gegen einen Straftatbestand verstoßen. Und wer gegen einen Straftatbestand verstößt, wird nicht »kriminalisiert«, sondern 1st kriminell - ganz von alleine und ohne die Mitwirkung anderer! Wer das nicht einsieht, ist nicht

nur ein Straftäter, sondern maßt sich außerdem an, sich gegen die Wertentscheidung der demokratischen Mehr-

heit in unserem Rechtsstaat zu stellen. Denn was eine Straftat ist und was nicht, kann zum Glück nicht jeder für sich selbst entscheiden.

Bei Interesse sıehe hierzu:

$ 123 StGB (Strafgesetzbuch), »Hausfriedensbruch«

Rechtfertigender Notstand Irrtum: Man darf den Tatbestand von Strafgesetzen wie Totschlag, Freiheitsberaubung oder Urkundenfälschung in keinem Fall erfüllen.

Richtig ist: Manchmal ist es erlaubt, »Straftaten« zu begehen.

Rechtfertigender Notstand 107

Dass man in Notwehr Menschen verletzen oder gar töten darf, weiß fast jeder. Weitgehend unbekannt ist jedoch der so genannte rechtfertigende Notstand. Vielen ist überhaupt nicht klar, welche Taten man noch begehen darf,

wenn man eine Gefahr von sich selbst oder einem anderen abwenden will. Und dabei geht es nicht nur um Gefahren für Leib oder Leben. Auch das Eigentum, die Ehre oder die Freiheit sind eigene und fremde Rechtsgüter, die man schützen darf, wenn sie bedroht sind — und zwar ausdrücklich auch mit Maßnahmen, die normalerweise Straf-

taten darstellen. Man muss allerdings darauf achten, dass das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Natürlich darf man also niemanden töten, nur weil er gerade jemanden beleidigt, also dessen Ehre angreift. Denn das geschützte Interesse (Rechtsgut Ehre) überwöge das beeinträchtigte (Rechtsgut Leben) in solch einem. Fall eindeutig nicht. In den folgenden sechs Fällen waren Gerichte jedoch der Auffassung, dass ein rechtfertigender Notstand vorlag,

das heißt, dass die Betroffenen rechtmäßig Straf- oder Ordnungswidrigkeiten-Tatbestände erfüllen durften: — Freiheitsberaubung in Form zeitweiliger Einschließung eines Geisteskranken in familiärer Selbsthilfe — zuläs—

sig.16

Urkundenfälschung als einziges Mittel gegen Willkür-

maßnahmen der DDR - zulässig.!”

— Geschwindigkeitsübertretung bei dringendem Krankentransport — zulässig."? — Trunkenheit im Verkehr, um Verletzten ins Kranken-

haus zu bringen - zulässig.!?

108

Strafrecht

— Wegnahme eines Zündschlüssels, um Trunkenheits-

fahrt zu vermeiden — zulässig." — Fahren ohne Fahrerlaubnis, um Diebe zu vertreiben —

zulässig.!

Vorsicht: In all diesen Fällen kam es auf eine sorgfältige

Abwägung aller Umstände des Einzelfalls an. Ähnlich scheinende Fälle können von einem anderen Gericht also auch anders entschieden werden.

Um einige Gegenbeispiele zu geben, folgen nun fünf

Taten, die nicht erlaubt, also nicht aufgrund rechtfertigenden Notstands zulässig waren: — Trunkenheitsfahrt eines Leichtverletzten ohne Führer-

schein zur Ambulanz — unzulässig.” — Trunkenheitsfahrt, um streunende Hunde einzufangen — unzulässig.” - Geschwindigkeitsübertretung zur Rettung eines Wel-

lensittichs — unzulässig.**

— Mitschnitt eines Telefongesprächs (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, $ 201 StGB), um Beweismittel

in einem Scheidungsverfahren zu erlangen — unzulässig.

— Beschädigung von militärischen Anlagen, um die Bundesregierung zu einem Verzicht auf Atomwaffen zu

zwingen — unzulässig.”®

Fazit: In Notsituationen darf man mehr, als viele glauben. Eine sorgfältige Interessenabwägung ist aber in jedem Einzelfall stets Voraussetzung. Dass man sich nicht in jeder Gefahrenlage angetrunken und ohne Fahrerlaubnis

hinter das Steuer setzen darf, muss also klar sein. Die Ge-

Todesstrafe 109

fahr fiir das konkret bedrohte Rechtsgut muss deutlich schwerer wiegen als die Notstandshandlung, damit solche Taten ausnahmsweise einmal erlaubt sind. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 34 StGB (Strafgesetzbuch), »Rechtfertigender Notstand«

Todesstrafe Irrtum: Die Möglichkeit der Verhängung der Todesstrafe ist aus allen deutschen Gesetzen gestrichen.

Richtig ist: Die hessische Landesverfassung sieht immer noch die Verhängung der Todesstrafe vor.

In Deutschland gibt es keine Todesstrafe. Schließlich leben wir in einem zivilisierten Rechtsstaat. Wie jeder weiß, wurde die Möglichkeit der Verhängung dieser Strafe mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland aus allen Gesetzen gestrichen. Wirklich? Blicken wir einmal in Artikel 21 der geltenden hessischen Landesverfassung. Dort heißt es bis heute: »Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen oder beschränkt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden.«

110

Strafrecht

Alle Versuche zur Abschaffung dieses Artikels scheiterten bisher. Heißt das, Kriminelle müssen in Hessen bis heute

fürchten, zum Tode verurteilt zu werden? Natürlich nicht!

Die hessische Landesverfassung stammt aus dem Jahre 1946. Sie ist also drei Jahre älter als das Grundgesetz, das erst 1949 in Kraft trat. Und dort heißt es klar und eindeu-

tig: Die Todesstrafe ist abgeschafft.

Die "Todesstrafe ist seit 1949 somit endgültig Rechtsgeschichte — und zwar auch in Hessen, denn das Grundgesetz bestimmt außerdem, dass das Bundesrecht dem Landesrecht vorgeht. Ein hessischer Richter könnte also nicht unter Berufung auf die Landesverfassung die Todesstrafe verhängen und auch das Land Hessen könnte die

Todesstrafe nicht durch ein Gesetz wieder einführen. Bei-

des verstieße gegen das Grundgesetz.

Bei Interesse siehe hierzu:

Artikel 31 GG (Grundgesetz), »Vorrang des Bundesrechts« Artikel

102 GG, »Abschaffung der Todesstrafe«

Artikel 21 Abs. 1 HV (Hessische Landesverfassung), »Gesetzliche Strafen«

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort Irrtum: Nur Fahrer, dıe einen Unfall verschuldet haben, können sıch wegen »Fahrerflucht« strafbar machen.

Richtig ist: Jeder Unfallbetetligte muss am Unfallort bleiben, auch wenn seine Schuld nıcht feststeht.

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

111

Dass nicht nur Fahrer sich wegen »Fahrerflucht« strafbar machen können, sondern zum Beispiel auch Beifahrer oder Fußgänger, wurde bereits im Neuen Lexikon der Rechtsirrtümer aufgeklärt. Aber noch eine weitere Ausrede hören Strafrichter immer wieder, wenn jemand vor ihnen steht, der wegen dieses Delikts angeklagt ist: »Aber ich hatte doch gar keine Schuld an dem Unfall. Dann muss ıch doch

auch nicht warten!« Irrtum! Denn jeder Unfallbeteiligte muss am Unfallort warten und es ermöglichen, dass seine Personalien festgestellt werden. Ob er Schuld an dem Unfall hat oder nicht, spielt keine Rolle. Denn wer will diese Frage am Unfallort schon zuverlässig beurteilen? Die Schuldfrage muss später der Richter klären. Erst einmal haben alle Unfallbeteiligten am Unfallort zu bleiben, damit überhaupt gründlich untersucht werden kann, was eigentlich passiert ist. Und als Unfallbeteiligter gilt man schon dann, wenn man nur möglicherweise zum Unfall beigetragen haben könnte. Das galt zum Beispiel für einen Monteur, der bei einer Reparatur einen Fehler gemacht hatte. Der Mann saß als Beifahrer im Unfallwagen, und da nicht auszuschließen war, dass sein Reparaturfehler den Unfall verursacht hatte, musste er erst einmal an der Un-

fallstelle warten.?’ Er durfte also nicht einfach gehen und darauf verweisen, dass er weder selbst gefahren war noch den Fahrer abgelenkt hatte. Selbst wenn sich später herausgestellt haben sollte, dass sein Reparaturfehler rein gar nichts mit dem Unfall zu tun hatte, hat er sich strafbar gemacht. Denn die bloße Möglichkeit einer Mitursächlichkeit reichte hierfür schon aus. Fazit: Wer in einen Unfall verwickelt wird, bleibt ım Zweifel lieber am Unfallort, bis die Polizei seine Persona-

lien aufgenommen hat. Wenn die nicht ganz entfernte

112

Strafrecht

Möglichkeit besteht, dass man mit dem Geschehen etwas zu tun habe, riskiert man eine Bestrafung, wenn man ein-

fach verschwindet, ohne die Feststellung seiner Identitat zu ermöglichen. Bei Interesse siehe hierzu: $ 142 StGB (Strafgesetzbuch), »Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort«

Vordrängeln in der Schlange Irrtum: Man darf sıch nicht vordrängeln.

Richtig ist: Vordrängeln ıst unhöflich, aber nıcht verboten. Also darf man es.

Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt. Dieser

ganz einfache Grundsatz gilt immer - also selbst für solche Verhaltensweisen, über die sich jeder aufregt. Das Vordrängeln in der Schlange ist so eine Verhaltensweise, die zwar völlig inakzeptabel, von Gesetzes wegen aber nicht verboten ist. Denn der Gesetzgeber geht zu Recht davon aus, dass nicht alle Bereiche des menschlichen Zu-

sammenlebens juristisch geregelt werden müssen. Und einen Straftatbestand des »Vordrängelns an der Supermarktkasse« brauchen wir nun wirklich nicht. Vordrängeln ist also erlaubt. Es ist lediglich unhöflich. Zugegeben: Diese Erkenntnis wirkt nicht gerade weltbewegend. Denn »Vordrängeln an der Kasse« ist im Allgemeinen sowieso

Vordrängeln in der Schlange 113 kein Thema, das vor Gericht behandelt wird. Wirklich

nicht? Bei Lichte betrachtet kann Vordrängeln durchaus zu einem juristisch relevanten Verhalten werden! Und ob es verboten ist oder nicht, spielt dann sehr wohl eine Rolle. Stellen wir uns nur einmal zwei Tokio-Hotel-Fans vor, die bei Nieselregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt 16 Stunden lang zahnspangenklappernd vor einer Kartenvorverkaufsstelle campiert haben, um Karten für ein Konzert ihrer Lieblingsband zu bekommen. Als sie schließlich ganz vorne an der Kasse stehen und der Verkäufer die letzten beiden Tickets ausruft, müssen sie erle-

ben, wie zwei Vordrängler an der Schlange vorbeieilen und ihnen - ohne Gewalt auszuüben — die Karten vor der Nase wegschnappen. In einer solchen Situation kann es durchaus schon einmal zu Beleidigungen und Körperverletzungshandlungen zu Lasten der Vordrängler kommen. Wir sind also im Bereich des Strafrechts. Und es stellt sich auch die Frage, ob die beiden Fans nicht Anspruch auf die Tickets haben, die »eigentlich« ja sie hätten bekommen müssen. Dies wäre dann eine zivilrechtliche Frage. Würde den beiden Fans Unrecht geschehen, dürften sie Notwehr üben und die Vordrängler beleidigen und sogar körperlich angreifen, um ihr Recht auf die Tickets zu verteidigen. Denn das Notwehrrecht geht viel weiter, als die meisten glauben (vgl. Lexikon der Rechtsirrtümer, S. 205)! Aber die Position in der Schlange gewährt ihnen eben keine geschützte Rechtsposition. Also dürfen sie sich gegen — gewaltlose — Vordrängler auch nicht zur Wehr setzen. Und sie haben auch keinen Anspruch auf Herausgabe der Tickets. Denn die Drängler haben die Karten rechtswirksam gekauft und dürfen sie daher behalten. Dieses Beispiel zeigt, welche Vorteile und welche Nach-

114

Strafrecht

teile es hat, dass nicht jedes unhöfliche Verhalten auch ein rechtswidriges Verhalten ist. Wenn wir nicht wollen, dass

der Rechtsstaat unser Leben zu sehr reguliert, müssen wir akzeptieren, dass bestimmte Ungerechtigkeiten jedenfalls nicht mit juristischen Mitteln aus der Welt geschafft werden können, so unfair das auch erscheinen mag.

Bei Interesse siehe hierzu:

$ 32 StGB (Strafgesetzbuch), »Notwehr«

Straßenverkehr

Alkohol am Steuer verboten? Irrtum: Alkoholtrinken beim Autofahren ist verboten.

Richtig ist: Auch am Steuer darf man Alkohol trinken.

Jedes Jahr sterben in Deutschland über tausend Menschen

bei alkoholbedingten Verkehrsunfällen. Es ist daher gut und richtig, dass man im Allgemeinen keine Autofahrer sieht, die mit der Bier- oder Schnapspulle am Hals im Straßenverkehr unterwegs sind. Denn schon kleinste Mengen Alkohol können bekanntlich die Verkehrstauglichkeit herabsetzen. Viele wird es daher erstaunen, dass

Alkoholgenuss am Steuer in Deutschland nicht verboten ist! Solange man die gesetzlich vorgeschriebene Promille-

grenze von 0,5 Promille nicht übersteigt, darf man nach

Herzenslust zur Flasche greifen — auch während der Fahrt. Nur wenn man Ausfallerscheinungen zeigt (zum Beispiel Schlangenlinienfahren), ist bereits bei 0,3 Promille Schluss. 0,3 1 Bier können bei manchem dann schon

zu viel sein. Eine weitere Ausnahme gilt für Fahranfänger. Wer jünger als 21 Jahre oder noch in der Probezeit ist, für den gilt schon bei Fahrtantritt die 0,0-Promille-Grenze und ein absolutes Alkoholverbot auch während der Fahrt. Wir lernen also: Das Handy am Ohr des Autofahrers ist eine Ordnungswidrigkeit, die Bierdose am Mund ist da-

118

Straßenverkehr

gegen kein Problem. Der Gesetzgeber mag sich einmal

Gedanken darüber machen, ob dies sinnvoll ist. Es dürfte doch einen Unterschied darstellen, ob man den Alkohol

vor Fahrtantritt in geselliger Runde oder mitten im Strafenverkehr zu sich nimmt. Es gibt keinen vernünftigen

Grund, den Alkoholkonsum am Steuer zu erlauben. Je-

dem dürfte es zuzumuten sein, sich wenigstens beim Fahren zurückzuhalten und gar nicht erst in die Versuchung zu geraten, die einmal angefangene Bierflasche auch bis zur Neige auszutrinken. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 23 Abs.

1a StVO

(Straßenverkehrsordnung), »Sonstige

Pflichten des Fahrzeugführers«

$ 24a StVG

(Straßenverkehrsgesetz), »0,5-Promille-Grenze«

$ 24c StVG, »Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfüngerinnen«

Alkoholtest Irrtum:

Auf Aufforderung der Polizei müssen Autofahrer einen Atemalkoholtest machen.

Richtig ist: Eınen Atemalkoholtest kann die Polizei nie verlangen und eine Blutprobenentnahme nur, wenn Verdacht auf eine Trunkenhettsfahrt besteht.

Was die Polizei sagt, das muss man tun, denken sich viele und glauben, sie seien verpflichtet, einen Atemalkoholtest

Alkoholtest

119

mitzumachen, nur weil sie von einem Polizeibeamten an-

gehalten und darum gebeten werden.

Tatsache ist jedoch, dass Polizeibeamte niemals ver-

langen können, dass ein Fahrer in das Alkoholtestgerät bläst. Denn eine Rechtsgrundlage für eine solche Anordnung gibt es schlichtweg nicht. Selbst wenn ein Fah-

rer offensichtlich sturzbetrunken ist, muss er also nicht

»pusten«, wenn er nicht will. Daher sind die Polizisten

. auch verpflichtet, immer zu fragen, ob man mit einem freiwilligen Test einverstanden sei. Wer dann einfach nein sagt, muss den Test nicht machen und dafür auch keine Begründung nennen. Vielen ist das nicht klar. Sie glauben, wenn sie sich dem Test verweigern, könne das zu ihren Lasten ausgelegt werden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Es sollte allerdings nicht verschwiegen werden, dass

Fahrer, bei denen der Verdacht auf eine Trunkenheits-

fahrt vorliegt, zu einer Blutentnahme gezwungen werden können. Wer also zum Beispiel extrem langsam oder in Schlangenlinien fährt, lallt und deutlich nach Alkohol

riecht, darf sich zwar weigern, ins Atemalkoholtestgerät

zu blasen. Eine Blutprobe kann er jedoch nicht verweigern. Wer dagegen keinerlei Anzeichen einer Alkoholisierung zeigt, kann auch zu nichts gezwungen werden. Bei Interesse siehe hierzu: $ 316 StGB (Strafgesetzbuch), »Trunkenheit im Verkehr« $ 81a

StPO

(Strafprozessordnung),

suchung des Beschuldigten«

»Körperliche

Unter-

120

Straßenverkehr

Ampeln »umgehen« Irrtum: Rote Ampeln dürfen Fußgänger nicht »umgehen«.

Richtig ist: Grundsätzlich dürfen Fußgänger rote Ampeln umgehen und die Fahrbahn an einer anderen Stelle überqueren.

Ein Fußgänger möchte eine Straße überqueren. Doch leider zeigt die Fußgängerampel Rot. Da liegt es doch nahe, die Straße ganz einfach 20 Meter weiter zu überqueren,

wo die Ampel nicht gilt. Aber ist das auch zulässig? Oder hat man zu Recht ein (mehr oder weniger) schlechtes

Gewissen, weil man sich eigentlich gezwungen fühlt, die Straße an der Ampel zu überqueren? Nun gibt es sicher kein Land auf der Welt, in dem Rotlichtverstöße von Fußgängern kritischer betrachtet und härter geahndet werden, als Deutschland. Nicht umsonst sagt man uns daher im Ausland nach, wir seien das einzige Volk der Erde, dessen Bewohner nachts um drei an einer

menschenleeren Landstraße als Fußgänger vor einer roten Ampel stehen bleiben. Umso erstaunlicher ist es, dass das »Umgehen« von Ampeln prinzipiell zulässig ist. Wenigstens dieses kleine Stückchen »Anarchie« wird uns also ge-

lassen: Wer an einer Ampel nicht warten will, der darf die

Straße grundsätzlich auch an einer anderen Stelle überqueren. Wegen eines Rotlichtverstoßes kann er dann nicht belangt werden. Denn das Rotlicht der Ampel gilt nur im näheren Bereich der Ampel. | Allerdings gibt es einen Ausnahmefall, in dem der

Ampeln »umgehen«

121

Fußgänger gezwungen ist, die Fahrbahn an einer vorhandenen Ampel zu überqueren. Eine solche Pflicht besteht nämlich immer dann, wenn die Verkehrslage es erfordert,

das heißt, vor allem bei dicht und schnell befahrenen brei-

ten Straßen. Wenn der Fußgänger bei korrektem Verhalten erst lange warten müsste, bis die Straße frei oder das Überqueren gefährlich ist, müssen Fußgänger den Ampelüberweg oder Zebrastreifen benutzen und dann dort ein eventuelles Rotlicht natürlich beachten.

Aber wie weit muss man laufen, um an solch einer

Straße überhaupt erst einmal bis zur nächsten Ampel zu gelangen? Es gibt Gerichtsentscheidungen, wonach ein Weg von 30, 40 oder 50 Metern durchaus zumutbar ist.”° Ein zusätzlicher Weg von 100 Metern bis zur Ampel und weiteren 100 Metern auf der gegenüberliegenden Straßenseite, insgesamt also 200 Metern, ist dagegen in der

Regel nicht zuzumuten.?? Fazit: Wer »vergisst«, die Straße an einer roten Ampel zu überqueren und deshalb deutlich mehr als 50 Meter weiter geht, um erst dort die Fahrbahn zu überqueren, der kann selbst bei stärkerem Verkehr darauf hoffen, keine

kostenpflichtige Verwarnung oder Geldbuße zu kassieren. Bei schwach befahrenen Straßen gilt dies erst recht. Voraussetzung ist in beiden Fällen natürlich immer, dass das Überqueren der Straße auch möglich ist, ohne andere dabei zu gefährden oder zu behindern. Bei Interesse siehe hierzu: $ 1 StVO (Straßenverkehrsordnung), »Grundregeln« $ 25 Abs. 3 StVO, »Fußgänger«



122

Straßenverkehr

Angst vorm Blaulicht Irrtum: Fahrzeugen mit Blaulicht muss man sofort freie Bahn

verschaffen.

Richtig ist: Nur Blaulicht mit Sirene gibt Einsatzfahrzeugen ein Wegerecht.

Sie fahren mit Ihrem Auto durch die Stadt. Plötzlich taucht hinter Ihnen ein Fahrzeug mit Blaulicht auf. Eilig fahren Sie an den Straßenrand und lassen das Fahrzeug

vorbei. Sinnvoll ist das ohne Zweifel. Denn Polizei oder

Ambulanz werden das Blaulicht schließlich nicht ohne Grund einschalten. Erstaunlicherweise ist man in einer solchen Situation

jedoch nicht ohne weiteres gezwungen, das Einsatzfahr-

zeug vorbeizulassen. Die »Angst vorm Blaulicht« ist also nicht gerechtfertigt. Denn das so genannte Wegerecht können nur Fahrzeuge beanspruchen, die mit Blaulicht und Sirene gleichzeitig fahren. Das Blaulicht alleine reicht also nicht aus. In der Praxis schalten die Fahrer der Einsatzfahrzeuge daher zumindest kurz das Martinshorn ein und signalisieren so, dass man auf die Seite fahren soll.

Tun sie das nicht, muss niemand damit rechnen, dass sie

auf ihrem Vorrang bestehen. Wenn es daher zu einem Unfall kommt, kann der Unfallgegner sich darauf berufen, er habe nicht damit gerechnet, dass das Einsatzfahrzeug ein Vorrecht in Anspruch nehmen würde. Denn ohne Martinshorn bestand dieses schließlich nicht. Allerdings heißt das nicht, dass man Einsatzfahrzeuge

Barfuß Auto fahren

123

der Polizei nun mutwillig behindern darf, wenn sie zum Beispiel aus einsatztaktischen Griinden nur das Blaulicht benutzen. Denn dies kénnte zumindest gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot im Straßenverkehr verstoßen." Fazit: Auch wenn man nicht immer dazu verpflichtet ist, sollte man Einsatzfahrzeugen auch dann den Weg frei machen, wenn sie nur das Blaulicht und kein Martins-

horn eingeschaltet haben. Tut man es versehentlich jedoch einmal nicht oder wird man in einen Unfall mit einem solchen Fahrzeug verwickelt, sollte man sich unbedingt daran erinnern, dass Wegerechte nur bestehen, wenn auch die Sirene eingeschaltet ist. Dieses Wissen kann in solchen Situationen viel Geld und Punkte in Flensburg sparen. Bet Interesse siehe hierzu:

$ 1 Abs. 2 StVO (Straßenverkehrsordnung), »Grundregeln« $ 38 Abs. 1, 2 StVO, »Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht«

Barfuß Auto fahren Irrtum: Beim Autofahren muss ordnungsgemäßes Schuhwerk

getragen werden.

Richtig ist: Man darf auch barfuß Auto fahren.

Immer wieder geistert die Behauptung durch die Medien, es sei verboten, barfuß oder mit Flipflops Auto zu fahren.

124

Straßenverkehr

Selbst die Juristen des ADAC verfassten vor einigen Jah-

ren eine Pressemitteilung, in der sie davor warnten, sich barfuß ans Steuer zu setzen. Denn dies sei eine Ordnungswidrigkeit nach § 23 StVO. In Wahrheit steht in dem genannten Paragraphen nichts von einem BarfußVerbot am Steuer. Dennoch kommt es immer wieder vor,

dass Polizisten bei Verkehrskontrollen kostenpflichtige Verwarnungen aussprechen oder gar eine Anzeige schreiben, wenn

sie Autofahrer

»unten

ohne«

antreffen.

