Das deutsche Arbeitsrecht: Band 2 Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne, Teil 2, Stück 1 [Reprint 2022 ed.] 9783112690789

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Das deutsche Arbeitsrecht: Band 2 Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne, Teil 2, Stück 1 [Reprint 2022 ed.]
 9783112690789

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne
Erstes Kapitel. Die Arbeit der Abhängigen und die Selbsthilfe
44. Die Arbeit der Abhängigen
45. 2. Die Entwicklung des abhängigen Arbeiterstandes in Deutschland
46. 3. Das Koalitionsrecht
47. 4. Die Verbände der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
48. 5. Der Arbeitskampf und seine Mittel
Zweites Kapitel. Die Arbeit der Abhängigen und die Staatshilfe
49. 1. Allgemeines
Erster Abschnitt. Die Arbeit der Abhängigen im bürgerlichen Rechte
50. 1. Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes für Abhängige

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Das deutsche

Arbeitsrecht Von

Dr. W. Silberschmidt Honorarprofessor an der Universität München, Geheimer Rat.

Zweiter Teil:

Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

1. Stück

1929 München, Berlin, Leipzig

Z. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier)

Druck von Dr. F. P. Datterer L Cie., Freismg-München

Inhalt. 2. Teil: Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne. 1. Stück.

Erstes Kapitel.

Die Arbeit der Abhängigen und die Selbsthilfe.

§ 44.

1. Die Arbeit der Abhängigen..........................................................

§ 45.

2. Die Entwicklung des abhängigen Arbeiterstandes in Deutschland

§ 46.

3. Das Koalitionsrecht....................................................................... 71

§ 47.

4. Die Verbände der Arbeitnehmer undArbeitgeber..................... 81

§ 48.

5. Der Arbeitskampf und seine Mittel............................................ 99

1

.

68

Zweites Kapitel. Die Arbeit der Abhängigen und die Staatshilfe. § 49.

1. Allgemeines..............................................................................................131

Erster Abschnitt: Die Arbeit der Abhängigen im bürgerlichen Recht. § 50.

1. Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes für Abhängige .

.

131

Vorwort. Innere und äußere Gründe haben die Fortsetzung der Arbeit verzögert.

Nunmehr soll sie alsbald im Anschluß an die zu er­

wartenden neuen Gesetze zu Ende geführt werden. Lehre und Recht­ sprechung ist tunlichst bis September 1929 berücksichtigt.

München, Oktober 1929.

Silberschmidt.

Das deutsche Arbeitsrecht Zweiter Teil.

Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne. Erstes Kapitel.

Die Arbeit der Abhängigen und die Selbsthilfe. § 44. Die Arbeit der Abhängigen. Wenn, wie wir sahen1), jede Arbeit den Willen des Arbeiters unter den des Arbeitgebers beugt, so gibt es eine Art von Arbeit, bei der diese Unterordnung besonders stark hervortritt, die Arbeit der Abhängigen?) oder die abhängige Arbeit, so daß, wie wir auch schon wissen, vielfach mir solche Arbeit als wirkliche Arbeit gewertet wird. I. Bevor wir nun daran gehen, diese abhängige Arbeit zu untersuchen, der wir innerhalb des Gebietes der Arbeit eine ganz besondere Bedeutung zuerkennen, sei es gestattet zurückzublicken und die allgemeine Einteilung nochmals zu überprüfen. Kann der Versuch, das Recht der abhängigen Arbeit als Sonder-Rechtsgebiet innerhalb eines weiteren Arbeitsrechts auszubauen, als geglückt be­ trachtet werden? Freilich 1. sind auch wir davon ausgegangen 3), daß das neue deutsche Arbeitsrecht an die deutsche Sozialpolitik anknüpfte, daß deshalb die Selbsthilfe der Arbeiter (Koalitionsrecht und Tarifverträge), Arbeitsschutz und Arbeitsversicherung, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenfürsorge sowie die neugeschaffene, auf den Betrieben *) Oben Bd. I S. 18 f. *) Oben Bd. I S. 39f., 49f., vgl. jetzt Silberschmidt, „Die abhängige Arbeit im Lichte der neuesten Forschung" in LZ. (I) 1927 S. 286 f. und Silberschmidt, Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen, LZ. (II) 1928 S. 1505f., während der Korrektur erschienen: Molitor, Arbeitnehmer und Betrieb. Zugleich ein Beitrag zur einheitlichen Grundlegung des Arbeitsrechts (Arbeiten zum Handels-, Gewerbe- und Landwirtschaftsrecht Nr. 53) 1929 — M. 29. ’) Oben Bd. I S. 39 f., LZ. I, a. a. O. S. 287 f. Silberschmidt, Tas deutsche Arbeitsrecht. II. Teil. 1

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

aufgebaute, Arbeitsverfassung zumal nach dem Umstürze von der abhängigen Arbeit ausgingen, die deshalb Kaskel**) Program­ matisch mit der ratio der „Sozialen Frage" verknüpfen konnte; ihm und der herrschenden Meinung, insbesondere den Gewerkschaften, ist das Arbeitsrecht das Sonderrecht des Fabrikarbeiters und dann aller der Berufsstände, die berufsmäßig auf Grund von Arbeitsver­ trägen Lohnarbeit als die besonders abhängige Arbeit verrichten. Aber a) daß die Sozialpolitik wechseln müsse, daß ihr Gegenstand die jeweils schutzbedürftigen Klassen fein müssen, ist von Anfang an vertreten?) worden und heute nahezu Gemeingut ^). Zusammen­ fassend hat Pribram „Die Wandlungen des Begriffs der Sozial­ politik" in der Festgabe für Lujo Brentano zum 80. Geburtstag ")■ «besprochen; b) Die Geistesverfassung der Arbeiter selbst hat sich mit Verbesserung iher Lage geändert^). Sie sehen selbst ein, daß sie nicht mehr der einheitliche Proletarierstand sind, wie ihn Karl Marx unter andern Verhältnissen betrachtete. „Ihr Blick wird frei für eine Erfassung der differenten Vielgestaltigkeit sozialen Lebens. Die fiktiven gegensätzlichen Vereinheitlichungen halten vor der Wirk­ lichkeit nicht mehr stand." Wechseln hienach schon in Deutschland in verhältnismäßig kurzer Zeit die vom Staate zu schützenden Volks­ klassen, sind jetzt schon an Stelle der Arbeiter und Angestellten, die in ihrer großen Mehrzahl nicht mehr als Proletarier zu betrachten sind, andere Bevölkerungsklassen, vor allem eine große Anzahl gei­ stiger Arbeiter, Angehörige des Mittelstandes, Störarbeiter, Haus­ industrielle als besonders schutzbedürftig getreten, so kann um so weniger eine für alle Zeiten und Orte bestimmte Wissenschaft, wie das Arbeitsrecht, in ihrer Begriffsbestimmung auf die in einem be­ stimmten Zeitpunkte gerade in Deutschland oder an Orten mit ähn­ licher Entwicklung eingetretene Wertung der abhängigen Arbeit ab­ gestellt werden. *) ArbeitsR? S. 2 und vorher, 1918, in DIZ. S. 541. $) v. Zwiedineck-Südenhorst, Sozialpolitik 1911 S. 38. •) Derselbe in Schmollers Jahrb. Bd. 47 S. 114. Herkner ebenda Bd.48S.208, Amonn ebendaS. 156,Albrecht in Conr.Jahrb.Bd. 128S. 181 f. *) „Die Wirtschaftswissenschaft nach dem Kriege" Bd. 2 S. 223 f., ebenda ähnlich auch Ad. Weber Bd. 1 S. 23. °) Johannes Gerhardt, Arbeitsrationalisierung und persönliche Ab­ hängigkeit 1925 S. 102.

§ 44. Die Arbeit der Abhängigen.

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c) Das Arbeitsrecht als Ganzes ist aber überhaupt nicht das Recht einer bestiminten Gruppe oder Klasse und auch nicht mehrerer solcher Gruppen oder Klassen, es ist weder ein Arbeiter- noch ein Arbeitnehmer- oder ein Berufs-Recht. Der Versuch von Gör'rig4* ),* * das Arbeitsrecht in Rechte des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers auseinander zu ziehen, hat gezeigt, einmal, daß sehr erhebliche Rechte des Arbeitgebers vorhanden sind, dann aber vor allem, daß eine solche Teilung gar nicht möglich ist, weil im einheitlichen Arbeitsrecht die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien untrenn­ bar ineinandergreifen. Gerade Kaskel?) weist darauf hin, daß bei Behandlung des Einzelfalls 3) die durch die Sonderinteressen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründete subjektive Einstellung ausgeschaltet werden muß, wenn nicht das ArbR. in ein solches für Arbeitgeber und Arbeitnehmer auseinauderfallen soll, und preist diese Ausschaltung als wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritt. Schon deshalb kann das Arbeitsrocht nicht ein Recht des Berufs­ standes dec Arbeitnehmer fein4) und es kann nicht ein Arbeits­ gesetzbuch für den Arbeitnehmer neben dem BGB. für den Bürger oder Arbeitgeber bestehen^)?

d) Wenn trotzdem für das Wesen des Arbeitsvertrages der Schutz der Schwachen eine bedeutende Rolle spielt, so erklärt sich dies damit, daß mit Recht schon von Sotmar6) die Arbeitsleistung als notwendig persönliche Tätigkeit gattungsmäßig höher bewertet wurde wie jede Vermögensleistung und ebenso mit Recht von P o t t 1)0ff7) das Vorrecht des lebendigen Menschen vor allen Gütern der Erde festgestellt wurde. Sobald und soweit sich daher im Arbeitsrecht ein Mißverhältnis zwischen dem kapitalkräftigen Arbeit­ geber und und dem Arbeitnehmer und damit eine Bedrückung des letzteren herausstellte, mußte es eine der Hauptaufgaben des Staates sein, dem entgegenzuwirken, die Arbeitsleistung zu sichern und vor ') Das Arbeitsrecht des neuen Deutschland, 1. Buch: Die Rechte des Arbeit­ nehmers. 1919, 2. Buch: Die Rechte des Arbeitgebers. 1920.

*) Rechtsfälle aus dem ArbeitsR. 2. Aufl. 1926 S. 55. •) Die besonderen

Interessen

um Verstärkung oder Abschwächung des

Schutzes werden an den Gesetzgeber verwiesen. *) Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts 1927 S. 41 f.

6) Ebenda A. 16 und Silberschmidt im IW. 1923 S. 22f. e) A. a. O. Bd. I S. 2f. ’) Probleme des ArbRs. 1912 S. 60 f.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

unzulässiger Beeinflussung zu schützen. Aber hinwiederum jede Arbeitsleistung, die sich als wirkliche Arbeitsleistung für andere dar­ stellt, nicht nur die der eigentlichen Arbeiter und derjenigen, welche die Stellung an ihrer Seite sich errungen haben. 2. So mußten wir die Frage nach Wesen und Inhalt des Arbeits­ rechts von Anfang an zwar dahin beantworten, daß Gegenstand des Arbeitsrechts die Leistung von Arbeit, das Vorliegen des Arbeits­ tatbestands, fei1),2 *es* mußte aber gleichzeitig der Begriff der „Arbeit im Sinne des Arbeitsrechts" begrenzt werden. Wenn nun bei der Be­ urteilung des ersten Bandes mehrfach davon die Rede ist, es handle sich um „einen Rückschritt zur Theorie Lotmars und über sie hin­ aus" 2), oder das Wort „Arbeitsvertrag" werde im Sinne von Lotmar gebraucht 3), so darf doch an folgendes erinnert werden, gerade weil es für die hier zu erörternde Theorie der abhängigen Arbeit von grundlegender Bedeutung ist. Auszugehen war nicht von Lotmar, sondern, wenn man den Begriff der Arbeit in den Mittelpunkt des Arbeitsrechts stellen wollte, von Endemanns ausgezeichneter Schrift „Die Behandlung der Arbeit im Privatrecht" und seinem Grundsatz: „Arbeit ist überall, wo Anwendung menschlicher Kräfte irgendwelcher Art für die soziale Existenz wirksam wird"1). Den Weg totes5) schon bei den ersten Versuchen das Buch von Budde, Energie und Recht, eine physikalisch-juristische Studie, 1902, zu dem naturwissenschaftlichen Energiebegriff, den dann ebenso Speng­ ler und Richter, Molitor und Ni lisch, wie die Reichsverfas­ sung in Art. 157 und jetzt Jacobi6) zur Grundlage genommen haben. Dabei erhob sich von Anfang an die große Frage: Was ist Arbeit im Sinne des Arbeitsrechts? Und von Anfang an mußte hier der viel zu weit gesteckte Arbeitsbegriff Lotmars bekämpft werden und ist von Anfang an bekämpft worden, da sich die Arbeit des Kommissionärs, Spediteurs, des Arztes, des Theaterunterneh­ mers niemals unter den Arbeitsbegriff bringen ließ, ohne ihn zu ’) Vgl. Jacobi a. a. O. S. 43 f. 2) Nipperdey in NZ. f. ArbR. 1923 S. 550 und 1927 S. 41. ’) Potthoff im „Arbeitsrecht" Bd. 14 S. 182; gegen die dort besprochene Auffassung Lotmars vom Lehrverhältnis oben Bd. I S. 82. *) Vgl. oben Bd. I S. 7, 39, dazu Krit. Vjschr. Bd. 52 S. 113, aber schon Arbeitsrecht Bd. 7 (1920) S. 70 f. *) Am letzgenannten Orte S. 71. e) Grundlehren S. 43 Anm. 24 und 25 und meine dort angeführten Arbeiten.

§ 44. Die Arbeit der Abhängigen

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sprengen i). Die Gleichstellung der wirtschaftlichen und der rechtlichen Grundformen, wie sie Lotmar vornimmt, erklärte ich schon da­ mals, „geht davon aus, daß beim Austausch von Arbeit gegen Entgelt, sei es von Arbeit schlechthin oder von Arbeitsergebnissen, die beiden Teile sich auf der Stufe wirklicher beiderseitiger Frei­ heit gegenüberstehen, wie etwa bei den Verträgen der Lohnindustrie. Den Gegensatz zu dieser Freiheit bildet das Rechtsverhältnis, bei dem der Arbeitnehmer sich in eine dauernde, persönliche Ab­ hängigkeit vom Arbeitgeber, oft verbunden mit dem Eintritt in dessen Haushalt als dienende Person, begeben muß. Dieser Unter­ werfungsvertrag (schon damals gesperrt) kann sowohl mit einer Entlohnung nach Zeit wie mit einer solchen nach dem Arbeitsergebnis verbunden sein, er selbst ist mehr als nur ein Arbeitsvertrag und enthält den letzteren in sich. Deshalb hat das Recht Veranlassung, diesen Unterwerfungsvertrag besonders zu regeln"2). So.habe ich von Anfang an, im Gegensatze zu Lotmar, die Arbeit für audere stets, aber auch nur mit der Begren­ zung als Gegenstand des Arbeitsrechts behandelt, daß wirklich ein Unterwerfungsvertrag vorliegt, weil sonst kein Vertrag über Arbeit, d. h. Leistung von Kraft vorliegt. Einen solchen Unterwerfungsver­ trag können aber auch Handwerker, Störarbeiter ufto.3), müssen nicht nur Arbeiter und Angestellte schließen. Im Gegensatze zu Lotmar habe ich auch schon damals eine Ergänzung des Arbeitsvertrags stets entweder nach Dienstvertrags- oder nach Werkvertragsrecht gefor­ dert^), allerdings aber auch darauf hingewiesen, daß „unter den Kom­ missionären, Maklern, Agenten und Kommissionsagenten sich sehr viele befinden, die dem Handlungsgehilfen sehr nahe stehen und der Wohltat des Gesetzes bedürfen" 5). In einer der „Arbeit als Gegen­ stand des Arbeitsrechtes" gewidmeten Untersuchung3) habe ich dies *) Vgl. Silberschmidt im Arbeitsrecht Bd. 7 S. 74, vgl. jetzt auch Silberschmidt, Artikel: »Arbeitsrecht energetisch' in Gieses Handwörterbuch der Arbeitswissenschaft Bd. I (1928) S. 364 f. und «Handelsrecht und Arbeitsrecht' ebenda S. 2319 sowie LZ. II S. 1507 f. 8) Silberschmidt im ArbR. Bd. 7 S. 74. Vgl. jetzt Molitor 29 S. 16f. in mehr tatsächlicher Begründung. •) Silberschmidt in Recht und Wirtschaft Bd. X (1921) S. 239s. und im Arch. f. R. u. WPh. Bd. XV (1922) S. 408 f. 4) ArbR. Bd. 7 S. 75. °) Arbeitsrecht Bd. 8 (1921) S. 46 b. •) RArbBl. N. F. Bd. II (1921) RAT. S. 704.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

alles näher ausgeführt und dahin zusammengefaßt: „Lotmar hat zunächst das Gebiet des Arbeitsvertrags zu weit gespannt, indem er sich mit dem Namen des Vertrags begnügte und nicht fragte, ob stets Leistung von Arbeit d. h. Kraft zugesagt war; dann hat er wieder die Anwendung der Grundsätze des wirklichen Arbeitsvertrags zu sehr eingeengt, indem er gerade für diese strittigen Typen die Ergänzung durch die Bestimmungen des Arbeitsvertrags ablehnte." Bei Beant­ wortung der Frage: Wann ist Leistung von Kraft zugesagt? habe ich die Fälle ausgeschieden, in denen Unternehmertätigkeit, insbes. Kauf­ mannstätigkeit, Kauf oder ein Handelsgeschäft (z. B. des Verlegers, Kommissionärs, Eisenbahn-, Schiffs-Unternehmers, Maklers, SpediteursH vorliegt, nur daß ich, hierin verschieden von Potthoff, auch das Arbeitsgeschäft des selbständigen Handwerkers, soweit er nicht Kaufmann ist, dem Arbeitsrecht einfügte und zeitweise — hier habe ich geschwankt — auch den kleinen Unternehmer, soweit er nicht Kauf­ mann ist, wie er in der Hauptsache dem sozialen Versicherungsrecht unterstellt wird, so auch dem Arbeitsrecht unterwerfen wollte 2). Da­ gegen mußte dem Arbeitsrecht die Berufstätigkeit3) des Arztes, Rechtsanwalts, Architekten, Ingenieurs usw., kurz die Tätigkeit in den freien und erst recht in den der reinen Wissenschaft oder reinen Kunst gewidmeten freien Berufen und im Beamtentum, entzogen wer­ den, weil auch hier nicht, jedenfalls in erster Linie nicht, Leistung voll Kraft einem andern gegen Entgelt zugesagt wird, sondern weil hier jemand zur Erreichung höherer Ziele berufen ist oder sich be­ rufen fühlt, wobei die Leistung von Kraft mit in Frage kommen kann und von der Berufspflicht umfaßt und aufgesogen wird. Potthoff will in einem künftigen Jdealzustand auch das traditionelle Arbeits­ verhältnis viel „beamtenmäßiger gestalten"; dann würde es eben­ falls dem Arbeitsrecht entgleiten. Andererseits erkennt Siuzhei‘) Ähnlich auch Potthoff im ArbR. Bd. 7 S. 169 und „Recht und Wirtschaft" Bd. 9 S. 190 f. *) Vgl. „Der Geltungsbericht des künftigen ArbGB." in „Recht und Wirt­ schaft" Bd. 10 (1921) S. 239 s. und „Grundlegung des Arbeitsrechtes" im Arch. f. R. u. W. PH. Bd. 15 (1921/22) S. 404 f., 411. Jetzt besonders die Artikel „Arbeit energetisch", „Handelsrecht und Arbeitsrecht", „Jndustrierecht und ArbR." in Giese, Handwb. d. ArbWiss. Bd. I (1928) S. 364 f., 2319 f„ 2445 f. und unten 51 f., 66. •) Vgl. Silberschmidt bei Giese Handwörterbuch d. ArbWiss. Bd. I S. 368 und „Beruf und Gewerbe" in den „Volkswirtschaftlichen Blättern" 1928, S. 60, Kaskel, BeamtenR. u. ArbR. 1926 S.6. Vgl. auch Jacobi S.41, Potth0ff im ArbR. Bd. 13S. 833, Sinzheimer, Grundzüge desArbR. 1927, 2.Aufl. S. 80.

§ 44. Die Arbeit der Abhängigen.

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mer in der neuen Auflage seiner „Grundzüge" an, daß das geltende Recht die Arbeit der Beamten nicht unter das Arbeitsrecht fallen läßt, will aber an sich den Arbeiter dem Beamten schon jetzt in obiger Hinsicht gleichstellen, weil auch der Beamte nur die besonderen Pflich­ ten seiner Zuständigkeit habe. Das mag häufig richtig sein, aber die allgemeine Einstellung des Beamten gegenüber dem Staat ist, jeden­ falls z. Zt., eine andere als die des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber. Das hat Potthoff richtiger gesehen und wenn Sinzheimer Recht hätte, würde ein solcher Arbeitnehmer keines Arbeitsrechts im Sinz­ heim erschen Sinne bedürfen. Der staatliche Arbeiter, der noch ein solches Recht braucht, ist eben gerade kein Beamter'). Dafür, daß auch die nicht abhängige Arbeit in einem gewissen Umfang Gegenstand des Arbeitsrechts sein kann, treten heute auch Jacobi, Mo­ litor, Engländer, Nikisch und andere ein. Gerade zur Abgren­ zung von der abhängigen Arbeit ist es wichtig, diese Grenzen zu ziehen. Sie ist oft eine tatsächliche wie beim Agenten und Stnndenbuchhalter, die häufig dann in Wahrheit Handlungsgehilfen-) sind, bald nach der Verkehrsauffassung wechselnd; so die Wäscherin und Näherin auf Stör gegenüber Störschneider, aber auch der Haus­ gewerbetreibende, die bald selbständig, bald abhängig, mit Zwischen­ stufen zwischen beiden, aufgefaßt werdens). Überwiegend grundsätzlich ist die Frage, ob der nicht kaufmännische Handwerker, der keine Stoffe oder nur Hilfsstoffe anschafft, ja selbst der Handwerker als Minder­ kaufmann stets als Unternehmer dem Arbeitsrecht entzogen ist. Die Frage, auf die zurückzukommen sein wird, dürfte zu verneinen sein, so sehr es in der Regel als Kennzeichen des Arbeitsrechts betrachtet werden muß, daß der Arbeitende nicht selbst Unternehmer und ins­ besondere Kaufmann ist4* ).* *Aber diese Regel muß eine Ausnahme er­ fahren, soweit der Handwerker ähnlich wie ein Abhängiger zu be­ trachten ist oder einzelnen andern ausschließlich seine Arbeitskraft widmet oder tatsächlich wirtschaftlich abhängig, z. B. in den Betrieb eingegliedert ist. Eine gewisse Rolle spielt dabei auch die Frage, ob und wann der handwerkliche Großbetrieb das Merkmal des hand­ werklichen Betriebssystems verliert und kaufmännischer Betrieb wird4). ’) Vgl. jetzt LZ. II S. 1515. a) Vgl. oben Bd. I S. 303 und ReichsFinH. in NZfArbR. 1927 S. 125. ') Vgl. jetzt ArbGG. vom 23. Dez. 1926 § 5. 4) Vgl. meine Besprechung in HansGZArbR. 1925 S.259 und dazu ebenda 1926 S. 153 sowie 192 und 1927 S. 8.

Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

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Gehört aber der Flickschneider, der allerdings jedermann seine Dienste anbietet, der beim Weinhändler arbeitende Küfer im gleichen Falle ins Arbeitsrecht oder nicht? Hier ist der Punkt, wo auch die herr­ schende Meinung Einräumungen machen mußte, wo auch SinzI) eint er von „Ausstrahlungen des Arbeitsrechts" spricht, wenn es auf Personen angewandt wird, die nicht Arbeitnehmer im Sinne der herrschenden Meinung sind. Hier hat auch die Gesetzgebung nach­ gegeben, indem im § 5 des ArbGG. den Arbeitnehmern Personen gleichgestellt wurden, die, ohne in einem Arbeitsvertragsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter anderer Per­ sonen Arbeit leisten (Hausgewerbetreibende und sonstige arbeitnehmer­ ähnliche Personen) und zwar auch dann, wennj sie Roh- oder Hilfs­ stoffe selbst beschaffen. Hierdurch ist, durch eine Art Ventil, die Mög­ lichkeit geboten, den Kreis der als Arbeitnehmer in Betracht kommen­ den Personen zu erweitern und es ist bezeichnend, daß Kaskel s) den Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person für unbrauchbar erklärt und aus §511 schließen will, daß der Begriff möglichst eng aus­ zulegen und auf das im Gesetz ausdrücklich genannte Beispiel des Zwischenmeisters zu beschränken ist. Im Gegenteil wird man sehr froh sein, weiter in Verhältnissen helfen zu können, die der Arbeits­ gerichtsbarkeit bedürfens. Die Agenten, die Kaskel und die Kom­ mentare von Baumbach Ziff. 6, Held-Lieb-Gift Ziff. 8 und andere als solche hieher beziehen, sind, wenn sie Handlungsgehilfen sind, Arbeitnehmer, wenn sie Kaufleute sind, selbständig und nur die Zwischenstufen können hieher gerechnet werden. Ebenso etwa Zeit­ schriftenausträger (NZfArbR. 1927 S. 125), Reporter, Floßmeister usw. (vgl. Dersch-Volkmar, Kommentar Ziff. 6d)^). Das für die Arbeitnehmerähnlichkeit Entscheidende ist, daß diese Personen, wenn sie auch nicht in einem Arbeitsvertragsverhältnisse stehen, doch für Rechnung bestimmter anderer Personen Arbeit leisten. Ausschlag­ gebend ist dabei der Zeitpunkt der Arbeitsleistung, nicht des Anbietens der Arbeit. Wenn auf Vorrat gearbeitet wird, liegt daher Unternehmung vor. Die Arbeitsleistung muß, bei Hausgewerbetreibenden wie bei den andern arbeitnehmerähnlichen Personen, für Rechnung bestimmter einzelner, wenn auch verschie*) ’) ») 4)

Vgl. Grundzüge 1. Aufl. S. 13. Kaskel, Die neue Arbeitsgerichtsbarkeit 1927 S. 24 u. ArbR? S. 337. So auch Erdel in ZBH. 1928 S. 90 und RAG. Rspr. 1929 Nr. 103. Näheres vgl. unten S. 51 f.

§44. Die Arbeit der Whängigen.

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bettet Abnehmer erfolgen1).* 3 Vgl. 4 * * *jetzt Silberschmidt, Arbeit­ nehmer-ähnliche Personen im ZBH. 1928 S. 4 und LZ. II S. 1515s. Sinzheimer sagte in der 1. Auflage?) seiner Grundzüge mit vollem Rechte, daß die moderne Gesetzgebung diese Eriveiterung des Arbeitsrechts begünstige. „Folgt ihr die weitere Ent­ wicklung, so kann es dazu kommen, daß das Arbeitsrecht seine bisherigeit begrifflichen Grenzen sprengt und zum Rechte Aller wird, die auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft in irgendeiner Form rechtlicher Verpflichtung angewiesen sind." Und in der 2. Auflage8) heißt es noch bestimmter: „Die Beschränkung des Arbeitsrechts auf die Beziehungen der Arbeitnehmer schließt keineswegs aus, daß in der weiteren Entwicklung der Gesetzgebung ein allgemeines Arbeitsrecht entsteht, welches die Arbeitsleistung als solche von der Sachleistung sondert und allgemeinen Regeln unterwirft." Noch viel mehr ist es aber dann die Sache der Wissenschaft, eine solche Sonderung vor­ zunehmen und nichts anderes beabsichtigen diejenigen, welche das Arbeitsrecht auf den sachlichen Begriff der Arbeit zurückführen. Und dazu erklärt Sinzheimer weiter, daß durch die Absonderung der Arbeitsleistung von der Sachleistung der besondere Charakter des Arbeitsrechts nicht aufgehoben, sondern nur einem größeren Ganzen als ein selbständiger Teil eingegliedert werde, was Potthoff1) früher schon als unbedenklich erklärt hat. Wenn Hueck8) neuer­ dings es für theoretisch „naturgemäß denkbar" erklärt, alle auf die menschliche Arbeitsleistung bezüglichen Rechtsregeln zu einer Sonder­ disziplin zusammenzufassen und nur bezweifelt, ob sich für alle in Betracht kommenden Tatbestände genügend gleichartige und zugleich eigenartige Rechtsregeln aufstellen lassen, um eine Sonderdarstelluttg zweckmäßig erscheinen zu lassen und ob das rechtspolitisch zu erstrebend sei, so dürfte der erste Zweifel durch die Darstellung schon bei Hueckb) und OertmannZ gelöst sein, der zweite Zweifel aber, der auch auf den ersten einwirkt, ist dadurch gegenstandslos, daß ') Silberschmidt bei Giese a. a. O. S. 369f. und in »Beruf und Ge­ werbe" in den »Volkswirtschaftlichen Blättern" 1927 S. 69. *) S. 14 und meine Besprechung im ArchsR. u. WPh. 1928 S. 146. 3) S. 5 A. 2. 4) Vgl. oben Bd. I S. 50, unten S. 12. *) Hueck-Ripperdey Bd. 1 S. 2. •) Arbeitsvertragsrecht und bei Hueck-Nipperdey Bd. I. ’) Arbeitsvertragsrecht, wo ebenfalls S. 8 engeres und weiteres Arbeits­ vertragsrecht unterschieden wird. Vgl. oben Bd. I §§ 5—8.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

auch hier wieder zur Begründung nur auf die Schwächen des Lot­ marschen Werkes Bezug genommen wird. Wenn aberNipperdey*) diesen allgemeinen Arbeitsbegriff „blutleer" findet, wenn er nicht einsehen kann, ob und warum die Einreihung unter den handelsrecht­ lichen Kaufmannsbegriff vom Arbeitsrecht ausschließen soll, ob andererseits etwa der Arbeitsnachweis einem selbständigen Schuh­ macher Abnehmer für das Schuhbesohlen vermittle, ob wir endlich „um des Rechts der Handwerker willen den wohlfundierten herrschen­ den Arbeitsrechtsbegriff preisgeben sollen", so ist darauf folgendes zu erwidern. Die kaufmännischen Agenten, Kommissionäre usw. sind auch nach der Ansicht Nipperdeys Unternehmer und deshalb, fer­ ner weil sie positiv-rechtlich dem Handelsrecht einverleibt sind, vom Arbeitsrecht zu trennen. Auf die zweite Frage möge die Reichs­ arbeitsverwaltung Antwort geben. Ihr Bescheid vom 23. Febr. 1926 besagt: Die Frage, ob der öffentliche Arbeitsnachweis auch Vermitt­ lungen in „selbständigen" Arbeiten vornehmen kann, findet int Ar­ beitsnachweisgesetz keine eindeutige Beantwortung. Nach § 2 Arb.NWG. erscheint als eigentliche Aufgabe der öffentlichen Arbeitsnach­ weise die Vermittlung von Arbeitern und Angestellten. Damit ist indessen nicht jede Vermittlungstätigkeit des Arbeits­ nachweises, die hierüber hinausgeht, schlechthin un­ tersagt. Schon die Schwierigkeiten der Abgrenzung zwi­ schen selbständiger und unselbständiger Arbeit im einzelnen Falle werden cs mit sich bringen, daß der Arbeitsnachweis sich nicht im­ mer auf eine Vermittlung in reine Arbeiter- oder Angestelltenverhältnissc beschränken kann. Aber auch im übrigen werden sich die Bedürfnisse der Praxis in gleicher Richtung auswirken 3)... Indessen sollen solche Maßnahmen eines Arbeitsmarktsausgleichs im wei­ teren Sinne mehr gelegentlichen Charakter tragen..." Die RArb.Verw. hat hier also selbst auch den Begriff des Arbeitsmarktaus-

*) NZfArbR. 1926 S. 41 f. Vgl. dazu jetzt Silberschmidt in LZ. II S. 1511 und die unter Nipperdeys Referat entstandene Kölner Dissertation von Huppert, Der Begriff des Arbeitgebers 1928 S. 44. ') RArbBl. S. 94, NZfArbR. 1927 S. 58. ’) Als Beispiel wird angeführt, daß eine Arbeitskraft für eine Tätigkeit angesordert wird, die sonst nur von selbständigen Gewerbetreibenden ausgeübt wird oder in denen etwa für einen bisher selbständigen Arbeitssuchenden der Nachweis einer selbständigen Arbeitstätigkeit zweckmäßiger und nach Lage des Einzelfalls auch möglich erscheint.

§44. Die Arbeit der Abhängigen.

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gleichs im weiteren Sinne (von ihr gesperrt gedruckt) geprägt. Und was nun 3. die letzte Frage betrifft, ob man um des Rechts der Hand­ werker willen den „wohlfundierten herrschenden Arbeitsrechtsbe­ griff" Preisgeben solle, so führt sie tatsächlich in den Mittelpunkt der Streitfrage. Die Vertreter der bis dahin herrschenden Richtung kämpfen um Kleinigkeiten, sie legen sich aber die Hauptfrage nicht vor, ob es angeht und warum es nicht angeht, die abhän­ gige Arbeit allein zum Gegenstände der Wissenschaft des Arbeitsrechts zu machen. Die Antwort ist aber die, daß eine begriffliche Scheidung des abhängigen Arbeitsrechts und der ab­ hängigen Arbeit vom Arbeitsrecht und von der Arbeit als solchen nicht möglich ist, weil das Merkmal, welches die herrschende Mei­ nung zur Begriffsbildung verwendet, die Unterwer­ fung des Arbeitenden unter den Willen des Auftrag­ gebers, in jeder Arbeit und damit schon im Begriffe der Arbeit vorhanden**), bei der sog. abhängigen Arbeit aber nur unter besonderen Verhältnissen in einem besonderen Maße ausgebildet ist, wie noch zu zeigen sein wird. Es fehlt daher einer Wissenschaft nur des abhängigen Arbeitsrechts an einer Grundlage, an der notwendigen Umgren­ zung, tatsächlich würde sie stets nur eine Art der Gattung „Arbeitsrecht" bilden. Auch das Lehrbuch von Hueck-Nipper­ deys), das den Standpunkt der herrschenden Lehre noch ver­ teidigt, muß zugeben daß mit dem Begriffe der Abhängigkeit, der nicht näher untersucht wird, „kein ganz scharfes Unterscheidungs­ merkmal gewonnen ist", da jede Arbeit Abhängigkeit begründe und es zahlreiche Zwischenstufen gebe. Der Trost, daß es in jeder Wissen­ schaft Grenzfälle und Übergänge gibt, genügt aber nicht, wenn es sich darum handelt, diese Wissenschaft erst abzustecken und wenn das Unterscheidungsmerkmal kein solches ist. Auch Oppermann^), der Mitbegründer der Zeitschrift „Arbeitsrecht", läßt, wenn er jene Zeit, da es galt, das Verständnis für die Eigenart des Arbeitsrechts git wecken, in Gegensatz stellt zu der Zeit, welche das „Arbeitsrecht als Rechtsbegriff" ausbilden muß, diesen Rechtsbegriff und den Ausgang *) Zusammensassend Lautner, Geltendes und künftiges Angestellten-Vertragsrecht Bd. I (1927) S. 25: A. 87. 2) Bd.I 1927 S. 3f. *) „Der Rechtsbcgriff des Arbeitsverhältnisses' im Arbeitsrecht 1926 S. 29 f., 36 s.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

von der Naturwissenschaft durchaus gelten mit der selbstverständ­ lichen Voraussetzung, daß die Grenzen des Begriffes sich nach der Auffassung des Lebens bestimmen. Potthoff aber, der seinen Satz: Man könnte innerhalb des allgemeinen Energierechtes unbedenklich das Arbeitsrecht ausbilden als das Recht, das jede menschliche Ar­ beit einschließt, wenn man innerhalb dieser wieder das besondere Arbeitsverhältnis des abhängigen Arbeiters (mit besonderem Na­ men) unterscheiden würde *), vergessen sehen möchte, wehrt sich nun dagegen, daß der Ausdruck Arbeitsrecht einen anderen Inhalt be­ kommt und führt dabei einen besonderen, für das Recht der abhän­ gigen Arbeit bedeutungsvollen Grund an, weshalb das, an sich auch hier zugestandene, dogmatische Interesse an „richtigem Namen" durch­ aus zurücktreten müsse: die rechtspolitischc Aufgabe, für die 20 Mil­ lionen Arbeitnehmer angemessene Arbeitsbedingungen und für den Großbetrieb eine zweckmäßige Arbeitsverfassung zu .finden. Der Kampf um das Recht der Arbeiter und Angestellten sei schwer ge­ nug: er dürfe nicht erschwert werden durch Verquickung mit Rechts­ reformen für Arbeit leistende Unternehmer, die nicht ebenso drin­ gend sei und — die auf ganz anderem Gebiete liegen. Hier haben wir tatsächlich die Lösung, warum die wissenschaftlich nicht zu be­ streitende Begründung des Arbeitsrechts auf den Arbeitstatbestand so heftige Gegnerschaft findet. Dem Bestreben, jedem wirklichen Ar­ beitnehmer die Wohltat des Arbeitsrechts zu sichern, wird im In­ teresse der z. Zt. diese Wohltaten allein genießenden Arbeiter und Angestellten entgegengetreten, hier merkwür­ diger Weise von dem Vorkämpfer der geistigen Arbeiter. Die wissen­ schaftliche Begründung aber, die für diesen Machtkampf gegeben wird? „Denn, worauf es sachlich am meisten ankommt, ist gerade der Unterschied zwischen dem Rechte der Selbständigen und dem der Abhängigen. Beim Spediteur, bei der Lohnfärberei usw. ein nur ver­ mögensrechtliches Interesse; beim Arbeiter das Eingliedern der Person in den fremden Organismus". Also wieder wird Lotmar als Kulisse vorgeschoben?). Für uns gehören Spediteure und Lohn­ färberei nicht ins Arbeitsrecht. *) Ich drucke ihn hier ab, weil Potthoff im Arbeitsrecht Bd. 13 S. 636 merkwürdiger Weise erklärt: „Da S. auch meinen Aufsatz .Faustisches Arbeitsrecht"' ArbR. Bd. 11 S. 489 als Zustimmung zitiert, mag wiederholt werden, was ich dort sagte, wobei aber gerade dieser Satz fehlt. Noch mehr dann Potthoff im ArbR. 1927 S. 179f.

§ 44. Die Arbeit der Abhängigen.

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Für uns, das ist hier auch Richter, Molitor, Engländer, Nikisch, Oppermann und vor allem Jacobi bleibt als Grund­ lage des Arbeitsrechts der Arbeitstatbestand, die Tatsache eines wirk­ lichen Einsetzens der Arbeitskraft für andere regelmäßig gegen Ent­ gelt, wovon sich dann die Arbeit der Abhängigen erst abheben muß. Wenn hier zum ersten Male der bescheidene Versuch unternommen wird, dies wirklich durchzuführen, so verdient er wohl noch nicht das Beiwort eines „groß angelegten Werkes" ’), aber gewiß auch nicht die Abmahnung Nipperdeys?). Wenn er und Potthoff?) am Systenl Aussetzungen zu machen haben, Zerreißung des Stoffes, Notwendigkeit von Wiederholungen usw., so liegt das zum Teil eben an der Neuheit und an der von PotthoffZ klar erkannten Notwen­ digkeit der Auseinandersetzung, wenn man „gegenüber der herr­ schenden Meinung einen andern Begriff des Arbeitsrechtes durch-setzen" will, zum großen Teil aber auch an dem doppelten Begriffe, zum Teil endlich an der reißenden Entwicklung des Arbeitsrechts selbst. Die Arbeitslosenfürsorge war ursprünglich Kriegsfürsorge, die nicht auf Arbeiter und Angestellte beschränkt war5), sie ist dann immer mehr auf Kranken- und Angestelltenversicherung gestützt und schließlich in die Arbeitslosen-Versicherung umgestaltet worden, so daß sie nunmehr ins Recht der Abhängigen gehört und dort neu darzu­ stellen ist. Über Einzelheiten der Zuweisung ins engere oder wei­ tere ArbeitsR. mag man streiten, gegenüber den Einwendungen Nipperdeys'-) ist aber zu sagen, daß die Erfindung des An­ gestellten, soweit sie freie Erfindung ist, dem Arbeitsrecht i. w. S. angehört; bezüglich der Lohnpfändung7) und der Arbeitsgerichts­ barkeit 8) ist oben das Erforderliche gesagt. Hiernach dürfte im all­ gemeinen die Einteilung in das Arbeitsrecht i. w. und im e. S. vom wissenschaftlichen Standpunkt aus als erprobt und als geboten zu erachten sein. II. Bevor wir nun daran gehen, den Begriff der abhängigen l) Jahrb. d. ArbR. Bd. VII S. 1 Borbem. ’) NZfArbR. 1927 S. 42. •) ArbR. 1926 S. 638 s. *) S. 636. °) Vgl. oben Bd. I S. 179f., Kaskel, Neues Arbeitsrecht § 21, JägerNeuburger, Erwerbslosenfitrsorge 1. Ausl, zu § 3 der BO. «) A. a. O. S. 41. ’) Bd. I S. 259. ’) Bd. I S. 343 und II S. 8 usw.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

Arbeit abzustecken, müssen wir zusehen, ob der von uns unter I dar­ gelegte Begriff der Arbeit wirklich auch von denen in gleicher Weise angenommen wird, die von einem allgemeinen Arbeitsbestand aus­ gehen. Sgtebei kann 1. Jacobi den Anspruch erheben, daß man sich vor allen an­ dern mit den in seinen „Grundlehren" ausgesprochenen Ansichten auseinandersetzt. Nach einer höchst verdienstvollen Geschichte der in Frage kom­ menden Terminologie4* )*5 *lehnt er die Auffassung des Arbeitsrechts als des Sonderrechts einer bestimmten Gesellschaftsgruppe, sei es der wirtschaftlich Schwachen, sei es des Berufsstandes der Arbeit­ nehmerschaft, sei es der Arbeitnehmer2), ab und geht davon aus, daß menschliche Arbeit geleistet wird, also von dem naturwissen­ schaftlichen Begriffe der Arbeit oder dem Energiebegriffe, so daß es sich dabei um einen Vorgang, nicht um eine Ware handelt, wie auch wir den Kauf und das Handelsgeschäft als außerhalb des Arbeits­ rechts befindlich erachtet haben. Nicht ebenso können wir aber der bejahenden Begründung zu­ stimmen. a) Wir haben von Änfang an die Beugung des Willens des Arbeitenden unter den des Arbeitgebers als Begleiterscheinung jedes Arbeitsvertrages und damit die Unterwerfung3) der persönlichen Arbeitskraft des Arbeitenden unter ein Dauerschuldverhältnis als das sichere Kennzeichen der Arbeit im Sinne des Arbeitsrechts be­ zeichnet. „Dieser Unterwerfungsvertrag kann sowohl mit einer Ent­ lohnung nach Zeit wie mit einer solchen nach dem Ergebnis verbun­ den fein"4). Auch Jacobi3) betrachtet als das Wesentliche der

„eigentlichen Arbeitsverträge", die er als „Anstellungsverträge" von den Werkverträgen, den Verträgen über erfolgbestimmte Arbeits­ leistung, und von den „selbständigen oder freien" Dienstverträgen, mit bloßer Austauschfunktion, unterscheidet, „einen in den Formen des Dauerschuldverhältnisses auftretenden rechtlichen Zustand", „ein Herrschafts- oder Machtverhältnis6), „das die Brücke zu dem *) ') ’) 4) 5) *)

S. 34-39. S. 39-43. Vgl. oben Bd. H S. 5, Bd. I S. 7 f. Arbeitsrecht Bd. VII S. 74. Grundlehren S. 47 und 48. Vgl. ebenso Arbeitsrecht Bd. VII S. 74 und 75.

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deutschrechtlichen Dienstvertrag und dem personenrechtlichen Treu­ dienstvertrag schlägt'). Nun aber b) findet Jacobi die geforderte Wirkung des Machtverhält­ nisses, im Anschluß an Ni lisch, ausschließlich in einer Unterord­ nung bei Abstellung auf „zeitbestimmte Arbeitsleistung mit im vor­ aus nicht abgegrenzten Einzelleistungen", weil nur dann die Arbeits­ kraft selbst zur Verfügung gestellt und neben der Berücksichtigung des verkehrsrechtlichen Elements auch die des personenrechtlichen not­ wendig werde. Nur ein solcher Anstellungsvertrag sei wirklicher Ver­ trag über Leistung von Stuft. Leider hat Jacobi hier die Ausführungen von Ni lisch über­ nommen, ohne den dagegen erhobenen Einwendungen'), die nun auch für ihn selbst gelten müssen, genügend Raum zu geben, und auch das, was Jacobi selbst hinzufügt, kann nicht als schlüssig betrachtet werden. Was N i ki s ch ") anlangt, so entgeht ihm selbst nicht, wenn er die abhängige Arbeit gerade ans zeitbestimmte Arbeit beschränken will, a) der grundlegende Zweifel hinsichtlich der von Molitor, Hoeniger und anderen schon betonten Einteilung in zeit- und erfolgbestimmte Arbeit, daß, je nach der natürlichen Beendigung durch Zeitablauf oder durch Erfolgerzielung, die erfolgbestimmte, mit Eintritt des Zeitpunkts des Erfolges beendigte, Arbeit nur eine Art der zeitbestimmten sein kann. Da damit die Bedeutung der Ein­ teilung entfallen würde, bestimmt Nikisch^), daß das künftige Er­ eignis niemals der vom Schuldner versprochene Erfolg der Arbeit sein darf. Aber die Begründung, daß das Versprechen eines Erfolges eine in sich selbst begrenzte Arbeitsleistung enthalte, so daß eine Zeitbestimmung „sinnlos und deshalb auch bedeutungslos" sei, recht­ fertigt das Verbot nicht, vielmehr erscheint dann nur eine beson­ dere Hinzufügung der Zeitbestimmung regelmäßig zwecklos, pro non scripto, aber nur, weil selbstverständlich. Von einer „Unvereinbar­ keit der zeitbestimmten und erfolgbestimmten Form" kann daher nicht gesprochen werden. Nehmen wir ein Beispiel: Für eine Nachtwache von 7 Uhr abends bis 7 Uhr morgens bei stündlicher Bedienung der Stechuhr werden 12 Mark bezahlt. Hier muß bis 7 Uhr gewacht *) Vgl. dazu Sinzheimer, Grundzüge,2.Ausl. S. 16f.jetzt Molitor29S. 4f. s) Silberschmidt im ZBlfdJurPraxis Bd. 44 S. 833f., Nipperdey in NZfArbR. 1926 S. 729, Molitor 29 S. 4 und Zitate. -) Nikisch a. a. O. S. 20.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

werden und damit ist zugleich die Wache, das Werk, erfüllt, zeit­ bestimmte und erfolgbestimmte Form fallen zusammen; auch bei letz­ terer handelt es sich darum, wie lange gearbeitet werden muß. Wenn aber die Näherin die Aufgabe hat, im Hause der Bestellerin an einem in Aussicht genommenen Tage ein Kleid um den Betrag von 10 Mark zu fertigen und nur dieses Kleid in Frage kommen soll, liegt eine zeitliche Begrenzung nur dann vor, wenn das Kleid am Ende des Tages fertig sein muß; dann ist aber ein Taglohn und Werklohn vereinigt. ß) Eine Wache kann nun z. B. als Totenwache von einer Per­ son geleistet werden, die ihre Dienste jedem anbietet, oder als Ehren­ wache von Offizieren, studentischen Korporationen. Die Wache kann von einem Friedhofnachtwächter geleistet werden; wann liegt ab­ hängige Arbeit vor? Der Fabriknachtwächter und der Friedhofs­ wächter, wenn er nicht Beamter ist, sind in den Betrieb eingegliedert's, ihre Wache ist daher stets abhängige Arbeit; ob aber die selbständige Leichenfrau abhängige Arbeit leistet, wird von ganz anderen Um­ ständen abhängen; die Ehrenwache ist niemals abhängige Arbeit. Hier sind in allen Fällen „im voraus nicht bestimmte Einzel­ leistungen" vorhanden. Wird nur im einen Falle wirklich Kraft ge­ leistet? Kann man mit Nikisch behaupten, daß die Unvereinbar­ keit beider Vertragsarten sich daraus ergebe, daß, s o lange zeit­ bestimmte Arbeit anzunehmen sei, als nicht die Vereinbarung des Erfolges nachgewiesen wäre? Alles das ist zu verneinen. Zeit- und erfolgbestimmte Arbeit stehen nicht im Verhältnis der Regel zur Ausnahme, je nach den Umständen ist die eine oder die andere die Regel. Wer die eine oder die andere behauptet, muß seine Behaup­ tung beweisen. Es kann Erfolg und Zeit zur Bedingung gemacht sein, z. B. Zahlung nur bei Erreichung einer bestimmten Verkehrs­ gelegenheit, eines Anschlusses, durch die Transportleistung oder bei Fertigstellung eines Druckerzeugnisses für einen bestimmten Festtag usw. geleistet werden. Sowohl das Ende durch Ablauf einer bestimm­ ten Zeit wie das durch Erreichung eines Erfolges muß bestimmt be­ zeichnet werden und beide können zugleich, wie in diesen Beispielen, als Bedingungen gestellt werden. Vgl. oben die Beispiele unter «. c) Wenn es wahr wäre, daß Kraft nur bei Abstellung „auf zeitbestimmte Arbeitsleistung mit im voraus nicht begrenzten Einzel­ leistungen" versprochen und geleistet würde, dann könnte weder die *) Vgl. jetzt Molitor 29 passim.