Sie

wissen es einfach nicht besser. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte nun tiber den Fall eines Autofahrers zu entscheiden, der während der Fahrt lediglich dünne Strümpfe trug. Eine Polizeistreife stoppte ihn und der Mann erhielt einen Bußgeldbescheid über 50 Euro. Den wollte er nicht akzeptieren - und das Gericht gab ihm ‘recht. Allein das Führen eines Kraftfahrzeuges ohne Schuhe stelle noch keine Verkehrsordnungswidrigkeit dar.”! Das gilt jedenfalls für Fahrer, die privat unterwegs sind. Wer aus beruflichen Gründen fährt, für den kann etwas

anderes gelten. Denn die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften schreiben tatsächlich vor, dass Fahrer »den Fuß umschließendes Schuhwerk« tragen müssen. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Und etwas anderes gilt auch, wenn man einen anderen gefährdet oder behindert oder es sogar zu einem Unfall kommt, gerade weil man barfuß oder in Flipflops gefahren ist. In einem solchen Fall haftet man für den negativen Erfolg der eigenen Nachlässigkeit. Zusammengefasst heißt das: Solange man privat fährt und nichts passiert — also keine Gefährdungen oder

Benutzungspflicht fiir Radwege? 125

Unfälle geschehen -, ist barfuß fahren erlaubt. Ob es sinn-

voll ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Jeder

muss selbst wissen, ob er sein Fahrzeug auch ohne vernünftiges Schuhwerk an den Füßen sicher beherrschen kann.

Bei Interesse siehe hierzu: $ 44 Abs. 2 BGV D29 (Berufsgenossenschaftsvorschriften;

Unfallverhütungsvorschriften Fahrzeuge), »Fahr- und Arbeitsweise« $ 15 Abs. 1 SGB

VII (Sozialgesetzbuch VII), »Unfallver-

hütungsvorschriften« § 209 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, »Bußgeldvorschriften« $1Abs.2 StVO ( Straßenverkehrsordnung), »Grundregeln«

Benutzungspflicht für Radwege? Irrtum: Radfahrer müssen vorhandene Radwege ın jedem Fall benutzen.

Richtig ist: In vielen Fällen dürfen Radfahrer trotz vorhandener Radwege auch auf der Straße fahren.

Radwege sind eine feine Sache - vor allem dann, wenn sie nicht von Autos zugeparkt, mit Schnee oder Laub bedeckt, von Fußgängern frequentiert, mit Schlaglöchern übersät, von Baumwurzeln hochgedrückt oder nach jeder Einmündung von zu hohen Bordsteinkanten unterbrochen sind.

126

Straßenverkehr

Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass es auch eine feine Sache sein kann, mit dem Fahrrad ganz einfach neben dem Radweg auf der glatt asphaltierten, von Schnee und Laub geräumten und von Fußgängern und Stolperfallen völlig freien Fahrbahn schnell und sicher voranzukommen. Nur: Darf man das überhaupt? Oder sind Radwege in jedem Fall benutzungspflichtig? Muss man unbefahrbare Radwege notfalls verlassen und sein Rad über den Bürgersteig schieben, wenn es gar nicht anders geht? Grundsätzlich gilt: Nicht jeder Radweg muss benutzt werden. Eine Benutzungspflicht besteht nur dann, wenn es eines dieser Schilder ausdrücklich vorschreibt:

Zeichen 237

Zeichen 240

Zeichen 241

Wie für jede Regel gelten jedoch auch hier Ausnahmen. Zum Beispiel müssen Radwege, die zu weit von der Hauptfahrbahn entfernt verlaufen, nicht benutzt werden. Auch wenn man links abbiegen möchte und ein Abbiegen vom Radweg aus an der nächsten Kreuzung durch die dortige Verkehrsführung nicht vorgesehen ist, darf man auf die Fahrbahn ausweichen. Und natürlich muss kein Radfahrer den Radweg benutzen, wenn er dort Slalom um Fußgänger, Mülltonnen, Baustellen oder ähnliche Hindernisse fahren muss oder Laub oder Schnee ein Befahren unmöglich machen. Der Radweg muss also problemlos befahrbar sein. Ist er es nicht, darf der Radfahrer die

Fahrbahn benutzen. Er muss nicht etwa absteigen und sein

Bergfahrt vor Talfahrt? 127

Rad über den Bürgersteig schieben; er dürfte es noch nicht einmal, wenn dadurch die dortigen Fußgänger behindert

würden.

Wenn

sich die Hindernisse nur alle paar Hundert

Meter wiederholen, muss der Radfahrer auch nicht etwa

ständig zwischen Fahrbahn und Radweg hin- und herwechseln. Er darf sich dann dauerhaft für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden.

Bei Interesse siehe hierzu: $ 2 Abs. 4 StVO (Straßenverkehrsordnung), »Straßenbenutzung durch Fahrzeuge« $ 41 Abs. 2 Ziffer 5, Zeichen 237, 240, 241 StVO, »Vorschriftzeichen, Sonder wege«

Bergfahrt vor Talfahrt? Irrtum: Wer an einer Engstelle bergauf fährt, hat Vorrang vor den bergab Fahrenden.

Richtig ist: Die Regel »Bergfahrt vor Talfahrt« ist ein Märchen.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es in den Bergen eine ganz besondere Regelung dafür gebe, wer Vorrang hat, wenn sich an einer Engstelle ein bergab und ein bergauf fahrendes Fahrzeug treffen. In jedem Fall sei dann der bergauf Fahrende bevorrechtigt. Denn ihm könne es weniger zugemutet werden, erforderlichenfalls ein Stück rückwärtszufahren.

128

Straßenverkehr

So lustig diese folkloristische Straßenverkehrsregel ist, so falsch ist sie. Zunächst mal ist schon nicht einzusehen,

weshalb es weniger gefährlich sein soll, an einem Berg rückwärts bergauf als rückwärts bergab zu fahren. Gabe es diese Regel tatsächlich, würde man auch unweigerlich in Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Denn ab wann bitte schön soll ein Berg ein Berg im Sinne der Straßenverkehrsordnung sein? Soll es auf die Höhe des Gebirges ankommen? Muss man also schon in den Alpen unterwegs sein, damit die Regel gilt, oder tut es auch ein gewöhnliches deutsches Mittelgebirge? Oder spielt vielleicht die Steigung eine Rolle, so dass selbst auf dem platten Land das vermeintliche »Bergrecht« gilt, wenn vereinzelt dort anzutreffende Hügelchen nur steil genug sind? Welcher Autofahrer will sich schon mit solch komplizierten Fragen beschäftigen? In Wahrheit ist die Vorrangregel daher ganz einfach: Wenn es auf einer Straße eng wird, muss zunächst einmal derjenige anhalten, auf dessen Seite das Hindernis steht. Wenn die Fahrbahn dagegen auf beiden Seiten gleichermaßen verengt ist und nur ein Fahrzeug zur gleichen Zeit hindurchpasst, dann hat derjenige Vorrang, der zuerst dort ankommt.” Sind beide gleichzeitig angekommen, hat keiner von beiden Vorrang, sondern die Fahrer müssen sich verständigen.” Diese Regeln gelten überall - egal ob man in der norddeutschen Tiefebene oder in den Hochalpen unterwegs ist. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 6 StVO (Straßenverkehrsordnung),

»Vorbeifahren«

Fahrrad in der Fußgängerzone 129

Fahrrad in der Fußgängerzone Irrtum: Fahrräder in der Fußgängerzone muss man schieben.

Richtig ist: Wenn man niemanden behindert, darf man das Rad auch wie einen Tretroller benutzen.

Mit dem Fahrrad durch die Fußgängerzone fahren — das geht natürlich nicht. Es sei denn, die Fußgängerzone ist ausdrücklich für den Radverkehr freigegeben, was gar nicht so selten vorkommt. Aber was macht man, wenn

man in einer reinen Fußgängerzone ganz einfach keine Lust hat, sein Rad zu schieben? Manche benutzen ihren

Drahtesel in solchen Situationen wie einen Tretroller indem sie den rechten Fuß auf das linke Pedal stellen und sich mit dem linken Fuß abstoßen. Ein gutes Gewissen haben sie dabei jedoch nicht. Und auch der eine oder andere Passant wird missmutig bemängeln, dass das Fahren in der Fußgängerzone verboten sei, egal ob man auf dem Rad sitze oder es »nur« als Roller benutze. Zu Unrecht, lautet die gute Nachricht für alle Fahrradfahrer! Denn

Radfahrer, die ihr Rad wie einen Tretroller be-

nutzen, gelten straßenverkehrsrechtlich als Fußgänger. So sehen es jedenfalls das Oberlandesgericht Stuttgart

und das Kammergericht Berlin*™ für Radfahrer, die mit

ihrem Rad über einen Zebrastreifen rollern. Nichts anderes kann in einer Fußgängerzone gelten. Schließlich dürfen dort auch gewöhnliche Tretroller - und zwar auch von Erwachsenen - als Fortbewegungsmittel benutzt werden. Sie gelten also nicht als Fahrzeuge im Sinne der Straßen-

130

Straßenverkehr

verkehrsordnung.*> Ob man das Rad nun schiebt oder darauf rollt, macht also keinen Unterschied. Allerdings darf man maximal in Schrittgeschwindigkeit rollern und dabei natürlich auch die Fußgänger nicht behindern. Man sollte also nicht gerade mit 25 km/h im Slalom bergab rasen. Bet Interesse stehe hierzu: § 24 StVO (Straßenverkehrsordnung), »Besondere Fortbewegungsmittel« $ 25 Abs. 2 StVO, »Fußgänger« $ 41 StVO, Zeichen 239, »Vorschriftzeichen, Fußgänger«

Freie Fahrt bei »Grünpfeil«? Irrtum: Bei »Griinpfeil« gilt trotz roter Ampel: »Freie Fahrt nach rechts«.

Richtig ist: Ein Grünpfeil ıst noch lange keine grüne Ampel.

Eine der wenigen »Errungenschaften« der DDR, die das Ende des Sozialismus auf deutschem Boden nicht

nur überlebte, sondern sich sogar auf Westdeutschland

ausdehnen konnte, ist das Blechschild mit dem grünen Pfeil:

Freie Fahrt bei »Grünpfeil«? 131 Der amtlich korrekte Name dieses Schildes lautet »Griin-

pfeil«. Damit soll er abgegrenzt werden von den »griinen Pfeilen«, die im Griinlicht einer Ampel aufleuchten:

An roten Ampeln gestattet das Schild mit dem Grünpfeil das Rechtsabbiegen. So viel haben inzwischen auch die Autofahrer in den alten Bundesländern verstanden. Längst nicht jedem ist jedoch klar, dass das Schild nicht etwa gleichbedeutend mit einer grünen Ampel ist. Es ist ganz im Gegenteil eher mit einem Stoppschild zu vergleichen. Wer an einer roten Ampel ankommt, an der ein Grünpfeil nach rechts zeigt, darf keineswegs ohne weiteres nach rechts abbiegen, so als gebe es die rote Ampel nicht. Er muss in jedem Fall erst einmal anhalten und darf anschließend nur dann abbiegen, wenn andere nicht behindert oder gefährdet werden. Und noch etwas weiß kaum jemand: Anders als der »grüne Pfeil« bedeutet ein »Grünpfeil« keineswegs, dass man bei freier Straße auch verpflichtet ist, nach rechts abzubiegen. Denn immerhin zeigt die Ampel ja Rot. Wenn man möchte, darf man also trotz Grünpfeil stehen bleiben und warten, bis die Ampel Grün zeigt. Dann jedoch muss man losfahren. Das auffordernde Hupen der weiter hinten in der Schlange stehenden Autos darf man in der Zwischenzeit getrost ignorieren. Dieses ist übrigens nicht nur unangebracht, sondern stellt sogar selbst eine Ordnungswidrigkeit dar. Denn die Hupe hat nicht die Aufgabe, anderen Verkehrsteilnehmern Lektionen in Verkehrserziehung zu erteilen.

132

Straßenverkehr

Bei Interesse siehe hierzu:

$37Abs.2 Ziffer 1 StVO (Straßenverkehrsordnung), »Wechsellichtzeichen, Dauerlichtzeichen und Grünpfeil«

Handy am Steuer I Irrtum: Nur das Telefonieren mit dem Handy 1st während der Fahrt verboten.

Richtig ist: Während der Fahrt darf gar keine Handyfunktion benutzt werden.

Dass man beim Autofahren nicht mit dem Handy am Ohr telefonieren darf, hat sich inzwischen herumgesprochen. Wie weitgehend das Handyverbot jedoch in Wirklichkeit ist, wissen die wenigsten. Viele benutzen das Handy zum Beispiel, um die Uhrzeit abzulesen. Vielleicht wollen sie es auch nur ausschalten, weil das Klingeln bei der Fahrt sie nervt. Manch einer liest sogar SMS und glaubt, das sei legal. Dabei sind all diese Verhaltensweisen

verboten. Denn das Gesetz macht keinen Unterschied,

welche Funktion eines Handys man benutzt. Es spielt also juristisch

keine

Rolle, ob

man

damit

telefoniert,

eine

Nachricht liest,°® es als Diktiergerät verwendet’ oder nur kurz auf das Display guckt, um die Uhrzeit abzulesen.” Alle diese Handlungen sind nach Auffassung der meisten Gerichte ordnungswidrig und können geahndet werden! Erlaubt wäre es dagegen, das Handy lediglich deshalb in die Hand zu nehmen, um es an einen anderen Ablageort

Handy am Steuer II 133

zu legen.”” Und auch, wer ein Handy - entgegen seiner vorgesehenen Funktion — als Ohrwärmer benutzt, wird ohne Geldbuße davonkommen. Sofern ihm das Gericht diese Geschichte glaubt, sollte man hinzufügen ...* Bei Interesse siehe hierzu: $ 23 Abs. 1a StVO (Straßenverkehrsordnung), Pflichten des Fahrzeugführers«

»Sonstige

Handy am Steuer I] Irrtum:

|

Wenn das Fahrzeug steht, darf man das Handy benutzen.

Richtig ist: Das Handy darf man nur benutzen, wenn das Fahrzeug steht und der Motor ausgeschaltet ist.

Noch ein weiterer Handy-am-Steuer-Irrtum ist weit verbreitet: Kaum jemandem ist klar, dass das Handyverbot am Steuer nicht nur während der Fahrt gilt, sondern auch, wenn das Fahrzeug steht. Und zwar nicht nur an einer Ampel oder im Stau, wenn die Fahrt jederzeit wieder losgehen kann, sondern sogar dann, wenn man im Winter auf einem Parkplatz steht und den Motor laufen lässt, da-

mit die Heizung funktioniert. Schon wer in einer solchen Situation das Handy bloß in die Hand nimmt, um die Uhrzeit abzulesen (siehe dazu das vorige Kapitel), begeht eine Ordnungswidrigkeit. Denn die Formulierung des Gesetzes ist eindeutig:

134

Straßenverkehr

»Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung

eines Mobil- oder

Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon

oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Das gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgestellt ist.«

Der Motor muss also ausgeschaltet sein. Der Wortlaut des Gesetzes lässt hier keinen Spielraum. Dass dies im Einzelfall wie oben beschrieben zu absurden Ergebnissen führen kann, steht außer Frage. Es bleibt daher abzuwarten, ob Gesetzgeber oder Rechtsprechung künftig mehr Milde walten lassen. Bei Interesse siehe hierzu: $ 23 Abs. 1a StVO (Straßenverkehrsordnung), Pflichten des Fahrzeugführers«

»Sonstige

Handynummer als »Abschleppschutz« Irrtum: Wer falsch parkt, hat keine Chance, sich vor dem Abschleppen zu schützen.

Richtig ist: Die Handynummer hinter der Windschutzscheibe kann Abschleppschutz bieten.

Wer falsch parkt und andere behindert, kann abgeschleppt werden und muss die Abschleppkosten tragen. Das ist bekannt. Doch ist es eigentlich angemessen, ein Auto abschleppen zu lassen, wenn sich hinter der Scheibe gut

Handynummer als »Abschleppschutz«

135

sichtbar ein Zettel befindet, auf dem es zum Beispiel heißt: »Nachricht an die Politesse: 18. Juli 2008, 14:30 Uhr. Ich bin kurz im Friseursalon Schmitz (Schillerstraße 7), vor dem mein Auto hier gerade steht. Mein Name ist Gisela Schulze, ıch trage ein auffälliges grünes Kleid, meine Handynummer ıst 0123/ 4567890, und wenn Ste mich anrufen oder ın das Friseurgeschäft kommen und mich ansprechen, werde ıch diesen Wagen auf der Stelle wegfahren. Versprochen!«

Müsste eine Politesse in einem solchen Fall nicht ganz einfach ins Geschäft gehen und darum bitten, dass der Wagen weggesetzt wird, anstatt ihn gleich abschleppen zu lassen? Der Aufwand wäre viel geringer und obendrein wäre die Straße auch schneller wieder frei. In der Tat können sich Autofahrer, die einen solchen

Zettel hinter ihrer Windschutzscheibe anbringen, auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Ham-

burg berufen.*! Das Gericht meint, dass Polizeibediens-

tete durchaus verpflichtet sein können, den Fahrer des Autos erst einmal zu suchen, bevor sie das Fahrzeug abschleppen lassen. Allerdings nur unter strengen Voraussetzungen: — Im Auto befindet sich ein deutlicher Hinweis auf den Aufenthaltsort des Fahrers.

— Der Aufenthaltsort liegt in unmittelbarer Nähe des

Autos. — Es ist erkennbar, dass der Fahrer dort aktuell erreichbar ıst.

136

Straßenverkehr

— Der Hinweiszettel ist auf die konkrete Situation bezo-

gen und nicht allgemein gehalten.

Ergänzen sollte man, dass andere Gerichte auch einen ausdriicklichen Hinweis darauf verlangen, dass man sofort wegfahren wiirde, wenn man angerufen oder aufgesucht werde. Die »Nachricht an die Politesse« ganz oben erfüllt alle diese Voraussetzungen. Sie ist vor allem kein allgemein gehaltener Vordruck. Man merkt dem Zettel an, dass er genau für diese konkrete Situation geschrieben wurde — für den Parkverstoß am 18.07.08 vor dem Friseursalon Schmitz. Die Politesse weiß also, dass genau sie mit dem Zettel gemeint ist und dass die Straße schneller wieder frei ist, wenn sie erst einmal die Fahrerin sucht. Jedenfalls in

Hamburg käme Frau Schulze mit diesem Zettel also wohl um die Abschleppkosten herum, wenn die Politessen ihr Auto dennoch einfach abschleppen lassen. Das wäre anders bei einem vorgefertigten Zettel, den man immer im Handschuhfach hat und auf dem es ganz allgemein für jede Situation passend heißt: »Liebe Politesse, ich bin ganz in der Nähe. Wenn ich wegfahren soll, rufen Sie mich bitte an, Telefonnummer: 0123/4567890.«

Hier weiß die Politesse nicht, ob der Zettel nicht vielleicht

schon vor einem Jahr hinter die Windschutzscheibe gelegt und dann dort vergessen wurde. Sie muss ihn daher nicht beachten, denn der Bezug zur konkreten Situation fehlt. Als höhere Instanz hat das Bundesverwaltungsgericht in einer älteren Entscheidung übrigens einmal erkennen

Handynummer als »Abschleppschutz« 137

lassen, dass es Hinweisschilder mit Handynummer hinter der Windschutzscheibe in der Regel gerade nicht als »Abschleppschutz« betrachtet. Denn es sei nicht sicher, ob die Nachforschungen nach dem Fahrer Erfolg hätten. Außerdem verzögere sich der Abschleppvorgang dadurch möglicherweise.* Allerdings betraf auch diese Entscheidung ein vorgefertigtes, allgemein gehaltenes Hinweisschild, das für viele Situationen gepasst hätte und dem Gericht daher zu unkonkret war. |

Erwähnt sei schließlich noch, dass andere Gerichte die

Zettel hinter der Windschutzscheibe ebenfalls kritisch sehen.*3 Auch sie bestreiten jedoch nicht, dass es Fälle geben kann, in denen die Politessen zunächst nach dem Fahrer suchen müssen. Welche Rechtsprechung sich langfristig in Deutschland durchsetzt, bleibt abzuwarten. Dennoch gilt folgendes Fazit: Natürlich sollte man überhaupt nicht falsch und behindernd parken. Aber wenn es in einem »Notfall« doch einmal sein »muss«, können individuell auf die Situation

zugeschnittene Hinweiszettel hinter der Windschutzscheibe einen doppelten Schutz bieten: Zum Ersten bieten sie einen tatsächlichen Schutz. Denn je freundlicher und präziser der Zettel formuliert

ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Politesse erst einmal den Fahrer sucht, bevor sie den

Abschleppwagen ruft. Zum Zweiten bieten sie auch einen gewissen rechtlichen Schutz vor Abschleppkosten. Denn bei höchstrichterlich noch nicht abschließend entschiedenen Rechtsfragen wie dieser ist es besser, die Rechtsprechung eines Oberverwaltungsgerichts an der Hand zu haben als gar keine.

138

Straßenverkehr

Hineintasten in den Verkehr Irrtum: Wer aus einem unübersichtlichen Grundstück auf die Fahrbahn fährt, darf sich vorsichtig »hineintasten«.

Richtig ist: Blindes Hineintasten auf die Fahrbahn aus Grundstücken ist nicht zulässı 2.

Viele Autofahrer haben irgendwann mal etwas davon gehört, dass man sich vorsichtig in den Verkehr »hineintasten« dürfe, wenn man ihn nicht völlig überblicken

kann. Manch einer glaubt daher, es sei zulässig, sich aus

der von dichten Hecken halb zugewachsenen Grundstücksausfahrt auch dann langsam auf die Straße zu wagen, wenn man nicht erkennen kann, ob dort Fahrzeuge den eigenen Weg kreuzen, nach dem Motto: »Sollen die halt aufpassen. Ich selber kann schließlich nichts sehen. Damit müssen die anderen Autofahrer eben rechnen.« _ Wer so denkt und handelt, unterliegt jedoch einem gefährlichen Irrtum! Es gibt zwar tatsächlich eine Regelung, die das vorsichtige Hineintasten in den Verkehr gestattet. Sie gilt jedoch nur an unübersichtlichen Kreuzungen. Für Grundstücksausfahrten gilt sie gerade nicht! Hier ist es grundsätzlich sinnvoll, Spiegel anzubringen, die einen möglichst umfassenden Blick auf den potentiell kreuzenden Verkehr erlauben. Wenn ein solcher Spiegel fehlt und man nicht genügend Sicht auf die Straße hat, schreibt das Gesetz ausdrücklich vor, dass man sich néti-

genfalls von anderen in den Verkehr einweisen lassen muss.

.

»Knöllchen« von Privatleuten

139

Wer trotz fehlender Ubersicht aus Grundstiicken auf

die Straße fährt und so einen Unfall verursacht, muss dem-

nach haften. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass dies selbst dann gilt, wenn der Unfallgegner von rechts kam, also die linke Spur benutzte. Auch damit müsse man rechnen, wenn man auf eine Straße fahre.“ Bei Interesse siehe hierzu:

|

§ 8 Abs. 2 8.2 StVO (Straßenverkehrsordnung), »Vorfahrt« $ 105.1 StVO, »Einfahren und Anfahren«

»Knöllchen« von Privatleuten Irrtum: Nur Polizei und Ordnungsamt dürfen Knöllchen verteilen.

Richtig ist: Auch Privatpersonen können Anzeigen schreiben, wenn sie Ordnungswidrigkeiten beobachten.