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Totenwache noch die genau ins Einzelne voraus geregelte Wache des Fabriknachtwächters abhängige Arbeit sein, aber auch nicht die des Fräsers, des Sägers, des Druckers usw., die für ganz bestimmte Ma­ schinen angenommen werden. Damit erweist sich die Theorie Ni­ kis chs und die darauf gegründete Lehre Jacobis als unmöglich, d) Wenn nun letzterer ’), hier wieder den Gegensatz Handlungs­ gehilfe — Agent verwendend, das Entscheidende darin findet, daß im ersteren Fall Arbeit schlechthin, im letzteren bestimmt abgegrenzte Einzelleistungen zugesagt werden, so können beim Agenten und Hand­ lungsgehilfen die gleichen Geschäfte in Frage kommen, der Unter­ schied liegt nur darin, daß der Agent freier Unternehmer ist, in dessen Belieben steht, ob er tätig werden will oder nicht und wie er tätig wird, der Handlungsgehilfe willensgebundener Abhängiger. Mit Recht sagt hier Jacobi3* ): 2 4 „Es muß festgestellt werden, von wann an die Unterordnung so wesentlich wird, daß neben dem verkehrsrechtlichen Moment . . . das personenrechtliche . . . Einfluß auf die rechtliche Ordnung erhielt"3). Das soll nun a) gerade durch die Abstellung auf zeitbestimmte Arbeitsleistung mit im voraus nicht abgegrenzten Einzelleistungen geschehen. Ein gänzlich zufälliges Element, ob im Anstellungsvertrage, der gar nicht vorliegen muß, die Einzelleistungen bestimmt werden oder nicht s, sollte da die Entscheidung bringen, während zweifellos abhängige Arbeit in einer großen Anzahl von Fällen vorliegt, in denen der Fabrikarbeiter, Handlungsreisende usw. zu ganz bestimmt bezeich­ neten Diensten gewonnen wird. ß) Jacobi selbst gibt auch zu3), daß den Gegenstand des Arbcitsrechts überhaupt nicht nur Arbeit bildet, die aus vertraglicher Grundlage mit Möglichkeit vorheriger Abgrenzung geleistet wird, und daß „selbständige Dienstverträge" ausscheiden3), „d. h. auf ein­ zelne konkrete, von vorneherein individualisierte Arbeitsleistungen gerichtete", Dienstverträge — selbständiger Dienstvertrag ist über­ haupt eine contradictio in adjecto —, wobei wir uns in einem Zirkel bewegen, da es abhängige Arbeiter genug gibt, die ganz kon*) a.a.O. S.48 91.34. Vgl. jetzt Molitor 1929 © 4 A. 17. 2) ©.50. Vgl auch Molitor 1929 ©.29. •) Vgl. jetzt Silberschmidt in LZ II S. 1507f. 4) Vgl. vorher ©. 15. °) ©. 60 und 91. 69 a. •) ©. 62. Silberschmidt, Das deutsche Arbeitsrecht. II. Teil.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne,

freie, von vornehmerem individualisierte, Arbeitsleistungen zu ver­ richten haben. So kann der Abhängigkeitsbegriff Jaeobis auch nicht ge­ nügen und es muß wieder die Frage gestellt werden: Welcher Unter­ schied besteht zwischen der Totenfrau, welche Leichenwachen annimmt, und dem Fabriknachtwächter? Letzterer ist zur Leistung von Kraft un­ selbständig dem Betrieb eingegliedert und ist um so mehr abhängig, je mehr der Betrieb seine Arbeitsleistung nach dem Beispiele Tay­ lors und Fords bis ins Einzelne regelt. Die Arbeit der von Privaten bestellten Leichenfrau enthält Werkverträge, die selbständig sein können und dann fällt ihre Tätigkeit nur unter das Arbeitsrecht, wenn die Leichenfrau ihrer wirtschaftlichen Stellung nach dem Arbeit­ nehmer gleichsteht, soweit nicht etwa Gemeindebeamtentum in Frage kommt. Die Ehrenwache ist keine Arbeit. Die gleiche Tätigkeit des Wachens aber fällt beim Fabrik- oder Friedhofnachtwächter stets unter die abhängige Arbeit. Wie daher das Vorlesen und Vorspielen des gleichen Werkes manchmal gar keine Arbeit ist, wenn es zum Vergnügen im vertrauten Kreise geschieht, manchmal aber abhängige Arbeit, wenn es durch den angestellten Vorleser oder Musiker oder die Gesellschaftsdame geschieht *), so verhält es sich auch hier mit der gleichen Tätigkeit des Wachens und das Unterscheidungsmerk­ mal kann daher überhaupt nicht in der Art der Arbeit, sondern muß in den Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer liegen, ob und wie die Arbeit einem fremden Willen unterworfen ist. 2. Daß dieses Merkmal hier auch von Lotmar, Molitor und anderen gefunden wird, wird sich aus dem Folgenden ergeben. III. Worauf gründet sich also die Abhängigkeit der Arbeit, rich­ tiger des Arbeiters? 1. Dabei sei an ein Urteil des LG. Köln vom 3. Nov. 1922-s. angeknüpft. Eine Versicherungsgesellschaft, die bisher die Beiträge hauptsächlich durch bezahlte Einnehmer und nur ausnahmsweise durch Agenten einziehen ließ, war dazu übergegangen, die Einhebung nur gegen Provision vornehmen zu lassen. Das LG. Köln erachtete die Einnehmer als Gewerbegehilfen, die Inkasso-Agenten aber seien selbständige freie Unternehmer. Als die bisherigen Einnehmer In­ kasso-Agenten geworden seien, habe nicht nur ein Wechsel der Löh­ nungsmethoden stattgefunden, sondern der Dienstvertrag des freien *) Vgl. oben Bd. I S. 81. ’) GKG. Bd. 29 S. 5.

§44. Die Arbeit der Abhängigen.

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Unternehmers, bei dem nur schuldrechtliche, nicht auch personenrecht­ liche, Gebundenheit bestehe, scheide vollständig aus dem Arbeitsrecht aus. Die freien Unternehmer seien mit der Fähigkeit ausgestattet, sich rechtlich und wirtschaftlich frei nach eigenem Ermessen zu verhalten und die Aufträge so auszuführen, wie sie es für angemessen erachten, bedürften also, wenn man den Gedanken zu Ende führen will, des Arbeitsrechts nicht. Die Gegensätze seien so groß, daß es hieße, Lebenstatbestände miteinander zu verkoppeln, die sich innerlich fremd sind, wenn das Arbeitsrecht versuche, jene beiden Formen der Arbeit in dem einen Begriff der „vertraglichen Arbeit gegen Entgelt" zu­ sammenzufassen. Der Unterschied liege nicht in der allgemeinen so­ zialen Abhängigkeit, in der sich jeder Mensch befinde, nicht in der wirtschaftlichen, die einen Menschen auf die Mittel eines andern an­ weist, sondern (und nun kehrt das von uns hinreichend erörterte Ar­ gument wieder) in der Unterwerfung eines Menschen unter den Willen eines andern, indem sie ihn zum abhängigen Glied mache. Als Begründung wird aber beigefügt: das personenrechtliche Verhältnis des Arbeitsrechts beruht auf der privaten, aus dem Privateigentum an den Produktionsmitteln sich ergebenden, Abhängigkeit, die das Wirken des Ar­ beitnehmers zum Werk des Arbeitgebers macht. Das sei auch der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des § 10 BRG. Tat­ sächlich handelt es sich auch nach unserer Ansicht um den Gegensatz: Handlungsgehilfe oder Handlungsagent, abhängiger Arbeiter oder Kaufmann. Bevor wir aber auf diesen Grund der Abhängigkeit näher eingehen, ist es lehrreich, die Verhältnisse zu betrachten, die dem er­ örterten Falle zugrunde liegen1). Die Versicherungsgesellschaft, die bisher nur einen Teil der Beiträge durch Inkasso-Agenten einheben ließ, hält es für vorteil­ hafter, nur diese Form zu verwenden. Sie stellt also die Entlohnung der Einnehmer ein und verweist diese auf die Inkasso-Provision des Agenten. Wird dadurch die Stellung dieser Leute und ihre wirtschaft­ liche Unabhängigkeit größer? Für die Regel wird sie schlechter wer­ den, wie ja die Gesellschaft durch die Veränderung für sich Nutzen zu ziehen hofft. Der Einnehmer muß jetzt die Gefahr selbst tragen, daß er durch die Tätigkeit seinen Unterhalt und den seiner, Familie er­ werben kann, der Unternehmer verweist ihn daraus, daß er eben mehr Beiträge einkassieren muß, wenn er sonst nicht leben kann, so daß *) Silberschmidt in GKG. Bd. 29 S. 46 f.

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der Zwang zur Arbeit und die wirtschaftliche Abhängigkeit größer werden. Dazu kommt nun der Umstand, der in der Entscheidung gar nicht berührt wird, daß nämlich die Stellung auch des sog. Ver­ sicherungsagenten häufig tatsächlich die eines Handlungsgehilfen, also eines abhängigen Angestellten, ist. „Nicht entscheidend ist die Bezeichnung als Agent oder die Art der Entlohnung, also feste Be­ züge oder Provision, beides bietet nur in Zweifelsfällen einen ge­ wissen Anhalt"l). Zwischen Gehalt und Provision stehen Zwischen­ stufen: Bürokostenzuschuß, Provisionsgarantie, garantiertes Mindest­ einkommen usw. Das Bestreben der Versicherungen geht heute immer mehr dahin, den äußerlich scheinbar unabhängigen Agenten inner­ lich immer mehr zu binden, ihn in den Organismus einzugliedern, ihn von Weisungen abhängig zu machen, ihm Pensa zu erteilen usw. Das preußische Oberverwaltungsgericht ließ in jahrelanger Recht­ sprechung selbst beim Generalagenten, der sehr häufig eigene Or­ ganisation besitzt, die Vermutung für ein Angestelltenverhältnis sprechens. Und doch besitzt der Generalagent, wie Dorn?) gezeigt hat, in weitestem Umfang das Eigentum an den Produktionsmitteln, wie übrigens auch meist der Zwischenmeister, der Heimarbeiter usw-, die doch auch von der bis dahin herrschenden Lehre zu den Abhän­ gigen gezählt werden. Kehren wir aber zu dem zugrunde gelegten Tatbestand zurück, so ist es „Tatfrage" des Einzelfalls, ob das Agenten- oder Handlungsgehilfen-Verhältnis vorliegt. Ist aber letzteres Rechtsverhält­ nis gegeben, dann kann unter Umständen durch Entziehung des Ge­ halts und Verweisung auf die Provision mit überbürdung der Un­ ternehmergefahr eine vollständig unzureichende Entlohnung, eine Heräbdrückung des Angestellten bis zur Unzulässigkeit und Vertrags­ nichtigkeit in Frage kommens. So sieht dann diese theoretisch soge­ nannte Unabhängigkeit des „Provisionsagenten" aus und damit er­ gibt sich zugleich, daß eine so tiefgehende, glatte Scheidung, wie sie *) Hagen in Jherings Jahrb. Bd. 61 S. 232f., Schmidt-Rimpler in Ehrenbergs Handbuch Bd. V 1. Abt. S. 20 f., 25, 101 f. Der Entwurf eines Allg. ArbBertrG. unterstellt die Provision ja dem Arbeitsrecht. ’) Hagen a. a. O. S. 239 A. 8, dazu einerseits Dorn in der ZsdgesVersW. Bd. 22 S. 181 f., anderseits Silberschmidt ebenda Bd. 23 S. 27 f., Potthosf im ArbR. Bd. 8 S. 18, 33, 70, 153 f., 206, Recht u. Wirtschaft 1920 S. 190, DRZ. 1921 S. 312, Baum im ArbR. Bd. 8 S. 253. ') a. a. O. S. 189 f. 4) Vgl. z. B. RG. in LZ. 1900 S. 189.

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das Urteil zwischen Abhängigen und Unabhängigen behauptet, je nachdem Provision oder Gehalt in Frage steht, untunlich ist, daß eine Verkoppelung der verschiedenen Tatbestände stattfindet, da Über­ gänge vom einen zum andern bestehen, und daß auch das Eigentum an beit Betriebsmitteln — das mit deren Umfang auch an Bedeutung wächst — allein nicht entscheidet. Die personenrechtliche Gebunden­ heit muß in der Hauptsache auf andere Gründe zurückgehen. 2. Den weitesten Begriff der Abhängigkeit stellte LotmaiA) auf, indem er nach seiner Methode an gesetzliche Begriffe, hier § 825 BGB., „Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses", anknüpft und erklärt, daß ein solches Abhängigkeitsverhältnis, eine Subordination, aus dem Rechte, die Arbeit zu leiten, entsteht, aber auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses vorkommen und bei ihm fehlen könne. Hier­ nach ist das Merkmal der Abhängigkeit für diesen besten Kenner des Gebietes ein rein tatsächliches, zufälliges, ohne unterscheidende Be­ deutung. Wenn wir dazu kommen, die besondere Bedeutung der Ab­ hängigkeit auch nur als, von den besonderen Verhältnissen zwischen AG. und AN. bestimmte, aufzufassen2), so würde das mit dieser Lotmarschen Auffassung zusammenfallen. Freilich haben wir ge­ sehen, daß diese hinsichtlich des Arbeitsvertrages selbst zu weit geht. 3. Den dem Lotmarschen entgegengesetzten Standpunkt, daß das Recht der Abhängigen nur das Recht der Arbeiter und allenfalls Angestellten sei und daß nur dieses Recht als Arbeitsrecht bezeichnet werden dürfe, haben, wie oben s) bereits erörtert wurde, vor allem Potthoff, Sinzheimer und Kaskel, neuerlich Herz**) ver­ treten. Was zunächst A. Sinzheimer betrifft, so rechtfertigt er in der 2. Auf­ lage der Grundzüge 5) den Standpunkt mit der geschichtlichen Entwicklung des Arbeitsrechts, die an die Arbeiterbewegung an­ knüpfe, und wieder mit der Unhaltbarkeit der Lotmarschen Auf­ fassung des Arbeitsvertrags. Bei der Betrachtung der abhängigen Arbeit im einzelnen kommt er nun freilich darauf zurück, daß die ') ArbBertr. Bd. 1 S. 97 f. ’) Vgl. oben § 44 am Anfang und unten S. 40 f. •) Bd. I S. 17 f., 49 f., 56 f. ‘) Jherings Jahrb. Bd. 74 (1924) S. 1 f., 24 f. 6) S. 4 f. Er wendet sich dabei allein gegen mich, daß ich die geschichtlichen und inneren Gründe seiner Ausfassung nicht beachte, ohne auf meinen Kampf gegen Lotmar und ohne auf Richter, Molitor, Engländer, Jacobi usw. hier einzugehen.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

Arbeit ganz allgemein „der Mensch ist, dessen Kraft sich in der Arbeit äußert'"), daß das „gesellschaftliche Leben ein Geflecht von Verbun­ denheiten sei, in das die Einzelnen verwoben seien'"); als „Funk­ tion des Menschen werde die Arbeit hervorgebracht durch Verfügung über sich selbst'"), die Arbeit, also jede Arbeit. Damit wäre an sich unsere Arbeit i. w. S. gerechtfertigt. Nun folgt aber die Schwenkung Sinzh eim er s. Die Verfügungsgewalt könne rechtlich einem an­ dern zustehen als dem Arbeiter selbst, dann sei derjenige, der die Arbeit verrichtet, nicht der arbeitende Mensch- sondern „der andere", für den sie verrichtet wird, und wenn dies der Fall sei, spreche man von abhängiger Arbeit oder „Arbeit unter fremder Verfügungsge­ walt". Damit wandle sich das Wesen der Arbeit, sie höre auf, indi­ viduelle und soziale Funktion des Arbeitenden zu sein und werde zur fremden Funktion. Abhängige Arbeit sei Arbeit, die der arbeitende Mensch in einem rechtlichen Gewaltverhältnis leiste H. Zur Begrün­ dung wird auf den Satz von Karl Marx°) verwiesen, daß beim Arbeiter das Produkt seiner Tätigkeit nicht der Zweck seiner Tätig­ keit sei, was bei sehr vielen andern Menschen auch der Fall ist. Da­ mit kehrt Sinzheimer dann zur Auffassung der I. Auflage zu­ rück o), daß die personenrechtliche Wirkung des Arbeitsrechts sich be­ sonders aus dem Erwerbe des Arbeitsprodukts durch den Arbeitgeber erkläre, „wie der Sklave und Haussohn des unfreien Arbeits- und Familienrechts kraft der sie umklammernden Gewaltverhältnisse nur den Willen ihres Gewalthabers in sich trugen". Aber nunmehr wird in eingehenden Darlegungen der Begriff der abhängigen Arbeit zu­ rückgeführt a) auf den Gewaltbegriff ’) und b) darauf, daß es sich um fremde, auf Arbeit gegründete, Ge­ walt über Freie handle s). Zu a). Wenn für uns der Rechtsbegriff der Arbeit die Unter­ werfung unter den Willen des Arbeitgebers als Rechtsfolge enthält, ') ’) ') *) 6) 6) Bd. 15 ’) ')

S. 8. S. 9. S. 10. S. 11. Lohnarbeit und Kapital S. 14. S. 22f., dagegen Silberschmidt oben Bd. IS. 17 und imArchfRuWPH. S. 404 f., 419 f., jetzt Bd. 22 (1928) S. 146 f. S. 12 f. S. 15 f.

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so entsteht damit der Begriff der abhängigen Arbeit in der Weise, daß durch das Mißverhältnis zwischen der Stellung des. Arbeit­ gebers und des regelmäßig in seinen Betrieb eingegliederten Arbeitnehmers die Macht des ersteren durch tatsächliche Ver­ hältnisse unverhältnismäßig vergrößert wird. Für uns ist des­ halb die abhängige Arbeit eine unter Umständen bis zur Unzulässig­ keit gehende tatsächliche Beeinflussung des Rechtsverhältnisses der Arbeit, die deshalb das Eingreifen des Staates fördert. Für SinzHeimer ist das oben unter S. 14 erörterte und für Jacobi und andere aus dem Arbeitsvertrage sich ergebende Gewaltverhältnis schon die Grundlage seines auf die abhängige Arbeit beschränkten Arbeitsbegriffes, zugleich aber ist für ihn „in jedem Fall das Ge­ waltverhältnis ein Rechtsverhältnis" 1-). Aber die Gewalt ruft oft nur die Gegenwirkung des Rechts hervor, in vereinzelten Fällen (patria potestas, Sklaverei des Altertums). sanktioniert das Recht die tatsächliche Gewalt, bei der abhängigen Arbeit ist die heutige Stellung des Staates aber in der Hauptsache nicht die, daß sie vor­ zugsweise den Arbeitgeber zu schützen hat, sondern den Arbeiter, es enthält eine Umkehrung der Verhältnisse, wenn Potthofs?) das heutige Arbeitsrecht für notwendig hält, um den Großbetrieb auf­ recht erhalten zu können. Deshalb ist auch das reine Gewaltver­ hältnis bei der abhängigen Arbeit nicht stets ein Rechtsverhältnis, sondern oft ein Unrechts-Verhältnis. Wenn Sinzheimer auch hier wieder den Eigentumserwerb des Arbeitgebers am Arbeits­ produkt als Beispiel anführt, der auch beim nichtigen Arbeitsvertrag auf Grund der Gewalt eintrete, ähnlich wie beim Besitz, so erfolgt dieser Erwerb auf Grund des, wenn auch nichtigen, Vertrages ^), wie die an die Gewalt geknüpften sonstigen Rechtswirkungen tat­ sächlich aus dem Arbeitsrechts-Verhältnis folgen. Aber um so mehr tritt für die hier vertretene Auffassung die Bedeutung der Gewalt als Abweichung von der Norm und oft Stö­ rung der Rechtsverhältnisse hervor, gänzlich verschieden von der Rechtsmacht, die aus jedem Rechtsverhältnis hervorgeht und die Sinzheimer hier ebenfalls unter den Begriff der Gewalt bringt^), sei es als Verfügungsgewalt, sei es als Organisationsmacht oder als *) S. 146. ') Potthoff im RArbBl. N. F. 1922 S. 506, ArbR. 1927 S. 4f., dagegen oben Bd. I S. 58. ') Vgl. oben Bd. I S. 281. 4) S. 12 f., 145 f.

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rechtliche Macht, welche „alle Einzelwirkungen in einer Einheits­ wirkung vereinigend", „die Einheit verwertet"J), sei es als Leitungs­ gewalt. Diese, das Befehlsrecht, „wurzelt", wie auch Sinzheimer2') einsieht, im Wesen des Arbeitsverhältnisses, jedes Arbeits­ verhältnisses 3), und wenn er das Direktionsrecht des Kunden gegen­ über seinem Schneider von dem Befehlsrechte bei der abhängigen Arbeit scheiden will, das sich auch auf Zeit, Art und ihre Umwelt be­ ziehe^), so kann in beiden Fällen genaueste Anweisung erfolgen, deren Befolgung von mancherlei Dingen abhängt, und es fragt sich auch hier°) wie etwa auch beim porträtierenden Künstler usw., wie weit es sich im Einzelfall um einen freien, selbständigen, selbstunter­ nehmenden Tätigen handelt oder um einen solchen, der sich jeder An­ ordnung fügen muß. Ein innerer Unterschied zwischen Direktions­ oder Befehlsrecht besteht nicht und noch weniger hat das Befehlsrecht seine Grundlage im Eigentum an den Arbeitsmitteln, wie SinzHeimer, wieder auf Marxistischer Grundlage, schon früher behauptet hat; es ist ja eben im Begriffe der Arbeit enthalten. Die unter Um­ ständen ganz gleiche Weisung des Kaufmanns an seinen Fabrikanten, des Kunden an den Flickschneider, des Unternehmers an den Ar­ beiter, hat je für die einzelnen Fälle ansteigende Wirkungen. Die besondere Bedeutung der Gewalt bei der abhängigen Arbeit ergibt sich aus der gerade bei ihr bestehenden besonderen Unterwer­ fung unter den Arbeitgeber. Gerade indem man gegen die nebelhafte Verflüchtigung des Begriffes Widerspruch erhebt, wird die konkrete Bedeutung klar. Der Arbeitnehmer unterwirft sich hier, freiwillig oder unter dem Einflüsse der mächtigeren Verhältnisse, dem Arbeit­ geber, sei es, daß es sich um die Eingliederung in einen Betrieb handelt, sei es, daß der Arbeitnehmer sonst der überragenden Be­ deutung, der Organisation, der Macht der Arbeitgeber mehr oder minder mit gebundenen Händen gegenübersteht. Nicht in der Dauer liegt, wie wir noch sehen werden, die Hauptbedeutung dieser Macht, wenn sie auch für den Begriff des Betriebes eine gewisse Rolle spielt, nicht in der Begrenzung der Arbeitsaufgabe, nicht in dem Eigentum *) S. 13. ’) S. 146. •) Vgl. oben Bd. I S. 245, Molitor in NZfArbR. 1924 S. 328, Kreller im ArbR. Bd. 14 S. 886, vor allem jetzt Nikisch S. 98f. und 106 und Jacobi a. a. O. S. 51 A. 44. *) S. 147, dagegen Jacobi a. a. O. S. 51, 444. 8) Vgl. oben S. 18f., eingehend Schmidt-Rimpler a. a. O. S. 21 f.

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an den Betriebsmitteln, sondern in dem Gegensatze zwischen der Wirkungsmöglichkeit der beiden Parteien des Arbeitsvertrags, neben der wirtschaftlichen Verschiedenheit in dem Hervortreten des Unter­ ordnungsverhältnisses, des Dienens, des Unterworfenseins, regel­ mäßig durch die Aufnahme in den Betrieb, den Haushalt usw. des Arbeitgebers. Gegen diese, ihrem Wesen nach dem Mißbrauch aus­ gesetzte und vielfach mißbrauchte, aber auch sonst vom Arbeitnehmer als ungerecht empfundene Macht wendet sich seine Selbsthilfe und die Hilfe des Staates *). Zu b). Jusoweit also gilt die fremde Gewalt über den rechtlich freien, wirtschaftlich abhängigen Arbeiter als besonders drückend, wenn auch jede Arbeit für andere einer fremden Gewalt untersteht. Und so erklären sich die auf ein Mitbestimmungsrecht der Arbeiter an der Arbeit abzielenden Bestrebungen, aber nicht allein aus der Tatsache der fremden Gewalt?). „Die Abhängigkeit des Freien ist nicht Ausdruck eines Standes, dem er angehört, sondern Ausdruck eines Zustands, in dem er sich befindet"5), nämlich der über den ge­ wöhnlichen Arbeitstatbestand hinausgehenden Unterwerfung. Dabei mag man das wirtschaftliche Mißverhältnis zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages besonders auch auf das vermehrte Eigentum des Arbeitgebers insbesondere auch an den Betriebsmitteln gegenüber dem Arbeitnehmer zurückführen, aber keineswegs ausschließlich und auch nicht so, daß gerade notwendig „das Eigentum des Arbeit­ gebers die Arbeitskräfte dirigiert, die sich ihm zu seiner Verwertung zur Verfügung stellen"^). Der Arbeitgeber muß gar nicht Eigen­ tümer von Betriebsmitteln sein. Es ist deshalb auch nicht richtig, daß „keine abhängige Arbeit vorliegt, wenn die Arbeit unter gemeinheitlicher oder gemeinschaftlicher Verfügungsgewalt geleistet wird" oder daß in diesen Fällen, wenn Arbeitsrecht bestehen soll, „durch beson­ dere Vereinbarung der Beteiligten die dem Arbeitsrecht fremden Bestandteile ausgeschlossen sein müssen5). Trotz Verstaatlichung eines Betriebes bleibt ohne jede besondere Vereinbarung der Arbeiter ab­ hängig, so lange im Einzelfalle die tatsächlichen Unterordnungsver­ hältnisse die gleichen bleiben^). *) Vgl. oben §§ 1f. s) So Sinzheimer S. 16. ') Ebenda S. 20. *) Ebenda S. 25. •) Ebenda S. 17. e) Molitor b. Molitor-Hueck-Riezler S. 64 u. oben Bd. I S. 57, v. Gierke, Die Wurzeln des Dienstvertrags in der Festschr. f. Brunner 1914 S. 57.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engereu Sinne.

8. Sinzheimer sehr nahe steht Potthoff, dessen Standpunkt aber nicht immer der gleiche geblieben ist. a) In der frühesten Zeit **) betonte er als Gründe der Abhängig­ keit zunächst die wirtschaftliche Macht, die der Vermögensbesitz dem Unternehmer oder dem vom Kapitalisten bestellten Produktionsleiter oder Vertreter einer öffentlichen Körperschaft — man sieht hier sofort den Gegensatz zu der Auffassung Sinzheimers — gewähre, dazu die rücksichtslose Geltendmachung privatwirtschaftlicher Inter­ essen, die skrupellose Auswucherung der Abhängigkeit durch über­ mäßige Ausbeutung der Arbeitskraft, durch Raubbau an der Volks­ gesundheit. Das entspricht vollständig der hier vertretenen Auffas­ sung und derjenigen von L o t m a r in dieser Hinsicht. Danach han­ delt es sich um eine manchmal vorkommende, man kann selbst sagen, häufig anzutreffende, aber keineswegs begrifflich in gewissen Fällen notwendige Gestaltung des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber um eine Gestaltung, gegen deren Eintreten der Arbeitnehmer mit Recht Schutz verlangen kann und allenfalls sich selbst schützen darf. b) Später hat aber Potthoff die soziale Scheidung zwischen dem Arbeitgeber einerseits, dem selbständigen und dem unselbständi­ gen Arbeitnehmer andererseits als begrifflich und deshalb als fest­ stehend angenommen2). Vgl. dagegen oben Bd. I S. 17f., 49f. Pot­ hof f ist dann c) noch einen Schritt weiter gegangen und hat^) wie später Herz die Abhängigkeit als organisatorische^) mit der nun wiederholt zurückgewiesenen Begründung durch die personen­ rechtliche Hingabe erklärt. So wenig nun diese Erklärung anerkannt werden kann und so wenig die Einordnung in den Betrieb den Begriff der abhängigen Arbeit restlos erklärt5), so kann doch nicht verkannt werden, daß der Unterwerfungs­ vertrag, der das Hauptkennzeichen der abhängigen Arbeit dar­ stellt, meist die Einordnung in den Betrieb betrifft und regelt. Die in jedem Arbeitsvertrage gegebene Unterwerfung wird hier besonders hervorgehoben und bestimmt, die Unterordnung bedungen. Es ist *) Probleme S. 186. ’) Arbeitsrecht Bd. 9 S. 26 f., 397 f., 428 f., 731 f. ') Vgl. oben Bd. I S. 56 r., dazu ArbR. Bd. 13 (1926) S. 833 und ins­ besondere Denkschrift z. Entw. d. ArbVG. *) Vgl. jetzt Jacobi S. 51. ‘) Jacobi S. 52 A. 45 und die dort Genannten.

§44. Die Arbeit der Abhängigen.

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vollständig zutreffend, wenn PotthofP) nicht nur den Machtunter­ schied zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem Leiter des Wer­ kes geltend macht, der einen gerechten Interessenausgleich nicht er­ warten lasse, sondern vor allem den Umstand, daß die Arbeitsbedin­ gungen des Betriebes einheitlich sein müssen" und als Grund bei­ fügt: „Der Betrieb ist ein lebendiger Organismus, eine Arbeits­ gemeinschaft von vielen Menschen, deren Tätigkeit voneinander ab­ hängig ist und auseinander abgestimmt sein muß". Das führt aber nicht zu dem Schlüsse, den Potthoff zieht, daß individuelle Verein­ barungen unmöglich wären, sondern daß der einzelne Arbeitnehmer sich den Erfordernissen des Betriebs unterwerfen muß, sei es, daß sie vom Arbeitgeber, sei es, daß sie kollektiv aufgestellt sind und geltend ge­ macht werden, und andererseits, daß auch die Unterworfenen durch Gesamtvereinbarung Einfluß auf die Gestaltung der Betriebs- und Arbeitsbedingungen gewinnen wollen und sollen. Aber nicht nur der Betrieb in diesem Sinn erfordert eine solche Unterwerfung, auch der Reisebegleiter des Rentners und die Gesellschafterin der berufsund haushaltlosen Dame sind abhängig, so daß es nicht genügen würde, wenn man z. B. selbst die Haushaltung noch als Betrieb in einem weiteren Sinne auffassen wollte?). Aber wenn man den Be­ griff des Betriebes etwa mit Molitor?) schon in der vom Dienst­ mann zu machenden Besorgung finden will, so zerfließt der ganze Begriff, der eben gerade eine gewisse Dauert voraussetzt und unten noch weiter zu erörtern ist. Jedenfalls aber spielt die Einordnung in den Betrieb für den Begriff der Abhängigkeit zwar eine Haupt­ rolle, aber doch nicht die allein entscheidende. Vielmehr ist 4. von dem Gedanken Engländers?) auszugehen, daß die, vielleicht einheitlich empfundene, Abhängigkeit tatsächlich „in meh­ rere verschiedenartige und auf verschiedene individual- und sozial­ psychologische Ursachen zurückgehende Abhängigkeiten" aufgelöst wer­ den könne und daß ein großer Teil dieser Abhängigkeit aus der Ma­ schine und der besonderen Art einzelner Arbeitsleistungen und Ar­ beitsmethoden (Ford, Taylor) sich ergebe. *) ArbR. 1927©. 4und ZBH. 1927 S. 31 (»Organisationsfrage im Arbeitsrecht"). ’) Vgl. jetzt Jacobi a. a. O. S. 348 und Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegriffe, 1926 S. 8 f. A. 18 und unten S. 54 f. ') Wesen S. 88. ‘) Vgl. unten S. 55. *) Die Angestellten-Erfindung nach geltendem Recht 1925 S. 55 und die S. 28 A. 6 erwähnte Arbeit von L e ch t a p e S. 15, 40, 45.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

a) Die Zeitdauer der Abhängigkeit kann recht wohl, wie wir noch sehen werden, für deren Begriff und Art in Betracht kommen und auch wir haben') den Unterwerfungsvertrag mit dauernder persön­ licher Abhängigkeit vom Arbeitgeber, oft verbunden mit dem Eintritt in dessen Haushalt, also mit der Dauer in Beziehung gesetzt. Aus­ drücklich haben zuerst Oertmann, dann Molitor und jetzt ins­ besondere Nikisch die Abhängigkeit auf die Dauer der Arbeit be­ zogen. Oertmann*) will im Gegensatze zur gelegentlichen Arbeits­ leistung oder zum Werkvertrag in dem festen und dauernden Arbeits­ verhältnis die Kennzeichnung des besonderen Klassengegensatzes3*)* finden. Molitor^) sieht in voller Erkenntnis der wirtschaftlichen Gegensätze in der Dauer der Arbeit, der Gehorsamspflicht und der Unterordnung eine wesentliche Verstärkung derselben, ja „im Grunde ist die längere Dauer der Arbeit entscheidend für die Unterordnung im Sinne nicht einer leichteren oder schwereren Lösbarkeit, die nur zu gleichen Verhältnissen führe, sondern der tatsächlich längeren Ar­ beitsleistung", des Berufes, den ja auch Lotmar3)* schon 6 insofern zum Unterscheidungsmerkmal der abhängigen Arbeit erhoben hatte, als er stets Dienstvertragsakkord nach den Grundsätzen des Dienst­ vertrages annahm, wenn den Akkord der Arbeitgeber in seinem Ge­ schäftsbetrieb abgeschlossen hatte. Damit stimmt überein, wenn man neuerdings das „berufsmäßige Verrichten von Arbeit im fremden Betriebe" als Kennzeichen der abhängigen Arbeit erklärt hat^), wo­ bei freilich wieder die Abhängigkeit auf den Betrieb beschränkt toirb7). Der Unterschied dieser heutigen Auffassung gegenüber Lotmar be­ ruht nur darin, daß dieser nicht die abhängige Arbeit damit begrenzt und daß er das Vorhandensein des berufsmäßigen Unternehmens beim Arbeitgeber, nicht beim Arbeitnehmer fordert, dessen „private *) Vgl. oben S. 5 und vorher ArbR. Bd. 7 S. 74. *) Deutsches ArbeitsVertrR. S. 2. •) Vgl. Tönnies, Der Klassengegensatz in SozPr. 1925 S. 401. 4) Wesen des Arbeitsvertrags S. 73. Seine Bezugnahme auf das nieder­ ländische, österreichische und schweizerische Recht ergibt nur, daß auch dort dem Dienstverträge die Zeitlohnvergütung regelmäßig entspricht. 6) Vgl. oben Bd. I S. 329 s., Lotmar a. a. O. Bd. II S. 875 f., 903 f. ") Kaskel in der Enzyklop. S. 31, Kreller im ArchfzPr. Bd. 122 S. 7, Molitor, Wesen S. 107 und Molitor 1929 passim, Lechtape, Die mensch­ liche Arbeit als Objekt der wissenschaftlichen Sozialpolitik 1929 S. 10: In der arbeitsteiligen Wirtschaft vollzieht sich alle menschliche Arbeit „im Betriebe'. ’) Vgl. oben Ziff. 3 a. E.

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Arbeit", „Arbeit in Privathäusern", für Privatkunden, er dem Werk­ vertrag unterstellen läßt^). Immerhin wird für das Unternehmen oder den Betrieb *2) wirkliche Arbeit, verschieden von der Waren­ lieferung, regelmäßig vom Nichtunternehmer geleistet. So würde sich das Merkmal der Dauer zum Unternehmensmerkmal erweitern, von dem sofort noch zu sprechen sein wird. Gegen den Versuch, die Ab­ hängigkeit der Arbeit allein durch ihre Dauer zu erklären und zu be­ gründen, hatte ich mich erklärt2),* weil ich von der Untersuchung über die „Gesellschaftsähnlichen Rechtsverhältnisse"^) als den auf Dauer berechneten Schuldverhältnissen ausgehend und dann insbesondere auf Grund der Abhandlung Otto von Gierkes5)* jedes *8 Arbeits­ verhältnis als dauerndes Schuldverhältnis und daneben das Ver­ hältnis des Zeitlohnvertrages als das besonders typische „dauernde Schuldverhältnis" von Anfang an bezeichnet hatte2). Auch Moli­ tor, Nikisch und Jacobi verkennen nicht das Vorliegen von Dauerschuldverhältnissen bei allen Arbeitsverhältnissen. Molitor ’) erklärt gerade unter Bezugnahme auf Jacobi^), daß sowohl der Dienstvertrag wie der Tätigkeitsvertrag „ein nur auf den zeitlichen Arbeitsvorgang gerichteter Vertrag ist" und daß dem Tätigkeits- und dem Erfolgsvertrag die Dauernatur des Verhältnisses gemeinsam ist, nur daß sie „bei ersterem viel stärker hervortritt". Molitor will aber dann die Abhängigkeit an eine besonders lange Dauer des Ar­ beitsvertrages, etwa von Monaten oder Jahren, knüpfen"). Dem­ gegenüber hebt Nikisch^mit Recht hervor, daß der Begriff der *) Bd. II S. 909. ’) Vgl. über den Unterschied Jacobi a. a.O. und Silberschmidt, Betrieb in der NAK. Vgl. auch Lechtape a.a.O. S.23, wo »Betrieb" als Unterbegriff des »Unternehmens" erscheint. Vgl. Passow, Betrieb, Unternehmung, Konzern 1925 und jetzt Eckhardt, Betrieb und Unternehmer, ZsHR. Bd. 94 (1929) S. 1 f. Deshalb ist der Unterschied meiner Ausfassung von der jetzigen Molitors keineswegs so erheblich, wie er 1929 S. 6 A. 21 meint. ') Oben Bd. I S. 12 f., 51 f. *) ZHR. Bd. 79 (1916), vgl. auch Zeitdauer als Einteilungsgrund f. d. ver­ traglichen Schuldverhältnisse in ZsbayRPfl. 1916 S. 369 f. und ArchfRWPh. 12, 145 f, und 15, .417. 5) Jherings Jahrb. Bd. 64 (1915) S. 385 f. und schon Müller-Erzbach in DIZ. Bd. 9 S. 1154. °) ArbeitsR. Bd. 7 (1919) S. 70. ’) Wesen S. 15, 48 f., 68 f. 8) ArchfbürgR. Bd. 9 S. 1159, Bd. 37 S. 141 f. ’) Wesen S. 88, 111 vgl. aber 1929 S. 10 A. 36 und S. 45 f. Jetzt aufgegeben. *°) A. a. O. S. 105 u. A. 40.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

Dauer an sich relativ ist. Vor allem mußte aber gesagt werben'), daß die längere Dauer der Arbeit zu patriarchalischen Verhältnissen im allgemeinen führt und die Anstellung auf längere Zeit eine ge­ sicherte Stellung schafft, während des Schutzes gerade derjenige be­ darf, der jeden Augenblick der Entlassung ausgesetzt ist, weshalb der dem Selbständigen nahestehende Beamte oder Angestellte auf lange Kündigungsfristen oder auf lebenslängliche Anstellung, auf „ge­ sicherte Lebensstellung" Wert legt (vgl. auch §§ 122 u. 133 a GewO.). Dieser Gegensatz tritt am deutlichsten aus den ausgezeichneten Unter­ suchungen von Briefs*) über den gewerblichen Proletarier zutage. Hier wird, was natürlich gerade für die Frage der Abhängigkeit von größter Bedeutung ist, der Hauptwert auf die Dingung des besitzlosen Arbeiters durch den kapitalistischen Unternehmer gelegt. „Kapitalis­ mus und dienende Stellung der Arbeiter bedingen sich." „Die rechtliche Freiheit der Person des Arbeiters verengert sich doppelseitig: dessen wirtschaftliche Lage nötigt ihn zur verkehrswirtschaftlichen Verwer­ tung der wirtschaftlich relevanten Qualitäten seiner Person und der Käufer bindet die verbliebene Freiheitssphäre bis in peinliche Ein­ zelheiten""). Sehen wir so klar die tatsächliche Bedeutung der wirt­ schaftlichen Macht des Arbeitgebers, so treffen wir nun auch auf den Einfluß der Dauer, aber nach einer ganz andern Richtung, als Oertm a n n und Molitor bisher angenommen haben. Dadurch daß der Lohnarbeiter als Nichtbesitzender zur fortlaufenden Veräuße­ rung seiner Arbeitskraft gezwungen ist, die seine ausschließliche oder doch für den Lebensunterhalt entscheidende Einkommensquelle bildet, befindet er sich im ständigen Angebot und verhindert selbst, daß der Lohn wesentlich über die Selbstkosten steigt. So ist Proletarier jeder, der dauernd unter Angebots- oder Dienstleistungsdruck steht, während umgekehrt bei fester Anstellung und Beamtentum davon keine Rede sein kann. Also nicht die Dauer des Dienstes begründet die beim Pro­ letarier im besonderen Maße vorhandene Abhängigkeit, sondern eher umgekehrt die ständige Dauer des Arbeitsangebots durch den besitz­ losen Arbeitnehmer an den besitzenden Arbeitgeber. b) Das Merkmal der Dauer kann sich aber, wie unter a) schon hervorgehoben wurde, zum Merkmal des Unternehmens oder des Betriebs erweitern. Unternehmen im subjektiven Sinn4) ist stets *) Vgl. oben Bd. I S. 51, LZ. 1927 S. 297 und ZMfdJurPr. Bd. 44 S. 835. a) Bd. IX1 des Grundrisses der Sozialökonomik 1925 S. 141 f. ') Vgl. oben S. 29 A. 2. «) Enzyklop. S. 30 A. 4.

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ein Inbegriff wirtschaftlicher, auf eine gewisse Dauer berechneter Tätigkeit zu einem gewissen Zweck und so enthält das oben besprochene „berufsmäßige Verrichten von Arbeit in fremdem Be­ triebe" mindestens als Beispiel der Abhängigkeit das Merkmal der Tauer im Begriffe des Berufs und des Betriebs^). Dabei muß vom Unternehmer schon begriffsgemäß eine planmäßige Ordnung und Re­ gelung der Arbeit für die Dauer des Unternehmens ausgehen, wenn auch die Arbeit als der lebendige, vom menschlichen Willen abhängige, Produktionsfaktor nicht den sachlichen Produktionsfaktoren und nicht der Ware gleichgestellt werden kann2) und der Erfolg der Arbeit auch gegenüber chem Unternehmenszwang vom menschlichen Willen, insbe­ sondere der Arbeitsfreude, abhängt. Alleinige Bedingung der Ab­ hängigkeit können Beruf und Betrieb aber nicht sein, weil die Fälle be­ rufsmäßigen Verrichtens von Arbeit in fremdem Betriebe keineswegs die einzigen Fälle der Abhängigkeit sink3), das berufsmäßige Ver­ richten keineswegs ein abhängiges Verrichten sein muß (Direktoren, Beamte), wie die Planmäßigkeit des Unternehmens sich auch auf den Unternehmer selbst erstreckt, der außerdem auch selbst von Gesetz, Wirt­ schaft usw. abhängig ist und der Regelung durch den Staat, die Kar­ telle usw. untersteht. So wird man einerseits bei den Beziehungen der Arbeitnehmer eines Betriebes, eines Verbandes, einer Industrie, andererseits aber auch bei den Unternehmern in diesen Kreisen gegen­ seitige Verknüpfungen beobachten können. Der Betrieb aber fordert zweifellos gerade wegen seiner Dauer eine gewisse Betriebsuntcrworfenheit und damit Abhängigkeit. Mit dem Grade der Betriebs­ verbundenheit einer Arbeit steigt auch 4) die Entpersönlichung und da­ mit natürlich auch die Abhängigkeit des Arbeiters, am meisten in der werkzeuggebundenen Arbeit, „die dem Zufall und der Willkür der Kapitalisten am stärksten überantwortet ist". So erhöht sich die Ab­ hängigkeit um so mehr, je mehr die Beschäftigung des Arbeitenden, insbesondere als Hauptbeschäftigung, in den Betrieb eingeordnet ist5).

*) Jacobi, Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegriffe S. 3 und Anm., Silberschmidt in NAK. a. a. £)., jetzt Molitor, Arbeitnehmer und Betrieb 1929 und Eckhardt, Betrieb und Unternehmer in ZHR. Bd. 94 (1929) S. lf. ') Albrecht in Schmollers Jahrb. Bd. 48 S. 54; dagegen Wehrte, Warencharakter d. Arbeit 1925. •) Vgl. oben S. 27. *) Brauer, Produktionsfaktor Arbeit 1925. ') Molitor, Wesen S. 102f. und ZfN. 1924 S. 398, jetzt Molitor 1929 passim; Lautner a. a. O. S. 61.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

Damit gewinnt nun, insbesondere in Verbindung mit den unter a)

hervorgehobenen Gesichtspunkten, der Unterschied zwischen dem Be­

trieb und dem Unternehmen, insbesondere dem privaten, gewinn­ suchenden Unternehmen **), Bedeutung. Liegt die tiefste Abhängigkeit

bei der Beschäftigung des Proletariers im fremden Betriebe vor, kann auch der höhere Arbeiter und Angestellte sowie der geistige Ar­

beiter, der Störarbeiter, der Heimarbeiter noch abhängig sein, soweit sie tatsächlich Lohn und nicht Unternehmergewinn beziehen, so liegt volle Unabhängigkeit vor, soweit einmal es sich überhaupt nicht um

Lieferung von Kraft für einen andern handelt, sondern um Bezie­ hungen eines Unternehmens zu einem andern Rechtssubjekt und so­ dann, soweit auch die beiderseitige persönliche Tätigkeit auf gleicher

Stufe steht und nicht fremde, auf Arbeit gegründete, Gewalt über Freie in Frage kommt. So wird der von Kaskel3) als Unterschei­ dungsmerkmal ausgeschlossene Unternehmensbegriff doch von Bedeu­ tung, weil eben gerade die Freiheit und Unabhängigkeit es ist, die den

Arbeitnehmer, den Handwerker, den Künstler, den freien Schrift­ steller, die letzteren insbesondere mit Hilfe des Urheberrechts, zum Unternehmer gestaltet3). Vor allem untersteht der Kaufmann*) als Unternehmer niemals dem Arbeitsrecht, auch wenn er als Agent, als Frachtführer usw. persönliche Leistungen macht, Kraftaufwendungen

für andere leistet. In diesem Zusammenhang ist auf eine Begriffs­

bestimmung von Asquini3) hinzuweisen, der das Arbeitsrecht über­ haupt als die Gesamtheit der Rechtsnormen betrachtet, welche die­

jenige Arbeit regeln, die vermöge eines Vertrages einem privaten Unternehmer geleistet wird, nicht aber diejenige Arbeit, bei welcher der Arbeiter selbst Unternehmer ist und selbst, in voller Unabhängig­

keit vom Auftraggeber, organisiert, während er ihm gegenüber nur zu einem opus aus einem Rechte, Beförderungs-, Hinterlegungs-, Auftrags- usw. Vertrage, verpflichtet ist; umgekehrt solle Arbeit im

Sinne des Arbeitsrechts stets vorliegen, „wenn den Arbeitgeber die Organisation und die kaufmännische Gefahr trifft". Die dem privaten, organisierenden Arbeitgeber geleistete Arbeit kann dann

*) Jacobi, Betrieb und Unternehmen S. 17, Silber schmidt in LZ. II S. 1520, Huppert a. a. O.S. 44. 2) Enzyklopädie • S. 30. ’) Silberschmidt, LZ. I und II a. a. O. *) Silb erschmidt a. a. O. *) Sui’ autonomia del diritto di lavoro im Arch. giurid. Bd. 95 (1926) S. 215 f.

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§44. Die Arbeit der Mhängigen.

selbst wieder unabhängig oder abhängig sein. So unterscheidet auch der italienische Schriftsteller, ob der Arbeitnehmer lediglich Aufträge des Arbeitgebers zur Kraftentfaltung für ihn persönlich aus­ führt oder ob er als selbständiger Unternehmer, insbesondere als un­ abhängiger Kaufmann, mit dem Arbeitnehmer im Rechtsverkehre steht und seinerseits die Möglichkeit hat, den Auftrag als einen solchen an das Unternehmen zu betrachten, zu verteilen, abzulehnen, weiter­ zugeben oder ob er als Abhängiger unter der Gewalt des Arbeit­ gebers steht. Ohne weitere Unterscheidung läßt das Schwedische Ar­ beiterschutzgesetz in § 2 2) jede Person Arbeiter sein, die Arbeit für Rechnung eines anderen ausführt, ohne daß sie im Verhältnis zu ihm als selbständiger Unternehmer angesprochen werden kann. Auf der gleichen Grundlage beruht die Unterscheidung 3), ob die Dienste einer bestimmten Person oder der Allgemeinheit, eben vom Unternehmer, angeboten werden. So kann man, wie etwa auch bei Asquini, auf eine weitere Unterscheidung dann ganz verzichten, wenn man jede Arbeit eines Nichtunternehmers für den Unternehmer als Arbeit im Sinne des Arbeitsrechts betrachtet. Nur wird dieser Begriff damit nicht erschöpft, wenn man z. B. auch den nicht kaufmännischen Hand­ werker als Arbeiter betrachtet. Soweit Molitors die Abgrenzung in Unternehmer und Nichtunternehmer für schwierig hält, weil auch der Arbeiter die Werkarbeit zur Verfügung stelle, während doch dieser Arbeiter nur Lohn und niemals Unternehmergewinn erzielt, und weil auch das Merkmal der Einordnung in den Betrieb bei einer aber eben unzulässigen, Ausdehnung des Begriffes Betrieb versage, vgl. unten S. 42 f. Und wenn nun Molitor 1929 schon nach dem Titel die Abhängigkeit auf den Betrieb zurückführt und den Unterschied von mir in meiner Betonung des Unternehmens sucht, so darf ich einerseits für die Gleichstellung der beiden Begriffe auf Eckhardt a. a. O., insbesondere S. 28 f. verweisen, zugleich aber doch darauf, daß die Abhängigkeit durch die wirtschaftlichen Gegensätze begründet und vertieft wurde. c) Wenn hiernach die Bedeutung der Dauer für die Frage der Abhängigkeit festgestellt ist, so erübrigt noch, einigen Ansichten gegen­ über Stellung zu nehmen. a) Nikisch bekämpft den Molitor scheu Standpunkt hinsicht-) Vgl. oben Bd. I S. 24 f., 79 f., II S. 1 s., ferner in Gieses Handwörter­ buch d. ArbW. a. a. O. ') Vgl. Jacobi, Grundlehren S. 49. •) Vgl. unten IV. *) Molitor-Hueck-Riezler, Arbeitsvertrag S. 70. Silberlchmidt, Das deutsche Arbeitsrecht. U.Tetl.

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lich der Bedeutung der Dauer für den Begriff der Abhängigkeit **). Er verlangt zwar einen besonderen Tatbestand, an welchen die ar­ beitsrechtlichen Rechtssätze anzuknüpsen seien, lehnt aber dafür die bis jetzt behandelten Tatbestände ab, wobei er zum Schluffe kommt, daß der Begriff der Abhängigkeit überhaupt nicht fest umschrieben werden samt2). Mit Richter^) behauptet er4) insbesondere, daß die recht­ liche Natur des Arbeitsvertrages nicht von wirtschaftlicher Abhängig­ keit beeinflußt werden könne. Wenn er dabei auf meine Arbeiten da­ für Bezug nimmt, daß ich auch keinen Unterschied zwischen abhängiger und unabhängiger Arbeit anerkenne, so darf ich auf den Inhalt dieses Buches und insbesondere auf die Einleitung des § 44 zur Widerlegung bezug nehmen. Niki sch glaubt aber dann, in dem Be­ griffe des Anstellungsvertrages die Lösung der Frage Abhängigkeit zu finden: er umfasse nicht nur die Angestellten, welche höhere oder doch nicht voriviegend körperliche Arbeit leisten, sondern auch die Ar­ beiter, aber immer nur für zeitbestimmte Arbeit in dem eben fest­ gelegten Sinne5), während die längere Dauer ein Symptom des Anstellungsvertrages sei. Die Konkretisierung der Leistungsverpflich­ tung könne aber auch durch den Arbeiter selbst erfolgen, so daß dieser unter Umständen fast unumschränkte Machtvollkommenheit genieße. Aber doch glaubt Niki sch, daß nur gerade hier der Angestellte seine Arbeitskraft als solche zur Verfügung stelle, ohne daß die einzelnen Leistungen schon festständen und daß damit der Vertrag den Charakter des dauernden Herrschaftsverhältnisses erst erhalte. Zur Widerlegung dieser Ausführungen kann auf das Bezug genommen werden, was gegenüber Jacobi gesagt wurde.

|8) Kann die Dauerverwendung im Betrieb oder Unternehmen erfolgen, so gewinnt diese Unterscheidung dann eine besondere Bedeu­ tung, wenn man aus der sozialen Verbundenheit der Arbeiter mit dem Unternehmer eine besondere Gebundenheit der ersteren her­ leiten will, insbesondere gegenüber den Mitarbeitern in Betrieb und Berus sowie gegenüber den Verbänden der Arbeitnehmer. Besonders Pvtthoff. sieht als „Wesen und Ziel des Arbeitsrechts"B) die „so» ') A. a. C. S. 90 f., für das Folgende besonders 95 nnd 97. ‘) S. 106 s. •) A. a. C. S. 19. *) S. 95. Der Nechtsbegrisf nicht, wohl aber die Art der Ausführung, vgl. oben Bd. 1 ©.51. 5) Vgl. dazu oben Bd. II S. 15 f. e) 1922 und außer dieser Schrift RArbBl. N F. 1922 S. 506 f., ferner int ArbR. 1922 S. 267 f., 397 f., 428 f., 731, 1923 S. 23 f.