Nicht jeder ist durch Arbeit, Familie und Hobbys genügend ausgelastet. Manch einer betätigt sich in seiner Freizeit daher gerne als Hilfspolizist und zeigt Mitmenschen an, die falsch parken, den Müll nicht ordnungsgemäß trennen, zur Mittagszeit den Rasen mähen oder ähnlich schwerwiegende Untaten begehen. Diese Praxis hat in Deutschlandja eine lange Tradition. Jedes Ordnungsamt hat seine Stammkunden, die wohl schon früher ordnungsgemäß Meldung gemacht hätten, wenn der Nachbar heimlich den Engländer hörte, und die

140

Straßenverkehr

noch heute regelmäßig ganze Aktenberge einsenden, um mit Beweisfotos und Gedächtnisprotokollen minutiös die Ungeheuerlichkeiten zu belegen, die in ihrem Block vor sich gehen. Wenn die Behörden dann nicht umgehend reagieren, wenden sich die Anzeigenerstatter mit ihren

Eingaben gerne an die Medien und beschweren sich darüber, dass die Staatsmacht nicht sogleich rigoros einschreitet. Und nicht selten haben sie damit sogar Erfolg. Denn häufiger, als man es für möglich hält, schreiten die Ord-

nungsbehörden tatsächlich ein, wenn sie solche »Privatknöllchen« zugesandt bekommen. Zwar steht ihnen ein Ermessensspielraum zu. Sie sind also nicht verpflichtet,

jeder Ordnungswidrigkeit nachzugehen. Aber in vielen

Fällen tun sie es eben doch. Daher gilt: Wer unter der Windschutzscheibe seines falsch geparkten Autos ein Knöllchen mit dem Hinweis findet, dass ihm für dieses Falschparken eine Anzeige be-

vorsteht, ist nicht auf der sicheren Seite, nur weil das

»Knöllchen« lediglich vom Nachbarn kommt. Ihm können durchaus die gleichen Konsequenzen drohen, wie wenn das Schriftstück von einer Politesse ausgestellt worden wäre. Bei Interesse siehe hierzu: $ 47 Abs. 1 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten), »Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten«

Motor warm laufen lassen 141

Motor warm laufen lassen Irrtum: Es ist sinnvoll und zulässig, den Motor im Stand warm laufen zu lassen.

Richtig ist: Das Warmlaufenlassen des Motors im Stand ist nicht nur schädlıch für Motor und Umwelt, sondern auch eine Ordnungswidrigkeit.

Eine unausrottbare Unsitte bei manchen Autofahrern ist das Warmlaufenlassen des Motors im Stand. Wahrend der Motor läuft, wird das Auto von Schnee und Eis frei

gekratzt und vielleicht noch eine Zigarette geraucht. Allen Aufklärungsbemühungen zum Trotz gibt es immer noch Zeitgenossen, die glauben, ihr Auto auf diese Weise am schonendsten auf Betriebstemperatur zu bringen. Dass sie eine Ordnungswidrigkeit begehen, kommt ihnen dabei gar nicht in den Sinn! Man kann es nicht oft genug wiederholen: Sowohl für den Motor als auch für die Umwelt ist diese Praxis höchst schädlich. Aus diesem Grund ist sie auch verboten. Sie kann als Ordnungswidrigkeit mit erheblichen Bußgeldern geahndet werden. Bei Interesse siehe hierzu: $ 30 Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung), » Umweltschutz und Sonntagsfahrverbot«

142

Straßenverkehr

Überholverbot bei durchgezogener Linie? Irrtum: Bei durchgezogener Linie auf der Straße darf man nicht überholen.

Richtig ist: Durchgezogene bot.

Linien

bedeuten

kein

Uberholver-

Wenn Sie jemand fragt, was eine durchgezogene Linie auf der Mitte der Fahrbahn bedeutet, werden Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit antworten: »Hier gilt absolutes Uberholverbot. Ich darf erst wieder überholen, wenn aus der

durchgezogenen eine gestrichelte Linie wird.« Möglicherweise sind Sie aufgrund dieses Irrglaubens schon oft völlig unnötig eine halbe Stunde hinter einem Traktor hergeschlichen, weil Sie sich nicht getraut haben, ihn zu überholen. Denn keineswegs bedeuten durchgezogene Linien, dass hier das Überholen verboten ist! Überholverbote werden durch Schilder angeordnet, aber nicht durch Linien auf der Straße. | Was aber bedeuten die Linien dann? Ganz einfach: Sie dürfen nicht überfahren werden. Auf einer Straße mit sehr engen Fahrstreifen führt dies im Ergebnis tatsächlich häufig zu einem faktischen Überholverbot. Aber das muss nicht in jedem Fall so sein. Wenn die Fahrbahn breit genug ist, um zu überholen, ohne dass man dabei die Mittellinie überfährt, ist das Überholen völlig legal. Dass man dabei gleichzeitig einen ausreichenden Seitenabstand nach rechts einhalten muss, versteht sich von selbst. Für

Motorräder ist dies im Allgemeinen kein Problem. Auto-

Unniitzes Hin-und-her-Fahren

143

fahrer, die sich in einer solchen Situation tiber vermeint-

lich verbotene Uberholmanéver von Motorradfahrern aufregen, beweisen also nur ihre Unkenntnis. Vor allem in ländlichen Regionen ist es üblich, dass langsamere Fahrzeuge auf ihrer Spur weit nach rechts ausweichen und so trotz durchgezogener Linie selbst Autos ein Uberholen ermöglichen. Die Straßenverkehrsordnung erlaubt es ihnen sogar, auf dem Seitenstreifen anzuhalten, um die hinter ihnen fahrenden Fahrzeuge vorbeizulassen. Bei Interesse siehe hierzu: $ 5 Abs. 2-4, 5 StVO (Strafenverkehrsordnung), » Überholen« $ 41 Abs. 3 Nr. 3a, 4 StVO, »Vorschriftzeichen«

Unnützes Hin-und-her-Fahren Irrtum: »Cruisenc ist legal.

Richtig ist: Unnützes Hin-und-her-Fahren widrigkeit.

ist eine Ordnungs-

Man möchte annehmen, dass jeder Autofahrer selbst entscheiden darf, wann und aus welchem Grund er sein Auto

benutzt. Doch weit gefehlt! Die Straßenverkehrsordnung enthält eine ganz erstaunliche Regelung, die kaum jemand

kennt. Danach ist unnützes Hin-und-her-Fahren (so steht

es tatsächlich wörtlich im Gesetz!) innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, wenn andere dadurch belästigt werden. Die Vorschrift verbietet außerdem das unnötige Lau-

144

Straßenverkehı

fenlassen des Motors sowie ein übermäßig lautes Schließen der Fahrzeugtüren. Die Umwelt soll auf diese Weise vor überflüssigen Abgas- und Lärmimmissionen geschützt werden. Wer jemals an einem Samstagabend gegen Mitternacht über den Kölner Ring zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz spaziert ist, weiß also nun, dass das, was sich dort ab-

spielt, in höchstem Maße illegal ist. Denn so dramatisch

ist die Parksituation dort schließlich auch nicht, dass man

immer wieder den gleichen, mit nur geringer Bodenfreiheit versehenen Mittelklassefahrzeugen eines bayerischen Automobilbauers begegnen müsste, die ihre Umgebung lautstark mit nahöstlicher Musik unterhalten. Für Köln wie auch für den Rest der Republik gilt also: Wer sich

hinters Steuer setzt, sollte sich immer im Klaren darüber sein, warum er das tut — ansonsten könnte die Fahrt teuer

werden!

Bei Interesse siehe hierzu:

§ 30 Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung), » Umweltschutz und Sonntagsfahrverbot«

Vorfahrt bei grüner Ampel? Irrtum: Wenn die Ampel Grün zeigt, darf man immer fahren.

Richtig ist: Auch bei grüner Ampel muss man ten.

manchmal war-

Vorfahrt bei griiner Ampel?

145

Diese Situation hat jeder schon einmal erlebt: Man fahrt bei griiner Ampel in eine belebte Kreuzung hinein, begegnet dort jedoch Abbiegern, die die eigene Griinphase bis zum letzten Moment ausgenutzt haben, jetzt halb in der Kreuzung stehen und in die gleiche Richtung fahren wollen wie man selbst. Zwar hatten diese Autos trotz griiner Ampel gar nicht erst losfahren diirfen, wenn die Kreuzung erkennbar überfüllt war. Aber nun stehen sie halt einmal da und wollen sich noch schnell vor den Fahrzeugen, deren Ampel inzwischen Grün zeigt, einordnen. Und was tun Letztere? In aller Regel hupen sie und bestehen auf ihrer vermeintlichen Vorfahrt. Zu Unrecht! Denn auch wenn die Ampel für die Spätabbieger längst Rot zeigt, dürfen diese zunächst die Kreuzung räumen. Erst dann dürfen diejenigen fahren, deren Ampel Grün zeigt — wenn sie dann noch Grün zeigt.

Bei Interesse siehe hierzu:

$ 1 StVO (Straßenverkehrsordnung), »Grundregeln«

Verbraucherfragen

Anfassen von Lebensmitteln verpflichtet zum Kauf?

Irrtum: Angefasste oder gekauft werden.

ausgepackte

Lebensmittel

miissen

Richtig ist: Auch bei Lebensmitteln besteht hein Kaufzwang.

Studenten kennen die vom Mensapersonal liebevoll selbstgebastelten Hinweisschilder an der Nachtischtheke: »Herausgenommene Lebensmittel müssen gekauft werden«. Für »herausgenommene« und selbst für angefasste Lebensmittel gilt jedoch das Gleiche wie für durchgeblät-

terte Zeitschriften (siehe Seite 156): Man muss sie nicht kaufen, und zwar auch dann nicht, wenn Schilder im Geschäft oder im Selbstbedienungslokal etwas anderes be-

haupten. Selbst wer so weit geht, im Supermarkt eine Chipstüte aufzureißen, um »mal zu probieren«, ist nicht gezwungen, diese Chips nun zur Kasse zu tragen, zu bezahlen und mitzunehmen. Warum auch? Vielleicht schmecken die Chips ja gar nicht! Wer sich nun schon auf ein hemmungs- und kostenloses Durchprobieren beim nächsten Supermarkt- oder Mensabesuch freut, der sei jedoch gewarnt: Auch wenn es kei-

nen Kaufzwang für angefasste oder ausgepackte Lebensmittel gibt, so muss man dem Händler doch den Schaden

150 Verbraucherfragen

ersetzen, den man angerichtet hat. Dass tiberhaupt ein Schaden entstanden ist, steht allerdings keineswegs immer fest. Wenn man an der Obsttheke einen Pfirsich lediglich sacht anfasst und sich die Fingernägel beim »Frischetest« nicht gerade einen halben Zentimeter ins Fruchtfleisch bohren, dürfte die Ware weiterhin gut verkäuflich sein. Gleiches gilt für eine mit Klarsichtfolie überzogene Schüssel Schokopudding in der Mensa. In beiden Fällen wäre kein Schaden entstanden. Man dürfte den Pfirsich beziehungsweise den Pudding zurücklegen und müsste nichts bezahlen. Wer dagegen eine Chipstüte aufreißt, macht die Ware unverkäuflich. Auch das heißt jedoch noch lange nicht, dass man nun den vollen Ladenpreis als Schadensersatz leisten muss. Denn der Schaden des Händlers ist in aller Regel geringer als der Ladenpreis! Zwar wird man ihm den Händlereinkaufspreis erstatten müssen, also die Summe, die er selbst bei seinem Lieferanten für die Chipstüte bezahlt hat. Den vollen Ladenpreis — also einschließlich der Gewinnmarge — müsste man dagegen nur erstatten, wenn dem Händler durch das Aufreißen der Verpackung der Gewinn entgangen ist, den er eingestrichen hätte, wenn er die Tüte verkauft hätte. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn man die letzte Chipstüte aufgerissen hat, die der Händler auf Lager hatte. Wenn dann fünf Minuten später ein Kunde kommt, der genau diese Tüte gekauft hätte, wäre dem Händler tatsächlich ein Gewinn

entgangen. »Geschickter« wäre es also, sich zum Probieren eine Tüte auszusuchen, von der noch so viele im Regal liegen, dass auch die nachfolgenden Kunden problemlos bedient werden können und dem Händler nicht ein Cent Umsatz entgeht. Es würde ihm dann sehr schwerfallen, zu begründen, weshalb ihm ein Schaden entstanden ist.

Anfassen von Lebensmitteln verpflichtet zum Kauf? 151

Und wie sieht es mit den Chips aus, die man probiert, also gegessen hat? Um diese Chips ist man — wie es im Juristendeutsch heißt — ungerechtfertigt bereichert. Und eine ungerechtfertigte Bereicherung muss man wieder herausgeben. Dies sollte man jedoch nicht allzu wörtlich nehmen. Denn wer den Herausgabeanspruch des Händlers noch im Geschäft durch eine Umkehr des Verzehrvorganges erfüllt, macht sich zusätzlich schadensersatzpflichtig! Wer im Supermarkt also nur Appetit auf einige wenige Chips hat, muss nach Wahl des Händlers entweder nur den anteiligen Ladenverkaufspreis dieser paar Chips oder den Händlereinkaufspreis der gesamten Tüte bezahlen. Man kommt also in jedem Fall günstiger weg als beim Kauf der ganzen Tüte. Den Actionfilm zu seinen Chips bekommt er in vielen Fällen noch kostenlos dazu! Das ist allerdings nur die zivilrechtliche Seite. Ungemach kann durchaus von strafrechtlicher Seite drohen. Denn selbstverständlich macht sich wegen Sachbeschädigung strafbar, wer fremde Chipstüten aufreißt. Und wer den Inhalt verspeist, begeht einen Diebstahl. Daher: Lieber nicht ausprobieren! Bei Interesse siehe hierzu:

$ 307 Abs. 1 8. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Inhalts-

kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen«

$ 309 Nr. 5 BGB, »Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit: Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen« $ 433 Abs. 2 BGB, »Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag«

$ 812 Abs. 1 S. 1, 2 BGB, »Herausgabeanspruch« $ 823 Abs. 1 BGB, »Schadensersatzpflicht«

152 Verbraucherfragen

Angemessener Vorrat an Sonderangeboten Irrtum: Es ist Sache des Ladeninhabers, wie viele Artikel eines Sonderangebotes er vorrätig hält.

Richtig ist: In der Regel müssen Sonderangebote mindestens zwei Tage lang vorrätig sein.

Es ist sehr ärgerlich, wenn man durch ein besonders günstiges Sonderangebot in ein Geschäft gelockt wird und

dann dort feststellen muss, dass es bereits ausverkauft ist.

Manchmal halten die Händler die Vorräte ihrer Schnäppchen ganz bewusst knapp. Sie spekulieren darauf, dass die Kunden dann eben eine andere Ware kaufen, die nicht im

Sonderangebot ist. Und diese Rechnung geht oft genug auf. Wer jedoch glaubt, das Vorgehen der Händler sei legal, der liegt daneben. Wer für eine Ware wirbt — egal ob sie

im Sonderangebot ist oder nicht -, der muss sicherstellen,

dass sie auch in angemessener Menge vorhanden ist. Und was angemessen ist, dafür gibt es ebenfalls eine Regelung: Im Allgemeinen muss der Vorrat für die zu erwartende Nachfrage mindestens zwei Tage halten. Ist das nicht der Fall, liegt eine illegale »Lockvogelwerbung« vor. Von dieser Regel gibt es nur wenige Ausnahmen. Ein Vorwurf kann dem Händler zum Beispiel dann nicht gemacht werden, wenn er deutlich darauf hingewiesen hatte, dass von dem Sonderangebot nur wenige Einzelstücke vorhanden sind. Ein lapidarer Hinweis wie »Aufgrund der Vielzahl der Waren ist nicht immer alles sofort verfügbar, wir

Angemessener Vorrat an Sonderangeboten

153

bestellen sofort für Sie. Keine Mitnahme-Garantie« reicht im

Zweifel jedoch nicht aus.* Reicht der Vorrat nur für weniger als zwei Tage, dann muss der Händler schon gute Gründe nennen, wie dies passieren konnte. Eine unerwartet hohe Nachfrage oder vom Händler unverschuldete Lieferschwierigkeiten können Umstände sein, die ihn entlasten. Der Händler muss diese Tatsachen dann allerdings nachvollziehbar darlegen und beweisen.

Und was kann der enttäuschte Verbraucher tun, der nur

wegen eines Sonderangebotes in einen Laden gekommen ist und dann leer ausgeht? Einen Anspruch auf Nachlieferung der Ware hat er leider nicht. Rechtlich kann er selbst also nichts unternehmen. Ein Hinweis an die Geschäftsführung, dass die unzureichende Vorratshaltung irreführend und damit wettbewerbswidrig ist, kann dennoch Wunder bewirken. Möglicherweise wird der ausverkaufte Artikel nach solch einem Hinweis ja doch noch nachbestellt. Die Ladenbesitzer haben schließlich kein Interesse daran, dass ihre Kunden sich bei Konkurrenzunterneh-

men oder den berühmt-berüchtigten Abmahnvereinen beschweren. Denn diese können die irreführende Werbung abmahnen und im Wiederholungsfall saftige Strafzahlungen verlangen. Bei Interesse siehe hierzu: $ 5 Abs. 5 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), »Irreführende Werbung«

154 Verbraucherfragen

Beschädigte Pfandflaschen Irrtum: Beschädi ote Pfandflaschen miissen nicht zurückgenommen werden.

Richtig ist: Auch für beschädigte Pfandflaschen muss die Annahmestelle das Pfand ausbezahlen.

In manchen Geschäften hängen Schilder, auf denen behauptet wird, zerknüllte, verschmutzte oder beschädigte Pfandverpackungen würden nicht zurückgenommen. Von solchen Schildern sollte sich jedoch niemand beeindrucken lassen, denn sie sind schlicht falsch. Geschäfte,

die sie dennoch aufhängen, riskieren es, von Konkurrenten oder Wettbewerbsvereinen kostenpflichtig abgemahnt und zur Entfernung des Schildes verpflichtet zu

werden. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die

Rücknahmeautomaten, die man in vielen Supermärkten

findet, die zerknüllte Flasche noch erkennen. Wenn

sie

die Flasche wieder ausspucken, sollte man sie zum nächsten Verkaufsmitarbeiter oder notfalls zum Marktleiter bringen und verlangen, dass er sie entgegennimmt. Wenn anhand der Verpackungskennzeichnung noch ersichtlich ist, dass es sich um eine Pfandverpackung han-

delt, die der Händler im Sortiment führt, muss er sie

zurücknehmen und das Pfand auszahlen. Übrigens spielt es auch keine Rolle, ob der Deckel der Flasche noch vor-

handen ist oder nicht. Getränkehändler wissen von Kunden zu berichten, die sogar die Kronkorken wieder auf

ihre leeren Bierflaschen drücken, weil sie meinen, dies

300 Meter mit dem Taxi

155 _

müsse so sein. Rechtlich erforderlich ist das jedoch ganz sicher nicht. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 8 Abs. 1 VerpackV (Verpackungsverordnung), »Pfanderhebungs-

und

Rücknahmepflicht für

Einweggetränkever-

packungen«

300 Meter mit dem Taxi Irrtum: Laxtfahrer dürfen kurze Fahrten verweigern.

Richtig ist: Taxifahrer müssen auch kurze Strecken fahren.

Natürlich ist es ärgerlich, wenn ein Taxifahrer am Flughafen 4 Stunden in der Taxischlange gewartet hat und dann gebeten wird, einen Passagier mitsamt seinen Koffern 300 Meter weit von Terminal 1 zu Terminal 2 zu fahren. Denn er verliert dadurch seinen Standplatz und muss sich in der Schlange anschließend wieder hinten anstellen. Ablehnen darf der Taxifahrer die Fahrt mit dieser Begründung dennoch nicht, auch wenn dies in der Praxis immer wieder geschieht. Denn im so genannten »Pflichtfahrgebiet«, das jede deutsche Stadt oder Gemeinde für ihre Taxifahrer verbindlich festlegt, müssen Passagiere grundsätzlich mitgenommen werden. Nur in Ausnahmefällen dürfen Taxifahrer sich weigern, einen Fahrgast ein-

steigen zu lassen. Wer stark betrunken, verschmutzt, bewaffnet, aggressiv oder offensichtlich ansteckend erkrankt

156 Verbraucherfragen

ist, muss nicht mitgenommen werden. Auch große oder nicht angeleinte Hunde müssen nicht transportiert werden, wenn der Taxifahrer befürchtet, dass das Tier die Be-

triebssicherheit des Fahrzeugs gefährden könnte. Wenn

wir einmal von einem nüchternen, sauberen, gesunden,

unbewaffneten und friedlichen Fahrgast ohne Hund ausgehen, hat dieser also einen Beförderungsanspruch. Ob man diesen in der Praxis auch unbedingt ausüben muss, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Eine schöne Kompromisslösung ist es sicher, gleich das Taxi am Ende der Schlange zu nehmen oder es vom Fahrer herbeirufen zu lassen, wenn

man

tatsächlich nur eine sehr kurze |

Strecke fahren will. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 22 PBefG

(Personenbeförderungsgesetz),

»Beförderungs-

pflicht«

Durchblättern verpflichtet zum Kauf? Irrtum: Das Durchblättern von Zeitschriften verpflichtet zum Kauf.

Richtig ist: Es gibt keinen Kaufzwang für gelesene Zeitschriften.

In Zeitschriftenläden hängen mitunter Schilder mit der Aufschrift »Das Durchblättern von Zeitungen oder Zeitschriften verpflichtet zum Kauf«. Dass Ladeninhaber diese Behauptung aufstellen, ist ja durchaus verständlich.

Durchblättern verpflichtet zum Kauf? 157 »Wir sind doch keine Wärmestube!«, heißt es in diesem

Zusammenhang gerne. Aber gibt es wirklich einen Kaufzwang für »angelesene« Druckerzeugnisse? Selbstverständlich nicht! Denn niemand kann gezwungen werden, etwas zu kaufen, was er gar nicht haben will. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob man eine Zeitschrift nur kurz durchblättert oder sogar die bei manchen Publikationen übliche Klarsichtverpackung aufreißt und das Blatt von vorne bis hinten durchliest. In keinem Fall besteht ein Kaufzwang! Denn ein Kaufvertrag kommt

in Deutschland nach wie vor dadurch zustande, dass sich

Käufer und Verkäufer darüber einigen, dass eine Sache zu ‚einem bestimmten Preis verkauft werden soll. Dies kann durchaus auch wortlos durch so genanntes »schlüssiges Handeln« geschehen. Wer zum Beispiel eine Zeitschrift aus dem Regal nımmt, auf den Verkaufstresen legt und dem Verkäufer 2,50 Euro in die Hand drückt, braucht

nicht noch ausdrücklich zu sagen, dass er dieses Blatt käuflich erwerben möchte. Der Kaufvertrag kommt in einem solchen Fall auch ohne Worte zustande. Wer eine Zeitschrift jedoch nur durchblättert, bringt damit sicher-

lich nicht zum Ausdruck, dass er die Zeitschrift kaufen,

bezahlen und mitnehmen möchte. Und das gilt selbst dann, wenn irgendwo ein Schild hängt, auf dem das Gegenteil behauptet wird. Ein solches Schild würde eine so genannte »unangemessene Benachteiligung« darstellen und wäre damit unwirksam. Wie können Ladeninhaber sich also gegen Dauerleser

schützen, die nichts kaufen? Ganz einfach: Indem sie ihnen das Weiterlesen untersagen und sie notfalls aus dem

Geschäft komplimentieren. Dieses Recht hat der Verkäufer in jedem Fall.

158 Verbraucherfragen

Falls Sie übrigens gerade in einer Buchhandlung stehen und dort in diesem Buch lesen: Die oben beschriebenen Regeln gelten bedauerlicherweise auch in diesem Fall. Aber bitte nicht weitersagen! Bei Interesse siehe hierzu:

§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen« $ 309 Nr. 5 BGB, »Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit: Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen«

$ 433 Abs. 2 BGB, »Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertra 8«

Eigene Getränke ım Kino und bei Konzerten Irrtum: Das M: itbringen eigener Getränke kann immer untersagt werden.

Richtig ist: In manchen Fällen müssen eigene Getränke erlaubt werden.

Im ersten Lexikon der Rechtsirrtümer wurde schon darauf hingewiesen, dass Fitnessstudios das Mitbringen eigener Getränke nicht verbieten dürfen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist der Meinung, dass ein solches Verbot unangemessen ist, da die Sportler die Möglichkeit haben müssen, ihren erhöhten Flüssigkeitsbedarf zu vernünftigen Preisen zu decken.* Aber wie sieht es andernorts aus? Zum Beispiel in

Eigene Getränke im Kino und bei Konzerten 159

Kinos oder auf Konzerten? Auch dort wird es den Besuchern in der Regel verboten, eigene Getränke mitzunehmen. Ist das zulässig? Oder irren die Kinobetreiber und Konzertveranstalter? Urteile zu dieser Frage gibt es soweit ersichtlich noch nicht. Es ist aber möglich, eine Parallele zu dem Urteil des OLG Brandenburg zu ziehen: Nicht nur in Fitnessstudios besteht ein erhöhter Bedarf an Flüssigkeitszufuhr, sondern zum Beispiel auch auf Konzerten mit langem Vorprogramm, die sich über Stunden hinziehen und bei denen die Besucher — wenn Platz genug ist — auch ausgiebig tanzen. Eine Menge spricht deshalb dafür, dass ein gene-

relles Verbot, eigene Getränke mitzubringen, auch bei sol-

chen Veranstaltungen unwirksam ist. Die Veranstalter führen häufig an, die eigenen Getränke seien aus Sicherheitsgründen verboten, denn sie könnten als Wurfgeschosse benutzt werden. Nicht selten werden auf demselben Konzert dann jedoch Getränke oder Merchandisingartikel verkauft, die ebenso gut als Wurfgeschosse taugen. Manchen Konzertveranstaltern ist dies auch schon aufgefallen, so dass sie zumindest die Mitnahme von Getränken in weichwandigen Behältnissen bis zu 0,5 Litern erlauben, alle anderen Getränke jedoch verbieten. Gegen eine solche Regelung dürfte nichts einzuwenden sein. Denn mit einer »Capri Sonne« als Wurfgeschoss wird man ım Allgemeinen keine schwerwiegenden Verletzungen hervorrufen können. Wer also eine Karte zu einem Konzert gekauft hat, auf dem die Mitnahme jeglicher Getränke verboten ist, der möge sıch einmal an seine örtliche Verbraucherzentrale

wenden. Vielleicht ist man dort ja interessiert, ein Musterverfahren zu führen.

160 Verbraucherfragen

Und wie sieht es in Kinos aus? Sicherheitsbedenken spielen hier sicher eine geringere Rolle als bei Konzerten. Andererseits verbraucht man nicht gerade übermäßig viel Flüssigkeit, wenn man gemütlich im Kinosessel sitzt und einen Film guckt. Das OLG Brandenburg hatte in seiner Fitnessstudio-Entscheidung jedoch gerade den Aspekt des erhöhten Getränkebedarfs hervorgehoben. Wenn der Film also nicht gerade vier Stunden dauert, wird man im Kino demnach leider keinen Anspruch darauf haben, seine eigenen Getränke mitzubringen. Bei Interesse siehe hierzu:

§ 307 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Inhaltskontrolle«

Kinder an Supermarktkassen Irrtum: Was Kinder 1m Supermarkt kaputt machen oder essen, muss bezahlt werden.

Richtig ist: In vielen Fällen muss der Supermarkt seinen Schaden selbst tragen.

Im ersten Lexikon der Rechtsirrtümer wurde das Märchen von den Eltern, die angeblich für ihre Kinder haften, rich-

tiggestellt. In der Tat haften Eltern nämlich nur dann für Schäden, die ihre Kinder anrichten, wenn sie ihre Auf-

sichtspflicht verletzen. Den Autor dieses Buches erreich-

ten daraufhin viele Zuschriften, in denen konkrete Fälle geschildert wurden, verbunden mit der Frage, wie es denn

Kinder an Supermarktkassen 161

in solchen Situationen aussehe: Miissen Mama und Papa zahlen oder nicht? Eine der am häufigsten geschilderten Situationen war die folgende; sie soll daher exemplarisch untersucht werden. Nennen wir sie die »Supermarktkassenproblematik«. Während Mutter den Kinderwagen mit dem Neugeborenen in der einen Hand hält, mit der anderen Hand den Großeinkauf auf das Förderband legt und gerade keine dritte Hand für den dreijährigen Erstgeborenen frei hat, grapscht dieser unternehmungslustig nach allerlei Kleinkinder-Verlockungen, die der Supermarkt zufällig exakt auf Augenhöhe eines durchschnittlich großen Dreijährigen angeordnet hat. Guterzogene Dreijährige werfen der Mama die Schokoriegel wenigstens in den Einkaufswagen und gewähren ihr so noch ein gewisses Mitspracherecht bei der Kaufentscheidung. Andere machen kurzen Prozess und stopfen die Süßigkeiten gleich an Ort und Stelle in sich hinein oder »untersuchen« sie zumindest, indem sie die Verpackung aufreißen und sich die Ware schon einmal genauer angucken. Man lässt Mama ja schließlich nicht die Katze im Sack kaufen. Frage: Wer muss zahlen? Klar ist zunächst einmal, dass der Dreijährige den Schaden jedenfalls nicht ersetzen muss. Denn wer jünger als sieben Jahre alt ist, kann kaputt machen, so viel er will, zahlen muss er dafür gar nichts. Wohl

aber trifft die Eltern eine Aufsichtspflicht. Was genau sie

tun müssen, um dieser zu genügen, hängt vor allem ab von

Alter, Eigenart und Charakter des Kindes und auch davon, wie vorhersehbar das mögliche schädigende Verhalten ist.*7 Mit anderen Worten: Eltern müssen das tun, was

ihnen vernünftigerweise zugemutet werden kann, um zu

verhindern, dass ihre Kinder etwas kaputt machen. Und dazu gehört es natürlich auch, einem Dreijährigen zu er-

162 Verbraucherfragen klären, dass er im Supermarkt nicht einfach alles, was ihm

gerade ins Auge fällt, öffnen und aufessen darf. Hat er dies in der Vergangenheit trotzdem immer wieder gemacht, müssen die Eltern ihn entweder ständig an der Hand oder zumindest in Reichweite halten oder - wenn das nicht möglich ist - ihn gar nicht erst mit zum Einkaufen nehmen. Bei jungen, normal entwickelten »Ersttätern«, die bisher nie einschlägig auffällig wurden, sind die Anforderungen geringer. Hier wird eine vorherige Belehrung ausreichen, dass das Kleinkind bitte nichts an-

fasst und auspackt. Tut es dies doch, ist den Eltern im Allgemeinen kein Vorwurf zu machen, denn man kann von ihnen natürlich nicht verlangen, dass sie ihren Nachwuchs

vorsorglich rund um die Uhr an die Hand nehmen.

Fazit: Man sollte seine Kinder sorgfältig darüber auf-

klären, was sie tun dürfen und was nicht. Verstoßen sie

dann ausnahmsweise doch einmal dagegen und öffnen zum Beispiel die »Kleinkinderauslagen« an den Supermarktkassen, darf man die Anforderungen an die Aufsichtspflicht der Eltern nicht überspannen. Sie können nicht überall sein - und das wissen auch die Supermarktbetreiber, die bestimmte Waren natürlich ganz bewusst in Reichweite ihrer jüngsten »Kunden« platzieren und so eine gewisse Mitschuld tragen, wenn die Kleinen sich einmal unerlaubt an der Ware vergreifen. Bei Interesse siehe hierzu:

$ 254 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Mitverschulden« $ 828 BGB, »Minderjährige« $ 832 BGB, »Haftung des Aufsichtspflichtigen«

Nicht passende Kleidung als Reklamationsgrund? 163

Nicht passende Kleidung als Reklamationsgrund? Irrtum: Wenn dıe gekaufte Kleidung nicht passt, kann man sie reklamieren.

Richtig ist: Wer zu kleine oder zu große Kleidung kauft, hat in der Regel selbst Schuld und kann sie nicht reklamieren.

Immer wieder erleben es Verkäufer, dass Kunden ım La-

den stehen und eine gestern erst gekaufte Hose wieder zurückbringen wollen, weil sie zuhause gemerkt haben, dass der Bund halt doch ein wenig spannt. Wenn das Geschäft kulant ist, tauscht es die Hose um. Verpflichtet ist es dazu aber in aller Regel nicht! Denn wer nicht wahrhaben will, welche Hosengröße er sich in den letzten Jahren tatsächlich angefuttert hat, der leidet nicht an einem mangelhaften Kleidungsstück, sondern eher an mangelhafter Selbstwahrnehmung. Reklamieren kann man aber nur mangelhafte Ware. Nicht anders sieht es natürlich aus, wenn man ein Kleidungsstück verschenkt. Das Geschäft, in dem man Papas Hemd gekauft hat, kann nichts dafür, wenn dieser unter dem Weihnachts-

baum feststellt, dass das gute Stück drei Nummern zu klein ist. Wer vor allem bei teuren Anschaffungen juristisch auf der sicheren Seite sein will, sollte sich vom Ver-

käufer also ausdrücklich ein Umtauschrecht gewähren lassen — entweder mündlich in Gegenwart eines Zeugen oder noch besser schriftlich auf der Rechnung oder dem Kassenbon. Wenn der Zobel dann partout nicht passt,

~ 164 Verbraucherfragen

kann man ihn zurückbringen und sein Geld zurückver-

langen.

Bei Interesse siehe hierzu:

$ 433 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag« $ 434 Abs. 3 BGB, »Sachmangel«

Reklamieren von selbst aufgebauten Möbeln Irrtum: Selbst aufgebaute Möbel kann man nicht mehr reklamieren.

Richtig ist: Die gesetzliche Gewährleistung gilt auch für selbst aufgebaute Möbel.

Ob man auch selbst aufgebaute Möbel noch reklamieren

könne, ist eine Leserfrage, die den Autor dieses Buches

gleich mehrfach erreichte. Ganz offensichtlich glauben viele Kunden eines großen schwedischen Möbelhändlers, dass ihre gesetzlichen Gewährleistungsansprüche schon deshalb verlorengingen, weil sie die Schrankwand Örebro selbst zusammengesteckt und erst dann gemerkt haben, dass sie völlig schief steht. Dem ist natürlich nicht so. Warum auch? Wenn das Möbelstück nicht gerade deshalb schief steht, weil der Boden uneben ist oder weil man bei der Montage durch eigenes Verschulden einen Fuß abgebrochen hat, gelten natürlich die üblichen Gewährleistungsansprüche. Das

Reparaturen und keine Ende? 165 heißt, der Kunde hat das Recht, die fehlerhafte Ware zu

reklamieren und nach seiner Wahl entweder Reparatur oder Lieferung einer neuen Ware zu verlangen. Sämtliche Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten muss der Möbelhändler tragen. Also: Keine Angst beim Möbelaufbau. Die Verantwortung des Händlers endet nicht in dem Moment, in dem der Käufer Hammer und Schraubenzieher zur Hand nimmt.

Bei Interesse siehe hierzu: $ 437 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Rechte des Käufers bei Mängeln« $ 439 BGB, »Nacherfüllung«

Reparaturen und kein Ende? Irrtum: Verkäufer dürfen beliebig oft versuchen, mangelhafte Ware nachzubessern.

Richtig ist: Nach zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen ist in der Regel Schluss.

Wer mangelhafte Ware kauft, hat das Recht, sie zurück ins Geschäft zu bringen und stattdessen eine intakte Ware zu verlangen. Dieser Anspruch nennt sich »Recht auf Nacherfüllung«. Dabei kann sich grundsätzlich der Käufer

aussuchen, welche Form der Nacherfüllung er wünscht.

Der Käufer entscheidet also, ob der Verkäufer die Ware

166 Verbraucherfragen

reparieren oder gegen eine einwandfreie Ersatzware eintauschen soll. In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Reparaturoder Austauschversuche des Verkäufers nicht von Erfolg gekrönt sind - und das oft gleich mehrmals hintereinander. Immer wieder von Neuem muss der Kunde die Ware

— zum Beispiel einen Fernseher - also zurückbringen, weil er nach wie vor nicht in Ordnung ist. Viele Käufer sind in einer solchen Situation erstaunlich geduldig. Dabei müssten sie das gar nicht sein. Denn wenn der Fernseher nach dem zweiten Austausch oder Reparaturversuch immer noch nicht fehlerfrei funktioniert, muss der Kunde - von seltenen Ausnahmefällen ab-

gesehen — keine weiteren Nachbesserungsversuche abwarten. Er kann das defekte Gerät einfach zurückgeben und sein Geld zurückverlangen. Eine Gutschrift als Ersatz muss er nicht akzeptieren. Alternativ kann er sich auch dafür entscheiden, die fehlerhafte Ware zu behalten und

den Kaufpreis zu mindern. In keinem Fall muss er aber endlose Nachbesserungsversuche dulden. Verkäufern, die ihren Kunden so etwas zumuten, kennen die Rechtslage nicht. Möglicherweise wollen sie sie auch gar nicht kennen. Man sollte ihnen selbstbewusst entgegentreten und auf seinem Recht bestehen. Der Verkäufer kann die Rechte der Verbraucher übrigens auch nicht durch seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen — das berühmt-berüchtigte »Kleingedruckte« — ausschließen. Eine solche Klausel wäre unwirksam.

Bei Interesse siehe hierzu: $437 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Rechte des Käufers bei Mängeln«

Schäden in Supermärkten 167 $ 439 BGB, »Nacherfüllung« $ 440 BGB, »Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz« $ 475 BGB, »Abweichende Vereinbarungen«

Schäden in Supermärkten Irrtum: Kunden, dıe in einem Supermarkt Ware beschädigen, müssen nicht dafür aufkommen.

Richtig ist: Auch in Supermärkten gilt: Was man kaputt macht, muss man bezahlen.

Eine häufige Leserfrage, die den Autor dieses Buches erreichte, ist die Frage danach, ob man Gegenstände, die man in einem Geschäft versehentlich beschädige, bezahlen müsse. Eine Dame wollte zum Beispiel wissen, ob sie tatsächlich eine Weinflasche hätte bezahlen müssen, die

ihr auf dem Weg zur Kasse unbeabsichtigt aus der Hand gerutscht war. Sie hatte den Supermarktleiter verständigt, damit dieser die Überreste der Flasche und ihres Inhalts beseitigte, und sich eine neue Flasche aus dem Regal ge-

nommen. An der Kasse wunderte sie sich dann, dass sie

beide Flaschen ständnis, denn der Kasse und gangen. Wenn sollte sie dann erlebt.

bezahlen sollte. Dafür hatte sie wenig Verdie erste Flasche war ja noch vor Erreichen nicht etwa erst nach dem Kauf kaputtgesie also nur eine Flasche kaufte, weshalb zwei bezahlen? So etwas habe sie noch nie

168 Verbraucherfragen

Fine andere Leserin fragte, wie die Rechtslage sei, wenn sie aus Versehen ein Marmeladenglas mit dem Ellenbogen aus dem Regal stoße: Könne sie hierfür haftbar gemacht werden?

In der Praxis ist es meist so, dass die Geschäftsinhaber in solchen Situationen Kulanz zeigen und selbst für den

Schaden aufkommen. Der Kunde hat ja schließlich nicht mit Absicht gehandelt. Offensichtlich hat diese Kulanz bei einigen Kunden dazu geführt, dass sie nun glauben, Supermärkte seien eine rechtsfreie Zone, in der sie Dinge kaputt machen dürften, ohne dafür bezahlen zu müssen. Ein ähn-

liches Phänomen ist der feste Glaube an ein 14-tägiges Rückgaberecht, das jedem Kunden zustehe. Auch dieser Rechtsirrtum hat sich in den Köpfen vieler Menschen festgesetzt, weil sie eine Kulanzregelung mit einer gesetzlichen Regelung verwechseln (vgl. hierzu das erste Lexikon der Rechtsirrtümer). Natürlich besteht jedoch kein Rechtsanspruch auf kulante Behandlung, wenn man im Geschäft etwas beschädigt! Denn auch dort gilt, was überall gilt: Wer vorsätzlich oder fahrlässig fremdes Eigentum beschädigt, muss den Schaden ersetzen. Wer die Weinflasche also nicht fest genug in der Hand hält und sie deshalb fallen lässt, hat Pech gehabt. Er hat fahrlässig gehandelt und muss für den Schaden aufkommen. Nichts anderes gilt für einen Kunden, der aus mangelnder Vorsicht mit dem EIlenbogen die Regale ausräumt. Weshalb sollte er dies folgenlos tun dürfen? Selbstverständlich muss er dafür zahlen. Bei Interesse siehe hierzu:

§ 311 Abs. 2

BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Rechtsgeschäft-

liche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse« $ 823 Abs. 1 BGB, »Schadensersatzpflicht«

Wohnen

Fußbälle in Nachbars Garten Irrtum: Verschossene Fußbälle, die Kinder immer wieder in Nachbars Garten schießen, darf dieser konfiszteren.

Richtig ist: Es gibt kein Recht zur Konfiszierung von Fußbällen.

Fußbälle, die in Nachbars Garten landen, sind seit jeher ein beliebtes Streitthema. Manch einer nimmt es locker,

wenn sich mal ein Ball in seinen Garten verirrt. Schließlich waren wir ja alle mal jung, und dass leider nicht jeder Schuss dahin geht, wo er hingehen soll, wissen wir auch. Nicht alle sind jedoch so entspannt. Viele betrachten das ungenehmigte Eindringen fremder Lederkugeln in den eigenen Luftraum als eine unerhörte Provokation. Wofür hat man denn schließlich 28 Jahre lang abbezahlt, dass jetzt jeder Heini vom benachbarten Bolzplatz aus das Eigentumsrecht am sorgsam gehegten Reihenmittelhausgarten meint verletzen zu dürfen? Da muss man doch was tun! Aber was? Zunächst kann der Gartenbesitzer natürlich ein Zutrittsverbot für seinen Garten verhängen. Wenn die fußballspielenden Rotzlöffel den Garten dann trotzdem betreten, um sich ihren Ball zurückzuholen,

kann der Hausbesitzer sie erfolgreich auf Unterlassung des nochmaligen Gartenbetretens verklagen. Falls sie schon strafmündig, das heißt mindestens 14Jahre alt sind, bege-

172 Wohnen

hen sie sogar einen Hausfriedensbruch, wenn sie wissentlich gegen den Willen des Eigentiimers ein fremdes Grundstiick betreten. Vielen Hausbesitzern reicht das jedoch noch nicht. Da sie das ungenehmigte Einfliegen von Fußbällen generell für unzulässig halten, konfiszieren sie das Spielgerät kurzerhand, um so künftige Rechtsverlet-

zungen zu verhindern. Doch damit gehen sie zu weit! Das Fußballspielen auf dem Nachbargrundstück ist nicht generell verboten. Dass sich ab und zu ein Ball verirrt, muss

man als »sozialadäquat« hinnehmen.*® Daher darf man den Ball auch nicht einfach behalten. Er steht in fremdem Eigentum und muss herausgegeben werden*? — und zwar unverzüglich! Es ist also auch unzulässig, dass der Nachbar den Ball nur kurzfristig einbehält und ihn erst nach einer Stunde freiwillig wieder herausgibt. Grundstücksbesitzer, die so etwas tun, können verklagt und dazu verurteilt werden, künftig auch kurzfristige Fußballkonfiszierungen zu unterlassen. Fazit: Fußballspielen auf dem Nachbargrundstück kann

man nicht verbieten, nur weil dabei auch mal Bälle auf

dem eigenen Grundstück landen. Wohl aber kann man den Fußballspielern verbieten, das Grundstück zu betre-

ten, um ihre Bälle zurückzuholen. Dann allerdings muss

man sie selber schnellstmöglich zurückgeben und darf sie auf keinen Fall behalten. Bei Interesse siehe hierzu: $ 1004 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch«

$ 123 StGB (Strafgesetzbuch), »Hausfriedensbruch«

Maklerprovision 173

Maklerprovision Irrtum:

Um die Maklerprovision kommen Mieter von Wohnungen nicht herum.

Richtig ist: In vielen Fällen kann der Makler keine Provision verlangen.

Viele Mieter ärgern sich darüber, wenn sie für die Vermittlung einer Wohnung anschließend eine hohe Maklerprovision zahlen sollen. Oft ärgern sie sich ganz ohne Grund. Denn Makler haben viel seltener Anspruch auf eine Provision, als die meisten glauben. Denn einen gesetzlichen Provisionsanspruch gibt es nicht. Maklerprovision muss man also nur zahlen, wenn man sich freiwillig dazu verpflichtet. Und das geschieht nicht etwa schon dadurch, dass man bei einem Makler anruft und sich nach

einer Wohnung erkundigt. Selbst wenn der Makler dann wunschgemäß ein Exposé schickt, in dem die Wohnung genau beschrieben ist und in dem es heißt, dass bei erfolgreicher Vermittlung eine Provision anfällt, hat sich der potentielle Mieter noch nicht verpflichtet, eine Provision zu zahlen. Denn der Makler kann schließlich viel in seine Exposés schreiben. Entscheidend ist, ob der Wohnungsinteressent diese Bedingungen akzeptiert, zum Beispiel, indem er die Maklervereinbarung unterschreibt oder auf andere Weise zum Ausdruck bringt, dass er sie akzeptiert. Solange er dies nicht tut, kann er die Wohnung grundsätzlich noch mieten, ohne eine Provision dafür zu zahlen.

174 Wohnen

Wenn der Interessent keine Provision zahlen möchte,

sollte er keinesfalls weitere Dienstleistungen des Maklers

in Anspruch nehmen, sondern den Kontakt abbrechen und

sich gegebenenfalls auf eigene Faust darum kümmern, einen Kontakt zum Vermieter aufzubauen.°® Aber selbst wenn ein Maklerauftrag zustande kommt, heißt das noch lange nicht, dass eine Provision gezahlt werden muss. Wenn der Makler zum Bespiel nur das Objekt, nicht aber den Eigentümer nennt, hat er Pech, falls der Interessent dessen Namen zufällig selbst herausfindet.°! Das Wort »zufällig« ist dabei ernst zu nehmen. Denn wenn der Interessent den Makler bewusst umgeht, muss er die Provision zahlen. Nicht selten kommt es vor, dass der Eigentümer, der Verwalter oder gar der bisherige Mieter einer Wohnung auf die geschickte Idee kommen, diese als »Makler« auch gleich an den nächsten Mieter zu vermitteln und dann eine Provision zu verlangen. Das ist jedoch nicht zulässig. Der Mieter muss in solchen Fällen in aller Regel keine

Provision zahlen. Wenn er sie bereits bezahlt hat, kann er

sie zurückverlangen. Das Gesetz ist zum Schutz der Mieter hier sehr streng. Bereits enge rechtliche und wirtschaftliche Verflechtungen eines Maklers mit einer der genannten Personen bewirken, dass keine Provision bezahlt werden muss. Eine Beteiligung des Maklers an der Verwaltungsgesellschaft reicht zum Beispiel schon aus, um den Provisionsanspruch zu kippen. Selbst eine Hausmeistertätigkeit des »Maklers« im vermittelten Objekt kann dazu führen, dass die Provision nicht gezahlt werden muss.>? Übrigens: Mehr als zwei Monatsmieten zuzüglich Mehrwertsteuer darf der Makler vom Mieter in keinem Fall verlangen.

Mietwohnung zu klein 175 Bei Interesse siehe hierzu:

$ 652 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Mäklervertrag, Entstehung des Lohnanspruchs« $ 2 WoVermG (Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung), »Entgeltsanspruch, Vorschüsse« $ 3 WoVermG, »Flöhe des Entgelts, Auslagen«

Mietwohnung zu klein Irrtum: Wenn die Mietwohnun g kleiner ıst als im M: tetvertrag

angegeben, kann man die Miete mindern.

Richtig ist: Im Allgemeinen kann man die Miete nur mindern, wenn die Wohnung mindestens 10% bis höchstens 30% kleiner ıst als vereinbart.