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ziale Verbundenheit im Betrieb" an und den Vorrang der Ver­ bandstreue vor der Vertragstreue **). Für den Arbeitnehmer sei nicht die persönliche Vertragsfreiheit die Grundlage seines Rechts­ verhältnisses zum Arbeitgeber, da eine Regelung der Arbeits­ bedingungen durch Einzelvertrag nicht mehr möglich sei, sondern allein in Frage komme der Verband und seine Vereinbarungen. Das ist tatsächlich nicht richtig. Von einem schon kurz berührten andern Standpunkt aus gelangt Albrecht 2) zu dem Schlüsse, daß der einzelne Arbeitleistende sich in Abhängigkeit einerseits von den anderen sachlichen Produktionsfaktoren befinde, insbe­ sondere von dem in den Händen des Arbeitgebers befindlichen Ka­ pital, andererseits aber auch von den andern am Wirtschaftsprozesse Beteiligten, also auch den Mitarbeitern. Aber er scheidet doch selbst die vertikale Bindung, die Abhängigkeit vom Arbeitgeber, von der horizontalen, der Unterordnung unter den Gesamtwillen der Arbeiter. Letztere ist von den Arbeitnehmern im eigenen Interesse freiwillig übernommen, um sich gegen die Macht des Arbeitgebers, gegen die Abhängigkeit von ihm, zu schützen. Diese selbstgeschaffene 'Abhängig­ keit ist keine Abhängigkeit in unserem Sinne, sondern nur eine Wir­ kung der tatsächlichen Abhängigkeit. Der Abhängige sucht unter denen Stützen, die sich in gleicher oder ähnlicher Lage wie er befinden, fei es unter denen, die sich mit ihm int Betriebe desselben Unternehmers befinden, bald einschließlich, bald ausschließlich des letzteren, basd unter Verselbständigung des Betriebes gegenüber dem Arbeitgeber, sei es endlich unter den Arbeitnehmern des gleichen Berufes im ganzen Reiche. Durch diese soziale Verbundenheit wird die Stellung des Ar­ beitnehmers sehr erheblich verstärkt. Andererseits entsteht aber als Folge der Auffassung auch einer horizontalen Abhängigkeit des Ar­ beitnehmers die Lehre von seiner Solidarhaftung, die insbesondere zur Verweigerung des Lohnes von Arbeitswilligen bei Teilstreik führt3). Diese Solidarhaftung wird vom Reichsgericht und anderen^) auf die angeblich durch das Betriebsrätegesetz geschaffene Arbeits- und Produktionsgemeinschaft von Unternehmern und Arbeitern, die Be') ArbR. 1926 S. 374 f, 739 f. 2) Der Produktionsfaktor Arbeit in Schmvllers Jahrb. Bd. 48, S. 45 f. ’) RGZ. Bd 106 S. 272s. und jetzt zusammenfassend Silberschmidt, Der Begriss des Sozialen und das Reichsgericht in der Neichsgerichts-Festschrift Bd. II S. 7f. *) Vgl. Herz in Jhcrings Jahrb. Bd. 74 (1924) 3 27.

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triebsgemeinschaft ’), zurückgeführt, von Simson?) auf die Behaup­ tung, daß im Betriebe die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ohne die gleichzeitige aller anderen wertlos sei und daß deshalb das Angebot des einzelnen Arbeitnehmers nur unter dieser Bedingung als solches gelten könne, was aber nur richtig ist, wenn es ersichtlich so zwischen den Parteien vereinbart ist. Soweit aber das Reichsgericht die Bindung und Haftung aus dem Zusam­ menwirken zu gemeinschaftlichem Zwecke, also dem Bestehen einer Gesellschaft, ableitet, kann von einer Betriebsgesellschaft zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer so lange keine Rede sein, als der Be­ trieb allein dem ersteren zusteht und ihm daher alle erreichten Vor­ teile zukommen, während eine Unternehmungsgesellschaft zwischen Ar­ beitgeber und Arbeitnehmern erst jedenfalls ausdrücklich begründet werden müßte. Das wäre möglich nach der Art der Hausgemein­ schaft in der heutigen Mietgesetzgebung oder indem Preise und Löhne in eine gewisse Verbindung gebracht oder "sonst die Arbeitnehmer ernstlich am Unternehmen beteiligt würden, was aber alles heute noch fehlt, während die Arbeitgeber mit dem Plane der Werksgemeinschaft ohne solche Bindungen vergeblich gegen die Gewerkschaften ankämpfen,

d) Dazu kommen aber Umstände, die das Gefühl der Abhängig­ keit besonders vertiefen. Wenn den Proletarier die Gefahr jederzeitiger Entlassung und Brotlosigkeit kennzeichnet, so wird seine Geistesverfassung noch besonders beeinflußt, abgesehen von dem Be­ trieb an sich, durch den heutigen Großbetrieb, insbesondere mit Ma*) Vgl Rörpel, Die soziale Arbeits- und Betriebsgemeinschaft in „Die Arbeit" 1925 S. 221 f., Vorwerck in Soz.Pr. 1928 S. 145f., Tönnies, ebenda S. 151 f., Albrecht in ConrJahrb. 128. Bd. (1928) S. 530f.

’) Simson, Teilstreik 1923 S. 36 und: Der Solidaritätsgedanke im Arbeits­ recht, ArbR. 1925 S. 417f, 425 dazu Vollbrecht, Betriebsverbundenheit ebenda 1926 S. 767s.,Potthosf, Zur Solidarhaft der Belegschaft in LZ. 1927 S. 1240s., Hein, Grenzen des Kollektivgedankens im geltenden Arbeitsvertragsrecht, JR. 1926 Sp 568 f, Hedemann, Betriebsgemeinschaft als NProblem in Potthoffs Sozialen Problemen des Betriebs 1925, Silberschmidt im RArbBl. N. A. T. 1925 S. 84, 290f, Gbppert ebenda S. 205f., Potthoff ebenda S 289s., Jacobi, Betrieb und Unternehmen als RBegriffe 1925 S. 16 A. 38 Vgl. auch Kupsch, Werkgemeinschast des Nation. ArbGeb. 1925 S. 230f, Großmann ebenda S. 35s., Erdmann in „Die Arbeit" 1925 S. 131 f, Nörpel ebenda S. 223f., Buddeberg im ArbR. 1926 S. 118, Potthoff in IW. 1926 S. 533 ff., Lent, Werksgemeinschaft 1927, Bodmann im ArbR. 1927 S. 901, SozPrax. 1927 S. 54, 268 usw.

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schirren, und hier wieder vor allem durch gewisse **), an die Namen Taylor und Ford sich knüpfende Methoden der Rationalisierung. Mit dem Grade der Betriebsverbundenheit einer Arbeit steigt auch, insbesondere nach den Untersuchungen Brauer s*),'wie wir schon sahen, die Entpersönlichung der Arbeit und damit die Abhängigkeit des Arbei­ ters, am meisten in der an die Betriebsmittel gebundenen Arbeit. Und so erscheint dem Nervenarztes die abhängige Arbeit als die typische Fabrikarbeit.., „als die freudlose, ungesicherte, schlecht bezahlte, von den Produktionsmitteln getrennte, fremder Botmäßigkeit unterstellte, des Aufstieges und der Mitbestimmung sowie des Miteigentums an den Betriebsmitteln und Arbeitsergebnissen entbehrende, den Arbeits­ kämpfen und der Arbeitslosigkeit ausgesetzte Tätigkeit von innerlich leidenden, der Psychotherapie zugänglichen Menschen". In diesem, der Ähnlichkeit gewiß nicht entbehrendem. Bilde sind es auch wieder die wirtschaftlichen Züge, die besonders hervorstechen. Sie sind es, welche die abhängige Arbeit vor der gewöhnlichen Arbeit auszeichnen und zu Gegenwirkungen Veranlassung geben, die einmal in der Selbsthilfe des Arbeitnehmers bestehen können, dann in staatlichen Schutzgesetzen und Einrichtungen, die gesondert zu behandeln sind, und schließlich in Vorschlägen, die darauf abzielen, die Selbständigkeit und Verant­ wortlichkeit des Arbeiters, seine Aufstiegfähigkeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit und damit die Arbeitsfreude zu erhöhen, die Ein­ tönigkeit des Fabrikbetriebes und die Abhängigkeit des Arbeiters zu vermindern, insbesondere durch Gruppenfabrikation, Werkstattaussiedlung^). Durch alle diese Mittel wie durch die soziale Verbunden­ heit der Arbeitnehmer überhaupt soll versucht werden, die gegebene Abhängigkeit zu mildern und tunlichst aufzuheben, keinesfalls sie zu begründen. Die gegensätzliche wirtschaftliche Stellung des Arbeit­ 's Vgl. Gerhardt, Arbeitsrationalisierung und persönliche Abhängigkeit 1925, Rauecker, Die seelischen Wirkungen der Mechanisierung in SozPr. 1925 S. 609, Engländer, Die Angestellten-Erfindung H. 6 der Schriften des Instituts s. ArbR. der Universität Leipzig 1925 S. 55, de Man, Der Kampf um die Arbeitsfreude 1927,dazu ArbG. 1927 S. 502, Muß in Z. f. d. g. Staatsw. 1927 Bd. 82 S. 305f.,

Sombart, „Tie Vergeistung der Betriebe" im Weltw. Arch. Bd. 25 S. 149f., Bodmann im ArbR. 1927 S.901 s. und SozPr. 1927 S. 54f, 268s., 1298f. 2) Der Produktionsfaktor Arbeit 1925 S. 63 f. ’) Eliasberg im Arbeitgeber 1929 S. 69f. *) Lang-Hellpach, Gruppenfabrikation, Rosenstock, Werkstattkommandite 1925 sowie: Lebensarbeit in der Industrie 1926, Rauecker, Arbeitsteilung und Arbeitskultur, Die Arbeit 1927 S. 555.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

gebers und Arbeitnehmers wird von diesen Mitteln vorausgesetzt. Wenn nach der hier vertretenen Auffassung durch diese wirtschaftliche Stellung tatsächlich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeit­ nehmer verschärft, aber begrifflich kein anderes wird als bei Unab­ hängigkeit des Arbeitnehmers, wenn es andererseits durch die ge­ nannten Mittel gemindert wird, so wird in dem unten angeführten Aufsatz von Hein') mit Recht die Ansicht vertreten, daß auch durch die kollektiven Bindungen das Wesen des einzelnen Arbeitsvertrages und des durch ihn begründeten individuellen Vertragsverhältnisses nicht beeinflußt wird.

Je mehr es aber so gelingt, die Stellung des Arbeiters und des Angestellten wirtschaftlich zu bessern, desto mehr tritt dann die wirtschaftliche Abhängigkeit gewisser anderer Gruppen, der Hausarbeit, der Störarbeit, gelvisser geistiger Arbeit usw. hervor, die dann wieder einer besonderen Prüfung unterworfen werden müssen. Mit Recht hebt aher Herz') als Folge der Betriebsgemeinschaft die größere Verpflichtung des Arbeitgebers und damit, zunächst als Reflexwir­ kung dieser Pflichten, die bessere Stellung des Arbeiters hervor, die sich insbesondere aus der Einrichtung des Betriebsrates ergibt, und in der, bis jetzt allerdings meist unerheblichen, Gewinnbeteiligung zu einer wirklichen Unternehmensgesellschaft führen kann. Je un­ günstiger die Stellung des Arbeiters ist, desto größer seine Abhängig­ keit. Man kann dagegen nicht einwenden, daß die Gewerkschaften ge­ rade deshalb gegen Gewinnbeteiligung und Wohlfahrtseinrichtungen in den Betrieben sind, weil dadurch die Arbeiter an letztere gebunden würden. Das ist sicher richtig, aber je ungünstiger die Stellung des Arbeiters ist, desto schwerer kann er auf erlangte Vorteile verzichten und so kann nicht verkannt werden, daß gerade der wirtschaftlich schlecht gestellte Arbeiter durch diese an sich anerkennenswerten Be­ triebswohltaten an den Betrieb gefesselt wird, was natürlich auch mit ihr Zweck ist. Wenn Molitor') aber auf die Abhängigkeit kein entscheidendes Gewicht legen will, weil selbst ein tüchtiger Fabrik­ arbeiter leicht anderweit Arbeit finde, so mag das einmal zutrefsen, entscheiden kann aber doch nur das regelmäßige Verhältnis des Fabrikarbeiters zu seinem Herrn in der Zeit, als diese Fragen prak­ tisch wurden, während oben schon hervorgehoben wurde, daß sich z. Zt.

9 „Die Grenzen des Kollektivgedankens im geltenden Arbeitsvertragsrecht", Jur. Rundschau 1926 S. 568. 2) A. a. O. S. 27. 8) Hueck-Molitor-Riezler, Arbeitsvertrag S. 70.

§44. Die Arbeit der Abhängigen.

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die Stellung des Arbeiters durch die angewendeten Mittel wesentlich verbessert Hat. Und so muß es dabei verbleiben, daß durch den wirtschaftlichen

Gegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerade innerhalb des Betriebes und insbesondere innerhalb des heutigen Groß- *) und

Maschinenbetriebes die an sich in jedem Arbeitsverhältnis liegende Unterordnung diejenige Bedeutung erlangt hat, welche gerade der abhängigen Arbeit zukommt. Dieser Gegensatz kommt auch im Schrift­

tum selbst dort zum Ausdruck, wo seine Maßgeblichkeit, wie bei R i ch ter und Ni lisch*2)* bestritten 45** oder, wie bei Sinz Heimer2), in das

„Verhältnis zwischen Arbeit und Eigentum" verlegt oder wo die Ab­

hängigkeit nur bei erheblicher Unterordnung^) als gegeben angenom­ men oder wo sie als „organisatorische Einordnung in den fremden Betrieb" unvollständig erfaßt totrb8). Da nach der hier vertretenen Auffassung die wirtschaftliche Abhängigkeit eine Verstärkung der stets

vorhandenen persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers darstellt,

so kommen wir der Ansicht von Groh8) nahe, der auf die „wirtschaft­

liche und damit die persönliche Abhängigkeit" den Nachdruck legt. Für Melsbach') entscheidet auch die wirtschaftliche Abhängigkeit mit

besonderer Betonung der Tatsache, daß der „abhängige Arbeiter der Möglichkeit, in einer Hierarchie aufzusteigen, entbehrt, während der unstillbare Drang nach Selbständigkeit die Möglichkeit offen finden

muß, in dem Erwerb der materiellen Grundlagen für die selbstän­ dige Gestaltung des Lebens im übrigen oder die Begründung einer Unternehmerstellung oder aber in dem Erwerb der Selbständigkeit

hinsichtlich der Gestaltung der Arbeit sich auszuwirken".

Stier-

Somlo^ betont einerseits, daß der Arbeitnehmer, in der Regel ohne Kapitalbesitz, im wesentlichen körperliche, in der Hauptsache nur

ausführende oder mechanische Dienste in Form des Arbeits- oder

Dienstvertrages leistet, so daß er wirtschaftlich, bis zu einem ge­ wissen Grad auch persönlich, abhängig erscheint. Als bezeichnend hebt

') Vgl. die Arbeiten von P o u n d, Der eiserne Mann in der Industrie 1925, Weckerle, Mensch und Maschine 1925, Seyler, Mensch und Maschine, Arbeit und Berus 1927 S. 402 f., u. a. über das Verhältnis zwischen Mensch und Maschinen. a) Vgl. oben Bd. 2 S. 34. •) 2. Ausl. S. 22. 4) Jacobi S. 51, Hueck-Nipperdey, Lehrbuch Bd. I S. 37 und A. 13a. 5) Jacobi S. 52 A. 45. «) a. a. O. S. 15. ’) Arbeitsrecht S. 59 und RArbBl. 1922 NAT. S. 474. ’) Großer Komm. z. RVO. 1,1915 S. 399 f. u. Ges. über AVAV., 1928 S. 39 f.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbettsrecht im engeren Sinne.

Qctcobi1)*hervor, * daß in der Anleitung des Reichsversicherungsamts über den Kreis der in der Arbeiterversicherung versicherten Per­ sonen^) vom 26. April 1912 wirtschaftliche und persönliche Ab­ hängigkeit noch alternativ als Voraussetzungen des Beschäftigungs­ verhältnisses genannt werden, während „ein Jahr später" in der gleichen Anleitung der Reichsversicherungsanstalt für Angestellten­ versicherungs), tatsächlich vom 26. Juni 1912, persönliche und wirt­ schaftliche Abhängigkeit nebeneinander als solche Voraussetzung be­ zeichnet werden und diese kumulative Wendung ihren Eingang in die neueren Bestimmungen des Arbeitnehmerbegriffs, wie im einzelnen dargetan wird, gefunden hat4).* 6 Wenn Jacobi dagegen ankämpft, so haben wir gesehen, daß sein auf Ni lisch gestütztes Unterschei­ dungsmerkmal vollständig versagt. Es haben denn auch, wie noch auszuführen sein wird, inzwischen die Arbeitsgerichte, insbesondere auch das Reichsarbeitsgericht, die persönliche und wirtschaftliche Ab­ hängigkeit als Voraussetzung der „abhängigen Arbeit" in ständiger Rechtsprechung übernommen.

IV. So fragt es sich, was im einzelnen unter den Begriff der abhängigen Arbeit zusammenzufassen ist. Dabei muß man vom Be­ griffe der Abhängigkeit ausgehen und sie nach dem Ausgeführten einteilen 1. in die betriebliche ">) und 2. in die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit. Zu 1 kämen alle denkbaren Betriebe in Frage: öffentliche und private, letztere wieder in gewerbliche und gemeinnützige zerfallend, sowie die gemischt-wirtschaftlichen Unternehmungen. Alle Arbeit­ nehmer dieser Betriebe mit Ausnahme des staatlichen Beamtentums uüd derjenigen Personen, die selbst Unternehmer sind, fallen unter die abhängige Arbeit. Von besonderer Bedeutung sind die dem Be­ triebsrätegesetz (§ 9) unterstellten Betriebe, Geschäfte und Verwal­ tungen des öffentlichen und privaten Rechts. Als Arbeitnehmer dieser Betriebe kommen alle jene in Betracht, welche, in den Betrieb eingegliedert, persönlich Kraft für ihn auszu') S. 52 A. 46. -) A. N. 1912 S. 721 f. Ziff. 10. •) AngestV. 1913 S. 62 f. 4) Vgl. dazu Hueck-Nipperdey, Lehrbuch Bd. I S. 25 und LAG. Hannover in Rspr. 1928 Nr. 1300. 6) Vgl. oben Bd. II S. 30 und nunmehr Molitor 1929 passim.

§44. Die Arbeit der Abhängigen.

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wenden haben'). Das sind zunächst, schon nach § 10 BRG. und § 5 ArbGG. sowie § 20 der VO. vom 12. Febr. 1920: oO Arbeiter, einschließlich der Gesellen, Gehilfen und Lehrlinge (vgl. auch §§ 165 Ziff. 1, 544 Ziff. 1, 1226 Ziff. 1 RVO.) und ß} Angestellte, insbesondere auch nach § 12 BRG. und §§ 1 der VO. vom 12. Febr. 1920, Personen, die eine der in 8 1 Abs. 1 AGVG. angeführten Beschäftigungen gegen Entgelt ausüben einschließlich der Lehrlinge und der mit niederen oder lediglich mechanischen Dienstleistungen beschäftigten Büro-Angestellten, ;■) Angehörige der Schiffsbesatzung. Es muß sich aber stets um Arbeitnehmer handeln. Das ist nicht der Fall bei allen denen, die nicht oder nicht nur persönliche Kraft für andere aufzuwenden haben, körperliche oder geistige Krafts), nämlich nicht aa\ bei den schon genannten öffentlichen Beamten8) und den An­ gehörigen des Reichsheeres und der Reichsmarine, die dem Staate ihre ganze Persönlichkeit unmittelbar oder mittelbar widmen, von der die Arbeit nur einen Teil bildet, aber auch nicht ßß) bei allen denen, deren Tätigkeit in ähnlicher Weise einem höheren Berufe dient, wie etwa auch nach § 10 Ziff. 2 BRG. nicht als Arbeitnehmer gelten Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerbe dient, sondern mehr durch Rücksichten der körperlichen Heilung, der Wiedereingewöhnung, der sittlichen Besse­ rung oder Erziehung oder durch Beweggründe charitativer, religiöser, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art bestimmt wird. Auch hier erscheint die Arbeit nur als Teil der Gesamthingabe des Menschen unv wird von ihr aufgesogen. Deshalb wurde z. B. die ArbeitnehmerEigenschaft der Rotkreuzschwester und der Diakonissin, die zum Teil auch nur ein Taschengeld als Entlohnung beziehen, schon von der Versicherungsrechtsprechung 4) mit Rücksicht auf die sittlichen und religiösen Beweggründe in der Hauptsache verneint und ähnlich hat im Bereiche des Arbeitsrechts der Reichsarbeitsminister8) entschieden. Dieser hat in seinem Schreiben vom 31. Dez. 19256) auch den Künst') Vgl. oben Bd. II S. 4. s) Vgl. Silberschmidt, LZ. II a. a. O. S. 1507, Molitor im Schlichtungsw. 1926 S. 6 f., 26 f. •) Vgl. oben Bd. II S. 4,5» ArbGG., Pott hoff im ArbR. 1827 S. 845 s. *) Anleitung des RBA. a a. O. Ziff. 20 b und 23 f. ‘) NArbBl. 1921 A T S. 250. •) NZfArbR. 1926 S. 303.

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ler nur dann als Arbeitsnehmer im Sinne des § 5 ArbGG. erklärt, wenn er sich gegen Entgelt zu einem Auftreten bei einem bestimmten Unternehmer verpflichte: bediene er sich nur eines Mittlers aus wirt­ schaftlichen Gründen, so sei er nicht einmal „arbeitnehmer-ähnliche" Person. In Zweifelsfällen wird die Verkehrsanschauung über die Person des Veranstalters und die Stellung des Künstlers maßgebend sein. In ähnlicher Weise hat schon das soziale Versicherungsrecht, das für Lehrer, Erzieher, Bühnen- und Orchestermitglieder besondere. Bestimmungen hat, hinsichtlich der künstlerischen und wissenschaft­ lichen Betätigung, für Adventistenprediger, Hausgeistliche ufro.1) ent­ schieden.

Hilfsweise darf hier auf steuerliche Bestimmungen Bezug ge­ nommen werden2 ). Nach § 26 des Reichsbewertungsgesetzes vom 10. Aug. 19253j wird unterschieden, ob ein Beruf der reinen Kunst oder der reinen Wissenschaft oder nur der Anwendung und Aus­ übung von Grundsätzen der Kunst oder der Wissenschaft dient. Im ersteren Falle sind diese, Kunst und Wissenschaft, Selbstzwecke oder alleinige Zwecke, bei' Beschränkung auf schöpferische und for­ schende Lehr-, Vortrags-, Prüfungs-, schriftstellerische und allen­ falls geringe Gutachtertätigkeit gibt es keinen gewerblichen Betrieb und kein Betriebsvermögen, da hier jeder Erwerbszweck als solcher ausgeschlossen ist. 7'/) diejenigen, welche selbst als Unternehmer dem Arbeitgeber gegenüberstehen und entweder

aa) zwar Arbeit leisten, aber nicht als persönliche Verpflichtung, sondern als solche des Unternehmens, so daß diese Leistung organi­ satorisch auf andere abgewälzt werden kann, oder bb) zunächst zwar die Leistung der Arbeit zusagen, tatsächlich aber nur den auch von andern zu ermöglichenden Erfolg versprechen und leisten, z. B. wenn die Fabrik Anzüge von durch sie gestelltem Stoff zu liefern hat, ohne daß die persönliche Leistung der Arbeit vereinbart wird. In diesen Fällen liegt, wie schon o6en4) her­ vorgehoben wurde, Kauf, allenfalls Werklieferungsvertrag 5), vor und es finden die Vorschriften des HGB. und nicht des Arbeitsrechts ') AnleU. des NVA. Ziff. 24,47,70,71, desRAsAngstV. Zisf.3,13 (Stadtmiss.). 2) Silberschmidt, Beruf und Gewerbe in den Volkswirtschaftl. Blättern 1927 S. 69 f. •) RGBl. I S. 214 f. *) Bd. I S. 24 und Bd. II, S. 7 s. °) Vgl. 88 651 HGB., 381« und 406 n HGB.

§44. Die Arbeit der Abhängigen.