Wer einmal die Größe seiner Mietwohnung nachmisst, erlebt möglicherweise sein blaues Wunder: Statt der im Mietvertrag behaupteten 100 Quadratmeter misst sie nur

91 Quadratmeter. Das ist doch wohl ein klarer Fall für

eine Mietminderung, denken viele — und irren sich! Denn ein Mietmangel liegt nur dann vor, wenn die Wohnung mindestens 10% kleiner ist als im Mietvertrag angegeben. Alles andere gilt als unerheblich.*4 91 Quadratmeter sind bei einer angeblichen 100-Quadratmeter-Wohnung also gerade noch akzeptabel. Das gilt unabhängig davon, ob die Wohnungsgröße mit »exakt« oder nur mit »ungefähr«

100 Quadratmeter angegeben wurde.” Interessanterweise darf die Abweichung aber auch nicht zu groß sein,

176 Wohnen

wenn der Mieter die Miete mindern will. Denn wer in eine vorgebliche 80-Quadratmeter-Wohnung zieht, die in Wahrheit nur 30 Quadratmeter groß ist, hat in aller Regel selbst Schuld. Denn eine solch offensichtliche Abweichung muss jedem auffallen! Es gibt keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ab wann man eine Wohnflächenabweichung bemerken muss. Genannt wird in der juristischen Literatur eine Grenze von 30%.°° Für Vermieter ist das geradezu eine Einladung,

sich bei der Quadratmeterangabe

im

Mietvertrag um bis zu 10% zu »vertun«. Alternativ sollten sie gleich so dreist mogeln, dass sogar die 30%-Grenze überschritten wird. In beiden Fällen sind sie in aller Regel fein raus. Und die Mieter? Ihnen kann man nur raten, die Woh-

nung entweder vor Unterzeichnung des Mietvertrages von einem Fachmann ausmessen zu lassen oder keine Pauschalmiete, sondern eine Quadratmeter-Miete zu verein-

baren. Dann nämlich können sie auch später noch darauf verweisen, dass die Wohnung 5% kleiner ist als vom Vermieter angenommen, und haben damit das Recht, die Miete entsprechend zu kürzen. Die 10%-Hürde gilt für sie in so einem Fall nicht. Übrigens kann die Mietminderung auch für drei Jahre rückwirkend geltend gemacht werden. Zu viel bezahlte

Miete kann der Mieter also zurückverlangen, es sei denn,

er wusste im Moment der Zahlung schon, dass die Wohnung kleiner ist als vereinbart.

Bei Interesse siehe hierzu: $ 536 Abs. 1,2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Mietminderung beı Sach- und Rechtsmängeln«

Miet-Nebenkosten

177

$ 5366 BGB, »Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme« $ 812 Abs. 1 S. 1 BGB, »Ungerechtfertigte Bereicherung, Herausgabeanspruch« $ 814 BGB, »Kenntnts der Nichtschuld«

Miet-Nebenkosten Irrtum: Nebenkostenabrechnungen für Mieter sind in der Regel korrekt berechnet.

Richtig ist: Nebenkostenabrechnungen für Mieter sind viel öfter falsch, als die meisten glauben.

Man könnte ein eigenes Buch mit Rechtsirrtümern rund um das Thema Nebenkostenabrechnungen für Mietwohnungen füllen. Denn die wenigsten wissen genau, welche Betriebskosten auf den Mieter umgelegt werden können und welche nicht. Und das gilt für Mieter und Vermieter gleichermaßen. Nach einer Schätzung der Mietervereine ist daher jede zweite (!) Betriebskostenabrechnung falsch. Es lohnt sich also, sich die Betriebskostenabrechnung einmal genauer anzusehen. In Zweifelsfragen helfen hierbei auch die Mieter- und Grundeigentümervereine. Zunächst einmal gilt, dass der Mieter nur die Betriebskosten zahlen muss, die ausdrücklich im Mietvertrag genannt sind. Aber längst nicht alles, was Vermieter in den Mietvertrag schreiben, darf auch tatsächlich auf den Mieter umgelegt werden.

178 Wohnen

Folgenden Grundsatz muss man sich merken, dann erklart sich vieles Weitere von selbst: Der Vermieter trägt alle Verwaltungskosten Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten.

und

alle

Umlagefähig sind dagegen folgende Kosten:

— Grundsteuer (z. T. auch »öffentliche Lasten des Grund-

stücks« genannt) — Wasserversorgung (z.B. Wassergeld, Kosten der Wasseruhr, Kosten einer Wasseraufbereitungsanlage)

— Abwassergebühren

— Fahrstuhl (Betriebsstrom, Beaufsichtigung, Bedienung,

Überwachung, Reinigung - nicht aber Fahrstuhlreparaturkosten!)

= Straßenreinigung und Müllabfuhr (städtische Abgaben) — Hausreinigung und Ungezieferbekampfung - Gartenpflege (Sach- und Personalkosten)

— Beleuchtung (Strom für Außenbeleuchtung, Treppenhaus, Waschküche)

— Schornsteinreinigung (Schornsteinfegergebühren, Kosten der Immissionsmessung) — Versicherungen (Gebäudeversicherungen gegen Feuer-, Sturm- und Wasserschäden, Glasversicherungen, Haftpflichtversicherungen für Gebäude, Öltank und Aufzug — nicht aber: Rechtschutzversicherung, Reparaturkostenversicherung, Umweltschädenversicherung oder Mietausfallversicherung des Vermieters) — Hausmeister (nur für Tätigkeiten wie Gartenpflege, Schneeräumen, Treppenhausreinigung — nicht aber für Reparatur- oder Hausverwaltungsarbeiten!)

— Gemeinschaftsantenne, Kabelfernsehen

Miet-Nebenkosten

179

— Wascheinrichtungen (Strom, Reinigung und Wartung ~ nicht aber: Reparatur!) — Heizkosten Man sieht, dass die Abgrenzung nicht immer leicht ist. Viele Vermieter »tricksen« und verstecken Kosten, die

eigentlich nicht umlagefähig sind, in scheinbar umlagefähigen Positionen. Dass der Mieter bestimmte Versicherungen bezahlen muss, ist zum Beispiel vielen bekannt. Versicherungen, die der Verwaltung, der Instandhaltung oder aus anderen Gründen dem »Privatvergnügen« des Vermieters dienen, sind aber nicht umlagefähig. Also kommen manche Vermieter auf die glorreiche Idee, nicht das auffällige Wort »Reparaturkosten« in die Nebenkostenabrechnung zu schreiben — denn darüber würden viele Mieter stolpern -, stattdessen schließen sie ganz einfach eine Reparaturversicherung ab und verstecken so die nicht umlagefähigen Reparaturkosten in der unauffälligen Position »Versicherungen«. Es lohnt sich für den Mieter also, nachzufragen,

um welche Versicherungen es sich genau handelt. Der Vermieter muss dies detailliert darlegen! Beliebt ist auch der Trick, den prinzipiell »umlagefähigen Hausmeister« nichtumlagefähige Tätigkeiten machen zu lassen. Wenn der Hausmeister zum Beispiel auch Hausverwaltungs- oder Instandhaltungsarbeiten durchführt, kann der Mieter die Hausmeisterkosten anteilig kürzen. Denn das sind Arbeiten, die der Vermieter selbst bezahlen muss.

Und auch bei der Fahrstuhlwartung muss man genau differenzieren: Die Wartungskosten muss der Mieter zahlen. Sobald der Aufzugtechniker aber mit Reparaturen beginnt, tickt die Uhr wieder zu Lasten des Vermieters. Übrigens müssen Mieter Nebenkostenabrechnungen nicht

180 Wohnen

mehr akzeptieren, wenn diese zu spat kommen. Der Vermieter muss die Abrechnung spätestens ein Jahr nach Ende des Abrechnungszeitraums vorlegen. Ansonsten kann er keine Nachzahlung mehr verlangen. Bei Interesse siehe hierzu: $ 1 BetrKV (Betriebskostenverordnung), »Betriebskosten« $ 2 BetrKV, »Aufstellung der Betriebskosten« $ 556 Abs. 3 8. 2,3 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Vereinbarungen über Betriebskosten«

Nächtliches Baden und Duschen Irrtum: Nachts ıst Lärm durch Duschen und Baden verboten.

Richtig ist: Auch nachts darf geduscht und gebadet werden.

Immer wieder kommt es vor, dass Vermieter in Mietver-

trägen oder Hausordnungen nächtliches Duschen oder Baden verbieten oder Nachbarn sich über entsprechenden Badezimmerlärm aus der Wohnung nebenan beschweren.

Denn es hält sich das Gerücht, dass die Nachtruhe, die in

der Tat zwischen 22 Uhr und 6 Uhr gilt, auch nächtliches Baden und Duschen betrifft. Die Gerichte sehen es allerdings anders. Sie erlauben die Nutzung von Dusche und Badewanne auch zur Nachtzeit. Mietvertrags- oder Hausordnungsklauseln, die dies verbieten, sind unwirksam.’ Wie alles im Leben soll-

te man jedoch auch den nächtlichen Lärm in Badezimmer

Nebenkosten von leerstehenden Wohnungen

181

und Waschkeller nicht übertreiben. So wird zum Beispiel vertreten, dass nach 30 min Schluss mit der Körperpflege sein miisse.°? An diese Grenze sollte man sich also halten,

wenn man sichergehen will, dass man keine wirksame Abmahnung des Vermieters kassiert oder gar ein Bußgeldverfahren wegen unzulässigen Lärms eingeleitet wird. Und natürlich sollte man nachts unter der Dusche nicht obendrein auch noch Opernarien schmettern, die die Wände zusätzlich erzittern lassen. Bei Interesse siehe hierzu: $ 117 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten), »Unzulässiger Lärm« Immissionsschutzrechtliche Bestimmungen der einzelnen Bundesländer (soweit existent), z.B. $ 9 Abs. 1 LImSchG NW (Landesimmissionsschutzgesetz NRW), »Schutz der Nachtruhe«

Nebenkosten von leerstehenden Wohnungen Irrtum:

Nebenkosten von leer stehenden Wohnungen dürfen auf die anderen Mieter 1m Haus umgelegt werden.

Richtig ist: Das Umlegen der Kosten leer stehender Wohnungen ıst unzulässig.

Immer noch glauben viele Vermieter, sie dürften die Betriebskosten für eine leerstehende Wohnung auf die anderen Mieter im Haus umlegen. Denn eine wichtige Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr

182 Wohnen

2005 hat sich noch nicht herumgesprochen. Der BGH hat 2005 klargestellt, dass der Eigentiimer eines Hauses mit 35 Wohnungen unrechtmäßig handelte, als er die Nebenkosten für einige leerstehende Wohnungen auf die übrigen Mieter abwälzen wollte.°? Dies betraf die Kosten für Wasser, Abwasser, Müllabfuhr, Strom, Hausbeleuch-

tung und Aufzug. Grund: Das Leerstandsrisiko trägt der Hauseigentümer und nicht seine Mieter. Für Mieter in Mehrparteienhäusern, die einem einzigen Eigentümer gehören, lohnt es sich, die Nebenkosten-

abrechnung in diesem Punkt genau zu überprüfen. Denn — ob wissentlich oder unwissentlich — gibt es immer noch viele Vermieter, die die neue Rechtsprechung nicht berücksichtigen. Wer hierbei Hilfe braucht, kann sich an den örtlichen Mieterverein oder einen auf Mietrecht spezialisierten Rechtsanwalt wenden. Bei Interesse siehe hierzu: $ 556a Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Abrechnungsmafsstab für Betriebskosten«

Preise von Schliisseldiensten Irrtum: Rechnungen von Schlüsseldiensten müssen in jedem Fall bezahlt werden.

Richtig ist:

Überhöhte Rechnungen von Schlüsseldiensten muss man nicht bezahlen, sondern man kann zu viel Bezahl-

tes sogar zurückverlangen.

Preise von Schliisseldiensten

183

Firmen, die in den Gelben Seiten unter Unternehmens-

bezeichnungen wie A.A.A.A. Ltd. zu finden sind, halten sich für besonders schlau, haben in der Regel aber völlig zu Recht einen miesen Ruf. Oft handelt es sich um Rohrreinigungs-, Fernsehschnellreparatur- oder Schlüsseldienste, die beim Schreiben überhöhter Rechnungen genau so weit vorne liegen wie im Telefonbuch. Natürlich gibt es in all diesen Branchen neben vielen schwarzen auch eine Menge weißer und zumindest graumelierter Schafe. Darauf sei ausdrücklich hingewiesen, bevor die Handwerksinnungen dem Autor dieses Buches mit bösen Briefen aufs Dach steigen. Was aber soll man tun, wenn man doch einmal an einen Abzocker gerät, der zum Beispiel für die simple Öffnung einer ins Schloss gefallenen Tür 850 Euro plus Mehrwertsteuer verlangt, weil angeblich der Zylinder mit Spezialwerkzeug aufgebohrt werden musste? Jedenfalls sollte man nicht in Panik verfallen. Schlüsseldienste können nicht einfach abrechnen, was sie wollen.

Wer glaubt, er müsse jede Rechnung bezahlen, die ihm von solch einem Unternehmen vorgelegt wird, der irrt! Wenn zuvor ein Festpreis vereinbart wurde — was zu empfehlen ist -, dann darf der Schlüsseldienst nachträglich ohnehin nicht mehr Geld abrechnen, etwa mit der Be-

gründung, die Öffnung sei unerwartet schwer gewesen.

Hat man keinen Festpreis und auch sonst nichts Konkre-

tes vereinbart, gilt im Zweifel die ortsübliche Vergütung als geschuldet. Angemessen erscheinen nach einer nichtrepräsentativen Umfrage bei Verbraucherzentralen, IHKs

und Schlüsseldiensten Stundensätze um die 50 Euro in-

klusive Mehrwertsteuer. Nachts und an Wochenenden sind Zuschläge bis zu 150% auf das Stundenhonorar

184 Wohnen

möglich. Hinzu können noch entfernungsabhängige Anfahrtspauschalen kommen. Daher sollte man immer einen Schlüsseldienst aus der Nähe aussuchen. Mehr als 10-15 Euro kann dieser für die Anfahrt dann nicht veranschlagen. Wichtig ist es auch, vor oder nach getaner Arbeit nicht leichtfertig Papiere zu unterschreiben, die der Schlüsseldienst vorlegt. Es gibt keinen Grund, irgendein Dokument zu unterschreiben, schon gar nicht, wenn darin lauter Dinge stehen, die zum Nachteil des Kunden sind. Hat man doch einmal etwas unterschrieben, zum Beispiel,

dass man die Höhe der überhöhten Gebührenforderung

ausdrücklich anerkennt, muss das trotzdem nicht heißen,

dass man die Rechnung auch tatsächlich komplett begleichen muss. Denn viele der Klauseln, die Schlüsseldienste in solchen Situationen verwenden, sind unwirksam.

Und wenn man bereits alles bezahlt hat? Ist dann alles zu spät? Nein, auch dann hat man noch die Chance, das zu viel bezahlte Geld zurückzuverlangen. Das Amtsgericht München hat 2004 zum Beispiel einen Schlüsseldienst zur Rückzahlung von immerhin 133 Euro verurteilt. Das Unternehmen hatte für das simple Öffnen einer ins Schloss gefallenen Tür sage und schreibe 180 Euro verlangt. Dabei war die Arbeit in drei Minuten getan. Maximal 47 Euro seien für einen solchen Einsatz angemessen, urteilten die Richter.

Wenn ein Schlüsseldienst mehr als 100% über dem marktüblichen Preis abrechnet, kann dies übrigens sogar

den Straftatbestand des Wuchers erfüllen, der mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden kann. Auch

dies kann man durchaus als Argument ins Feld führen, wenn sich ein Schlüsseldienst partout weigert, die Rechnung freiwillig zu senken.

Vorsicht! Bissiger Hund! Bei Interesse siehe hierzu: $ 138 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), Geschäft; Wucher« $ 632 Abs. 2 BGB, »Vergütung« $ 291 StGB (Strafgesetzbuch), »Wucher«

185

»Sittenwidriges

Vorsicht! Bissiger Hund! Irrtum: Wer ein Schild »Vorsicht! Bissiger Hund!« aufhängt, kann nicht belangt werden, wenn der Hund zubeifst.

Richtig ist: Warnschilder befreien nicht von der Haftung.

Wer ein Haustier halt, muss zahlen, wenn das Tier einen

Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt. Hundehalter hängen daher häufig Schilder an ihre Gartenzäune, auf denen es heißt: »Vorsicht! Bissiger Hund!« oder »Warnung vor dem Hundel«. Auf diese Weise hoffen sie, der Haftung zu entgehen, falls doch einmal etwas passiert. Doch so einfach lässt sich die Tierhalterhaftung nicht ausschließen. Kleine Kinder, die von freilaufenden Hunden

besonders gefährdet sind, können Warnschilder möglicherweise gar nicht lesen. Ihnen gegenüber haben solche Schilder verständlicherweise keinerlei Bedeutung. Doch selbst gegenüber Erwachsenen reichen sie nicht in jedem

Fall aus. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem zwei Rottweiler und ein Staf-

fordshire-Terrier in einem Wohnhaus gehalten wurden, das wiederum in einem eingezäunten Gelände lag. Vor

186 Wohnen

den Tieren wurde deutlich mit zwei Schildern gewarnt. Dennoch betrat ein erwachsener Besucher das Grundstück und auch das unabgeschlossene Wohnhaus — und wurde dort von den Hunden schwer verletzt. Der BGH entschied, dass die Halter Schadensersatz leisten mussten.

Gerade derart gefährliche Tiere hätten nach Ansicht des

Gerichts im Haus nicht frei herumlaufen dürfen, wenn damit zu rechnen war, dass Besuch kommen kénnte.°! Hundehalter sollten sich also darüber im Klaren sein,

dass es nicht unbedingt genügt, mit Schildern vor den Hunden zu warnen und sie in einem eingezäunten Gelände zu halten. Auf Nummer sicher - für alle Beteiligten — gehen Hundebesitzer nur, wenn sie die Tiere zusätzlich sichern, indem sie sie anleinen oder im Zwinger halten. Trotzdem sollte natürlich kein Hundehalter auf die

Warnschilder verzichten, denn er ist verpflichtet, alle zu-

mutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Öffentlichkeit vor den Tieren zu schützen. Außerdem ist es immer möglich, dass dem Geschädigten zumindest ein Mitverschulden angelastet wird, wenn er sich bewusst in Gefahr begibt — und die Warnschilder können helfen, dieses Bewusstsein zu schaffen.

‚Bei Interesse siehe hierzu: $ 254 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), »Mitverschulden« § 833 BGB, »Haftung des Tierhalters«

Anmerkungen

1 OLG (Oberlandesgericht) Stuttgart, Az.: 1 U 154/06

2 VG (Verwaltungsgericht) München, BayVBl. (Bayerische Verwaltungsblätter) 1989, 25 3 BGHZ (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen) 38, 380ff.; BVerwGE (Entscheidungen des Bundes-

verwaltungsgerichts) 5, S. 291 ff. 4 Anmerkung zu VG (Verwaltungsgericht) BayVBI. 1989, 25, in: BayVBI. 1989, 282

München,

5 OLG Hamm, Az.: 7 U 132/93 6 OLG Hamm, Az.: 7 U 132/93; OLG Rostock, Az.: 3 U 83/98 7 Vgl. BAG (Bundesarbeitsgericht), Urteil v. 19.02.1997, Az.:5 AZR 982/94 8 Otto Palandt, Walter Weidenkaff. BGB, 67. Aufl. München 2007, § 275, Rn. 14, a. A. LG (Landgericht) Braunschweig,

NJW-RR (Neue juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-

report) 86, 479 | 9 LG Kassel, NJW 85, 1642; LG Augsburg NJW-RR 04, 272 10 OLG Frankfurt a.M., Az.: 1 UF 181/00 11 OLG Koblenz, Urteil v. 09.04.2002, Az.: 11 WF 70/02

12 Für nichteheliche Lebensgemeinschaften vgl. OLG Düsseldorf, MDR (Monatsschrift für deutsches Recht) 1999, 233

13 LG Kiel, NJW 1989, 2539 14 AG Flensburg, Az.: 63 C 84/81

15 LAG Hamm, Az.: 14 Sa 1145/98

16 BGHSt. 13, 197 17 BGH Az.: 5 StR 699/52 18 OLG Schleswig, VRS (Verkehrsrechtssammlung) 30, 462

188 Anmerkungen 19 OLG Hamm, NJW 58, 271; aber nicht bei leichteren Ver20 21 22 23 24 25 26

letzungen: OLG Koblenz, MDR 72, 885

OLG Koblenz, NJW 63, 991 OLG Düsseldorf, VM 76, 27 OLG Köln, BA 78, 219 | LG Zweibrücken, DAR (Deutsches Autorecht) 96, 325 OLG Düsseldorf, NJW 90, 2264 OLG Stuttgart, MDR 77, 683 BVerfG (Bundesverfassungsgericht), NJW 93, 2432

27 BayObLG (Bayerisches Oberlandesgericht), VRS 12, 115

28 BGH, VRS 26, 327; BGH, NJW 2000, 3069; KG, DAR 1978, 107

29 OLG Hamburg, VRS 87, 249 30 Vgl. OLG Stuttgart, VRS 223 31 OLG Bamberg, NJW 2007, 1014

32 OLG Hamm, StVE § 6 StVO Nr. 2 33

Burmann,

bei Horst Janiszewski, Joachim Jagow,

Michael

Burmann. Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl. München 2005, § 2 StVO Nr. 76 34 OLG Stuttgart, Az.: 5 Ss 479/87; KG Berlin, Az.: 12 U 68/03

35 OLG Oldenburg, Az.: Ss 186/96

36 OLG Hamm, Beschl. v. 25.11.2002, Az.: 2 Ss OWi 1005/02, NZV 2003, 98 37 OLG Jena, NJW 2006, 3734 38 OLG Hamm, Beschluss v. 6.07.2005, Az.: 2 Ss OWi 177/05, DAR 2005, 639 39 OLG Köln, VRS 109, 2005, 287 40 OLG Hamm, Beschluss v. 13.09.2007, Az.: 2 Ss OWi 606/07 41 OVG Hamburg, NJW 2005, 2247 42 BVerwG (Bundesverwaltungsgericht), NZV (Neue Zeitschrift fiir Verkehrsrecht) 2002, 285 43 VG Gießen, NZV 2004, 54; VG Berlin, NZV 2004, 55 44 BGH, Urteil v. 13.11.1990, Az.: VI ZR 15/90

Anmerkungen

189

45 BGH, GRUR (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht) 2003, 163, 164 - Computerwerbung

46 OLG Brandenburg, Az.: 7 U 36/03 47 BGH, NJW 1993, 1003

48 Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Az.: 22 ZB 2931/04

49 LG München, Az.: 5 O 5454/03 50 BGH, WM 1991, 643 fiir das Provisionsverlangen eines Kaufmaklers 51 KG (Kammergericht) Berlin, Urteil v. 20.09.99. Az.: 10 U 3177/98 52 OLG Hamm, NJW-RR 1999, 632 53 Palandt, BGB, § 652, Rn. 59 m.w. Nachw. 54 BGH, Urteil v. 24.3.2004 — VIIL ZR 133/03 - WM 04, 268 55 BGH, a.a.O. 56 Paschke, GE 04, 677 57 LG Köln, WM 97, 323 58 OLG Düsseldorf, Az.: 5 Ss OWI 411/90-OWI 181/90 59 BGH, VIII ZR 159/05 60 AG München, Az.: 141 C 27160/03 61 BGH, VIZR 238/04

Gesetzestexte

Nicht alle Paragraphen und Artikel sind vollständig zitiert. Es wur-

den zum Teil lediglich diejenigen Absätze aufgenommen, die für das Verständnis der im Buch behandelten Probleme besonders wichtig sind. Landesrechtliche und ausländische Vorschriften finden sıch am Ende der Gesetzessammlung.

AHB (Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V) Ziffer 7 Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: 7.6 Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen und allen sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wenn der Versicherungsnehmer diese Sachen gemietet, geleast, gepachtet, geliehen, durch verbotene Eigenmacht erlangt hat oder sie Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind.