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in allen Fällen Anwendung, in denen das in Frage kommende Rechtsgeschäft auch nur für den einen Vertragsteil Handelsgeschäft ist'). Wenn Nipperdeys, gegen die Ausscheidung der arbeits­ rechtlichen Handelsverträge aus dem Arbeitsrecht Widerspruch er­ hebt, weil die Einreihung unter den handelsrechtlichen Kaufmanns­ begriff nicht ausschließe, daß es sich um Tatbestände der Arbeit handle, es unverständlich sei, warum der Werkvertrag mit dem Fa­ brikanten nicht zum Arbeitsrechte zu rechnen sei, wohl aber der Werk­ vertrag mit dem Handwerker, wenn weiter auch Molitor^) den (Gegensatz zwischen Handelsrecht und Arbeitsrecht von dem jüngeren Rechtsgebiete des Arbeitsrecht aus lösen will, so nötigt das zu einer grundsätzlichen Erörterung über die Abgrenzung der Tätigkeit des Arbeitnehmers von der des Kaufmanns und gewisser Handwerker.

A. Arbeitnehmer und Kaufmann. Während der Arbeitnehmer Kraft für einen andern aufzu­ wenden hat, liegt es dem Kaufmann ob, den Absatz und den Ver­ kehr von Sachen, den Waren, zwischen dem Hersteller und dem Ver­ braucher zu vermittelnd, „die Unternehmungslust anzuregen, ein leichtes Anknüpfen und ein rasches, reibungsloses Abwickeln der (Ge­ schäfte zu ermöglichen"^,. Diese Vermittlung setzt nun freilich auch eine Tätigkeit voraus, die von einem selbständigen Unternehmer oder einem unselbständigen Nichtunternehmer ausgehen kann.

al Nehmen wir als Beispiel des ersteren Falls die Vermitt­ lungstätigkeit des bürgerlichen Agenten, Handlungsagenten, Hand­ lungsmaklers, Kommissionärs usw.! Der bürgerliche Agent, Geschäfts­ vermittler, macht aus dieser Vermittlung zwar auch ein Gewerbe und die Vermittlung stellt für ihn einen Werkvertrag dar, aber er ist regelmäßig persönlich als geschickter Geschäftsvermittler beauf­ tragt, muß bann persönlich tätig werden und sein Werkvertrag, so­ weit nicht überhaupt Dienstvertrag vorliegt, ist dann Arbeitsvertraa i. w. S.6). Er erhält die Vergütung, wenn durch seine persön*) §§ 343 Nlld 344 HGB. sowie Artikel »Handelsrecht und Arbeitsrecht" in Gieses Hdwb. a. a. £. ’j NZsArbR. 1927 S. 41 f.

’) Handelsrecht und Arbeitsrccht in ZBH. 1928 S. 32 f., dagegen Asquini vorher S. 30f. und allgemein oben S. 4 und Silberschmidt, Handelsrecht und ArbR. in Gieses Handwörterbuch, jetzt die ständige arbeitsrechtliche Recht­ sprechung. **) Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts, Bd. I 1875 S. 1 f •) Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 1928 S. 48. •) Vgl. oben Bd. I S. 15, 52 f„ 64 f., 84 f., 228 f.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

liche Tätigkeit der Vertrag zustande kommt. Nun kann freilich auch

Stellvertretung bei diesem bürgerlich-rechtlichen Vertrag erlaubt und die Vergütung zugesagt sein, wenn nur der Erfolg durch das be­ treffende Büro herbeigeführt wird. Hier wird es Frage des Einzel­ falls sein, ob nur Stellvertretung des persönlichen Kraftaufwands oder reine Erfolgsvergütung in Frage kommen soll, Arbeitsrecht

oder Nichtarbeitsrecht, wobei der Unterschied juristisch kaum in die Wage fällt. Anders beim Handlungsagenten, Handlungsmakler, Kommissionär! Hier kommt niemals Arbeitsrecht, sondern nur Han­

delsrecht in Frage und zwar ist dies von Bedeutung nicht nur für das Arbeitsrecht i. w. S., sondern besonders auch für das Recht der abhängigen Arbeit, weil auch die Frage: ob Handlungsagenten, Handlungsmakler, Kommissionäre usw. im Einzelfall arbeitnehmer­ ähnliche Personen darstellen und deshalb den Arbeitsgerichten unter­ stehen, wohl regelmässig zu verneinen ist1). Diese, für die Recht­ sprechung der Arbeitsgerichte grundlegende Frage war deshalb hier und nicht schon oben unter I des § 44 zu erörtern. Der Bezugnahme auf das positive Recht, welches die Anwendung

des Handelsrechts fordere und damit die des Arbeitsrechts aus­ schließe, setzt Molitor*) zwei Gründe entgegen. Den einen, der Behauptung, die Abgrenzung müsse vom Arbeitsrecht als der jün­ geren Wissenschaft aus erfolgen, ist zu entgegnen, daß das HGB. diese Abgrenzung in seinen §§ 343—345 getroffen hat und daß es dabei solange sein Bewenden haben muß, als nicht eine dem Art. 2 EG. HGB. entsprechende Abänderung, etwa in einem Arbeitsgesetz­

buch, erfolgt; das ist aber bisher nicht geschehen und auch in dem E.AABG. § 169 nicht in Aussicht genommen, wo nur die §§ 59 bis 75 f. HGB. aufgehoben werden sollen. Und wenn Molitor in seinem zweiten Grunde das bestehende Recht durch die Behaup­ tung ad absurdum führen will, niemand denke daran, die An­ stellungsverträge eines industriellen Unternehmens, das nach § 2 HGB. Kaufmann sei, unter das HGB. fallen zu lassen, so sind alle solche Anstellungsverträge für den Kaufmann nach § 2 zweifellos Handelsgeschäfte b). Darüber war sich schon das ROHG. vollständig ") Bgl.Silberschmidt in LZ. II a. a.O. S. 1514f. ') ZBH. 1928 S. 33. ’) Staub Anm. 35 zu § 59 HGB., Lehman n-Hoe Niger, Lehrbuch des Handelsrechts 1922 S. 152 A. 5, Ehrenberg in seinem Handbuch des Handels­ rechts Bd. 2 S. 89, Titze ebenda S. 65, Müller-Erzbach a. a. O. S. 64. Bgl. auch Rspr. des ArbR. 1928 Nr. 395/6, insbesondere schon ROHG. Bd. 11

§44. Die Arbeit der Abhängigen.

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einig. So behandelt auch Wüstendorf er L) den Arbeitsvertrag des Handelsschiffskapitäns vollständig auf der Grundlage des HGB., in dem „mehr und mehr die sozialpolitischen Schutzgedanken durchge­ drungen finb"2), so daß „auch der seerechtliche Manteltarif von 1924 die Bedingungen des HGB. für das Rechtsverhältnis zwischen Kapitän und Reederei maßgebend erklärt". Daß aber das HGB. in den Vorschriften der §§ 343 f. auch die arbeitsrechtlichen Verträge seinem eigenen Recht unterwirft, das vielfach, insbesondere in den Bestimmungen der §§ 59 f. Arbeits­ recht enthält, hat seine guten Gründe. Im Handel tritt die Tätig­ keit hinter den Erfolg zurück und vor allem ist es hier das Unter-« nehmen und häufig ein gänzlich unpersönliches Unternehmen, das die Vermittlung zusagt und betätigt, niemand denkt an eine persön­ liche Besörderungs- oder Begleitungsverpflichtung des Eisenbahn-, Dampfschiffahrtsunternehmers, auch wenn er einmal etwa ein Ein­ zelkaufmann sein sollte. Müller-Erzbachs) hat darauf hinge­ wiesen, daß dem Handel, insbesondere dem Welthandel, die Eigen­ schaft innewohne zu entpersönlichen sowie zu normalisieren und typi­ sieren: die Person, der Vertrag, die Ware verliere ihre individuelle Bedeutung. So wird der Werkvertrag im Handel zum Handelskauf, auf den nur hilfsweise in einzelnen Fällen Grundsätze des Werk­ vertrages Anwendung finden. Wenn Endemann4) einst gelehrt hat, der Werkvertrag von Kaufleuten regle sich nach bürgerlichem Recht, so mußte er5') sofort hinzufügen, das neue HGB. nehme in § 381II eine neue Grenzziehung vor. Sie gibt Antwort auf die obige Frage Nipperdeys5),* warum der Werkvertrag des Kauf­ manns nicht ins Handelsrecht gehören solle. So führt gerade die Bekämpfung des Lotmarschen Standpunkts, daß Agentur-, Mak­ ler-, Kommissions-, Speditions-, Lager-, Frachtvertrag vom HGB. ausgebildete und geregelte Typen des Arbeitsvertrages seien'), zu dem Ergebnis, daß das Arbeitsrechtliche durch das Handelsrechtliche aufgelöst werde, wofür dann die positiven Bestimmungen8) der S. 56 und 388: „Auch der Fabrikbetrieb ist als Teil des Handelsgewerbes anzu­ sehen". ') NZfArbR. 1925 S. 29 f. a) S. 32. ') „Das Unpersönliche des Welthandels", ZHR. Bd. 86 (1923). S. 121 und Deutsches Handelsrecht Bd. II1 S. 548 f. *) Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 6. Ausl., Bd. 1 S. 789. °) A. 16. «) Oben S. 10. ’) a. a. O. Bd I S. 301 f. und 302 A. 1, Bd. II S. 876 und A. 3. 8) Vgl. insbesondere auch §§ 381! 406" HGB. mit § 651 BGB.

Zweiter Zeit. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

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§§ 343ff. nur die letzten Folgerungen darstellen. Danach führt die Absorption des Arbeitsbegriffs durch den Veräußerungsbegriff so­ wie ganz allgemein den Handels- und Verkehrsbegriff dazu, daß nicht die Grundsätze des Arbeitsrechts und allenfalls der Arbeits­ gerichtsbarkeit, sondern die des Handelsrechts und allenfalls der Handelsgerichtsbarkeit Anwendung finden. Liegt ein Handelsgewerbe vor, so treten damit die oben1) geschilderten Folgen ein. Das Recht des kaufmännischen Unternehmens wird so bedeutungsvoll, daß es auch die Arbeitsgeschäfte des Kaufmanns ergreift und die handels­ rechtlichen Geschäfte find so typischer Art, daß die Vorschrift des § 345 erlassen werden konnte: das Recht des Unternehmers erfaßt alle mit ihm in Beziehung getretenen Subjekte. Dabei find noch zwei Gesichtspunkte hervorzuheben. Einmal daß die Verträge des Arbeit­ nehmers mit dem Unternehmen zwar schuldrechtlicher Art find, daß aber doch das Zusammenarbeiten der Angestellten mit dem Arbeit­ geber zum gemeinschaftlichen Betriebszweck, wenn auch nicht auf ge­ meinschaftliche Wag und Gefahr, ein gesellschaftliches Moment ent­ hält, das ebenfalls vom personenrechtlichen Standpunkt aus die Unterstellung der Arbeitsverträge unter das Recht des Unternehmers rechtfertigt und dann der früher schon erwähnte, von Lotmar'Z dargetane Rechtssatz, daß der im Betriebe des Arbeitgebers abge­ schlossene Akkord, an sich Werkvertragsakkord, zum Dienstvertrags­ akkord werde, weil die Arbeit einem Produzenten geleistet werde, un­ mittelbar dem Betriebe zukomme, ein Bestandteil des Betriebes werde. „Das liegt auf der Hand beim Akkord des Prinzipals mit dem Handlungsgehilfen"3). Wie schon oben4) * hervorgehoben wurde, steigt mit dem Grade der Betriebsverbundenheit die Entpersönlichung der Arbeit, insoweit werden die Untersuchungen Müller-Erz­ bachs durch die Brauers ergänzt und in neuester Zeit hat Sinz­ heim e r 6) auf die fortschreitende Entpersönlichung der individuellen Rechte des Menschen unter dem Einflüsse der kollektiven Rechte hin­ gewiesen. Die Frage, ob ein Arbeitsvertrag vorliege, ist eben in her­ vorragendem Maße persönlicher Art: wenn der Arbeitnehmer Kauf­ mann, selbständiger Unternehmer, ist, oder mernt doch Kaufmanns­ recht auf ihn anzuwenden ist, scheidet die Anwendung arbeitsrecht*) ’) ') 6)

Bd. I S. 24 und insbesondere auch für das Folgende LZ. II a. a. O. a. a. £. Bd. II S. 896, vgl. oben Bd. I S. 330. Lotmar o. a. O. S. 897. «) Bd. II S. 36. „Der Wandel im Weltbild des Juristen"', ZssozialR. 1928 S. 4 f.

§44. Tie Arbeit der Abhängigen.

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licher Grundsätze auf ihn aus. Dieser Gedanke, der vor allem dem Lotmarschen Standpunkt hinsichtlich des Agenten, Kommissionärs usw. entgegensteht, ist gerade in den letzten Jahren bei der Frage, wohin die Agenten gehören, zum Durchbruch gekommen und zwar Ende des Jahres 1925 im Vorläufigen Reichswirtschaftsrat, als er beschloß, „Agenten, Makler und dergleichen" von der Zuständigkeit

des Arbeitsgerichts dann auszuschließen, soferne sie selbständige Kaufleute sind"*). Der Beschluß ist um so be­

merkenswerter, als vorher der Arbeitsrechtsausschuß beim Reichsarbeitsministerinm nach dem Vorgänge Potthoffs?) versucht hatte, „Handlungsagenten, gewöhnliche Agenten und ähnliche geistige Arbeiter ^) dem Arbeitsrecht zu unterstellen, aber an dem Wider­ stände dieser Kreise gescheitert>war*). Ter Beschluß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats ist nun zwar nicht ausdrücklich in das Gesetz ausgenommen worden, die Frage der Selbständigkeit war aber nun­ mehr und zwar von Seite der sachverständigen Praxis als entschei­ dendes Schibboleth aufgestellt worden: der selbständige Kaufmann

ist als Unternehmer der Gegensatz zum abhängigen Arbeitnehmer. Dem gegenüber dem bürgerlichen Recht typisierten und entpersönlich­ ten Handelsrecht als abstraktem Unternehmerrecht steht das noch

weiter entpersönlichte kollektive Arbeitsrecht als abstraktes Betriebs­ recht gegenüber. b) Damit sind wir zur Besprechung des zweiten Falles gelangt, wenn die Vermittlungstätigkeit im Handel durch einen unselbstän­ digen Nichtunternehmer geleistet wird, wenn also der Kaufmann diese Tätigkeit durch sein eigenes Personal ausüben läßt, insbesondere

seine Handlungsgehilfen, Reisenden usw. Nur ist mit der Bezeich­ nung, auch etwa dem Eintrag ins Handelsregister^) allein, nichts getan, entscheidend ist die Frage, ob wirkliche Selbständigkeit vor­ liegt oder nicht, was in der Praxis meist mit der Frage zusammen­ fällt, ob jemand Handlungsagent ist oder Handlungsgehilfe. „Maß­ gebend ist nach ständiger Rechtsprechung auch des Reichsgerichts lRGZ 87 S. 242) das Maß der persönlichen Selbständigkeit*). Der

*) GKG. 1926 Sp. 178. -) ArbR. 1921 S. 151. ') Baum im ArbR. Bd. VII S. 253 f. «) Dorn in ZsdgesVWiss. 1922 S. 181 f., Silberschmidt, ebenda 1923 S. 27 f. 5) Rspr. (— Pott hoff-Jadesohn-Mei singe r) des ArbR. 1928 Heft 6 Nr. 1298/1301, Heft 7 Nr 1799, 8 Nr. 1937,10 Nr. 2456/7,11/12 Nr. 2786,2799.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

gewichtigste Anhaltspunkt für unselbständige Arbeit ist die Verpflich­ tung zur Innehaltung einer bestimmten Arbeitszeit" x). Als Kennzeichen des kapitalistischen Unternehmertums bezeich­ net Sombart**), daß der Einzelne am geschäftlichen Erfolg un­ mittelbar beteiligt ist und daß er in der Lage ist, die Geschäftsführung unmittelbar zu beeinflussen. Während das erste Kriterium im vor­ liegenden Falle versagt, weil z. B- auch der angestellte Agent Pro­ vision beziehen sann3), ist das zweite, die Möglichkeit selbständiger Beschlußfassung und Organisation, von um so größerer Bedeutung. Der Handlungsagent leitet selbständig sein Unternehmen, der Hand­ lungsgehilfe ist in ein fremdes Unternehmen eingegliedert und hat den Anweisungen des Leiters zu folgen4). So läßt auch das Reichs­ arbeitsgericht diese Selbständigkeit zwischen Agent und Handels­ gehilfen entscheiden. Vor allem kommt in Frage, ob der Vermittler eine Verwaltungstätigkeit für den Geschäftsherrn entfaltet, dessen Weisungen und Aufträgen, insbesondere auch hinsichtlich der Art der Geschäftsführung und hinsichtlich der in Frage kommenden Geschäfte, auszuführen hat oder ob er selbst bestimmen kann, welches Geschäft und wie er es unternehmen will3). Die Zusicherung einer bestimmten Ein­ nahme, Spesen-, Miet-Zuschüsse usw., sprechen für die Abhängigkeit'). Die schon erwähnte „Anleitung"3) des Reichsversicherungsamts ist schon von der gleichen Unterscheidung ausgegangen und hat darauf hin­ gewiesen, daß derjenige, der die übernommenen Arbeiten nicht persönlich zu verrichten braucht und mehr den wirtschaftlichen Erfolg zu vertreten hat, der für eine größere Anzahl von Auftraggebern tätig sein darf, in der Regel selbständiger Kaufmann sein wird. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des größeren Teils der Arbeitsgerichte3). Da

endlich das Unternehmen selbst sich darstellt als die Vereinigung von *) Rspr 1928 Nr. 2456. *) »Ter kapitalistische Unternehmer" im ArchfSozW. und SozPr. Bd. 29 (1909) S. 689 f., 717 s. ') Vgl. oben III S. 18. *) Ähnlich Molitor, ZBH. a. a. O. S. 37. fi) Bensheimer, Samml. Bd. II S. 232. 6) Vgl. Kersting in der Beilage „Der Versicherungsvertreter* 1928 S. 22 s. zu „Versicherung und Geldwirtschaft*. Vgl. auch Rspr. d. ArbR. 1928 3. Heft Nr. 334. ') Ebenda 2. Heft Nr. 136, 6. Nr. 1295/1301, 8. Nr. 1937, 10. Nr. 2456, 11/12. Nr. 2799. ’) Ziff. 16 h, 16 g, 61. 6) Vgl. insbesondere ArbG. Köln, 26. Juni 27, Rspr. H. 6 Nr. 1518, Hildes­ heim, 7. Sept. 27, ArbG. 1927 S. 372, bestätigt durch LArbG. Hannover, 25. Okt. 27, ArbG. S. 412 und Rspr. H. 6 Nr. 1300/1, ArbG. Frankfurt a. M, 7. Okt. 28,

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persönlichen, sachlichen und immateriellen Mitteln durch ein Rechts­ subjekt zum Zwecke der Befriedigung eines wirtschaftlichen Bedürf­ nisses **), so wird es auf die Unternehmerstellung deuten, wenn der Vermittler persönlich solche Mittel bereitstellt, die Pläne für die Aus­ führung nach eigenem Gutdünken entwirft usw.

Die Frage des Unternehmers und Nichtunternehmers ist damit aber noch nicht völlig gelöst, es muß auch das Verhältnis im Betrieb zwischen B. Arbeitgebern einerseits und Hausgewerbetreibenden sowie Zwischenmeistern, ferner C. Handwerkern und D. sonstigen Arbeit verrichtenden Personen andererseits erörtert werden. Zu B. Hausgewerbetreibende sind, im Gegensatze zu den ab­ hängig, aber in eigener Werkstatt Beschäftigten, selbständige Ge­ werbetreibende, die in eigenen Betriebsstätten im Auftrag und für Rechnung anderer Gewerbetreibender gewerbliche Erzeugnisse herstellen oder bearbeiten, ferner diejenigen, welche in gleicher Weise, aber mit der Maßgabe tätig sind, daß sie im Auftrag oder für Rechnung öffent­ licher Verbände, öffentlicher Körperschaften oder gemeinnütziger Unter­ nehmungen arbeiten, beide Gruppen auch dann, wenn sie die Roh­ oder Hilfsstoffe selbst beschaffen, also eine gewisse Unternehmertätig­ keit entfalten, sowie für die Zeit, in der sie vorübergehend für eigene Rechnung arbeiten2). Auch hier ist die RVO. vorausgegangen und zwar mit ihrem § 162, wo insbesondere das Tatbestandsmerkmal des Arbeitens der selbständigen Gewerbetreibenden im Auftrag und für Rechnung anderer Gewerbetreibender erscheint. Die Anleitung des RVA?) weist deshalb schon den Hausgewerbetreibenden eine Mittel­ stellung zwischen Lohnarbeiter und selbständigen Gewerbetreiben­ den an, sie hätten, wie im einzelnen ausgeführt wird, die wirtschaft­ liche Abhängigkeit mit den Lohnarbeitern, die persönliche Selbständig­ keit mit den Gewerbetreibenden gemein. Im § 5 Abs. 1 ArbGG. sind Rjpr. H. 4 Nr. 540, y. 6 Nr. 1298/9, bestätigt d. LArbG das., 22. Sept. 27, Nr. 1301, ArbG. Kassel, 26. Sept. 27, NZsArbR. 1928 S. 115, besonders RArbG. in Rspr. 1929 Nr. 1365. *) Jacobi, Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegrisse 1926, 20, Silberschmidt, NAK. v. 1. Juni 1928. s) Vgl Anleit. Zifs. 51, A, III. *) Zifs-15. Silberschmidt, Tas deutsche Arbeitsrecht. II. Teil. 4

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deshalb die Hausgewerbetreibenden den Arbeitnehmern gleichgestellt. Sie sind ganz selbständig und nicht „Hausgewerbetreibende", wenn sie unmittelbar für den Verbraucher oder allein auf Vorrat arbeiten oder ihre Dienste jedermann anbieten H.

Nach § 18 des Hausarbeitsgesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1923 *2)* werden sonstige Hausgewerbetreibende oder Zwischenmeister (Faktoren, Ausgeber oder sonstige Zwischenpersonen), die den über­ wiegenden Teil ihres Verdienstes aus der eigenen Arbeit am Stück be­ ziehen, den Hausarbeitern im Sinne der §§ 19—29,31—41, 45—48 bei Bedürfnis gleichgestellt. Nach § 5 Abs. 1 ArbGG. sind auch die durch den Relativsatz gekennzeichneten Zwischenmeister den Arbeit­ nehmern als arbeitnehmerähnlich gleichgestellt. Nach Ziff. 2 der Richtlinien ’) zu § 181. c. ist Selbständigkeit nur dann gegeben, wenn die Arbeit für eigene Rechnung überwiegt. Die Zwischenstellung liegt hier wie bei den vom ArbGG. ausdrücklich genannten Zwischenmeistern klar zutage. Als solche Zwischenmeister erscheinen auch Unterakkord­ meister und Schachtmeister 4). Zu C und D. Den Hausgewerbetreibenden sucht5)6man in neuester Zeit, worauf Sinzheim er in der 2. Auflage seiner „Grundzüge" hinweist, das sog. Lohngewerbe arbeitsrechtlich gleichzustellen und zwar sollen als Lohngewerbetreibende in diesem Sinne nach einem Referat des Syndikus Dr. Richter auf der Erfurter Gründungsversammlung des Reichsverbandes des Lohngewerbes der Deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie vom 17. Jan. 1926 — Verbands­ organ: „Das Lohngewerbe" — angesehen werden: mittelständische Kleingewerbetreibende, die entweder als reine Arbeitsvermittler (Aus­ geber, Faktoren, Zwischenverleger) oder in eigenen Werkstätten, Ar­ beitsstuben, als sog. Lohnmaschinenbesitzer, Heimgewerbetreibende, Werkstätteninhaber, Zwischenmeister und Lohnhandwerker tätig werden.

Wenn man aber näher zusieht und insbesondere die Entwicklung in der Sozialversicherung verfolgt, ergibt sich einerseits, daß diese *) Ebenda Ziff. 51. 2) RGBl. I S. 472. •) RMBl. 1925 S. 329. 4) RsprdArbR. 1928 3. Heft Nr. 335,10. Nr. 2773. Vgl. auch Erdet, "Polier" in der Kartenauskunftei und »Die Rechtsstellung der Poliere und Schachtmeister", ArbGel. 1928 S. 313 f. 6) Schlechthin den Zwilchenmeistern stellt sie W a r n e k e in NAK. »Zwischen­ meister I" vom 1. Mai 1927 gleich, mit Unrecht.