Gesetzestexte

191

ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz)

§ 4 Allgemeine Grundsätze Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: 1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. ArbStättV (Arbeitsstättenverordnung)

$ 3 ArbStättV

Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten (1) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten den

Vorschriften dieser Verordnung einschließlich ihres Anhanges entsprechend so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten ausgehen. Der Arbeitgeber hat die vom

Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach $ 7 Abs. 4 be-

kannt gemachten Regeln für Arbeitsstätten zu berücksichtigen. Bei Einhaltung der im Satz 2 genannten Regeln ist davon auszugehen, dass die in der Verordnung gestellten Anforderungen diesbezüglich erfüllt sind. Wendet der Arbeitgeber die Regeln nicht an, muss er durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz der Beschäftigten erreichen. Anhang 3.5 - Raumtemperatur (1) In Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räumen, in denen aus betriebstechnischer Sicht

keine spezifischen Anforderungen an die Raumtemperatur gestellt werden, muss während der Arbeitszeit unter Berücksichti-

gung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung der

192

Gesetzestexte

Beschäftigten und des spezifischen Nutzungszwecks des Raumes eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bestehen.

(2) Fenster, Oberlichter und Glaswände müssen je nach Art der

Arbeit und der Arbeitsstätte eine Abschirmung der Arbeitsstätten gegen übermäßige Sonneneinstrahlung ermöglichen. ASR 6 (Arbeitsstättenrichtlinie 6) (a. F.)

Raumtemperaturen

Anwendungsbereich

Für alle Arbeitsplätze, an die technologisch keine spezifischen Anforderungen an das Raumklima gestellt werden, gelten die Anforderungen und Gestaltungshinweise des Abschnittes I dieser Richtlinie. Für Arbeitsräume, an die aus technologischen Gründen besondere Anforderungen an das Raumklima gestellt werden oder bei denen die Beeinflussung des Klimas durch die Technologie unvermeidbar ist, gelten die Empfehlungen des Abschnittes II.

Abschnitt I: Anforderungen

und Gestaltungshinweise an Arbeitsräume

ohne

spezifische, technologisch bedingte Klimaanforderungen

1. Begriffe 1.1 Raumtemperatur ist eine zusammenfassende Temperaturgröße aus der örtlichen Lufttemperatur und den Strahlungstemperaturen der einzelnen Umgebungsflächen. 1.2 Lufttemperatur ist die Temperatur der den Menschen umgebenden Luft ohne Einwirkung von Wärmestrahlung. Sie wird in einer Höhe von 0,75 m über dem Fußboden an den Arbeits-

plätzen mit einem wärmestrahlungsgeschützten Thermometer in Grad Celsius (°C) mit einer Messgenauigkeit von + 0,5 °C gemessen.

Gesetzestexte

193

1.3 Die körperliche Belastung ergibt sich aus der überwiegenden Körperhaltung und der Arbeitsschwere. Üblicherweise reicht als Klassifizierung für die Arbeitsschwere: Leicht Bei ruhigem Sitzen mit leichter Hand-/Armarbeit verbunden mit gelegentlichem Gehen Mittel Bei mittelschwerer Hand-/Arm- oder Beinarbeit im Sitzen oder Gehen | Schwer Bei schwerer Hand-/Arm-, Bein- und Rumpfarbeit im Gehen oder Stehen

2. Allgemeines Gesundheitlich zuträgliches Klima liegt vor, wenn die Wärmebilanz (Wärmeerzeugung zu Wärmeabgabe) des menschlichen Körpers ausgeglichen ist. Die Wärmeerzeugung ist abhängig von der Arbeitsschwere. Die Wärmeabgabe ist abhängig von der Lufttemperatur, der Luftfeuchte, der Luftgeschwindigkeit und der Wärmestrahlung. Sie wird wesentlich durch die Bekleidungssituation beeinflusst. In der Regel reicht die Lufttemperatur zur Beurteilung, ob eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden ist, aus (andernfalls siehe 5.3).

3. Lufttemperaturen in Arbeitsräumen 3.1 In Arbeitsräumen muss die Lufttemperatur mindestens be-

tragen:

Überwiegende

Arbeitshaltung

Arbeitsschwere Leicht

Mittel

Schwer

+20 °C

+19 °C

-

Stehen und/oder gehen} + 19°C

|+17°C

|+12°C

Sitzen

Tabelle: Lufttemperaturen in Arbeitsräumen, in Abhängigkeit von der Arbeitshaltung und der Arbeitsschwere

194

Gesetzestexte

3.2 Die Mindesttemperaturen sollen wahrend der gesamten Arbeitszeit gewährleistet sein. 3.3 Die Lufttemperatur in Arbeitsräumen soll +26 °C nicht überschreiten. Bei darüberliegender Außentemperatur darf in Ausnahmefällen die Lufttemperatur höher sein. | 3.4 An Fenstern, Oberlichtern oder Glaswänden sind wirksame

Schutzvorrichtungen gegen direkte Sonneneinstrahlung vorzu-

sehen (siehe auch § 9 Abs. 2 ArbStattV).

4. Lufttemperaturen in übrigen Betriebsräumen

4.1 In Pausen-, Bereitschafts-, Liege-, Sanıtär- und Sanitäts-

räumen muss während der Nutzungsdauer eine Lufttemperatur von mindestens + 21 °C herrschen.

4.2 In Waschräumen, in denen Duschen oder Badewannen in-

stalliert sind, soll die Lufttemperatur während der Nutzungsdauer + 24 °C betragen.

5. Zusätzliche Anforderungen an das Klima und Klimamessungen in Arbeitsräumen und übrigen Betriebsräumen 5.1 Die Beschäftigten dürfen keiner vermeidbaren Zugluft ausgesetzt sein (siehe § 16 Abs. 4 ArbStattV). 5.2 Die Oberflächentemperatur des Fußbodens an ständigen Arbeitsplätzen in Arbeitsräumen soll nicht mehr als 3 °C unter und 6 °C über der Lufttemperatur liegen. 5.3 Die Bestimmung der Lufttemperatur allein reicht nicht aus, wenn Luftfeuchte, Luftgeschwindigkeit und/oder Wärmestrahlung erheblichen Einfluss auf das Klima ausüben. Dann sind diese Klimagrößen zusätzlich einzeln oder gegebenenfalls nach einem Klimasummenmaf zu bewerten.

Gesetzestexte

195

Berlin/Bonn-Gesetz § 3 Berlin/Bonn-Gesetz

Sitz der Bundesregierung

(1) Sitz des Verfassungsorgans Bundesregierung ist die Bundeshauptstadt Berlin. (2) Die Bundesregierung wird den Vollzug der Sitzentscheidung in zeitlicher Abstimmung mit dem Vollzug der Sitzentscheidung des Deutschen Bundestages vornehmen. BetrKV (Betriebskostenverordnung) §.1 BetrKV Betriebskosten (1) Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder

Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Sach- und Arbeitsleistungen des Eigentümers oder Erbbauberechtigten dürfen mit dem Betrag angesetzt werden, der für eine gleichwertige Leistung eines Dritten, insbesondere eines Unternehmers, angesetzt werden könnte; die Umsatzsteuer des Dritten darf nicht angesetzt werden. (2) Zu den Betriebskosten gehören nicht:

1. die Kosten der zur Verwaltung des Gebäudes erforderli-

chen Arbeitskräfte und Einrichtungen, die Kosten der Auf-

sicht, der Wert der vom Vermieter persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit, die Kosten für die gesetzlichen oder freiwilligen Prüfungen des Jahresabschlusses und die Kosten für die Geschäftsführung (Verwaltungskosten);

2. die Kosten, die während der Nutzungsdauer zur Erhaltung des bestimmungsmäßigen Gebrauchs aufgewendet

196

Gesetzestexte

werden miissen, um die durch Abnutzung, Alterung und Witterungseinwirkung entstehenden baulichen oder sonstigen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen (Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten). $ 2 BetrKV

Aufstellung der Betriebskosten Betriebskosten im Sinne von § 1

sind:

1. die laufenden öffentlichen Lasten des Grundstücks,

hierzu gehört namentlich die Grundsteuer; 2. die Kosten der Wasserversorgung, hierzu gehören die Kosten des Wasserverbrauchs, die Grundgebühren, die Kosten der Anmietung oder anderer Arten der Gebrauchsüberlassung von Wasserzählern sowie die Kosten ihrer Verwendung einschließlich der Kosten der Eichung sowie der Kosten der Berechnung und Aufteilung, die Kosten der Wartung von Wassermengenreglern, die Kosten des Betriebs einer hauseigenen Wasserversorgungsanlage und einer Wasseraufbereitungsanlage einschließlich der Aufbereitungsstoffe; 3. die Kosten der Entwässerung, hierzu gehören die Gebühren für die Haus- und Grundstücksentwässerung, die Kosten des Betriebs einer entsprechenden nicht öffentlichen Anlage und die Kosten des Betriebs einer Entwässerungspumpe; 4. die Kosten a) des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Abgasanlage,

hierzu gehören die Kosten der verbrauchten Brennstoffe und ihrer Lieferung, die Kosten des Betriebsstroms, die Kosten der Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft, der Reinigung der Anlage und des Betriebsraums, die Kosten der Messungen nach dem Bundes-Immissions-

Gesetzestexte

oder

oder

197

schutzgesetz, die Kosten der Anmietung oder anderer Arten der Gebrauchsiiberlassung einer Ausstattung zur Verbrauchserfassung sowie die Kosten der Verwendung einer Ausstattung zur Verbrauchserfassung einschließlich der Kosten der Eichung sowie der Kosten der Berechnung und Aufteilung, b) des Betriebs der zentralen Brennstoffversorgungsanlage, hierzu gehören die Kosten der verbrauchten Brennstoffe und ihrer Lieferung, die Kosten des Betriebsstroms und die Kosten der Überwachung sowie die Kosten der Reinigung der Anlage und des Betriebsraums, c) der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme, auch aus Anlagen im Sinne des Buchstabens a, hierzu gehören das Entgelt für die Wärmelieferung und die

Kosten des Betriebs der zugehörigen Hausanlagen entspre-

oder

chend Buchstabe a,

d) der Reinigung und Wartung von Etagenheizungen und Gaseinzelfeuerstätten,

hierzu gehören die Kosten der Beseitigung von Wasserablagerungen und Verbrennungsrückständen in der Anlage, die Kosten der regelmäßigen Prüfung der Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit und der damit zusammenhängenden Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Kosten der Messungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz; 5. die Kosten

a) des Betriebs der zentralen Warmwasserversorgungsanlage, hierzu gehören die Kosten der Wasserversorgung entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht dort bereits berücksich-

tigt sind, und die Kosten der Wassererwärmung entsprechend Nummer 4 Buchstabe a,

oder

198

oder

Gesetzestexte

b) der eigenständig gewerblichen Lieferung von Warmwasser, auch aus Anlagen im Sinne des Buchstabens a, hierzu gehören das Entgelt für die Lieferung des Warmwassers und die Kosten des Betriebs der zugehörigen Hausanlagen entsprechend Nummer 4 Buchstabe a, c) der Reinigung und Wartung von Warmwassergeräten, hierzu gehören die Kosten der Beseitigung von Wasserablagerungen und Verbrennungsrückständen im Innern der Geräte sowie die Kosten der regelmäßigen Prüfung der Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit und der damit zusammenhängenden Einstellung durch eine Fachkraft;

6. die Kosten verbundener Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen a) bei zentralen Heizungsanlagen entsprechend Nummer 4 Buchstabe a und entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht

oder

oder

dort bereits berücksichtigt sind,

b) bei der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme entsprechend Nummer 4 Buchstabe c und entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht dort bereits berücksichtigt sind, c) bei verbundenen Etagenheizungen und Warmwasserversorgungsanlagen entsprechend Nummer 4 Buchstabe d und entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht dort bereits berücksichtigt sind;

7. die Kosten des Betriebs des Personen- oder Lastenaufzugs, hierzu gehören die Kosten des Betriebsstroms, die Kosten der Beaufsichtigung, der Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Kosten der Reinigung der Anlage;

Gesetzestexte

199

8. die Kosten der Straßenreinigung und Müllbeseitigung, zu den Kosten der Straßenreinigung gehören die für die öffentliche Straßenreinigung zu entrichtenden Gebühren

und die

Kosten entsprechender nicht öffentlicher Maßnahmen; zu den Kosten der Müllbeseitigung gehören namentlich die für die Müllabfuhr zu entrichtenden Gebühren, die Kosten entsprechender nicht öffentlicher Maßnahmen, die Kosten des Betriebs von

Müllkompressoren, Müllschluckern, Müllabsauganlagen sowie des Betriebs von Müllmengenerfassungsanlagen einschließlich der Kosten der Berechnung und Aufteilung; 9. die Kosten der Gebäudereinigung und Ungezieferbekämpfung, zu den Kosten der Gebäudereinigung gehören die Kosten für die Säuberung der von den Bewohnern gemeinsam genutzten Gebäudeteile, wie Zugänge, Flure, Treppen, Keller, Bodenräume, Waschküchen, Fahrkorb des Aufzugs;

10. die Kosten der Gartenpflege, hierzu gehören die Kosten der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen, der Pflege von Spielplätzen einschließlich der Erneuerung von Sand und der Pflege von Plätzen, Zugängen und Zufahrten, die dem nicht öffentlichen Verkehr dienen;

11. die Kosten der Beleuchtung, hierzu gehören die Kosten des Stroms für die Außenbeleuchtung und die Beleuchtung der von den Bewohnern gemeinsam genutzten Gebäudeteile, wie Zugänge, Flure, Treppen, Keller, Bodenräume, Waschküchen; 12. die Kosten der Schornsteinreinigung, hierzu gehören die Kehrgebühren nach der maßgebenden Gebührenordnung, soweit sie nicht bereits als Kosten nach Nummer 4 Buchstabe a berücksichtigt sind; 13. die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung, hierzu gehören namentlich die Kosten der Versicherung des Gebäudes gegen Feuer-, Sturm-, Wasser- sowie sonstige Elemen-

200

Gesetzestexte

tarschäden, der Glasversicherung, der Haftpflichtversicherung für das Gebäude, den Öltank und den Aufzug; 14. die Kosten für den Hauswart,

hierzu gehören die Vergütung, die Sozialbeiträge und alle geldwerten Leistungen, die der Eigentümer oder Erbbauberechtigte dem Hauswart für seine Arbeit gewährt, soweit diese nicht die Instandhaltung, Instandsetzung, Erneuerung, Schönheitsreparaturen oder die Hausverwaltung betrifft; soweit Arbeiten vom Hauswart ausgeführt werden, dürfen Kosten für Arbeitsleistungen nach den Nummern 2 bis 10 und 16 nicht angesetzt werden;

15. die Kosten a) des Betriebs der Gemeinschafts-Antennenanlage, hierzu gehören die Kosten des Betriebsstroms und die Kosten der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft oder das Nutzungsentgelt für eine nicht zu dem Gebäude gehörende Antennenanlage sowie die Gebühren, die nach dem Urheberrechtsgesetz für die Kabelweitersendung entoder

stehen, b) des Betriebs der mit einem Breitbandkabelnetz verbun-

denen privaten Verteilanlage, hierzu gehören die Kosten entsprechend Buchstabe a, ferner die laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandkabelanschlüsse;

16. die Kosten des Betriebs der Einrichtungen für die Wäschepflege, hierzu gehören die Kosten des Betriebsstroms, die Kosten der Überwachung, Pflege und Reinigung der Einrichtungen, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit sowie die Kosten der Wasserversorgung entsprechend Nummer 2, soweit sie nicht dort bereits berücksichtigt sind;

Gesetzestexte 201

17. sonstige Betriebskosten,

hierzu gehören Betriebskosten im Sinne des § 1, die von den Nummern

1 bis 16 nıcht erfasst sind.

BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) § 87 BetrVG

Mitbestimmungsrechte (1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche

Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;

BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) § 134 BGB Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. $ 138 BGB Sittenwidriges Rechtsgeschaft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. |

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

202

Gesetzestexte

§ 241 BGB Pflichten aus dem Schuldverhältnis

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil

zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. § 252"- BGB

Entgangener Gewinn

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewohnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkeh-

rungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. $ 254 BGB Mitverschulden

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. (2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschä-

digten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden

oder zu mindern. Die Vorschrift des $ 278 findet entsprechende Anwendung. § 275 BGB Ausschluss der Leistungspflicht

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

Gesetzestexte 203 (2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese

einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Glaubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. (3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er

die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den $$ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

$ 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhält-

nis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des $ 286

verlangen. (3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur

unter den zusätzlichen Voraussetzungen des $ 281, des $ 282 oder des $ 283 verlangen. § 281 BGB

Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des $ 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung

204

Gesetzestexte

verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfillung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Glaubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Glaubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. (2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die

Leistung ernsthaft und endgiiltig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. (3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung. (4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat. (5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

§ 293 BGB

Annahmeverzug

Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. § 294 BGB

Tatsächliches

Angebot

Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden. $ 300 BGB Wirkungen des Gläubigerverzugs

(1) Der Schuldner hat während des Verzugs des Gläubigers nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.

Gesetzestexte 205

(2) Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet, so geht die Gefahr mit dem Zeitpunkt auf den Glaubiger über, in welchem er dadurch in Verzug kommt, dass er die angebotene Sache nicht annimmt. $ 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur

des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die $$ 308 und 309 gelten nur für

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein. | $ 309 BGB

Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwen-

206

Gesetzestexte

ders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn a) die Pauschale den in den geregelten Fallen nach dem gewohnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als “die Pauschale;

$311 BGB Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach $ 241 Abs. 2 ent-

steht auch durch 1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, 2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder

3. ähnliche geschäftliche Kontakte. $ 326 BGB

Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht (1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leis-

ten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet $ 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertrags-

Gesetzestexte 207

gemäßen Leistung die Nacherfüllung nach $ 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht. (2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein

oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom

Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der

Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. (3) !Verlangt der Gläubiger nach $ 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des $ 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt. (4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegen-

leistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den $$ 346 bis

348 zurückgefordert werden.

(5) Braucht der Schuldner nach $ 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leis-

ten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist. § 433 BGB Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag (1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache

verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten

Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

208

Gesetzestexte

§ 434 BGB

Sachmangel (1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahr-

übergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sach-

mängeln, 1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst 2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Zu der Beschaffenheit nach Satz 2 Nr. 2 gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers ($ 4 Abs. 1 und 2 des Produkthaf-

tungsgesetzes) oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die

Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte. (2) Ein Sachmangel ist auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist. Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die

Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist

fehlerfrei montiert worden.

(3) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine

andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert. $ 437 BGB

Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Vorausset-

Gesetzestexte 209

zungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen,

2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag

zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und

3. nach den $$ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder

nach $ 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. § 439 BGB

Nacherfüllung (1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die

Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung er-

forderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen. Ä (3) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nach-

erfüllung unbeschadet des $ 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt. (4) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der $$ 346 bis 348 verlangen. § 440 BGB Besondere Bestimmun gen für Rücktritt und Schadensersatz

Außer in den Fällen des $ 281 Abs. 2 und des $ 323 Abs. 2 be-

darf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer

210

Gesetzestexte

beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. Eine Nachbesserung gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt. § 475 BGB Abweichende Vereinbarungen

(1) Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von

den $$ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 sowie von den Vorschriften dieses Untertitels abweicht, kann der Unternehmer sich

nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. (2) Die Verjährung der in $ 437 bezeichneten Ansprüche kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn von weniger als zwei Jahren, bei gebrauchten Sachen von weniger als einem Jahr führt. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet der $$ 307 bis 309

nicht für den Ausschluss oder die Beschränkung des Anspruchs auf Schadensersatz.

$ 480 BGB Tausch

Auf den Tausch finden die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung. $516 BGB Begriff der Schenkung

(1) Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen

Gesetzestexte 211 einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darii-

ber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. (2) Ist die Zuwendung ohne den Willen des anderen erfolgt, so kann ihn der Zuwendende unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die Annahme auffordern. Nach dem Ablauf der Frist gilt die Schenkung als angenommen, wenn nicht der andere sie vorher abgelehnt hat. Im Falle der Ableh-

nung kann die Herausgabe des Zugewendeten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden. $ 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags (1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem

Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu ge-

währen. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem

zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlas-

sen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten.

Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

$ 536 BGB

Mietminderung bet Sach- und Rechtsmängeln (1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter

einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Ge-

brauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher

Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. (2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte

Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

212

Gesetzestexte

§ 536b BGB Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme

Kennt der Mieter bei Vertragsschluss den Mangel der Miet-

sache, so stehen ihm

die Rechte aus den

§§ 536 und 536a

nicht zu. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Rechte aus den $$ 536 und 536a nur gel-

tend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vor-

behält.

$ 556 BGB | Vereinbarungen über Betriebskosten (1) Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der Mieter

Betriebskosten trägt. Betriebskosten sind die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen,

Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Für die Aufstellung der Betriebskosten gilt die Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl. 15. 2346, 2347) fort. Die

Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Auf-

stellung der Betriebskosten zu erlassen. (2) Die Vertragsparteien können vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften vereinbaren, dass Betriebskosten als Pauschale oder

als Vorauszahlung ausgewiesen werden. Vorauszahlungen für Betriebskosten dürfen nur in angemessener Höhe vereinbart werden. (3) Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu

beachten. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum

Gesetzestexte 213

Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zu Teilabrechnungen nicht verpflichtet. Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. (4) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1, Absatz 2 Satz

2 oder Absatz 3 abweichende Vereinbarung ist unwirksam. $ 556a BGB

Abrechnungsmaßstab für Betriebskosten

(1) Haben die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart, sind die Betriebskosten vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen. Betriebskosten, die von einem erfassten Verbrauch oder einer erfassten Verursachung durch die Mieter abhängen, sind 'nach einem Maßstab umzulegen, der dem unterschiedlichen Verbrauch oder der unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. (2) Haben die Vertragsparteien etwas anderes vereinbart, kann

der Vermieter durch Erklärung in Textform bestimmen, dass die Betriebskosten zukünftig abweichend von der getroffenen Vereinbarung ganz oder teilweise nach einem Maßstab umgelegt

werden dürfen, der dem erfassten unterschiedlichen Verbrauch

oder der erfassten unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. Die Erklärung ist nur vor Beginn eines Abrechnungszeitraums zulässig. Sind die Kosten bislang in der Miete enthalten, so ist diese entsprechend herabzusetzen. (3) Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 2 abweichende

Vereinbarung ist unwirksam.

214

Gesetzestexte

§ 598 BGB Vertragstypische Pflichten bei der Lethe Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten.

$ 607 BGB

Vertragstypische Pflichten beim Sachdarlehensvertrag (1) Durch den Sachdarlehensvertrag wird der Darlehensgeber

verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte vertretbare Sache zu überlassen. Der Darlehensnehmer ist zur Zahlung eines Darlehensentgelts und bei Fälligkeit zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet. (2) Die Vorschriften dieses Titels finden keine Anwendung auf die Überlassung von Geld. $ 618 BGB

Pflicht zu Schutzmaßnahmen

|

(1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen

hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen

sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. § 632 BGB Vergütung

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine: Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermange-

Gesetzestexte 215

lung einer Taxe die tibliche Vergiitung als vereinbart anzusehen. (3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergiiten.

§ 651 BGB

Anwendung des Kaufrechts

Auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung.

§ 442 Abs. 1 Satz 1

findet bei diesen Verträgen auch Anwendung, wenn der Mangel auf den vom Besteller gelieferten Stoff zurückzuführen ist. Soweit es sich bei den herzustellenden oder zu erzeugenden beweglichen Sachen um nicht vertretbare Sachen handelt, sind auch die $$ 642, 643, 645, 649 und 650 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Abnahme der nach den $$ 446

und 447 maßgebliche Zeitpunkt tritt. $ 652 BGB

Entstehung des Lohnanspruchs

(1) Wer für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags oder für die Vermittlung eines Vertrags einen Mäklerlohn verspricht, ist zur Entrichtung des Lohnes nur verpflichtet, wenn der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Mäklers zustande kommt. Wird der Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen, so kann der Mäklerlohn erst verlangt werden, wenn die Bedingung eintritt. (2) Aufwendungen sind dem Mäkler nur zu ersetzen, wenn es

vereinbart ist. Dies gilt auch dann, wenn ein Vertrag nicht zustande kommt. § 812 BGB Herausgabeanspruch

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Wei-

216

Gesetzestexte

se auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. (2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses. $814BGB Kenntnis der Nichtschuld

Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst

hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die

Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach. § 817 BGB

Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten |

War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfanger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfän-

ger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung

in der

Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

§ 823 BGB Schadensersatzpflicht (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sons-

Gesetzestexte 217

tiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum

pflichtet.