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Fragen schon seit langer Zeit ausgeworfen werden und andererseits, daß dabei doch weiter unterschieden werden muß. 1. Ter Begriff des Lohnhandwerks, Arbeitshandwerks« hat sich int Gegensatze zu dem der Lohnindustrie für das Bearbeitungsgewerbe im Sinne des § 1 Abs. 2 Ziff. 2 HGB. herausgebildet, wenn es den Umfang des Handwerks nicht überschreitetl).* *Ter Lohnhandwerker ist also, im Gegensatze zum Umsatzhandwerker der Ziffer 1, niemals Kaufmann und die Beschaffung von Zutaten allein inacht nicht zum Umsatzhandwerker. Während nun die letzteren und die auf den Um­ fang des Handwerks beschränkten Druckereien im Sinne der Ziff. 9 des § 1 sowie die Umsatzkleinbetriebe nach § 1 Abs. II Ziff. 1 und nach § 4 HGB. doch ganz regelmäßig selbständige Unternehmungen darstellen, im Falle des § 4 allerdings als Kaufleute minderen Rechts, und während man bei „handwerklichen Großbetrieben" dieser Art sogar die Ansicht vertreten kann, daß dann in gewissen Fällen der handwerkliche Charakter nicht aufrecht zu erhalten ist und Boll­ kaufmannseigenschaft nach § 2 HGB. eintritt, wenn der Umfang und die Art des Handwerks verlassen ist4),5 bleiben große Gruppen der Arbeitshandwerker Nichtunternehmer und Arbeitnehmer. Wenn diese Lohnhandwerker nur für einzelne bestimmte Arbeitgeber tätig und insbesondere, wenn sie in deren Betriebe eingegliedert werden, ver­ schwindet regelmäßig ihre Selbständigkeit so weit, daß sie als „arbeit­ nehmerähnliche Personen" den Arbeitnehmern gleichstehen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn ihre Tätigkeit nicht ein solches Maß von Fachwissen und berufsmäßiger Schulung erfordert, daß sie nach eigenem sachverständigen Ermessen mit eigener Einteilung zu ver­ fahren und für den Erfolg einzustehen haben4) oder wenn ihre Tätig­ keit nicht mit größeren Kapitalaufwendungen^), Stellung von Ge­ rüsten, Schienen, Maschinen, Rohren, Feldeisenbahnen, Fuhrwerk und Stellung von Hilfskräften verknüpft ist. In letzteren Fällen ist regelmäßig Selbständigkeit anzunehmen, soweit nicht der Lohnhand­ werker und seine Arbeitnehmer nur gemeinschaftlich Arbeitnehmer des Arbeitgebers sind4). Selbständigkeit liegt insbesondere dann vor, ') Ehrenberg in seinem Handbuch des Handelsrechts Bd. II S. 110,112. ’) Hanseat. Gerichtszeit ArbR. 1925 S. 266 (mit Besprechung von Silber­ schmidt), aber auch 1926 S. 155 mit Bespr. von Breiholdt und S. 192 (Lassally) sowie 1927 2. 8 (Silberschmidt). •) Anleitung Ziff. 58. 4) Ebenda Ziff. 59. 5) Vgl. oben Bd I S. 76 f., 316 f.

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wenn der Lohnhandwerker in eigener Werkstatt mit selbständiger Zeit­ einteilung, Preisstellung und Gefahr arbeitet, wenn die eigene Werk­ statt auch im Betriebe des Arbeitgebers gemietet ist '). Auch auf den Umfang des Werkstättenbetriebes kommt es an. Groß-Zwischenineister sind regelmäßig selbständig. Wo das nicht zutrifft, haben ivir es meist mit arbeitnehmerähnlichen Personen zu tun, die den Arbeitnehmern gleichstehen. Also insbesondere bei den in Betrieben einzelner Bierbrauereien, Weinproduzenten oder Weinhändler tätigen selbständigen Böttchern, Büttnern, Küfern2), dem für ein Gut täti­ gen Schmiedmeister (Gutsschmied)3), dem in ähnlicher Weise aus­ schließlich in der Landwirtschaft mit Ausbesserungsarbeiten beschäf­ tigten Sattler"), Mühlenbauer und Mühlenflicker3), (hier überwiegt aber schon die Bedeutung des Sachverständigen)3), im Bauhandwerk bei den selbständigen, aber in einen Baubetrieb, landwirtschaftlichen Betrieb usw. eingeordneten Bauhandwerkern, Maurern, Schreinern, Schlossern, Tünchern, Zimmerleuten'), insbesondere bei Stunden­ lohn und bei Regiebetrieb des Bauherrn. Erlischt dabei die Erinne­ rung an die bisherige Selbständigkeit vollständig, so haben wir es mit abhängigen Arbeitern zu tun. Im übrigen kommt es auf die tatsäch­ lichen Verhältnisse und die Auffassung des Verkehrs an: die auf der Stör tätige Schneiderin, Wäscherin, Büglerin gilt als abhängig, der Schneider im gleichen Fall als selbständig, allenfalls als arbeit­ nehmerähnlich *), während z. B. Max Weber a) das Störverhältnis durchaus als Form der Arbeit behandelt. Dieses Störverhältnis unterstellt den an sich selbständigen Arbeiter für eine gewisse Dauer dem persönlich und wirtschaftlich übergeordneten Arbeitgeber. 2. Selbständig sind die der Allgemeinheit angebotenen Dienste oder Betriebe der Hausmetzger10), Viehkastrierer "), Pferdezureiter, ') NAK. a. a. O. Zwischenmeister II vom 2. Juli 1929. 2) Handb. der UnsallV. Bd. I S. 368, Anleit. Ziff. 52, 58. ’) Handb. ebenda S. 370, Anleit. Ziff. 11 a. E., 16 a. *) Mitt. d. Bayr. LVA. Bd. 35 S. 19 vgl. mit Handb. Bd. I S. 379. 6) Anleit. Ziff. 58. 6) Ähnlich im Knrschnergewerbe, wo der Arbeitgeber oft nur Kaufmann ist. Vgl. NAK. „Zwischenmeisler II" a a. O. ’) Mitt. d. Bayr. LVA. Bd. 37 S. 31 vgl. mit Bd. 32 S. 38, Anleit. Ziff. 59. 8) Anleit. Ziff 60 und Amtl. Nachr. des NBA. 1901 S. 422. ’) Grundriß der Sozialökonomik III (1925) l S. 90. 10) Amtl. Nachr des NVA. 1891 S. 181, vgl. Mitt, des Bayr. LVA. 1896 S. 85, 1897 S. 71 usw. und Anleit. Ziff. 55. ") Amtl. Nachr. d. NBA 1901 S. 422.

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hier kommt Arbeitnehmer-Ähnlichkeit nicht in Frage *). In ganz großen Betrieben des Wirtsgewerbes und der Landwirtschaft können diese Tätigkeiten aber auch von Angestellten ausgeübt werden'). Ähnlich verhält es sich mit Reit-, Schwimm- und Fahrradlehrern'), die ebenfalls bald selbständig, bald Betriebsangestellte sind. Auch die gleichfalls der Allgemeinheit angebotenen Dienste des Dienstmanns, Zeremonienmeisters, Lohndieners, Fremdenführers, Boten, Kofferträgers, Tafeldeckers4*),* *Maulwurffängers5)* begründen ** Selbständigkeit, soweit diese Personen sich nicht einem Unternehmen selbst unterstellen (Dienstmann-, Kofferträger-Jnstitut) oder nur zu einem oder wenigen Arbeitgebern in Beziehung treten (Dienstmann als Vereins-, Studentendiener). Im ersten Falle liegt Abhängig­ keit, im zweiten Arbeitnehmer-Ähnlichkeit vor. Ähnlich verhält es sich mit dem Stierpfleger und der GrabpflegerinO), wenn sie sich nicht selbst einer Gemeinde, Genossenschaft usw. unterordnen. Selbständig sind auch regelmäßig, soweit sie nicht nur wenigen bestimmten Personen in arbeitnehmerähnlicher Weise dienen, der viel­ besprochene Stundenbuchhalter?), Zeitschristenausträger9!, Annoneensammler, Zeitungsberichterstatter9) usw., die aber auch alle, einem Betriebe eingegliedert, unselbständig sein können. Ganz das gleiche gilt für Künstler, Schriftsteller, Redner, Gelehrte usw., die im Verkehr mit der Allgemeinheit regelmäßig als Unternehmer erscheinen, aber ab­ hängig sind, wenn sie sich einem Unternehmen ausschließlich verpflich­ ten, und arbeitnehmerähnlich, wenn sie an einzelne Theater, Agenten, Verleger, Impresarios gebunden sind. 3. Was insbesondere die Land- und Forstwirtschaft betrifft, so können ihre Betriebe als solche niemals dem Handel gemäß § 3 Abs. I HGB. unterstellt werden, soweit es sich nicht um Nebengewerbe des *) Arbeitnehmer sind etwa Hausmetzger, wenn sie sich wie Arbeiter der Leitung des Arbeitgebers unterstellen. ’) Anleitung Ziff. 55. •) Angest. Anleit. Ziss. 17 u. °) Anleit. Ziff. 60, 67, 69, 74b. 5) Ebenda Ziff. 52. °) Ebenda Ziff. 52. ’) Vgl. z. B. Lautner, Geltendes und künftiges AngcstelltenvertragsR. Bd. I (1927) S. 106, GKG. Bd 29 S. 288. ') NZfArbR. 1927 S. 125 (RFinHos) vgl mit Anleit. Ziff. 67, AngestAnl. Ziff. 13°, RsprdArbR. 1928 8. Heft Nr. 1935, 11 /12. Heft Nr. 2796. °) Anleit. Ziff. 38 und Stier-Somlo, Kommentar z. ArbBVG. S. 41 unten: je nachdem Freiheit des Berichtens und der Annahme des Berichteten besteht.

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land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nach § 3 Abs. II HGB. handelt. Wohl aber ist regelmäßig in beiden Fällen Selbständigkeit ge­ geben, auch für Ackerbesteller **) mit eigenem Gespann, Fuhrunterneh­ mer z), die aber beide in Ausnahmefällen arbeitnehmerähnliche Tätig­ keit ausüben können, wie etwa auch der Winzer und der Baum­ wart 4), die für einen Nachbarn oder mehrere die Pflanzenpflege über­ nehmen, insbesondere auch bei eigenem kleinen Grundbesitz, aber auch ganz selbständig oder ganz in den fremden Betrieb eingegliedert sein können. Die Stellung des Fuhrwerkers, auch als Nebenerwerb, für den Holz- und Sägewerksbetrieb usw. spricht in der Regel für Selbständigkeit.

Eine große Rolle spielt auch hier die Zwischenunternehmerstel­ lung, entsprechend der Zwischenmeisterstellung im Gewerbe, oder die Arbeitsvermittlung durch Vereinigung von Maschinenschreibern, Ma­ schinen oder Arbeitern in Schreib- oder Arbeitsstuben 5 j, in der Form des Unterakkords 6), bei Kulturarbeitern, Oberschweizern, Rodern, Rübenunternehmern’), Ziegelmeistern*), die meist arbeitnehmer­ ähnlich sein werden, im Einzelfall aber recht wohl auch ganz ab­ hängig oder selbständig sein können, je nachdem sie in den Betrieb ganz eingeordnet oder umgekehrt selbst Unternehmer sind und den Be­ trieb organisieren. Bezüglich der Handwerker vgl. auch oben S. 32 und 51, unten S. 66. Kommt aber gar keine betriebliche Abhängigkeit in Frage, dann handelt es sich allein

2. um die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit. Hier ist aber noch die Vorfrage zu lösen, ob die Beschäftigung im Haus­ halt und damit die Stellung der Hausgehilfen und Hausangestellten noch unter die Betriebstätigkeit zu fallen hat und wie wert letztere suszudehnen ist. Wenn der Betrieb im objektiven Sinne die Bereit­ stellung persönlicher, sachlicher und unmaterieller Mittel zur fortge') ’) •) ‘) ') ') ’) ')

Anleit. Ziff 52. Ebenda und Ziff. 65, 16 a. Anleit. Ziff. 16 a, 18, 52. Ebenda. Vgl. oben S. 50. Anleit. Ziff. 13. Ebenda Ziff. 52. Ebenda Ziff. 57 und 52.

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setzten Verfolgung eines technischen Zweckes ist, dann muß der Begriff der Haushaltung ebenfalls darunter satten*1).* Daß in der Hauswirt­ schaft eine fortgesetzte oder eine wirtschaftliche Tätigkeit fehle, kann nicht behauptet werden, wenn freilich die Haushaltung kein Erwerbs­ unternehmen *), sondern einen Verwendungsbetrieb darstellt. Wenn ihm aber die Betriebseigenschaft mit der Begründung abgesprochen wird, daß ihm die Wirkung nach außen fehle, so ist das weder richtig, da z. B. die Schlüsselgewalt der Hausfrau gerade wegen ihrer Wir­ kung nach außen geregelt ist, noch notwendig, da der Betrieb nur die Verfolgung eines technischen Zweckes erfordert und die Befriedigung der Bedürfnisse der Familie einen solchen technischen Zweck darstellt. Von diesem Standpunkte aus könnten sich auch die Störbeziehungen noch als betriebliche darstellen. Dagegen ergibt sich die abhängige Stellung der Hausgehilfen und Hausangestellten manchmal von selbst aus ihrer wirklichen Betriebszugehörigkeit3). Dahin gehören die in der Anleitung ^) genannten Hausdamen und Repräsentantinnen, so­ weit sie für ein Erwerbsunternehmen angestellt sind, unter Umständen aber nicht die dort auch genannten Gesellschafterinnen, Privatsekretäre, etwa auch Vorleser, Vorspieler, Leibarzt, die ohne jede Beziehung zur Haushaltung, die fehlen kann, nur in persönlicher und allenfalls wirtschaftlicher Abhängig­ keit vom Arbeitgeber stehen können. Dabei a) erscheint es unzulässig, den Begriff des Betriebes mit Mo­ litor3) so auszudehnen, daß jede Arbeit für einen andern als für dessen Betrieb geleistet erscheint, auch z. B. die Besorgung des Dienst­ manns oder die Tätigkeit des Fremden- und Bergführers. Eine solche Ausdehnung des Begriffs muß zu dessen Auflösung führen, wenn die „fortgesetzte Verfolgung eines technischen Zweckes" schon durch die Beispiele erfüllt sein soll. Wohl aber könnte b) in der Bereitstellung eines Vorlesers, Leibarztes, Sekretärs, ’) So auch Jacobi, Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegriffe, 1926 S. 8 und Anm. 18, Silberschmidt, Betrieb, Begriffsbestimmung, NAK. vom 1. Juni 1928, Molitor, Wesen des Arbeitsvertrags S. 85 und Molitor 1929. *) Anleit. Ziff. 41 betrachtet den Betrieb als Inbegriff fortdauernder, wirt­ schaftlicher, d. h. auf „Erwerb gerichteter Tätigkeit" und gibt damit die von Jacobi A. 18 vermißte Begründung, wenn auch falsch. •) Anleit. Ziff. 43, vgl. mit Anleit, des RAfAngestV. Ziff. 11lv; auch in Ziff. 11111 ist für den Betrieb eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit gefordert (vgl. Ziff. 43), sonach Betrieb mit Unternehmen verwechselt. ‘) Ziff. 43. °) Wesen S. 88.

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Reisebegleiters für die persönlichen Bedürfnisse einer Person ein Be­ triebszweck gefunden werden, unabhängig davon, ob diese, etwa ständig auf Reisen, eine Haushaltung führt, so daß hier die Sorge für die persönlichen Bedürfnisse einer Person als eigener Betriebszweck er­ schiene. Doch würde eine solche Auffassung schon dem Wortsinne „Be­ trieb" Widerstreiten. Würde man sie doch annehmen, dann würden allerdings c) Für die Fälle rein persönlicher, nicht betrieblicher, Abhängig­ keit nur ganz vorübergehende Beziehungen, wie die des Führers, Dienstmanns, Kellners usw. übrig bleiben, die dann eine Abhängig­ keit nicht begründen würden. Der Führer, Dienstmann usw. ist, wie wir oben1) sahen, regelmäßig selbständig und wird durch die Erfül­ lung des Auftrags oder der Geschäftsbesorgung so wenig abhängig wie der Kaufmann, wenn er im Laden einen Kunden bedient. .Ab­ hängigkeit kann natürlich in dem Verhältnis des Bergführers zum Bergverein, des Fremdenführers zum Fremdenverkehrsverein usw. liegen. Und damit würde nun allerdings der Betrieb die Hauptursache der Abhängigkeit werden, die sich dann je nach der wirtschaftlichen Stellung im Betrieb vom Direktor bis zum Kohlentrimmer steigern würde. In der betrieblichen Abhängigkeit spielt aber auch die persön­ liche und wirtschaftliche eine erhebliche Rolle, wie die arbeitsgericht­ liche Rechtsprechung1^) jetzt besonders betont. V. Ist so die abhängige Arbeit wesentlich durch die Unterord­ nung im Betriebe charakterisiert, dann müssen auch die einzelnen Arten abhängiger Arbeitnehmer nicht durch die Zugehörigkeit zu ver­ schiedenen Ständen, sondern durch die Art ihrer Betriebsverwendung sich unterscheiden. Und dem ist auch so2). Persönliche Kraft haben im Betriebe aufzuwenden vor allem die beiden großen Gruppen der Arbeiter und Angestellten. I. Die Arbeiter. Die Bezeichnung „Arbeiter", „Gewerbliche Ar­ beiter" wird a) gleichbedeutend gebraucht mit dem Begriffe des „gewerb­ lichen Arbeitnehmers"2), etwa in der Überschrift des VII. Titels der Gewerbeordnung, der durch die Beifügung „Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter" näher erläutert wird. Auf diese Einzelbezeichnungen müssen wir dann ') Oben S. 53. '-) Rspr. 1928 Nr. 1301, 1929 Nr. 458 (RArbG.). *) Vgl. oben zu IV am Anfang S. 40 ’) Jacobi, Grundlehren S. 69 Anm. 9.

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ebenfalls näher eingehen. Die Gesamtbezeichnung „Arbeitnehmer" ist aber nicht, wie Potthoff**), Sinzheimer-), Kaskel9) und andere wollen, auf den Arbeiter und Angestellten beschränkt, weder sprachlich noch begrifflich, sondern es muß nur Arbeit im Sinne der Kraftaufwendung zu leisten sein, wie wir das oben kennen ge­ lernt haben. Wenn, wie im ArbGG.^), ausdrücklich „als Arbeit­ nehmer im Sinne dieses Gesetzes" Arbeiter und Angestellte einschließ­ lich der Lehrlinge genannt werden, so sind ihnen dann ausdrücklich die „arbeitnehmerähnlichen Personen" gleichgestellt worden, die da­ mit nicht nur als ähnlich, sondern als gleich den „Arbeitnehmern" er­ klärt werden; diese Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG. sind auch nicht nur die gewerblichen Arbeitnehmer, sondern alle Arbeitnehmer. Von diesem allgemeinen Begriffe unterscheidet sich b) der besondere des Arbeiters. Die Gesetzgebung hat eine Be­ griffsbestimmung vermieden, noch der Entwurf eines AAVG.8) sucht sich durch Subtraktion zu helfen: Arbeitnehmer, die weder Angestellte noch Lehrlinge sind. S i n z h e i m e r 6) fügt hinzu: noch Beamte; aber mindestens müßten auch die „arbeitnehmerähnlichen Personen" aus­ geschlossen werden Vor allem müßte aber unter allen Umständen dann eine „wirkliche und treffende Bestimmung der Angestellten ge­ geben werden, was allerdings nicht der Fall ist"8). So wird die positive Begriffsbestimmung des Arbeiters nicht zu umgehen sein, die meist dahin gegeben wird, daß der Arbeiter überwiegend körperliche Arbeit zu leisten hat, was als Gegensatz freilich ergeben würde, daß der Angestellte grundsätzlich geistige Arbeit zu leisten hat, was auch nicht stets zutrifft9); immerhin verwendet z. B. das österreichische Gesetz vom 26. Febr. 1920 über die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte zur Kennzeichnung der letzteren in § 24 ') Etwa zuletzt »Arbeitsrecht, Das Ringen um werdendes Recht" 1928 S. 25 mit Einschränkungen. 2) Grundzüge, 2. Stuft. S. 33. ’) Enzyklop. S. 66. 4) § 5. 6) § 2, vorher § 11 BRG., ebenso Sinzheimer a. a. O., 2. Stuft. S. 34, ähnlich für Österreich Lautner a. a O. S. 49. Vgl. oben Bd. I S. 64 f. «) S. 34. ') Silberschmidt in GKG. Bd. 30 Sp. 87. •) Molitor bei M.-Hneck-Riezler S. 76, vgl. aber Hueck, Lehrbuch Bd. I S. 57. Dazu Lautner a. a. O. S. 49 f. e) Vgl. Lautner S. 50.

Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

Abs. II die Tatsache, daß sie „vorwiegend geistige Dienstleistungen verrichten", wie ähnlich schon ein österreichisches Gesetz vom 16. Dez. 1906, das außerdem nicht als Angestellte gelten ließ Arbeitnehmer mit „vorwiegend physischen Arbeitsverrichtungen"1').* * Zu den Ar­ beitern werden dagegen jene Personen gerechnet, „die von einem Ar­ beitgeber mit ausführenden Arbeiten körperlicher Natur", namentlich im Gewerbe und in der Industrie, der Land- und Forstwirtschaft oder bei Bauten, also in Betrieben, beschäftigt werden?) oder bei denen wenigstens die Betätigung körperlicher Kraft oder Gewandtheit (me­ chanischer Arbeit) über die Betätigung geistiger oder gedanklicher (in­ tellektueller Arbeit) oder bei denen die ausführende Tätigkeit über die leitende überwiegt8), wobei aber in einzelnen Fällen Angestellten­ eigenschaft bei mechanischer oder ausführender Tätigkeit vorliegen kann, insbesondere soweit kaufmännische und Bürotätigkeit in Be­ tracht kommt 4); bei letzterer scheidet aber wieder die reine Aufräumungs-, Heizungs-, Reinigungs-, Besorgungs-, Buchbinder- und ähn­ liche Tätigkeit als nicht unter Bürotätigkeit fallend aus5). Die sog. „geistigen Arbeiter" sind, soweit sie nicht überhaupt selbständig sind, Angestellte6),* als Zwischengruppe bildet Potthoff') nach Analogie der Heimarbeiter die sog. „verlagsmäßigen Heimwerker", die nicht unmittelbar, sondern durch Verleger, Konzertagenten usw. mit der Allgemeinheit verkehren. Sie können arbeitnehmerähnlich sein, soweit sie durch Verträge an mehrere einzelne Unternehmer gebunden und wirtschaftlich von ihnen abhängig sind8), sonst sind sie selbstän­ dig8). Zu den Arbeitern gehören

a) schon nach der RVO?°) Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Haus­ gehilfen, *) Ebenda S. 51, Molitor bei Hueck-Molitor-Riezler S. 77 mit Hinweis auch auf die luxemb. Gesetzgebung. а) Sinzheimer, 2. Aufl. S. 34. 8) Kaskel, 3.'Aufl. S. 68, Hueck-Nipperdey Bd. I S. 58 und A. 10, Rspr. 1928 Nr. 2787. 4) Hueck-Nipperdey a. a. O. S. 59. б) Ebenda A. 12, Lautner S. 74. 6) Kaskel a. a. O. S. 67 A. 3. ’) ArbR. 1921 Sp. 151, 1922 Sp. 37. 8) Vgl. oben S. 53, dagegen Kaskel a. a. O. 9) Vgl. vorher und „Organisation der Geistesarbeiter" IRA. 1928 S. 1435 f. 10) §§ 165, 544, 1226, vgl. z B. Hanow A. 18 zu §544, Meinel Ziff. 4 zu § 544 usw.

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a) Gesellen, die aus der Lehre entlassenen Gehilfen des Hand­ werkers, /?) Geh ilfen, die angelernten Hilfen in der nichthandwerksmäßigen Arbeit; zu ihnen werden auch meist1), als sog. „Gewerbe­ gehilfen", Pförtner'), Kellner, Heizer in Betrieben, das Fahrpersonal der Straßenbahn') usw. gerechnet. y) Lehrlinge, die unter a) und ß) angeführten Personen, soweit sie noch in der Berufsausbildung begriffen sind; ein allgemeines Berufsausbildungsgesetz liegt z. Zt. dem Reichstag vor (RArbBl. S.H. 39). ö) Hausgehilfen und Dienstboten, Arbeiter in der Haus­ wirtschaft, Gesinde, deren Tätigkeit durch ein besonderes Hausgehilfen^ gesetz geregelt werden soll, dessen Entwurf im RArbBl. 1928 I S. 195 f. gleichfalls vorliegt. Die Hausgehilfen sind in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers ausgenommen und leisten Dienste nie­ derer Art, während die Hausangestellten, die zu den unter 2 zu behandelnden Angestellten gehören, die Leistung höherer Dienste (Führung des Haushalts, Erziehung, Ausbildung der Kinder usw.) obliegt^). Auch die Hausgehilfen werden nicht überall und schlechthin unter den Begriff des Arbeiters gerechnet. b) Sonst werden im Leben im allgemeinen diese Sondergruppen, jedenfalls a—y), unter dem Begriffe des Arbeiters zusammenge­ faßt, wobei die Art und Höhe der Entlohnung bedeutungslos bleibt (anders wie lange bei den Angestellten). Die Bezeichnung allein ent­ scheidet aber auch hier nicht, es muß im Einzelfalle geprüft werden, ob es sich in der Tat um Arbeiter handelt oder nicht. Je nach den Tätigkeitsgebieten unterscheidet man Arbeiter a) im Bergbau, /?) Arbeiter im Gewerbe, im Handel und in der Industrie, insbe­ sondere Fabrikarbeiter6), y) in der Land- und Forstwirtschaft, öl in sonstigen Betrieben. ‘) Kastei a. a O. S. 68, Sinzheimer, 2, Ausl. S. 34. ’) Vgl. aber z. B. Handb d. UnfallV. Bd. I S. 69.

«) Ebenda S. 144.

‘) Vgl. Wilden im ArbGeb. 1928 S. 454.