Ersatz des daraus entstehenden

Schadens ver-

§ 828 BGB

Minderjährige (1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. (2) Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem

Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat. (3) Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern

seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausge-

schlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt,

nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.

$ 832 BGB

Haftung des Aufsichtspflichtigen

(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung

bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Per-

son einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein

würde.

|

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.

218

Gesetzestexte

§ 833 BGB

Haftung des Tierhalters

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist,

und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. 8903 BGB Befugnisse des Eigentümers

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten. $ 965 BGB Anzeigepflicht des Finders (1) Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Emp-

fangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen. (2) Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist

ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittlung der Empfangsberechtigten

erheblich sein können, unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen. Ist die Sache nicht mehr als zehn Euro wert, so bedarf es der Anzeige nicht.

Gesetzestexte

219

§ 1004 BGB

Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung

oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. (2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

$ 1353 BGB Eheliche Lebensgemeinschaft

(1) Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten

sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. (2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des an-

deren Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechtes darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.

§ 1579 BGB

Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit | |

Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder

zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Ver-

pflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil

6. der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch sei-

ne Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,

220

Gesetzestexte

§ 1626 BGB Elterliche Sorge, Grundsätze (1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minder-

jährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an. $ 1631 BGB

Inhalt und Grenzen der Personensorge (1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das

Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. (2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. (3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge ın geeigneten Fällen zu unterstützen.

$ 1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kin-

des oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die

Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Gesetzestexte 221

§ 2303 BGB Pflichtteilsberechtigte; Höhe des Pflichtteils

(1) Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. (2) Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des

Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Die Vorschrift des $ 1371 bleibt unberührt. BGV D 29 (Berufsgenossenschaftsvorschriften; Unfallverhü-

tungsvorschriften Fahrzeuge) $44BGVD29 Fahr- und Arbeitsweise

(2) Der Fahrzeugführer muss zum sicheren Führen des Fahr-

zeuges den Fuß umschließendes Schuhwerk tragen.

Durchführungsanordnung zu $ 44 Abs. 2: Zum sicheren Führen von Fahrzeugen sind z.B. Sandaletten (ohne Fersenriemen), Holzpantinen, Clogs nicht geeignet.

BNotO (Bundesnotarordnung) § 20 BNotO

(1) Die Notare sind zuständig, Beurkundungen jeder Art vorzunehmen sowie Unterschriften, Handzeichen und Abschriften

zu beglaubigen. Zu ihren Aufgaben gehören insbesondere auch die Beurkundung von Versammlungsbeschlüssen, die Vornahme von Verlosungen und Auslosungen, die Aufnahme von Vermögensverzeichnissen, die Anlegung und Abnahme von Siegeln, die Aufnahme von Protesten, die Zustellung von Erklärungen sowie die Beurkundung amtlich von ihnen wahrgenommener Tatsachen.

222

Gesetzestexte

(2) Die Notare sind auch zuständig, Auflassungen entgegenzunehmen sowie Teilhypotheken- und Teilgrundschuldbriefe auszustellen. (3) Die Notare sind ferner zuständig, freiwillige Versteigerungen durchzuführen. Eine Versteigerung beweglicher Sachen sollen sie nur vornehmen, wenn diese durch die Versteigerung unbeweglicher Sachen oder durch eine von dem Notar beurkundete oder vermittelte Vermögensauseinandersetzung veranlasst ist. (4) Die Notare sind auch zur Vermittlung nach den Bestim-

mungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes zuständig.

(5) Inwieweit die Notare zur Vermittlung von Nachlass- und

Gesamtgutauseinandersetzungen - einschließlich der Erteilung von Zeugnissen nach §§ 36 und 37 der Grundbuchordnung -, zur Aufnahme von Nachlassverzeichnissen und Nachlassinventaren sowie zur Anlegung und Abnahme von Siegeln im Rahmen eines Nachlasssicherungsverfahrens zuständig sind, bestimmt sich nach den landesrechtlichen Vorschriften. $ 21 BNotO (1) Die Notare sind zuständig,

1. Bescheinigungen über eine Vertretungsberechtigung so-

wie

2. Bescheinigungen über das Bestehen oder den Sitz einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft, die Firmenänderung, eine Umwandlung oder sonstige rechtserhebliche Umstände auszustellen, wenn sich diese Umstände aus einer Eintragung im Handels-

register oder in einem ähnlichen Register ergeben. Die Bescheinigung hat die gleiche Beweiskraft wie ein Zeugnis des Registergerichts.

(2) Der Notar darf die Bescheinigung nur ausstellen, wenn er

sich zuvor tiber die Eintragung Gewissheit verschafft hat, die auf Einsichtnahme in das Register oder in eine beglaubigte Abschrift hiervon beruhen muss. Er hat den Tag der Einsichtnah-

Gesetzestexte 223

me in das Register oder den Tag der Ausstellung der Abschrift in der Bescheinigung anzugeben. § 22 BNotO (1) Zur Abnahme von Eiden sowie zu eidlichen Vernehmungen sind die Notare nur zuständig, wenn der Eid oder die eidliche Vernehmung nach dem Recht eines ausländischen Staates oder nach den Bestimmungen einer ausländischen Behörde oder sonst zur Wahrnehmung von Rechten im Ausland erforderlich ist. (2) Die Aufnahme eidesstattlicher Versicherungen steht den Notaren ın allen Fällen zu, in denen einer Behörde oder sonsti-

gen Dienststelle eine tatsächliche Behauptung oder Aussage glaubhaft gemacht werden soll. § 23 BNotO

Die Notare sind auch zuständig, Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten, die ihnen von den Beteiligten übergeben sind, zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zu übernehmen; 88 54a bis 54d des Beurkundungsgesetzes bleiben unberührt. § 24 BNotO (1) Zu dem Amt des Notars gehört auch die sonstige Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiete vorsorgender Rechtspflege, insbesondere die Anfertigung von Urkundenentwürfen und die Beratung der Beteiligten. Der Notar ist auch, soweit sich nicht aus anderen Vorschriften Beschränkungen ergeben, in diesem Umfange befugt, die Beteiligten vor Gerichten und Verwaltungsbehörden zu vertreten. (2) Nimmt ein Notar, der zugleich Rechtsanwalt ist, Handlungen der in Absatz 1 bezeichneten Art vor, so ist anzunehmen,

dass er als Notar tätig geworden ist, wenn die Handlung bestimmt ist, Amtsgeschäfte der in den $$ 20 bis 23 bezeichneten

Art vorzubereiten oder auszuführen. Im Übrigen ist im Zweifel anzunehmen, dass er als Rechtsanwalt tätig geworden ist.

224

Gesetzestexte

(3) Soweit der Notar kraft Gesetzes ermächtigt ist, im Namen

der Beteiligten bei dem Grundbuchamt oder bei den Registerbehörden Anträge zu stellen (insbesondere § 15 der Grundbuchordnung, $ 25 der Schiffsregisterordnung, §§ 129, 147 Abs. 1, §§ 159, 161 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), ist er auch ermächtigt, die von

ihm gestellten Anträge zurückzunehmen. Die Rücknahmeerklärung ist wirksam, wenn sie mit der Unterschrift und dem Amtssiegel des Notars versehen ist; eine Beglaubigung der Unterschrift ist nicht erforderlich. EheG (Ehegesetz)

$ 11 EheG Eheschließung (1) Eine Ehe kommt nur zustande, wenn die Eheschließung von

einem Standesbeamten stattgefunden hat.

(2) Als Standesbeamter im Sinne des Absatzes 1 gilt auch, wer, ohne Standesbeamter zu sein, das Amt eines Standesbeamten

öffentlich ausgeübt und die Ehe in das Familienbuch eingetragen hat. GaststG (Gaststättengesetz) $ 5 Auflagen (1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können

jederzeit Auflagen zum Schutze 1. der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,

2. der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder 3. gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebli-

Gesetzestexte 225

che Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke

sowie der Allgemeinheit erteilt werden. (2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gast-

stättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

GastV (Gaststättenverordnung) Berlin s. Landesrecht

GastV (Gaststättenverordnung) Hamburg

s. Landesrecht

GG (Grundgesetz) Art.31 GG Bundesrecht bricht Landesrecht.

Art. 102 GG Die Todesstrafe ist abgeschafft.

GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) § 177 GVG Öffentlichkeit und Sitzungspolizei Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der

Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur

226

Gesetzestexte

Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht tibersteigen darf, festgehalten werden. Uber Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht. § 178 GVG Öffentlichkeit und Sitzungspolizei

(1) Gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht-beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, kann vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu zweitausend Deutsche Mark oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Bei der Festsetzung von Ordnungsgeld ist zugleich für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu bestimmen, in welchem

Maße Ordnungshaft an seine Stelle tritt. (2) Über die Festsetzung von Ordnungsmitteln entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

(3) Wird wegen derselben Tat später auf Strafe erkannt, so sind

das Ordnungsgeld oder die Ordnungshaft auf die Strafe anzurechnen.

HV (Hessische Landesverfassung) s. Landesrecht

JuSchG (Jugendschutzgesetz) § 4JuSchG Gaststätten (1) Der Aufenthalt in Gaststätten darf Kindern und Jugendli-

chen unter 16 Jahren nur gestattet werden, wenn eine personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Person sie begleitet

Gesetzestexte 227

oder wenn sie in der Zeit zwischen 5 Uhr und 23 Uhr eine Mahlzeit oder ein Getränk einnehmen. Jugendlichen ab 16 Jahren darf

der Aufenthalt in Gaststätten ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person in der Zeit von 24 Uhr und 5 Uhr morgens nicht gestattet werden. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn Kinder oder Jugendliche an einer Veranstaltung eines anerkannten "Trägers der Jugendhilfe teilnehmen oder sich auf Reisen befinden. (3) Der Aufenthalt in Gaststätten, die als Nachtbar oder Nacht-

club geführt werden, und in vergleichbaren Vergnügungsbetrieben darf Kindern und Jugendlichen nicht gestattet werden. (4) Die zuständige Behörde kann Ausnahmen von Absatz 1 genehmigen. $5 JuSchG

Tanzveranstaltungen (1) Die Anwesenheit bei öffentlichen Tanzveranstaltungen oh-

ne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person darf Kindern und Jugendlichen unter

16 Jahren nicht und Jugendlichen ab 16 Jahren längstens bis

24 Uhr gestattet werden.

(2) Abweichend von Absatz 1 darf die Anwesenheit Kindern bis

22 Uhr und Jugendlichen unter 16 Jahren bis 24 Uhr gestattet werden, wenn die Tanzveranstaltung von einem anerkannten Träger der Jugendhilfe durchgeführt wird oder der künstlerischen Betätigung oder der Brauchtumspflege dient. (3) Die zuständige Behörde kann Ausnahmen genehmigen. MarkenG (Markengesetz) § 3 MarkenG Als Marke schutzfahige Zeichen

(1) Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter ein-

228

Gesetzestexte

schließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der

Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. (2) Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen,

1. die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, 2. die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder 3. die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.

OWiG (Gesetz gegen Ordnungswidrigkeiten) § 47 OWiG

Verfolgung von Ordnungswidrigketten

(1) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen.

(2) Ist das Verfahren bei Gericht anhängig und hält dieses eine

Ahndung nicht für geboten, so kann es das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage einstellen. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, wenn durch den Bußgeldbescheid eine Geldbuße bis zu einhundert Euro verhängt wor-

den ıst und die Staatsanwaltschaft erklärt hat, sie nehme an der

Hauptverhandlung nicht teil. Der Beschluss ist nicht anfechtbar. (3) Die Einstellung des Verfahrens darf nicht von der Zahlung

eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder sonstige Stelle abhängig gemacht oder damit in Zusammenhang gebracht werden.

Gesetzestexte 229

PBefG (Personenbeförderungsgesetz) § 22 PBefG

Beförderungspflicht

Der Unternehmer ist zur Beförderung verpflichtet, wenn 1. die Beförderungsbedingungen eingehalten werden,

2. die Beförderung mit den regelmäßig eingesetzten Beförde-

rungsmitteln möglich ist und 3. die Beförderung nicht durch Umstände verhindert wird, die der Unternehmer nicht abwenden und denen er auch nicht abhelfen kann.

SGB VII (Sozialgesetzbuch VII) § 15 SGB VII Unfallverhiitungsvorschriften

(1) Die Unfallversicherungsträger erlassen als autonomes Recht Unfallverhütungsvorschriften über 1. Einrichtungen, Anordnungen und Maßnahmen, welche die Unternehmer zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu treffen haben, sowie die Form der Übertragung dieser Aufgaben auf andere Personen, 2. das Verhalten der Versicherten zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, § 209 SGB VII Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. einer Unfallverhütungsvorschrift nach $ 15 Abs. 1 oder 2 zu-

widerhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf

diese Bußgeldvorschrift verweist,

230

Gesetzestexte

StGB (Strafgesetzbuch)

§ 32 StGB

Notwehr (1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt

nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. $ 34 StGB

Rechtfertigender Notstand

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes

Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Ab-

wägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

$ 40 StGB Verhängung in Tagessätzen

(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt

mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt,

höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter

Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. *Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens fünftausend Euro festgesetzt.

Gesetzestexte 231 (3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grund-

lagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt

werden. (4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze

angegeben. $ 46 StGB

Grundsätze der Strafzumessung

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Le-

ben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu

berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: — die Beweggründe und die Ziele des Täters, — die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, | — das Maß der Pflichtwidrigkeit, — die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,

— das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie —

sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters,

einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. $ 123 StGB

Hausfriedensbruch (1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das be-

friedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume,

welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind,

widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht ent-

232

Gesetzestexte

fernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. § 132a StGB Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen (1) Wer unbefugt

1. inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche

Würden führt,

2. die Berufsbezeichnung Arzt, Zahnarzt, Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Psychotherapeut, Tierarzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Patentanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter führt, 3. die Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger führt oder 4. inländische oder ausländische Uniformen, Amtskleidun-

gen oder Amtsabzeichen trägt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe

bestraft.

(2) Den in Absatz 1 genannten Bezeichnungen, akademischen Graden, Titeln, Würden, Uniformen, Amtskleidungen oder

Amtsabzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Amtsbezeichnungen, Titel, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Kir-

chen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(4) Gegenstinde, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 4,

allein oder in Verbindung mit Absatz 2 oder 3, bezieht, können eingezogen werden.

Gesetzestexte 233

§ 142 StGB Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und

durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist,

ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet

hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, Ä wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe

bestraft.

(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der

sich

1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder

2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. (3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzei-

chen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe ($ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von

vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des

fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden

234

Gesetzestexte

Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3). (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. $ 175 StGB (1994 aufgehoben) . Homosexuelle Handlungen (1) Ein Mann über achtzehn Jahren, der sexuelle Handlungen an einem Mann unter 18 Jahren vornimmt oder von einem Mann unter 18 Jahren an sich vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach dieser Vor-

schrift absehen, wenn

1. der Täter zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig

Jahre alt war oder

2. bei Berücksichtigung des Verhaltens desjenigen, gegen den die Tat sich richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

$ 185 StGB Beleidigung

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder

mit Geldstrafe bestraft. $ 201 StGB

Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe

wird bestraft, wer unbefugt 1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt

Gesetzestexte 235

1. das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder 2. das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach

öffentlich mitteilt. Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche

Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Inte-

ressen gemacht wird. $ 223 StGB

Körperverletzung

(1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

$ 225 StGB

Misshandlung von Schutzbefohlenen

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Ge-

brechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, 2. seinem Hausstand angehört, 3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder | 4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, quält oder roh misshandelt, oder wer durch böswillige Vernach-

lassigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit

schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu

zehn Jahren bestraft.

236

Gesetzestexte

(2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1. des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung

oder

2. einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt. (4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

$ 263 StGB Betrug (1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechts-

widrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. $ 267 StGB Urkundenfälschung

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte

oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

$ 291 StGB Wucher

(1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an

Gesetzestexte 237

Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten

1. für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen, 2. für die Gewährung eines Kredits, 3. für eine sonstige Leistung oder 4. für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wirken mehrere Personen als Leistende,

Vermittler oder in anderer Weise mit und ergibt sich dadurch ein auffälliges Missverhältnis zwischen sämtlichen Vermögensvorteilen und sämtlichen Gegenleistungen, so gilt Satz 1 für jeden, der die Zwangslage oder sonstige Schwäche des anderen für

sich oder einen Dritten zur Erzielung eines übermäßigen Vermögensvorteils ausnutzt.

$ 316 StGB Trunkenheit im Verkehr (1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315d) ein Fahrzeug führt, ob-

wohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug

sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in $ 315a oder § 315 cc mit Strafe bedroht ist. (2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht. $ 323c StGB Unterlassene Hilfeleistung

Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen

nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr

238

Gesetzestexte

und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

StPO (Strafprozessordnung) $ 81a StPO

Körperliche Untersuchung des Beschuldigten

(1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. *Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Be-

schuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. $ 261 StPO Freie Beweiswürdigung

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. StVG (Straßenverkehrsgesetz) $ 24a StVG 0,5-Promille-Grenze

(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraft-

fahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der

Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder

eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atemoder Blutalkoholkonzentration führt.

Gesetzestexte 239

(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. $ 24c StVG

Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfangerinnen

(1) Ordnungswidrig handelt, wer in der Probezeit nach $ 2a oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr alkoholische Getränke zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines solchen Getränks steht. StVO (Straßenverkehrsordnung) §1StVO Grundregeln

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vor-

sicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein

Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. $ 2 StVO Straßenbenutzung durch Fahrzeuge

(4) Radfahrer müssen einzeln hintereinander fahren; nebeneinander dürfen sie nur fahren, wenn dadurch der Verkehr nicht

behindert wird. Sie müssen Radwege benutzen, wenn die jeweilige Fahrtrichtung mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekenn-

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Gesetzestexte

zeichnet ist. Andere rechte Radwege diirfen sie benutzen. Sie diirfen ferner rechte Seitenstreifen benutzen, wenn keine Rad-

wege vorhanden sind und Fußgänger nicht behindert werden. Das gilt auch für Mofas, die durch Treten fortbewegt werden. Außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Mofas Radwege benutzen.

$ 5 StVO Uberholen (1) Es ist links zu tiberholen. (2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des

ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt. (3) Das Überholen ist unzulässig: 1. bei unklarer Verkehrslage oder

2. wo es durch Verkehrszeichen (Zeichen 276, 277) verboten ist.

(3a) Unbeschadet sonstiger Überholverbote dürfen die Führer von Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5t nıcht überholen, wenn die Sichtweite durch Nebel, Schnee-

fall oder Regen weniger als 50 m beträgt.

(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten,

dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu Fußgängern und Radfahrern, eingehalten werden. Der Überholende muss

sich sobald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Er darf dabei den Überholten nicht behindern. | (4a) Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen

sind rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. (5) Außerhalb geschlossener Ortschaften darf das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden.

Gesetzestexte 241

Wird mit Fernlicht geblinkt, so diirfen entgegenkommende Fahrzeugführer nicht geblendet werden. $6 StVO Vorbeifahren Wer an einem haltenden Fahrzeug, einer Absperrung oder einem sonstigen Hindernis auf der Fahrbahn links vorbeifahren

will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Muss er ausscheren, so hat er auf den nachfolgenden Verkehr zu achten und das Ausscheren sowie das Wiedereinordnen — wie beim Überholen - anzukündigen. $ 8 StVO

Vorfahrt

(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer

von rechts kommt. Das gilt nicht, 1. wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder

2. für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen. (2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch

sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindig-

keit, erkennen lassen, dass er warten wird. Er darf nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den, der die Vorfahrt

hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert. Kann er das nicht übersehen, weil die Straßenstelle

unübersichtlich

ist,

so darf er sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung

hineintasten, bis er die Übersicht hat. Auch wenn der, der die Vorfahrt hat, in die andere Straße abbiegt, darf ihn der Warte-

pflichtige nicht wesentlich behindern. $ 10 StVO

Einfahren und Anfahren

Wer aus einem Grundstück, aus einem Fußgängerbereich (Zei-

242

Gesetzestexte

chen 242 und 243), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325/326) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen

oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahr-

bahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich

dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrs-

teilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich ein-

weisen zu lassen. Er hat seine Absicht rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen.

$ 23 StVO

Sonstige Pflichten des Fahrzeugführers

(1a) Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist. $ 24 StVO Besondere Fortbewegungsmittel (1) Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder und ähnliche Fortbewegungs-

mittel sind nicht Fahrzeuge im Sinne der Verordnung.

(2) Mit Krankenfahrstühlen oder mit anderen als in Absatz 1

genannten Rollstühlen darf dort, wo Fußgängerverkehr zulässig ist, gefahren werden, jedoch nur mit Schrittgeschwindigkeit.

§ 25 StVO Fußgänger

(2) Fußgänger, die Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mit-

führen, müssen die Fahrbahn benutzen, wenn sie auf dem Geh-

weg oder auf dem Seitenstreifen die anderen Fußgänger erheblich behindern würden. Benutzen Fußgänger, die Fahrzeuge

Gesetzestexte 243 mitführen, die Fahrbahn, so müssen sie am rechten Fahrbahn-

rand gehen; vor dem Abbiegen nach links dürfen sie sich nicht links einordnen. (3) Fußgänger haben Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten, und zwar, wenn die Verkehrslage es erfordert, nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Licht-

zeichenanlagen innerhalb von Markierungen oder auf Fußgängerüberwegen (Zeichen 293). Wird die Fahrbahn an Kreuzungen oder Einmündungen überschritten, so sind dort angebrachte Fußgängerüberwege oder Markierungen an Lichtzeichenanlagen stets zu benutzen. $ 30 StVO Umweltschutz und Sonntagsfahrverbot (1) Bei der Benutzung von Fahrzeugen sind unnötiger Lärm

und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten. Es ist insbesondere verboten, Fahrzeugmotoren unnötig laufen zu lassen und Fahrzeugtüren übermäßig laut zu schließen. Unnützes Hinund-her-Fahren ist innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, wenn andere dadurch belästigt werden. $ 37 StVO Wechsellichtzeichen, Dauerlichtzeichen und Griinpfeil

(1) Lichtzeichen gehen Vorrangregeln, vorrangregelnden Verkehrsschildern und Fahrbahnmarkierungen vor. (2) Wechsellichtzeichen haben die Farbfolge Grün-Gelb-Rot-

Rot und Gelb (gleichzeitig)-Grün. Rot ist oben, Gelb in der

Mitte und Grün unten. | 1. An Kreuzungen bedeuten: Grün: »Der Verkehr ist freigegeben.« Er kann nach den Regeln des $ 9 abbiegen, nach links jedoch nur, wenn er Schienenfahrzeuge dadurch nicht behindert.

244

Gesetzestexte

Griiner Pfeil: »Nur in Richtung freigegeben.« Ein grüner Pfeil links hinter der Gegenverkehr durch Rotlicht Linksabbieger die Kreuzung in

des Pfeiles ist der Verkehr Kreuzung zeigt an, dass der angehalten ist und dass Richtung des grünen Pfeils

ungehindert befahren und räumen können.

Gelb ordnet an: »Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen

warten.«

Keines dieser Zeichen entbindet von der Sorgfaltspflicht. Rot ordnet an: »Halt vor der Kreuzung.«

|

Nach dem Anhalten ist das Abbiegen nach rechts auch bei Rot erlaubt, wenn rechts neben dem Lichtzeichen Rot ein Schild

mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) angebracht ist. Der Fahrzeugführer darf nur aus dem rechten Fahrstreifen abbiegen. !Er muss sich dabei so verhalten, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Verkehrsrichtung, ausgeschlossen ist.

Schwarzer Pfeil auf Rot ordnet das Halten, schwarzer Pfeil auf

Gelb das Warten nur für die angegebene Richtung an. Ein einfeldiger Signalgeber mit Grünpfeil zeigt an, dass bei Rot für die Geradeaus-Richtung nach rechts abgebogen werden darf. § 38 StVO

Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht (1) Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Men-

schenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden

abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder

Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. | Es ordnet an: »Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen.«

Gesetzestexte 245 (2) Blaues Blinklicht allein darf nur von den damit ausgeriis-

teten Fahrzeugen und nur zur Warnung an Unfall- oder sonstigen Einsatzstellen, bei Einsatzfahrten oder bei der Beglei-

tung von Fahrzeugen

oder von geschlossenen Verbänden

verwendet werden.

$ 41 StVO Vorschrifizeichen

(2) Schilder stehen regelmäßig rechts. Gelten sie nur für einzelne markierte Fahrstreifen (Zeichen 295, 296 oder 340), so

sind sie in der Regel darüber angebracht. Die Schilder stehen im Allgemeinen dort, wo oder von wo an die Anordnungen zu befolgen sind. Sonst ist, soweit nötig, die Entfernung zu diesen Stellen auf einem Zusatzschild ($ 40 Abs. 2) angegeben. Andere Zusatzschilder enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Besondere Zusatzschilder können etwas anderes bestimmen (zu Zeichen 237, 250, 283, 286, 290 und hinter Zeichen 277).

5. Sonderwege Zeichen 237

| Radfahrer Zeichen 238

Reiter

246

Gesetzestexte

Zeichen 239 GREE fi

"

are

Fußgänger Diese Zeichen stehen rechts oder links. Die Sinnbilder der Zeichen 237 und 239 können auch gemeinsam auf einem Schild, durch einen senkrechten weißen Streifen getrennt, gezeigt werden. Ein gemeinsamer Rad- und Gehweg kann durch ein Schild gekennzeichnet sein, das — durch einen waagerechten weißen Streifen getrennt — die entsprechenden Sinnbilder zeigt. Das Zeichen »Fußgänger« steht nur dort, wo eine Klarstellung notwendig ist. Durch ein Zusatzschild kann die Benutzung des Radweges innerhalb geschlossener Ortschaften durch Mofas gestattet werden. Zeichen 240

gemeinsamer Fuß- und Radweg Zeichen 241

getrennter Rad- und Fußweg Die Zeichen bedeuten: a) Radfahrer, Reiter und Fußgänger müssen die für sie bestimmten Sonderwege benutzen. Andere Verkehrsteilnehmer dürfen sie nicht benutzen;

Gesetzestexte

247

b) wer ein Mofa durch Treten fortbewegt, muss den Radweg benutzen;

c) auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg haben Radfahrer und die Führer von motorisierten Zweiradfahrzeugen auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen; d) auf Reitwegen dürfen Pferde geführt werden; e) wird bei Zeichen 239 durch Zusatzschild Fahrzeugverkehr zugelassen, so darf nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden; f) wird bei Zeichen 237 durch Zusatzschild anderer Fahr-

zeugverkehr zugelassen, so darf nur mit mäßiger Geschwindigkeit gefahren werden. (3) Markierungen

3. Fahrstreifenbegrenzung und Fahrbahnbegrenzung

Zeichen 295

Sie besteht aus einer durchgehenden Linie. a) Sie wird vor allem verwendet, um den für den Gegenverkehr bestimmten Teil der Fahrbahn oder mehrere Fahrstreifen für den gleichgerichteten Verkehr zu begrenzen. “Die Fahrstreifenbegrenzung kann aus einer Doppellinie bestehen. Sie ordnen an: Fahrzeuge dürfen sie nicht überqueren oder über ihnen fahren. *Begrenzen sie den Fahrbahnteil für den Gegenverkehr, so ordnen sie weiter an: Es ist rechts von ihnen zu fah-

ren.

Parken (§ 12 Abs. 2) auf der Fahrbahn ist nur erlaubt, wenn zwi-

schen dem parkenden Fahrzeug und der Linie ein Fahrstreifen von mindestens 3 m verbleibt.

248

Gesetzestexte

4. Einseitige Fahrstreifenbegrenzung Zeichen 296

Sie besteht aus einer durchgehenden neben einer unterbrochenen Linie. Fiir Fahrzeuge auf dem Fahrstreifen A ordnet die Markierung an: a) Der Fahrverkehr darf die durchgehende Linie nicht überqueren oder über ihr fahren. b) Parken ($ 12 Abs. 2) auf der Fahrbahn ist nur erlaubt,

wenn zwischen dem parkenden Fahrzeug und der durchgehenden Linie ein Fahrstreifen von mindestens 3 m verbleibt. Fahrzeuge auf dem Fahrstreifen B dürfen die Markierung überfahren, wenn der Verkehr dadurch nicht gefährdet wird. UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) S5 UWG Irreführende Werbung (5) Es ist irreführend, für eine Ware zu werben, die unter

Berücksichtigung der Art der Ware sowie der Gestaltung und Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten ist. Ange-

messen ist im Regelfall ein Vorrat für zwei Tage, es sei denn, der

Unternehmer weist Gründe nach, die eine geringere Bevorratung rechtfertigen. Satz 1 gilt entsprechend für die Werbung für eine Dienstleistung.

Gesetzestexte 249 Verordnung

(EWG)

Nr.

1677/88

der Kommission

vom

15. Juni 1988 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für

Gurken

I. Begriffsbestimmung Diese Norm gilt fiir Gurken der aus »Cucumis sativus L.« hervorgegangenen Anbausorten zur Lieferung in frischem Zustand an den Verbraucher. Gurken fiir die industrielle Verarbeitung und Einlegegurken (Cornichons) fallen nicht darunter.

II. Bestimmungen betreffend die Giiteeigenschaften Die Norm bestimmt die Giiteeigenschaften, die die Gurken nach Aufbereitung und Verpackung aufweisen miissen. B. Klasseneinteilung Gurken werden in vier nachstehend definierten Klassen eingeteilt: i) Klasse Extra Gurken diese Klasse müssen von höchster Qualität sein und

müssen alle sortentypischen Merkmale aufweisen. Sie müssen: - gut entwickelt sein, — gut geformt und praktisch gerade sein (maximale Krümmung: 10 mm auf 10 cm Länge der Gurke), - eine für die Sorte typische Färbung haben, —

frei von Fehlern sein, einschließlich aller Formfehler, insbe-

sondere solcher, die auf die Samenentwicklung zurückzuführen sind. ii) Klasse I

Gurken dieser Klasse müssen von guter Qualität sein. Sie müssen: — genügend entwickelt sein, | - ziemlich gut geformt und praktisch gerade sein (maximale Krümmung: 10 mm auf 10 cm Länge der Gurke).

250

Gesetzestexte

Sie dürfen folgende Fehler aufweisen: einen leichten Formfehler, der jedoch nicht auf die Samen-

entwicklung zurückzuführen sein darf, eine geringe Abweichung in der Färbung, insbesondere eine hellere Färbung des Teils der Gurke, der während des Wachstums mit dem Boden in Berührung war, leichte Schalenfehler, die auf Reibung, Hantierung oder niedrige Temperaturen zurückzuführen sind, sofern sie vernarbt sind und die Haltbarkeit des Erzeugnisses nicht beeinträchtigen. iti) Klasse II

Zu dieser Klasse gehören Gurken, die nicht in die höheren Klassen eingestuft werden können, die aber den vorstehend definierten Mindesteigenschaften entsprechen. Sie dürfen jedoch folgende Fehler aufweisen: Formfehler, die nicht auf eine fortgeschrittene Samenentwicklung zurückzuführen sind, Farbfehler auf nicht mehr als einem Drittel der Oberfläche;

bei Gurken aus geschütztem Anbau sind starke Farbfehler jedoch nicht zulässig, vernarbte Risse,

leichte Schäden, die durch Reibung oder Hantierung entstanden sind, sofern sie die Haltbarkeit und das Aussehen

der Erzeugnisse nicht wesentlich beeinträchtigen. Gerade und leicht gebogene Gurken dürfen alle vorgenannten Fehler aufweisen. Krumme Gurken hingegen sind nur zulässig, wenn sie außer leichten Farbfehlern keine anderen Fehler sowie keine andere

Verformung als ihre Krümmung aufweisen. Leicht gebogene Gurken können eine maximale Krümmung von 20 mm auf 10 cm Länge der Gurke aufweisen. Krumme Gurken können eine größere Krümmung aufweisen, sie müssen getrennt aufgemacht werden.

Gesetzestexte 251 iv) Klasse III (1)

Zu dieser Klasse gehören Gurken, die nicht in die höheren Klassen eingestuft werden können, die aber den Eigenschaften der Klasse II entsprechen. Krumme Gurken, die wie in der Klasse II getrennt aufzumachen sind, dürfen jedoch alle Mängel aufweisen, die in der Klasse II für gerade und leicht gebogene Gurken zugelassen sind. VerpackV (Verpackungsverordnung) . §8 VerpackV

Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht für Einweggetränkeverpackungen

(1) Vertreiber, die Getränke in Einweggetränkeverpackungen

mit einem Füllvolumen von 0,1 Liter bis 3 Liter in Verkehr bringen, sind verpflichtet, von ihrem Abnehmer ein Pfand in

Höhe von mindestens 0,25 Euro einschließlich Umsatzsteuer je Verpackung zu erheben. Satz 1 gilt nicht für Verpackungen, die nicht im Geltungsbereich der Verordnung an Endverbraucher abgegeben werden. Das Pfand ist von jedem weiteren Vertreiber auf allen Handelsstufen bis zur Abgabe an den Endverbraucher zu erheben. Das Pfand ist jeweils bei Rücknahme der Verpackungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 und 6 sowie § 6 Abs. 2 Satz 1 zu erstatten. Ohne eine Riicknahme der Verpackungen darf das Pfand nicht erstattet werden. Beim Verkauf aus Automaten hat der Vertreiber die Rücknahme und Pfanderstattung durch geeignete Riickgabeméglichkeiten in zumutbarer Entfernung zu den Verkaufsautomaten zu gewährleisten. Bei Verpackungen, die nach Satz 1 der Pfandpflicht unterliegen, gilt an Stelle des § 6 Abs. 1 Satz 4, dass sich die Rücknahmepflicht nach $ 6

Abs. 1 Satz 1 auf Verpackungen der jeweiligen Materialarten Glas, Metalle, Papier/Pappe/Karton oder Kunststoffe einschließlich sämtlicher Verbundverpackungen mit diesen Haupt-

252

Gesetzestexte

materialien beschrankt, die der Vertreiber in Verkehr bringt. § 6 Abs. 1 Satz 9 und 10 gelten nicht fiir die in Satz 1 genannten Verpackungen. Im Rahmen der Verwertung nach Anhang I Nr. 1 Abs. 5 Satz 1 sind die zurückgenommenen Verpackungen vorrangig einer stofflichen Verwertung zuzuführen. WoVermG (Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung) § 2 WoVermG Entgeltanspruch, Vorschiisse

(1) Ein Anspruch auf Entgelt ftir die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume steht dem Wohnungsvermittler nur zu, wenn infolge seiner Vermittlung oder infolge seines Nachweises ein Mietvertrag zustande kommt. (2) Ein Anspruch nach Absatz 1 steht dem Wohnungsvermittler nicht zu, wenn

1. durch den Mietvertrag ein Mietverhältnis über dieselben Wohnräume fortgesetzt, verlängert oder erneuert wird, 2. der Mietvertrag über Wohnräume abgeschlossen wird, deren Eigentümer, Verwalter, Mieter oder Vermieter der Wohnungsvermittler ist, oder 3. der Mietvertrag über Wohnräume abgeschlossen wird, deren Eigentümer, Verwalter oder Vermieter eine juristische Person ist, an der der Wohnungsvermittler rechtlich oder wirtschaftlich beteiligt ist. ?Das Gleiche gilt, wenn eine natürliche oder juristische Person Eigentümer, Verwalter oder Vermieter von Wohnräumen ist und ihrerseits an einer juristischen Person, die sich als Wohnungsvermittler be-

tätigt, rechtlich oder wirtschaftlich beteiligt ist. (3) Ein Anspruch nach Absatz 1 steht dem Wohnungsvermitt-

ler gegenüber dem Wohnungssuchenden nicht zu, wenn der Mietvertrag über öffentlich geförderte Wohnungen oder über

Gesetzestexte 253

sonstige preisgebundene Wohnungen abgeschlossen wird, die nach dem 20. Juni 1948 bezugsfertig geworden sind oder bezugsfertig werden. Satz 1 gilt auch für die nach den $$ 88d und

88e des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder nach dem Wohnraumförderungsgesetz geförderten Wohnungen, solange das Belegungsrecht besteht. Das Gleiche gilt für die Vermittlung einzelner Wohnräume der in den Sätzen 1 und 2 genannten Wohnungen. (4) Vorschüsse dürfen nicht gefordert, vereinbart oder angenommen werden. (5) Eine abweichende Vereinbarung ist unwirksam. § 3 WoVermG Höhe des Entgelts, Auslagen

(1) Das Entgelt nach $ 2 Abs. 1 ist in einem Bruchteil oder

Vielfachen der Monatsmiete anzugeben. (2) Der Wohnungsvermittler darf vom Wohnungssuchenden für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume kein Entgelt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, das zwei Monats-

mieten zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer übersteigt. Im Falle einer Vereinbarung, durch die der Wohnungssuchende verpflichtet wird, ein vom Vermieter geschuldetes Vermittlungsentgelt zu zahlen, darf das vom Wohnungssuchenden insgesamt zu zahlende Entgelt den in Satz 1 bestimmten Betrag nicht übersteigen. Nebenkosten, über die gesondert abzurechnen ist, bleiben bei der Berechnung der Monatsmiete unberücksichtigt. (3) Außer dem Entgelt nach $ 2 Abs. 1 dürfen für Tätigkeiten,

die mit der Vermittlung oder dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume zusammenhängen, sowie für etwaige Nebenleistungen keine Vergütungen irgendwelcher Art, insbesondere keine Einschreibge. bühren, Schreibgebühren oder Auslagenerstattungen, vereinbart oder angenommen werden. Dies gilt nicht, soweit die nachge-

254

Gesetzestexte

wiesenen Auslagen eine Monatsmiete tibersteigen. Es kann jedoch vereinbart werden, dass bei Nichtzustandekommen eines

Mietvertrages die in Erfüllung des Auftrages nachweisbar entstandenen Auslagen zu erstatten sind. (4) Eine Vereinbarung, durch die der Auftraggeber sich im Zusammenhang mit dem Auftrag verpflichtet, Waren zu bezie-

hen oder Dienst- oder Werkleistungen in Anspruch zu nehmen, ist unwirksam. Die Wirksamkeit des Vermittlungsvertrags bleibt unberührt. Satz 1 gilt nicht, wenn die Verpflichtung die Übernahme von Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenständen des bisherigen Inhabers der Wohnräume zum Gegenstand hat. WRV (Weimarer Reichsverfassung) Artikel 109 III. Offentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben.

Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und diirfen nicht mehr verliehen werden.

ZPO (Zivilprozessordnung) §59ZPO Streitgenossenschaft bet Rechtsgemetnschaft oder Identität des Grundes

Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind.

Gesetzestexte 255

§ 60 ZPO

Streitgenossenschaft bei Gleichartigkeit der Ansprüche

Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige . und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. $ 147 ZPO

Prozessverbindung

Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. § 286 ZPO

Freie Beweiswürdigung

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Landesrecht

GastV Berlin (Gaststättenverordnung Berlin) § 4 GastV Berlin Toiletten (2) In Schank- und Speisewirtschaften müssen, soweit in Absatz 5 nichts Abweichendes bestimmt ist, mindestens vorhanden sein:

Schank-/Speiseraumfläche m? bis 50 über 50 bis 150 über 150 bis 300

Spültoiletten Stück 1 Spültoilette

2 Damen-, 1 Herren-, 2 PP-Becken 4 Damen-, 2 Herren-, 4 PP-Becken

darüber Festsetzung im Einzelfall

(4) Toiletten und PP-Becken müssen Wasserspülung haben; der

Einbau von PP-Becken, die aufgrund ihrer Konstruktion auf chemischer Grundlage ohne Wasserspülung funktionieren, ist zulässig. Die nach Absatz 2 notwendigen Toiletten dürfen nicht durch Münzautomaten oder ähnliche Einrichtungen versperrt oder nur gegen Entgelt zugänglich sein.

Landesrecht 257

GastV Hamburg (Gaststättenverordnung Hamburg) § 7 GastV Hamburg Abortanlage für Gäste

(1) In Schank- und Speisewirtschaften müssen folgende Abortanlagen vorhanden sein: Schank-/

für Frauen

für Männer

bis 50 über 50-100 über 100-1501! über 150-200)

ein Spülabort |2 1 2 2 3 2

3 3 4

Speiseraumfläche, m?

über 200

|Spülaborte |Spülaborte |Standbecken|od. Rinne Stück lfd. m

Festsetzung im Einzelfall

2 2,5 3

Bei Schank- und Speisewirtschaften mit einer Schank- oder Speiseraumfläche bis einschließlich 50 m? kann die nach Satz 1 bestehende Pflicht zur Einrichtung eines Spülaborts durch Gestattung der Mitbenutzung der Personaltoilette erfüllt werden, sofern nicht arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. (2) Aborte dürfen nicht ausnahmslos durch Münzautomaten

oder ähnliche Einrichtungen versperrt oder nur gegen Entgelt zugänglich sein. HV (Hessische Landesverfassung)

Artikel21 HV Gesetzliche Strafen

(1) Ist jemand einer strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, so können ihm auf Grund der Strafgesetze durch richterliches Urteil die Freiheit und die bürgerlichen Ehrenrechte

258

Landesrecht

entzogen oder beschrankt werden. Bei besonders schweren Verbrechen kann er zum Tode verurteilt werden. LImSchG NW (Landesimmissionsschutzgesetz NordrheinWestfalen) § 9 LImSchG NW Schutz der Nachtruhe " (1) Von 22 Uhr bis 6 Uhr sind Betätigungen verboten, welche

die Nachtruhe zu stören geeignet sind.

US-Recht

Federal Rules of Civil Procedure, Title 28 United States Code

Appendix

Rule 23. Class Actions (a) Prerequisites.

One or more members of a class may sue or be sued as representative parties on behalf of all members only if: (1) the class is so numerous that joinder of all members is impracticable, (2) there are questions of law or fact common to the class,

(3) the claims or defenses of the representative parties are typical of the claims or defenses of the class; and

(4) the representative parties will fairly and adequately protect the interests of the class. (b) Types of Class Actions.

A class action may be maintained if Rule 23 (a) is satisfied and if:

(1) prosecuting separate actions by or against individual class members would create a risk of: (A) inconsistent or varying adjudications with respect to individual class members that would establish incompatible standards of conduct for the party opposing the class; or (B) adjudications with respect to individual class members that, as a practical matter, would be dispositive of the inte-

rests of the other members not parties to the individual

260

US-Recht

adjudications or would substantially impair or impede their ability to protect their interests; (2) the party opposing the class has acted or refused to act on grounds that apply generally to the class, so that final injunctive relief or corresponding declaratory relief is appropriate respecting the class as a whole; or (3) the court finds that the questions of law or fact common to class members predominate over any questions affecting only individual members, and that a class action is superior to other available methods for fairly and efficiently adjudicating the controversy. The matters pertinent to these findings include: (A) the class members’ interests in individually controlling the prosecution or defense of separate actions; (B) the extent and nature of any litigation concerning the controversy already begun by or against class members;

(C) the desirability or undesirability of concentrating the litigation of the claims in the particular forum; and (D) the likely difficulties in managing a class action.

Dank Ich bedanke mich bei allen Lesern, die mit ihren zahlrei-

chen Hinweisen ganz wesentlich zum Entstehen dieses Buches beigetragen haben. _

www.hoecker.eu

H

O MARKEN-

C

K &

E

MEDIENRECHT

R

Dr. jur Ralf Hocker

Lexikon der Rechtsirrtumer Zechprellerei, Beamtenbeleidigung und andere juristische Volksmythen Originalausgabe ISBN 978-3-548-36659-3 www.ullstein-buchverlage.de

Manches von dem, was Volkes Stimme über Recht und Gesetz zu wissen meint, ist reiner Aberglaube. So gehört das Delikt der »Zechprellerei« ebenso ins Reich der Phantasie

wie

die vermeintliche

Pflicht,

immer

einen

Ausweis dabeihaben zu müssen. Und die Behauptung »Eltern haften für ihre Kinder« wird dadurch nicht richtiger, dass sie an jedem Baustellenzaun zu lesen ist. Ralf Höcker räumt auf mit den populärsten juristischen Legenden und stellt anhand vieler anschaulicher Beispiele die tatsächliche Rechtslage dar. »Ein ebenso lehrreiches wie amüsantes Buch.«

ullstein ba

US111

Bild am Sonntag

Dr. jur. Ralf Hocker

Neues Lexikon der Rechtsirrtumer - »Wer auffährt, hat schuld« und andere juristische Halbwahrheiten ISBN 978-3-548-36772-9 www.ullstein-buchverlage.de

Ralf Höckers zweites Lexikon der Rechtsirrtümer zeigt: Es gibt noch viel mehr weitverbreitete juristische Fehlannahmen,

als der Fachmann

sich träumen

lässt. Sei

es, dass manche sich von Schildern wie »Umtausch nur von original verpackter Ware« einschüchtern lassen oder dass man glaubt, man könne sich mit seinem Handtuch eine Liege am Hotelpool reservieren. In bewährter Manier rückt Höcker diese und viele andere rechtliche Missverständnisse zurecht.

»Wieder einmal bringt Ralf Höcker Licht in die entschei-

US179

denden Lagen des Lebens.« Süddeutsche Zeitung

Ralf Hécker - Carsten Brennecke

Lexikon der kuriosen

Rechtsfälle

Sextraining, Waldverbot und andere Absurditaten aus deutschen Gerichtssälen

ISBN 978-3-548-36929-7 www.ullstein-buchverlage.de

Es ist kaum

zu glauben,

mit welchen

Begehren

sich

deutsche Richter auseinandersetzen müssen. Zum Beispiel mit Klagen auf Durchsetzung einer Forderung von 66

Cent

oder

gegen

schnarchende

Sitznachbarn

im

Flugzeug. Bemerkenswert auch, zu welch kuriosen Urteilen sich Gerichte hinreißen lassen. So gilt es als Arbeitsunfall, wenn

man schlafend vom

Bürostuhl kippt.

Und wer im Wald zu laut ist, bekommt ein »Waldverbot« verordnet.

Bestsellerautor

Ralf

Höcker

und

Carsten

Brennecke beschreiben die spektakulärsten Auswüchse des deutschen

Klagewahnsinns

und die abstrusesten

ullstein =

US263

Urteile, die daraus resultieren.

Richard Smith Against the Law! Von einem, der auszog, die verrücktesten Gesetze der USA zu brechen

ISBN 978-3-548-36833-7 www.ullstein-buchverlage.de

In Pittsburgh ist es verboten, in einem Kühlschrank zu übernachten. In Alabama darf man keine Eistüte in der

Gesäßtasche stecken haben. Und in Atlanta landet man im Knast, wenn

man seine Giraffe an einer Straßenla-

terne anbindet ... Alles Humbug? Von wegen: Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wurden diese und viele andere

skurrile Gesetze

einst geschmiedet

- und

sie

gelten noch heute! Doch was passiert, wenn man sie brich? Richard Smith wagte das, was sich vor ihm keiner traute. Zwei Monate lang reiste der Brite todesmutig durch die USA, um seine

ullstein Re

US223

kriminelle Energie auszutoben.

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aBAS SPIEL „DERe|s

Einspruch - Das Spiel der Rechtsirrtümer, Bestseller-Büchern von Dr. Ralf Höcker

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7783548

369921

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