°) Kastel a. a. O. S. 72f. ’) Hueck bei Hueck-Nipperdey Bd. I S. 50 macht darauf aufmerksam, daß für Fabrikarbeiter in Deutschland (anders das Bundesgesetz der Schweiz vom

18. Juni 1914 betr. die Arbeit in den Fabriken) an sich keine besonderen Be­ stimmungen gelten, wohl aber für Gewerbegehilfen in Betrieben mit 10 oder mit 20 Arbeitnehmern, die meist Fabrikarbeiter sein werden.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

Ten Hauptgegensatz zu den Arbeitern innerhalb der abhängigen Arbeit bilden

2. die Angestellten, die deshalb auch schon kurz gekennzeichnet werden mußten. Hiernach werden unter dem Begriffe der Ange­ stellten Arbeitnehmer zusammengefaßt,' die „überwiegend höhere oder kaufmännische oder berufsmäßige Arbeit leisten" x) oder, wie es das österreichische Angestelltengesetz vom 12. Mai 1921*2) ausdrückt, „vorwiegend zur Leistung kaufmännischer oder höherer nicht kauf­ männischer Dienste oder zu Kanzleiarbeiten angestellt sind". Dieses Gesetz verlangt auch, daß die Leistung solcher Arbeiten „die Erwerbs­ tätigkeit des Angestellten hauptsächlich in Anspruch nimmt" und for­ dert damit den Bestand eines „Hauptdienstverhältnisses", das auch sonst im Gegensatze zu Neben- und gelegentlichen Dienstleistungen, zu­ mal in Österreich3), von Bedeutung ist und in Deutschland meist durch das Verlangen einer „Berufstätigkeit" oder eines „Dienstverhält­ nisses", eines „den Lebensunterhalt in der Hauptsache gewährenden Beschäftigungsverhältnisses"4),5 mitumfaßt wird. Entscheidend bleibt immer die tatsächliche Leistung der Dienste3), nicht der Anstellungs­ vertrag, nicht die Vorbildung, vor allem also die betriebliche Tätig­ keit. In Deutschland wird der Begriff des Angestellten regelmäßig nach § 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes vom 20. Dez. 19116)/ 28. Mai 1924 bestimmt, der in der jetzt gültigen Fassung nach „An­ gestellte" mit „insbesondere" unter 7 Ziffern in Einzelausführung eine Aufzählung enthält, wobei aber, soweit die Versicherung in Be­ tracht kommt, das Jahresarbeitsverdienst eine bestimmte Grenze bei sämtlichen Ziffern nicht übersteigen darf: a) Angestellte in leitender Stellung7), b) technische Angestellte s), Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in einer ähnlich gehobenen oder höheren Stellung, ’) Siiizheimer, 2. Ausl. S. 35 nach § 2 AAVGE, dazu Molitor a. a. O. S. 76 und Hucck-Nipperdei) S. 52. ’) Vgl. Santo er a. a. O. S. 53. ’) Ebenda S. 53 f. *) Vgl. schon § 622 BG. und v. Karger im ArbG. 1922 S. 221 f. und Lantner a. a. O. S. 58 und A. 23 S. 76. 5) Vgl. Lautn er a. a. O. S. 62, 64 und Anm. 42. e) RGBl. I S. 563 f. 7) Vgl. oben Bd. I S. 81, 84. •) Arbeitsrechtl. Entscheidungen des Gew.- u. KfmG.-Berlin 2. Bd. S. 149 f-

§ 44. Die Arbeit der Abhängigen.

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c) Büroangestellte, soweit sie nicht ausschließlich mit Boten­ gängen, Reinigung, Aufräumung und ähnlichen Arbeiten beschäftigt werden, einschließlich der Bürolehrlinge und füVerkstattschreiber, d) kaufmännische Angestellte, Handlungsgehilfen und Hand­ lungslehrlinge, andere Angestellte für kaufmännische Dienste, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens kein Handlungsgewerbe ist, Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, e) Bühnenmitglieder und Musiker ohne Rücksicht auf den Kunst­ wert ihrer Leistungen, f) Angestellte in Berufen der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge, der Kranken- und Wohlfahrtspflege, endlich g) aus der Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge und aus der Besatzung von Fahrzeugen der Binnenschiffahrt Schiffsführer, Offi­ ziere des Decks- und Maschinendienstes, Verwalter und Verwaltungs­ assistenten, sowie die in einer ähnlich gehobenen oder höheren Stel­ lung befindlichen Angestellten ohne Rücksicht auf ihre Vorbildung. Kraft einer im Gesetz enthaltenen Ermächtigung hat der Reichs­ arbeitsminister mit VO. jetzt vom 4. Febr. 1927x) die Berufsgruppen der Angestelltenversichernng nach b), c), f) und g) durch Anführung der Einzelstellen in Industrie, Berg- und Vermessungswesen, Landund Forstwirtschaft usw. näher bestimmt. Dieser Berufskatalog ist grundlegend für den Angestelltenbegriff*2), insoweit er die einzelnen Betriebe bezeichnet, in denen Angestellte beschäftigt werden. Hier sei noch folgendes beigefügt: Einmal dürfen die für das Versicherungsrecht bedeutungsvollen Abstufungen nach der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes für die Be­ griffsbestimmung des Angestellten jetzt um so weuiger mehr ver­ wendet werden, als immer mehr ein einheitliches Angestelltenrecht er­ strebt toirb3), wobei Höhe und Fälligkeit (Jahres-oder Monatsgehalt usw.) des Entgelts4)5sowie die Kündigungszeit nicht mehr für den Be­ griff des Angestellten unterscheidend in Betracht kommen. Was sodann die einzelnen Gruppen betrifft, so ist zu sagen: Zu a) den leitenden Angestellten^) daß es sich dabei stets um Angestellte handeln muß, aber mit selbständiger, nicht ausführender -) ’) •) 4) 5)

RGBl. S. 58, 69 f. Rspr. 1928 Nr. 2794. Kastei, 3. Ausl. S 68. Lau tu er S. 64 f. und A. 43/6. Vgl. oben Bd. I S 65 und 84, dazu Kastel, 3. Ausl. S. 69.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

Tätigkeit im Hauptberufs), die Prinzipalstellung schließt die des Angestellten aus*2).* 4Bei den übrigen Gruppen hängt es von bestimm­ ten Tätigkeiten oder Betätigungen innerhalb bestimmter Berufs­ gruppen, hier ohne Rücksicht auf die Art der Tätigkeit ab, ob der An­ gestelltenbegriff gegeben ist oder nicht'). Zu b), den technischen Angestellten, ist die betriebliche Abhängig­ keit^) schon durch den Begriff gegeben. Neuerdings versucht man hier eine Stufenleiter, entsprechend der im Handwerk, einzurichten: Werk­ lehrling, Werkgehilfe, Werkmeister 5). a) Die Lehrlingsfrage wird durch das Berufsausbildungsgesetz geregelt werden. ß} Werkgehilse soll die Bezeichnung für den gelernten Arbeiter, den ausgebildeten Fabrik- oder Facharbeiter (Gewerbegehilfen), wer­ den. Nach Sombart6) würden in der Zukunft nur qualifizierte Spezialarbeiter und ungelernte Arbeiter, insbesondere als ihre Hilfs­ arbeiter, vorhanden sein. y) Der Werkmeister würde dann dem Handwerksmeister ent­ sprechen. Sotmar7) unterstellt die Arbeitsverträge der Betriebs­ beamten, Werkmeister und Techniker als der Spezialregelung ent­ behrend ausschließlich und vollständig dem Rechte des Dienst- oder Werkvertrages8) und weist9)10auf das antreibende Lohninteresse des Werkmeisters beim Akkordvertrag hin, welches das engere des Arbeit­ nehmers verstärkt. Es handelt sich um eine Aufsichts- und Vor­ arbeiterstellung, um eine „gehobene Stellung"'9), bei der auch wieder die Frage eine Rolle spielt, ob die Beschäftigung den Hauptberuf bildet. Über den Begriff des Werkmeisters entscheidet nicht die Be*) Anteil, des RA. f. AngestV. a. a. O. Ziff. 10. ') Vgl aber § 4 Ziff. 1 AABGE., vgl. mit §§ 5» und 3» ArbGG., wo zutreffend der Vertreter der Juristischen Person von der Arbeitnehmereigenschaft ausgeschlossen wird. Vgl. Rspr. 1927 Nr. 90, Kaskel,3. Ausl. S. 69/70 und A. 1 sowie Lautner S. 80f. und Melsbach, ArbR. S. 71 f. ') Kaskel a a. O. S. 68, Lautner S. 73. 4) Vgl. oben IV. *) Wilden im Arbeitgeber 1928 S. 454 f., Baum-Grünspach, Tech­ nikerrecht, 1914. •) Die Vergeistung der Betriebe, WeltwArch. Bd. 25 S. 149 f. ’) Bd. II S. 823 A. 1. ’) Vgl. jetzt über die Regelung Kaskel, 3. Anfl. S 69 und 91.1; Hueck» Nipperdey Bd. I S. 38 Ziff. 11. ’) A. a. O. S. 581 und 476 A. 3. 10) Vgl. RBO. § 165 Ziff. 28, Rspr. 1928 Nr. 2795.

§ 44. Die Arbeit der Abhängigen.

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Zeichnung, sondern die Art der Tätigkeit im Betriebe x). Wer nicht nur vorübergehend mit der Leitung oder Beaufsichtigung des Be­ triebs oder einer Abteilung desselben, als Betriebsbeamter,, Werk­ meister oder ähnlicher Angestellter, beauftragt oder mit höheren tech­ nischen Dienstleistungen betraut ist (Maschinentechniker, Bautechniker, Chemiker, Zeichner oder dgl.), untersteht dem Kündigungsrecht des § 133 af GewO, und den Bestimmungen des § 133 f über die Wett­ bewerbsvereinbarung 2). Der Betriebsbeamte ist in der Regel nur beaufsichtigendes Organ, während der Werkmeister auch mitarbeitet, aber nicht so regelmäßig wie der Vorarbeiter5), und der ausnahms­

weise dem Betrieb angehörende Zwischenmeister räumlich meist von ihm getrennt ist.

Zu c), den Büroangestellten, ist bereits hervorgehoben, was sie von den Arbeitern unterscheidet. Nach § 11 Abs. 3 der VO. vom 18. März 1919 4) sind Büroangestellte „die mit Schreib-, Rechen- oder ähnlichen Arbeiten beschäftigten Angestellten einschließlich derjenigen,

die für Büros niedere oder lediglich mechanische Dienste leisten"5), so­ weit sie noch unter Bürotätigkeit fallen6). Aber auch mit dieser Be­ dingung, die in diesem Gesetze nicht vorkommt, ist dieses geeignet, den Gegensatz zwischen Arbeiter und Angestellten zu verwischen7). Der Büroangestellte untersteht stets einem Betriebe.

Zu d), den kaufmännischen Angestellten, den Handlungsgehilfen, die „zur Leistung kaufmännischer Dienste angestellt ftnb"8) (sc. in

einem kaufmännischen Unternehmen), ist zu bemerken, daß sie der Re­ gelung des HGB. und zur Ergänzung dem BGB. unterstehen8), da­ zu einigen Sondervorschriften in § 139 c GO. und den Vorschriften ') Rspr. 1927 Nr. 29. ’) Vgl. auch VO. vom 18. März 1919 § 11 Z. 2, RGBl. S. 315 f. und Anleit. d. AfAngestB. Biff. 11. •) Rfpr. 1928 Nr. 2459, im Gegensatze zum Maurerpolier mit Stunden­ lohn Nr. 2460. *) RGBl. S. 315. ‘) Vgl. auch Kaskel a. a O. S. 69 A. 1. *) Vgl. oben. Demnach find und bleiben Scheuerfrauen und Fensterputzer usw. Arbeiter. Nach Lage des Falles das eine oder das ander«: Aktenhefter, Boten mit innerem Dienst usw. • ') Potthosf in feinem ArbR. 1920 S. 19 und L a u t n e r a. a. O. S. 73 f. ') HGB. § 59. ’) Vgl. die Kommentare und das sonstige Schrifttum zum HGB., insbesondere Titze, Das Recht des kaufmännischen Personals 1918 und in Ehrenbergs Hand­ buch Bd. II S. 545 f.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

über die Sonntagsruhe usw. Das hier in Frage kommende AGVG., jetzt Fassung vom 28. Mai 1927, erweitert 4* )* nun den Begriff der kaufmännischen Angestellten über den Kreis der Handlungsge­ hilfen und Handlungslehrlinge sowie Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken hinaus auf „andere Angestellte für kaufmännische Dienste, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens kein Handelsgewerbe ist"2). Hier wird die Folgerung aus § 2 HGB. gezogen, nach welchem auch begrifflich kein Handlungsgewerbe vorzuliegen braucht. „Daniit sind ganz allgemein kaufmännische Dienste als Merkmal­ eigenschaft der kaufmännischen Angestellten feftgelegt"3), wie vor allem aus § 11 Ziff. 1 der ArbeitszeitVO. vom 18. März 1919, jetzt in der Fassung vom 14. April 19274), hervorhebt: Angestellte, die mit kaufmännischen Diensten beschäftigt werden, insbesondere Handlungsgehilfen. Für den Begriff der kaufmännischen Ange­ stellten hat es hiernach nur mehr auf die Leistung kaufmännischer Dienste, nicht mehr auf die Kaufmannseigenschaft des Anstellenden anzukommen. Zu 6—g) ist dann nur ganz wenig hinzuzufügen. Soweit es sich um die Schiffer handelt, sind sie typische Abhängige schon nach dem früheren Rechte5),6 dem HGB.6) und, je entsprechend der notwendigen Scheidung zwischen Seeschiffahrt, Binnenschiffahrt und Flößerei, nach der Seemannsordnung7)8und * den übrigen auf Schiffer und Schiffs­ mannschaft bezüglichen Gesetzen3), dem Gesetz betreffend die privat­ rechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt und dem Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei^). Hinzu kommen die neue­ ren arbeitsrechtlichen Gesetze, weshalb z. B. die dispositiven Vorschrif­ ten vielfach durch Tarifverträge abgeändert finb10),* mit Ausnahme des Betriebsrätegesetzes12) und des ArbGG.43), während hier insbesondere *) RGBl. S. 563. 2) § 1 Ziff- 4. ’) Vgl. Lautiier a. a. O. S. 73. ‘) RGBl. I S. 110, § 11 Ziff. 1, Lautner a. a. O. S. 73 A. 74. 6) Höniger-Cahn-Grisebach, Schiffahrtsrechtliche Gesetze 1925. ’) Ebenda S. 1 f. ’) Ebenda S. 185 f. 8) Ebenda S. 221 f. ’) Ebenda S. 102. 10) Ebenda S. 137. •>) Ebenda S. 185 A. 2. 12) Nach § 5 bleibt die Einrichtung von Arbeitnehmeivertretungen für die Betriebe der Seeschiffahrt und der Binnenschiffahrt einem besonderen Gesetz Vor­ behalten, das bis jetzt nicht erlassen wurde. ") 8 21 Nr. 2."

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§ 44. Die Arbeit der Abhängigen.

noch die zwischenstaatlichen Übereinkommen **) immer mehr Bedeutung gewinnen werden (vgl. jetzt schon die VO. über seemännische Heuer8. Nov. 1924 (RGBl.IS. 739) , fte“en öom 29. Sept. 1927 (RRBl. IS. 303)> °&en

T

136 .unb 165.

Zu e) und f) handelt es sich um besondere Erwähnung einzelner Gruppen von Angestellten nach Vorgang der Arbeiterversicherungs­ gesetze 2), wobei, insbesondere zu f) eine weitere Ausdehnung mög­ lich wäre. h) Anzureihen sind hier noch die S. 59 schon besprochenen Hausangestellten. Erklärt sich nun die Abhängigkeit der Arbeiter und Angestellten einschließlich der Lehrlinge allein schon aus der Betriebsgebundenheit und mag man darum diese Klassen als die eigentlich abhängigen be­ trachten, so ist dies anders 3. bei den arbeitnehmerähnlichen Personen. Was a) die Hausgewerbetreibenden betrifft, so haben wir oben zu ß S. 49 gesehen, daß sie die persönliche Selbständigkeit, mit den Unter­ nehmern, die wirtschaftliche Abhängigkeit mit den Lohnarbeitern ge­ meinsam haben) was sie erzielen, ist infolge der wirtschaftlichen Ab­ hängigkeit von den wenigen, meist unter sich geeinten, Arbeitgebern, für welche sie arbeiten, tatsächlich Arbeitslohn und nicht Unternehmer­ gewinn. Etwas ähnliches ergibt sich bei den von Potthoff sog. b) „verlegten geistigen Heimwerken"8), soweit sie tatsächlich auch nur von einem oder wenigen Verlegern, Konzert-, TheaterAgenten, Impresarios usw. abhängen. Wenn Hueckch vor allem zu a) meint, da die persönliche Abhängigkeit fehle, könnten diese arbeit­ nehmerähnlichen Personen, insbesondere die Hausgewerbetreibenden, sich zur Arbeitsleistung in Form von Werkverträgen verpflichten, so handelt es sich nach der von uns geteilten Lot Marschen8) Ansicht um Dienstakkord-, nicht um Werkakkordverträge, bezeichnenderweise doch wieder von der Betriebsseite her, weil sie gegenüber einem Be­ triebe geschlossen werden. Und ähnlich ist es c) bei den doppelt verpflichteten Zwischenmeistern, Zwischen­ akkordanten usw.6), soweit sie durch ihre Stellung im Betriebe diesem ') ') ') *) ') °)

Schiffahrtsrechtl. Gesetze S. 667 f. Vgl. RVO. § 165 Biff. 4-5 a. Vgl. oben S. 53. Bei Hueck-Nipperdey Bd. I S. 93. Vgl. oben Bd. I S. 330. Vgl. oben S. 50.

Silber schmidt, Das deutsche Arbeitsrccht. II. Teil.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

gegenüber verpflichtet sind, die von ihnen unternommene Vereini­ gung von Einzelleistungen zu erbringen. Das wird regelmäßig für die Zwischenmeister, von denen nur wenige Arbeitnehmer abhängen, zu­ treffen, während die wirtschaftliche Stellung großer Zwischenbetriebe ihnen die Unternehmereigenschaft verleiht** >. Soweit Abhängigkeit vorliegt, ist sie in der Hauptsache betrieblich. Rein betrieblich ist auch die Abhängigkeit d) der selbständigen Handwerker, Winzer, Baumpfleger, Stun­ denbuchhalter, Zeitschriftenausträger, Annoncensammler usw., die in einen Betrieb oder mehrere Betriebe eingeordnet sind, während sie wirtschaftlich unabhängig gestellt sein können. Ähnlich ist es mit den Störarbeitern. V. Wenn wir nun versuchen, aus dem, was über den Begriff der abhängigen Arbeit oben ausgeführt wurde, das Schlußergebnis zu ziehen, so kann auf den Schluß der beiden, wiederholt erwähnten Auf­ sätze in der LZ?) über „die abhängige Arbeit im Lichte der neuesten Forschung" und den „Begriff des Arbeitnehmers" Bezug genommen werden. In beiden Untersuchungen ergab sich s), daß der Begriff der abhängigen Arbeit da endigt, wo der Unternehmerbegriff beginnt. Der Arbeitnehmer ist persönlich und wirtschaftlich abhängig, mit auf den Lohn beschränktem Anspruch iw das Unternehmen eingeordnet, der Arbeitgeber ist derjenige, der als Unternehmer selbst organisiert und dem der Gewinn des Unternehmens zukommt. Ist derjenige, dem der Arbeitsauftrag zuteil wird, selbst Unternehmer, insbesondere selbständiger Kaufmann, ist der Auftrag nicht ein solcher auf Leistung persönlicher Kraft, sondern ein Auftrag an das Unternehmen, der vermöge der Organisationsmöglichkeit des Unternehmers weiterge­ geben und vom Dritten erfüllt werden kann, dessen Gefahr aber den Empfänger des Auftrags trifft, dann haben wir es nicht mehr mit einem Arbeitnehmer zu tun. So kam ich im Anschluß an S o m b a r t^) zum Schlüsse, daß dem Arbeitnehmer derjenige gegenüber steht, der in der Lage ist, die Geschäftsführung zu beeinflussen und deni der ge’) So der Grundgedanke der Entscheidung Nr. 2773 in Rspr. 1928; eine ziffernmäßige Begrenzung, wie dort, kann nicht gebilligt werden. Vgl. auch NAK.„ Zwischenmeister II a. a. O. ') 1927 S. 286 f., 300; 1928 S. 1505 f., 1520 f. •) Vgl. auch schon oben Bd. I S. 18, 24, 27. *) „Der kapitalistische Unternehmer" im ArchfSozW. u. SozPr. Bd. 29 (1909)» S. 689 f., 717.

§ 44. Die Arbeit der Abhängigen.

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schäftliche Erfolg unmittelbar zugute kommt. Die Stellung des Arbeit­ nehmers ergibt sich damit als Folge der kapitalistischen Unternehmer­ stellung. Während noch in der Wirtschaftsform des handwerksmäßigen Betriebes Leitung und Ausführung zusammenfielen, der Leiter mit­ arbeitete und der Mitarbeiter später zum Leiter aussteigen konnte, fallen sie beim kapitalistischen Unternehmer auseinander, dem Unter­ nehmer als Arbeitgeber tritt der Arbeitnehmer in wirtschaftlich ab­ hängiger, regelmäßig auf Teile der Arbeit beschränkter und zum Auf­ stieg in die Leitung nicht geeigneter Stellung gegenüber. Im Verhältnis zum Arbeitnehmerbegriff ist der Begriff des Arbeitgebers und des Unternehmers, entgegen Kaskel7) und etwa mit Pohles, nicht zu trennen. Es ist nicht richtig, daß der Unternehmerbegriff für das Arbeitsrecht ausscheiden müsse, weil der Unternehmer als solcher Träger wirtschaftsrechtlicher, nicht arbeitsrechtlicher Arbeits­ verhältnisse sei. Beides läßt sich nicht trennen, weil der wirtschaftliche Einfluß auf den Begriff der Abhängigkeit nicht auszuschließen ist.

Und während noch vor kurzem Nipperdey solchen Ausfüh­ rungen entgegentrat 3), ist soeben unter seinem Referat nun eine Kölner Doktordissertation von Walter Huppert^) über den „Be­ griff des Arbeitgebers, insbesondere sein Verhältnis zum Begriff des Unternehmers"**) erschienen, die ohne Kenntnis der beiden obigen Ar­ beiten zum gleichen Ergebnis gelangt. Schon daß Huppert^) mit D erseh auf § 2 Abs. I des Entwurfes einer Schlichtungsordnung hin­ weist, ist dankenswert: „Arbeitgeber ist, wer bei eigener wirtschaftlicher Selbständigkeit wenigstens einen Arbeitgeber beschäftigt." Im übrigen scheidet H u p p e r t 6), den konkreten Arbeitgeber, der dem Arbeiter zur Ausführung der Arbeiten Anweisungen gibt, von dem abstrakten, dem Unternehmer, den der selbständige Willensentschluß auszeichnet und der beherrscht wird von der Erwerbsidee, der Idee der Ertrags­ steigerung, der Verdrängung der Mitbewerber, der Rationalisierung und der Wirtschaft als Selbstzweck 7). Ter Unternehmerbegriff ver­ mengt sich mit dem Arbeitgeberbegriff, „Arbeitgeber bezeichnet eine Teilqualität des Unternehmers" 8). Demgemäß tritt auch Huppert ’) *) •) *) •) ’)

Enzyklopädie S. 66 A. 3. Der Unternehmerstand 1910 S. 7, vgl. Sombart a. a. O. S. 689 f. Vgl. oben S. 4 und 45. 1928. °) S. 10. S. 15 f. S. 27. 8) S. 47.

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Zweiter Teil. Das deutsche Arbeitsrecht im engeren Sinne.

gegen die Trennung beider Begriffe auf‘), weil „für den Begriff des Arbeitgebers wirtschaftliche Verhältnisse maßgebend sind" **). Damit können wir wohl die Ausführungen über die Arbeit der Abhängigen schließen.

§ 45. 2. Die Entwicklung des abhängigen Arbeiterstandes in Deutschland. I. Handelt es sich hiernach beim Arbeitgeber um den, Nicht­ unternehmer- beschäftigenden, Unternehmer und beim Arbeitnehmer um die von ihm beschäftigten Nichtunternehmer8), so ist die Ab­ hängigkeit so alt, wie Unternehmungen Nichtunternehmer in unfreien und freien Verhältnissen beschäftigen *). Wenn wir die Haushaltung als Betrieb anerkannt haben, so wird sie, und zwar oft sehr frühe, zum Unternehmen, sobald der Trieb erwacht, die Verwertung ihrer Erzeugnisse als ständige'Erwerbsquelle zu benutzen. Stets schließt an die Entstehung der Unternehmung sich die organisatorische Zusam­ menfassung mehrerer an5), auf genossenschaftlicher, d. h. unabhän­ giger, oder herrschaftlicher, d. h. abhängiger Grundlage beruhend. „Die Entstehung des Kapitalismus"5) schafft Millionen von Unter­ nehmungen und es ist kein Zufall, daß die wirtschaftliche Betrachtung von Unternehmung und Unternehmergewinn im 17. Jahrhundert und zwar in England beginnt. Dort entsteht der moderne Großbetrieb, insbesondere seit Erfindung der Dampfmaschine, wenn auch das Altertum in seinen Bergwerksbetrieben schon Großbetriebe hätte. Und Unternehmungen waren auch die mittelalterlichen Fronhöfe, Handels­ häuser usw. „Aber das moderne Unternehmen hat sich in Umfang und Organisation nach Abschluß der heutigen Kodifikationen als ein Grundgebilde unserer Wirtschaft allgemein verbreitet. Der Stamm unserer Gesetze hat ihm darum keine oder nur nebensächliche Beach­ tung zuteil werden lassen. Es steht außerhalb der Gesetzessystematik des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts. Je mehr indessen das Unternehmen als wirtschaftliche und soziale Organisation an tatsäch­ licher Bedeutung für die ganze Wirtschaftsorganisation zunimmt, *) S. 48 f. -)